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MÜNCHENER
1
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
HERAUSGEGEBEN
VON
0.i.ÄHBrtr, Ck.BiwIer,0.i.Bollinier,H.Curscknann, H.Helfarlek, W.i.Lenbe, 6. ».Hertel, J. i. Hicktl,F.Peazildt,H. t. Raikc, B.Spate,F.v. Winkel,
München. Freibnrgi.B. München. Leipzig. Kiel. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München
REDIGIERT
VON
HOFRAT DR- BERNHARD SPATZ
PRAKT. ARZT
LY. JAHRGANG.
1L Hälfte (Juli—Dezember).
MÜNCHEN
VERLAG VON J. F. LEHMANN
1908
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fife Mtife&mer Medldnbckeffrochensclirtit erscheint wöchentlich
fm Umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. * Preis der einzelnen
Nummer 80 -4. * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
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MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressieren: Pür die Redaktion ÄrnuiK
Strasse 26. Burcauzeit der Redaktion von 8*/»—1 Uhr. • Für
Abonnement an J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15 a. • Für
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Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
I.T.ingenr, SkJioilt, I.r.Bollioger, I tintlun, fl.Bellericti, V.v.Leibe,G.r.Merkel,J.r.liehe), F.Peazoldt H.r.Banke, B.Spatz, F.t.V iaeksl,
München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Eisenach. Würzbarg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 27. 7. Juli 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
Originalien.
Aus »dem Institut für experimentelle Pathologie und der Pro¬
pädeutischen Klinik-der deutschen Universität in Prag.
Das Wesen des Herzaltemans.
Von Prof. H. E. H e r i n g.
Als ich*) hn Februar 1904 den Nachweis führen konnte,
dass Herz alternans beim Menschen vorkomme, fiel mir schon
damals bei der Durchsicht der zahlreich aufgenommenen Herz-
stoss- und Arterienpulskurven jenes Falles auf, dass das
Kardiogramm und der Arterienpuls beim Al¬
ternans nicht immer überein stimmten.
R i h 1 2 ), welcher diesen Fall 1906 ausführlich veröffent¬
lichte, hat diesbezüglich auf S. 280 seiner Mitteilung eine Be¬
merkung gemacht; mehr darüber zu sagen oder die betreffen¬
den Kurven abzubiklen, in denen diese ausgesprochene Nicht¬
übereinstimmung hervortrat, konnte ich ihm nicht raten, da
wir diese nicht zu erklären vermochten. Jetzt tut es mir leid,
sie nicht abgebiidet zu haben, denn ich besitze von diesen In¬
kongruenzkurven nur noch eine, welche ich hier abbilden will
(Fig. 5). Uebrigens hat F. V o 1 h a rd 3 ) unter seinen im Jahre
1905 in dieser Wochenschrift abgebildeten Herzalternans-
kurven 2 Kurven (Fig. 1 und Fig. 4), welche diese Inkongruenz
auch zeigen; darauf aufmerksam gemacht hat V o 1 h a r d in
seiner Mitteilung nicht.
Diese Inkongruenz zwischen Herzstoss und Puls bezieht sich
nur auf die Grösse der Kurven, nicht auf den Rhythmus. Es
handelt sich hier also nicht etwa um Verhältnisse, wie sie bei
dem von mir als Pulsus pseudoalternans 4 ) Gezeichneten Puls-
alternans vorliegen, dessen Ursache eine Herz bigeminie ist,
sondern lediglich darum, dass bei bestehendem Pulsalternans
das Kardiogramm insofern mit jenem nicht übereinstimmt, als
der Herz alternans dem Puls alternans direkt ent¬
gegengesetzt erscheint, indem der grossen Herzstoss-
kurve der kleine Puls und umgekehrt entspricht.
Dabei setze ich als selbstverständlich voraus, dass das
Kardiogramm bei ruhig gestelltem Thorax gut aufgenommen
wurde.
Heute vermag ich diese Herz-Puls-Inkongruenz beim Al¬
ternans zu erklären, und zwar verdanke ich die Erklärung
dem Tierexperimente; aber nicht allein das, letzterem ver¬
danke ich auch die Einsicht in das Wesen des Alternans, wel¬
cher auf einer zeitweiligen partiellen Hypo - ev.
A s y s t o 1 i e beruht, womit zum ersten Male beim* Säuge¬
tierherzen der Nachweis geführt wurde, dass es unter patho¬
logischen Umständen vorkommt, dass von den gesam¬
ten Muskelfasern eines Herzabschnittes zur
selben Zeit nicht alle in gleicher Weise in
Aktion geraten.
<■;' Dieser Nachweis ist auch ein Erfolg der Suspensions-
Methode, welche Gaskell am Kaltblüterherzen zuerst ver¬
wendete] Engelmann weiter ausgebildet hat und K n o 11
querst am Warmblüterherzen benützte.
*) Prag. med. Wochenschr., Bd. XXIX, 1904.
r ' *) lieber Herzaltemans beim Menschen. Zeitschr. f. exp. Path.
u. Ther., Bd. 3, 1906.
3 ) Münch, med. Wochenschr. No. 13. 1905.
«) Prag. med. Wochenschr., Bd. XXVII, April 1902.
- No. 27.
O i. ' % A >
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet.)
Gerade zum Nachweis der partiellen Hyposystolie eines
Herzabschnittes wäre mir überhaupt keine andere Methode zur
Verfügung gestanden, wenn ich auch durch direkte Inspektion
des Herzens sehen konnte, dass sich bei der kleinen Systole des
Alternans eine Kammer partiell verschieden stark kontrahiert.
Wie ich kürzlich 5 ) mitteilte, habe ich meine ersten Be¬
obachtungen über die zeitweilige partielle Hyposystolie beim
Alternans zuerst am künstlich mit Ringer scher Lösung
durchströmten Hundeherzen gemacht.
Jetzt ist es mir gelungen, worüber ich auf dem letzten
Kongress für innere Medizin berichtete, auch am natürlich
durchströmten Hundeherzen diese Beobachtungen zu machen
und das Zustandekommen der Herz-Puls-Inkongruenz aufzu¬
klären, wobei sich auch interessante Beziehungen an dem
gleichzeitig mitverzeichneten Venenpulse ergaben.
Obwohl mir der Herzaltemans am Säugetierherzen schon
seit 12 Jahren auf Grund eigener Experimente bekannt ist
und ich sehr zahlreiche Herzalternanfeskurven, besonders vom
Ringerherzen besitze, und ich schon wiederholt eine Mitteilung
über den experimentell von mir beobachteten Herzaltemans
versprochen habe, so habe ich sie nicht nur deswegen immer
verschoben, weil mich anderes gerade mehr interessierte!,
sondern auch deswegen, weil alle diese früher von mir be¬
obachteten Alternantes sozusagen Gelegenheitsalternantes
waren, d. h. ich kannte noch kein Mittel, um damit sicher
Herzaltemans erzeugen zu können.
Da kam im Juli 1906 Dr. O. Adler") aus dem Pohl-
sehen Institute zu mir und frug mich, ob die Pulskurve, welche
er unter der Einwirkung von Glyoxylsäure erhalten habe, ein
echter Alternans sei. Einige sogleich am Herzen von Ka¬
ninchen und Hund mittelst der Suspensionsrtiethode von mir
ahgestellte Versuche überzeugten mich davon, dass wirklich
ein echter Herzaltemans vorlag. Diese Glyoxylsäure, welche
ich der Freundlichkeit des Kollegen Pohl verdanke, habe ich
nun zu meinen weiteren Versuchen über den Herzaltemans
benützt, und kann nur bestätigen, dass wir in der Glyoxylsäure
ein Mittel besitzen, um Herzaltemans erzeugen zu können.
Nachdem ich 24 Versuche in der Weise gemacht hatte,
dass ich das Herz freilegte und an mehreren Punkten der
Kammer suspendierte, wobei Ich gleichzeitig die Tätigkeit des
Vorhofes, den Arterien- und Venenpuls mitverzeichnete, ging
ich daran, den Alternans auch am nichtfreigelegten
Herzen zu studieren.
Während ich die am freigelegten Herzen gewonnenen
Kurven an anderer Stelle (Zeitschrift f. exp. Path. und Therap.)
veröffentlichen will, weil sie zu viel Platz beanspruchen, denn
meistens wurden 5—6 Kurven gleichzeitig geschrieben, möchte
ich hier wenigstens einige von den am nichtfrei geleg¬
ten Herzen des Hundes gewonnene Kurven abbilden und
zwar deswegen, weil hiebei die Herztätigkeit und der Venen¬
puls mittels klinischer Methoden verzeichnet wurden.
Studium des Alternans am Hund mittels kli¬
nischer Methoden.
Das Kardiogramm und der Venenpuls 7 ) wurde in diesen Fällen
so wie beim Menschen verzeichnet; beide mittels Luftübertragung,
6 ) Deutsch, med. Wochenschr. No. 15. 1908.
e ) Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 56, Januar 1907.
7 ) Auf die Einzelheiten, welche der Venenpuls beim Alternans
bietet, behalte ich mir vor, später zurückzukommen.
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I4iä
MtlENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ersteres mit Pelotte, letzterer mit geeigneten Glastrichtern. Nur der
Arterienpuls wurde nicht klinisch aufgenommen, da es der Zweck
nicht erforderte, also nicht mit einem Sphygmographen, sondern mit
dem H ü r t h 1 e sehen Tonometer.
Die Hunde waren kurarisiert. ihre Vagi durchschnitten; die
Kurven wurden aufgenommen, während für kurze Zeit die künst¬
liche Ventilation ausgesetzt wurde. Kardiograph und Trichter waren
in geeigneter Weise mittels mechanischer Hände fixiert. Der Altcr-
nans wurde durch Glyoxylsäure bewirkt.
In big. 3 war der Altcrnans in beiden Kardiogrammen
und im Artcricnpuls gleichsinnig; dasselbe ist 711 n.iv.hst
irr big. 4 zu sehen, welche die Fortsetzung von big. 3 ist; dann er¬
folgt bei -} cm Kammersvstolenausfail und im Anschluss daran u ;rj
der Altcrnans der beiden Kardiogramme gegensinnig.
Den Beginn dieser (iegensmmgkeit sieht man schon beim Pud ..
am deutlichsten bei *; von da an blieb diese <iegensmn.gke.t be¬
stehen.
J >ic ScktinM cr Kab nach vorhergegangener Nadelimg. dass int
IV. Interkostalraum die Konusgegend der rechten Kammer, im
\. Interkostalraum die >pit/cngi gend der
linken Kammer getn-nen war. *
Versucli A und B unterscheiden
sich also in folgender Hinsicht. Bei A
(iegensii'iiigkeit zwisJicfl Imker Kam¬
mer und Arttrierpuls, wahrend bei H
(ileiclismmgkeit bestand; ferner bei A
(iegensmmgkeit zwischen Konus¬
gegend der rechten und Spitzengegend
der linken Kammer, wahrend bei H
anfangs Gleichsinnigkeit und erst nach
einer interkurrenten Inregetamssig-
keit (iegensmmgkeit der genannten
Hcrzubschu'tte vorhanden war.
Ich begütige mich hier mit der An-
fiihrung der Ergebnisse dieser zwei
\ersuche; mir kam es nur darauf an
zu zeigen, dass man beim herz-
alternans dieselben Resultate,
die ich mit Hilfe der Suspen¬
sion s m ct h o dc schon vorher
erhalten hatte, a 11 c h mittels
der auf der Klinik üblichen
Methode der Kardiographie
erhält.
Fig. 1.
a c(k) v,+d
Hund. Alternans. Jug. = Jugularvenenpuls, II ,= Hcrzstosskurve vom V Interkostal-
raum. L =3 Larotis. H und L gegensinnig. Die Zeit ist in big. 1, 2 , 3 und 4
in Sekunden angegeben.
Fig. 1 zeigt von einem Versuche (A) oben den Venenpuls der
Jugularis (J), dann die Hcrzstosskurve (H), aufgenommen im
fünften linken Interkostalraimi und endlich den Artcricnpuls der
Carotis (C). Diese Kurven gehen sehr deutlich die Herz-Puls-
Inkongruenz beim Alternans wieder. Der grossen Herzstoss-
kurve entspricht der kleine Artcricnpuls und umgekehrt.
In Fig. 2 wurde der Hcrz-
stoss im dritten linken Inter-
kostalraurn aufgenommen, sonst
wurde nichts geändert. Wäh¬
rend in Fig. 1 der Herzstoss
und der Arterienpuls hinsicht¬
lich der Grösse gegensinnig
war, ist in Fig. 2 Herzstoss und
Arterienpuls gleichsinnig,
d. h. der grossen Herzstoss-
kurve entspricht der grosse
Arterienpuls und umgekehrt.
Indem wiederholt unmittel¬
bar hintereinander einmal im V.,
das andere Mal im III. Interko¬
stalraum aufgenommen wurde,
liess sich feststellen, dass im
III. Interkostalraimi der Herz-
Puls-Alternans immer gleich¬
sinnig, im V. Interkostalraimi
immer gegensinnig war. Nach
dem Tode des Hundes wurden
lange Nadeln in die betreffen¬
den Interkostalräume gestochen
und nach Eröffnung des Thorax
festgestellt, dass die Nadel im
V. Interkostalraimi das linke
Herz etw'as oberhalb der Herz¬
spitze, die Nadel im III. Inter-
kostalraum^das rechte Herz an
der Basis in der Konusgegend
getroffen hatte.
Cs bestand also auch eine G e g e n s i n n i g k c i t der
Kardiogramme des III. und V. Interkostal-
raumes, d. h. der Konusgegend der rechten und
der Spitze ngegend der linken Kammer, so wie
ich cs mittels der Suspensionsmethode schon beobachtet hatte.
Bei einem anderen Versuche (B) gleicher Art nahm ich ausser
dem Karotispuls das Kardiogramm vom IV. und das Kardiogramm vom
Vr Intcrkostalraum gleichzeitg auf, wie es Fig. 3 und big. 4 zeigt.
In Zukunft wird es zweckmässig sein beim Hcrzalternans.
so w eit cs der Fall ermöglicht, an mehreren Stellen das Kardio¬
gramm aufzunehmen, dann wird man mit denselben Methoden,
die ich hier beim Mund benutzte, auch heim Menschen d e
Cig. 2.
gleichen Crgebnisse bekommen. Vorläufig muss ich mich damit
1 begnügen, im folgenden ein Kardiogramm eines Her/aiternans
vom Menschen anzuiiihren, welches nur den einen der beim
1 Hund gewonnenen Fälle wiedergibt, nämlich ienen Fall, in wel-
, ehern das Kardiogramm derselben Stelle der Ihoraxwand erst
I gleichsinnig und dann gegensinnig mit dem Arterienpuls ist.
n c (k) Vj f- d
Hund. Altcrnans. Jug. .lugularveiicnpuls, II Hcrzstosskurvc vom III. Intcrkostalraum,
L - - Larotis. H und L gleichsinnig.
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7 . Juli 190&
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1415
Kardiogramm und Puls eines Herzalternans J
vom Menschen.
Wie ich zu Beginn dieser Mitteilung erwähnte, handelt es sich !
um jenen Fall von Herzalternans, den ich im Februar 1904 beobachtete
und den R i h 1 im Jahre 1906 mit anderen Fällen von Herzalternans
veröffentlichte, und zwar ist es der erste Fall seiner Mitteilung, auf
welche ich bezüglich der Krankengeschichte verweise.
Fig. 3.
Hund. Alternans. H = Herzstosskurve, oben 'vom V. Interkostalraum
linke Kammer (HL), darunter vom IV. Interkostalraum rechte Kammer
(HR); HR, HL und C gleichsinnig.
Fig. 5 gibt das Kardiogramm und den Kubitalpuls wieder. Man
sieht den Alternans am Kardiogramm und Puls in deutlicher Weise.
Das Besondere dieser Kurven besteht nun darin: 1 . dass der Herz¬
alternans von der 7. Erhebung an eine Aenderung erfährt. 2. dass der
Herzalternans vor dieser Aenderung mit dem Arterienpulse gleich¬
sinnig, nach ihr gegensinnig ist.
Fig. 5.
"/ / J $ / / c f 9 7t
LA JLLXJULLjLJLI ULLLUJLl J H ! J 1 ) < M 1 1 M 1 I I I I
Mens:b. Alternans. H = Herzstosskurve, Cb = Kubitalpuls,
Zeit in 1 /s Sekunde. Bis zur 7. H ist H und Cb gleichsinnig,
dann gegensinnig.
Die Aenderung besteht hier darin, dass in der Herzstoss-
kurve nach der sechsten Erhebung, welche eine kleine ist, nicht
eine grosse, sondern wieder eine kleine folgt und erst nach
dieser die Alternation ihre Fortsetzung findet. Warum hier
zwei kleine Erhebungen hintereinander folgen, darüber kann
ich mich nur vermutungsweise äussern; eine Atmung des Pa¬
tienten oder Unruhe desselben ist auszuschliessen; wäre die
siebente Erhebung rein mechanisch bedingt, worauf gar nichts
HL
VI.
HR
1V.I.
c
Fortsetzung von Fig. 3, dieselben Bezeichnungen. Bei + ein Kammersystolenausfall. Vom Pfeil 4 ., am deutlichsten von * an
wird HL und HR gegensinnig.
Fig. 4.
4.
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1420
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
hindeutet, so müsste sie eine verstümmelte grosse Erhebung
sein; dagegen spricht, dass die nächste Erhebung eine grosse
ist und die Kurve weiterhin ganz ungestört verläuft.
Meine Vermutung stützt sich auf das im folgenden er¬
örterte Wesen der Alternans, demzufolge die zweite kleine
Erhebung vielleicht dieselbe Genese hat, wie die anderen
kleinen Erhebungen, d. h. dass zweimal hintereinander partieller
Systolenausfall eintrat (s. u.).
Die Gegenseitigkeit des Herzalternans und Pulsalternans
nach jener Aenderung ist hier analog der in Eig. 1 abgebildeten
Gegensinnigkeit.
Die bei der siebenten Erhebung eingetretene Aenderung
und die damit erfolgende Gegensinnigkeit von Herzstoss und
Puls führt interessanter Weise hier anscheinend zu gar keiner
Aenderung in der Pulskurve; misst man jedoch die hohe der
Pulskurven aus, dann findet man eine geringe Vergrösserung
der kleinen Erhebungen von der achten Erhebung an; der S.,
10. und 12. Puls ist um einen halben Millimeter grösser als die
vor der Aenderung auftretenden kleinen Erhebungen.
Aus der Gegensinnigkeit des Herz- und Pulsalternans in
Eig. 1 und 5 geht eine wichtige Tatsache hervor, nämlich die,
dass diejenige Muskulatur des linken Ven¬
trikels, welche das Blut austreibt, und die¬
jenige, welche den Spitzen stoss bewirkt, we¬
nigstens zum Teil nicht dieselbe ist.
Diese Tatsache stimmt gut mit den Ergebnissen der a n a -
t o m i s c h e n Untersuchungen von L u d w i g, Kr e h 1 und
E. A 1 b r e cti t überein.
Man beachte, dass w ir hier auf physiologische m
Wege zu einer anatomischen Tatsache gelangt sind, und zwar
zu einer Tatsache, für welche man n ti r a u f physiologi¬
schem Wege den Beweis erbringen kann.
Das Wesen des Herzalternans.
Dass der Herzalternans auf einer Störung der Kontraktilität
des Herzens beruht, ist selbstverständlich, denn es besagt dieser
Ausdruck hier nichts anderes als das, was man unmittelbar
beobachten kann. Worauf beruht aber die Störung der Kon¬
traktilität beim Alternans? Das ist die Erage, welche zu be¬
antworten war.
Meine zahlreichen Experimente am Säugetierherzen haben,
wie gesagt, ergeben, dass zur Zeit der kleinen Sy¬
stole des Herzalternans eine partielle Hypo-
e v. A s y s t o 1 i e des betreffenden H e r z a b s c h n i t-
t e s vorliegt.
Wir wollen nun sehen, ob war zu dieser auf induktivem
Wege gelangten Erkenntnis auch auf deduktivem Wege kom¬
men, w r enn wir von folgenden zwei Gesetzen der Herztätigkeit
ausgehen, dem Erequcnzgesctz und dem „Alles oder Nichts"-
Gesetz. Das Erequcnzgesctz besagt, dass mit der Aenderung
der Frequenz des Herzschlages eine Aenderung in der Kon¬
traktion des Herzens erfolgt, indem mit der Erequenzzunahme
eine Kontraktionsabnahme erfolgt und umgekehrt. H )
Da nun die grossen und kleinen Kontraktionen beim Herz¬
alternans sich im gleichen zeitlichen Abstand folgen, also keine
Rhythmusänderung eintritt, kann die Grössenalternation der
Kontraktionen nicht auf Grund einer Erequenzänderung erklärt
werden.
Da keine Frequenzänderung vorliegt, kann es sich nur um
eine Aenderung des Zustandes des im Alternans schlagen¬
den Herzabschnittes handeln, denn es geht nicht an, die kleinere
Kontraktion beim Alternans auf einen schwächeren Reiz zu¬
rückzuführen. Ob der die kleinere Kontraktion des Alternans
auslösende Reiz kleiner oder grösser ist als der die grossere
Kontraktion auslösende Reiz, ist hier gleichgültig; wenn über¬
haupt der Reiz wirkt, und das sehen wir am Auftreten der
Kontraktion, so muss auf Grund des „Alles oder Nichts“-Ge-
8 ) Die von E. B. Hof mann (Pflüders Arcli., Bei. 8-1, 1901,
S. 130) am isolierten Erosehventrikel bei künstlicher Reizung be¬
obachteten Abweichungen vom Frequenzgesetz oberhalb des Fre-
quenzoptimums kommen hier nicht in Betracht, denn der Alternans
wurde von mir immer an Herzen beoabchtet. welche nicht oberhalb
des Frequenzoptimums schlugen.
NV27.
setzes das jeweilige Koutruklioiismaximum ersJic uicii. J. h.
das dem jeweiligen Zustande der Her/mu^keltasern entspre¬
chende Maximum der Kontraktion. Da dieses mJi a't .tui.tc r J
ändert, kann ohne Erequcn/andcrimg d e kleinere Kontrast:« »n
nur auf einer zeitweiligen Aenderung des Zustandes der
Herzmuskulatur des betreffenden MerzabOimttes beruhen.
\\ eicher Art kann mm diese zeitw eilige, pci§ J.sJi w ieder-
kehrende Ztistandsanderung der Muskulatur eines lie’/ih-
schmttes sein?
Die zur Zeit der kleineren S\ st.de des Alternan> pvnod s^H
wiederkehrende Zustandsändenmg kann nicht darauf be¬
ruhen, dass alle Muskellasern des betreffenden IKrztb-
schnittes bei der kleinen Systole sjiw.uher, bei der gr
Systole stärker in Aktion geraten, denn diese Annahme ist .i.:!
Grund des Erequeuzge-setzes nullt zulässig, J i keine U’hYlhunis-
änderung vorhegt. I» e m n a c h k a n n e s s i c li n u r d .. r w n.
handeln, dass lediglich ein I e i 1 der M u s ku -
I a t ii r des b e t r e f f enden M e r / a b s c h n i t t e s i u
jene Z u s t a n d s a n d e r u n g gerat. Duser Kl kavi
aber nicht zur Zeit der kleinen Sy st.de sJiwaJier, /nr / e:t der
grossen Systole starker in Aktion gerat» n, denn was mit I ez:ig
auf das Erequen/geset/ vom ganzen l terzabs v !m:t g’t. g t
auch von einem lei! desselben. Abgesehen da\ »n wird.-',
wir den Alternans auf diese Weoe auJi mJit erk’aren. de: :i
es bestünde dann ein Alternans eitles Iedcs der Muskulatur.
Es bleibt somit wohl keine andere Ann ihme übrig, a's
die, dass zur Zeit der kleinen Systole ein I e i 1 d e r M e r z-
iii u s k ii 1 a t u r gar nicht in Aktion tritt.
Wir sehen daraus, dass uns der deduktive W eg sng.tr u*« fc h
einen Schritt weiter fuhrt als der Ks letz* \ »rhegende in¬
duktive, denn ich habe auf Grund meiner Experimente nur d e
partielle H y P o s y s t o I i e für erwiesen ueges.hrn. da de
Methode eine partielle AswoKe nicht si Ju r anzu/eigen ver¬
mag. Der deduktive Weg fuhrt uns aber d.ukt zu vlu experi¬
mentell nur vermuteten partiellen A s y s t o ! i e.
Mit anderen Worten handelt es siJi beim Alternans zur
Zeit der kleinen Systole um einen partiellen S \ s t o Kn¬
au s i a 1 I, d. h. ein Teil der Muskulatur reagiert auf d.e ank<>m-
mende Erregung nicht; dieser I eil wird mit der Zunahme d. >
Alternans immer grosser und grosser und damit d e kleinere
Systole immer kleiner und kleiner, bis sie sjibesshji eventuell
ganz verschwinden kann. Kann ist zwar d:e ganze Muskulatur
des betreffenden Merzabschnittes in iene Zustands. mderung ge¬
langt, es besteht aber kein Altertums mehr, solidem totale r
Systoleiiaustall.
Das Wesen des Herzalternans besteht also
darin, dass zur Zeit der kleineren S \ s t o I e ein
T e i I d e r M u s k e I f a s e r n a u f J i e a n k o m m e n d e F. r-
regung nicht reagiert. Indem diese partielle Reuk-
tionslosigkeit nur zur Zeit der kleinen Svstnle besaht, zur Zeit
der grossen Systole aber nicht vorhanden ist, h a b e n w i r e s
b e i m Herzalternans mit einer p e r i o d t s c h a u f-
tretenden partiellen Asystol i e zu tun.
Da es sich beim Alternans um einen partiellen >\st.Kn-
ausfall handelt, konnte mau in Analogie mit dem durch mir
Ueberleitiingsstorung bedingten Kämmers vstolen.tiMa!! er¬
warten, dass es auch beim Alternans dazu kotmnen kann. da>s
der partielle Systoleiiaustall nicht nur einmal, sondern mehrere
Male unmittelbar hintereinander erfolgt, d. Ii. dass zwei oder
mehr kleine Systolen unmittelbar hintereinander anitreten.
In Anbetracht dieser Möglichkeit habe ich oben bei Be¬
sprechung der Fig. 5 die Vermutung geaussert. dass das Auf¬
treten von zwei kleinen Systolen unmittelbar hintereinander
bei einem im Alternans schlagenden Herzen vielleicht in der
angegebenen Wei>e seine Erklärung findet.
In Konsequenz dieser Vermutung ergibt sich lern er, dass
der partielle Kammersystoleriausiall, wenn er nicht nur einm.d,
sondern bei mehreren Systolen unmittelbar hintereinander er¬
folgt, das Dild des Alternans sehr verwischen kann, wie ja das
Bild des Alternans z. B. schon verloren geht, wenn bei ihm
der zeitweilige partielle Kamiitersysto'enaffsu!! in einen zeit¬
weiligen totalen Kaimuers\ sp>KnausKH übergeht.
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1421
Es genügt mir hier, auf diese Möglichkeiten die Aufmerk¬
samkeit gelenkt zu haben, ausführlicher werde ich in meiner
Mitteilung in der Zeitschrift für experimentelle Pathologie da¬
rauf zurückkommen.
Aus der medizinischen Klinik Heidelberg (Prof. Krehl).
Ueber die Wichtigkeit der Urobilinurie für die Diagnose
von Leberaffektionen.
Von Privatdozent Dr. Fisch Fe r.
Schon längere Zeit habe ich meine Aufmerksamkeit auf das
konstante Vorkommen von Urobilin und seiner Vorstufe, dem
Urobilinogen, im Harn bei gewissen Krankheiten gewendet.
Immer mehr befestigt sich dabei bei mir die Meinung, dass hier
Regelmässigkeiten bestehen, die nicht allein ein hohes Interesse
für die pathologisch-physiologische Auffassung des gänzen
Symptomenkomplexes haben, sondern namentlich auch für
praktische Fragen, für Diagnose und Prognose von recht gros¬
ser Bedeutung sind. Und gerade darum möchte ich sie an
dieser Stelle mitteilen.
Die Urobilinurie und die Urobilinogenurie kommt bei einer
recht grossen Anzahl von Krankheiten vor. Gerade hierdurch
wurde aber die an und für sich höchst auffällige Erscheinung
falsch bewertet, da man deswegen annehmen zu müssen
glaubte, dass sie eines speziell diagnostischen Wertes entbehre.
Ich glaube sehr mit Unrecht; denn in ihren einzelnen Be¬
deutungen analysiert, ergibt sie uns oft sehr bestimmte und
genaue diagnostische und prognostische Winke, wie ich im Fol¬
genden zu zeigen versuchen werde. Zunächst will ich ganz
kurz auf die normalen Verhältnisse eingehen, da sie zum Ver¬
ständnis des Folgenden Voraussetzung sind.
Das Bilirubin der Galle wird im Darm durch die Bakterien¬
tätigkeit reduziert und in Urobilin resp. Urobilinogen verwan¬
delt. Beide werden zum Teil resorbiert und mit dem Blutstrom
der Leber zugeführt. Diese fängt die Bestandteile ab und
scheidet sie mit der Galle wieder aus, wahrscheinlich nicht
ohne dass gewisse Umsetzungen in der Leber damit vorher
eriolgt sind. Es besteht also für das Urobilin und seine Vor¬
stufe ein Kreislauf Darm, Blut, Leber, Galle, Darm. Das lässt
sich sofort an einem Tiere mit kompletter Gallenfistel zeigen.
Normal enthält jede Galle Urobilin, resp. Urobilinogen. Sorgt
man abef durch Unterbindung des Ductus choledochus und An¬
legung einer Fistel dafür, dass die Galle nach aussen abfliesst
und von dem Tier auch nicht aufgeleckt werden kann, so ver¬
schwindet schon nach wenigen Tagen das Urobilin und Uro¬
bilinogen aus der Galle. Lässt man das Tier wieder die Galle
auflecken, so treten auch wieder die Farbstoffe in ihr auf.
Für den Menschen gelten genau dieselben Verhältnisse,
wie Gallenfisteloperationen bei vollkommenem Choledochus-
verschluss gezeigt haben. Wenn er lange genug bestanden hat,
enthält die Galle kein Urobilin und kein Urobilinogen. Wird
operativ der Choledochus wieder wegsam gemacht, so tritt
jetzt wieder nach wenigen Tagen durch Resorption der in den
Darm ergossenen und umgewandelten Galle Urobilin und sein
Chromogen in der Fistelgalle auf.
Der Urin nun enthält normalerweise keine, oder nur ge-
ringd Spuren von Urobilin und Urobilinogen. Es ist das grosse
Verdienst Friedrich Müllers 1 ), gezeigt zu haben, dass auch
das unter pathologischen Umständen im Harn auftretende Uro¬
bilin enterogenen Ursprungs ist. Ein Patient, welcher an voll¬
kommenem Choledochusverschluss litt und im Harn nur Bili¬
rubin ausschied, erhielt vermittelst des Magenschlauches Galle
in den Magen. Nun trat wieder, und zwar nach drei Tagen,
im Urin Urobilin auf. Nach Aussetzen der Gallezufuhr per os
setzte auch die Ausscheidung des Urobilins im Ham aus, der
jetzt wieder nur Bilirubin enthielt. Ich habe in ausgedehnten
Versuchen am Hunde diese Experimente wiederholt und kann
sie im vollen Umfange bestätigen. 2 )
i) Fr. Müller: Ueber Ikterus. Verhandl. der sehles. Gesellsch.
f. vaterländ. Kultur.
3 ) Fi schier: Hab.-Schrift, Heidelberg 1906 und Zeitsclir. i.
physiolog. Chemie, Bd. 47 u. 48.
Aus diesen übereinstimmenden Tatsachen der klinischen
Beobachtung und des Tierexperimentes geht meines Erachtens
mit Sicherheit hervor, dass die Leber dasjenige Organ ist,
welches normalerweise den vom Darm herziehenden Uro¬
bilinogen- und Urobilinstrom reguliert und dafür eine unbedingt
ausschlaggebende Rolle spielt.
Gerade diese Erkenntnis halte ich für sehr wichtig,
denn sie muss auch den Angelpunkt für die Erklärung der pa¬
thologischen Verhältnisse abgeben.
Es ist klar, dass beim katarrhalischen Ikterus bei einer in
der Leber erfolgenden Parapedese des Gallenfarbstoffes auch
Urobilin in den Kreislauf kommen muss, so lange es vom Darm
resorbiert wird, da ja die Galle immer s o lange Urobilin und
seine Vorstufe enthält* als die Möglichkeit der Resorption vom
Darm her gegeben ist. In dem Momente aber, in welchem ein
vollkommener Abschluss der Galle vom Darm eintritt, besteht
diese Möglichkeit nicht mehr und der Urin enthält dann nur
Bilirubin. Dieser Augenblick zeigt sich also hierdurch mit
grosser Präzision an und darf für die Diagnose vollkommener
Gallenverschluss z. B. beim Fehlen des Stuhls unter gewöhn¬
lichen Verhältnissen als sicher verwertet werden. Im Beginn
eines Ikterus und bei seinem Ausklingen, kommt es aber als
Regel vor, dass nur Urobilin und Urobilinogen ohne jeden Bili¬
rubingehalt im Harn zu finden ist. Es lässt sich dies namentlich
an rezidivierenden Ikterusfällen nachweisen. Eine Erklärung
dafür, warum namentlich im Beginn eines Ikterus häufig nur
Urobilin und Urobilinogen vorhanden sind, ist recht schwer.
Offenbar bestehen leichtere Diffusionsverhältnisse für diese
Farbstoffe, wie für das Bilirubin, doch können auch noch ganz
andere Einflüsse dabei massgebend sein. Beim Ausgang des
Ikterus hat man das vermehrte Auftreten von Urobilin und
Urobilinogen damit erklärt, dass nach Freiwerden des Hinder¬
nisses im Choledochus massenhaft Bilirubin in den Darm er¬
gossen wird, das umgew r andelt und resorbiert die Leber mit
Urobilin überflutet. Aber nichtin allen Fällen wird das Hinder¬
nis in den Gallenwegen plötzlich frei, wie die Beobachtung erst
sich allmählich färbender Stühle deutlich genug zeigt. Und
trotzdem ist auch in diesen Fälle Urobilin und Urobilinogen
sehr reichlich im Urin vorhanden. Es harren diese Verhältnisse
noch einer endgültigen Klärung.
In nicht seltenen Fällen kommt es aber trotz deutlicher
Erkrankung der Leber, Schmerz und Schwellung derselben,
dunklen Urins etc. nicht zur Bilirubinausscheidung im Harn. Es
besteht dauernd nur Urobilinurie. Da verhältnismässig wenig
derartige Beobachtungen vorliegen, so will ich im Folgenden
eine besonders prägnante hier mitteilen, die jüngst auf unserer
Klinik zur Beobachtung kam.
E. J., 15 Jahre alt, Kaufmannslehrling. Familienanamnese ohne
jeden Belang. Pat. war früher völlig gesund und erinnert sich an
keine Kinderkrankheiten. 8 Tage vor seiner Aufnahme, die am
5. XII. 07 erfolgte, will er mit Kopfschmerzen erkrankt sein. Am
folgenden Tage stellte er sich zur Untersuchung in der hiesigen
Ambulanz vor, dort wurde der Pat., nachdem nichts Besonderes an
ihm gefunden wurde, mit diätetischen Vorschriften nach Hause ent¬
lassen. Zu Hause bestand Uebelkeit und Brechreiz, einmal Fieber
bis 38, die drei folgenden Tage w r ar er völlig wohl. 2 Tage vor der
Aufnahme bemerkte seine Mutter, dass er gelb aussah. Es trat
wieder Uebelkeit und Ekel vor dem Essen auf. auch einmal Er¬
brechen. Kopfweh und Schmerzen im Leib wurden weiterhin ge¬
klagt. Der Stuhlgang war hart, leicht verstopft, aber von dunkler
Farbe. Weiterhin bemerkte Pat. nichts ausser dass der Urin seit
gestern auffällig dunkel war. Fieber bestand keines. Bei der Auf¬
nahme zeigte sich, dass Pat. mittelgross und von kräftigem Körper¬
bau war. An den Skleren und der Mundschleimhaut fällt eine sub-
ikterische-Färbung auf. auch die Körperhaut ist etwas gelblich. Die
Zunge ist nicht belegt, feucht, Lungen und Herz sind vollkommen
normal. Der Puls durchaus normal, kräftig, nicht verlangsamt 80.
Am Abdomen fällt auf, dass die Bauchdecken etwas gespannt er¬
scheinen, namentlich im Epigastrium. Die Leber überragt den Rippen¬
bogen in der Mammillarlinie um zwei Ouerfingerbreite. In der Mitte
geht sie bis zu.m Nabel, ihre Konsistenz ist hart, bei Palpation nicht
empfindlich, die Oberfläche fühlt sich vollkommen glatt an. Die Milz
ist sehr deutlich vergrössert. Perkussion 13:7, ihre Spitze ist sehr
deutlich als harter stumpfer Rand palpabel. Die übrigen Organe sind
intakt, Temperatur überstieg 36,9 nie. Der Urin ist schwach sauer,
dunkelbraungclb, enthält weder Saccharum noch Albumen und hat
ein spez. Gewicht von 1010. Er enthält massenhaft Urobilin und
Urobilinogen, keine Spur von Bilirubin (G m c h I i n). Das Blutbild
ist normal. In den nächsten Tagen nun wird die gelbe Hautfärbung
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1422
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
eher noch etwas deutlicher, Pat. hat schlechten Appetit und fühlt
sich noch etwas elend, der Urin bleibt von tief braunroter Farbe.
Die Stühle sind geformt, erfolgen alle 2 läge und sehen fast ton-
farben aus, enthalten deutliche Mengen Urobilin und Seitenkrystalle.
der Urin behält während der ganzen Zeit seine dunkle Farbe, ent¬
hält nie eine Spur von Bilirubin, dagegen deutlich Urobilin und
Urobilinogcn. Die Leber verkleinert sich gleichzeitig mit dem M 1 1 /-
turnor allmählich und am 17. XII. ist sie nicht mehr palpahcl. sowie
auch die Milz nicht mehr palpabel ist. Der Urin ist hell und enthalt
nun weder Urobilin noch Urobilinogen. Am 19. XII. wird der Junge
vollkommen wohl und in normalem Zustande nach Mause entlassen.
Am 12. XII. klinische Vorstellung ((ich. Rat Krell I). Leber
stark vergrössert, desgleichen Milz, kein Fieber, Stühle tonfarben. im
Urin kein Bilirubin, massenhaft Urobilin und Urobilinogen. Diagnose:
Hepatitis acuta. Prognose: gut. Therapie: Schonungsdiät. Bettruhe.
Dass hier eine Affektion der Leber bestanden hat, erhellt
unmittelbar aus dem klinischen Befund eines Leber- und Milz-
turnprs, die allmählich zurückgingen und zugleich mit ihnen der
pathologische HarnbefumJ. Eine chronische Schädigung der
Leber hat hier sicher nicht vorher bestanden, da der Junge
absolut gesund war und niemals irgendwelche derartige Klagen
vorher gehabt hat. Wir müssen im Gegenteil eitie akute Ver¬
änderung annehmen, die sich namentlich auch aus der Rück¬
bildung der Organe zur Norm, sowie des Ganzen zu normalen
Verhältnissen gezeigt haben. Da kein Fieber während der
Dauer der Leberschwellung bestand, so bleibt vermutlich nur
eine toxische Wirkung, welche in diesem besonderen Falle
wohl einen speziellen Angriffspunkt in der Leber hatte. Wenn
man annimmt, dass die unter diesen Umständen geschädigte
Leber nicht mehr die Fähigkeit hatte, den Urobilinstoftwcchscl
richtig zu bewältigen, sei es dass ihre Resorptionskraft ver¬
mindert war, oder ihre chemische Energetik notgelitten hatte,
und dass so das Urobilin teilweise ins Blut gelangen konnte,
so dürfte man den tatsächlichen Verhältnissen vielleicht am
nächsten kommen. Eine Ueberlastung des Darmes mit Urobilin
kann gar nicht vorliegen, da die Fäzes fast tonfarben waren.
Eine quantitative Bestimmung des Gehaltes derselben an Uro¬
bilin wurde unterlassen, da eine wirklich genaue Methode dafür
noch nicht existiert. Auch an einem vermehrten Untergang von
Blutkörperchen darf nicht gedacht werden, da Zeichen dafür
vollständig mangelten. Es bleibt also nichts übrig, als die ver¬
änderte Lebertätigkeit für das Durchpassieren des Urobilins
und Urobilinogens verantwortlich zu machen.
Nun existiert eine grosse Gruppe von wohlcharaktcrisicrten
Krankheiten, bei denen ähnliche Verhältnisse sozusagen dau¬
ernd bestehen, am ausgeprägtesten wohl bei der L a c n n e c -
sehen Zirrhose, dann bei der grossen Reihe anderer Hepati¬
tiden, ferner bei schweren Herzfehlern, schweren destruieren-
den Lungenprozessen, vorweg der Lungenphthise, weiter bei
Anämia perniciosa und endlich bei schwer fieberhaften Affek¬
tionen.
Müssen oder dürfen wir hier die Leber ebenfalls dafür ver¬
antwortlich machen?
Dies lässt sich natürlich nicht einfach mit Ja oder Nein
beantworten, weil die Möglichkeiten, welche für den llebertritt
der Farbstoffe ins Blut bestehen, unklar sind. Nur beim ein¬
fachen Stauungsikterus ist der Weg durch die Lymphbahneu
höchst wahrscheinlich, ein direkter Uebergang nach den Blut¬
gefässen aber trotzdem nicht von der Hand zu weisen und
wohl denkbar.
Der Schwerpunkt der Frage liegt zunächst wie mir scheint
auf der Feststellung, dass in all diesen Fällen die Leber nach¬
weislich erkrankt ist. Damit wird uns naturgemäss eine Sto¬
rung ihrer Funktion nahegerückt und verständlich, auch wenn
wir über den feineren Mechanismus derselben noch nichts
sicheres aussagen können.
In Fällen von Zirrhose begegnet diese Feststellung natür¬
lich gar keinen Schwierigkeiten, auch nicht im Beginne der Er¬
krankung, in dem die Veränderungen in meist schon viel grösser
sind, als man vermutet. Dass der Modus, durch welchen es
hierbei aber zur Urobilinurie kommt, ein im ganzen anderer
sein wird, als beim katarrhalischen Ikterus, geht schon daraus
hervor, dass wirkliche Gallenstauung bei der reinen L ae n -
n ec sehen Leberzirrhose offenbar sehr selten ist, der Urin ent¬
hält dabei fast nie Bilirubin. Und ein Bilirubingehalt bei der
klinischen Annahme einer Laennc c sehen Zirrhose zeigt nach
meinen Beobachtungen entweder e:ncn k<»mpL/.erenJeu Pro¬
zess oder einen diagnostischen Irrtum an. Weiterleit mag ari
dieser Stelle nochmals betont sein, dass de l'roh.i.miue und
Urobiliuogenurie zu den wichtigsten tu: J w e:t ois Konst mtevtvff
Merkmalen dieser Krankheit gelwrt. Lli aJite darauf Mit mehr
als 4 Jahren und habe eine recht grosse Anzahl Leberzirrhosen
in dieser Zeit an unserer Ken.k gesehen und b.s jetzt Urob.i.n
und Urobilinogen im Ural dabei me vermisst. Ja uh ni'uhte
sagen, dass es mit das erste Zeichen der Erkrankung ist und
in noch unklaren Lallen diagnostisch entscheidend verwertet
werden darf. Eine Erklärung d e^er Verhältnisse ist
leicht, und ich glaube muh Erfahrungen im 1 .eti \peume-it
bei der Leberzirrhose sogar eme m der Liber sUbst s\itt-
findeude Urobilinproduktion amiehmui müssen zu ^men. Ihms
weiterhin auch diffuse Leberparendmmerk raukungeti anderer
Art, welche ja auch mehr oder minder int starker Umb.bmr.e
einhergehen. pathologisch-anatomische \ e'.ndi rangen genug
aut’w eisen, darauf ^rauche uh liier nur kimz 1; u/uw eisen.
Was die Leberveränderniigen bei Schweren He r z?\'uev
angeht, so ist ia die atrophsche Mimk »fmmsb ber »der de
Stauungsleher in ihrem pathuli»g:s v h-amitom s^heu \e'h,d*in
so bekannt, dass es auch hier mir einer kurzen Frw.t'uu: /
derselben bedarf Die Vbliam/ gkeit der 1 roh- mir e \ oU su¬
chen Leberaffek turnen d kamen' ert s:Ji dad in’i m^h g u 7
besonders schon, dass bei re 1 1 1:v fr;s v !u n Fa e'i mir b- i t ."tr *t
von Her/ilekompens itaui d-■ Il.irnveramle-ringen in F r sd’e -
iiung treten und mit der Kompens.it a«n wieder \ersjiw • de",
oder sieb doch sehr irlvbl, h \e r ;mn.Vrn. Des li.ngt r Dt
allein Voll der bei der Kompensation .rnftreteiideu s'/ba"
Verdünnung des Harnes ab. wie ich muh Juruh \ e r d.;"’"i"gs-
messungen und Einengungm des 1 raus uN-r/eugt habe, s •• Jeu»
entspricht der Frhofting der vorher so be husteten 1 e' er 1 ’ •„ V
aber nach eingetre’ener Kornpi”s;ii:un de r l rm d> Ui m-di
dunkel, so muss man daraus Jen S c hhms / eben, d ms bw e-e r e
Veränderungen der Leber bestehen. J ms w< •v.*g , uh sJm” e * e
atrophische Muskatnussleber /. B. sidi ausgt b Met btt. \ •»-
allen Dingen entspricht aber diese dauernde \ er.ndcung na¬
türlich auch Schwereren /tis\t;tdeii des He r /euv. vliw n :i
Klappenfehlern. Myokarditiden e f c . die s\h uDm mehr \-- g
ausgleichen können. Darm hegt muh meiner Em »bring L ••
nicht zu unterschätzender Hinw eis in progies' v!ht Pezu ’bng.
Dauernde Urobilinurie bei gut kompensierten Hir/f.hY-n trus
uns daher in prognostischer Hinsicht r tdu zur \ "niJit m i'a’p'.
Ganz ähnliches gilt vmi den di strmeremh n 1 uugi
zessen. namentlich von der l.uugenphtbise. F's sjie nt tr.r n<uh
nicht genügend festgesteift. inwiewe.t das rein iiiu!u: , .u’ , 4
Moment der Zirkulatiorisbi b nderung oder aber to\Ml.e S.had-
lichkeiten, vielleicht auch die \ereimgimg beider dabei tur de
Leber eine deletäre R< !!e spielen. W er aber \ e’e Ph'hnkcr-
lebern untersucht hat. Keimt die aimge Ji Imb«, namertbch
zentroa/iuär gelegenen Paretuh\mdi iek'e und sntmt ge M Pe-
geiierationserscheHlungeii der Leber und wird gen e / tgebcu.
dass dabei eine oft sehr erhebliche F rkranktmg demi bi n vor-
liegt. Und auch hier entspricht gerade den ho v hg r id gen Fa’.’cn
von Urobilinurie gleichfalls eine hochgreJ ge 1 e*'e r Mha J ging
und ein Parallelgehen dieser Xerha'tnmse wird sah Y\ht ver¬
folgen hissen, wenn man darauf aufmerksam wird. Mi" darf
also auch liier prognostisJie Schlüsse m nlieu und zwar so.
dass gerade die schweren Ea"e auch mit dauernd- r m d star¬
ker Urobihnirm einhergehen. Iber liegen w U ' ,:r I""ger-
zeige für die Praxis, die vm dem der s e keimt. u N •t/e:r
verwertet werden.
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Origirar
UN1VERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1423
auf dieses Verhalten hin. Und wie sieht dabei die Leber aus?
Wir alle kennen die enormen Hämosiderineinlagerungen, wel¬
che in ihr bei der perniziösen Anämie vorhanden sind. Dass
dies eine pathologische Steigerung eines allerdings physio¬
logischen Vorganges ist, wird von niemand bezweifelt. We¬
sentlich andere Veränderungen der Leber finden sich allerdings
nicht, doch dürfte eine so hochgradige Anhäufung eines be¬
stimmten Stoffes ein hinlänglicher deutlicher Beweis für die
Annahme starker Funktionsstörungen sein. Also auch hier
wieder Leberveränderungen und Urobilinurie.
Es bleibt noch ein kurzer Hinweis äuf die bei Infektionen
und fieberhaften Erkrankungen so häufige Urobilinurie.
Mit der fortschreitenden Erkenntnis der biologischen Ver¬
änderungen bei Infektionen hat man der Rolle, welche die Leber
dabei spielt, mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ich verweise
z. B. auf die recht regelmässig vorkommenden Veränderungen
der Leber beim Typhus, wo uns anatomische Substrate im Vor¬
kommen der kleinen Nekrosebezirke sowohl wie der kleinen
Lymphome, sowie auch Schädigungen des Leberparenchyms
selbst wohl bekannt sind. Wenn man weiterhin bei schwer
septischen Zuständen an den dadurch verursachten Ikterus
denkt und solche Lebern öfters untersucht, so ist man über die
schwere Schädigung ihres Protoplasmas wie sie sich in allerlei
Degenerationserscheinungen, Fettanhäufung, Vakuolisierung,
Kern Veränderung und direkten Nekrosen zeigen, nicht im
Zweifel. i
Es ist eben die Leber wie für viele wohlcharakterisierte
Qjfte, — die ja ebenfalls Urobilinurie veranlassen, vergiß P-
und Pb-Intoxikationen, wobei ich mich aber mit diesem ganz
kurzen Hinweis begnüge — auch für die Bakteriengifte ein be¬
vorzugter Angriffspunkt, vielleicht umsomehr, als es nicht un¬
wahrscheinlich ist, dass sie andererseits durch ihre Tätigkeit
gerade an der Vernichtung dieser toxischen Produkte mit¬
arbeitet. Man könnte dieses Kapitel wesentlich weiter fassen
und gründlicher belegen, doch sehe ich davon ab, weil das
vorliegende Material mir noch zu gering für entscheidende
Schlüsse erscheint.
Wenn ich -im Vorhergehenden eine Analyse der Genese der
Urobilin- und Urobilinogenurie bei den verschiedensten Krank¬
heitsformen zu geben versuchte, so glaube ich namentlich des¬
wegen dabei auf dem richtigen Wege zu sein, als sich durch
die Annahme von Leberstörungen in einfach verständlicher
Weise ihr Vorkommen bei so verschiedenen Krankheitszustän¬
den erklären lässt. Nimmt man z. B. frühere Erklärungen,
von denen eine im wesentlichen das Auftreten des Urobilins
/m Urin von Pleiochromie der Galle und damit vermehrtem
Vorkommen derselben im Darm abhängig machen will, so
kommt man sofort auf unlösbare Widersprüche. Um nur einen
zu nennen, z. B.: tonfarbene Stühle, d. h. geringe Gallenfarb¬
stoffsekretion und erhebliche Urobilinurie. Ganz ähnliches gilt
für die sogen, histiogene und die nephrogene Theorie der Uro¬
bilinurie. Die Franzosen haben auf Grund von klinischen Be¬
obachtungen aber schon immer den Zusammenhang zwischen
Lebererkrankungen und Urobilinurie behauptet und unentwegt
daran festgehalten (G übler, Hayem, Ha not). Zu einer
genaueren Vorstellung und einer allgemein akzeptierten An¬
nahme, wie die Störung zu stände kommt, sind aber auch sie,
soweit*mir bekannt, noch nicht gelangt. Und so zeigt uns denn
meine Annahme eines funktionellen Versagens der Urobilin-
s’romregelung der Leber bei verschiedenen Krankheiten, wie
sehr gerade dieses Organ an allen möglichen pathologischen
Zuständen Anteil hat, und gibt damit für seine Funktion, ich
möchte sagen, eine lang schon geforderte Erkenntnis.
\ A er chirurgisch-orthopädischen Abteilung der Universitäts-
Kinderklinik Graz.
Zur Fraae der Behandlung von Lähmungen mittels
Nervenplastik.*)
' Von Dozent Dr. H. S p i t z y, Vorstand der Abteilung.
M H ! Viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte liegen die ersten
Anfänge der Nervenchirurgie zurück, und doch können wir
\ach einem über Aufforderung der societa italiana di orto-
fcdia in Bologna im Oktober 1907 gehaltenen Vortrage.
sagen, dass es doch erst die allerletzte Zeit ist, die auf diesem
interessanten Gebiete Erheblicheres an Fortschritten hervor¬
gebracht hat.
Früher ging man nur mit grossem Zagen an einen grösseren
Eingriff an den peripheren Nerven heran, viele herrschende
Vorurteile, sowie eine zu strenge wissenschaftliche Theorien¬
dogmatik hielten vorstrebende Forscher im Banne.
Zuerst glaubte man die peripheren Nervenendigungen so¬
weit sie in einer Wunde sichtbar wurden, seien ein unbedingtes
Noli me tangere, ein Hantieren mit denselben hätte die
schwersten Zustände, wie eventuell Starrkrampf zur Folge,
was bei den damaligen Wundbehandlungsverhältnissen und den
jetzt bekannten nahen Beziehungen der Nervenstämme zur
Propagierung des Tetanustoxins gewiss Glaubwürdigkeit ver¬
dient.
Aber auch später, als durch die reinen Behandlungsme¬
thoden die Wundinfektion ihren Schrecken verloren, hielt die
strenge Theorie der Lehre der Neuronen den Fortschritt in der
Neurochirurgie erheblich auf, sie war zu rigoros und stellte
alle Lebensvorgänge, die sich bei der Durchtrennung wie beim
Wiederaufbau einer Nervenbahn abspielen, so kompliziert und
unabänderlich dar, dass an ein irgendwie ausgreifenderes chi¬
rurgisches Handeln an den peripheren Nerven nicht zu denken
war.
Jetzt wo auch die Anhänger der alten Neuronenlehre zu¬
geben, dass die Nervenleitung von dem peripheren Organ zum
Zentrum nicht als starre Zelleinheit unteilbar verläuft, sondern
dass sie sehr gut zu Spaltungen fähig ist, dass von solchen sich
abspaltenden Zweigen auch eventuell neuangeschlossene Ner¬
venstämme durchwachsen werden könnten, jetzt wo auch die
Regenerationsvorgänge im Lichte der aufgehenden neuen
Theorie von einem ganz anderen Gesichtspunkte betrachtet
werden, spriesst auch die Nervenchirurgie zu einer neuen Blüte
empor. Hervorragende Physiologen haben uns gezeigt, wie an¬
passungsfähig unser Nervensystem und seine Einzelorgane
sind, wie auch sie sich in ihrem Abbau und Aufbau ähnlich
wie die anderen Organe verhalten, sie zeigen, dass in einem
durchtrennten Nerven auch im peripheren Teil sich Regene¬
rationsvorgänge abspielen, die nach der Vereinigung desselben
mit dem Zentrum rasch zu einer Wiederherstellung der Nerven¬
leitung führen. Durch eine Reihe von Experimenten wurde
dargetan, dass ein Nerv mit einem anderen gekreuzt auf einen
anderen aufgepfropft werden kann, ohne dass sein Funktions¬
bezirk eine erhebliche Einbusse dabei erleidet.
Unter diesen Umständen ist es natürlich viel leichter ge¬
macht, an schwierigere und kompliziertere Probleme in der
Nervenchirurgie zu schreiten, -die neueren Versuche haben viel
ungläubiges Lächeln entkräftet, und manches was früher als
Utopie betrachtet worden wäre, ist jetzt in den Bereich der
Möglichkeit gerückt. Männern wie Haiton, Flourens
Kennedy, Langley und Bethe wird die Neurochirurgie
stets zu grossem Dank verpflichtet sein. Besonders letzterer
hat sich durch seine Versuche über die Regeneration durch¬
schnittener Nerven ausserordentliche Verdienste erworben,
so dass die Kenntnisse seiner Werke wohl mit zu dem un-
dingt nötigen Wissen eines jeden gehören muss, der dieser
Frage nähertreten will.
Da es mir hier nicht möglich ist auf die näheren theo¬
retischen und experimentellen Einzelheiten einzugehen, so sei
hiemit darauf verwiesen.
Mit welchen Riesenschritten wir in diesem Gebiete Vor¬
dringen ergibt schon die Statistik der einfachen Nervenope-
rationen. Eine gelungene Nervennaht war vor kurzem noch
ein Ereignis, besonders wenn sie als sekundäre längere Zeit
nach der Durchtrennung ausgeführt worden war. Jetzt wer¬
den von den verschiedenen Kliniken bereits so grosse Zahlen
angeführt, dass kein kasuistisches Interesse für den Einzelfall
mehr vorliegt, wir nehmen nur mehr die hohen Heilungspro¬
zente, die aus den Zusammenstellungen resultieren, ca. 90 Proz.
mit Befriedigung zur Kenntnis. Die primäre und die sekundäre
Nervennaht sind einfach nicht zu übersehende chirurgische
Postulate geworden, die schon fast der Chirurgie d’urgencc
zugehören.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1424
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27 .
Von den einfachen Operationen eröffnete sicn eigentlich !
von selbst ein Ausblick auf die weitere Entwicklung der Ner-
venchirurgie zu den komplizierteren.
Schon früh gab L e t i e v a n t an, bei einem grösseren
traumatischen Defekt in einer Nervenbahn, die auf andere Weise
nicht überbrückbar ist, das periphere Ende eines Nerven mit
einem benachbarten zu verbinden.
So ist L e t i e v a n t der Vater des Gedankens der Nervcn-
anastomosierung, obwohl er sie selbst nie ausgeführt. Er
hielt selbst seine Autoplastie für aussichtsvoller, sie bestand
darin, dass er von jedem Nervenende einen Lappen abspaltetc,
diese umschlug und sie mit einander verband. Auch andere
Methoden wandte man zur Vereinigung weit abstehender Ncr-
venquerschnitte an, man legte Röhren aus verschiedenem Ma¬
terial oder andere Nervenstücke animaler Provenienz, schliess¬
lich auch ganz heterogenes Material zwischen die Nervenenden,
um so die sich entgegenwachsenden Fasern zu leiten und eine
Wiederzusammenheilung zu erzwingen.
Die wirkliche Nervenanastomosierung, die jetzt im Vorder¬
gründe unseres Interesses steht, fand nach dem genialen Ge¬
danken Letievants auch hie und da schüchterne Anwen¬
dung, faute de mieux.
So sind schon ältere mehr oder weniger gut gelungene
Plastiken berichtet nach ausgedehnten Verletzungen. Ich er¬
innere an die Namen De p res, Faure, Für et, Sick,
Sänger.
Aber erst in letzter Zeit wurden die experimentellen Grund¬
lagen für die Anastomosicrungen ausgebaut, jetzt ist die Basis
gesichert, so dass wir ruhig weiterdringen können.
Ma nasse hat die Möglichkeit, den gelähmten N. facialis
vom N. accessorius neu zu innervieren, durch Tierexperimente
erwiesen.
Jetzt verfügen wir in der Literatur bereits über mehr als
57 gelungene Fälle von Neubclebungen des gelähmten N. facialis,
teils vom N. accessorius, teils vom N. hypoglosstis.
Auch für die uns näher liegenden Fragen, betreffend die Re-
innervierung gelähmter oder vom Zentrum auf irgend eine Art
abgetrennter Extremitätennerven besitzen wir eine aus¬
gedehnte und genügende experimentelle Sicherung. Schon alte
Versuche, wie der von Flou rens: Kreuzung der Armnerven
beim Huhne mit funktioneller Heilung, bewiesen die Möglich¬
keit, verschiedene Nerven miteinander ohne Einbusse ihrer
Funktion verbinden zu können.
Bethc hat uns über verschiedene Experimente, die Zu¬
sammenheilung gekreuzter Nerven betreffend, berichtet.
Wichtig sind für unsere Gebiete die Untersuchungen von
Langley, aus denen hervorgeht, dass motorische Nerven
mit sensiblen nicht zur funktionellen Verheilung gebracht w er¬
den können, d. h. dass ungeachtet einer eintretenden ana¬
tomischen Heilung der Querschnitte die Wiederaufnahme der
Funktion ausbleibt.
Die funktionelle Prüfung im Leben gab vollständige
Wiederherstellung der Funktion, auch die Freilegung und ein¬
wandfreien, unter allen Kautelen ausgeführten Reizversuche
bestätigten den Befund, schliesslich wurden von den Naht¬
stellen histologische Schnitte gemacht, die die Verheilung der
Nerven an der Nahtstelle und die Regenerierung der neu-
angeschlossenen Nerven zu beweisen imstande waren.
Nach diesen Vorstudien machte ich mich daran, die Tech¬
nik für die verschiedenen Eventualitäten der Nervenphstik
auszuarbeiten, wie sie gerade für unser Fach notwendig sind,
und bin jetzt in der Lage, ihnen hier schon mehrfach aus¬
geführte Methoden sowie schon mehrere Jahre hindurch kon¬
trollierte Dauerresultatc mitzutcilen.
Der Hauptsache nach verstehen wir unter einer Nerven¬
anastomosierung den Anschluss eines gelähmten Nerven an ein
anderes Nervengebiet, um von diesem aus die zur Untätigkeit
verurteilten Muskeln wieder dem Einfluss des Willens zu unter¬
stellen und ihnen so neues Leben zuzuführen.
Wir müssen dabei zwei prinzipiell verschiedene Arten
unterscheiden, entweder es wird der periphere Teil eines ge¬
lähmten Nerven und damit sein ganzes Innervationsgebiet
einem in der Nähe befindlichen gesunden Nerven auf¬
gepfropft oder cs wird der gelähmte Nerv in situ be¬
lassen und der zentrale Stuilipf eines gi Minden Ner\ eu u. :
ihm verbunden, um ihn so wieder mit dem Zentrum zu \e-
binden.
Die erstere Methode neunen wir eine per phere Imp'f-
tation, die zweite eine zentrale. Je n.uhdem wir e.; ui gm/-.
Nervenstamm (der nur Teile eines solchen nehmen. spreU 1 ."
w ir von totalen oder partiellen Imp! mt «tu neu.
Welche Art verwendet wird, hangt s><v.«iil \<*u der
graphisch anatomischen Stillung der Lahmimg. w .e \m
Art und Ausdehnung derselben ab.
Meine Erfahrungen beziehen s;Ji ani Plast km an den E\-
tremitätennerveii. die wegen Lähmungen \ er s.h.edencr -\et -
logic ausgefiihrt wurden.
Eine Lähimmgsart. die verhaltuismasvg am haat.ote :i ? .-
Beobachtung kommt, ist die pobunx cl.ti'shc Lalmmrg J,s
N. per o n c u s.
Entweder als is< hcrlc Lähmung entsenden «der als Re¬
siduum von Lähmungen. d:c ausgedehnter engmet/t h
gehört sie zu den häutigsten LahmUngstN \i x n. denen w .r be¬
gegnen. Ist das ganze Gebiet des N. peroneus gelahmt,
bleibt sehr Wenig Material zur Austuhi mrg euer >e hneup!#^ k.
die auch mir annähernd die Funktion des Luises w-ed.r hm-
zustellen imstande wäre.
Gelingt es uns aber, den gelahmten N. peroneus \.»m ,i.
teil N. tibialis aus wieder neu zu bele’un, so h iheti w r :• :
einem Schlage den ganzen Muskc’lu-z ik za r :u ker. Sert.
Ein Schmu längs der Mitte der Kireke h ! e legt r.tji e .
Präparieren m die liefe Leide nein tu minder ! ...ite ml. u
Nerven frei. Wir können jetzt in \irsji dinier W e>e \ r-
gehen, entweder wir durJitrennen eien gU.dimten V perop.
und nähen den periphe ren Stump! de s duuhs v hmtte i'en IV o -
neus in einen Längss clilitz de s N. t.b.a’is ode r w ;r vp.i'p e m ••
Längslappen mit zentraler Basis \ <m N. nba’.s ,ib toid ;v'---p:e"
diesen Lappen in einen SJihtz des N. peroneus. Be.de Mctb. >-
den geben fallweise gute Resultate. Ist d e kraft ru \. t b •. s
eine völlig ungebn .bene, s«« Kanu man gut d e zweite M-gth d..
die partielle zentrale Implantation. Wahlen; ist u-.! .Ji a uh da
kraftgebende Nerv etwas aifizcrl, so w.ih'c man besser de
peripliere Implantation des N. peroneus m den N. tibia'.s.
diesen-nicht nn-hr zu sJiwaJieu.
Am Kongresse iiir orthopädische Chirurg e in Bm’ai p*-;
berichtete ich iiber einen La!! einer lotaYn Implantat mi d.s
peripheren N. peroneus m einen l.angssJutz des V td- v
Lls handelte sieh um em k'< ns M dJi.n \ -n Ca W r- m r. *• •
einer totalen I uhuiiing Jes IVouie US. t i u s. \ m e m ? n r i n k . v -
lalummg her« uhr etul. (Iperapon an Si ;U| u.' er p> «J. der j » • • ,
v.urde in einen Sdiiitz des Y tib. ,:::|o"!et. \,uii C . M< rau
kehrte die M«• t i 1 1 1. 1 1 zuerst im M. e\t. li.i . w ; Km ■ h k-„ -e "v -
silulitat; naeh : Monaten war e'M de I • n 1 a-et w e .; v ■ -
gekehrt, die Zehensire*, her hatte u si, ti e-'i.dl. n«>v h k i :rc ,
Err egharheit. \avh A • M-mati n «hi.! de !-e ! e • i V. n • ne a
W lilensreiz. - e« realen, nur dir M. #l \ .um. zegic »ich ke ”e i
w egmigstah gke t. and) darin um ’ t. as sd:> a de e e‘a -de
barkeit m allen andeien Mnske’n w .e ! redd ,r ! \\ tu t
N Monaten begann audi er eine gelinge \\ :• ks.imke:* zu cm:.;
doch genügte eine spater \ <n cuumümk ne c aiudw m " t ük .• /
lau (lut eil die dann \ e: 1‘esser ti a \ r >< itsX e: i.a Uu ,ss. d.:n N\..'se se <.
tioimaie Limk tnuisht e.te w le der zugeben.
Auf eme ietzt eiio! s ie VtHtage aiflw orte te de ^ta!:^ dass
Kind den l uss ietzt sein gut brauJie ft körne.
Von den übrigen ähnlichen Kr.mkengescli.cbten mmhtc
folgende als besonders lebrreisb lie r \«ubebe n.
M Monate altes Kmd. ml totaler |o , -"im 1 v"e' iV-ou ,v-
lahnmng sut 7 Monaten bestehend.
Am U. Mai |Uo-- t, .ta'e p« ’ U'hef i- Imp’ *»: Ta: di s \ i'e' 'ins
einen zentralen I anpen di s \. t;l*. \.uh I" I a_ia w a *..*:< k ’ .1
nach Mause entlassen w ■ v li n.
I he latent entleinteu zu Mause s, |.s| \, i n. !. ,n sah vht»
Kmd erst ielzt uaJi zwei .laiirea w-.ai, as es V au ypo ,
zur Niiehimtersuehiiiig N'Ugestcdt wir l .
Hel und folgende« : lui ( i e i m. tc viis V o: *■ l e-lelt a e
AAiiskeln wiilknrlieh sehr gut. Im ( k'-'cte de«* \. i' 1 •• : i as a' *. *
der M ,tih. aut mit irumahr Krott, e’^-v.i a e /•.. "i aspe, - er. .<•
wenigsten r «ihren sidi de beiden Mm. p- n I n - I ins s't. kt r .
etwas schiel.
Alle \ otn N. t:lnai;s v e' s. .* cti u NPis-v. •• v ^\ r Sei; a.
farad:scli d.re Kt siln gut ou s ,n.
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1425
Im Peroneusgebiet reagieren bei direkter Reizung vom Muskel
aus sehr schön der M. tib. ant., der M. ext. digit. und der M. ext. hall.:
die beiden Mm. peroneis langsam und bedeutend schwächer.
Vorn Nerven aus folgendes Reizungsergebnis: Wird die Kathode
am oberen Ende der Narbe angesetzt, so zucken sehr stark alle
Beuger, etwas schwächer alle Strecker, in der Mitte der Narbe
gereizt zucken besonders die Strecker, jedoch immer zucken auch
einige Muskeln des Tibialisgebietes mit, was sich auch wiederholt,
wenn der N. peroneus am Wadenbeinköpfchen gereizt wird. Bei
Reizung am unteren Ende der Narbe zucken die Beuger allein. Ich
legte darauf beide Peronealsehnen frei, um durch eine Kürzung der¬
selben das Muskelgleichgewicht wieder hcrzustellen. Dabei zeigte
es sieb, dass das Muskelfleisch der beiden M. peronei ganz getigert
aussah, zwischen den gelben, gelähmten Muskelfasern lagen schön
dunkelrot gefärbte, gesund aussehende. Bei Reizung des Muskels
konnte man die Kontraktilität deutlich verfolgen. Das Muskelfleisch
der Strecksehnen, die man von der Wunde aus besichtigen konnte,
war schön blutrot gefärbt, die vorgenommene Kürzung der Sehnen
gab dem Eusse auch seine normale Stellung wieder.
Ausser diesen verfüge ich noch über 10 Plastiken bei Pero¬
neuslähmungen, im ganzen 11, bei welchen der N. tibialis zur
Reinnervierung verwendet wurde, und 1 Fall, bei welchem nur
ein Ast des N. peroneus gelähmt war und dieser wieder an den
Hauptstamm angeschlossen wurde. Ausserdem versuchte ich
3 gegengleiche Plastiken bei Lähmungen des N. tibialis. Auch
diese Krankengeschichten sind den oberen ähnlich; wenn die
Kraft des Ersatznerven durch die Lähmung ebenfalls gelitten
hatte, war der Erfolg weniger günstig.
Achnliche gelungene Fälle wurden mitgeteilt von
P e k h a m, Hackenbruch, Tubby, S h e r r e n, H e n 1 e,
Y o u n g.
Ich versuchte entweder die zentrale totale Implantation
des N. obturatorius in den N. cruralis oder eine entsprechende
Kreuzung dieser zwei Nerven.
Die 4 bis jetzt am Menschen ausgeführten Operationen er¬
gaben noch kein befriedigendes Resultat. Es kam nach Ver-
| lauf von mehreren Monaten wohl zu Zuckungen in einzelnen
| Teilen des Muskels, in einem Teile erholte sich der Vastus
externus, aber zu einer vollständigen Streckung des Unter¬
schenkels war doch nicht genug Kraft vorhanden. Ich glaube,
dass der Grund in dem Missverhältnis der beiden Ncrvenquer-
schnittc liegt, die Fibrillenanzahl des N. cruralis genügt nicht,
um den noch ausserdem gleich am Lcistenband sich spalten¬
den grossen Nervenstamm gleichmässig zu innervieren.
In einem Falle versuchte ein belgischer Kollege, Van den
Be rgh, den gelähmten N. cruralis durch eine totale periphere
Implantation in den N. ischiadicus zu reinnervieren, allein auch
dieser Erfolg war kein vollkommener, es konnte keine voll¬
ständige Streckung des Unterschenkels erzielt werden.
Diese Methoden sind jedoch jedenfalls ebenso entwick¬
lungsfähig wie die anderen.
Dagegen bieten alle Lähmungen der oberen Extremität ein
ausgezeichnetes Feld für Nervenplastiken, besonders da man
diesen nur mit sehr ausgedehnten Sehnenplastiken, und auch
da nicht in befriedigender Weise beikommen konnte. Am Ober¬
arm, insbesonders in der Achselhöhle, in der Ellenbeuge, am
Unterarm sind alle Nerven leicht erreichbar. Vorzuziehen ist
hier bei Lähmungen zentralerer Natur immer eine partielle zen¬
trale Implantation eines benachbarten Nerven in den gelähmten,
Fig. 1.
Fig. 3.
Fig. 4.
da eine vollständige Durchtrennung
eines der grossen gemischten Stämme
nicht ratsam ist 1 ).
So habe ich bei einem 12jährigen Knaben
eine zentrale partielle Implantation des N.
med. in den gelähmten N. rad. mit vollem
Erfolg ausgeführt. Die Lähmung war bei
der üeburt durch einen Bruch des Ober¬
armkopfes entstanden. Die Strecker der,
Hand und der Finger, sowie die Supinatoren
die Abduktoren des Daumens waren voll¬
ständig gelähmt. Bei dem Knaben, der Sohn
eines Arztes war, waren seit der Geburt
ständig alle Mittel, jedoch ohne Erfolg an-
gemendet worden.
Zwei Monate nach der von mir vorge¬
nommenen Plastik konnte der Knabe bereits
einige Streckbewegungen mit der Hand aus-
7nr Wiederbelebung des so häufig gelähmten Kniestreck-
lsl rl des M. quadriceps, suchte ich bei Tierversuchen den
nhmr'atorius heranzuziehen. Die Auffindung desselben unter¬
st keinen Schwierigkeiten, sein oberflächlicher Ast hegt
iter der obersten Schicht der Mm. adductores.
fuhren : nach 6 Monaten schon Beweglichkeit in allen früher gelahmten
Muskeln, 9 Monate nach der Operation stellte ich den Knaben am
Kongress in Berlin 19i)6 vor mit tadellos funktionierender Hand, cs
war auch keine Herabsetzung der Kraft im Ersatzgebiet bemerkbar.
') Siehe Zeitschr. f. orth. Chir., Bd. XVI.
No. 27
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1426
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Vor einem Monat schrieb mir der jetzt 15 jährige Knabe, dass er
mit der operierten Hand allein sein Rad lenken und Klavier
spielen könne. (Eig. 1 u. 2.)
Von den 3 anderen nach demselben Typus operierten bal¬
len möchte ich einen als Eall einer spastischen Parese hervor¬
heben. 2 )
Ein 10 Jahre alter Knabe mit einer spastischen Parese der linken
Hand mit der dieser Erkrankung eigentümlichen Handstelhmg: Heber -
witgen der Beuger und Pronatoren. Unmöglichkeit, den Pauincn zu
abduzieren. Operation: zentrale, partielle Implantation des N. medi-
anus in einen Längsschlitz des N. radialis oder der hlleiibcuge.
Zwei Monate nachher ist die Supination der Hand aktiv möglich.
Die Hand und die Eiliger können vollständig gebeugt und gestreckt
werden, der Pat. kann auch den Daumen etwas abduzieren: n«'ch
leichte Ausfallserscheinungen im Medianusgebiet; nach -1 Monaten
zunehmende Kraft in der operierten Hand; die Ausfallserscheinungen
sind bis auf eine etwas „zögernde“ Beugung des Zeigciingcrs ge¬
schwunden. 3 ) (Eig. 3, 1 u. f>.) |
Ich füge noch hinzu, dass auch bei Ocburtslähmungen j
von Kennedy und Warren Law sehr gute Methoden j
zur Plastik angegeben wurden, von den mitgeteilten Eälleti
wurden unter 8 4 vollständige Heilungen und Besserungen j
des sonst unheilbaren Zustandes angeführt. . . I
Da das Substrat ein äusserst subtiles ist, habe ich mir ein
Instrumentarium zusammengestellt, das mir ermöglicht, mit j
dem Material ausserordentlich schonend umgehen zu können.
Die Nerven werden mit Pinzetten gefasst, deren Spitzen Ringe
bilden, in denen die Nerven ohne Druck gehalten werden
können, ein Tunelleur, um einen Nervenast unter Weichteil¬
massen ohne Zerrung an den Ort seiner Bestimmung zu brin¬
gen, Nadeln zur elektrischen Reizung und Isolierung bilden die
Hauptbestandteile des Besteckes.
Wichtig, viel wichtiger als die Art der Ungeschlagenen j
Plastik, ist die Einzeltechnik. Schonendes Vorgehen, Vermei¬
dung von Druck, sowie Unterlassung einer überflüssig weit
gehenden Isolierung der Nervenstümme vom ernährenden
Bindegewebe der Umgebung, genaue Adaptierung und Orien¬
tierung der Querschnitte, Fixierung derselben durch genau
längsverlaufende Nahtschlingen, Isolierung der Nahtstelle von
der Umgebung, Schutz derselben vor Narbendruck, sow ie I
natürlich peinlichste Asepsis sind unbedingte Vorbedingungen
eines erwarteten Erfolges.
Zur Isolierung und zum Schutz vor dem Erdrücken und
Durchwachsen der Nahtstelle durch Narbengewebe der Um¬
gebung umhülle ich die Nahtstellen mit Hundeartcricn, die nach
dem Vorschläge E o r a m i 11 i s in Eormaliii gehärtet sind.
Bei Beobachtung dieser Vorsichtsmassregeln verfüge ich
jetzt schon über gute Erfolge, die sich besonders in der letzten
Zeit zusehends bessern. Das Resümee sind 70 Proz. Heil¬
erfolge, teils ausgezeichnete, teils weniger gute, immerhin sind
sie aber auch bei nur teilweisem Resultate ein ausserordent¬
lich guter Behelf, etwaig^ Testierende Defekte können wir
später noch leicht durch eine kleine Nachoperatiou an den
Sehnen beheben.
Denn bei jeder Art der Plastik müssen w ir uns die Neu¬
belebung so vorstellen, dass sich Nervenfasern des kraftgeben-
den Nerven spalten oder dass zwei periphere Nervenfasern
nur mittels einer Faser von der Pfropfungsstelle weg mit dem
Zentrum in Verbindung stehen.
Es kann ja bei unserer mangelhaften Kenntnis der Anord¬
nung der Nervenfasern in.den Nervenstüinnien sehr leicht
passieren, dass ein Muskelast bei der Aufteilung der leben-
führenden Zweige des Ersatznerven leer ausgeht, was beson¬
ders leicht geschehen kann, wenn das (irössenverhältiiis zwi¬
schen den beiden Querschnitten ein ungünstiges ist.
Zu weit dürfen w r ir also auf die Spaltungsfähigkeit nicht
bauen, doch ist es ja immerhin ausserordentlich erleichtert,
w enn wir es nach der Heilung der Nervenplastik nur mit einer
einfachen Sehnenkürzung oder eventuell mit einer Kraftüber¬
tragung unter annähernd gleichsinnig arbeitenden Muskeln zu
tun haben, als wenn w 7 ir z. B. eine Sehnenplastik bei einer
totalen Lähmung des N. peroneus versuchen müssten, gar nicht
2 ) Die Einzelheiten siehe Zeitriclir. f; ortli. Cliir., Bd. du.
a ) Der Knabe wurde März löns, 7 Monate p. o. in einer Moiiats-
versammlung des steierischen Aerztevercins mit völlig gebrauchst
fälliger Hand vorgestellt.
zu reden von den Lähmungen d« r Baud- mul l ifuuüouti m.»t
Armncr\cn überhaupt, bei welchen die >eh:ieuip’ast k k«. ne K -
sonders befriedigenden Erfolge a::l/nw c.seti hat.
Die Heilung dauert ja mmu r z:*>u!.Ji lange, o \crgP.t.::
immer einige Monate, bis die ersten w dlkuiJien Hcw eg.ivgs. n
auftreten, nur in seltenen Lauen trat d:e Rkgeinuatam sji
nach einigen W ochen auf, Ende, d,c bis jetzt noJi kc ne e n-
deutige Erklärung gefunden haben. Ninst haben wir am s..
länger auf das W iedcremtretci: der Funkt.on za warten, u
länger der Nerveimiuskclappnr.it ausser Funktion war, d e /.e t
seit dem Auftreten der Lähmung akn ist nussgebyud. l u:
naelidetn die ersten w illkurbcheu Bew eguLgcu via s t ::d. K g
sich nach längerer Zeit erst die clePnsJie ETfegb.i: ke.t e
zustellen; falls auch die Sensibilität vor < der Jurch d.e Opera¬
tion beschädigt war, sn kehrte sie muh me ien Be-*b.u ht.r* K c-.
immer vor der Motilität zurück.
Von eventuellen Emw andern hatte uh zuerst d.e I rage :iad;
den Ausfallserscheinungen zu beant w ' »i te n. Ir u>s trete« ai -
tauglich Ausfallserscheinungen im (ieh.et des k raltsp, adeud. u
Nerven auf, dies abzuw agen ist eben >.uhe eler Lrt.dr irg.
ausserdem haben wir es m der Hand, lene Methode zu w.th.en.
die in dem jeweiligen Lalle am wenigst«.n riskiert.
Nach meinen, wie muh den Erfahrungen anderer Vit* mn.
wie Hack e n b r ii c li, Heule, sjiumdiii de Aasja's.
erscheinimgen bei teilweisen, nullt zu we t gellenden \bs;>.:!-
timgeii wieder; so konnte uh m dun berichteten Lai e ;u r
Medianns-Radiahs-Anastimiosierung bei e.iur l «ier*mJ: •• N
nach N Monaten keine k raft\ennaidermig un Med.a:: :s N-
merken, trotzdem die Haine desselben zur K ra!!:;her$f.ag.;::g
auf den gelahmten N. radialis verwendet wurde. E\ ertnob s Ji
anfänglich ergebende Sensibilgatsdetekte Schwnukn gew . •!:•.-
lieh schon nach wenigen Wochen, was wohl aal d.e \u':.i.h
bestellenden natürlichen Anastomosen zwischen dt n s,ns.^%||
Hautnerven ziinick/ufulmn ist.
Da nach der Piropiung nun zwei periplie:e titbtte na:
einen Weg zum Zentrum haben, ist es e.geiitluh sei bst \ e r s\, ■; d -
lieh, dass bei der Innereicrung eines Muskelgeb etts a.uli das
andere mitznekt. Doch halun wir da mit der k < i i< is s.i \ II *\ ! i -
passiingsfahigkcit unseres Nervcns\stetns za u Juen. de Pa¬
tienten lernen es sehr bald, die einzelnen Bewegungen za d s-
soziieren, wie dieser Vorgang m W nkluhke.t mJi absp ; «.
entzieht sich um so mehr unserer Beurteilung, als wir ia i:’>* r
die Fortleitung des Reizes im Nerven nur auf \age H\p« these::
an gew iesen sind.
Wie weit diese wunderbare Selbstregn! «.mag gehen kam:,
mag ihnen der zitierte Fall einer Radialis'.ihuiuug bew e.sen .
der vor 3 Jahren operierte, nun I5ia!ir.ge Knal’e sJn.tb tn.r
vor kurzem, dass er mit der operierten I lau d .öle.i. se n Rad
lenken und ganz gut Klavier spielen könne. < iew iss e.n Zeichen
einer hollen Brauchbarkeit der last ausgts v hultetui Band.
M. IL! Ich bin mir wohl bewusst, dass wir erst am Anfang
der Entwicklung dieser Frage sieh«. u. und uli bitte s.e. 0
dieser Methoden gelegentlull zu erinnern, d.e Lalle udoJi aus.
zuwählen, als Erstlmgsfalle nur isolierte I ahuumgen zu
nehmen, jene, bei wekhen auJi der eventne’le Ersat/uetv von
der Lähmung gestreift ist. geben keine gute Prognose. sie brin¬
gen dem Patienten wenig Hille und eutinat.gen den Operateur
und bringen die Methode m Misskredit.
Sonst aber ist die Methode anw cndwngsw ert, bei den Ner¬
venverletzungen im russisch-iapanisdien Kriege hat s.e M en ! e
mit Erfolg verw endet, gewiss ein Zeichen. dass s\- Jen Kon¬
kurrenzkampf mit den bisher geübten Methoden aubuhmen
und sie vielfach wirksam ergänzen Kami.
W enn es mir gelungen ist, Ihre Aufim. rks.onkei: auf d iw
Frage zu lenken, so bin ich reichlich tur den \ofirag 1 h loh;::,
zu dem Ihr verein ter Herr Präsident miJi aut/wford«. rn d.e
Freundlichkeit hatte. Ich bin der I .nladimg gern genügt. um s<»
mehr als sie mir (ielegcnheit bot, meine :ta' eü:\fk!i K'ollegv*:
keimen zu lernen, die Träger der Namen zu sehen, d e kh sjimi
vielfach ans der Literatur kenne, die der i tu! k::lu'.cn Ortho¬
pädie auch ausserhalb ihics Landes e'neu guten Klang unJ
Ansehen bereitet haben.
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7. Juli 190S.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1427
Aus der psychiatrischen Klinik in München.
Die Erwartungsneurose/)
Von Dr. Max Isserlin, wissenschaftlichem Assistenten der
Klinik.
M. H. ! Als Erwartungsneurose hat Kraepelin
ein Krankheitsbild beschrieben 2 ), das allgemein ärztliches In¬
teresse genug besitzt, um vor Ihnen etwas eingehender erörtert
zu werden. Wie der Name andeutet, soll die gemeinsame
Grundlage der zu einer klinischen Einheit zusammenzufassen¬
den Störungen in der ängstlichen Erwartung eines bestimmten
Ereignisses zu suchen sein, in der inneren Spannung auf ein
solches Ereignis, welche zu pathologischen Reaktionen führt.
Kraepelin verweist für das Verständnis dieser krankhaften
Erscheinungen auf Analoga aus der gesunden Erfahrung. Aus
dieser wissen wir, dass „die Erwartung irgend eines Er¬
eignisses eine allmählich wachsende innere Spannung erzeugt,
die sich einmal in gewissen Trugwahrnehmungen, andererseits
aber in allerlei Bewegungsantrieben äussert. Ist das bevor¬
stehende Ereignis ein unangenehmes, so können die Voremp¬
findungen äusserst peinigende und selbst schmerzhafte werden.
Zugleich wird die Sicherheit des Handelns auf das empfind¬
lichste beeinträchtigt.“
Ein ganz ähnliches, nur krankhaft vergrössertes und ver¬
zerrtes Bild, wie diese schon im Bereiche des normalen Lebens
anz^treffenden Phänomene bietet nach Kraepelin die Er¬
wartungsneurose. „Die krankhafte Entwicklung vollzieht sich
hier dadurch, dass die peinlichen Störungen nicht bei einem
einmaligen, besonderen Anlass auftreten, sondern dass sie sich
an Vorgänge heften, die sich alltäglich immer wieder vollziehen.
Dadurch entsteht eine sich fortwährend steigernde und so all¬
mählich zu ganz ausserordentlichen Oraden anwachsende Er¬
wartungsangst, welche die gesamte Lebensführung in der nach¬
haltigsten Weise beherrschen kann.“
Es wird zweckmässig sein, vor allen weiteren‘Erörte¬
rungen an einigen Beispielen darzutun, welche Krankheits¬
erscheinungen unter die Rubrik der Erwartungsneurose zu
fallen hätten*).
Pall 1. Rechtspraktikant, der wegen eigentümlicher Schreib¬
störungen ärztliche Behandlung aufsucht. Sobald der Kranke die
Feder an setzte und versuchte, einige Buchstaben zu schreiben, traten
starke ataktische Bewegungen auf, welche die Feder nach ver¬
schiedenen Richtungen hin ausfahren und sich vom Papiere abheben
dessen. Diese Störung bestand seit mehr als zwei Jahren und hatte
sich zuerst im Anschlüsse an eine Ueberanstrengung beim Fechten
gezeigt und sich allmählich immer mehr verschlimmert, so dass der
Kranke seit längerer Zeit auf jedes Schreiben, auch das Unter¬
zeichnen seines Namens, verzichtet und sich durch Diktieren oder
mühseliges Malen mit der linken Hand durchgeholfen hatte. Ver¬
schiedene Behandlungsversuche hatten das Leiden nur verschlimmert.
Bei der Untersuchung des sonst ganz gesunden und kräftigen Mannes
fiel auf, dass er die Feder mit Anspannung aller Muskeln erfasste.
Das Schreiben ging bei den ersten Buchstaben ganz gut, doch be¬
merkte Patient sogleich: „Jetzt kommt es bald“, und nun traten in
der Tat die ausfahrenden Bewegungen auf, die das Weiterschreiben
unmöglich machten. Von irgend welchen Störungen an den be¬
teiligten Muskeln (Lähmungen, Krampfzuständen, Atrophien) war
keine Spur vorhanden; ebenso fehlten bei der Untersuchung wie in
der Vorgeschichte alle Zeichen von Hysterie. — Die sofort einge¬
leitete hypnotisch suggestive Behandlung hatte einen raschen und
vollständigen Erfolg, schon nach 5 Tagen vermochte der Kranke eine
Stunde hintereinander ohne Störung zu schreiben.
F a 1 12. 30 jähriges Fräulein, beschäftigte sich viel mit Malen.
Seit 10 Jahren bei längerem Lesen und Malen Auftreten von Brennen
ln den Augen, an das sich allmählich schmerzhafte Empfindungen im
ganzen Kopfe anschlossen, die sich rasch bis zur Unerträglichkeit
sieigerten. Nach und nach trotz Untersuchung und Behandlung durch
ramhafte Augenärzte, die stets einen völlig negativen Befund an den
^ugen erhoben, stete Verschlechterung, so dass, die Kranke seit
geraumer Zeit überhaupt nicht .mehr lesen konnte und sogar nicht
~.ehr bei Sonnenschein ausging, da .schon das helle Tageslicht die
Schmerzen auslöste. Nach 4wöchentlicher hypnotischer Behandlung
vollständige und .dauernde Beseitigung aller Störungen, so dass die
franke ihre Malarbeiten wieder aufnehmen konnte.
*) Vortrag, gehalten im Münchener ärztlichen Verein am 4. III. 08.
2 ) Lehrbuch 1904, II, 731.
3 ) Die ersten der folgenden Krankengeschichten verdanke ich
Herrn Hof rat Kraepelin.
Fall 3. Bei einem 8 jährigen Knaben traten im Anschluss an
eine schwere Angina bei jedem Versuche zur Nahrungsaufnahme
heftige Hustenstösse ein, die sehr bald das Essen und sogar das
Trinken völlig unmöglich machten; jeder Bissen, jeder Schluck
wurde sofort unter krampfhaftem Husten wieder herausgewürgt.
Infolge dessen musste längere Zeit hindurch zur Ernährung .durch die
Schlundsonde gegriffen werden. Obgleich im Rachen und Nase
keinerlei Schwellungen mehr bestanden, löste doch die leiseste Be¬
rührung des Qaumenbogens, Zäpfchens oder der Rachenwand sofort
den Husten aus. — Schon nach der ersten Hypnose vermochte der
Kranke ein Beefsteak zu essen und wurde dann völlig und dauernd
(Beobachtung über ein Jahrzehnt) von seinem Leiden befreit.
Fall 4. Frau, Mitte der 30 er Jahre, der wegen Blutarmut und
Schwäche eine Mastkur verordnet wurde. Nachher fast völlige
Unfähigkeit zu gehen; ungemein rasches Ermüden nach wenigen
Schritten, obgleich die Kranke früher eine gute Fussgängerin ge¬
wesen war. Die Untersuchung der Beine ergab keinerlei Störung,
insbesondere keine Abnahme der Kraft. — Ganz ähnlich ist der
Fall 5. Gleichfalls eine Frau, bei der seit 2 Jahren eine aus¬
gesprochene Schwäche des linken Beines bestand; sobald die
Kranke 5—10 Minuten ging, traten Schwäche und unangenehme
Empfindungen ein, die sich sehr rasch 1 steigerten. Unter Massage,
Elektrizität, Wasserbehandlung hatte sich das Leiden nach vorüber¬
gehenden Erfolgen nur immer mehr gesteigert. — Auch in den beiden
eben geschilderten Fällen erfolgte Heilung unter hypnotischer Be¬
handlung. ,
In dieselbe Rubrik gehört die nächste kurz zu beschreibende
Kranke, bei der die abnormen Erscheinungen aber bereits einen sehr
hohen Grad erreicht hatten. Es handelt sich ttm eine 30 jährige
Dame, welche l l /z Jahre hindurch in der hiesigen psychiatrischen
Klinik behandelt worden ist. Neben mancherlei Zeichen psycho¬
pathischer Degeneration beherrschten vor allem aus der Erwartungs¬
angst entsprungene Störungen das Krankheitsbüd. Als Kind gesund,
litt sie mit 17 Jahren an starker Schlaflosigkeit, äusserte in der
Folgezeit verschiedenartige hypochondrische Beschwerden, um im
Laufe der Jahre in einen Zustand zu geraten, der vor allem dadurch
ausgezeichnet war, dass jede Art von Bewegung gemieden wurde.
Auch die kleinsten Anstrengungen wurden wegen der dadurch her¬
vorgerufenen Beschwerden unterlassen. Sie konnte weder lesen
noch schreiben und nicht mehr als 10 Minuten gehen. Wurde mehr
von ihr verlangt, so traten Kopfdruck, Schmerzen, Schlaflosigkeit und
Aufregungszustände ein. Schliesslich blieb sie Jahre hindurch fast
dauernd zu Bett. Dabei war weder von einer Hemmung und
Depiession im Sinne des manisch-depressiven Irreseins die Rede, noch
zeigte die Kranke einen ausgeprägten hysterischen Charakter, viel¬
mehr schien ihr Verhalten vor allem durch Erwartungserscheinungen
bestimmt, welche hier zu einem Zustand geführt hatten, der bereits
jenen schweren Bildern ähnelte, welche Moebius als Akinesia
a I g e r a beschrieben hat.
Das Leiden der Kranken, welche übrigens mehrere schwere
Suizidversuche machte, besserte sich allmählich während ihres Auf¬
enthaltes in der Klinik so sehr, dass sie bei zufriedenstellendem Be¬
finden nach Hause entlassen werden konnte *
Von besonderem Interesse ist nun, dass in der Familie der eben
behandelten Patientin Störungen ähnlich denen, an welchen sie litt
auch sonst häufig vorkamen. Schon ihre Grossmutter scheint an
derartigen Beschwerden gelitten zu haben, die Mutter zeigte ausge¬
prägte Seh- und Lesestörungen, und der Bruder, ein schwerer
Psychopath, litt an nach jedem Lesen sich einstellenden krampf¬
haften Schmerzen oberhalb der Augen und im Kopf, wegen deren
er in den letzten Jahren Lesen und Schreiben fast völlig unterlassen
hatte. Auch in diesen Fällen brachte suggestive Beeinflussung
Hebung der Beschwerden. Wichtig für das Verständnis der Krank¬
heitserscheinungen ist eine kleine Episode mit dem letzten Patienten.
Nachdem er aus der Behandlung entlassen war — er las bereits
über eine Stunde — bat er mich schriftlich um genaue Angaben über
eine Tischlampe, bei der er in der letzten Zeit das Lesen gelernt hatte.
Es fiel ihm schwer, bei irgend einer anderen Lampe zu lesen.
M. H.! Sie werden nach dieser kurzen Skizzierung einer
Anzahl von Beispielen wohl fast jeder aus seiner Erfahrung
ähnliche Fälle anführen können, denn es sind nicht seltene, son¬
dern häufig vorkommende Störungen, die wir zu einer Gruppe
zusammenzufassen suchen, und es ist ein sehr Wechsel reiches,
buntes Bild, das wir vor uns haben. Bunt und wechselreich
allerdings doch nur hinsichtlich der Störungen, welche wir
überhaupt feststellen können, während das Bild des einzelnert
Krankheitsfalles allerdings ein sehr einförmiges, stereotypes ist.
Von den Funktionen, die durch das Leiden gestört werden,
scheint besonders oft das Lesen von der Erwartungsangst be¬
troffen und durch Flimmern, Spannungsempfindungen, Licht¬
scheu, Schmerzen unmöglich gemacht zu werden. Aehnlich
kann auch das Schreiben gestört sein, ebenso das Gehen,
Stehen, Schlafen, Sprechen, Schlucken, Harnlassen, auch, viele
Fälle psychisch bedingter sexueller Impotenz gehören sicher
hierher. In der Literatur ist die Eigenart der Erwartungs-
2 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1428
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIET.
No. 27.
Störungen nicht unbemerkt geblieben. Man hat als „Harn¬
stottern“ Behinderungen des Urinlassens beschrieben, die der
hier behandelten Neurose zuzureehnen sind, ebenso ähnlich be¬
dingte Hemmungen des (lehcns als „Oehstnttcrn" 4 ). Schon
vor langer Zeit hat die Abhandlung Meyers' 1 ) über Iuten-
ticnspsychosen manches hierher Gehörige gebracht, w ie man
auch schon vor vielen Jahren bestimmte Fälle von Astasie-
Abasie von den grob hysterischen zu trennen gesucht hat. In
neuester Zeit hat Pick 14 ) „über Störungen motorischer Funk¬
tionen durch die auf sic gerichtete Aufmerksamkeit“ berichtet,
und die Franzosen 7 ) haben von „douleurs d’habitudes" ge¬
handelt in Ausführungen, welche zu ähnlichen Gesichtspunkten
führen, wie die hier gewonnenen. Fs scheint aber gerecht¬
fertigt und notwendig, diese als Einzelfälle bereits in ihrer Be¬
sonderheit bekannten Erscheinungen zu einem einheitlichen
Ganzen zusammenzufassen.
Wir versuchen somit, die gemeinsamen Grundzüge dieser
sehr mannigfaltigen Störungen kurz herauszuheben. Aetm-
logisch handelt es sich zweifellos um p s y c h o g e n e Sto¬
rungen. Es sind Vorstellungen und Erwartungsbeängstigungen,
welche die krankhaften Erscheinungen bedingen. Und der
Grund der Erkrankung liegt letzten Endes in einer psycho¬
pathischen Veranlagung, welche, wie wir sahen, bisweilen
ganze Familien kennzeichnet. Die Kranken sind meistens erb¬
lich belastete Persönlichkeiten, deren Wesen oft durch über¬
triebene Aengstlichkeit und Zaghaftigkeit ausgezeichnet ist.
Ausgeprägter hysterischer Charakter gehört dagegen nicht zu
dem Bild der Erwartungsnciirose. Als Veranlassungen lassen
sich bestimmte Erlebnisse, welche die Störung irgend einer
Funktion mit sich brachten, häufig nachweisen. So sieht man
durch Erwartungsangt bedingte Gehstörimgeii nicht selten nach
längerer Bettruhe eintreten, der oben erwähnte Rechtsprakti¬
kant bekam seine Schreibstörung im Anschluss an eine Mensur,
der gleichfalls behandelte Knabe seine Schluckbeschw erden
nach dem Ueberstehen einer Angina. Wir haben also den Ent¬
wicklungsvorgang des Leidens so aufzufassen, dass für sonst
ganz mechanisiert und unbewusst ablaufende Prozesse infolge
irgendwelcher vorübergegangener, gewöhnlich geringfügiger,
Unregelmässigkeiten eine gespannte Erwartung, ein unange¬
brachter Aufmerksamkeitsgrad aufgewendet wird, dass gerade
wegen dieser übermässigen Beachtung die Funktionen um so
gestörter ablaufen, und dass schliesslich iniolge der bei der
regelmässigen Wiederkehr der Erscheinungen sich immer stär¬
ker entwickelnden Erwartimgssparnumg die schwersten Krank¬
heitsbilder hervorgerufen werden können.
Der Verlauf des Leidens kann ein langsam aber stetig fort¬
schreitender sein. Beginnt die Krankheit mit Symptomen,
welche noch normalen Erwartungsphänoinenen nahe stehen,
etwa Flimmern vor den Augen, Geblendetsein, Unsicherheit.
Ataxie der Glieder, unangenehmen Empfindungen und Schmer¬
zen mancherlei Art, so können diese Beschwerden unter dem
Einfluss dauernder Erwartungsangst so gesteigert werden, dass
sie eine völlige Hemmung aller Bewegungen mit sich bringen
und wir die Zustände der Akinesia algera vor uns haben. Da¬
bei springt die Krankheit auch dann nicht auf andere Gebiete
über, wie in der Hysterie, wo w ir den lebhaftesten Wechsel
gewohnt sind, auch in den schweren Fällen vielmehr bleibt
das Bild ein sehr monotones; es sind immer dieselben Be¬
schwerden, die schliesslich so wachsen können, dass sie den
Kranken völlig lähmen.
Allein nicht immer ist der Ausgang des Leidens ein so
unerfreulicher. Wir werden vielmehr nicht zweifeln können,
dass eine beträchtliche Anzahl hierher gehörender Störungen
spontan heilen, wenn die Kranken durch einen glücklichen Zu¬
fall von der Grundlosigkeit ihrer Erwartungsangst überzeugt
') Tronin er: Neuro!. Zentralst. 1 9i \(l. N57.
D Arch. f. Psycli. XX, ISN9.
n ) Wiener klin. Rundschau U7, No. 1. vcrgl. Neiiml. Zeiitrjjhl. n7.
S. 357.
7 ) Progres medical 1904, No. 2, Nenrol. Zentralbl. P4. S07. Ilie/u
auch: Raymond et .lau et: Le sviidrome pswhusthcnniuc de
l’akathisie! Nouv. iconogr. <J. I. SalpCtricre 1 (,| L\ p. 211, ZeutralM.
f. Nervenlieilk. 03, 424.
Werden. Dass das auch in schweren Zuständen eintreten kann,
zeigt das Beispiel des Philosophen berliner, dessen k raak-
heitsgesciiichte Moebius mitgeteilt hat. Für a!L andere::
Fälle ist die psychische Behandlung, vor allem die h\p:u t.sJu.
das souveräne Heilverfahren. Wahrend sonstige kurverviUu
nur zu schaden pflegen, beseitigt ui mellt zu emgew ur/elte::
Fällen die suggestive Beeinflussung die Beschwerden regel¬
mässig und vermag audi bei verzweifelt angehenden Falle".
Heilung zu bringen. Diese Tatsache wird uns nicht |#Pe r-
raschen. wenn wir bedenken, dass, wie k raepelin im An¬
schluss an Moebius sagt, wenn irgendwo, so hier die B t-
tienten au Frmnerimgen vmi Kränkln iteii leiden, und da*s mm
heilt, wenn es gelingt, die MaJit der Frinnerungeii zu be¬
seitigen.
Glauben wir sonnt ein gelingendes \ erständnis der In¬
handelten kraiikheitsersjieuiimgen gewinnen /n haben. vu
werden wir JoJi ncji ihre Sonderung zu einem selbstard -
gen k raukheitshild rechtfertigen müssen. De nn zw eiie'.l*^
muss der Fiuwand. die h.er gesJublet te il S\mptomenkofupYxe
seien schon durch andere k rankheüvgruppeti repräsentiert. be¬
achtet und entkräftet werden. ZunaJM läge es nahe, all de
hier geschilderten Fiu/elheUeu ,: ! s euii.nh de r II y s t t r . e
zugehörig zu betrachten, und /wuieü-'s kann man das. wm •
man als hysterisch alle K r mk!n itsersUu tiiunge n ans Jg.
welche in \ orstehungen ihren l rsprung h * Gen. Moebius
hat das seinerzeit auch für d e Akmesie Zuge-g< Ih m. and. re r s, •>,
allerdings hinzugefugt, dass d um die g m/e Disk usv. m ab
einen W f-ristreit hmausjt\ J. Bei eler Grosse, weUic d
Sammelfach der llwene hcMt/t, ist es sjJier geh neu. n.iJ:
Kriterien zu simherr, um gut umgrenzte Gruppen ins
hcrauszuheben. Nun haben wir es aber hier mit krekh. >-
bildern zu tun, hei denen smim alle Zeichen der Mv^bre, ."s.
besondere ein ausgeprägter hv steris J;er Ch »rakter feVe'\ • *
Symptomen, vveklie nur bei bestimmten Anlassen unter J.o
Zeichen der gesp innten Frw artung iiii/atreteii pflegen, d
die alle durch einen eigenartigen \er!mf das langsame 1
schreiten, wenn nicht geeignete Beb mdlaug eiugre.ft
gezeichnet sind. Grunde genug, um die Neurose wo 1 «; Vs
p s y c h o g e n ’*) tn/usehen, aber von der e ge utu Jieii Hv s*e - «.
abzutrennen.
Noch klarer wird die Grenze gegenüber den neu r-
asthenischen Frs^hymiingeu. \l> Zeichen d-eser n._ b.. ••
wir die durch Erschöpfung * der angeborene \ e* r ' 1 «.gang be¬
dingte Ermüdbarkeit an. \ m einer sYJun :s| Per bei J-
Frw artungsstorungeii nicht d.e Re de. Die se St-omugen tre' ,
ia nur bei bestimmten Anlassen auf. psvJmgen. durJi de
ängstliche Spannung bedingt, nullt a's Ze dien den Ffs v li,«pf*j-
(-der Frmiielimg. Dem eiitspnJit auJt. J os V'ge-u e:n k ut" -
gende Kuren auf das Leiden keinen Fü'fluss h ibeu. D.d'm v
nicht zu leugnen, d iss die hierher gehörig, n Kurdn Lrs.Jm _
Illingen bieten können, weblie an neunasftuansch-hv p u-
drische Beschwerden erinnern, namluh d r:ii, wenn das Le , im
so eingewurzelt ist. dass auch fefuhegende Funk:;■ men zu iVo
in Beziehung gesetzt werden. Lh Kumte e:"t;i k r mke:i m ;
Storungen des Einschlafens. bei dem dis Le de n edi .1 ihm-
hiudurdi gesteigert hatte, und eh r nun srn g «n/e\ I ig. vx e rk
auf das Schlafengehen ziigesehmtteu hatten Lr bitte siji em (V -.
Stundenplan ufivgearbeitet. den er aufs pmilidiei e ulnelt. \\ v '
er jede Abweichung mit Verschlimmerung vg-ies /ihiöides
bezahlen musste. Selbst der Speise/eitel war genau gmeg^ jr ;
gedämpftes Mulm war. so beb mptete ö, v< • - c * 11 Sdi’ ii / •_
t r ä glich, während gebritei.es ;hu v* ! \;J- v •. rv, V, u Jite. S •
mannigfaltig aber in diesem Lalle die kl um /an iJo: zu s t - --
schienen, so zeigtem sie siji el«h a : !e Von dem e’.en Gruiml-
leidem, ele r dureli ehe Frw artungs engst In d ngte n > Jb ifstortj : —
abhängig.
Indes muh linier einer weheren Gruppe v->n U'i'-kU : ts.
crsJiemimgen konnte mau ev eü’ii^i Je von n::s erorterig •>
") Vgl. Mn eh ins; l eher Warna a m m. Vir . ISe'tr.ue.- | <
feiner e! e r s e Ib e : t el-er den Beu'.ii der M’.vteie. \er I k
träge I.
“> Zu dieser ILveieliimng su'ie S <• je. m e r: Ibagp--stik c! ^ r
(ieisteskraiiklieiten |un|, s. js p
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7. Juii 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1429
Phänomene einordnen wollen. Handelt es sich bei den Er¬
wartungsbeängstigungen nicht einfach um Phobien? Be¬
reits vor zwei Jahrzehnten spielte eine interessante Diskussion
zwischen Binswanger 10 ) und M o e b i u s 11 ), die manches
berührte, was zu unserem Gegenstände gehört. Erörtert
wurde damals das Problem der Astasie — Abasie und deren
Zugehörigkeit zur Hysterie. Mit Recht wurde von verschie¬
denen Seiten darauf hingewiesen, dass eine Anzahl der Fälle
nicht als hysterisch im gewöhnlichen Sinne bezeichnet werden
könnten, dass vielmehr hypochondrische Vorstellungen und Be¬
ängstigungen bei ihrer Entstehung ausschlaggebend wären.
Und so betonten Möbius, Ziehen 12 ) und andere, dass ein
Teil der Astasie — Abasie als Zwangserscheinung im Sinne der
Phobien aufzufassen seien. Aber wenn man das auch für ein¬
zelne Fälle wird zugeben können, so ist doch nicht zu be¬
zweifeln, dass eine grössere Zahl von Abasie- bezw. Dysbasie-
fällen als Erwartungsstörungen in dem von uns gemeinten
Sinne aufzufassen sind. Dabei werden wir nicht übersehen,
dass eine allgemeine Verwandtschaft zwischen den Zwangs¬
erscheinungen und den Phänomenen der Erwartungsneurose
besteht; ja wir werden sogar anerkennen müssen, dass Ueber-
gänge zwischen beiden Krankheitsformen Vorkommen. Andrer¬
seits werden wir aber auch in der Lage sein, die aus¬
gesprochenen Fälle beider Gruppen deutlich voneinander son¬
dern zu können. Der Grundzug der Phobien ist gegeben in
Beängstigungen. Es ist die Angst, welche die Kranken als
Zwang empfinden, und der gegenüber die Gegenstände der Be¬
fürchtungen gewissermassen eine sekundäre Rolle spielen.
Dementsprechend pflegen die Befürchtungen einen allgemeinen
Charakter zu gewinnen; es ist die Furcht vor weiten Plätzen
oder Brücken überhaupt, vor Schmutz, vor spitzen Gegen¬
ständen ganz allgemein, welche die Kranken zwangsmässig er¬
fasst. Dabei bleiben die gefürchteten Objekte keineswegs
immer konstant, ein gewisser Wechsel ist vielmehr nicht sel¬
ten; es ist bald dieses, bald jenes, wovor sich die Kranken
ängstigen. Anders die Erwartungsneurose, die uns durch ihre
Einförmigkeit imponiert, bei der es ganz bestimmte Erlebnisse
sind, welche die Ursache für die Erwartungsspannung abgeben,
und bei welcher die dauernde Wiederholung immer des glei¬
chen Vorgangs zu den schweren Störungen führt. Dabei ist
auch ein weiteres Moment, das die Phobien von der Erwartungs¬
neurose trennt, nicht zu übersehen. Bei der ersteren ist es
die zwingende Angst, welche den Kranken peinigt, bei der letz¬
teren wird über Beängstigung nicht viel geklagt, es ist die
Störung der Funktion, welche die Kranken zum Arzt treibt.
Erst der aufmerksame Beobachter sieht den psychogenen
Mechanismus, dem Kranken bleibt er verborgen. In dieser
Hinsicht steht also die Neurose der Hysterie nahe, für die
Moebius auch die Genese im Unbewussten als Kennzeichen
hinstellte. Diesen Unterschieden im Wesen beider Krankheiten
entsprechen auch wichtige Differenzen in Prognose und Ver¬
lauf. Die Phobien sind uns als prognostisch wenig günstig be¬
kannt. Sie entspringen offenbar zu sehr aus dem Kern der
Persönlichkeit, als dass sie irgend welche Massnahmen be¬
seitigen könnten. Sind sie auch therapeutischen Einwirkungen,
insbesondere der suggestiven Beeinflussung, nicht ganz un¬
zugänglich, so sind doch Rückfälle der Beängstigungen die Re¬
gel; das Leiden besteht, wenn auch in seiner Intensität wech¬
selnd und oft für längere Zeiten völlig zurücktretend, das ganze
Leben hindurch und zeigt nicht selten einen fortschreitenden
Verlauf. Die Erwartungsneurose hingegen wird geheilt, sobald
es gelingt -die übertriebene Erwartungsspannung, welche auf
ein ganz umschriebenes Gebiet beschränkt ist, zu beseitigen.
Darum bei dieser die Erfolge der Suggestion selbst in schweren
Fällen. Gelingt es der psychischen Beeinflussung die Macht
der Erfahrungen, an welche die Beängstigungen anknüpfen, zu
bannen, so pflegt die Heilung erreicht zu sein.
Es bleibt nun noch ein Krankheitsbild zu erwähnen, mit
welchem die erwartungsneurotischen Zustände offensichtlich
,0 ) Berl. klin. Wochenschr. XXVII, 20. 21, 1890. |
fl ) ..Ueber Astasie-Abasie“. Neurol. Beitr. I; dazu Trömncr: j
Monatschr. f. Psych. u. Neurol., XXII Erg.-H. 1907. I
,s ) „Abasie“ in Eulenburgs Realenzyklopädie.
nahe verwandt sind, die U n f a 11 s h y s t e r i e, bei der ja auch
bestimmte Anlässe die Krankheitserscheinungen zur Entwick¬
lung bringen. Aber während es bei den traumatischen Neu¬
rosen schwere Gemütserschütterungen sind, welche die ganze
Persönlichkeit in Anspruch nehmen, handelt es sich bei der
Erwartungsneurose zunächst um ganz geringfügige Zufälle, um
leichte Missempfindungen, Gefühle der Schwäche usw., welche
den ersten Anstoss für die ängstliche Spannung liefern und erst
die stete Wiederholung immer derselben Erfahrungen steigert
die Störungen. Darum fehlen der Erwartungsneurose jene um¬
fassenden Krankheitserscheinungen, welche die Unfallshysterie
kennzeichnen, die nervösen Störungen am Herzen und Gefäss-
system, die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, die dau¬
ernde Trübung der Stimmung. Bei der Erwartungsneurose
bleibt demgegenüber die Krankheit sozusagen auf das Gebiet
des Traumas beschränkt, kurz, wir können auch der trau¬
matischen Hysterie gegenüber die Begrenztheit der Erschei¬
nungen bei der Erwartungsneurose, die Intaktheit ddr Persön¬
lichkeit, so weit sie nicht von den immer einförmig bleibenden
Beschwerden in Anspruch genommen wird, hervorheben, wäh¬
rend bei der Unfallsneurose eine schwere Veränderung der
ganzen seelischen Konstitution im Anschluss an das Trauma
und den Kampf um die Rente die Regel ist. Demgemäss unter¬
scheiden sich die erwartungsneurotischen Zustände auch in
ihrem Verlauf in sehr erfreulicher Weise von den traumatischen
Neurosen. Stehen wir den Unfallskrankheiten im Allgemeinen
mit unseren therapeutischen Bemühungen ziemlich machtlos
gegenüber, so werden wir bei der Erwartungsneurose in der
Mehrzahl der Fälle bei geeigneter Behandlung glatte und dau¬
ernde Erfolge erleben.
Es treten also praktische Gründe zu den theoretischen
hinzu, welche dazu bewegen, die Erwartungsneurose von an¬
deren nervösen Erkrankungen zu sondern. Gerade für die Be¬
handlung ist die richtige Erfassung der Erkrankung von Wert.
Wird die Natur der Krankheit verkannt, so bedeuten alle Heil¬
versuche gewöhnlich nur Steigerungen der Beschwerden. Es
gibt nur ein Heilverfahren, welches hier wirklich hilft, die plan-
mässige psychische Beeinflussung, insbesondere die Hypnose.
Diese vermag selbst in sehr schweren Fällen zum Ziele zu
führen. Nicht erst seit heute kann man von erfahrenen Nerven¬
ärzten hören, dass es gerade die monosymptomatischen Hy¬
sterien seien, bei denen sie die Hypnose besonders schätzen
gelernt hätten. Diese monosymptomatischen Hysterien sind es
aber vorwiegend, welche wir als Erwartungsneurose auffassen
möchten. Und so sind es nicht zum geringsten Teile Gründe
des ärztlichen Handelns, welche die Abgrenzung dieser Zu¬
stände verlangen.
Aus der syphilido-dermatologischen Universitätsklinik zu
München (Prof. Dr. P o s s e 11).
Zur internen Therapie der Syphilis.
Von Dr. A. P ö h 1 m a n n, Assistenzarzt.
Die Behandlung der Syphilis durch interne Verabreichung
von Quecksilber ist in England, Amerika und besonders in
Frankreich eine sehr bevorzugte Methode, „la methode la plus
commode et la plus generalement adoptee“ (M a u r i a c). In
Deutschland dagegen erfreut sich die interne Syphilisbehand¬
lung keiner besonderen Beliebtheit.
So äussert sich Neisser 1 ): „Ueber die Quantität des
resorbierten Präparates ist gar keine Sicherheit vorhanden.
Die namentlich bei grösseren Dosen eintretenden Darmer¬
scheinungen sind sogar sicherlich selbst die Ursache, dass recht
viel von den eingenommenen Hg-Präparaten unverarbeitet
mit den diarrhoischen Stühlen wieder herausbefördert wird“.
Diese Störungen, die durch die Berührung des Hg mit der
Magendarmwand eintreten können, werden höchst wahr¬
scheinlich durch die Bildung von Schwefelquecksilber hervor¬
gerufen, welches unter dem Einfluss des im Darm enthaltenen
Schwefelwasserstoffes im Gewebe sich niederschlägt und
eventuell sogar zur Nekrotisierung führt.
D Neisser: Die Einreibungskur. Volkmanns Sammlung kli¬
nischer Vorträge, No. 199.
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H30
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. j:
Entschloss man sich trotz dieser Bedenken als Notbehelf
zu einer innerlichen Behandlung, so standen bisher eine Reihe
mehr weniger empfohlener Hg-Präparate zur Verfügung.
Nachdem die Merkurialien sich mit den Chloriden des Körpers
zu Sublimat verbinden und als solches zur Resorption ge¬
langen, lag es nahe, dieses in erster Linie in Anwendung zu
bringen.
So ist das Sublimat von alters her in Frankreich in Gc-
brauch gewesen in Form der Dzon di sehen Pillen sowie in alkoholi¬
scher Lösung als L i q u c u r de van S w i e t e n und wurde erst
wieder 1901 von Brocq’j auf Grund von Versuchen an 2 »mhi Pa¬
tienten empfohlen. Verabreicht man das Sublimat mit etwas Koch¬
salzzusatz in Pillenform, so wirkt es weniger magendarmrei/erul wie
der van Swieten-Liqucur. welcher ausserdem noch sehr
schlecht schmeckt. Sublimat, wegen seiner Löslichkeit anscheinend
das beste Präparat für die interne Medizin, darf aber nur bei ge¬
sundem Intestinaltraktus und gesunden Nieren angewendet werden,
niemals bei auch noch so geringer Albuminurie.
Als weniger irritierend gilt das Kalomcl; man wendet es
mit gutem Erfolg bei luetischen Kindern an und mit Recht, da andere
energischere Methoden dem kindlichen Organismus leicht schaden
und deshalb kontraindiziert sind. Andere wollen damit auch bei
erwachsenen Luetikern sehr gute Resultate gesehen haben; jedenfalls
wird aber Kalomcl von Kindern ungleich besser vertragen als \oii
Erwachsenen, wo eine Darmreizung meist nicht ausbleibt.
Das metallische Quecksilber wurde früher in Form der ..Mine
p i 11 s“ (pilulac cocruleac) hauptsächlich in England, weiter als Si-
dillotschc Pillen und Lang sehe Pillen in verschiedener Zu¬
sammensetzung verwendet. liiehcr gehört endlich auch das sogen,
„graue Pulver“ (1 Teil Hg T 2 Teile Km Ich In Milch \erab-
reicht wird es nicht selten jetzt noch bei der Behandlung luetischer
Neugeborener lind Säuglinge verordnet. Nebenbei sei als Kmiosum
erwähnt, dass dasselbe Präparat auch bei Erwachsenen mit an¬
geblich gutem Erfolge angewendet wurde und zwar in der Fotm von
— Schnupfpulver.
Nach Ncumann’) wirken alle die angeführten, aus reguhMi¬
schern Hg hergcstclltcn Mittel sehr langsam und inkonstant und können
daher zur Allgcmeinbchandlung der Syphilis nicht empfohlen w etilen.
Unter den Jodquecksilbcrvcrbindungen ist von Ricoril und
Fournier als am mildesten und wirksamsten das Protoiodu-
rctum Hydrargyri (Quecksilberjodiir) empfohlen worden, das
jedoch ebenfalls leicht Diarrhöen, sogar Salivation hervorruit. Das
Quecksilberjodid. Hydrargyrum bi jo datum rubrum, vor
allem in Frankreich in Gebrauch, erscheint wegen seiner stark ätzen¬
den Eigenschaften zum internen Gebrauch nicht geeignet. Besser
soll eine organische Jodquccksilbervcrbindung vertragen werden, das
von Kobert dargcstellte I o d q u e c k s i I b e r h ä m o I. welchem
neben geringen Nebenwirkungen tonisierende Eigenschaften bci. eh.gt
werden, entsprechend seinem Gehalt an Eisen, das in dem aus Tier¬
blut gewonnenen Hä mol enthalten ist. Mit diesem Präparat hat
Rille’) an der Klinik von Ncumann erfolgreiche Versuche au¬
gestellt.
Die ausgedehnteste Verwendung als bestbewährtes Präparat hat
wohl das von Lustgarten 5 ) 1KK4 cingefiihrte H v d r a r g v r u m
o x y d u 1 a t u m t a n n i c u m gefunden. Es enthalt 50 Pro/. Ile. und
wird erst im Darm unter Abspaltung von metallischem Um-,.kSilber
in feinster Form zersetzt. Aber auch dieses TanniiuuiccksflKu ruft
ab und zu Diarrhöen hervor, und enthalten deshalb schon die Lust-
g a r t e n sehen Rczcptformeln Zusätze von Opium, um st\ptisdi zu
wirken.
Als selten verwendete Präparate seien endlich der VUliM.mdig-
keit halber kurz erw ähnt das H y d r a r g y r u m t h v m o I.. c a r -
b o 1 i c. und s a 1 i c y I., das von M a r t i n c a ti empfohlene P e p t o n-
uuecksilber sowie die von W c r I e r angewendeten Pillen aus
Mercurcolloidsalbc.
Schon dieser Reichtum an internen Antisy philitizis spricht
dafür, dass keines die auf dasselbe gesetzten Hoffnungen ganz
erfüllt und dass der Versuch, vollkommenere Präparate lier-
zustellen, seine Berechtigung hat.
Den Anforderungen, die meiner Ansicht nach überhaupt an
ein internes Antisyphilitikum gestellt werden können, scheint
in der Tat in weitgehender Weise ein neues Präparat gerecht
zu werden, nämlich das durch Boss") unter dem Namen
ff ) Brocq L.: Lcs doses fractionnces de bichlorurc ct de biiodure
de mercurc dans lc traitement de la Syphilis. Festschrift für h a -
posi.
3 ) Ncuma n n: Syphilis. Wien 1K%.
’) Rille: Ueber die Behandlung der Svnhilis mit .Imlmmk-
silberhämol. Archiv für Dermatologie und Svphilis. B l. .U.
s ) L u s t g a r t c n: Ein neues Quecksilberpräparat. Wiener
medizinische Wochenschrift. 1.HN4. No. 11-14.
fl ) Boss S. : Die Behandlung der Svphilis mit Mergal. einem
neuen Antiluetikum. Medizin. Klinik, 1906, No. MK
Mergal in die 'I lierapic cmgcf.firtc und \ on der JumivJun
Fabrik R i e d e I - Merlin bergest*. Ü'.e dioNiUfc Qut vksdber-
o\\d. lifiss glaubt, dass das i.JikAn Tcmw uJuTtt dein
Quecksilberne dalimamuit, w efytk s i:aJi \ m ! imJ anderen
als die endliche Moddikam m des im <>:gai ’.mhus kremenden
Quecksilbers an/tmelu. n ist, am i a ^ I : c m stillt. Mergal w :rd
in elastisJun t iclatiBekapseln m den Damit! gebrav*’!; e;r-e
Kapsel enthalt O.n.S g ch»; seines Qm vksilbt io\\J ui d 1 h 1 g
Tannalbiu.
Die günstigen Erfolge. w e’Jie mit diesem Präparat b.sbt r
an verschiedenen Kliniken er Z elt wurden. \ eran ’assy n. de
therapeutische W irksamktft de'* innu M.tttls au! «iriifd
kliuisJier Beobachtungi u an dtm K rankt umatt nale dt r km ?\
zu prüfen.
Fs wurden mit Mt rga! in dm: letzte n O Monaten J5 K # al Vt
behandelt. IS Frauen mul lo M.in.tr; 1»> w .mi Ir.sJi fr.:; -
zierte Personen mit l Tuberin mmgen dt r StkumLcpi: a »d-t
l.litl hatten in >v li keine ,m t:!i:e!i"v he Kur d i: vligt rn.u lit . o kam.t p
mit Re/idi\eii zur I b < b.u htm g. \ .t r der It’/’i n i! Patimtei:
waren i ruher sJimu m:t ihn v ksdber K hm .!•. !: wurden.
Was die Art der e.nzeli.» n luitOrui I r s v tu :r um gt u be¬
trifft. sn w urdiui bt 1 lande!t:
I Uim.i ' a’uT fe in t f .i :i
M ,i k nb 'M' I \ .i ::! hi■ me , '* .
M. ikii!’ ' i 1 ' ve I \.r theme 7
N. issende » u mt.iip.ipi m . I * .
Papeln der Mtjn.Jsv hie mh.mt . s
Was dm Art und Wim dtT NV.l.ka' < .p ,ir.g P;?. v.l
erhielten die Patientin zu ILg.iu dir Kur d kapsilu tag Nh.
dann ieden X l ag 1 Kapsel nulir. ste g< r d bs zur Iagesd *s s
von li Kapseln und wurde du s e t.ig'.v lu Dos s b.s zu r Be¬
endigung der Kur kn;;.miur : .Ji ly du habt n. Bei ehm: >J;
intermittierenden Kuren. wn es mJ:t dautEf .mkotunu, infek¬
tiöse Frss lieumr.gcn im-g’uhst ravli zu best.:.gen. ist es \ .ei¬
lt ielit zw eckmuss.ger. »uglkh nur b o >tu w k zu geben n::J d t
Kur dafür über eine enmprtvImnd la’gtre A:t .iiis/udthver
Ibis Mifel wurde unter m« »gN lis*t r K«»ir:r«•!.t* \«m Zahn- m d
Mundpflege und stets i.ub dein l'sy n \ e'ab-e ,v!:!. \ .-i:
ji eie 1 r d i fl e - Teil te 11 I.nk .1! l't !la I d ’ U li g d* f lliet;sdun Ft! 1"Tt s.y v/ v
wurde- Abstand genommen, um tu; K.ins B.J eli r at;ss v 1; .e -
lieh internen Qucvksilbe rw irkimg gewinnen zu k"Ui.tn.
Fülle Heilung der einzelnen int’ Oie n F.rsJu mm.ger. unter
dieser rein internen Therapie wurde ery ; v !ü Fe::
Primär.iTU ktcii muh JJJ tns .Cd l :v .<»/•* K.ip^e •
Mak ul< >sem b vanfheme n muh du . |m .
Papulnseii I \anthcme n ul.d-ci Pla itar- m J
Palmarst pliilid«u , , Vt >s ^ .C"
Mac uh '-papnhiseui I \aiither icn . |nj , d-ij
Nassimden < icntt.dpape-lu . 11^ . -4 *■
Pape ln der MtirnNv hie imhatit . U s . Ug»
In 2 F'ällen \"ii SJiR imluuts\ ph- '.dtti vertagte die Mer-
galbeliaiieüiiug.
Die \ ersvIm ele iibtut e!e r /ali.e ti erk'art s. v b uivht r:ur aus
eler \ erscbiedenbt it eie r Intensität dt s u dermal gti: K ra: kheits-
svitiptiiius. sni’ele IUI »i ik li aus dem :i d.\;d:;tul VervVe derer:
Res**rptions\ efttiogt n de s Darnus. St )K:\e» s;.n\{'. Ji w :rd
es sich, vor allem ln i ri/eiittii F’krankaigt ui tuimtt’uen
wie es m diesen Fallen alle!) gtsOab e!.e IL b.iiu: ’ ; u g über
tbis völlige Svliw imlt n dt r
S\nip'Mme b.
raus i.nji t : ge Zeit
fortzusetzen. Man kaum d■
iiii'.u b ly !i.. i;
’V:. dc.sc das Mt rga’
eine deutliche mul nulir »
»dt r w en g. r |
pr«m.p:e f.Micvksilber-
Wirkung zu entfalten img
alule ist \ ■;
i Sv b- t l'stt n wiirJm
makulöse I'\ant licnie btt:
• thi.sst; Pr u ,
u'.dt'kte und ausge-
delmtere f iemtalpapt In Zt
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achten. der Drin w .,r in .n\n 1 u b- • gm ave^ber fort-
w äh reu dt r Kontrolle c t .s j : . j \ ,.p F a • ; <s.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
7. Juli 1903.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1431
Dagegen trat ziemlich häufig, etwa in einem drittel der
Fälle Stomatitis auf, wozu Jedoch ausser dem oft etwas raschen
Anstieg in ^ler Dosis auch wohl viel der Umstand beigetragen
haben mag, dass bei einem grossen Teil unseres Kranken¬
materials, vor allem den polizeilich eingew r iesenen weiblichen
Kranken, sich die Zähne in sehr schlechtem Zustand befanden.
Jedoch w aren wir nie durch Nebenerscheinungen gezwungen,
die Kur für längere Zeit zu unterbrechen, sondern es genügte,
für einige Tage die tägliche Dosis etwas zu verringern, um bald
mit der früheren die Kur wieder fortsetzen zu können. Aus
einer relativ häufigen Stomatitis bei disponiertem Zahnfleisch
auf eine besonders intensive Wirkung des betreffenden Hg-
Präparates gegenüber dem luetischen Prozess schliessen zu
wollen, wie es von anderer Seite 7 ) geschieht, scheint mir nicht
gerechtfertigt. Auch ein ziemlich wenig wirksames Hg-Prä-
parat wird wohl bei fehlender Zahn- und Mundpflege in einem
relativ hohen Prozentsatz Mundentzündung hervorrufen
können, abgesehen davon, dass die Resorptions- und Aus¬
scheidungsverhältnisse des Hg bei dem einzelnen Individuum
von Faktoren abhängig sind, deren Details sich vorläufig
unserer Kenntnis entziehen.
Was die Wetterbeobachtung der mit Mergal behandelten
Patienten, insbesondere, w^as die Art und Zeit des Auftretens
von Rezidiven betrifft, so fehlen diesbezügliche Angaben in
den meisten übe 1 * Mergal erschienenen Veröffentlichungen. Der
Arbeit von Höhne 8 ) entnehme ich, dass von 41 mit Mergal
behandelten Patienten 5 r i. e. ca. 12 Proz. während der Kur
an neuen syphilitischen Erscheinungen erkrankten, 9, i. e.
ca« 22 Proz. bereits kurze Zeit — 1—2 Monate nach Aussetzen
der Behandlung — w ieder wegen eines Rezidivs in seine Be¬
handlung kamen. Von unseren 25 Patienten kamen 3, i. e.
12 Proz. mit Rezidiven, 1 Woche, 7 und 16 Wochen nach Be¬
endigung der Kur zur Beobachtung; bei 2, i. e. 8 Proz. traten
während der Kur frische luetische Erscheinungen auf. Im
Folgernden seien einige kurze Angaben über die eben erwähnten
Fälle, bei denen Rezidive auftraten, beigefügt:
F a 11 1. S. Ch., männl. Infektion Anfang 1907. 20. XI. 07 Dia¬
gnose: Lues II (2. Rezidiv), Plaques der Zunge, Angina specifica.
9. XII. nach 100 Kapseln sind alle Erscheinungen abgeheilt. 29. I. 08
neuerdings Krankenhausaufnahme wegen zahlreicher luetischer Pla¬
ques der Zunge.
F a 11 2. A. F., weibl. Ersterkrankung. 1. XII. 07 Diagnose:
Lues II. Zahlreiche nässende Genitalpapeln. 1. I. 08 nach 226
Kapseln keine Erscheinungen mehr. Geheilt entlassen. 1. V. 08
Krankenhausaufnahme wegen nässender Genitalpapeln, spezifischer
Angina und Plaques der Lippen- und Zungenschleimhaut.
F a 11 3. M. M., weibl. Zeit der Infektion unbekannt, vielleicht
1906. 22. I. 08 Diagnose: Lues II, papulo-krustöses Exanthem, näs¬
sende Genitalpapeln, spezifische Angina. 7. III. 08 nach Verbrauch
von 298 Kapseln alle luetischen Symptome geheilt. Ende IV. 08
Krankenhausaufnahme wegen papulo-pustulösen Exanthems und näs¬
sender Genitalpapeln. Pat. gibt an, die „Flecken“ seien schon 8 Tage
nach Krankenhausaustritt von neuem aufgetreten.
Fall 4. P. E., männl. Ersterkrankung. 28. II. 08 Diagnose:
Lues II, maculo-papulöses Exanthem, nässende Genitalpapeln. 20. III.
nach 192 Kapseln Papeln völlig rückgebildet, Exanthem bis auf Pig¬
mentflecke verschwunden. Gleichzeitig Auftreten von gruppiert
kleinpapulösem Syphilid auf Brust und Rücken.
F a 11 5. C. M„ weibl. Ersterkrankung. 5. II. 08 Diagnose:
Lues II, Roseola, nässende Genitalpapeln. Nach 252 Kapseln Exan¬
them und Papeln vollständig verschwunden. Während der Kur Auf¬
treten einer luetischen Paronychie der linken Grosszehe, welche sich
durch noch länger fortgesetzte Mergaldarreichung nicht beeinflussen
lässt
Wenn auch in Ausnahmefällen kurz nach Inunktionskuren
und den gebräuchlichen Hg-Injektionsmitteln oder während
derselben einmal Rezidive zur Beobachtung kommen, so lässt
sich doch in Hinsicht auf die erwähnten Beobachtungen nach
Mergalbehandlung entschieden ein höherer Prozentsatz von
Rezidiven erkennen. Ich kann daher die Ansicht verschiedener
Autoren 9 ), die Mergalbehandlung sei einer Inunktionskur
oder Injektionskur ebenbürtig, nicht teilen. Deshalb scheint
7 ) S a a 1 f e 1 d E.: Zur internen Therapie der Syphilis. Thera¬
peutische Monatshefte, 1907, No. 1.
8 ) H ö h n e Fr.: Zur Behandlung der Syphilis mit Mergal. Archiv
für Dermatologie und Syphilis, 1907, Bd. 87, Heft 3.
9 ) Ehrmann S.: Die Behandlung der Syphilis mit Mergal.
Dermatologisches Zentralblatt, XI, Jahrgang, No. 1.
mir das Mergal für die erste Kur, die doch besonders energisch
sein muss, keinesfalls empfehlensw ert zu sein.
Während mir also Mergal zur Behandlung aller floriden,
insbesondere der Ersterscheinungen ungeeignet erscheint, ist
es zur Durchführung von milden intermit¬
tierenden Kuren im Sinne von Fournier-Neisser
sicher ein durchaus empfehlenswertes Präparat. Zu der reiz¬
losen und diskreten internen Mergalbehandlung, die der Patient
mit latenter Lues ohne Berufsstörung durchführen und leicht
seiner Umgebung verheimlichen kann, wird er sich unter be¬
sonderen Verhältnissen wesentlich leichter entschlossen, als
zu Injektionen oder zu der verräterischen unreinlichen
Schmierkur. Sodann wird das Mergal in allen Fällen einen
willkommenen Ersatz bilden, in denen man mit Rücksicht auf
eventuell vorhandene andere Dermatosen oder bei besonderer
Disposition des Patienten zu Hg-Dermatitis oder zu Infiltraten
an der Injektionsstelle auf die Fortsetzung der Injektionen
verzichten muss. So leistete mir Mergal in einem der Fälle
gute Dienste, wo der Patient — von Beruf Kutscher — wegen
seiner sitzenden Lebensweise Injektionen verweigerte, und
wo mir Inunktionen mit Rücksicht auf eine ausgebreitete
Psoriasis vulgaris nicht empfehlenswert erschienen.
Ueber die Wirkungsweise des M£rgals bei tertiärer Lues
und Erkrankungen des Zentralnervensystems stehen mir keine
Beobachtungen zur Verfügung.
Was endlich die Zeit und Art der Resorption und die Aus¬
scheidung des Mergals betrifft, so verweise ich auf die kürzlich
erschienene Arbeit von Nagelschmidt 10 ), nach dessen
Untersuchungen die Resorption des cholsaurcn Hg-Oxyds
schnell erfolgt; bereits 4 Stunden nach Beginn der Kur war
Quecksilber im Urin nachweisbar; fast ebenso schnell beginnt
die Hg-Ausscheidung in den Fäzes, schon 9 Stunden nach Ein¬
nahme der ersten Kapseln. Die Ausscheidung durch den Harn
überwog die Ausscheidung in den Fäzes, w'as für eine sehr
vollständige Resorption spricht. Während der Kur
nimmt die Hg-Ausscheidung allmählich zu. Was die Remanenz
des Hg bei Mergaldarreichung anlangt, so konnte Boss schon
3—4 Wochen nach der letzten Mergalgabe Hg im Urin nicht
mehr nachweisen, während Nagelschmidt in einigen
Fällen eine wesentlich längere Remanenz konstatieren konnte;
er fand noch bis zu 4 Monaten nach der letzten Mergaldar¬
reichung Hg in w'ägbaren Mengen in Urin, Kot und Schweiss.
Nachdem aber zwischen langer Remanenz eines Hg.-Prä-
parates und langer Rezidivfreiheit ein Zusammenhang doch
eigentlich erwartet werden darf, lässt sich unsere klinische
Beobachtung, dass in einem grossen Prozentsatz der Fälle
(20 Proz.!) rasche und schwere Rezidive auftraten, mit der
angegebenen langen Remanenz des Mergals nicht recht in Ein¬
klang bringen. Trotzdem kann man im Hinblick
auf die geringen Nebenerscheinungen, sowie
besonders mit Rücksicht auf die prompte Be¬
seitigung der manifesten luetischen Sym¬
ptome behaupten, dass das Mergal bei Indika¬
tion einer internen Quecksilberdarreichung
eine wertvolle Bereicherung des Arznei¬
schatzes darstellt.
Ziir Entstehungsgeschichte und Behandlung der Ein¬
geweidebrüche.
Von Professor Dr. Wilhelm Koch.
II. Der Zwerchfellbruch.
(b. 1899; c. 1900.)
Je nachdem der Systematiker oder der vergleichende
Anatom das Wort erhält, w erden als Ausgang des Zwerchfelles
zwei verschiedene Zonen angegeben.
Die Systematiker 1 ) verlegen ihn in die Seitenplatten. Wenn
diese, am Schluss etwa der ersten Woche, bis auf eine Stelle — die
10 ) Nagelschmidt Fr.: Ueber Quecksilberbehandlung bei Sy¬
philis. Dermatologische Zeitschrift, Bd. XV, Heft 3.
*) Ausser den Lehrbüchern für Entwicklungsgeschichte und
vergl. Anatomie: K o e 11 i k e r s Lehrbuch; H i s: Anatomie menschl.
Embryonen 1880, Arch. f. Anatomie u. Entwicklungsgesch. 1881;
Uskow: Arch. f. ntikrosk. Anatomie XXII, 1883; Wal de y er:
Deutsche med. Wochensclir. X, 1881; Ravn: Arch. f. Anat. etc.
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1 432
MULNCHENER MEDIZINISCHE W OCI1HNSCHRIET.
Verhiiidmigshriickc — in zwei das Coelom dnscterklciide Schichten
zerfallen sind, dann zur ventralen Briistbauchvv and sieh umkrummen
und in der Linea alba zusammeuwaelisen. Mit den Sciteitplatten ver¬
einigen sieh dann auch die Verbindiingsbrucken, entspreeliend etwa
der späteren unteren (jrenze des Brustkorbes. zum ventral und uuer-
vresteilten Septum transversum. Diese l’ilte steigt, gekrümmt wie die
Mondsichel, gegen die W irbelsäule und den kucken nach hinten cmp.<r.
ohne aber beide weiter als mit einem selmialen, mittleren, zimgen-
fürmigen Lortsatz. zu erreichen. Aus einem solchen Dreizack echt
das spätere Herzbeutclgckro.se und das stei no-kostale. das ventrale
Zw erchfell hervor. Ls scheidet das ursprünglich emk mm er :ge
Coclorn in Brust- und Bauchliohle. aber nur unvollständig und so,
dass beiderseits, lateral- und dorsalwärts ovale Bfoiten ubog bleiben,
durch w elche man sowohl in die Brust, a's auch m den B nich ge¬
langen kann. Lrst später sch Dessen sich auch diese beiden I Morten,
durch Wucherungen des Septum transversum zum Dnfsum hm. dm eh
die Portio vertebralis und lumbalis, das dorsale Zwerchtell.
Die Vergleichenden hin^evren ereilen, das Zw ei eine I vcrstainl-
lich zu machen, auf das Prgekrose der \ ertebi aten' zuniek und
leiten letzteres von der lirvene, der Vena subnitest.nahs ab. welche
später in zwei hintere Rumpf- oder Kardinalveilen und m zwei Dutm-
v eilen zerfiel. Dieses Prgekrose w ar ein mcPiuii-sagittn'cs < Vn teu>
gekiose), wahrscheinlich immer unvollständig. und schloss den bi-
darm, in seiner rechten Seitenplatte auch die Leber e.n. aus welcher
ebenso wie aus Niere, Milz und Lunten neue t iekrosiaiten sich ent¬
wickelten. So erstand im Kopfteil des emlit .t’ichcu, aber vn
der Wirbelsäule zum Bauch lim septierten Coelom das I * it iebri-
gekröse. Ich setze es hier, wo es mir auf RiPahriicu aukomait.
dem Septum transversum ohne Muskeln gleich und Inge li.nzu. <1 i^s
auf (irund dieses Zusammenhanges aueli du* nbttleie I *a ts.it/ des
Septum transversum zur Wirbelsäule hm verstau llkli v. ml. den die
Systematiker gar nicht erklären können. An dis ihiki de Dikinse,
das also ventrale Zwerchfell, schloss später das d »isaie m Wiuhe-
Iungen wahrscheinlich ebenso von der seit lel.e.i l.c.besw md. w ,e
von der Peripherie der Leber. Lunge und Mlz. Mar wie am Dum
hat also die oiitogcnetische Arbeit, bebm-dei t dmch d ts mmj apie
niensehliclie Material, den Sachverhalt in seinem ganzen Lmiaiige
nicht klarz.ulegen vermocht, vvolil auch die Beziehungen des M. io.lns
abdominis zum Zvverelifell ausser aclit gelassen. Sie fand nur dis
muskulöse, nicht auch das seröse Zwerchlell, trug also auch ilnei-
seits dazu bei, dass die Klinik den richtigen Weg u;c!it linden k mute.
Das andere, was liier die Analyse erseliweit. ist der l in¬
stand, dass die allerverschiedcnstcn (iestaltimgcn als Xwcrcli-
fellhrueh ausgegeben wurden, ohne aber, ausgenommen die
grösseren linksseitigen hell Ist eiten und die legitimen Eormm: i,
auch nur cinigermasscn verständlich beschrieben zu werden.
(ileieli bei der ersten Variante des Zw erelifellbnielies der
Autoren gelegentlich deren vom Zwerchfell überhaupt
nichts dagewesen sein soll, tritt dieses zu tage, hehlte in der
'Lat alles, da doch [Lärm. Leber, Nieren und Lungen vorhanden
waren? oder waren nicht wenigstens Andeutungen des Ilerz-
beutelleberdarnigekröses nachweislich? Wie die Dinge soll
auch gestalteten, dieser Komplex ist so selten, dass ich ilm
zji übergehen das Recht hätte, würde nicht gerade er auf die
Aetiologie besonders helles l icht werfen. Denn wenn ich v un
Zwerchfell gar nichts oder nicht viel und ebensowenig Dok¬
toren ermitteln kann, die es zerstörten, darf ich nicht sagen,
es sei dagewesen, durch krankhafte Zustände aller wieder weg¬
geschafft worden. Ich muss vielmehr die Anlage in s ,| p
einem Lall überhaupt bestreiten; nicht das Zwerchfell, sondern
allein das einheitliche Coelom wurde geschaffen und mit ihm
eine Einrichtung, welche hei niederen Tieren die geset/onissue
ist. Ungleich häufiger wird der Ausfall der linken Hälfte des
Zwerchfells als Bruch bezeichnet, trotzdem dann etwas dem
Bruchsack ähnliches durchaus und jedesmal fehlt. Die hier
massgebenden anatomischen Verhältnisse kennen wir seit ge¬
raumer Zeit, doch zeigt ihr Extrem am deutlichsten eine neuere
LSS9 mit Suppkan. sind einziisehen: *Balfour: vergib Lmbrv-ob»gx.
deutsch von Vetter: ‘■‘Paul Mever: Mitt. d. zool. St.in »p m
Neapel VII; (ioette: Lnt\v.-< iescliiehte der Luke (Leipzig |s~s) und
Llussneiinauge (Hamburg ti. Leipzig IS9.il; Hochstetten Morph,
.lahrb. XIII, INNS und Anatom. Anzeiger isss; Kla lisch: Morph,
dahrb. X VI f I. I s ( >_?; 'Mi. Tos: Atti della r. Ac id. deüc sc. di 'I "mnv.
Vol. 29, IN9-L c B e r t e I I i: A ich. p. I. sc. mediehe. \ «»!. |ö. und
Monitore zoolog. italian.. Amio IX. No. |o. |sus; Manier:
Mandb. d. vergl. u. evper. Lutw icklungsU-Iire, b. s. I.t• f.. |ö »_>;
■'v. (ioessuitz: Sem«» ns zool. LorscliimgsreSe. Md. IV I<m| i>ii l
den. Zeitsehr. f. Naturvv.. ds. Bd.. |9n.i; hier =o I l alle v »n Lim h toii-
niatisehern) Zw erehfellbruch und die Notiz, .dass in denn auf I" 7"«i
menschl. Sektionen H Zw erehfellbi liehe (.-<»: I.. gekomm« n < n.|.
Damit wären die statistischen Aufnahmen der mecklenburg.. Aei/tc
über Häufigkeit der Spina bifida zu vergl.
Beobachtung S c li w albes-). Loks L'ia der g ■ Mi
der Pars c »Malis, C in grosser I eil vLs Cemram ic: 1 ■:
etwa die Hallte der Pars Ihm b.i'.s; v In 1 - ks m:os% '
förmiger Rest auf die Pars s*. rn iP*. e o n t m.:-:*. n Io.
schädelw arts geruhteter W aSl dt r m .t’ohcn Pootvo
die Ansat/steüe der Pos c« stal.s ! . .• wcuRn
griffen cndluli b rtsat/c der m-o s. w e d. s V» ^kcN v
rechten Begrenzung dis De u \\ s i >- .nt d ^ * p- m
Her/beiitclgi kr«»M hinüber. >t ll'Sa d. * .1 vm.'v:’ - .Li
Befund w < der d.e emgflfgs aiu-.-h na *• m. kam. c r\
memlen W endungen und cm; rc.'o mPa. w i I .io"
McJiaiiik.i mul Patin b.g.s.t. s :oL ra vv idio.a: | it I
Hingen der \ eigiuvbaag. u ae. we'.'ie b '•.ou d •'
ZwerJiiv!!. welches d e Bipsdi-Vc imtd.Pit g.gi " .! , 1
holde alis Ji!:esst. allgenu ,n gesp*. J-e-y \:o .0 du >
und des Meuvlien ist. J i»s d.u. gui :m \:>\ ..i i /a
zuvorderst *1 ciSnukc d r >,L .di vv ?od ri de » -v'
treten. \i»n der gerne t - oiu a I i bv e tu:.: ^ o. :
bei l‘isJicu allem dir He'/Ia ab. S; i’er h.’i
anderem bei RepLlon. an d.i'i u i. Pi 1 c Po M ^
heran, trat ansv^Üil.e^sL Ji m.t dem \ v *r » i : I v du i
li« li’e, uobt mit di m Pmomi /a ve r w ido : l t a -
j l.iuke Sv’i'.esst erst ''".per m v Mur skz if-.r \\ i
ib rsale /wer^bRIL l etzte' s jvt A » . d r : * \
| jut'.gste AbsJimt! des /wcrPitPLs uod n .Ld:> d. *
, seitigell ineiisv hlu lu n I U t kle b »be oh J.o.iat a
j m.Kheil. da^s d e Sun d 1 g m Bt m; d P : o h !o i o
aul einer Seite sj Ji \. i 1 ; iti.i'. a o dm :i mm o d .
( Ine:bei! kann, s . o t n k>Le r w v •>'. ^ ’o i o m ■
I tiiie'l «un bell, den Sao' «rn < I Ji'-i o) ^ Po '. . v, ' • v. '
Vv P . bell allem die f ePl\ I I "e •.!* > / •' . U 1 ’P 's ^ P: i
links hingegen Brust- h - I I• mP*:: : e o » * . v\ . t
\ erbiiKluug ang'-tr. tu-f M ei Lu < v ’ adi ' > u: \ ^
, den i!s» i d e I j • •-se: t g« i : r • • 1 • ^i * i 'i I 1 ' -”; o' , ': t s •
Mangels e geio r Itl.ilo i'g I > •«. : h d •'>. . t : t^P. i .1
m bi li li LY,keil s li tb- nt. ,m jns g g, *• : i .! ' g * i * t w
aK . /. I». die S v h vv a ! b i s v hi a k\ ste * : P: ' \ o.
( bk'kt \<ll der gleohi’i fit und «i o-* v | {
w edere, ins cm/eko gP e de U^.h.rg w .• ä 5 - '•
s^lu ulen. I»i*sh sprcPnu tnr d. h* * ^ s P.
gleiches überhaupt d.e l- Pitoka Pr 1 V I ’• '' v '
Teilungen, w ie w ir s; v - r, k v I. v i n o I h » f . I 1
M a \ d I und S c li w i ! h e \ erd « ea. :V !i a w a .• -
Defekt das ; i • t i dis g ip/e C P ai v» r a 'e M.'. *■ '
naii'e. dis \« r t c ngek r« »>*e mol du« I » . k ! r v r ^t ' i
hg. etitsprep’. 10 I Jv r lk vim . ’■ d : .1« ''s .
M 11 k gevv unde ,, eai nad • ft d \ -r* o« ’r: * t \ ” c
allem fl hinter dem 1 M;m:.! • r a». L> d - .
I \\ igeti m Pi IcirePit "' t In. d I ap s • •» d » |»\ . •
1 S. II. c. S. }JJ, e S. cJD u- d dol k , ■.
, etwaiger pcriP ne der N.obia und I ’ o ^ 1
au! Zeri'imgin nid gc w i'*v ,-i ^ \ i i s.’ I • I .
Itrul’e'ider L'tkn teil 1'eM na v er dv ’l. W e . s '< L ' l -
neueste Zeit und selbst v :i dooo .r a* •• . •: w • t
den vet gkoPieiid en! ; W k':i:-gsgi PoP”' b t -« >*e ' ;
aU den allem bet - Pit :g o a tre 1 (• e ’■ •’& o 1 ' d :.•• o * .!.
' ( iesi Jpspmikt datt’ea de big' 1 *« ’p« ' e . . « :■ \ :
tungen, wenfäStens der Ibust- tied P. -P; U ''o tLL -
■ H« Put nid iles ZwerPifPL s m ?. d a H o-o 1 . dis f
ovale, etwaige LnJter an Cemruai !i" ' :o d v 1 .
Lappung der Lungen, d* ’e". s L m • n- .• d i ' d '.
niedrig zu bew ertende I' r:rui di r I - o ’ • I N .
sind niemer Meinung r ob Duc. vv» 'Po P - • * LN Vv
tilieii v n. b w : -.-det finden ne '• i ’g >’ .• 1 • • - | \ 1 '
e-itfirutu'er ,.M osbild mgi n \ < ..je' • • / •- L.
ba'i 1 i. \ erd. ■«iu•!rc11 < L dem. d. r H s. v . *
Pr P' a.UühJi pob' Io h ;:••’!» !» ,j
Mvr ob beb inp'e vv i ' r : b
Hin! i s ’e n \ 1 b i;' e n. d i s ■ i >> k i ‘o s \». . ^ ■ fl •:
deutet, wenn waliie'td der t : otw.pP ■ ^ v . ■ ^ *
•1 M- r a' c >d:i \ ' 1 o- < I s- , - .
2. Heit, D'-s.
■) Mmoii. mal. \\ o,M r.sP o D -"*. N 1
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MÜENCHENER 1 MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1433
und legitime Fehlstellen des menschlichen Zwerchfells auf das
spätere Leben übernommen werden. Denn ich finde nicht ein
einziges Kriterium für solch eine hemmende Kraft und bin zu¬
zugeben ausser stände, es sei diese Kraft, nachdem sie ihr Werk
getan, wieder verschwunden, wie es rücksichts gewisser Fal¬
tungen, Bänder und Membranen des Bauchfelles gelehrt wurde
und bis auf den heutigen Tag gelehrt wird (c. S. 72). Ich
frage also, wie lässt es sich beweisen, dass im Fall z. B.
allein des Parietalgekröses auch das dorsale Zwerchfell inten¬
diert wurde? Bis der Beweis anderen gelungen sein wird,
nehme ich den entgegengesetzten Standpunkt ein und lehre:
Bestimmung solch eines Zwerchfelles sei von Anfang an ge¬
wesen, Stückwerk im Sinne des tierischen zu bleiben, sintemal
es auch in dieser niederen Form seinen Zweck erfüllt, wie die
Erfahrung zeigt, das Leben des Besitzers durchschnittlich nicht
gefährdet.
Für die zahlreichen noch übrigen Defekte des Zwerchfelles
andere Gründe als die angegebenen ausfindig zu machen, dürfte
ein aussichtsloses Unternehmen sein. Ich beschränke mich
deshalb darauf, diese Reste aufzuzählen, zumal ich die in Frage
kommenden tierischen Parallelen speziell anzugeben ausser
stände bin,
v. G o e s s n i t z hat gezeigt, dass auf Fehlstellen vom Um¬
fange der Schwalb eschen immer kleinere folgen, bis schliess¬
lich ein winziger Spalt an der Wirbelsäule, zwischen Pars lum-
balis und costalis, das Bochdalecksehe Dreieck übrig
bleibt. Die Grösse der Teilstücke, welche auf die Pars costalis,
himbalis und auf das Zentrum zurückzubeziehen sind, schwankt
also im Einzelfalle ganz erheblich und viel werden von dieser
Gruppe die Zustände, welche man bisher als Spalten zwischen
Pars sternalis, costalis und himbalis angesehen hat, wahr¬
scheinlich nicht sich unterscheiden.
Wieder anderes stellt hingegen die Vergrösserung der legi¬
timen Durchtrittsöffnungen, des Foramen oesophageum und
sympathicum vor, wobei angedeutet werden muss, dass in
ihrem Falle wie im Fall der Spalten, die Pleura vollständig sein
und das Bauchfell als Haube in den Brustraum hineingestülpt
sein kann, endlich dass bei den gleichen kleineren Fehlstellen
so einschneidende Aenderungen des Situs, wie ich sie vorhin
beschrieb, durchaus nicht notwendig erscheinen. Eigenes und
natürlich ebenfalls kein Bruch ist dann die sogen. Eventration,
der unter Umständen halbseitige Hochstand eines dünnen
Zwerchfelles und ein Oberflächenrelief, in welchem sich die
unterfütternden Darmschlingen ausprägen. Ich wenigstens be¬
trachte alle diese „individuellen Schwankungen“ nicht als Folge
der Bauchpresse und von Krankheiten, sondern als Zeichen
dessen, dass Lage und Gestalt auch des menschlichen Zwerch¬
felles an einen einzigen und eigenen Typus durchaus nicht ge¬
bunden sind. Die äusserste Vorsicht ist endlich noch den
rechtsseitigen Fehlstellen gegenüber am Platze. Zwar wird
man die kleineren derselben nicht bestreiten dürfen, den Aus¬
fall der ganzen rechten Hälfte aber, ohne dass Leber, Darm und
deren Gekröse auf allerniedrigster Stufe geblieben sind, kaum
sich vorstellen können. Da hiervon nichts erwähnt wird, war
vielleicht nur der Muskel in Wegfall gekommen, das seröse
Zwerchfell aber deswegen schwer zu erkennen, weil es der
Lunge und Leber aufs innigste sich angeschlossen hatte. Sicher
ist ist nur, dass, wahrscheinlich gerade der Konstanz der Leber
und Darmgekröse wegen, die rechten Fehlstellen sehr viel
seltener als die inken sind.
In historischer Beziehung erwähne ich, dass ich den hier vor¬
getragenen Gedankengang, ohne die kurze und dunkle Parallelstelle
bei U s k o w zu kennen, im Jahre 1898 habe drucken lassen. Ich
mag mich, als Nichtfachmann, im einzelnen geirrt, auch ungelenkig
ansgedriiekt haben; den Punkt, auf welchen alles ankommt, spricht
mein Schlussatz b, S. 14 klar aus: „... ich hoffe also, dass trotz
vieler Unsicherheit im einzelnen der Grundgedanke sich wird halten
lassen, welchen ich vortrug, dass nämlich im Zwerchfeilbruch des
Menschen, mannigfach kombiniert und weniger in getreuer Kopie als
in allgemeinen Umrissen, tierische Verhältnisse sich wiederholen“:
Infolgedessen ist in Wiedersheim (vgl. Anatomie der Wirbel¬
tiere, 6. Aufl., 1906) zu ändern, dass dieser Gedankengang v.Goess-
n i t z angehört, v. G. selbst behauptet das auch gar nicht, da er
nur sagt: „... und auch ich bin, wie Paterson, der Meinung, dass
man jenen teratologischen Werdegang im wesentlichen mit den Vor¬
gängen der Phylogenie und, wie wir sehen werden, auch der Onto-
No. 27.
■genie identifizieren kann.“ Ich hätte mich also nur mit Paterson
(British med. Journal, II, 1888, S. 1207) auseinanderzusetzen und be-
daure doppelt, die englische Zeitschrift auch heute nicht zur Hand zu
haben. Uebrigens wiederholt das menschliche Zwerchfell während
der Entwicklungszeit die tierischen Formen schon deshalb, weil es
an der ventralen Seite früher als an der dorsalen anschliesst und
seine Portionen anfangs nicht so. zusammengesetzt wie am Ende der
Entwicklung erscheinen. Allerdings weiss man bis jetzt nichts über
zeitliche Unterschiede seiner rechten und linken Hälfte, es sei denn,
dass die Leber sehr früh in‘die Erscheinung tritt.
Aus dem orthopädischen Institut von Dr. Stein und Dr.
P r e i s e r in Hamburg.
Zur Frage der Aetiologie der Spondylitis cervicalis
deformans. 1 )
Von Dr. Georg Preiser.
Die sich auf pathologisch-anatomische Untersuchungen
stützenden Arbeiten der letzten Jahre von Eugen Fraenkel,
Simmonds, W. Anschütz, Beneke u. a. 2 ) haben ge¬
zeigt, dass sich eine Scheidung der Wirbelsäulenversteifung
in einen Bechterewschen Typus einerseits, einen
Strümpell-Pierre Marieschen andererseits nicht
aufrecht erhalten lässt, dass aber auf Grund pathologisch¬
anatomischer Befunde doch eine Einteilung in 2 grosse Grup¬
pen berechtigt ist, zwischen denen allerdings Uebergänge, resp.
Aehnlichkerten bestehen, nämlich in
1. die ankylosierende Arthritis der Wir¬
belsäule und
2. die deformierende Spondylitis.
Die ankylosierende Arthritis oder Spondylitis ankylopoetica
befällt primär vor allem die Gelenke zwischen den Processus
articulares. Der Gelenkknorpel geht zu gründe und es tritt
eine ossale Ankylose in diesen Gelenken ein; auch die Rippen¬
wirbelgelenke werden ergriffen, während die Form der
Wirbelkörper im ganzen erhalten bleibt.
Bei der Spondylitis deformans tritt dagegen vor allem eine
Deformierung der Wirbelkörper ein; zu beiden Seiten der
Bandscheiben bilden sich Exostosen, welche sich schnabelartig
nach vorn und seitlich erstrecken und, wenn sie sich treffen,
schliesslich auch zusammenhängende Knochenbänder bilden
können, welche meist nur auf der rechten Seite der Wirbel¬
säule beobachtet und als Anpassungserscheinung an die ver¬
änderten statischen Verhältnisse aufgefasst werden. Nach der
Anschauung zahlreicher Autoren ist die Spondylitis deformans
auf eine primäre Erkrankung der Zwischen-
wirbelscheiben zurückzuführen. Nur selten findet sich
bei ihr die für die Spondylitis ankylopoetica charakteristische
Ankylosierung der kleinen Gelenke; da wo sie sich findet, lässt
sich am mazerierten Präparat meist noch ein Rest eines Ge¬
lenkspaltes nach weisen, während das frische Präparat den Ein¬
druck einer völligen Ankylose machen kann. BeiderSpon-
dylitis deformans wird vor allem die Lenden-
und Brustwirbelsäule, meist erst später die
HalswirbelsäulevondempathologischenPro-
zess ergriffen.
In den ersten Anfängen wird die Krankheit verhältnis¬
mässig selten beobachtet, bezw. wird sehr selten die richtige
Diagnose gestellt; ebenso herrscht über die ersten Symptome
und die Aetiologie der Spondylitis deformans noch Unklarheit,
so dass ich es wage, einen Fall zur weiteren Kenntnis zu
bringen, der noch im Beginn der Erkrankung steht und eine
interessante ätiologische Seite hat.
Ein jetzt 54 jähriger Kaufmann, der vor 30 Jahren eine Lues
durchgemacht hat, erkrankte vor 3 Jahren an linksseitigen Nacken¬
schmerzen, die von verschiedenen Aerzten als rheumatische Muskel¬
schmerzen aufgefasst wurden. Deshalb trat er auch in unsere Be¬
handlung. Unsere Diagnose lautete ebenfalls „Muskelrheumatismus“.
Nach einigen Tagen fiel uns nun während einer Massagesitzung auf,
dass bei bestimmten Bewegungen, besonders beim Neigen des Kopies
*) Demonstration am 25. Februar 1908 in der Biologischen Ab¬
teilung des Aerztlichen Vereins in Hamburg.
2 ) Ausführliche Literaturangaben wolle man bei Simmondg,
Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. VII, Fraen¬
kel, diese Zeitschrift, Bd. VII und XI und Anschütz, Mitteilungen
aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, Bd. VIII suchen.
a
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRlPt.
No. 21 .
UM
nach vorne links Krepitation auftrat, so dass wir eine Vs ii beisaulcu-
erkrankung vermuteten und dadurch zu mehreren Rontgcnaufmdmicn
veranlasst wurden. Die Scitenaufnalimc ergab eine typische De¬
formierung des 4. bis 6. Halswirbelkörpers (Skizze 2), also zw ei¬
fellos eine Spondylitis deformans cervicalis. In
den Aufnahmen sagittaler Richtung zeigte sich eine links seitige,
anscheinend der Gegend des Processus articularis entsprechende
Skizze 2 .
deiiciiigang hinten eine SJmuimg. die. wie auvli tm Spckiikm. c c
Botin» \aginabs und was \«>n der /e r\ivhuh.c zu schul ist, rat
dicken diphtheritischeil, teilweise g.mgr mioscn Bel.ig bedeckt ist l"i
Uterus linden skIi buchst ubeiriecltende a.tue B.utgerit; risch In
- Temperatur.
X Scrviminjektiori.
Knochenspange, die sich vom 4. bis 6. Halswirbel erstreckt (Skizze 1).
W'ährend die rechte Seite der betr. Halswirbel normal ist, ein
Verhalten, dessen Gegenteil man bei Spondylitis deformans zu sehen
gewöhnt ist. Aber auch noch dadurch ist der Pall ein ausserge-
W'öhnlichcr, dass die Lenden- und Brustwirbelsäule, die doch sonst am
ersten und schwersten erkranken, bis jetzt völlig frei geblieben zu
sein scheint. Und von der Halswirbelsäule ist auch nur der 4. Ins
b. Halswirbel erkrankt; nur diese weisen eine Hohenabnahme (Skizze
1) gegenüber dem 3. und 7. Halswirbel auf. die auch m SeitenansiJit
(Skizze 2 ) ihre normale Form bewahrt haben. Ob wir m der seit¬
lichen Knochenspange (Skizze 1) in diesem Palle eine sonst bei Spon¬
dylitis deformans nur seltene Verknöcherung der Processus arti-
culares zu erblicken haben, mochte ich nach dem Rontgenbilde allein
nicht entscheiden.
Da die Knochenspangenbildung nach Heneke der Ausdruck
der „Anpassung der Wirbelform und -Struktur an die veränderten
Belastungsmomente“ ist, so forschte ich nach einer besonders schädi¬
genden Ursache, die gerade die Halswirbelsäule hetmiun haben
müsste. Ich glaube nun eine solche gefunden zu haben: Der Patient
ist eifriger Violinist und muss beim (ieigenspiel stets den Kopf nach
links vorn neigen. ‘ Hierbei müssen die Bandscheiben gerade dort
stark gequetscht werden und diesen chronischen Insult haben sie
dann mit der vorliegenden Deformierung und Km'clienspaii '.etibiKltitici
beantwortet.
Mein E a I 1 s c li eint di e A n s i e fi t derer zu st ii t -
z e ii, die dem T r a u m a, das selbstredend nicht
i m m e r in einer ei n m a 1 i g e n s c h ä d I i c Ii e n E i n -
w i r k u ii g b e s t e li e n m n ss, in der A e t i n I o g i e d e r
Spondylitis deformans ei n e Rolle z n w e i s e n
wollen.
Interessant ist auch an ihm, dass die Prktankimg sich sub¬
jektiv mit Schmerzen in den Nacken- und den Supraspiiial-
muskeln des Schulterblattes kimdgcgebcii batte, emliergeheiid
mit leieher Spannung der betr. Muskeln (Spasmus?), so dass
eine Verwechslung mit reinem Miiskelrlicumatismus sehr
nahe lag.
Zur Serumbehandlung des Puerperalfiebers.
Beitrag zum Aufsatz von Dr, Alb. Müller m No. 20
dieser Wochenschrift.
Von Dr. R. v. Fcllcnberg in Bern.
Die Erfahrungen des Herrn Dr. Müller über die Serum¬
behandlung des Puerperalfiebers, sowie die geringe Einigkeit,
die über ihren Wert noch herrscht, rechtfertigen die Veröffent¬
lichung einzelner Fälle, in der Hoffnung, einem späteren Ncu-
bearbeitcr der Frage möglichst viel Material an die Hand zu
geben. So sei mir denn auch erlaubt, einen Fall von günstigem
Erfolge des Streptokokkenserums bei Wochenbettfieber zu be¬
richten, den ich letztes Jahr zu beobachten Gelegenheit hatte;
Am 9. Januar 19(17 wurde icli durch die Hebamme R. zu einer
Wöchnerin B gerufen, die am 6. Januar zum eisten Male spontan
geboren hatte. Sie soll ziemlich viel Blut verloren haben. Seit
vorgestern, also 7. L, hat sie Temperatiirsteigerung. Bei der
Untersuchung findet sich eine blasse, eher schwächliche I ran mit
lemperatur 38,4, Puls 110. Der Uterus ist über der Svmphvse zu
fühlen. Bei der inneren Untersuchung zeigt sich vorerst am Schei-
wud eine Utcrusspi.ltibg mit I.\ V4»»rm gen.uht. n.uh Auv .r,«:::ur £
der Gerinnsel mit dem 1 mgcr. eine 1 :vi ,ih und 1 xtraB se^u
cornut. ilmd 3 ■ 2o lr<»pfen t.»g iJi x ena n.r-e t.
Am NaJmiiUag desselben I ages steigt d;e l empe:utur aut 8*'.l.
Puls 144. Fs wud soii.ft eine Irnckti-.u x-n lo Vv -n p vw ."Mi
S t r e p t o k o k k e n s e r u m s aus dem Ikriur 1: I .r I :■
forschung der Inickftwpvkra::khe.teil unter d;c B.uK.'b'nut geimu'*
Am naehsten Morgen. I". I.. wird wieder eine l U r uss;< .-.mg x..r-
genommen, x«»rhcr aber aus der /eoi\ Se kret tr.t:; •:v.::,ni und /r
Diagnose dem genannten Institut emo s.mdt il'.c 1 »ing : 1 -sc iaute:
auf Reinkultur xmi SU ept< «m kkt n. I leifer wird e e zw e tc In¬
jektion X o 11 S C r ll lll \ "t ge in • .nie ll. lerne! InKt. .i-K-t.i s
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1 . . e S s v I!, 5 S i‘ •
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J c k t M» n.
11.
1. Spülung, Io
dlinktur und
h.
> e r u :
:. i n e k l i o n | >;c
Bcia gc
habe m eitle l ge stiiid ausst. t u,
M
t |- ,|: , .i
t - ns* ,u ’ e 1 hat.* ge -
Ulile lit.
15.
1. Wie gestern. auJi t.».;
o h
ii- < h S
,i w .nn ' e • .e.:t ,v s
Rektum
7. Sei u Iti i ii
' e k t l «• tl
ll».
1. >crum foite
;e hiss», n. >;
■ . m
:g und
1 • fT.eg 11.r rv s. !i *e -
macht. Tempi t .mii 87.5, |‘n\ P»I
17. I. Da heute M<t ccm 1 e m;*e r.itur 87. \ Puls sj |s». w . ■ d d c
l ’terusspuliu-ig sowie die I isbi.ise w e n. 1 tm in-vh we %%.?
gegeben, sow ie lu nh r s|u; imge n.
ls. 1. stieg die I einjK r.itur n ^‘n.n .ils an a.;l '’Ö. | *\f\ \ ln l';c
Ulsache war aber hur eine I "J' ll !iw , :.,i :;r.: \-u t"d sHfl 1 age,
19. |. wird de sh.ilh imk h eine l -mg ge m.K 'n.t. w or.nil
die lemperatur de’imliv sirmt und i,.t I ’at. an 22 I. ans vier Be-
haiiellung entlassen werden kann.
Die I ’at. Zeigte su Ii jiojü; a's am 12. le'n.af zur k c
Alles m (bdming. nur die I Luk h !e v k e n etwas ! y n ss Br
Sah ii ll sie nochmals l in \ :it.mg dieses LP 'es in b ’u'W'er «;e-
simdlieit und völlig ar beitM.P.ig.
\\ ir mussen liier vor allem festMcikn. d.-ms e s s : J] um e.nc
Endometritis piierperalis strepb k og k.i handelt. a’sn e m La!.,
wo sieb ausser dem Endometrium Xet\i\. \ ag.ua tu d Nalxa
keine weiteren Lokalisatione n im Körper der P.f.eufm f* de n.
Also ein Fall, der für die Se rumthe r.ip;e von vnrrlure;:: gün¬
stige Aussichten bot. Die Infektion war ilmli n Jit ab; d e
Temperatiirsteigeriingcu haften I .• läge gcd.mc't. .Es d e Be¬
handlung begann. Sobald uh d.e nie mhfat:--sen Beb-gc aal
Portio und Vulva sali, so war die Ir.d.kat.on ,.>t:e pf"se'um“
gegeben, da nach \\ a I t h a r d diese de rbei:. \u:'^',dkn
Psciidomcmbrancn meist durch Stre ptokokke :: Nda'gf d.
Deshalb brauchte mJiI erst die hakte r:oh Diag:«.s t - , t b-
gew artet werden.
Daneben bin ich allerdings der NU. na: g. dass unm s. v h
nicht auf die Infektion von Serum bes^lB.mk: u darf. s.-ndem
am Anfang der P»e hand'iing m i e d e m E alle die P f i i c lt t
li a t, den Uterus a u s z u t a s ty n •:* d irgend wekker:
patbolngisJlen Inhalt ZU ei.ffemen. I be De!cb r . ea e I-:'ek*i..r
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7. Juli ]0ö&
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1435
einzuschleppen, verschwindet bei Gebrauch von Gummihand¬
schuhen gegenüber dem Verderben, das darin liegt, Nährboden¬
material wie Blutgerinnsel, Plazentarreste usw. in der Uterus¬
höhle zu belassen. (Ich renne hier keine offenen Türen ein,
wenn ich dies betone, denn es ist mir in den letzten 2 Jahren
zweimal vorgekommen, dass Aerzte sich bei Fieber im
Wochenbett scheuten, einzugehen, in der Furcht, etwas zu
\ erderben. Beide Male fanden sich dann doch Plazentarreste
in utero und nach deren Entfernung trat rascher Fieberabfall
und Genesung ein.)
Ferner bin ich Anhänger von Uterusspülungen im Anfang
und glaube, dass man dadurch das Sekret aus der Höhlen¬
wunde am besten regelmässig und gründlich wegschafft.
Ergotin in mittleren Gaben (3—4 mal täglich 20 Tropfen) um
durch kräftige Kontraktion der Muskulatur ein Durchwandern
der Infektion zu verhindern. Endlich wurde hier noch Jod¬
tinktur injiziert und die Frau mit wiederholten Kochsalzein-
läufen ins Rektum sowie Digitalistinktur auf der Höhe zu er¬
halten gesucht. Die Rektaleingiessungen ersetzen in der
Privatpraxis in solchen Fällen völlig die subkutanen Infusionen.
— Was den Verlauf anlangt, so glaube ich trotz aller nebenbei
angewandten Massnahmen, dass das Hauptverdienst an der
prompten Heilung dem Streptokokkenserum zukommt. Be¬
sonders auffällig war die unter meinen Augen sich
vollziehende Reinigung der belegten Ge¬
schwüre durch Verflüssigung der Pseudo¬
niem b r a n e n. Ich glaube nicht, dass dies der Jodtinktur
zuzuschreiben ist, da diese Verflüssigung Hand in Hand ging
mit dem Abfall der Temperatur und der Besserung des All¬
gemeinbefindens.
Die Art und Weise, wie die Verflüssigung vor sich ging,
drängte einem die Ueberzeugung förmlich auf, dass dies die
Folge eines von der Tiefe des Gewebes aus und nicht von der
Oberfläche aus wirkenden Agens sei.
Ein Haupterfordernis bei der Serumtherapie der Puerperal¬
infektion ist sicher, wie dies auch Müller erwähnt, das
frühzeitige Einsetzen der Therapie und das Fehlen von
Lokalisationen im Körper ausserhalb des Genitalschlauches.
Was das Serum des hiesigen Institutes zur Erforschung der
Infektionskrankheiten anbetrifft, so ist auch dieses ein poly¬
valentes Serum, das steril aufgefangen und ohne Karbolzusatz
in Glasröhrchen eingeschmolzen, verkauft wird. Jedes Glas¬
röhrchen enthält ca. 10 ccm Serum = 1000 A.-E. (Antitoxin¬
einheiten).
Im übrigen kann ich den Ausführungen des Herrn Dr.
Müller nur beistimmen, sie bestätigen die Erfahrungen, die
ich seinerzeit als Assistenzarzt an der Berner Frauenklinik
mit der Serumtherapie der Puerperalerkrankungen machte, und
deren Publikation mir hier nicht zusteht.
Ein neues Keuchhustenmittel.
Von Dr. Walther Kaupe, Spezialarzt für Kinderkrank¬
heiten in Bonn.
Die Zahl der gegen Pertussis empfohlenen Mittel ist Legion
und gerade der Umstand, dass immer wieder neue auftauchen,
ist der beste Beweis für die Unzulänglichkeit. Die einen sollen
gegen die zwar noch nicht gefundenen, als ätiologischer Faktor
wohl unbedingt in Frage kommenden, spezifisch-pathogenen
Mikroorganismen zu Felde ziehen, die anderen sollen mehr
symptomatisch als Narkotika und als Expektorantia wirken.
Von all den vielen Mitteln — um nur einige zu erwähnen, sei
an die Inhalation von Lignosulfit, Thymol, Naphthalin, Zypres¬
se nöl, an die Einblasungen von Borsäure, Natrium sozojodoli-
cum, Orthoform, an die innere Darreichung von Kodein, Bel¬
ladonna, Morphium, Pertussin, Bromoform, Veronal erinnert
— hat Sich bis heute im Grunde doch nur das von Ungar
empfohlene Chinin mit seinen fast geschmacklosen Abkömm¬
lingen halten können. Es kann aber nicht verschwiegen
werden, dass uns auch diese vortreffliche Medikation in einigen
Fällen im Stiche lässt.
Gelegentlich einer Pertussisepidemie wandte ich in
\ mehreren Fällen , denen ich machtlos gegenüberstand und, wie
i ich offen gestehe , ut aliquid fieri videatur, ein mir damals zu¬
fällig als Muster zugesandtes Dialysat der Herba Thymi und
Pinguiculae an. Die erstgenannte Pflanze, der Thymian, wurde
früher nicht selten zu Heilzwecken benutzt, letztere, die Pin-
guicula alpina und Pinguicula vulgaris, das Alpen- beziehungs¬
weise blaue Fettkraut, kommt besonders in den Alpen bis zu
einer Höhe von 2200 Meter vor. Das Dialysat des Fettkrauts
soll nach Angabe der Fabrik ein proteolytisches Ferment ent¬
halten.
Meine anfänglichen Versuche zeitigten derartig günstige
Resultate, dass ich das Medikament bald stets bei der Be¬
handlung des Keuchhustens in Anwendung brachte. So waren
besonders bei den Kindern zweier Kollegen, nachdem die seit¬
herige Therapie fehlgeschlagen hatte, der Erfolg unter der ge¬
nauen Beobachtung der Väter so eklatant, dass der Vater des
einen Kindes von einer „Heilung mit einem Schlage“ sprach.
Nun, wenn wir auch nicht stets ebenso erfreuliche und rasche
Resultate der Darreichung unseres Dialysats erzielen, so waren
diese aber in einigen 60 von mir beobachteten Keuchhusten¬
fällen so günstig, dass ich nur dringend raten kann, das oben
benannte Mittel anzuwenden. Ich fand, dass es bei beginnen¬
dem Leiden gar nicht zum rechten Ausbruch kam, dass das
spasmodische Stadium ausblieb und dass in ausgebildeten
Fällen von Pertussis die Anfälle bald — schon nach 1—2 Tagen
— seltener und vor allem bedeutend leichter wurden. Das
Erbrechen setzte meist schnell aus und das Konvulsivische des
Hustens machte bald einem leichten, dem Bronchitistypus ähn¬
lichen Platz. Die Dauer der ganzen Krankheit schien ebenfalls
ganz erheblich abgekürzt zu werden. Wie sehr dem Publikum
der günstige Einfluss der Therapie auffiel, ist daraus zu er¬
sehen, dass aus einem benachbarten Dorfe sich eine ganze
Reihe von Müttern mit ihren keuchhustenkranken Kindern bei
mir einstellten, lediglich weil aus diesem Orte mehrere Kinder
durch das Dialysat schnell Heilung gefunden hatten. In nur
2 bis 3 Fällen habe ich ein Misslingen der Kur konstatieren
müssen.
Ich bin mir nun sehr wohl bewusst, dass die geringe Zahl
der von mir beobachteten Fälle noch kein abschliessendes Ur¬
teil gestattet und es ist eben auch nur der Zweck dieser Zeilen,
weitere Kreise für Versuche zu interessieren. Besonders wert¬
voll würde in dieser Beziehung natürlich die Anwendung des
Dialysats bei Krankenhausmaterial sein, dessen genaue Be¬
obachtung weit eher möglich ist und das weit mehr eine kri¬
tische Beurteilung gestattet, als es in der ambulanten Privat¬
praxis möglich.
Das Dialysat wird von der Societö anonyme „La Zyma“
in Aigle (Schweiz) in den Handel gebracht und soll nach deren
Angabe, die sich mir auch als gut erwies, folgendermassen
dosiert werden: Kinder unter 5 Jahren erhalten morgens und
abends nüchtern einen Tropfen in einem Esslöffel Wasser, und
zwar bis zur Abnahme der Anfälle. In diesem Falle soll man
auf 2—3 Tropfen (morgens und abends) steigen bis zur ein¬
getretenen Heilung. Sollten die Anfälle wiederkehren, so
empfiehlt sich ein langsamer Rückgang auf wiederum 2 mal
täglich 1 Tropfen. Bei Kranken über 5 Jahren beginne man
mit 2 Tropfen und steige (wie oben angegeben) auf 3 bis
4 Tropfen, ebenfalls morgens und abends.
Die Kinder nehmen das Medikament leicht, irgendwelche
Nebenerscheinungen habe ich bei dieser Therapie nicht be¬
obachtet.
Es würde mich freuen, wenn diese Zeilen zu Nachver¬
suchen und weiteren Mitteilungen Anlass bieten sollten.
Fibrolysin bei Hepatitis interstitialis.
Von Dr. M o e r 1 i n in Greifenhagen.
Ausgehend von der Tatsache, dass bei Hepatitis inter¬
stitialis die Funktion der Leber durch dem Narbengewebe ähn¬
liche Bindegewebsstränge gestört ist, habe ich bei einem an
dieser Krankheit leidenden Manne einen Versuch mit Fibro¬
lysin gemacht. Fibrolysin ist bekanntlich ein wasserlösliches
Thiosinaminpräparat, das, wie aus der Literatur hervorgeht,
in grossem Umfange zur Erweichung von Narbengewebe ver¬
wendet wird. Ich injizierte meinem Patienten 2—3 mal die
Woche jedesmal den Inhalt eines Gläschens ä 2,3 ccm Fibro-
lysinlösung subkutan in die Lebergegend, und zwar mit vielem
Erfolge. Da meines Wissens praktische Erfahrungen mit
3*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
14.36
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. 27 .
Fibrolysin bei dieser Krankheit bis jetzt noch nicht Vorlieben,
glaube ich, zumal bei der sonst ungünstigen Prognose der
Leberzirrhose, dass eine Veröffentlichung der Krankenge¬
schichte dieses Falles vielfach Interesse finden wird.
Sch. in M. kommt mit Leberschrumpfung und beginnender Was¬
sersucht in meine Behandlung. Allgemeinbefinden sehr schlecht.
Appetitmangels, Kraftlosigkeit, verfallenes Aussehen, graugelbe Ge¬
sichtsfarbe, müder Blick, schlaue <iesichts/iige. Tr< tz entsprechen¬
der Mittel wird Patient sehr elend und schliesslich bettlägerig krank.
Die Leberdämpfung ist stark verkleinert und die Leber nach dem
Magen zu schmerzhaft. Beginnende Bauchwassersucht.
Die Darreichung von Jodkali brachte für einige läge Erleich¬
terung, dann versagte die Wirkung ganz. Kahnnel vermochte nur
vermehrten Stuhlgang hervorzurufen. Nun begann ich mit den I ihm«
lysininjektionen. Gleichzeitig gab ich Karlsbader Salz und >alz-
säuremixtur. Die Leberfunktion wird bekanutermassen durch Karls¬
bader Salz wesentlich gefordert; ich habe jedoch bei alleiniger An¬
wendung desselben niemals einen so erheblichen f ortscfmtt m der
Heilung gesehen, wie hier, wo das Librolvsm tatsächlich eine ganz
ausgesprochene und rasche W irkung entfaltete. Die Sal/sauremixtur
wurde wegen des pappigen Geschmackes im Munde gegeben. Die
erste Eibrolysininjektion, die gut vertragen wurde, blieb ohne melk¬
bare Folgen. Zwei läge nach der zweiten Injektion meinte der
Kranke, er fühle sich wohler. Objektiv war die Bauchwassersucht
nicht mehr testzustellen. die Urinmenge vermehrt, der Main ohne
Bodensatz. Nach der nächsten Einspritzung konnte der Patient wie¬
der ausser Bett sein. Appetit reger. Allgemeinbefinden besser. Eine
Untersuchung bei der vierten Injektion ergab folgendes: Die vorher
stark geschrumpfte Leber ist erheblich vergrnssert und unterhalb
des Rippenrandes deutlich fühlbar; nicht mehr schmerzhaft. Dagegen
bestehen nach Aussage des Mannes geringe, nach dem rechten
Schulterblatte ausstrahlende Schmerzen, wie sie im Anfaiigsstadium
der Leberkrankheiten aufzutreten pflegen. Das Allgemembetiiuh n ist
gut, Appetit und Lebensmut sind wieder zuruckgekehrt, die Augen
haben ihren natürlichen Glanz w iedergew omien, die Gesichtsfarbe ist
frischer, die Muskultar strammer. Der Mann stellt kräftig auf den
Beinen und sehnt sich darnach, sich im Freien zu bewegen.
Nach der sechsten Fibrolysininjektion stellte sich stark ver¬
mehrter Appetit ein; allerdings wagte der Patient nicht, sich so satt
zu essen, wie er es wohl gewollt hätte. Als ich dann einige läge
darauf wiederkam, wurde er vom Felde geholt, wo er seinem Sohne
Anweisungen für die Ackerbestellung gab. Nach dem schnellen
Gange war die Herztätigkeit erhöht und setzte einmal aus. um dann
in langsameres Tempo zu fallen. Die Herztone waren noch anämisch
unrein. Zwischen den Schulterblättern bestanden leichte Schmerzen.
Die Fibrolysininjektionen wurden fortgesetzt und weiterhin statt
Karlsbader Salz Pilulae aloeticae ferratae gegeben. Die Salzsäure¬
medikation war schon seit der Besserung des Appetits ausgesetzt
worden.
Sch. kann jetzt zu mir in die Sprechstunde kommen und erträgt
das Fahren ohne alle Beschwerden. Fs besteht berechtigte Aussicht
auf völlige Wiederherstellung des Patienten.
Bemerkung Uber Therapie der angeborenen Wortblindheit.
Von Dr. B. Kupczyk, Nervenarzt in Krakau.
Anlässlich des Artikels des Herrn Prof. Peters über kongeni¬
tale Wortblindheit (s. Münch, med. \Yochenschr. No. J1. mochte
ich daran erinnern, dass in Emile Javals Physiologie des Lesens
und Schreibens (deutsch übersetzt von Haas. Leipzig lön7) Winke
zur Behandlung dieser Störung gegeben sind. Im Kapitel über Steno¬
graphie ist dort die Behauptung ausgesprochen, dass die Stenographie
von Kindern bedeutend leichter erlernt wird als die gewöhnliche
Schrift. Sie beschleunigt auch den Unterricht im Lesen und Schreiben
und ist daher geeignet, ein Hilfsmittel für Kinder zu werden, welche
im Lesen und Schreiben schwer vorwärts kommen. Versuche,
welche in Frankreich und England angestellt worden sind, ergaben
ein befriedigendes Resultat. „In England hatte man den glücklichen
Gedanken, eine Klasse aus Kindern zu bilden, die nach mehreren
Schuljahren noch nicht weiter gekommen waren, als Ins zum Lesen
einsilbiger Worte: auf dem Umwege, dass man sie eine Lautschrift
lesen liess, konnte man ihnen ziemlich rasch das Lesen des Englisch
beibringen“.
Aus der Universitäts-Frauenklinik in Heidelberg.
Zur Radikaloperation von Nabelbrüchen und von epi¬
gastrischen und subumbilikalen Hernien der Linea alba
durch quere Faszienspaltung und Muskelaushülsung.
Von Professor Menge in Heidelberg.
In No. 23 des laufenden Jahrganges dieser Wochenschrift findet
sich ein Aufsatz von Port über die Graser sehe < Ipcration grosser
Nabel- und Bauehbi iiche.
Diese ( »pcMlioii\nieth"dc ist. ^ > w : t sie s.h ,nl I» .• u c : -
n a r I» e n b riu h c bezieht, die z w is k tu n Nauci tm.j \ m i- > .< -
siet t sind. Vor s Jahren \<«n P I a ti m 11 •> I it I irvcUn 10 ! x
ihm und anderen (»per ah nun it K m haid.g K: b .1 iu üft,t r 1 e -
b r u c h e n mit ausgezeu iiuctc m Dauer er 1 ".ge am.ec : ml w
Die tur die Beseitigung \<>n grossen u:.d k.cinett Nabe
b r 11 c h e n und von e p 1 g .1 s t r 1 s c h e n und s u b 11 rn b 1 ; . s a c r
Hernien der l.inea alba den l es - le'ctt .um: ■. n \ •.
haltmssgii der oberen Baue hdcu kc npar w rt ar .. •. p.< ss: t M - • .! : . ka-
t l o 11 des P I a n n e 11 s i 1 e 1 s t h e n \ cil>#irfUi \ ti u e 1# Je r
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der Mittellinie, und cuduh um dm tra:>xe -s., c W' „ . g dm
\ orderen puei gi spalte m it Rt : : t *••• .•tte r u" l e c a h
her beigelnhr te fi.uhe nlialte \ u: r e i.ur: K dir xmde'en I mm .1 v. -
zusanmit ngt nahten Muske !b.nu f:e de' Rckti. s-< dass 1 m < m !
Muskel sk h gegenseitig \eraiihe * ri und de ’u u-:r a.1 1 d '• nie in 1 U » g
und dem Zuge der breiten Batu hmusk e 11 nullt lodud tu 1; ! iu
wieder auseinander w eu heil können.
I Me* B g z c u lirinng Grasers. i;e < *pi 'ate n ist .1 s.. f r di n e 1 . n
skizzierte n Emgr dl nicht berechtigt.
Mein verehrter I r e und < 1 r a s e r ha! das \ e rcuf. P ! a •' n e n -
Stiels und meine < »per at ;■ •neun *h.-de Ul Ürner leist;:*, s* ^ * ■ ‘
richtig gew urdigt, sie- 11:1 cinr ur gis. heil I a.. e r »li.'di se me I’. - . s : n
bekannt gem.uht und ihnen trei.nle ge w n zu haben 1 l m * ?
ich ihm natilf'.Ich sehr dankbar, jn >. h Kami ul) a’ .psub’s dm r«.
dings immer w ie viel ke hr ende 11 unzutM Ve ’-.di n ! ü ne • 1 i: - g dt s \m-
falirens es null! unter lassen, d.i'aii! lim / lav 1 • ,:,.u < i r a s e ' d -s
(»per alionsx er lahr e 11 durch muh kennen ge m t um! es \ n *■ -
überrioininen hat.
Graser selbst hat dieser lafs.uhe anj- m !ms:m W,
Reu 1 mutig getragen; denn in se.mr e? s|yn. me Mm '• % n-: /e • : • a •
blatt für (i\ nakojngie. 1 •«*«., N". I « lum 'e r.di u l'.:‘ > .d u m - :
er das \ er tahr • n tlas Pia inieiislie I - Mi n k es. ' e umi e - u ■ :
er aiuh, dass uh ihm bei den eisfeii x 11 ihm • ;e r Je n en s v » ,. K ^
I ail.ui assistiert habe.
Diese Mitteilung Grasers irrt /eniM 1 a*t 1 r G\:\.k
I Or Ki. ist aber ebenso wie div remue aus de m l.d'e dmt 1 j. -
clin urgen \olhg eiitg.mgeii. Iu:h d dies r.m.i i..,r aus der P •• r
scheu Arbeit, s-.n,Jetn es vd't ebes atu h aus .•••'.men rnt.s'v:
et sc liieneiien Mitteilungen ln r \*-r> die s.vh r .1 dem 1 i a s e r-
selten U|HTations \ er !.i lire'Ti" be sd, \\
Da es meiner -XiiVassuug na.lt ung ererbt ist. e me <»; •-
rationsmethoelc. die suli als wertx-.l und ie;sb.'\si g t r w e im *
daher Aussicht hat. abgernmu aut ge u-.nmu rt zu w e» ‘.e ü. r-r d- s‘u, '•
mit einem nicht zutrette ndeit Namen zu \e r k- . *• n, web d.e I
katumeii. m elenen elas \ ertahren zum ersten Mae' m -mi s v
I mzelhe Peil beschrieben wurne. nuht gelesen Worden s-d. turne- im:
es, obwohl nur pe rs.ut'.u h gelallte I umrte • m».cÜ Hi 1: e ' ',ms::r
Journalen höchst urtsx mt'atli.sc h smd. do v h t r rulig. v *. s. kn- e
Klar Stellung ZU geben, zumal nur \ • .11 \ ei Sc !::e be ru-ll >e -te ft :• -tge te t
\x ur de. dass rtian du sg Klar s!i n-g \ oii t: ,r e'w.rte
Da mir ande rerse its e!e r Wiiusdi ganz Te * 11 dass d ,
(»[uratioiismethode. wenn uh s lt aiuh as rr.e u md .,-s | ^e
betrachte, meinen Namen tragt. rto v uh r u 11 ud. ,,g e'-
laubeii. ihr eine n e ti t r a I e. re m v.u bbGie lb • e mm g zu gi e ”. s t
etw a als R a d 1 k a I o p e r a t 1 o n mit ej 11 e f e r 1 a s z . e rt s p a
t u it g u n el Muskel a u s h u ! s 11 r g zu Iu ze u hm u
Dieser Notiz pro domo habe uh ri '.h t • ,.eu d< E * mi r v.
Ste llung und die Technik der < »Petition bet'ife tu!e W -re bm.
zufiigen.
Port schreibt in seiner Arbeit. d>e Me'h- ’e s e Tiu r | '
grosse Nabeiheinien reserxiert bie dm. da s g !m dmt k ’ e 1 rt e n
Nabelhgr nign einen um er ha Itu-smassig gr* -sse rt I "gu" d.t'sti "e M ••-
suhtluh dieses Ihmktes bin uh ganz a" !mm M< • ■mg Eh l .b •. :m
den letzten 5 Jahren bei einer grossen eit \ ->n I miim’. d.e w e v - 't
eines gx ii;iko]og|Sclieri 1 eide rs Vo»t n.-r ly- •.>' \ b-' w m-
gleichzeitig am h grosse und kleine Vd . ü e m ' sb.
limbiiikale Hernien eher I in a aib.t rt.u h de r ! e s. »•• u ' . ••• •* V,. ,: \
radikal gelullt. ls mag su h el .1 Ge 1 11 m ca. J" Par«-' mt luiv :• -i
I nie genaue Zahl kann ich heute mdit .t"m. 5 1 n. da uh >; e K'a”*i’u
gesi hu Iden nie lit ade zur Hand habe 1 eh-. h w m !g u h d.g < »: e '.!*■• -s.
resultate an eler aliud eler Jouma'e de" - d ä p:d .- mm lassen *)
') Leber einen Te i! meiner l abe i.e . • M sj |'mu''*e v-r v<-n
.1. Well ner: Inatig.-l hss., I e pz g 1 ^ >; u- ! \ / a c r : a s •
.Munch, med. W ochenschr., lü"!). No. J 4. >. IDE Aiuh d. isg .Mit-
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1437
Von diesen Kranken habe ich leider eine infolge einer post-
operativen septischen Peritonitis verloren; die übrigen sind geheilt,
und die Frauen, welche ich wiedergesehen habe, sind auch alle be-
schwerde- und rezidivfrei geblieben.
So richtig meiner Erfahrung nach die schon von Graser
und dann auch von Port ausgesprochene Meinung ist, dass die
Operation bei grossen Nabelhernien eine sehr eingreifende
zu sein pflegt, der nur dann eine glatte Rekonvaleszenz folgen kann,
wenn man eine ganz exakte Blutstillung und eine einwandfreie
Aseptik durchzuführen vermag, so wenig berechtigt finde ich die
Port sehe Anschauung, dass die Faszienquerspaltung und die Mus-
kelaushülsung bei kleinen Nabelhernien unangebracht sei.
Denn bei kleinen Nabelhernien liegen die anatomischen Ver¬
hältnisse ausserordentlich günstig. Die Muskelbäuche der Rekti sind
nicht atrophisch und nur wenig auseinandergewichen, so dass der
Eingriff sich ausserordentlich einfach und leicht gestaltet, selbst wenn
rnan die Muskeln ausgiebig mobilisiert. Da man aber auch bei den
kleinen Nabelbrüchen ein wahrhaftes Dauerresultat an¬
streben muss, meiner Auffassung nach aber keine andere Operations¬
methode mit solcher Sicherheit ein gutes Dauerresultat verspricht wie
die quere Faszienspaltung und Muskelaushülsung, so möchte ich auch
für die kleinen Nabelhernien dieses Verfahren empfehlen.
Weiter habe ich noch mitzuteilen, dass ich die Operationsmethode
auch bei einer Kranken mit sehr weitgehender Diastase der
Musculi recti angewendet und damit einen geradezu verblüffend
guten therapeutischen Erfolg erzielt habe. Die betreffende Patientin
klagte über sehr grosse Beschwerden im Leibe, für die ich
absolut keine anatomische Unterlage finden konnte. Es bestand nur
ein leichter Grad von Enteroptosc. Das Nervensystem
zeigte keine nennenswerte Abweichung von der Norm. Die Kranke
aber hatte nicht nur fortgesetzt das Gefühl, dass ihr Leib ganz haltlos
sei, sondern sie klagte auch über beständige starke Schmerzen
in der Mitte des Leibes, die sie zwar nicht genau lokalisieren konnte,
die ihr aber in den Bauchdecken selbst zu sitzen schienen. Trotz
guten Willens war die Patientin vollkommen arbeitsun¬
fähig. Eine gut sitzende Leibbinde, die ich die Patientin tragen
Hess. brachte eine nur unwesentliche Besserung. Wohl fühlte sich
die Kranke nur, so lange sie im Bett ruhte. Es blieb schliesslich
keine andere Möglichkeit übrig, als anzunehmen, dass die starke
Diastase der Musculi recti allein die Schmerzen der Kranken
verursache. Ich stellte mir die Auslösung der Beschwerden so vor,
dass durch die Verschiebung der einzelnen Bauchdeckenschichten
schmerzhafte Zerrungen im Gewebe zu stände kamen.
Diese Kranke wurde nun von mir durch quere Faszienspaltung
und Muskelaushülsung operiert. Die Heilung war eine völlig glatte.
Die vordere Bauchwand, welche bei aufrechter Stellung der Kranken
vor der Operation zwischen den weit auseinandergewichenen geraden
Bauchmuskeln immer die bekannte vom Brustkorb bis zur Schossfuge
reichende bergrückenähnliche Vorwölbung zeigte, ist jetzt eine feste
glatte Platte.
Die Kranke ist völlig beschwerdefrei und war schon
bald nach der Entlassung aus der klinischen Behandlung ganz arbeits¬
fähig.
Es ist natürlich nicht ganz leicht in einem solchen Falle das thera¬
peutische Resultat richtig einzuschätzen; vielleicht spielt bei dem
Ergebnis die Suggestion doch eine gewisse Rolle, wenn es sich
anscheinend auch um eine nervengesunde Person handelte. Aber ich
habe mich bemüht, den Fall ohne jede Voreingenommenheit zu be¬
trachten, und doch mehr den Eindruck gewonnen, dass die Person
durch den Eingriff von einem körperlichen Leiden befreit wor¬
den ist, welches tatsächlich alle ihre starken Beschwerden veranlasst
hatte.
Nun will ich im Hinblick auf diese Beobachtung natürlich nicht
dafür plädieren, dass jede stärkere Diastase der Musculi recti durch
quere Faszienspaltung und Muskelaushülsung operativ anzugreifen
sei; denn viele Frauen haben trotz starker Bauchdeckendiastase ent¬
weder überhaupt keine oder nur geringe Beschwerden. Beiläufig
möchte ich an dieser Stelle bemerken, dass in den mir zur Verfügung
stehenden Hand- und Lehrbüchern der Chirurgie, der Gynäkologie
und der Geburtshilfe sehr wenig oder überhaupt nichts über die
klinische Bedeutung der Diastase der Musculi recti zu finden ist.
In Anlehnung an den beschriebenen Fall darf ich wohl die Be¬
hauptung wagen, dass eine starke Diastase der geraden Bauch¬
muskeln eine hohe klinische Bedeutung haben kann.
Und unter dem Eindrücke, den dieser Fall bei mir hinterlassen hat,
würde ich auch immer wieder bei einer Rektusdiastase mich zu dem
Eingriff entschliessen. wenn ich ähnliche Beschwerden bei ähnlichen
anatomischen Verhältnissen anträfe.
Die ouere Faszienspaltung und Muskelaushülsung ist zwar auch
bei der Diastasenoperation ein grosser, aber doch auch
wieder ein sehr einfacher Eingriff, da sich die auseinandergewichenen,
nichtatrophischen Muskeln spielend leicht von den Faszienblättern
stumpf ablösen lassen, und man bei einiger Vorsicht die Operation
ohne Eröffnung der Peritonealhöhle durchführen kann. Vielleicht
teilungen sind von den Chirurgen, welche neuerdings sich über die
Operationsmethode geäussert haben, tibersehen worden.
kommt einer der Leser dieses Artikels bald einmal in die Lage, über
einen ähnlichen Fall zu berichten.
Zur Technik der queren Faszienspaltung mit Muskelaus¬
hülsung, speziell bei grossen Nabelhernien, will ich noch bemerken,
dass die von Port beobachteten, bei der Nahtlegung eingetretenen,
Muskelzerreissungen und Muskeldurchschneidungen auch mir in der
ersten Zeit gelegentlich begegnet sind, dass sie aber nur dann Vor¬
kommen können, wenn die Muskelbäuche ungenügend ausgehülst
sind. Die gut mobilisierte Muskelsubstanz ist so elastisch,
dass man sie auch bei grössten Brüchen leicht ohne Verletzung in
der Mittellinie zusammenziehen kann. Oft habe ich sogar die beiden
Muskelbäuche dadurch in der Mittellinie breit aneinander gelagert,
dass ich sie in zwei Etagen vernähte. Es bildet sich dann eine
dicke leistenförmige Muskelpelotte an der Stelle der früheren Bruch¬
pforte.
Ich ergreife gerne die mir von der Redaktion gegebene Gelegen¬
heit, dieser Arbeit einige Worte beizufügen. Ich stimme allen Aus¬
führungen M e n g e s persönlich und sachlich bei und hätte auch ohne
besondere Anregung gegen die Bezeichnung'als „Graser sehe Ope¬
ration“ Verwahrung eingelegt. Ich habe mündlich im Vortrag und
in der späteren Publikation hervorgehoben, dass mir keine Erfinder¬
rechte zukommen. Tatsache ist aber, dass durch meine eingehende
Beschreibung unter Beifügung von Bildern erst die Aufmerksamkeit
weiterer, namentlich chirurgischer Kreise auf die Methode gelenkt
wurde. Ich selbst habe fortdauernd die besten Erfahrungen auch in
Bezug auf Dauerheilung gemacht und werde die Operation auch
fernerhin als Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel-
Menge bezeichnen.
Erlangen. Dr. Graser.
Carl v. Voit
Gedächtnisrede, gehalten im Aerztlichen Verein München von
Prof. M. C r e m e r.
Viele von Ihnen waren unzweifelhaft anwesend, als die
sterblichen Ueberreste des unsterblichen Mannes, dessen Büste
hier aufgestellt ist, am 2. Februar dieses Jahres der Mutter Erde
übergeben wurden. Wohl jeder von uns ist sich darüber klar
gewesen, dass wir seit seines genialen Freundes, Max v.
Pettenkofers Tode keinen grösseren Verlust für die Alma
mater und für die medizinische Fakultät insbesondere zu be¬
klagen hatten. Die Männer, die heutzutage von sich sagen
können, dass sie der Wissenschaft neue Bahnen gewiesen und
Veranlassung zur Entstehung neuer Zweige gegeben, sind
selten geworden. Voit war es vergönnt, in jener glücklichen
Zeit der Entwicklung der Physiologie zu leben, mit seinem
wissenschaftlichen Arbeiten zu beginnen, wo die grösseren Ent¬
deckungen Schlag auf Schlag aufeinander folgten und die lei¬
tenden Gesichtspunkte für Jahrhunderte festgelegt wurden.
Dreist darf man sagen, dass von allen grösseren Physiologen
der damaligen Zeit, wie Brücke, Du Bois-Reymond,
Ludwig, Heidenhain, Fick, Kühne und in gewissem
Sinne sogar Helmholtz, keiner auch nur annähernd mit
seinen Lehren, so ins praktische Leben eingegriffen hat, als
es sowohl für den Arzt, als für den Hygieniker, den National¬
ökonomen und Landwirt unser Altmeister des Stoffwechsels
und der. Ernährung, Carl v. Voit getan hat. In mehreren
Nekrologen ist dieses sein Verdienst von- verschiedenen
Seiten bereits ausgesprochen worden und ich hätte mir zum
Andenken an das Ehrenmitglied des ärztlichen Vereins keine
bessere Aufgabe stellen können, als darzutun, was er speziell
für die innere Medizin geleistet hat, wenn dies nicht in so
treffender Weise durch Herrn Professor v. Müller ge¬
schehen wäre.
Gestatten Sie mir daher, dass ich mich vielmehr darauf
beschränke, etwas eingehender darzutun, welche Schwierig¬
keiten gerade der junge Voit zu überwinden hatte, um die
einerseits klar erkannten Wahrheiten zur Anerkennung zu
bringen, andererseits sich von den Fesseln des Hergebrachten,
speziell der L i e b i g sehen Anschauung lozulösen. 1 ) In kurzen
Umrissen nur will ich Ihnen vorher noch die wesentlichsten
Lebensdaten des Verewigten in Ihr Gedächtnis zurückrufen.
D Bezüglich der Literatur verweise ich vor allem auf die ersten
Bände der von Voit mitbegründeten Zeitschrift für Biologie; auf die
Darlegungen V o i t s in Hermanns Handbuch, sowie neuerdings auf
die monographische Abhandlung „Ueber die Prinzipien des allge¬
meinen Stoff- und Energiewechsels von Krummache r“. (Er¬
gebnisse der Physiologie, Bd. 5 und 7.)
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1438
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27.
Geboren wurde Carl v. Voit am 31. Oktober 1831 zu
Amberg als Sohn des nachmaligen Professors an der Kunst¬
akademie und Erbauers des Münchener Glaspalastes August
Voit. Im Alter von 9 Jahren kam er nach München,
das er nur noch zu Studienzwecken auf kürzere Zeit
mit Würzburg und Göttingen vertauschte. 1856 wurde er
Assistent bei Bi sch off, 57 wurde er Privatdozent, 60 be¬
reits a. o. Professor also mit 29 Jahren, und 63, also mit
32 Jahren bereits o. Professor der Physiologie, eine Stellung,
die er dann bis zu seines Lebens Ende bekleidete. An äusseren
Ehren hat es ihm nie gefehlt, 1865 wurde er bereits Mitglied
und 82 Klassensekretär der mathematisch-physikalischen
Klasse der Akademie der Wissenschaften. Ausserdem ehrten
ihn eine Reihe von Ordensverleihungen, der Titel des Ober¬
medizinalrats und des Geheimrats wurden ihm verliehen, als
Ritter des Kronenordens erwarb er den persönlichen Adel.
Kehren wir nach dieser kurzen, die Lebensdaten be¬
treffenden Abschweifung zurück zu jener Zeit, wo Voit erst
eigentlich zu arbeiten anfing, zu der Zeit, als er Assistent
bei Bi sch off wurde. Um Ihnen ins Gedächtnis zu¬
rückzurufen, um was es sich eigentlich handelte, muss
ich zuerst 2 Jahrhunderte zurückgreifen. Wir müssen
uns zurückversetzen in die Zeit Stahls und dessen
Phiogistontheorie. Heute wissen wir ja alle, was eine
Verbrennung im gewöhnlichen Sinne ist und dass es sich
dabei um Verbindungen der brennbaren Körper mit Sauer¬
stoff handelt. Zu Stahls Zeiten, in der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts, kannte man diesen noch nicht und
die Bemerkung Mayows, dass das Leben und die Ver¬
brennung auf der Verbindung der brennbaren Substanzen mit
einem Bestandteil der Luft beruhe, war unbeachtet an den
Zeitgenossen vorbeigegangen. Nach Stahl beruhte im
Gegenteil die Verbrennung auf einer Art Zerlegung. Aus den
brennbaren Körpern trete das in ihnen enthaltene brennbare
Prinzip heraus, das Phlogiston verlasse unter Flammener¬
scheinungen den Körper. Es nützte nichts, dass es schon
M a y o w bekannt war, dass bei der sog. Verkalkung der Me¬
talle, derenAnalogie mit derVerbrennung man frühzeitig kannte,
das Produkt schwerer war, als das in ihm steckende Metall, es
bedurfte der Isolierung des Sauerstoffes durch Scheele und
Priestley 1774 und vor allem des genialen Scharfblickes
von L a v o i s i e r, des Begründers der modernen Chemie und
des Gesetzes der Erhaltung der Materie, um die heutige Auf¬
fassung der Verbrennung nach hartem Kampfe zum Siege zu
führen. L a v o i s i e r begründet durch Versuche den Satz,
dass die Verbrennung nichts anderes als die Verbindung mit
jenem kurz vorher entdeckten Sauerstoff und dass auch die
Atmung als eine langsame Verbrennung aufzufassen sei. Nach
Lavoisier sollte eine kohlenstoff- und wasserstoffreiche
Flüssigkeit in den Lungen verbrannt werden und darin ‘die
Quelle der tierischen Wärme liegen.
Um diese seine Ansichten zu stützen, führte Lavoisier
sowohl die ersten Respirations- wie auch die ersten kalori¬
metrischen Versuche an Tieren aus. Die letzteren wurden erst
etwa 40. Jahre später durch Despretz und Dulong wieder
aufgenommen. Auch sic standen noch wie Lavoisier auf
dem Standpunkte, dass an den Lungen bezw. in dem Blut eine
kohlenstoff- und wasserstoffreiche Flüssigkeit verbrenne und
es genüge, den Verbrauch des Sauerstoffs und die Produktion
der Kohlensäure festzustellen, um aus diesen beiden Daten
die vom Tier durch Verbrennung produzierte Wärme zu be¬
rechnen. Sie gingen dabei ruhig von der Annahme aus, dass
sie für 1 g verbrannten Kohlenstoff und für je 1 g verbrannten
Wasserstoff einfach diejenigen Wärmewerte einsetzen dürften,
die sich aus besonderen Bestimmungen an Kohlenstoff
und Wasserstoff ergaben. Dulong benützte dabei die alten
Zahlen L a v o i s i e r s. Selbst wenn diese richtig gewesen
wären, wäre dieses Vorgehen im Prinzip falsch, denn einmal
vernachlässigten Dulong und Despretz gänzlich die Aus¬
scheidung, die in Harn und Kot erfolgen und sodann war es
ein fundamentaler Irrtum derselben, die Verbrennungswärme
einer Verbindung aus dem Gehalt an Kohlenstoff und Wasser¬
stoff berechnen zu wollen, bezw. die Annahme zu machen, es
verbrenne eine kohlenstoff- und wasserstoffreiche Flüssigkeit
in den Lungen resp. im Körper. Es war hier vor allen Dingen
das Verdienst von Liebig, darauf hingewiesen zu haben,
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dass man wissen müsse, welche Stoffe im Tierkörper zerstört
werden und dass aus Harn und Kot weitgehende Rückschlüsse
möglich sind auf den Verbrauch namentlich eines Nahrungs¬
stoffes, des Eiweisses. Es genügte also nicht, um über die
Stoffzersetzung im Organismus orientiert zu sein, wenn man
noch so exakt lediglich die gasförmigen Ausscheidungsprodukte
eines Versuchstieres verfolgt, wie das R e g n a u 11 und
Reiset und andere getan haben. Man muss die Ausschei¬
dung in Harn und Kot notwendig mit berücksichtigen und ist
dann in der Lage, die Stoffe anzugeben, wenigstens so weit sie
den Hauptnahrungsstoffklassen angehören, die in einer be¬
stimmten Periode im Tier zersetzt werden. B i d d e r und
Schmidt hatten den Versuch gemacht, alle diese Aus¬
scheidungsprodukte bei einer Katze unter verschiedener Er¬
nährung derselben mit Fleisch zu untersuchen. Ihr Buch war
es, das Voit mit Begeisterung erfüllte und zu eben diesen
Forschern wollte er gehen, als sich ihm die Gelegenheit bot,
bei Bi sch off Assistent zu werden. Die Fortschritte der
Wissenschaft bewegen sich in Schlangenlinien und so wurde
eine Tatsache, die Liebig ohne weiteres angenommen hatte
und für die B i d d e r und Schmidt bei der Katze Beweise
beigebracht, wieder in Zweifel gezogen und zwar von den
ersten Autoritäten auf diesem Gebiet, die Tatsache nämlich,
dass aller Stickstoff des zerfallenen Eiweisses lediglich in Harn
und Kot ausgeschieden wird und nichts davon gasförmig durch
die Lungen entweicht. Wäre das letztere richtig gewesen, so
sagte sich Voit mit Recht, dann würden alle Spekulationen
aufhören oder würde allen Berechnungen der Boden entzogen,
die die Menge und Art der zersetzten Nahrungsstoffe aus eben
diesen Ausscheidungen ableiten sollen. Der grosse Fortschritt
von Liebig wäre lediglich ein schöner Traum gewesen; und
nun war es kein geringerer als B i s c h o f f selbst, sein neuer
Chef, der für die Lehre des sogenannten Stickstoffdefizits ein¬
getreten war. B i s c h o f f gelang es nicht den Stickstoff der
Nahrung im Harn und Kot wieder aufzufinden und jetzt beginnt
V o i t s Kampf mit dieser falschen Lehre vom Stickstoffdefizit
zunächst im eigenen Hause dem eigenen Vorgesetzten gegen¬
über. Voit erkannte alsbald, dass das von Bidder und
Schmidt abweichende Ergebnis seines Lehrers nur durch
eine falsche Versuchsanordnung bedingt war. Es kam nur
darauf an, die Einfuhr richtig zu analysieren, die Ausgaben an
Harn und Kot vollständig zu erhalten und ebenfalls ihren Stick¬
stoffgehalt richtig zu ermitteln, dann musste das Defizit ver¬
schwinden. Es verschwand auch alsbald und Voit erzielte
Resultate, bei denen innerhalb der Genauigkeit der Analysen¬
fehler Tag für Tag, der N-Gehalt der Einnahmen gleich dem
der Ausgaben gefunden wurde; um in der von Voit ge¬
schaffenen Nomenklatur zu sprechen, das Tier hatte sich im
Stickstoffgleichgewicht befunden. Wohl selten ist der Leiter
eines wissenschaftlichen Laboratoriums angenehm berührt,
wenn einer seiner Mitarbeiter ihm die Kunde bringt, er hätte
sich in einem wesentlichen Punkte geirrt, und die Angaben
von Voit verfehlten auch nicht bei B i s c h o f f zunächst das
Gegenteil von begeisterter Zustimmung zu erwecken. B i -
sch off wurde einfach misstrauisch und vermutete, dass
Voit nicht richtig arbeite. Man bediente sich damals zur
Stickstoffbestimmung ganz allgemein der Liebig sehen Ti¬
trationsmethode des Harnstoffes. Warum sollte, so dachte
B i s c h o f f, das abweichende Resultat nicht in einer falschen
Anwendung der Methode liegen seitens seines jungen Assi¬
stenten. Er veranlasste Liebig, Voit zu kontrollieren. „Da
kannst Du ganz ruhig sein“, hatte Liebig hernach zu Bischoff
gemeint, „der macht es eher noch besser wie ich“; und so ge¬
lang es Voit, seinen Lehrer bald ganz für sich zu gewinnen.
Beide leugnen in dem Buche „Die Gesetze der Ernährung des
Fleischfressers“ auf Grund ihrer neueren Versuche das Stick¬
stoffdefizit.
Es zeigte sich, dass der Zubereitung des Fleisches, seiner
Befreiung von Sehnen, Knochen, Faszien, sichtbarem Fette,
ganz besondere Sorgfalt gewidmet werden musste und vor
allem war es notwendig, sämtlichen Harn zu erhalten. Bis
dahin hatte man sich begnügt, lediglich das zu analysieren,
was aus einem mehr oder minder zweckmässig eingerichteten
Käfig ablief. Voit lehrte den Harn quantitativ in einer unter¬
gehaltenen Schale zu erhalten, wobei er namentlich gegen Ende
des Versuches das Tier zu häufiger Urinentleerung veranlasste,
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1439
um das Zurückbleiben von Harnresten in der Blase zu ver¬
hüten. Endlich lehrte V o i t den Kot einer bestimmten Periode
abzugrenzen. Aber wer jetzt geglaubt hätte, dass alle Forscher
die richtige Methode nur anzuwenden brauchten, um sich bei
gleichmässiger Fütterung mit Fleisch von dem Eintritt des
Stickstoffgleichgewichts zu überzeugen, den belehrt die Ge¬
schichte eines anderen. Namentlich war es S e e g e n, der im
Verein mit Nowak immer wieder für das Stickstoffdefizit
eintrat und auch noch als Voit seinen berühmt gewordenen
142 tägigen Versuch an einer Taube darstellte, bei der das
Körpergewicht konstant geblieben und Stickstoffgleichheit der
Einnahmen und Ausgaben erzielt war. Voit entschloss sich,
die Wahrheit der eigenen Behauptungen ad oculos zu demon¬
strieren und reiste nach Wien, um am Seegen sehen Ver¬
suchshund im S e e g e n sehen Laboratorium seinen Funda¬
mentalversuch anzustellen. Es gelang ihm auch bald, das Tier
durch gleichmässige Fütterung mit ausgeschnittenem Fleisch
in Stickstoffgleichgewicht zu bringen. Er konnte das Stick¬
stoffdefizit nur an den Tagen erhalten, an welchen das Tier
den Harn im Käfig Hess. Er zeigte, wie früher am eigenen,
so auch am Seegen sehen Laboratorium, dass im Käfig
herumgespritzte Kochsalzlösung unmöglich quantitativ wieder
gefunden werden konnte. Dabei bestimmte er den Stickstoff
im Harn mit der ursprünglich von ihm angewandten Modifi¬
kation der Will-Varrentrapsehen Methode, die seit
jener Zeit den Namen der Bestimmung nach Schneider
und Seegen führt, wobei Schneider und Seelen
lediglich gewisse Modifikationen an derselben angebracht
haben. Trotzdem das Experiment Voits amSeegen-
schen Hunde über die Massen glänzend gelungen war,
trat S e e g e n im nächsten Jahre mit neuen Einwänden
hervor. Das Fleisch von Voit sollte einen höheren Stick¬
stoffgehalt gehabt haben als er angenommen; das häufige
Herausführen der Tiere zum Harnlassen am Ende der Ver¬
suche hätte die Stickstoffausscheidung vermehrt, und so fort.
Und noch lange zog sich dieser Kampf hin, wenn auch die
Fachgenosen im grossen und ganzen auf Voits Seite traten.
Zuletzt, in wesentlich späterer Zeit, fiel G r u b e r die Auf¬
gabe zu, die Methode der Stickstoffbestimmung und auch die
Lehre von dem Nichtstattfinden eines Stickstoffdefizits zu ver¬
teidigen. Es zweifelt heute wohl niemand mehr an der Richtig¬
keit, sowohl der damaligen Voit sehen Bestimmungen, als
namentlich auch an seiner Lehre.
Kehren wir wieder etwas zurück, so war natürlich für
Voit, nachdem er das Stickstoffdefizit als nur durch falsche
Versuchsanordnung vorgetäuscht erkannt hatte, die Unter¬
suchung von Harn und Kot einer Versuchsperiode das sou¬
veräne Mittel, um über die Zersetzung der stickstoffhaltigen
Substanzen im Tierkörper sicheren und unzweideutigen* Auf¬
schluss zu erhalten; man wusste damit, wie viel Fleisch resp.
wie viel Eiweiss zersetzt war. Voit war jetzt in der Lage,
anfangs mit B i s c h o f f, später allein, die Gesetze der Zer¬
setzung der eiweisshaltigen Substanzen verfolgen.
Sein Vorgehen war dabei immer dasselbe. Zuerst brachte
er die Tiere durch einige Tage gleichmässige Fütterung in das
von ihm gefundene Stickstoffgleichgewicht und dann unter¬
suchte er wie verschiedene Umstände, z. B. Beigabe von Koch¬
salz, auf diese Eiweisszersetzung wirkten. Hierbei sollte er
nun alsbald in den schärfsten Gegensatz geraten mit den Mei¬
nungen seines hochverehrten Justus v. Liebig. Liebigs
Buch „Die Tierchemie oder die organische Chemie in ihrer
Anwendung auf Physiologie und Pathologie“ war zwar eine
Geistestat allerersten Ranges, und wie wir eben sahen, waren
die Schlussfolgerungen Liebigs bezüglich der Erkennbarkeit
des Eiweissstoffwechsels aus der Bestimmung des Harnstoffes
resp. Stickstoffgehaltes des Harns durchaus richtig gewesen,
aber das Buch war auch vielfach den Experimenten voraus¬
geeilt. Liebig hatte sich Vorstellungen gebildet über die
Ursachen oder Bedingungen der Stoffzersetzung, die einst¬
weilen nicht geprüft waren* und der experimentellen Bestä¬
tigung am Tier noch harrten. So hatte sich Liebig vorge¬
stellt, da die Muskeln ihrer überwiegenden Masse nach aus Ei¬
weiss bestehen, so müsste sich bei ihrer Tätigkeit an ihnen
der Stoffwechsel vollziehen, das Eiweiss müsste abgenutzt,
bei der Arbeit eingerissen werden und an seine Stelle das
Nahrungseiweiss wieder treten. Die Arbeit, so hatte Voit
dem entsprechend erwartet, müsste den allerstärksten Einfluss
auf die Zersetzung des Eiweisses im Tierkörper haben. Wie
war er erstaunt, das umgekehrte zu finden, als er nun faktisch
den Versuch machte. Die Eiweisszersetzung braucht sich
trotz stärkster Arbeit gar nicht zu erhöhen, sie kann völlig
gleich bleiben. Vor allen Dingen aber war nicht das Geringste
von dem zu sehen, was Voit, der doch selbst zu des Meisters
Füssen gesessen und die Liebig sehen Lehren gründlich
kannte, sich als Konsequenz derselben erwarten musste. Es
war auch nicht entfernt die Rede von einer der Arbeitsleistung
proportionalen Steigerung der Eiweisszersetzung in den Fällen,
wo ein geringes plus bemerk lieh war. Sehr oft wird auch
heute noch die Meinung ausgesprochen, es hätte Voit da¬
mals gelehrt, das Eiweiss sei bei der Muskelarbeit überhaupt
nicht beteiligt, das ist so wenig der Fall gewesen, dass Voit
trotz seiner Befunde noch lange an der Meinung festhielt, es
sei sehr wohl möglich, dass das Eiweiss die Muskelarbeit decke
und er dachte sich speziell, dass die Energie des zerfallenen Ei¬
weisses irgendwie in elektrischer Form, auch in der Ruhezeit
zur Benützung für spätere Arbeit aufgespeichert werden
könnte. Darum war es für ihn gar keine Widerlegung des
Satzes: — der Eiweisszerfall liefert die Muskelarbeit, — weder
als er selbst die Nichtvermehrung durch Arbeit fand, noch als
Fick und W i s I i c e n u s zeigten, dass der Eiweisszerfall
der Versuchszeit zur Deckung der Arbeit nicht hinreichten,
d. h. als diese zeigten, dass der geleisteten Arbeit equivalente
Wärmemenge erheblich kleiner sei, als das in der Versuchs¬
zeit zersetzte Eiweiss. So erklärte es sich auch, warum
V o i t bei den Versuchen, die er später wiederholt durch seine
Schüler — zuletzt durch Krummacher — anstellen liess,
einen so grossen Wert darauf legte zu erweisen, dass die
24stündige Eiweisszersetzung dazu nicht hinreiche. Es ist
sehr merkwürdig, dass Voit die Meinung, dass auch Fette
und Kohlehydrate für die mechanische Leistung des Muskels
verantwortlich gemacht werden müsse, verhältnismässig sehr
spät ausgesprochen hat, und erst spät angibt, dass alle 3 Klassen
der Nahrungsmittel zur Deckung der mechanischen Arbeit ver¬
wendet werden können. Ich erwähne dies so ausführlich, um
den ungerechtfertigten Vorwurf, Voit habe die Beteiligung
des Eiweisses bei der Muskelarbeit geleugnet, als solchen
besser charakterisiert zu haben.
Das unerwartete Resultat betreffend der Wirkung der
Arbeit auf die Eiweisszersetzung brachte Voit in Gegensatz
zu L i e b i g, mit dessen Anschauungen das Ergebnis nicht leicht
zu vereinigen war. Es war schon vorher aufgefallen, dass der
mächtigste Faktor für die Eiweisszersetzung nicht die Arbeit,
sondern die Eiweisszufuhr war, eine Tatsache, die gerade
durch die erwähnten V o i t sehen Versuche und die Erreichung
des Stickstoffgleichgewichtes in das hellste Licht gesetzt
wurde. Schon B i d d e r und Schmidt hatten das bemerkt
und sie glaubten daher, dass nur ein Teil des Eiweisses not¬
wendig sei und zwar nur so viel als im Hunger zersetzt werde
und dass alle Eiweisszufuhr darüber lediglich ein Luxus für
den Organismus bedeute, dass dasselbe gewissermassen un¬
nütz verbrannt würde. Es ist dies die Theorie der Luxus¬
konsumtion, die also präzisiert werden kann: Die Stickstoff¬
ausscheidung des hungernden Tieres liefert den Massstab für
den reinen Stoffwechsel oder für den mit dem Bestehen des
Lebens verbundenen Umsatz stickstoffhaltiger Organteile und
für die notwendige Zufuhr an Eiweiss; sie gibt das typische
Minimum des für die Tiergattung notwendigen Stoffumsatzes
an Eiweiss an, während das darüber hinaus aufgenommene,
überflüssige Eiweiss durch stickstofffreie Substanzen ersetzt
werden kann und wie diese nur zur Wärmebildung dient. In
dieser Form ist sicher die Lehre von der Luxuskonsumtion
falsch und Voit zeigte, dass es nicht möglich ist, bei aus¬
schliesslicher Ernährung von Eiweiss, ein Tier mit den Eiweiss¬
mengen auf seinem N-Bestand zu erhalten, die es im Hunger
zersetzt, sondern dass man 2X> bis 3 mal mehr braucht. Damit
soll natürlich nicht gesagt werden, dass die Nahrung mit mög¬
lichst viel Eiweiss nicht im gemeinen Sinne teurer ist als eine
Nahrung mit gemischter und speziell eiweissarmer Kost; in
diesem Sinne treiben ja alle wohlhabenden Klassen Luxus¬
konsumtion, nur im Sinne von ß i d d e r und Schmidt wurde
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1440
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
No. >7.
die Lehre als unhaltbar erwiesen. Ob freilich die von V o i t
aufgestellte Theorie vom zirkulierenden und Organeiweiss da¬
mit über alle Anfechtungen erhoben ist, darauf will ich nicht
eingehen.
Auf die Zeitgenossen machte es den mächtigsten Eindruck,
dass V o i t in einer Konsequenz der L i e b i g sehen Lehre, die
von allen Anhängern derselben gezogen wurde, L i e b i g so
gründlich schlug und es hat dieser Sieg über seinen grossen
Gegner wohl am meisten zu dem Ansehen beigetragen, das
auch Voit als jugendlicher Forscher schon weit über sein
Vaterland hinaus genossen. Liebig selbst rührte sich erst
spät gegen die Keulenschläge, die ihm hier die Voit sehen
Experimente versetzten. Erst im Jahre 1869 trat er ihnen in
einer Abhandlung „Ueber die Gärung, über die Quelle der Mus¬
kelkraft und über Ernährung“ entgegen, wobei er aber nicht nur
an den Lehren Voits rüttelte, so weit sic den Eiweisszerfall
betreffen, sondern auch gegen weitere Lehren von P c 11 c n -
kofer und Voit, auf die wir gleich eingehen werden, zu
Felde zog. Den uns hier interessierenden Satz, dass die
Muskelarbeit nicht notwendigerweise mit einer Mehrung des
Eiweisszerfalles verbunden sein muss, hat er aber nicht umzu¬
werfen vermocht und wird Widerspruch dagegen heute kaum
mehr ernstlich aufrecht erhalten. Voit erwiderte seinem
hochverehrten Lehrer in einer berühmten Abhandlung „lieber
die Entwicklung der Lehre von der Quelle der Muskel¬
kraft und einiger Teile der Ernährung seit 25 Jahren“. In
späteren Polemiken ist die Abhandlung L i c b i g s gegen
Voit noch zitiert und gegen ihn verwandt worden. Aber nur
sehr wenigen Menschen dürfte cs bekannt sein, dass Liebig
den. Hauptinhalt seiner Abhandlung Voit gegenüber zurück¬
genommen hat, allerdings nicht in einer Publikation, wohl aber
persönlich in seiner letzten Krankheit. Er liess Voit kommen,
und das Resultat der Unterredung war, dass Liebig der
Meinung Ausdruck gab, im wesentlichen habe in dem Streit
Voit und nicht er recht.
Mittlerw'eile war Voit sehr weit fortgeschritten auch
auf anderen Gebieten der Stoffwcchsellehrc. Er hatte erkannt,
dass der Apparat von Regnaul t und Reiset iiir
die Ekstimmung des RespirationsstofrWechsels nicht den Be¬
dingungen genügte, die er an einen solchen Apparat
stellen musste und dass auch die Vorichtungen von
Bidder und Schmidt viel zu unvollkommen waren.
Er wandte sich daher an seinen Freund und Lehrer
Pettenkofer, ob er ihm nicht behilflich sein wolle,
einen neuen Respirationsapparat zu erfinden. Petten¬
kofer hatte kurz vorher seine exakte Bestimmung der Kohlen¬
säure in der atmosphärischen Luft veröffentlicht. Von ihm
rührte der geniale Gedanke her, abweichend von den früheren
Autoren nicht die ganze Abluft eines Tierraumes, sondern nur
einen aliquoten Teil zu untersuchen. Mit dem neuen Apparat,
dessen Einzelheiten ich hier als bekannt voraussetze und der
so gross gebaut wurde, dass seine Respirationskammer auch
den Menschen zum Aufenthalt dienen konnte, haben die beiden
Forscher begonnen, die vollständige Stoffwechselbilanz aufzu¬
stellen; wenn ich sage, die beiden Forscher, so muss dabei be¬
tont werden, dass die eigentliche Versuchsarbeit von Voit
geleistet wurde und auch der Plan zu diesen Versuchen rührte
von Voit her. Ich weiss aus dem Munde meines verstorbenen
Lehrers, dass Pettenkofer oft gedrängt hat, doch öffent¬
lich den wahren Anteil an diesen Untersuchungen klarzustellen
und zu verkünden, dass er, Pettenkofer, im wesentlichen
nur den Apparat konstruiert habe. Voit hat in seiner Be¬
scheidenheit dieses Ansinnen stets abgelehnt, und so sind diese
Untersuchungen bis auf den heutigen 'lag diejenigen von
Pettenkofer und Voit geblieben. Voit benötigte zur
Erreichung seines Zieles seinen väterlichen Freund nicht nur
wegen seiner Erfahrung in chemischen Dingen und seiner Er¬
findungsgabe, sondern vornehmlich auch deshalb, weil die
äussere Stellung Pettenkofers direkt erforderlich war,
die Kosten für die Konstruktion herbeizuschaffen. Man weiss,
dass Pettenkofer mit der Unterstützung von Liebig es
verstand, den für die Wissenschaft so begeisterten König M a x
zur Stiftung von 7000 Gulden für diesen Zweck zu veranlassen.
Später hat Voit den grossen Apparat modifiziert und mit
' esentlichen Vereinfachungen seinen kleinen Respirations-
rat konstruiert unter Beibehaltung des von Pc t teil -
koffer angegebenen Prinzips. Was der Apparat nun ge¬
leistet hat, das schildert Voit selbst in kurze im Nekrolog auf
Pettenkofer w ie folgt:
„Pettenkofer und idi haben uns zu den Unter¬
suchungen mit dem Apparate verbunden tir.J 1<> I.dre inten¬
siver freudiger Arbeit mit einander verlebt. Unsere \ itmiJic
an Hunden und an MensJie-n waren die ersten, bei welchen der
Gesamtumsatz im tierischen Organismus ermittelt wurde. 1>
ist unmöglich, auf die erhaltenen Resultate naher e.tvugeben:
es sollen nur die hauptsa Jähsten erwähnt w e r de u. Man
kann sich aber wohl denken, welche Empfindungen wir hatten,
als sich ikiJi und nach vor unseren Augen e.n B. d der merk¬
würdigen Stoffw echseK organge im Körper enthal te und eine
Fülle von neuen Tatsachen uns bekannt wurden. W ir fanden,
dass beim Hunger im wesentlichen nur Ei w ems und Eett 7e r s?..n
wird, denn es wird dabei ebensoviel Sauerstoff m den Körper
aufgenommen, als zur Verbrennung des aus der Spcksv ff- u: J
KohlenstoffaussJieiduiig berechneten Eiwems- und Eettutn-
sat/es notwendig ist. Der fleisdiiressende Hund \ er mag s:di
ausschliesslich mit Eiwciss auf seinem stofikdiem Best.o de an
Eiweiss und Fett zu erhalten, indem bei diesem B'ar/\trMjdi
sich alle Elemente der Einnahmen genau in dem Ausg.thvP
wieder vorfinden. Ueber die Bedeutung der st.cksp mreie n
Stoffe der Nahrung, nämlich des Eettes und dir Kolke h\d'ate.
erhielten wir mamgf.iche Aufs Jiiussc: mit Ee’t und K oh \-
hydraten allein wird der Verlust \ • »n Fett v**m Körper aufge¬
hoben, jedoch braucht man zu diesem Zweck ' • m dev K • kke -
hydraten wesentlich mehr wie' \on dem Eett; wenn dir K>* r ;x r
bei mittleren Mengen vmi Eiwe ss alh in m-di E.we sc und
Fett abgibt, so erhalt sidi das Der bei Zusatz von Eett oder
Kohlehydraten auf seiner Zus.mmieise t/mg. wahrend es o!mc
die stickstofffreien Stolle zu dem gleidun Erb dg sdir be ¬
trächtliche Mengen \ou Eiweiss bi.nicht Ob? inan, zu der
grossen Quantität \ on Eiweiss. welche den Körper auf st.rtr
stoitlichen Bestand völlig erhalt, nodi Eett dazu, dmm wird
dieses Fett rudit zersetzt, sondern alles am Körper abgt’.-.gert.
Die Muskelarbei! des Mcnsdum bedingt, \nnii d e Ndmimg
l ine ausreichende ist, keinen grosseren \erbr.mdi au 1'.weiss.
wohl aber an stickstofffreien Stoffen; bei der Ruhe. M":u!e"s
im tiefen Schlafe nadi einem läge anstre: ge mh r l.it^ket.
wird weniger Eett zerstört. Bei sdir grossen Gabem \ mr I i-
weiss haben wir m zwei Ner^uduu au den be.deu trs^j;
Tagen zw ar allen Stickstoff de s E'iw eiss t s m de ** Aus¬
scheidungen wieder aufgi tmuhm. aber nidit .Ule n Kobäns*.
es fehlten täglich 42 g. die im Körper zimukge b'u Km s.<d;
wir deuteten diesen Befund so. dass dieser K o} : ;<. i-st. m m aus
dem Eiweiss entstandenen Eett autge spt rdu M w«»‘d«n m:;
auch bei Berücksichtigung des Eettg haites des \ e ? tat te * ?e 11
Fleisches bleibt unsere Deutung bestdun.
Die für die Sauerstoltauinahme erhalte in n Zahlt t: f-dirte::
uns zu der Vorstellung, dass de r Sauerstoff r;di: d e midiste
Ursache für die Zersetzung nn Körper ist. wie n an b.s d.ilun.
seit L a v o i s i e r und E i e b i g a'lgetnem a? gtr.-mu eu hatte ;
wäre dies so gewesen, dann liatten d.e Stofie ni (): gamsmus
wie auserhalh desselben nach ihrer Verwandtschaft- zum Sauer¬
stoff verbrennen imisseii. d. h. am leichtesten das Eett. danri
die Kohle h\drate uiiel am schw ie rigste n das E.iwtiss. w ahmend
im Organismus am leichtestem und in grösster NU : -„e das Ei-
w eiss in seine midisten Komponenten gespaKm w:*d. dann d e-
Kohlehydrate und am sdiw ie r: K s* L n ehts fett. Unter sops*
gleichen äusseren \ crlinltniwim mt der Saue r st< ft\e d*^i|^di
in den weitesten Grenzen Schwankend. nur durdi de \er-
schiedene Qualität und (.hiantitat de r zuge fd-rte u Na-Vungs-
stoffe bedingt: reichliche Eiw eiwiiftihr bewirkt e ie go,cc. v - c
Saiierstiiffautnahme ohne dass daKi im.hr Eett m K-uur arr-
gegriffeii wird, die Zufuhr des n:iss tr hu!b sn h d‘t irbreri!-
licheii Eettes ändert ie dodi an ehr SgPU-rvP .f*\t; ahme irdits.
Der Eiweissiims.it/ ist nidit direkt \ <.m Saue rs?, ff abhängig,
da dieser l ‘iiisatz durdi die Muske hohe t Pu ht Ke: ‘‘hisst w :rd.
obwohl dabei die doppelte Menge .ff zur \ e*bmnnu: g
von Fett aufgenojiimeii wird. Die Ee'te und K<4i:di\ dra’e er¬
setzen sidi nidit in den Mengen, m d erneu s| v idle Memgen
\'on Sauerstoff /up Verbreitung be,udmii. snud» rn, wie s;>;.*. r
durch die \ ersudie R u b n e r s be moiii wurde*, m be¬
stimmtem Ehillen m de n Mi ngeri. m v U. K: s c deiche Menge'!
von Warme liefern.
□ igitizedty L,o öle
Original fm-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1441
Auch an kranken Menschen, bei welchen wir Aenderungen
der Zersetzung voraussetzen durften, haben wir die ersten
Versuche über den Qesamtstoffwechsel angestellt. Aus den
bei einem an hochgradiger Zuckerharnruhr Leidenden er¬
haltenen Zahlen habe ich später geschlossen, dass alle Ver¬
änderungen der Stoffzersetzung bei dieser Krankheit erklärt
werden können aus der Ausscheidung der grossen Zucker¬
menge im Harn; infolge derselben wird mehr Eiweiss zerstört
und auch mehr Fett, da dieses für den durch die Zuckeraus¬
scheidung erlittenen Ausfall eintreten muss; die Sauerstoff¬
aufnahme und die Kohlensäureausscheidung des Diabetikers
ist deshalb die gleiche wie die eines Gesunden von dem näm¬
lichen Körpergewicht. — Bei einem an Leukämie Erkrankten,
bei welchem die Zahl der weissen Blutkörperchen enorm ver¬
mehrt und die der roten, den Sauerstoff aufnehmenden Blut¬
körperchen in gleichem Grade vermindert war, zeigte sich
keine geringere Aufnahme von Sauerstoff und keine geringere
Zersetzung wie bei einem normalen Menschen bei der näm¬
lichen Nahrung, woraus wir entnahmen, dass auch eine ab¬
norm kleine Zahl der roten Blutkörper durch kompensierende
Einrichtungen ebensoviel Sauerstoff in den Körper zu befördern
vermag, als eine normale Menge derselben.“
Gestatten Sie nur, dass ich aus der Fülle dessen,
was der neue Apparat leistete, zunächst noch einmal das
Wesentlichste hervorhebe. Auf Grund der Versuche von
V o i t und Pettenkofer war es jetzt möglich exakt
in jedem einzelnen Fall festzustellen, wie viel Eiweiss,
Fett und Kohlehydrat im Organismus in» einer Versuchs¬
periode zerstört wurden. So konnte man jetzt die Gesetze
kennen lernen, nach denen diese Zersetzung beim ge¬
sunden und kranken Menschen erfolgt. Man kann sagen,
keines der von V o i t erhaltenen Resultate, so weit er sie
nicht selber korrigierte, oder durch seine Schüler korrigieren
liess, sind als unrichtig erkannt worden. Freilich ist es richtig,
dass V o i t und Pettenkofer früher glaubten, aus den
Kohlehydraten werde im Organismus kein Fett abgelagert,
aber gerade durch Versuche, die aus dem physiologischen
Laboratorium hervorgegangen sind, wurde diese Tatsache
selbst gesichert, so z. B. durch eine Untersuchung von Erwin
V o i t und von K. B. L e h m a n n an Gänsen. Durch Versuche
von Rubner wurde diese Fettbildung aus Kohlehydraten
wenigstens wahrscheinlich gemacht. Die so vielfach an¬
gegriffene Lehre von der Fettbildung aus dem Eiweiss ist ge¬
wiss nicht widerlegt und auch unter den alten Versuchen
V o i t s finden sich solche, die den C-Ansatz aus Eiweiss im
Körper des Tieres dartun und die man nicht als unrichtig er¬
weisen kann. Spätere Versuche von Rubner und Erwin
V o i t und auch von mir tun das Gleiche dar und gerade in
allerjüngster Zeit ist durch Versuche von Kollegen Wein¬
land, die sich im Druck befinden, meines Erachtens wenig¬
stens bei den Fliegenmaden der sichere Beweis einer Fett¬
bildung aus eiweissartigen Substanzen erbracht worden. Ich
bin überzeugt, dass in nicht zu ferner Zeit die alte Voit-
sehe Lehre sich allgemeiner Anerkennung erfreuen wird.
Durch seine bisher mitgeteilten Arbeiten hatte Voit
den Boden für die Entwicklung seiner Wissenschaft ge¬
schaffen und auf diesem Boden sind weitere Resultate
erzielt worden. Als Schüler V o i t s hat Max Rubner
das Isodynamiegesetz erwiesen. In meiner Lebensbeschrei¬
bung meines verehrten Lehrers, die ich zum 70. Ge¬
burtstag verfasst habe, habe ich den Ausdruck „auffinden“
gebraucht, gegen den dann v. H ö s s 1 i n protestiert hat. Es
ist hier nicht der Ort, auf den Prioritätsstreit zwischen den
beiden Autoren näher einzugehen, der Leser findet ihn in
der Münchener med. Wochenschrift im Jahre 1901 und 1902.
Ich will gern zugeben, dass ich damals besser gesagt hätte
statt „auffand“ — „dasselbe hierdurch als giltig erwies“, wobei
ich jedoch die Frage offen lassen will, wie weit vor Rubner
v. Hö ss 1 in und andere Forscher, z. B. Bidde r und
Schmidt dem Isodynamiegesetz nahe gekommen sind. Das¬
selbe sagt bekanntlich, dass unter gewissen einschränkenden
Voraussetzungen die verschiedenen Nahrungsstoffe sich in
denjenigen Verhältnissen vertreten, in welchen sie gleiche
Wärme entwickeln. Bei abundanter Zufuhr ist dies nicht
mehr der Fall und bei Eiweissfütterung auch schon dann
No. 27.
nicht mehr, wenn- die gereichte Eiweissmenge den Hunger¬
bedarf in ihrem kalorimetrischen Wert noch nicht er¬
reicht. Es ist Rubners Verdienst, die energetische
Betrachtungsweise in den Vordergrund geschoben zu
haben, aber es ist unrichtig, anzunehmen, Voit habe für
diese nicht das volle Verständnis gehabt. Er wusste sehr
wohl, inwieweit eine energetische Betrachtungsweise möglich
und berechtigt war, aber dass es auch Fragen gibt, die der
energetische Standpunkt gar nicht zu entscheiden gestattet,
man denke nur an den Mineralstoffwechsel, bei dessen Be¬
trachtung man an dem alten Standpunkte, dem rein
stofflichen festhalten muss. Als Beweis dafür, dass auch
Veit selbst den energetischen Beziehungen die aller¬
grösste Aufmerksamkeit schenkte, dient ein noch heute
im physiologischen Institut befindliches Kalorimeter für
den Menschen, das die Gebrüder Voit gemeinsam kon¬
struiert haben. Leider sind bis auf zwei kleine Bemer¬
kungen in V o i t s Handbuch Versuche mit diesem Instrument,
das allerdings heute überholt sein dürfte, nicht publiziert
worden, aber die Tatsache seines Vorhandenseins beweist doch
die Bedeutung, die Voit den Energiebeziehungen beige¬
messen hat.
Und eben dasselbe beweist auch diese historische Tafel,
die ich Ihnen hier mitbringe und die aus dem Jahre 1866 stammt.
I Sie sehen hier, wie Voit aus seinen Respirationsversuchen
die Kalorienproduktion berechnet hat und wie sich hier findet,
dass ein Arbeiter 2,25 Millionen Wärmeeinheiten bei Hunger
und 2,50 bei mittlerer Ernährung gebraucht. Voit konnte
also mit Recht sagen, dass es ihm nichts neues war, als
v. H ö s s 1 i n aus seinen und Pettenkofers Versuchen
am Menschen herausrechnete, dass die entwickelten Wärme¬
mengen bei den verschiedenen Ernährungen von einander nicht
so sehr abweichen. Wie dem aber auch sei, der Boden, auf
dem die Ansichten von H ö s s 1 i n s und Rubners gediehen,
den hat Carl v. Voit geschaffen.
Eine der umstrittensten Lehren von Voit ist das Kost-
mass, das er für den mittleren Arbeiter aufgestellt hat, für
den er bekanntlich 118 g Eiweiss, 56 g Fett und 500 g Kohle¬
hydrate verlangte. Namentlich um diese 118 g ist ein heisser
Streit entbrannt; man hat sie sehr oft als viel zu hoch be¬
zeichnet. Vor mir liegt ei/ne Schrift, die in Angriffen auf
ihn das Möglichste in dieser Richtung leistet. Es mag genügen,
dem gegenüber die Worte Tigerstedts zu zitieren, die er
im Handbuch von Nagel zu der Frage schreibt.
„Da es indessen bei der Anordnung der Kost in einer
öffentlichen Anstalt äusserst zweckmässig ist, von einem
Normalkostmass, das nicht allein die absolute Energiezufuhr,
sondern auch die Zufuhr von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten
berücksichtigt, auszugehen, dürfte meines Erachtens die Zahl
i von Voit fortfahrend zu wählen sein, denn die frei gewählte
Kost enthält, in Europa und Amerika wenigstens, in der Regel
ebensoviel oder noch mehr Eiweiss.“
In allen bisherigen Untersuchungen sehen wir denselben
roten Faden hindurch ziehen. Methoden und Gesetze der Stoff¬
zersetzung ergründen und Normen für den praktischen Ge¬
brauch schaffen, das war das Ziel und wirklich in höchstem
Masse hat Voit das erreicht. Dazu aber gelangen ihm hier
und da auch noch einige besondere Funde, die aber immer
noch mit seinem Hauptgegenstand im Zusammenhang standen.
So fand er frühzeitig die sogen, kardiopneumatische Be¬
wegung. Beim Atmen durch das M ü 11 e r sehe Ventil ent¬
deckte er nämlich, dass auch in den Atempausen kleine
Schwankungen der Wassersäulen stattfanden, die synchron mit
den Herzbewegungen waren. Voit konnte diese kardio¬
pneumatische Bewegung noch auf andere Art demonstrieren
und erkannte in ihr das Mittel, mit dem der Winterschläfer
seinen Gaswechsel unterhält.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis fanden Bauer und Voit
gelegentlich ihrer Untersuchungen über die Resorbierbarkeit
des Eiweisses in Darmschlingen. Voit betonte, dass diese
Verhältnisse nicht erklärt werden könnten durch die Annahme
eines einfachen Schemas für die osmotischen Beziehungen
zwischen Darminhalt und Blut. Diese Behauptung ist lange
unbeachtet geblieben bis Heidenhain dasselbe fand und
zunächst ohne Kenntnis dieser älteren Versuche veröffent-
4
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1442
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
lichte. Dann aber Hess er V o i t die volle Anerkennung, auf
die derselbe mit Bauer Anrecht hatte. Er schrieb:
„Ich darf diesen Paragraphen nicht schlossen, ohne zu
erwähnen, dass bereits vor 25 Jahren C. Voit die Resorption
von Blutserum im Darmkanal beobachtet hat, als er die Ei¬
weissresorption studierte. Die von ihm beobachtete Tatsache
führte Voit zu dem Schlüsse, dass die Resorption nicht durch
Diffusion zustande kommen könne. — Die Voitssche Beobach¬
tung — vereinzelt wie sie war - ist bei der Diskussion der
Resorptionstheorie in der Literatur ganz ausser acht geblieben;
auch ich habe sie erst bei nachträglicher Durchmusterung meiner
Collectanea während des Niederschrcibens dieser Arbeit auf¬
gefunden und freue mich, sie wieder zu Ehren bringen zu
können.* 4
Damit glaube ich Ihnen ein Bild der wissenschaftlichen
Tätigkeit meines unvergesslichen Lehrers entrollt zu haben.
Gewiss wäre noch viel, sowohl über die Arbeiten des Meisters
selbst, als namentlich auch seiner Schüler zu sagen. Ich er¬
innere Sie an die Namen Herzog KarlTheodor von Bayern,
Förster, Hofmann, Müller, Renk, Schuster,
Prausnitz, Moritz, Feder, Bergeat, Fritz Voit und Otto
Frank, um nur einige hervorzuheben. Aber ich würde Ihre
Zeit über Gebühr in Anspruch nehmen, würde ich hier dieselbe
Ausführlichkeit in der Darstellung walten lassen, wie bezüglich
der ersten Entwicklung und der ersten Hauptsätze, die V o i t
gefunden, und es bliebe mir nur noch die Aufgabe, in wenigen
Strichen Ihnen Voit als Mensch zu zeichnen, wenn Sie. meine
Herren, ihn nicht alle selbst kennen würden. Es werden nicht
viele Menschen existieren, die eine so heilige Auffassung von
dem besassen, was man eiserne Pflichterfüllung heisst, wie
Carl Voit und nicht leicht hatte jemand ein gleiches Be¬
streben, gerecht gegen alle zu sein. Wenn er etwas für richtig
erkannt hatte, dann brachten ihn keinerlei Rücksichten von dem
einmal eingeschlagenen Wege ab, er war nicht nur gegen
Drohungen, sondern auch gegen Bitten unbestechlich. Es sei
erinnert an seine Strenge im Examen; gewisse Kenntnisse ver¬
langte er unbedingt und Hess in Bezug auf dieselben keine
Kompensationen zu. Und bei dieser grossen Strenge gegen
sich und andere war er doch im persönlichen Umgang stets
liebenswürdig und wenn auch weit davon entfernt, die Be¬
deutung der von ihm gehobenen Edelsteine des Wissens zu
unterschätzen, war er ein bescheidener Forscher. Er gab un¬
umwunden zu, dass ihm einige Gebiete seiner Wissen¬
schaft nicht direkt zugänglich seien, weil es ihm zum
vollständigen Verständnis an den nötigen Vorkenntnissen
fehlte. Das Verhältnis zu seinen Assistenten war das eines
väterlichen Freundes und er hatte namentlich eine goldene
Eigenschaft, er Hess gern jeden in seinem Laboratorium sich
den Weg selbst suchen, auf dem er glaubte, wissenschaftlich
am weitesten zu kommen. So kam es, dass aus seinem In¬
stitute in den letzten 10—15 Jahren Arbeiten hervorgehen
konnten, die seinem eigenen Forschungsgebiet gänzlich fern
lagen. Ich selbst habe es namentlich dankbar empfunden,, dass
er mir volle Freiheit Hess, meinen wissenschaftlichen Lieblings¬
neigungen nachzugehen. Und dabei zeigte er für die Resultate
selbst das grösste Interesse; wiederholt hat er mich gebeten,
ihn doch zu rufen, wenn meine Vesuchsergebnisse irgend
etwas Beachtenswertes ergeben hätten. Er war in dieser
Richtung also nicht nur selbst Forscher und gewaltiger För¬
derer der Wissenschaft, er war auch ein Maccenas für andere
Bestrebungen, an denen er selbst nicht teilnehmen konnte.
Mit grossen Hoffnungen gingen wir im Institute anfangs
November vor. Js. ins Semester. Unser verehrter Lehrer war
so völlig erholt aus der Sommerfrische wiedergekommen und
hatte sich mit einem solchen Eifer in seine Arbeiten gestürzt,
dass er uns geradezu verjüngt vorkam. Da trat plötzlich ein
leichtes Unwohlsein auf, das ihn nach einigen Tagen zwang,
die Vorlesung vorübergehend auszusetzen. Von bangen
Ahnungen erfüllt, baten wir ihn, sich möglichst zu schonen,
womöglich ein südliches Klima aufzusuchen. Wir richteten
wiederholt diese Bitte an ihn, vergebens! Er glaubte es seiner
Pflicht schuldig zu sein, so lange es seine Kräfte ihm erlaubten,
wenigstens die grosse Vorlesung weiter zu halten. Es kamen
dann die Weihnachtsferien. Leider wurde der Zustand
schlimmer und schlimmer. Es kam Neujahr, es begannen die
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Vorlesungen w ieder und alle unsere B.tten an Ji i: n:;' sJ:\nr
kranken Mann, sieh zu sch'ifvn. waren \ erge ‘«erv Erst aS
er beim Heimgang von der \ orleMing am I". I.u iur \ <*u sk::.
Trambalmw agen aus kaum mehr seine Wil-mg hatte er¬
reichen können, da ergab er suh dun Zwar g der \e r h.«'t: .^"e.
dei tückischen Krankheit, die ihn bua’iui hatte. Lh lade ::::
nach diesem Jage nur noch zweimal gebeten, denn aV\ s d
begannen seine geistigen l ah.gkuten ab/ui e 1 ::iui ir J am
dl. Januar erlostoe ihn der I«»d \»»n seinem sJiweru: l e du..
Wie Schon wäre es gewesen, wenn ihm r.iJi se;t:un be¬
vorstehenden Rücktritt noJi ein längeres ot. au umi d u *..*v
beSchieden gewesen wäre. SJmn l ir s:i;e Farn.: e, sU:
für uns, seine Freunde und Schüler! Abel :Ji g a.:t\ : ..V
eben so schon auch für den \ erstorbene n m Ibs;., denn & d.
der so mit allen seiner Fasern an vier Arbe.t u; d der P*i
ermlhirig hing, wie Cat I v. Voit. der lütte vJt ihiiua m
seiner unfreiwilligen Musst* ghukhJi getuh.t.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Ein ärztlicher Beleidigungsprozees.
Am 21. .Mai ds. Js. hat vor dem Kg! Ear. .!•*•*?* k De s.uen \. r t
cm Beieidigungspr<i/ess sein l tide gitimliM. der M- r ute i.a g
hiesige Aer/tesc halt in Atem hielt ui: J s--w.-;il bei letzte 'e r a s ,i:. v
bei der Bürgerschaft ganz \ eis Juedeuartig beurtv .t wurde I v e r¬
scheint deshalb wichtig und notwendig. den Lesern dieser \\ - >. e:r-
schrift einen objektiven Beruht zu gehen utul k len i me ■ o; v.:i
selbst ein Urteil bilden zu lassen. Zu dusim /«ea.e i-zw u’i
etwas weiter ausholen und aut frühere Begebe :.he:*t n zu* .ukg*«. \ r..
die der Allgemeinheit nur teilweise oder gar nicht besamt >• ;
Schon lange bemüht suh die Aer/les,. butt Ba \ erns. e: u s^z.le
Ordnung zu erhalten, um ahn.ich wie die Anw.i :e Dv.uuls . der
die Aer/te Sachsens und Preusscns die k- .v\tn gegen «e g u::e
unlautere Handlungsw eise einzelner, die es mit der M.r.dv w • • t j .
So genau nehmen. Schutzen zu können und v..':.:t sw de »m.I
Starnlesbew usstsem /u festigen und zu c’h. Im. ! .sder tr :/ e es
einmaligen Veisuches Seitens vier kgl Mu.tisn gu*tfi:g \i-gsbe-s
Wiederholt haben Aer/tes erem und Aer/tckur. :: v r aut ,..is tr.
haltbare dieses Zustandes hmgew lesen. aber me ist etwas P v \ t s
erreicht worden. Wohl ist den ar/Ouhcn Be.’irkw v :t im n d:.:*r: e
Allerhöchste Entschliessung \<un 9. .1 •;,i eme l .,:v::,eu:.> . 0 -
keit vci liehen worden. doji erstreikte suh diese mir au .u-.n V.t-
glieder, und auch letztere kontien suh don.l vi; ,v iv'/vd d.um V..s.
tritt entziehen. Da musste nun unK J.ngt etwas ^vd-de:,
die medizinische und politische Presse suh * tter n.t dieser VGe¬
legenheit beschäftigte und so munJie Zustande gv.sM te. a..t d e
Stolz zu sein wir keinen (irund haben; so war 7 B m S*
Jahrg. I9n7 des ..illustrierten brcindenb attes Um- n iDe.;ts v ::e Budi -
Zeitung)” ein Artikel „Der Badearzt im W mter.juart.er' - c*sji; v m n.
der nullt gerade schmeichelhaft I.ir unseren >:.-;d zu 1 : 0,011 war;
So hatte auch Kollege Nassauer in daver Ze.ts^hott das \
gehen eines Badearztes scharf krü.sicrt und ioJi r-umhev \:-,dv-e
aus neuester Zeit Ware liier an/ut ?;ren
Aus solchen Erw agungeti heraus hatte vier ar/t uhe Bi zrks*
verein Bad Kissmgen in einer Mt/ung im M, / 1 "7 io.;, svvu.
Schritte zu tun, um diese l ebclst.mde aus der Wdl /u s v <. n. u::d
seinen Vorsitzenden. Herrn fhirat Dr. SJi.. 1 v a.ui, t : C 1 u-
gabe an die kgl. Staats» cg lerung zu n.ulun m dv m > *;:u, t
Aer/te, die auf Maatsstellung. Bet.-rderung und A . 0.0 g v.
tieren, zu veranlassen, sich vier Mundes-*r ganv.it* n u* d dv *v:: 1 .'vu-
gerichtsbarkeit zu untersteilen, um aui v;u se Wv.sc .1 ^ s. " t-
liclie Acr/tc der StarivlesorÜMing zu/ir .* :rv n. De \;;:w..rt n 1. .- t r
Stelle erschien am J.L resp. J7. Juii l-^'T I w .o m d L m r W
schritt im Wortlaut ahgedriukt (Miruii n.vd. W . w ■ s v hr.. \.
Jahrg. 1907). Diese I ing.ihe hatte a s,. mir .Ln 1 n t • w v :
sachlichen Zweck, sollte vier kgi. Maat>fv.g.v: i.r g V.atv* m ! \^-
lass zur Aufstellung einer Man '.vs..:dnimg gv' _ ;• k te d. v ; :. ; b
zur Illustrierung der Notwendigkeit einer v n aut iw »;>e ans
dem baverischen \ eretjt*!cbcn uis.ht \erzubttn. \.<- eti wi.-.vn h e-
bei Selbstverstaiivllich nicht genannt. I s wir .v aut d c l • t
der IMluhten und kV eilte liingv w usetr. die n.idi V !v r >.u !..age t *
Mitglieder und NiJitmitgiiedcr der Kne'iv'n Avt/tv-u.r .v.-t. n
Geltung haben. Wahrend die Pf.ivhten. w v L e d.e >ta- to ' g
mit sich bringt, mir den erstem» .•! .ug-.n. lakrvrt an den k’vU tvn
die ausserhalb Stehenden ebenso te:i. ia in w r ts.. 1 Jtv z.v 1 1 ;*tg
ist ihnen durch den Mangel an Pr.whten d.e k uk-rrw u-g.--v ri
erleichtert.
Ein Passus in der Eingabe lautete 7 . B. i 'gefdv müssen: ,.ii ui; i
einen anderen hiesigen Ar/t hat der \'v. ,n. w .v ad. ,t Me u::g
nehmen müssen, obw .dil er dem \ ere.n sd': n seit l.r ge'er Ze t
nicht mehr als Mitglied ar.geb.--rt, weil d-.i-de »nter X-.lerem
kostenlose Behandlung der zum kurgv I -;i;g •; rac*1 k.w g-.-'. k m-
menden Offiziere ausgeschrieben hat. was s**:w er gegen de >*.ardcs-
Ori_gmal frorri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli J908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1443
Obliegenheiten verstösst [Statuten §§ 64 1 ) und 86]. Der Herr hat
sich weiterhin nicht im mindesten in seinem standeswidrigen Vor¬
gehen stören lassen, dafür aber kürzlich einen hohen russischen
Orden bekommen“.
Das standeswidrige Verhalten war s. Z. erblickt worden in
einem Ausschreiben im deutschen Kolonnenführer vom 15. August
1904 und gleichlautend in der Beilage der Zeitschrift „Das rote
Kreuz“, Berlin 31. Juli 1904, No. 16, das folgendermassen lautete:
„Bad Kissingen.“
„Um den invaliden deutschen und russischen Kriegsteilnehmern,
welche zur Beseitigung ihrer Leiden den Gebrauch der hiesigen
Kurmittel nötig haben und nicht die erforderlichen Mittel hierzu
haben, zu ermöglichen hieher zu kommen, haben sich nachstehende
Hoteliers bereit erklärt, denselben freie Wohnung und Verpflegung
zu gewähren, eventuell den Herren Offizieren die Pension mit 50
Proz. Nachlass zu berechnen.
(Folgen die Namen der Hotels und Pensionen.)
Freibäder stellt die Verwaltung der Kgl. Bäder (Friedrich Hes¬
sing), freie Medizin und kostenlose chemische und bakteriologische
Untersuchungen Dr. K. (Boxbergers Apotheke) zur Verfügung, wäh¬
rend der Unterzeichner, Herr Hofrat D., gern bereit ist, die ärztliche
Behandlung zu übernehmen und die Kurmittel in seiner Anstalt: In¬
halationen, pneumatische Kammer, elektrische Bäder usw. kostenlos
nehmen lassen würde.
An das aus Herrn Hofrat Dr. D. als Vorsitzenden, Herrn Hotel¬
besitzer B. als Schriftführer und den Vorstandsdamen des „Frauen¬
vereins unter dem Roten Kreuz“, Frau Geheimrat S. und Frau
Hofrat D. bestehende Komitee wäre vor dem Eintreffen des Invaliden
Nachricht über dessen Ankunft zu übermitteln; die Verteilung an die
einzelnen Hotels und Restaurants würde von dem Komitee aus
besorgt werden.
Bad Kissingen, den 6. Juli 1904.
Hofrat Dr. D.
Badearzt und Oberstabsarzt der Landwehr und Vorsitzender des
Lokalkomitees für Lazarettangelegenheiten (Landeshilfsverein vom
roten Kreuz), Kolonnenführer.“
Ausserdem erschien noch eine Reihe von Artikeln in der hiesigen
Saalezeitung, die sich mit der Angelegenheit beschäftigt haben.
Der oben erwähnte Passus der Eingabe war ohne Wissen und
Willen des ärztlichen Bezirksvereins, resp. dessen Vorsitzenden vom
Kgl. Ministerium des Innern dem Kriegsministerium zur Verfügung
gestellt worden, und Herr Hofrat Dr. D. hatte sich vor seinem
Militärehrenrat zu verantworten mit dem Erfolge, dass letzterer er¬
klärte, Herr Hofrat Dr. D. habe sich nicht gegen die Standesehre
verfehlt. Daraufhin liess letzterer ein Schriftstück drucken und an
alle hiesigen Aerzte (mit Ausnahme der Vorstandschaft), die Aerzte-
kammer, den Leipziger Verband und die Kgl. Regierung verbreiten,
das schwere Beleidigungen gegen die gesamten Mitglieder, ganz
besonders aber gegen die Vorstandschaft und den Vorsitzenden des
ärztlichen Bezirksvereins, Herrn Hofrat Dr. Sch. enthielt. Diesem
ersten Schreiben vom 24. X. 07 folgte bald ein zweites, das haupt¬
sächlich nur gegen Dr. Sch. gerichtet war. Diese Schriftstücke ent¬
hielten folgende Sätze: „Hofrat Dr. Sch. habe wissentlich und vor¬
sätzlich die Unwahrheit gesagt, habe wider besseres Wissen und
vorsätzlich Unwahres dem Kgl. Staatsministerium berichtet; die dies¬
bezügliche Eingabe sei nackt und frakt eine Denunziation und Ver¬
leumdung; es sei nicht zweifelhaft, dass ein Verein, der aus Ge¬
bildeten bestehe, denen die Ehre über Alles geht, in seiner Ge¬
samtheit unfähig sei, zu einer so erniedrigenden Handlungsweise;
es wird wiederholt von verleumderischer Denunziation gesprochen
*) § 64 lautet: „Es ist gegen die Würde des ärztlichen Standes,
in irgend einer Weise Reklame zu machen, z. B. wiederholt öffent¬
liche Anzeigen zu erlassen, durch Karten oder sonstige Ankündigungs¬
mittel die Aufmerksamkeit besonderer Arten von Kranken auf sieb
zu lenken. Armen oder dem Publikum überhaupt öffentlich oder
privatim seine ärztliche Hilfe unentgeltlich anzubieten (auch nicht
durch Ausschreiben von Polikliniken), oder gegen besondere Vorteile
unentgeltlich auszuüben, briefliche Behandlung, Zusendung beson¬
derer Arzneien und Instrumente zu versprechen, durch sog. populäre
Broschüren auf bestimmte Heilmethoden aufmerksam zu machen,
Krankengeschichten oder Operationen in nichtwissenschaftlichen Zei¬
tungen zu veröffentlichen oder deren Veröffentlichung zu gestatten.
Laien als Zuschauer zu Operationen einzuladen, sich Zeugnisse oder
Danksagungen für ärztliche Hilfe oder Heilerfolge öffentlich oder
privatim ausstellen zu lassen oder ähnliche Handlungen zu begehen.
Selbstverständlich ist es jedoch jedem Mitglied gestattet, bei Nieder¬
lassung an einem anderen Orte oder bei Wohnungswechsel jeweils
dem Publikum in ortsüblicher Weise (3 mal) durch öffentliche Blätter
hiervon Nachricht zu geben; auch kann er bei dieser Gelegenheit,
sofern er Spezialist im ernsten Sinne des Wortes ist, dies mitteilen.
Ausserdem soll sich keiner Spezialist nennen, der nicht nachweisen
kann dass er wenigstens ein Jahr hindurch nach der Approbation sich
einem s Deziellen Fach gewidmet hat oder ausser dem Spezialfach
keine allgemeine Praxis ausubt.
und behauptet, nach Anschauung des Dr. Sch. seien Denunziation
und Verleumdung nicht standeswidrig.“
Der ärztliche Bezirksverein beschloss hierauf in einer Sitzung
vom 11. November 1907, gegen Herrn Hofrat Dr. D. Beleidigungs¬
klage zu stellen und den Vorsitzenden zu beauftragen, im Namen des
Vereins die Klage zu erheben. Dieser wurde vom Kgl. Amtsgerichte
Kissingen stattgegeben und Verhandlung auf 2. April 1908 vor dem
Schöffengericht Kissingen festgesetzt. Es war von klägerischer Seite
eine grössere Anzahl wichtiger Zeugen und Sachverständiger aufge-
boten worden, das Gericht lehnte jedoch die Vernehmung der meisten
Zeugen und der beiden Sachverständigen ab und kam zu einer Ver¬
urteilung des Beklagten und zwar zu einer Geldstrafe von 30 M. und
Tragung der Kosten. Die sehr ausführliche Begründung spricht von
einer Kompetenzüberschreitung des ärztlichen Bezirksvereins, da
letzterer in legaler Weise nicht in der Lage gewesen sei, gegen den
ausserhalb des Vereins stehenden Herrn Dr. D. Stellung zu nehmen
und erklärt die Behauptung kostenloser Behandlung für unwahr.
Gegen dieses Urteil wurde vom Kläger und Beklagten Berufung ein¬
gelegt und die Verhandlung am Landgericht Schweinfurt am 27. Mai
durchgeführt. Hier kam es, nachdem sämtliche Akten und die Ver¬
handlung der ersten Instanz zur Verlesung gekommen waren, nach
Vorschlag und Fassung des Gerichtshofes zu folgendem Vergleich
im Interesse unseres Badeortes und der ganzen Aerzteschaft des¬
selben:
„I. Der Privatkläger Hofrat Dr. Sch. erklärt nach den ihm in
Laufe der Verhandlung gewordenen Aufklärungen*), dass er den
in der Eingabe des ärztlichen Bezirksvereins Bad Kissingen an die
Kgl. Staatsregierung vom 15. März 1907 enthaltenen Vorwurf „der
Angeklagte habe durch sein Verhalten in der Angelegenheit betr. die
Gewährung von Vergünstigungen an russische und deutsch-südwest-
afrikanische Kriegsteilnehmer die ärztliche Standesehre verletzt“
nicht mehr aufrecht erhalte.“
„II. Der Angeklagte, Hofrat Dr. D., erkennt an, dass der Privat¬
kläger die in der Eingabe vom 15. März 1907 der Kgl. Staats¬
regierung vorgebrachte, das Verhalten des Angeklagten in der be-
zeichneten Angelegenheit betreffenden Aufstellungen nicht wider bes¬
seres Wissen gemacht hat und nimmt die in seinem Rundschreiben
vom 24. Oktober 1907 gegen den Privatkläger erhobenen Vorwürfe
der verleumderischen Denunziation und einer niedrigen Handlungs¬
weise, als in der Erregung gebraucht, mit Bedauern zurück.“
„III. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens in erster
Instanz. Die Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz werden gegen¬
einander aufgehoben."
Aus der ganzen Verhandlung hat sich gezeigt, dass für Standes¬
fragen das ordentliche Gericht nicht der richtige Ort ist und dass es
dringend nötig und wünschenswert wäre, wenn die Kgl. Staats¬
regierung möglichst bald eine Standesordnung für die Aerzte Bayerns
ins Leben rufen würde.
Bad Kissingen, 15. Juni 1908.
Wahle.
Referate und BQcheranzeigen.
F. Schenck-Marburg und A. Gürber -Wtirzburg:
Leitfaden der Physiologie des Menschen für Studierende der
Medizin. Fünfte Auflage. 280 Seiten mit 43 Abbildungen. Ver¬
lag von F. Enke, Stuttgart 1908. Preis 5.40 M.
Kaum anderthalb Jahre seit dem Erscheinen der vierten
Auflage des bei den Studierenden so beliebten Schenck-
G ü r b e r sehen Leitfadens der Physiologie ist eine neue Auf¬
lage notwendig geworden.
Bei Bearbeitung dieser fünften Auflage waren dieselben
Gesichtspunkte massgebend wie früher, nämlich den Ueber-
blick über das Gesamtgebiet der Physiologie zu erleichtern,
ohne aber in die Manier der oft mangelhaften Kompendien zu
verfallen. Durchgreifende Aenderungen weist das Buch in der
neuen Gestalt nicht auf, aber der Drang nach weiterer Ver¬
besserung macht sich doch an vielen Stellen bemerkbar.
Möge das Buch zu der nicht kleinen Zahl alter Freunde
neue hinzu werben! K. Bürker-Tübingen.
Riegel: Die Erkrankungen des Magens. Zweite, ver¬
mehrte und neubearbeitete Auflage. II. Teil: Spezielle Dia¬
gnostik und Therapie der Magenkrankheiten. (Mit 7 Tafeln
und 14 Abbildungen im Texte.) Bearbeitet und herausgegeben
*) Nachdem durch den Beklagten erklärt worden war, dass nur
ein Teil der in der „Saalezeitung“ erschienenen Artikel ihm vor der
Veröffentlichung bekannt gewesen sei und in dem Ausschreiben im
„Deutschen Kolonnenführer“ (siehe oben) das Wort kostenlos sich
nicht auf die ärztliche Behandlung beziehen sollte, sondern nur auf
die Kurmittel seiner Anstalt, erachtete sich der Kläger für berechtigt,
den Vorwurf einer Verletzung der Standesehre fallen zu lassen.
4*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1444
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27 .
von Privatdozent Dr. J. v. T a b o r a. Wien und Leipzig.
Alfred Holder, 1908. 642 S. Preis 18 M.
Nachdem 1896 in No. 36 dieser Wochenschrift die erste
Auflage ausführlich besprochen worden war, konnte Rezensent
im Jahre 1904 (No. 32) den ersten Teil der zweiten Auflage in
der neuen Bearbeitung Riegels anzeigen. Zum Schluss
sprach er die Hoffnung aus, es werde der zweite Teil bald
nachfolgen. Leider wurde dieser Wunsch nicht erfüllt. Der
fleissigen Hand des rastlosen, speziell um die Erforschung der
Magenkrankheiten so hochverdienten Klinikers entfiel die
Feder leider viel zu früh. Die Neubearbeitung des vorliegen¬
den Bandes hatte Riegel begonnen. Vollendet hat sie sein
letzter Schüler, v. Tabora, ein bereits gerade auf dem (ie-
biete der Magenpathologie rühmlich bekannter Forscher. Er
hat die schwierige Aufgabe, ein grosses Werk eines anderen j
Autors neu zu gestalten und mit den Fortschritten der For- ;
schung in den letzten 8 Jahren auszustatten, vortrefflich ge¬
löst. Die Pietät gegen seinen Lehrer hat ihn davon abgehalten,
in das Bestehende allzutief cinzugreifen, sie hat ihn aber
andererseits auch angeregt, das neu Hinzugekommene orga¬
nisch mit dem Früheren zu verarbeiten. So ist ein Werk zu
Stande gekommen, welches im Wesentlichen auf dem gegen¬
wärtigen Standpunkt unseres Wissens steht, ohne seine ur¬
sprüngliche Eigenart verloren zu haben. Wenn wir sagen,
dass man es kaum merkt, dass das R i c g e I sehe Buch von
einem Anderen bearbeitet ist, dass man glaubt, Riegel selbst
habe die neue Auflage besorgt, so ist dies wohl das schönste
Lob, welches man dem Herausgeber v. Tabora spenden |
kann. Es darf daher auch der zweite Teil dieses vorzüglichen
Abschnittes des Nothnagel sehen Handbuches den Aerzten,
besonders aber den Magenärzten auf das wärmste empfohlen
werden. P e n z o I d t.
Paul le Gendre et Aug. Broca: Tra 116 Pratlque de
Thgrapeutlque infantile medlco-chlrurgicale. Deuxieme Edition
comptetement refondue. Avec un formulaire, un tableau poso-
logique et 170 figures dans le texte. Paris 1908 . O. Stein-
h e i 1. 759 Seiten. Preis 15 Frcs.
Die erste Auflage dieses Buches ist vor 13 Jahren erschie¬
nen, ein Monat vor Entdeckung der Serumtherapie der Diph¬
therie. Seitdem hat sich in der Kinderheilkunde viel gewandelt
und es ist begreiflich, dass die zweite Auflage einer völligen
Neubearbeitung gleichkommt. Die Namen der beiden Autoren
sind auch in Deutschland riihmlichst bekannt und bürgen für
die Qualität des Werkes. Das Buch ist eine Enzyklopädie der
pädiatrischen Therapeutik und zwar der internen wie der chi¬
rurgischen.
Die Verfasser haben sich die Mühe nicht verdriessen
lassen, bevor sie mit dem „A B C“ beginnen, in 136 Seiten
einen ausführlichen Exkurs zu bringen über die Ernährung des
Kindes, über die äusseren Hilfsmittel wie Hydrotherapie, Mas¬
sage, Aerotherapie, Blutentziehung, Elektrizität. Ionisation,
Radiotherapie; des weiteren über die hauptsächlichsten thera¬
peutischen Indikationen, über die Anwendungsweisen und Do¬
sierungen der Medikamente. Eine diesem ganzen Abschnitt
vorausgeschickte Einleitung behandelt die speziellen Charak¬
tere der kinderärztlichen Therapie und die erforderlichen Qua¬
litäten des Kinderarztes („Milde, Geduld und Festigkeit!“).
Den Schluss des Buches bildet eine nach Krankheiten geordnete
Rezeptsanimlung und eine Tabelle der einzelnen Medikamente
und ihrer Dosen für 4 Altersstufen. Der von Broca bearbeitete
chirurgische Teil, welchem der grösste Teil der Abbildungen
zugehört, ist auch für den Nichtchirurgen sehr lehrreich. Mir
scheint es ein Manko deutscher Lehrbücher (Biedert-
Fischl bildet eine Ausnahme), dass sie wenigstens den
häufigeren chirurgischen Erkrankungen der Kinder und deren
Behandlung keinen Raum gewähren: ihre Kenntnis ist für
jeden Kinderarzt notwendig schon wegen der rechtzeitigen
Diagnosen- und Indikationsstellung. Die Schreibweise des
ganzen Buches ist durchweg anziehend, klar und auch für den
des Französischen weniger Bewanderten nicht allzuschwer zu
lesen. Mit dem Inhalt des rein pädiatrischenTeiles (Le (iendre)
kann man sich im ganzen einverstanden erklären; in manchem
allerdings sind die Ergebnisse neuerer Forschungen za wenig
berücksichtigt (Ernährung. Zystitis). Neben diesem Mangel sir.J
aber einzelne Abschnitte wieder voi/ugluh herausg-arbc.tt::
ich nenne nur z. B. die Ernährung m Krunkhc.'.staden, das
Baden, Diphtherie. Intubation. Pneumonie. I uberkutose u. a. m.,
so dass Alles in Allem genommen das Buch ieJem se ibst.md.gen
Leser viel Anregendes bringen wird und als N.u hs JilagebaTi
für Aerzte wohl empfohlen werden kann.
Privatdo/ent Dr. Hecker.
R. v. K r a I f t - E b I n g: Die progressive allgemeine Para¬
lyse. II. Autl. Auf (irunJ der Darstellung \ ou wm.and Prof.
A. R. v. K rafft- E hing neubearbeitet \mi H. < > b e r s t e i -
n e r. Wien und Leipzig. AÜred Hold c r. E'"V 217 >e.ten.
Preis M. 6.20.
Das bekannte Werk des verstorbenen hoJn erd.enteil For¬
schers K rafft- E ln n g ist in II. Auflage ersJncnen. lie*aas-
gegeben von Obersteiner und von ihm bea'beitet. De^e
Bearbeitung ist, wie \erf. m se ner \ orrede bemühe''!, be¬
dingt durch die vielen neuen k’.n sjun Eflahamgeii und patba%
logisch-anatomischen ErruugeiisJunten, d e d.e letzt; n 14 Jahre*
seit der I. Auflage für d e progressive Par.ew erfreu!.über¬
weise Zeitigten, zu einer grindl. Jieti Pmarbeita’ig b.era*.ge¬
wachsen. Verf. war bematit, m E.nteihing uuJ Da r ste!..i::g
sich möglichst eng an die k rafft- E. b i n g sjie V.isg.tbe an-
zuscliliesseii. Dov.h haben die grossen EortsTiritte in der Er¬
kenntnis dieser Krankheit notu eud.gerw e.n* manu,.;\o iie und
Ztiill Teil einschneidende Aendernngen \ eran’asst, zum 1 e.! K :ir -
Zungen, zum Teil Erweiterungen und zum Ieil aiiTi e uc ganz
neue Darstellung verschiedener Kapitel. E. ne Re be \ ■ *n w.vh-
tigen Kapiteln ist völlig neu h;nzugeko;n:ue*i. Hierdurch hat
das W erk mellt nur au l'mfang um die Hatte /ngenomm-.
sondern auch, was besonders hervorgehohen sei, mha'.tb Ti e.ne
überaus wertvolle Bereicherung und Verheuerung erfahren.
Mit grosser Sorgfalt und < irundlic hkeit sind d.e neuesten, m
allerneuesten Forschungsergebnisse betreffs der pu>g:ess;\ t -:t
Paralyse ziisammengetragen erinnert sei h.er kurz nur an
die Beziehungen zur Schlafkrankheit und an Je Plant-
Wasser m a n n sehen Lntersuchungen - und in klarem,
flüssigen Stil mustergültig w icdergegebeii und besprochen
worden. Der Lmfang des Werkes ist trotz seiner Zunahme bei
der Reichhaltigkeit seines Inhaltes, der aüe J e progressiv c Pa¬
ralyse betreffenden Gebiete erschöpfend umfasst, e n be¬
scheidener geblieben dank der Kunst des \ ertasvers. kurz,
klar und vollständig sein zu können. Ehe vorzügliche Mono¬
graphie ist für den Neurologen und Psychiater als unentbehr¬
lich zu bezeichnen, für den praktischen Arzt kann em ergehen¬
des Studium derselben mit RiuksiJit auf die W;T:t gseit des
möglichst frühzeitigen Erkennens der progressiven Par.i’w
im Interesse des Kranken, seiner Fam.be und se-ner Be¬
ziehungen zur Allgemeinheit nicht warm genug cmpThYn wer¬
den . Germanus ET a t a u - Die sdeit.
Ha ab: Atlas und Grundriss der Ophthalmoskopie und
ophthalmoskopischen Diagnostik. Mauchen, 1*". I E.
Lehmann. Preis 12 Mk.
Von dem \ II. Baude der weit \ erbr«. iteU n Lehmann-
i sehen medizinischen 1 landathinten ist damit d e 5. V.m.tge er¬
schienen, welche wieder duieil eitle Xn/ahl inner EiguryCt im
anatomischen und ophtlialmoski>p:sTun Im!, si.uie dumh Er¬
setzung oplithalmockopisJu r Bdder durch hesstre su trr-ter
anderen der Retinitis pigmentosa eine wcsetimJic \ er-
besserung erfahren hat. Der Zw enk. v!e u der \ e rf. ||| d
Schöpfer der Abbildungen im Auge hatte, de r o;>! :h.d-
moskopisclien Ausbildung der Studierend*, t: und .rg.mmkn
Aerzte durch Darbietung eines bei seinem inneren und arnnru:
Werte mit ge ringet? M.tffcjn zu be sJi.iö'emkm V’ass v s e.ne
grossere Ausdelmui g zu geben, erwma v v h sm um u der
neuen Auflage als l :u voilerreiclre r m d m.idit a :Ji Ja
rührigen und uu.ternelmienden \ e , !ag' l, '.:T.-ba- .‘Tug gmssc
E li re. S t. g g e 1.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1445
Neueste Journalliteratur.
Zeitschrift für klinische Medizin. 65. Band. 3. u. 4. Heft.
Nachruf für Leopold v. Schrötter.
13) H. S t r a u s s und J. L e v a: Untersuchungen über die Motili¬
tät des menschlichen Magens mittels des Fettzwiebackfrühstücks.
(Aus der Poliklinik für innere Krankheiten von Prof. S t r a u s s.)
Zur Prüfung der Motilität erhält der Patient nüchtern ein Probe-
frühstück aus 400ccm Thee ohne Zucker und Milch und 50g des Fett¬
zwiebacks (11,2 Proz. Fettgehalt), nachdem er am Vorabend einen
Esslöffel Korinthen genommen hat. Genau nach einer Stunde wird
ausgehebert — I. Portion —; danach 100 ccm Wasser eingegossen
und nochmals ausgehebert — II. Portion —, endlich dann noch mit
1 Liter Wasser ausgespült — Portion III —. Portion I wird zur
Schichtung in einem graduierten Spitzglas angesetzt; nach 2 Stunden
wird die Menge des Sedimentes abgelesen und so der Schichtungs¬
quotient ermittelt (= Prozentgehalt an festen Bestandteilen). Das
Sediment wird mikroskopisch untersucht; ferner das spezifische Ge¬
wicht der Portion I und II in einem filtrierten Teil bestimmt; ferner
der Fettgehalt von Portion I und II, sowie von der Schaumschicht
und dem Bodensatz von Portion III refraktometrisch nach dem Ver¬
fahren von W o 11 n y mit geringen Modifikationen bestimmt. Werte
unter 0,8. g Fett sprechen für Hypermotilität; letztere sind zweck¬
mässig als Hyperkinese, normale Motilität als Eukinese, geringere
Herabsetzung der Motilität als Hypokinese, stärkere mit nüchternem
Rückstand und Fettrest über 2,5 g als Phaulokinese bezeichnet.
Hyperkinese fand sich bei Hypazidität und bei Apepsie, ausserdem
bei Neurosen des Magens. Bei Vorhandensein von freier Salzsäure
und Eukinese beträgt der Gesamtinhalt 150—200 ccm, der Schich¬
tungsquotient 40—60 Proz.; Indikatoren der Stauung: Korinthen, Sar-
zine, Hefe etc. fehlen, der Fettrest ist 0,8—2,5 g bei Hypokinese war
der Gesamtinhalt stets über 150 ccm, der Schichtungsquotient über
40 Proz., Indikatoren der Stauung fehlen, der Fettrest beträgt 2,5 bis
4,0 g. Bei digestiver Hypersekretion mit Eukinese ist der Schich¬
tungsquotient herabgesetzt, der Gesamtinhalt vermehrt. Bei Gastro-
ptose verhält sich die Motilität sehr wechselnd. Bei Apepsie und
chronischer Gastritis besteht häufig eine Hyperkinese. Bei keiner
Magenerkrankung ist in allen Fällen der Motilitätsbefund gleich¬
artig.
14) M. Bo r nstein: Neurologische Beiträge. (Aus der Nerven¬
abteilung des jüdischen Krankenhauses in Warschau.)
Beschreibung einzelner Fälle. Zu einem kurzen Referate nicht
geeignet.
15) E. Gr an ström: Ueber das Bronchlalatmen bei der Pleu¬
ritis exsudativa. (Aus der diagnostischen Klinik der med. Militär¬
akademie in Petersburg.)
Die Versuche des Verf., durch Injektion von Ol. Cacaon in die
Pleurahöhle lebender Hunde über die Bedingungen für die Entstehung
des Bronchialatmens bei Pleuritis Aufschluss zu erhalten, ergaben,
dass das Bronchialatmen nicht in den komprimierten Lungenpartien
entsteht und auch nicht durch dieselben fortgeleitet wird, dass es
ferner keiner Biegung oder Verengerung an einer Stelle der Bron¬
chien bedarf; sondern das Bronchialatmen erwies sich stets als fort¬
geleitetes Trachealatmen; es fehlte meist nach Durchschneidung der
Trachea. Die Fortleitung geschieht durch die Flüssigkeit, welche mit
der Wand der grossen Bronchien in Berührung dadurch kommt, dass
sie infolge der Retraktion der Lungenlappen zwischen den Lappen
vord ringt und die Wand der Bronchien in der Nähe des Lungenhilus
erreicht.
16 ) K- Reicher: Chemisch-experimentelle Studien zur Kennt¬
nis der Narkose. (Aus der chemischen Abteilung des pathologischen
Institutes in Berlin.)
Die Versuche des Verf. an Hunden ergaben nach protrahierten
Sarkosen mit Chloroform, Aether, Morphium, Skopolamin-Morphium
oder Alkohol eine bedeutende Vermehrung des Alkoholätherextraktes
im Blut bis zur dreifachen Menge, eine beträchtliche Vermehrung des
, f namentlich in der Atemluft und endlich eine Erhöhung des
p • und der Ammoniakmengen. Die Vermehrung des
v^hT^exlraktes betraf sowohl Fett wie Lezithin und Choie-
AiKofloiatn v _ r mehrung des Eiweissumsatzes ist als eine toxische
«erin. Die Zunahme des NH 3 durch eine Azidose, bei welcher
uirzulassen, a den bekannten Säuren wie Oxybuttersäure, Azet-
hkrdings aus andere unbekannte Säuren mitwirken. Die Ver-
essigsäure noc ^ öer Durchblutung von Lebern normaler Tiere
<ache, künstlicn £-jj 0 j es terin, Lezithinemiflsionen oder von palmitin-
Each Zusatz yon ^ ölsaurem Natron eine Azetonvermehrung zu
saurem, stearinsa kein positives Resultat. Die Ergebnisse seiner
erzeugen, erga j^ssen den Verfasser, die M e y e r - O v e r 1 0 n sehe
Versuche veraniarnodifizieren, dass durch die Narkotika, deren
Narkosetheorfe da j n Zusammenhang mit ihrer Löslichkeit in den
Wirkung eine
narkotische ----- u
Lipoiden steht, auch
Lette veranlasst ^
utopisch im ßl**te<
'bst. 5
Wscten scbweren^* f “ä"g e .)
; r Beitrag zur Jvrc
__ Ausstossung lebenswichtiger Lipoide und
Welche sich geraume Zeit chemisch und mikro-
sowie histologisch in den Organen nachweisen
j_j3 e rlin: Ueber histogenetlsche Beziehungen
F n ^ f?futfcraokheiten und bösartigen Geschwülsten.
Der Verf. führt aus, dass sich die schweren Blutkrankheiten als
verursacht durch einen Rückschlag in die embryonale Form der
Blutbildung erklären lassen. Während bei der normalen Erythro¬
zytenregeneration die Rückdifferenzierung des Fettgewebes im Dia-
physenmark nur bis zum roten Normoblastenmark stattfindet, zeigt
das Auftreten von Megaloblasten bei der perniziösen Anämie einen
Rückschlag in die embryonale Periode der prämedullären Blutent¬
wicklung an. Die normalen, nur mehr eine mässige Reproduktions¬
kraft besitzenden Knochenmarkszellen erhalten ganz junge embryo¬
nale Zellen mit grosser Reproduktivität zu Nachbarn und werden da¬
durch geschädigt. Ferner findet auch ein Wiederauftreten der Blut¬
bildung in Organen statt, welche nur in der Embryonalzeit und im
Beginn der Fötalzeit Blutbildungsorgane sind, in der Leber, in der
Milz und in den Lymphdrüsen. Bei der myeloiden Leukämie betrifft
die Embryonisierung die Myelozyten, deren embryologischer Cha¬
rakter zwar morphologisch nicht erkennbar ist, sich aber in der
grossen. Regenerationskraft offenbart, welcher gegenüber die wachs¬
tumsregulierende Hemmungskraft der normalen Nachbarzellen nicht
mehr ausreicht. Auch hier kommt wieder Blutbildung in Leber, Milz,
Lymphdrüsen und in den Nieren vor. Es werden dabei Myelozyten
in diesen Organen gebildet. Betrifft der Vorgang die Lymphozyten,
so entsteht eine lymphoide Leukämie, bezw. wenn die neugebildeten
Zellen im Zusammenhang bleiben, maligne Lymphome. Da Normo-
blasten und Erythrozyten auch als embryonale Zellen vor Bildung des
Knochenmarks hauptsächlich in der Leber und Milz gebildet werden,
so könnte man auch die Polyzythämie durch Uebergang von typischen
Knochenmarksnormobiasten in einen embryonalen indifferenteren,
morphologisch allerdings von dem normalen nicht unterscheidbaren
Zustand erklären. Die Annahme eines Rückschlages in die embryo¬
nale Gewebsbildung lässt sich auch sehr leicht für die bösartigen
Bindegewebsgeschwülste, die Sarkome und für epitheliale Ge
schwülste, die Krebse machen, bei welch beiden ebenfalls die Auf¬
hebung der natürlichen Hemmungen durch die Nachbarzellen eine
wichtige Rolle spielt.
18) R. Balint und K. Engel: Ueber paroxysmale Tachy¬
kardie. (Aus der I. medizinischen Klinik in Budapest.)
Zu einem Referat nicht geeignet.
19) W. Falta: Ueber die Gesetze der Zuckerausscheidung
beim Diabetes mellitus. IV. Mitteilung. (Aus der medizinischen
Klinik in Basel.)
Die Untersuchungen des Verfassers ergaben bei der betreffen¬
den Patientin enorme Stickstoffretention in Perioden konstanten Kör¬
pergewichtes. Bei Reduktion der Eiweisszufuhr unter gleichbleiben¬
der Kalorienzufuhr hörte die N-Retention sofort auf, ohne dass der
retinierte Stickstoff zum Vorschein kam, sie trat sofort wieder auf,
sobald die Eiweisszufuhr wieder gesteigert wurde. In den Super¬
positionsversuchen mit Eiweiss traten enorme Steigerungen der
Zuckerausscheidung auf, welche sich durch Bildung von Zucker aus
dem mehr zugeführten Eiweiss auf keine Weise mehr erklären
lassen. Die Steigerung der Glykosurie war viel grösser, wenn die
gleiche Eiweisszulage auf eine an sich schon N-reiche Kost erfolgte.
Die Patientin war empfindlicher gegen Eiweiss als gegen Kohle¬
hydrate. Die bedeutende Zunahme des Körpergewichtes bei man¬
chen Diabetikern im Stickstoffgleichgewicht oder selbst bei negativer
N-Bilanz ist zu erklären durch Retention von Wasser. Bei den
Perioden sehr reichlicher Zuckerausscheidung wird die Wasser¬
bilanz leicht negativ, weil die Patienten nicht genügend Wasser auf¬
nehmen können. Sobald die Zuckerausscheidung nachlässt, wird die
Wasserbilanz wieder positiv und das Körpergewicht steigt rapid.
20) W. Falta und A. G i g 0 n: Ueber die Gesetze der Zucker¬
ausscheidung beim Diabetes mellitus. Beiträge zum zeitlichen Ab¬
lauf der Zersetzungen. V. Mitteilung. (Aus der medizinischen Klinik
in Basel und der I. medizinischen Klinik in Wien.)
Die Untersuchungen ergaben, dass bei schweren Fällen von
Diabetes die Eiweisszersetzung nicht schneller, bei manchen sogar
langsamer verläuft als bei normalen, obwohl ein wesentlich ge¬
ringerer Reservebestand an Kohlehydraten vorhanden ist und ein
beträchtlicher Teil der sonst die Eiweisszersetzung verlangsamen¬
den, aus dem Eiweiss entstehenden Kohlehydrate ausfällt. Beim
menschlichen Diabetes besteht weder bei Eiweisszufuhr auf Hunger,
noch bei Zulage von Eiweiss zu einer Standardkost eine Inkongruenz
der D- und N-kurven wie beim pankreaslosen und beim phloridzi-
nierten Hund. Fettzufuhr kann im Hunger eine Steigerung des
Quotienten D : N bis zu 10,2 bewirken. Der Quotient D : N zeigt
grosse Schwankungen in den einzelnen Harnportionen, bei einem Fall
war er in der ersten Hälfte der Nacht am geringsten und stieg in
den frühen Morgenstunden stark an. Die Zuckerkurven erreichen
ihren Höhepunkt nach Kohlehydratzufuhr früher als nach Eiweiss¬
zufuhr.
21) Goldscheider: Zur Frage der Dikrotie bei Aortenlnsuf-
fizienz.
Der Verf. bringt 4 neue Fälle von Aorteninsuffizienz mit Mitral¬
insuffizienz, bei welchen deutliche Dikrotie bestand, auch in völlig
fieberfreien Zeiten und ohne Kompensationsstörung. Die Kombination
von Aorteninsuffizienz und Mitralinsuffizienz muss allerdings nicht in
jedem Fall Dikrotie erzeugen, Fieber kann bei reiner Aorteninsuf¬
fizienz Dikrotie erzeugen, muss es aber nicht.
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1446
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27 .
22 ) 0. Kl em per er und H. Uinber: Zur Kenntnis der dia¬
betischen Llpämle. II. Mitteilung. Mit Bemerkungen über Lipolyse
und Nierenverfettung. (Aus dem städtischen Krankenhause Moabit
in Berlin.)
Die Untersuchungen des Verfassers an IS positiven fällen er¬
gaben, dass das Blutfett bei der diabetischen Lipäniie aus Zell/er-
setzungen stammt. Gehirn und Nieren sind jedoch nicht die Duelle
des Blutfettes. Eine Lipoidinfiltration der Nieren findet nicht statt.
Bei Lipämie ist auch Azidosis vorhanden, bei Azidosis kann Lipanne
auch fehlen. L i n d e m a n n - München.
Zentralblatt für innere Medizin. 1908. No. 19 bis 25.
No. 19. Arnold: Ueber die Therapie der übertragbaren Ge¬
nickstarre. (Aus dem Allg. Krankenhause in Lemberg.)
Nützlich waren heisse Bäder (38-40°. 20-30 Minuten Dauer).
Symptomatisch waren häufige Lumbalpunktionen besonders gegen die
Kopfschmerzen erfolgreich, Kalomcl gegen die sehr hartnackige Ob¬
stipation.
Durch Verabreichung von Salzsäure liess sich in einer Reihe von
fällen das im Gefolge der Meningitis auftretende Erbrechen, welches
jede Nahrungsaufnahme aufs äusserste erschwerte oder vereitelte,
sowie in leichteren Fällen die Appetitlosigkeit der Kranken erfolg¬
reich bekämpfen. Morphium verschlimmerte diese Erscheinungen da¬
gegen eher. In mehreren fällen wurde durch epidcrmatisGie An¬
wendung von Guajakol binnen einigen Tagen Rückgang des Fiebers
und der meningitischen Krankhcitserschcmungen und binnen kurzer
Zeit die definitive Ausheilung der Krankheit erzielt. TagliJi
wurde, für d—5 Tage, eingerieben: Guajakol 1,0. Lanolin, Vaselin
ana 6,0.
No. 20. Z i c k g r a f: Ueber die Darreichung von kieselsäure-
haltigem Mineralwasser ln Lungenheilstätten. (Heilanstalt der Hanse¬
städte in Gross-Hansdorf.)
Die Kieselsäure besitzt besondere Bedeutung fiir das Binde¬
gewebe, d. i. die Stützsubstanz., der Lungen. Ist das Bindegewebe
der Lungen in widerstandsfähigem Zustande, so ist eine grossere Re¬
sistenz gegen Krankheitsprozesse in der Lunge und eine grossere Hei¬
lungstendenz anzunehmen. Von diesem Gesichtspunkte aus hat Verf.
versucht, Kieselsäure in geeigneten Verbindungen therapeutisch ein-
zuführen. Er liess seine Bat. den Mineralbrunnen aus Glashagen
(Mecklenburg) trinken, das Wasser enthält in 100 g 4 mg Meta¬
kieselsäure. Verf. machte dann regelmässige Blutuutersuchungeu
nach A r n e t h, um das Verhalten der weissen Blutkörperchen zu be¬
stimmen. Es scheint danach, dass selbst minimal eingefuhite Kiesel¬
säuremengen den Körper günstig beeinflussen und in dem Sinne ist
daher das Wasser Tuberkulosen für längere Zeit zu empfehlen.
No. 21. We iss mann: Ueber Rhachisan. ein neues Antl-
rhachltlkum.
Es handelt sich um ein Ersatzmittel des Phosphorlebertraiis,
dem viele Mängel anhaften. Das L ti n g w i t z sehe Rhachisan ent¬
hält 30 Proz. LcTertran, 0.1 Proz. Jod, 0.8 Proz. Lezithin. 1.75 Proz.
Nukleine, 0,3 Proz. Eisen (organisch) usw. Der Phosphorgehalt, auf
P berechnet, ist 0,05 Proz. Das ganze ist eine dauernd haltbare
Emulsion, die unter dem Namen Rhachisan in den Handel kommt.
Der Verfasser teilt aus seiner Erfahrung einige Krankengeschichten
mit, welche die günstige Wirkung des neuen Mittels zeigen. Es kann
deshalb als Ersatz des Phosphorlebertrans durchaus empiohlen wer¬
den. Darreichung: 3 mal täglich einen Kinderlofiel voll.
No. 22, 23. Ohne Originalartikel.
No. 24. T s u c h i v a: Die volumetrische Elweissbestimmung
mittels der Phosphorwolframsaure.
Die 1 proz. alkoholische Phosphorwolframsäure ist dem
E s b a c h selten Reagens vorzuziehen. Vergleichende Unter¬
suchungen haben die IJeberlegenheit der neuen Methode gegenüber
der Esbach scheu, der sie analog ist, ge/eigt.
No. 25. Eisen: Beitrag zur Stomatitis und Angina ulcero-mem-
branacea (Plaut-Vincent) mit scharlachähnlichem Exanthem.
(Aus der inneren Abteilung des stüdt. St. Rochushospitals in Mainz.)
Verf. beschreibt einen einschlägigen fall, bei dem die Diagnose
der V i n c e n t sehen Bazillen bakteriologisch sichergestellt war.
Wegen der Verwechslung mit Scharlach ist die genauere bakterio¬
logische Untersuchung von fällen mit Angina ulcero-nienibranacea
notwendig. \\ . Z i n n - Berlin.
Zentralblatt für Chirurgie. 1908 No. 23 25.
No. 23. M o m b u r g - Spandau : Die künstliche Blutleere der
unteren Körperhälfte. (Vorläufige Mitteilung.)
M. empfiehlt die Anlegung eines gut fingerdicken ( iummi-
schlauchs (unter voller Ausnutzung der Elasti/itnt langsam in 2 bis
4 Touren zwischen Bcckenschanfel und unterem Rippenrand an¬
gelegt). Die Bedenken betreffs Schädigung des Darmes oder Erm-
staiiung etc. haben sich nicht bewahrheitet. Die Methode ist zwei¬
mal praktisch mit vollem Erfolg angewandt worden (einmal bei Ex¬
stirpation des Beins und fast der ganzen zugehörigen Bcckenhalitc
w egen Eilssarkoms.
Th. Kullikcr: Zur Technik der Oesophagoskople.
K. bespricht von den 4 Enge» der >pe:se' wre bes w !e v 2 e
Ringknorpelenge, die auf zw cieUei W c:se d:c l N s. p..ag '>* : -
eiuf uhf ung erschweren kann: E duiyh ii h.e : I • r ;.: g^'i. -'" •.
2. durch Krampt des Cmmti k t<a phar \ ".;.s n :«. r. I «. t/t«.- «. s iv i m •.
der s bei hoch sit/enden I .asu men < ie lau I u.v.-rt n är 1 rem : ■- "
zu erwarten. Bei letzterem ist sjir vh w"‘«.s \ wa“:*. n ,«mi P .
man versucht zunächst <] u r ^ h r-nuurbie El*, w «. g..:;g<. :> u:.:«.r .
I >ruck das Hindernis zu nbei w mdut. gt .;t dm iüC;!. w .r !t t *’ -•
eine Weile ruhig und gelangt dann < tt n; du s Ä'd' - c I
«»der man lasst den Patientin leer s,. hukm n. w 1 ei r K-’ • w.w
oben und etwas n.idi \"iii galtet und «!. i 'G; aeerv .svee'; c.
Speisei'dire über den Inbus st-bpt. \u, ü 1 .-.a ••m.k*; ^
ist zu empiohlen.
No. 2-4. D e e I e tu a n u: Vorschläge zur Aerhcsserung de* \cr-
bandpäckchens für den f eldsoldaten.
Emplehlung eines kreisrunden Go v rn Dufvhm t \ . • 1 a *' S •-*-
cheiis mit abreissbarem \ er h*Ö ss! '-‘|^. uas vlu' Gl e. e m 4 vtn
/pmtube beigegel't neu \. f > c t t t ti •: c li s*.he M oLx v • g a’ ge*. e !
wird.
No. 25. Er. K u h n - Kassel: Darmauastomosc mittel* Gumml-
naht der Schleimhäute.
K. empfiehlt ein \ er Jahren zur Na J:j>'..jung, d..s s.wi dm
7 E.ilien sehr bewahrt hat und bei dein d.e Pe...i * \*.k n : «. " ' *e
der beulen zu \ ereinigenden l '.»fnubviii'itte 'er:r s » : .*• ” .
die spater dur i. Iiselpu :den. autv. mauder gw-wt we'.ius k. : ' ” t
dem \ erfahren abs..,ute Am ;m\, be-im tm-s N ':e:i. \e:' e— g
\"il Blutung und Dar nm:i'.a!ta ! Um. vh:i, /ii\h .i" \w«.: ... g :
Darme, genaue Beim sMing *!•„ s >,i whauts,. u::d i.ic' •'
Arbeiten ii.uh urul Uivmt aut e c -\ r r-v»l Dr »mes.irs l 1
nebeneinander gehn'teilen l'ar'i d uhi’ilte w i rd*. n d.m h er •. r 1 .w 'm-
schnitt «lurGi >er- s.i und Miwku.ans i -s zur >id va a* av "" t-
teii. dann durch stumpus / u: u k.! r a • an dtr Wir P •. w. s..
diese eil lpt1 Sv ll ist. dl*: mJi \-e biu htm. dr M fl «. er‘..nt a :t vier !%* -
toiieak u Pute iteigx iegt, die b rmu.r !, gui W sr r. i r zu* .u: s *.
hinten auunainler genaht dne \e'.-t/u'^ K ] K r : >. • 1 .?.-?* *.• %
dann mit m stumptvpit/ue N.i.li .r» tmcoi tui Bau* •• • *..ui
(wie mau sie zum l msvhnnreti \ • -n l’.uaU'i I u' !/! * c.e s . •. . •• -
haut medial umstoGun. die Na lei bis zum Wm '.wr se. t.
dort ausgestovheil, aut vier anderut Piite gv gen . 1 e: v ' d e
gestochen und in entsprechender t urtv. r mm g wieder a;.v v .^t v'-.”.
u i ul diese Naht 2 mal. exeutuen .ouh 3 4 u ai a ul. *e '
Faden straff angezs^eri (untres l’e.ir*» und vl.ht gm ?» tv t. s -
dann wird die vordere Peros.i-Musku .a* is-N.mt t rt auten.l am.«. «.
(s. I lg ).
Borch .i r «1 t - Ikriin: Zur temporären Aufklappung beider
Oberkiefer.
B. empfiehlt aiuh die K •* c h e r Vvhc ( b>c■'atu n. I « ^ r di rs w * i s
auf kosmetisch gutes RiMdt.it ank umet 1P i vut : u : i •' K ■-
resektioiien vli r v. Berg n; a n n vie n k ’ k w -r !c po \ ■
tracheotormer t. me Pdiad.eu luerx.ui gv sv ’.x n Df k u h n v m- 1 i.-
bage w urde das (»peiatmtisu .J un.ir: K t r.tErn enuumn
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Hand rJ.
Heft I. Stiittg’art Ions, f-. Enke.
1) R. Teller- Giessen: Leber Incontinentia urinae bei Spalt,
hlldung der weiblichen l rethra (sogen, weibliche M>pospadic) und
Ihre operative Behandlung.
Es liaiVdt !te suli um «Iie in Jir ( v' «. • '-v '■ • ?t gi w
kongeiiitaie \noif|a,ie bei umru !«• m’ •ri M. ivi w v. * • v • •;
eine lukontipui/ vltiuh 4ic mc r„i:v ' a’*t .^c o :
I'unktiousb« iumlrr ung dv r wi iriuun M -,s« .Pir % n fl.- r •
w and und Marntolitc bei ti 1 iuu.:un uss v!v : II.-::- :.- v
war. Die ( Mh ' atu-nMu Iw :k wird gt,s v h. '< ’! Id f 1 : g w .r .i
ge/eicliuet. Kritik vier m vtu lituatur dv':' v ■« • ui 4 1 ,t c
2) 1 utos ( i o t h - k ..Mwcrd ir g : Bedrohliche innere Blutung aut
einem Perithelioma o\aril. I aparol« mie. Heilung.
24 i.tll! ige l'aiu ! sf i all. 1e :» t s«. ■! 3 **' u vW" !.,• r
Baikh. As/ites. Bei der zu «tiagm Wc - u• v •
Zwecken \ oi ;;i iionamin. n 1 ’ui kt;- :i «. • I ,.t «. : | 1 •. '- . c • v -
Biu! ung «l.idlir V h. d.w\ dw 1 'w *-.!;• "s* .Wi. . •. u Iw*: ..og ■ • }, v.
ln tiic ( uscliw tust \ 11 ms.k i't hatt«.. aus «. v s:.-- .. 1 ■ :■ | .
rotoinie utnl I xstw p.it i-ui >!«. s ( K .r t ■ s. r sw. :• -■ s*. ••
als i-iu ,.l\ mplwtwv !k \ 1 11 .i> ■ t*■ t , -m - I * k a : t • • < i i \ _
tlk irchi ei weist. Ausgang in (k-PW-wg.
3) M. II i n s c 1 m a v n - h c : Beitrag zur Kenntnis der buvartivicn
pigmentierten Geschwülste der Nu!\a.
Im \ns Ijlnss ap t ir.i ri m di r k . w I - • •• k \ • •• W t - : o
«»perierteii lall \ <*n M-.. -.inoMi dt r :t . f-: N\f! f
aus der I .it«. r .nur /iw.owuw ..mW I • •. t. v ■. s'.-i If • : v w c - -
den durch Iks.imk is nwtr uutix e \f ' w-wt ! t.-.w . r .
/Iis.wmvnsu i'lf.g.
41 h. W e ! s h t | |i P f - Im ' n 7ur lehre t "n der f ndnmetr ii i«c
lind der Bedeutung der i’lasma/elien bei patho!ogi'. v hen (icwehs-
reaktionen (I nt/iindung).
I »11 a hat U >J aut :.*s \ 4 \ • ! ' -w- • n * ], .
sehu uistv n und bt i um * • " I ■ • 1
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1447
gemacht. Diese Zellen sind seither von verschiedenen Autoren in
anderen Organen eingehend studiert. Hitschmann und Adler
haben 1907 die Gynäkologen für diese Zellgebilde interessiert, legten
ihre Wichtigkeit für die Entzündung der Schleimhäute dar und wollten
die Diagnose der Endometritis von ihrem Vorkommen in der Uterus¬
schleimhaut abhängig machen. Verf. hat diese Angaben an einem
grossem Material nachgeprüft und zum Teil bestätigen können. Die
Diagnose der Endometritis einzig und allein nach dem Vorkommen
von Plasmazellen zu stellen, erscheint nicht angängig, da dabei einer¬
seits die Schädigung des epithelialen Gewebsanteils ganz ausserhalb
der Betrachtung bleibt und andererseits auch schwere Störungen des
Stromas ohne Plasmazellen angetrofien werden. Die Plasmazellen
sind bei den reaktiven Vorgängen des interstitiellen, gefässführenden
Gewebes lebhaft beteiligt. Eine Auflockerung des perivaskulären
Gewebes erscheint als Bedingung ihres Auftretens.
5) K. Möhlmann -Berlin: lieber die Therapie der Eklampsie.
Die Bearbeitung des Eklampsiematerials der Ols hausen sehen
Klinik in den Jahren 1906 und 1907 ergibt die schon früher aus dieser
Klinik publizierte Tatsache, dass es eine ganze Reihe von Eklampsien
gibt, bei denen man zu einer sofortigen Entbindung nicht gezwungen
ist, sondern für das operative Eingreifen günstigere Verhältnisse ab-
warten darf. Es ist immer zu überlegen, ob die Kranke durch die
bei sofortiger Entbindung notwendige Operation oder durch die
Eklampsie selbst grössere Schädigung erleidet. Die Statistik umfasst
104 Fälle mit 16 Todesfällen. Empfohlen wird ausser kleinen Mor¬
phium- und Chloralhydratdosen der Aderlass mit nachfolgender Koch¬
salzinfusion und, wie erwähnt, in bezug auf die Beendigung der
Geburt ein abwartendes Verhalten.
6) A. H. F. Barbour -Edinburgh: Das untere Uterussediment.
Verf. publiziert seinen Gefrierschnitt durch eine am Schluss der
Austreibungsperiode an Herzschlag gestorbene Gebärende und ant¬
wortet auf eine Kritik, die B u m m im Band 57 der Zeitschrift an
diesem Präparat geübt hat.
7) Emil Ries-Chicago: Vater-Paclnisehe Körperchen in
der Tube.
Verf. hat in einer Tube, die wegen Pyosalpinx exstirpiert wurde,
Vater-Pacinisehe Körperchen gefunden. Es ist dieser Befund,
den er früher schon einmal erheben konnte, eine grosse Seltenheit;
ob von irgendwelcher klinischer Bedeutung, ist zu bezweifeln.
8) P. Mathes -Graz: Beobachtungen an mit Plazentasaft
dixrcbstrdmten Hundenleren.
Schlussfolgerung: Im Pressaft menschlicher Plazenten sind Stoffe
enthalten, die den Austritt von Flüssigkeiten durch die Gefässwand
von Hundenieren beschleunigen. Die Stoffe sind nicht wärmebe¬
ständig; ständige Erwärmung auf 64° schädigt oder vernichtet sie.
9) Viktor Alb eck und J. E. Lohse: Rin Versuch, das
Eklampsiegift auf experimentellem Wege nachzuweisen.
Verfasser glauben, dass das Fruchtwasser der Eklampsiepatien¬
tinnen das Eklampsiegift enthält; 1. weil solches Fruchtwasser. Meer¬
schweinchen iniiziert, Veränderungen in ihrer Leber hervorruft, die
denen ganz ähnlich sehen, welche bei Eklampsiekranken gefunden
»erden, und 2. weil solche Veränderungen nicht durch Fruchtwasser
gesunder Schwangeren hervorgerufen werden können.
Werner- Hamburg.
Zentralblatt für Gynäkologie. No. 24 u. 25. 1908.
H. S i e b e r - Marburg: Beitrag zur Skopolamin-Morphium-Nar-
kose in der Gynäkologie.
S. berichtet über 88 Erfahrungen aus der Marburger Klinik, bei
denen sich 32 mal, also in 36,4 Proz. der Fälle, eklatante Puls-
Steigerung nachträglich einstellte. Es handelte sich um die ge¬
wöhnlichen Gaben von 3—6—9 dmg Skopolamin und 1—2 cg Mor¬
phium. Die Pulserhöhung dauerte 1—2 Tage und schwankte von
Jü —50 Schlägen pro Minute über die Norm.
S. sieht in dem Auftreten längerdauernder Pulserhöhungen eine
Schädigung des Herzens und warnt vor weiterer Anwendung des
Mittels.
R. Ziegenspeck -München: Zum hohen Querstand der Ge-
WchtsJage und ihrer Behandlung mittels hoher Zange.
Bericht über den Verlauf einer II. Gesichtslage bei sehr grossem
Kind und Hängebauch, der den Nichteintritt des Kopfes in das Becken
•Vranlasste Mit hoher Zange und stehenden Traktionen nach
'siander gelang es Z., das Gesicht quer in die Beckenmitte
■ neinzubringen ; hierauf Abnahme der Zange und Anlegen derselben
n 1 ^chrägdurchmesser des Beckens, worauf die Drehung der Ge-
. in den geraden Durchmesser und Entwicklung des Kinds-
ripfes gelang Das Kind war und blieb gesund, desgleichen die
_ Berlin : Dammschutz.
vr p.-Mß* eigene Methode des Dammschutzes, die er seit
N. schildert ein* t Die Kreissende liegt auf dern Rücken>
] im . Cr: «UL— Einschneiden des Kopfes setzt N. die Finger der
>:e:ss erhöht. Heim arn Rande der Vulva so auf den Kopf auf,
ukten nana a * inf r er vor dem Schambogen, der Daumen auf
^ Mittel- und King i;A(r p n kommt. Zeieefincrer und Daumen der
-*i Scheitelbeinen
ske
I das
liegen kommt. Zeigefinger und Daumen der
-- ■--- pamm, um die rechte Hand zu unterstützen,
ntland liegen a geboren ist. Letzteres zieht N., wenn
; Hinterhaupt völlig
er es mit 4 Fingern umgreifen kann, in der Richtung gerade nach vorn
hervor und streift dann mit den beiden am Damm liegenden Fingern
der linken Hand die Kommissur langsam und vorsichtig über Stirn
und Gesicht nach hinten.
Bei grossen Missverhältnissen zwischen Kopf und Vulva, Vor¬
derhaupts-, Stirn- und Gesichtslagen u. ä. tritt die Episiotomie in ihre
Rechte.
No. 25. A. C z y z e w i c z jr. - Lemberg: Extraperitonealer
Kaiserschnitt.
44 jähr. XII. Para mit hochgradiger Osteomalazie, die absolute
Indikation zum Kaiserschnitt bot. Cz. machte den extraperitonealen
Schnitt nach S e 11 h e i m. Die Lösung des Bauchfelles und der
Blasenwand war auffallend leicht. Nach Eröffnung der Zervix in der
Mitte machte Cz. die Wendung und extrahierte das lebende Kind;
die Plazenta folgte erst auf Crede. Wegen heftiger Atonic des
Uterus musste letzterer mit Vioformgaze tamponiert werden. Hierauf
Schluss der Wunde. Heilung.
Cz. hält das Verfahren nach S e 11 h e i m nur bei reinen Fällen
für indiziert, ev. bei dessen Misslingen das nach Pfannenstiel,
für zweifelhafte Fälle empfiehlt er das Verfahren nach Baumm oder
Fromme, für ausgesprochen infizierte den P o r r o oder Seil-
heims Uterusbauchdeckenfistel.
W. S c h m i d t - Plauen i. V.: Der kreissende Uterus als Bruch-
Inhalt bei Bauchbruch nach konservativem Kaiserschnitt. Kaiser¬
schnitt nach Porro.
Eine Frau, die vor 4 Jahren mittels klassischen Kaiserschnittes
entbunden war, wurde wieder gravid und bekam einen stetig wach¬
senden Bauchbruch, der schliesslich fast den ganzen Uterus aufnahrrt.
Haut papierdünn, mit Dekubitusgeschwüren übersät. Der Uterus war
in einer Ausdehnung von 8 cm fest mit dem Bruchsackrand ver¬
wachsen. Porrooperation nach Extraktion eines lebenden Kindes.
Rekonvaleszenz glatt
Der Fall lehrt u. a., dass man beim extraperitonealen Kaiser¬
schnitt gut tut, vor Schluss der Bauchdecken eine Lösung der Peri¬
tonealblätter vorzunehmen, um die Adhäsionen an der vorderen
Bauchwand zu vermeiden.
A. D i e n s t - Oppeln: Die Pathogenese der Eklampsie.
Nach D. ist die Eklampsie eine durch Ueberschwemmung des
Blutkreislaufes mit Fibrin verursachte Erkrankung. Die Schwanger¬
schaftsniere disponiert zur Eklampsie, da sie eine Kochsalzretention
im Blute bedingt. Leukozytenzählungen machen es wahrscheinlich,
dass die noch im Bereich des Physiologischen liegenden sogen.
Schwangerschaftsbeschwerden, des Hydrops ohne Albuminurie, die
Schwangerschaftsniere und die Eklampsie in ätiologischer Hinsicht
analoge, aber nur graduell verschiedene Krankheitszustände sind.
Die nähere Begründung dieser Ansichten soll eine demnächst im
Archiv für Gynäkologie erscheinende Arbeit bringen.
J a f f t - Hamburg.
Gynäkologische Rundschau. Jahrgang II. Heft 11.
Anton Sitzenfrey -Giessen: Ueber die Verschleppung von
Krebskeimen durch die freie Tube. (Aus dem histologischen Labora¬
torium der deutschen Universitäts-Frauenklinik in Prag.) (Mit 5 Ab¬
bildungen.)
Mitteilung eines Falles (57 jährige Nullipara), in welchem bei
bestehendem Adenokarzinom (mit Metaplasie in Plattenepithelkarzi¬
nom) des Corpus uteri durch heftige, klinisch stark hervortretende
Uteruskoliken Geschwulstpartikelchen in die Tube hineingepresst
wurden. Die Geschwulststückchen blieben frei im Lumen der Tube
liegen, ohne Metastasen zu machen. Der umgekehrte Transport von
Geschwulstmassen (vom abdominalen zum uterinen Ostium tubae)
ist häufiger zu beobachten.
Wilhelm Rosenfeld - Wien: Ueber das Fr ühauf stehen Im
Wochenbette. (Aus dem Kaiserin Elisabeth-Wöchnerinnenheim in
Wien.)
Verf. liess eine Anzahl (102) Wöchnerinnen nach normalen Ge¬
burten versuchsweise bereits am 3. bis 4. Tage das Bett ver¬
lassen, und zwar am ersten Tage eine Stunde, dann steigernd um
Vs—1 Stunde länger, bis sie am 8. Tage von der Morgenvisite an
ausser Bett bleiben durften. Die Resultate befriedigten.
E. G a 11 a t i a - Laibach: Supravagtnale Amputation eines
16 Wochen graviden Uterus wegen höchstgradiger Osteomalazie.
(Aus der gynäkol.-geburtshilfl. Abteilung des Landesspitales.)
Beschreibung eines Falles schwerster Osteomalazie (43 jährige
X. Para, letzte Geburt vor 12 Jahren); jetzt Gravidität der 16. Woche.
Wegen lebensbedrohlicher Erscheinungen supravaginale Amputation
des graviden Uterus. Ungestörter Verlauf mit Wiederherstellung der
Gehfähigkeit. Zum Schluss allgemeine Bemerkungen und Beobach¬
tungen über die Osteomalazie in Krain.
Emil E k s t e i n - Teplitz: Ist die Uterusperforation bei der Abor-
tusbehandlung zu vermeiden?
Bezugnehmend auf einen Vortrag R. v. Brauns „über Uterus¬
perforation“ in der geburtsh.-gynäkol. Gesellschaft zu Wien bespricht
Verf. die verschiedenen Vorsichtsmassregeln zur Vermeidung der
Perforation des Uterus bei der Abortbehandlung. Bereits auf der
Universität muss der angehende Arzt durch Tätigkeit in der Poliklinik
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1448
MUKNCHFNER MEDIZINISCHE \V()CHF.N>C!1RIFT.
sich eine schulgcrechte Diagnostik und Therapie des Abortes zu
eigen machen. A. R i e 1 ä n d e r - Marburg.
Archiv Wr Hygiene. 66. üd. 3. Heft. 1908.
1) P. N a w i a s k y - Berlin: Ueber die Umsetzung von Amino¬
säuren durch Bac. proteus vulgaris.
Will man die durch das Bakterienwachstum erzeugten Um¬
setzungen genau kennen lernen, so muss man als Ausgangsmaterial
nur ganz bekannte Körper nehmen, da schon das „eimache“ Pepton
ein ungleichmässig zusammengesetztes kompliziertes Material ist.
Es wurden zu den Versuchen deshalb die genau chemisch dehnier-
baren Aminosäuren benutzt und als „Yergärer" das energisch
Eiweissstoffe zersetzende Bacterium proteus gebraucht. Ls
entsteht bei dieser Umsetzung Buttersäure aus Ammovaleriaiisaiire
und aus Leuzin Amylalkohol. Asparagin wird zerlegt in Bernstein¬
säure, Essigsäure. Ammoniak und Kohlensäure. Asparagms.ini e und
Leuzin sind der Einwirkung des Proteus am besten zugänglich, we¬
niger gut Aminovaleriansäure, Phenylamin, Thyrosin, Argmm. Kreatin,
Glykokol, Alanin. Auch abgetötete Bakterien vermögen das Aspa¬
ragin in Bernsteinsäure und Ammoniak zu zerlegen.
2) Karl K i s s k a 11 - Berlin: Untersuchungen über das Mittag¬
essen In verschiedenen Wirtschaften Berlins.
Für die Untersuchungen wurde aus 4 verschiedenen Wirt¬
schaften, einer Volksküche, 2 kleinen Wirtschaften mit Arbeiter¬
publikum und einem Restaurant mit besser situiertem Publikum,
Mittagessen geholt und davon Trockensubstanz, Fett, Asche und
Stickstoff bestimmt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem
Speisezettel im Restaurant und dem in kleinen W irtschaften ist der,
dass in letzteren viel grössere Mengen an Kalorien durch die gleiche
Speise eingeführt werden, während in den Restaurants der Speise¬
zettel aus viel mehr einzelnen kleinen Teilen besteht. Trotzdem ist
die Nahrung in den kleinen Wirtschaften nicht einförmig. Pie ge¬
botene Menge an Nahrung ist natürlich sehr verschieden. Durch¬
schnittlich werden 1000 Kalorien als Mittagessen abgegeben: in der
Volksküche am meisten (1260), in dem Restaurant I<i3m und in den
kleinen Wirtschaften 960 und 876, das ist nur zirka der dritte Teil
des Tagesbedarfes. Pie Art der Verteilung der Kalorien in der Volks¬
küche beläuft sich bei Kohlehydraten auf 73.3 Pro/.., bei Fett auf
13,6 Proz., bei Eiweiss auf 13,1 Pro/. In der einen kleinen Wirtschaft
war es ähnlich so. In der anderen und im Restaurant überwog das
Fett. Eiweiss wurde am meisten im Restaurant geliefert, etwa
50 Proz., w’ährend in den kleinen Wirtschaften nur 35- 40 Proz. ab¬
gegeben werden. Pie Preise richten sich, wie bekannt, nicht nach
dem Nährwert, weil auch alle Unkosten mit in den Mittagspreis ver¬
rechnet werden. Im Restaurant erhielt man für 1 Mark 7ö3 Kalorien,
in den beiden kleinen Wirtschaften 1S(>2 resp. 2337 und in der Volks¬
küche 4200 Kalorien. Pie Volksküche gewährte also die vollkommenste
Ernährung,wenn auch derEiwcissgehalt noch zu wünschen übrig lasst.
Pem Uebelstandc würde durch eine Vermehrung des vegetabilischen
Eiweises abzuhelfen sein, ohne den Preis wesentlich erhoben zu
müssen. Ein Vergleich mit früheren Beobachtungen über die Mittags¬
kost zeigt, dass seit den Untersuchungen Voits bis 1895 eine Ver¬
besserung der Ernährung andauert, später aber trotz der Erhöhung
der Preise wieder eine Verschlechterung.
3) Ernst Moro und Albert U f f e n h c i m c r - München: Die
Einwirkung menschlicher Lymphe auf den Tiibcrkelbazllliis.
Alle Versuche, die die Verfasser anstellten, haben erwiesen, dass
die menschliche Lymphe in vitro auf die Virulenz des Tuberkelba/illus
keinen Einfluss auszuiiben vermag. Ueberhaupt dürfte die Lvtnphe
selbst im Kampf gegen die Tuberkulose im Organismus keine Be¬
deutung haben, ebenso wie auch der Phagozytose durch die Leuko¬
zyten keine ausschlaggebende Rolle beizumessen ist.
R. O. Neu mann - Heidelberg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 25 u. 26. 1908.
1) F. K r a u s e - Berlin: Subkutane Dauerdrainage der Hirn¬
ventrikel beim Hydrozephalus.
Vergl. Auszug Seite 1363 der Münch, nied. Wochenschr., löos.
Per Artikel bringt einige Abbildungen zu dem Vortrage.
2) H. Z i e s c h £ - Breslau: Die kutane Impfung mit Tuberkulin
nach v. Pirquet In Ihrer Bedeutung für die Diagnose und Prognose
der Tuberkulose.
Bei seinen Impfungen an 302 Personen, unter w elchen bei 114
zugleich auch die konjunktivale Reaktion angestellt wurde, hat Verf.
keine Schädigung durch die Reaktion gesehen. Pie Sätze, welche
Wolff-Eisner über die prognostische Bedeutung des Ablaufes
der Reaktion aufgcstellt hat, decken sich nicht mit den Erfahrungen,
welche Z. gewonnen hat, wie aus der vom Vcrf. mitgeteilten Sta¬
tistik seiner Ergebnisse hervorgeht. Von den 114 auch mittelst der
Augenprobe untersuchten Fällen ergaben 95 Proz. ein negatives Re¬
sultat, also auch hier wieder ein grosser Unterschied gegenüber den
Angaben von Wolff-Eisner. Im ganzen fand Verf. die Haut- und
Augenproben der subkutanen Impfung überlegen, die kutane Reaktion
wieder der Augenprobe vorzuziehen. Für die Diagnose der tuber¬
kulösen Erkrankungen haben beide Proben, auch wenn sie gleich¬
zeitig an einer Person angewandt werden, nur bedingten Wert, weil
sic m ihrem Ausfall zu insular so J, , t .s ,:.os t; an s-t
Ergebnis der klinischen l r.ti ? suw liuu^cn uiwcici V. . * * t. \ _>
geringer ist der prognostische Wirt mr Pr-mh
3) E. E i c h I e r - Liiam tti r 1 ur g io l K. ; b e r g 1 e i : - V '•
singen: Leber (il> kosuric, experimentell her* nrgeruten durdi Ver¬
ätzungen und Verschorfungen der Innenfläche des Darmes.
Die Verf. habt n I vpc; «mimte an Hm* ■ .r u 'ti : u: .1 ‘cv .
teils chemisch, teils mit dem l’.i .n m I <. ..c s D 1 ..-’s
scliorft. Die Iure bekam« n da .midi. am!: wum das I ‘.r «. • • u -
nicht g«. schädigt w Miilcn war. e-nt n:C \ Zu.vUa ss. • «.
und zwar snw * *h I bei V v: sdmr lang dis I -..i i uns .« \ .«. ..
Ilentns, so dass diesen bilden D,nv.ihA: hei .u .i • H - . *
gegenüber anderen Angabi n e me ges nduti p. v !< r .. * / „t -
sprodiin w et dm Kami. I he auit'edc :dt « i \ ►. v..,c v .«r s;us ^
N oriihet gelle nde. BitreU dir t i h. amrg i! oü t>« ‘ad*:-.: . s". •
die V erl.issei die V ctmutu::g. dass es s.di f..d • i mu i i •• R«. ’
die Leber handelt. Welche ihr < 1 . \ k<« K e-U p .di #uu i • ..'i /..*
4) < i. A. VV o| I e n b e r g - Be r Im : L I t t I c sehe Krankheit und
Huftluxation.
V ei f. hat w eitet e 1" | a ,e \ "ii 1 i : l . c s. m r k : .i - , ’ ! r • U . ■
logisch untersucht lind unter Joih hui < :* .ij k ; mte I r*
H’iltgelenkes getundeii. I uter Rep: • mm. tu n \ • r: • e matu «..e: R •
geiiogramme werden die l.u/eifcden dir Bitude lod.'.i c; .
der Mechanismus des Zustande n««mme ns der Vimv he * m,.i ti e* *:
Verf. ist der Ansicht, dass der t ir ad der Navuen zur /e t de r i
siichung nicht massgebend war t*.r den dra! der P:.r • ; v -. .
resp. der l.u\,»ti<»nen. Hmsic !;t:.c h dm I mm: e der I ; t ! . t s v
Krankheit wird besonders am das ha,;' ge I ::.fv!en dt r H ” •
hingewiesen, ferner aut die N' «tw t:: : .gkcit. zur a *.:■>; g.u
Muskelspanriungen M\ot,.m,en und I^Ji-m ::.;en ru‘d:i.:.g u
fuhren.
5) R. M u Ii s a m - Berlin: Sticldrchung der Gallenblase.
Die imtgeteiitc Beobachtung w u: !e an e:r e r r.l i 1 .. .
gemacht, Weidic mit der Diagnose: t ::;p\em der < ia u • .ac ; .*
Operation gelangte. Bei letzterer far:.l vdi d.e < ia. u ’ ,ai um ; »-
uni den Ductus c\stidis gedreht. in der p..asc se : s: ke.n >!e m 1 \-
stirpatioii der ( ia.lt nb.ase, g at:e He. ar.g.
6) A 1' i I p - Mrassl urg : Zur Kenntnis der Implaniatlonskarzi-
nome Im Abdomen.
Mitteilung eines Eudes, in w eiche m s:d; bei i :r*er 7-
brau ein primäres ausgedehntes t ia .etd a\t *:». ar / m tat:-! v- d • <. :
anderen Metastasen eine mädit:ge I'o iIm: ;i un I" ; • • t :.is:.o.
des Peritoneums m den Items um! das h.Mue ; o .i •• g <. v,
sowie m den Dickdarm, die iha:.u und di :i Wir: : P:
Literatur hat Verf. nur 3 ahi.hche 1 a e ■r: :« n
7) lli. Mau s in a n n - (irel. I eher die Palpation des normalen
Pylorus und der normalen grossen Kurxatur und über ein neues
akustisches Phänomen, das exspiratorische (lurren.
A iif (ir u ii d se me r Pa. pa 1 1 « ■ 11 sc r g c:';: i ssi- 4 d«.■ r i ;i I ia ' ■ k :..»■ e r 1 e -
Schrieben wird, glaubt Verl, mit Bi-vri.rntht it b« ‘aüpti •*. k • • L
dass der P\!«*rus in mmdt sti ns 1s ,1er Ia e getastet w e ' *
kann, und zwar a's bald w cidier. sd. a”c\ lad iri.r k ■.r.r.i-* '
Z\linder, an weichem zu Beginn der i :s v ::la‘*::r.g t.d.er am I • . e d-. ■
Kontraktionsph.ise meist im K *• c ’ 11 « :e r 1 n w ao , ; r, r •- •„ :•
werden kann. I eher die Ied uiK der 1 asm« g der g'-vs,.«: k 's.i*,.
w elche V erf. als Idtalna-tl .«de zur I age' i s* :: ::,u- g des V’a.e- s t ^ .
Zeichnet, müssen die deta. derten Angaben des n-. • s \ i «g. v ,
w erden. Die grosse Kiitxautt kann in :i r.desten.s 3^ !*:• .* !i : r.»• •
untersuchten I al'e n!’getas:et wuloi Das p'...;- m«. *i c., s iw ...
torischen Ourrens entstein m dem M->Tent. u. > dir de g- vc C k:«.
vatur begrenzende M.ign;st:i:k;i an dt u | --gem \.r erst t v ♦
Ls entsteht dadurch, dass die Ruhe der p.i ; .t 'cfd« n I : r c v
bclieidung des Magens m e 11 ; • ■ i unter eil und • \ 'i:i V,a..t ira.ee * .
wirkt, von denen der untere s.Ji bei di •*: i\s : c j-,. \ ;j « %v -
steigen des Magens \crengt. Aut « i- und s; r v, n 1'.
IKitumsbetunde gibt Verf. an. dass d.e g-- ss C k,'\.r..r di s i _ •
ptotischeu mul mdit at<«msc hi n Via.;» ns 5 i. v *n s S,.* . ^
\ e i Li u It. Die Pa I pa 1 1 < m, wie s.e V i r t. ■ ’ t. i v -t s v >.
auch dazu, um die Zuge in >r igkcit v«-n l'un n n guui fe^:.- ; .
stellen.
M .1. S c h w a r z m a n n - (>di sv.t; Zur VV irkurig der Arzneimittel
auf das Blutserum.
Durch V ersuche, w eiche V cf. an r. H :: di :: a".a di : k • • •
er sich überzeugen, dass unter di r I n-w g \ ” I a
Agglutinationseigenschalten des >er;;*-.s sta-g / . i 1 - n. •: f
gelmis. weiches d;e I rage ul er die W;:k.;g dir V • i •• . .. -
neue Bah.tien lenken kann.
* H. L. K nopf-t ;a;rkii:rt a M : Die Heilung der chronischen
Bronchitis durch Atmurigsg\ mnasiik.
Verf. hat nadi dun Vi'U.hm \..j: > ,, n i r i ■ «.- s. v , .
Anzahl von Asthmatikern diodi \ r •• u* .. ^.. c-. g / , : }| —
bracht lind nun diese Methode unter A’tWi • ,.i • g \ n 4 g\ •• "..c* ^ •* , ’
l ebungen zum l iefatm-m atidi l u c 1 • c. r 11 d * s / ••
Asthma angew endet. Die E'ge! msse w.rui. v\ :e a d: a s r * .
teilten Kraifkenge sd.iditm ersehen w .:d. K s: V-d'. ut t'■/. ~
wicht auf die dadurch zu erzielende 1 «i ^ed.v.:-g de' s u.n." p.- -* \
do\en Atmung solcher Kranken, bei \u'd:^ w -'e**d de' pV'-'V: . **''
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1449
die oberen Teile ausgedehnt werden, während sich gleichzeitig die
Bauchmuskeln kontrahieren, wodurch die unteren Lungenteile, in
welchen hauptsächlich das Sekret sitzt, ziemlich unbeweglich bleiben.
Das kann durch Uebung beseitigt werden. Ein weiteres Moment ist
die Erziehung zum richtigen Husten. Der Bronchitiker darf nur dann
husten, wenn er auch wirklich Sekret expektorieren kann, dann aber
kurz und kräftig. Die systematische Atmungsgymnastik bildet zu¬
gleich ein wichtiges Heilmittel gegen die Chlorose, auch sieht man
Rückgang von Herzverbreiterungen und Beseitigung chronischer Ob¬
stipation dadurch eintreten.
10) O. T u s z k a i - Marienbad: Die subaquale Untersuchung und
Behandlung in der Gynäkologie und Geburtshilfe.
Vergl. hierüber die Berichte der Münch, med. Wochenschr. über
die vorjährige Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Dresden.
11) B. L a q u e u r - Wiesbaden: Ueber die Versorgung von
Krankenhäusern und Heilstätten mit guten Büchern.
12) Q. Schmidt-Berlin: Das Heeressanitätswesen während
der Jahre 1906 und 1907.
Nicht zu kurzem Auszug geeignet.
No. 26. 1) Waldvogel und Süssenguth -Göttingen: Die
Folgen der Lues.
Der Artikel bringt eine Reihe statistischer Angaben über 297,
vor 24—33 Jahren, an der Klinik zu Göttingen wegen Syphilis be¬
handelter Personen. Aus der Zusammenstellung über die Todes¬
ursachen bei 89 Verstorbenen ist ein Einfluss der früheren Syphilis
auf das Vorkommen von Tuberkulose, von Pneumonie und Pleuritis
nicht zu ersehen, auch kein wesentlicher Einfluss auf Erkrankungen
der Zirkulationsorgane, speziell Arteriosklerose. An Tabes erkrankten
2.5 Proz., von den Verstorbenen waren an progressiver Paralyse
ca. 12 Proz. erkrankt gewesen. Ein weiterer Teil des Berichtes be¬
fasst sich mit der Frage, um wie viel Jahre die Syphilisinfektion die
Lebensdauer der Erkrankten herabsetzt. Es ergab sich, dass die
syphilitisch Infizierten eine ca. 2 Jahre kürzere Lebensdauer auf¬
wiesen als Gesunde. Die von den früher Syphilitischen eingegangenen
Ehen erwiesen sich als kaum weniger fruchtbar als die Ehen Nicht¬
syphilitischer. Ein Einfluss der früheren Syphilis auf die Mortalität
Jer Säuglinge war nicht erkennbar.
2) L. Langstein -Berlin: Ekzem und Asthma.
Verf. hat in mehreren Fällen durch die Verordnung salzarmer
Kost ein bestehendes hartnäckiges Ekzem zur Heilung kommen sehen,
während sich andere als nicht beeinflussbar zeigten. Bei den Be¬
ziehungen zwischen Ekzem und Asthma wurde diese Therapie auch
tiei an Asthma leidenden Kindern versucht. Verf. hat in seinem Falle
cavon keinerlei Erfolg erlebt.
3 ) M. M o s s e - Berlin: Ueber metalymphämische Leberzirrhose.
Bei dem 53 jährigen Kranken, über welchen berichtet wird, er-
vlgte durch eine grössere Reihe von Röntgenbestrahlungen eine Bes¬
serung. ja fast vollkommene Heilung der lymphatischen Leukämie,
-> ch entwickelte sich später eine Leberzirrhose sowie eine chronische
Peritonitis. Verf. halt es für möglich, dass es zu einer Schädigung
der LeberzeHen duTch die infolge der Röntgenbehandlung zu gründe
gegangenen Lymphozyten gekommen ist.
4) Z. Tomaszewski - Lemberg und G. G. W i 1 e n k o -
Karlsbad: Beitrag zur Kenntnis der antagonistischen Wirkung des
Adrenalins und der Lymphagoga.
Entgegen anderweitigen Angaben konnten die Verf. bei den
Versuchen, über welche sie berichten, das Auftreten von Adrenalin-
rlvkosurie’ durch Einspritzungen von Pilokarpin meist nicht ver¬
ändern. Sie konnten ferner feststellen, dass bei 6 Kaninchen, bei
" eichen auf Adrenalininjektionen Glykosurie eingetreten war, diese
aa^hjjeb wenn Kochsalz intravenös injiziert wurde. In weiteren Ver¬
gehen über die Wirkung des Adrenalins auf den Lymphstrom konnten
i einen stark hemmenden Einfluss desselben feststellen.
5 ) 4 M ü n z e r - Berlin: Zur Histologie und Klassifikation der
laiidrysehen Paralyse.
Schilderung eines typischen Falles dieser Krankheit, welcher
-latomisch durch die Verbindung von Infiltration mit Degeneration
V Erscheinungen der Poliomyelitis acutissima darbot. Es ist mög-
"l dass ein sich ebenfalls vorfindender, augenscheinlich toxischer.
Oberer Magendarmkatarrh mit der Paralyse in ätiologischem Zu-
F j?t*h fisch: Herzbewegung und Herzkontraktion.
v ‘i r bricht Seite 1261 der Münch, med. Wochenschr. 1908.
-j p R pn di <r - Magdeburg: Ein weiterer Beitrag zu dem Ar-
Sri Ak»Ve äclbe JLebcratrophie bei Syphilis“.
i g eines Falles, wo sich bei einem 17 jährigen Dienst-
MitteUung r 3 tägigen, ganz unbedeutend sich ansehenden
'Jenen nach zlich infolge der später durch die Sektion cr-
oromalsta diu mp e j, ie hochgradige Verschlimmerung ent-
1 ;senen Leberatr p ganz 24 Stunden zum Tode führte. Verf.
- :*.e/re. welche in -welchen im Sekundärstadium der Syphilis
■noch? Fälle mit , '" ftrat
’zrrhalischer Ikterus , Moskau: Beitrag zur Frage der Diph-
,ii PA. Blum ent n
i-ie«iltoxln«ewJnnumf- niona | c
Einverleibungsmethode beim Pferd
Verf. hat die intrap . er an der Hand der von ihm erzielten
rteilhaft gefunden,
Resultate nachweist. Es kann dadurch in möglichst kurzer Frist,
unter möglichster Schonung des Tierorganismus, und unter möglichst
geringfügigen Reaktionserscheinungen ein hochwertiges Serum er¬
zielt werden.
9) A. P e y s e r - Berlin: Ueber isolierte Lähmung des Musculus
rectus externus bei gleichseitiger eitriger Mittelohrentzündung.
Mitteilung und ausführliche Epikrise eines Falles, in welchem sich
bei einem 12 jährigen Mädchen nach Scharlach eine eitrige Mittelohr¬
entzündung entwickelte, wobei eine Geschwulst vor dem rechten
Ohre auftrat und im Anschluss hieran eine Schwellung des rechten
oberen Augenlides mit Unvermögen, den rechten Bulbus über die
Mitte hinaus nach aussen zu bewegen. Bei der Operation wurde ein
subperiostaler Abszess in der Schläfengrube entleert, im Anschluss
daran die Totalaufmeisselung des nekrotisch gewordenen Prozessus
vorgenommen. Heilung. Verf. erörtert die Wege, auf welchen sich
derartige entzündliche Prozesse auf die Bahnen der Augenmuskeln
bezw. ihrer Nerven fortsetzen können. Mitgeteilt wird ferner noch
ein Fall von Abduzenslähmung der linken Seite nach Verletzung des
rechten Sinus transversus.
10) G. M u s k a t - Berlin: Stauungshyperämie bei fixiertem Platt-
fusse.
Der Artikel ist referiert in dem Berichte der Münch, med. Wo¬
chenschrift über den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chi¬
rurgie 1908.
11) H. B e i t z k e - Berlin: Neuere Arbeiten über die Infektions¬
wege der Tuberkulose.
Zusammenfassendes kritisches Referat über dieses Kapitel, aus
dem hervorgeht, dass wir zwar mit der Möglichkeit rechnen müssen,
dass intestinale Entstehung der Lungentuberkulose öfter vorkommt
als aus den pathologisch-anatomischen Befunden geschlossen werden
kann. Ob und welche Bedeutung aber diesem Infektionsmodus für den
Menschen zukommt, lässt sich noch nicht entscheiden. Der alte Satz,
dass die Lungentuberkulose des Menschen in der Mehrzahl der Fälle
durch direkte Aspiration der Tuberkelbazillen in die Bronchien ent¬
steht, kann noch nicht als widerlegt angesehen werden.
Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. No. 26, 1908.
1) W. M ü 11 e r - Rostock: Ueber Knochengelenkresektionen.
Klinischer Vortrag.
2) Weber und Fuerstenberg -Berlin: Zur Arsenbehand¬
lung der experimentellen Nagana (Tsetse).
Die überraschende Beobachtung von L ö e f f 1 e r und R ü h s
über spezifische Dauerheilwirkung der arsenigen Säure gegenüber
einem Naganastamm bei kleinen Tieren konnten Verf. gegenüber einem
anderen Stamm derselben Trypanosomenart bei Ratten nicht be¬
stätigen. Verf. erklären sich dies so, dass nicht nur differente Try¬
panosomenarten, sondern auch verschiedene Stämme ein und der¬
selben Art durch chemische Mittel verschieden beeinflussbar sind.
Der genannte, relativ arsenfeste Stamm wurde durch kombinierte
Behandlung mit arseniger Säure und Atoxyl dauernd aus dem Tier¬
körper beseitigt, auch wirkten diese Mittel prophylaktisch.
3) Elschnig -Prag: Beitrag zur Aetlologle und Therapie der
chronischen Konjunktivitis.
Verf. weist auf folgende zu wenig beachtete Ursachen der chro¬
nischen Konjunktivitis hin: a) Hypersekretion der Meibomschen
Drüsen („Conjunctivitis Meibomiana“), b) relative Insuffizienz der
Augenlider, d. h. mangelhafter Verschluss bei leichtem Lidschluss und
im Schlafe. In 2 Fällen beobachtete Verf. hochgradige lederartige
Eintrocknung (Tyloma conjunctivae). Die Therapie besteht für die
Form a in häufiger gründlicher Entleerung der kranken Talgdrüsen,
daneben anfangs Adstringentien; bei der Form b ist ein nächtlicher
Schutzverband anzulegen.
4) A. G u i 11 e r y - Köln: Ueber die Aufhellung der durch me¬
tallische Aetzgifte verursachten Hornhauttrübung.
Trübungen, welche auf eine vom Aetzgift (namentlich Kalk)
mit dem Hornhautgewebe eingegangene chemische Verbindung zu¬
rückzuführen sind, lassen sich durch chemische Lösungsmittel auf¬
hellen. Am besten bewährten sich Verf. Bäder des anästhesierten
Auges mit 4—5 proz.. ansteigend bis 10 proz. Chlorammoniumlösung
und 0.02—0,1 proz. Weinsäurezusatz.
5) O. v. He rff-Basel: Ueber die Bewertung gewisser Be¬
handlungsmethoden der Bakteriämien des Kindbettes, Insbesondere
der Hysterektomie. (Schluss.)
Angesichts der Machtlosigkeit gegenüber den Spaltpilzen des
Kindbettfiebers redet Verf. der operativen Therapie entschieden das
Wort. Unterbindung der Beckenvenen. Amputatio uteri supravagi-
nalis mit tiefer Verschorfung des Stumpfes kommen in Befrucht. Die
einzelnen Indikationen werden vom Verf. genauer angegeben.
6) Jos. F i s c h e r - Bad Nauheim: Die auskultatorische Blut¬
druckmessung im Vergleich mit der oszillatorischen von Heinrich
v. Recklinghausen und ihr durch die Phasenbestimmung be¬
dingter klinischer Wert.
Vergleichende Untersuchungen auf der Goldscheider-
sclicn Klinik führten zu dein Ergebnis, dass die auskultatorische
Methode der oszillatorischen nicht nachstellt, ausser bei Fällen mit
sehr starker Arteriosklerose und bei mittelstarker Arterienverkalkung
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1450
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
SV 27.
ohne Blutdruckerhöhung. Wesen ihrer einfacheren und billigeren
Handhabung verdient die auskultatorische Methode wenigstens für
die Praxis den Vorzug. Ausserdem hat dieselbe noch gewisse kli¬
nische Vorteile, sie gibt bei entsprechender Verwertung der naher
bezeichneten Phänomene (Phasenbestimmung) manche besondere An¬
haltspunkte.
7) Alb. B o h n e - Hamburg: Ein Fall von Sprue und sein« Be¬
handlung.
Der beschriebene Patient bot alle fiir die in Ostasien heimische
Krankheit bezeichnenden Veränderungen: (hatte, zerklüftete, atro¬
phische Zunge, Aphthen der Mundschleimhaut, profuse Durchfalle
unter starker Gasbildung. negativer Ausfall der bakteriolugischen
Stuhluntersuchung.
8) Semi M e y c r - Danzig: Relative Eupraxle bei Rechts-
gelähmten.
Bei mehreren Rechtsgelähmten beobachtete M. eine gegenüber
der stark reduzierten Kraft auffällige gut erhaltene Handfertigkeit,
die er in Anlehnung an Liepman ns Ausführungen durch Annahme
grösserer Entfernung des Herdes von der Rinde erklärt.
9) Leo Z u p n i k - Prag: Bemerkungen zu Pochhammcrs
Aufsatz: „Der lokale Tetanus und seine Entstehung* 4 .
Z. verweist auf seine früheren Untersuchungen, welche zu ent¬
gegengesetzten Schlüssen führten wie die von P.
10) F. Oavidsnhn - Berlin: Ein Universalstativ für Röntgen¬
röhren.
Die Konstruktion des für Durchleuchtung und Aufnahmen zu
verwendenden einfachen und billigen Apparates ist aus der Abbildung
ersichtlich.
11) Maxim. W a s s e r m a n n - Franzensbad : Ein neues Speku¬
lum fiir Vaginaluntersuchung bei intaktem Hymen.
Die 3 Blätter des Spekulums drehen sich um eine Achse, die in
die Höhe des Hymens zu liegen kommt, so dass also hier keine Dila¬
tation erfolgt, wenn die Blätter gespreizt werden.
R. (1 r a s h e y - München.
Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXXVIII. Jahr¬
gang. No. II u.. 12. 1908.
E. Tschudy und Otto V e r a g u t h: Epizerebrales Sarkom In
der Gegend der sensomotorlschen Windungen links. — Operation. —
Genesung. (Nach einem Vortrag in der Oescllsch. der Aerzte der
Stadt Zürich.) Mit Abbild.
Genaue Beschreibung und Besprechung des hochinteressanten
Falles. Zuerst zur Sicherung der Diagnose diakramelle Hirnpunk-
tion; zweizeitige Operation; Blutdruckmessungen. Wahrend der
4 jährigen Krankheitsdauer fehlten, obwohl der Tumor ca. 5 Pmz. des
Schädels ausfüllte, fast sämtliche für Hirntumoren charakteristischen
Allgemeinsymptome. Kurze Gegenüberstellung eines imei klai teil
geheilten Falles von Jack so rischer Epilepsie und der Obduktion
eines nicht operierten Falles.
Brandenberg - Winterthur: Ueber Miiskeltransplantatlonen.
Mit 1 Abbild.
Bespricht die neuen Anschauungen und Methoden und empfiehlt
die „homogene“ Methode V u I p i u s* für die Ueberpflanzimg am
Unterschenkel, die „heterogene“ Methode Langes zum Ersatz des
Quadrizeps.
Löwy-Berlin und Roh. Glaser-Muri (Aargnu): Sind
Gallensteine In Galle löslich und lässt sich die Lösuneslählgkelt der
Galle durch Medikamente (Chologen) steigern? (Mit Abbild.)
Die Versuche an Tieren und Menschen beweisen, dass durch
Chologen No. I und 2 die Menge der abgeschiedenen Galle und ihres
Trockenrückstandes und ihr Lüsungsvermogcn fiir Gallensteine
(Pulver und ganze Steine) erhöht wird.
Glaser fügt kurze Angaben bei über die verschiedene klinische
Bedeutung der Kolikanfälle; über den Einfluss von Erkältungen und
über die Diagnose. P i s c li i n g e r.
Oesterrelchische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 26. R. Kraus: Ueber die Beziehungen der sogen. Endo¬
toxine zu den Toxinen.
Zur kurzen Wiedergabe nicht geeignet.
E. Weil und H. Braun- Prag: Ueber positive Wasser-
mann-Nelsser-A. Bruck sehe Reaktion bei nichtluetischen
Erkrankungen.
Die Verf. haben ihre Untersuchungen namentlich auf Fälle von
Pneumonie, Typhus, Tuberkulose. Diabetes und 'rumoren gerichtet
und dabei in einer namhaften Anzahl positive Reaktion gefunden.
Wo diese Affektionen ntiszuschliesscn sind und Luesverdacht besteht,
behält der positive Ausfall der Reaktion seinen diagnostischen Wert.
Speziell bedeutungsvoll ist immer die Reaktion im Liquor cerebro¬
spinalis bei der Paralyse, dagegen ist die Reaktion im Blute nur
mit grosser Vorsicht für Lues zu verw erten.
E. K 1 a u s n e r - Prag: Klinische Erfahrungen über das Prä¬
zipitationsphänomen mit destilliertem Wasser Im Serum Syphilitischer.
Die Reaktion ist nach K.s Untersuchungen für Lucs nicht spe¬
zifisch. aber änsserst Charakter istis Ji i ;r flmtJi- I ues Bei (iisir
und ffaiitkranken ist sie im a!dk,fta uu n iug.it da.:egt n P s*a
unter gewissen Umstanden bei manchen Fk ►.•»••-skr.tr> - a .k •» w c
Tvplius, Pneumonie, I uLyr kumsc. Masern. "uh.r..uü. I k i e *
bisweilen zum Seilwinden gebracht wird die Rv.iktimi durah . .
Ouccksilbertherapic bei Flies.
R. I ranz-Wu/n: Das R c t z I u s sehe SsMera ai» Kotlateral-
krcislauf bei Leberzirrhose.
Krankengeschichte erprs Mauru s »rat atr*hi f 1 1 1 .'m
und schwerer Ati.muc n.ieh Ruptur t mer \ a» ik ..scn si;‘ pm a * v
Neue m der (legend der lunaicn I ic\nr dis k -.- i s mal I'. dar.ax
in die Bauchhöhle. N cncticr w i »k rimg irn Be re.eh dis i.v^ui i «. •. i.
des Oesophagus mul Magens. Die Ruptur ist w» hl dtkch me pas«. w
Mvpcr.miic, •Ncinlcrungi ti in d t r (iv Sassw .md i:r-d «Vn c'km .x„' .. u
Reiz/iistand des Batuhküs ( \s/ik si /u crk.mvis.
V. Uecht-Wun: Zur Actlnlogie der Pfortaderlhrombosc.
Der hier hesc hr lel'eiio lall betraut im 1 ^ i K es M.< ahen. Im
dem die klinische Diagnose n.uh dt rn \s/itv s, M . • *r u: d p *. -
hellem Biuterbrce hen auf I ’lm taderThn md- xe gm». t wir u u d '.u'i
vier Anamnese bereits im (». 1 t in ns atr c mi t^d ias an t u | a
ein ahuheber Zustand bestatt !eij hat. Du I trse ist n.uh, di
((bdiiktn»nsbefund /uriu kzuh.lit eil auf t-me argt b 'ft ne Ne- a. v - 1 . • g
und die genannte traur:atis v he ab;., rrue liv.iaug dt s |
Stammes mit tlauernder Kmufr t sm-ii dess,-'bt n. I i*ms^':f dar •.
in der Literatur \ er/eu Imeti n l a e u..t R Jt a ;f ,..e Net.- „ c
tler Pfoft.uk r tlir«»ml" »se.
(). F o e d e r I - NN u n : Phimosenoperation.
Das hu r beschriebene ti*’ 1 eu;pf< ■!..t r e (»;u rat ■ -r.s\t' f.d • t ”
muss irn Original cingcsiticii werden.
K. 1 w u I d: Leber die Verrenkung de* Fusses nach hinten und
den E\tensions\erhand hei gebeugtem Knie.
Fs F r fahr n ng an 7 I i "t o bt vtat-gt ilnu!;vvus J.v 11. • ».;* _ ► i t
gleichzeitigen Fraktur des W adt ulunus. Oh ms., war r l t • r .» s c • i
keil tm irn ge Absprengiing am hindern Rande de r t 1 a'n <ud' *. -
fla». Ile festgestellt. Die h w ler: g k e 1 1 . du» r.uh hmkrt ds’mirnm'
tu ss dauernd in normaler läge <aiiv.li mi < i;:-s \ t l.r .!» za mb.» .
bestunnite F‘. zu einer koj»p d/uMmcn, n •* e r l'i c‘:vd rr D -
haiidiuug. die erstens das Bl in irn knie gi ‘u agt h • t. a 1 ts
Fusse mittelst einer über die Ferse n.uh \»»:n gi hend t n 1 L tt; • .is* t - -
schlinge eine < icw u litsextensn m .mbungt.
P. I J r o f a n t e r - Karlsbad : Beitrag zur kon*er\ati\en Behand¬
lung von Frauenkrankheiten.
Sehr eingehende Ft«*r tcllm gen i.'h # d e Ti J "-V lu u.-r \ -
giualit rigattonen mit F’r.m/ensbadcr Mrura w ,i.ss t r. M «.• '
gvuak"|».gisclic Massage. B c r g c a t - M u 1 u r
Russische Literatur.
G. Albanus; l’eber Fieber bei S>phlli*. <R.;ssi.\ NNr.it-Oi
l‘xts, No. 1.)
A 1 1» a n u s teilt einige Bi '.b.u l'trui n idtr lu’ar lat : * v
mit. Itn ersten Falle trat tirup tahr f* d c ■ rauh dv r I u< s -u ; t.- ••
beim Patienten ein intern.:ttu tetali s lala: auf. das b» W .-Ja
anhielt, zuerst den Nerd.uht auf \ 1 "adApius, s.d.rvi auf *•_-
guinerule Tuberkulose erregte und m iraui I a g i n unter s;a . ■ s v » 4 •-
Behandlung \ et schwand. Zu Ikgi:;’: dir 1 i t • * - pt' !■ t d. • kr.i- - c
Ersehemutigeil dar. die dem /ued'i M.i !mm dt * >\ p!a‘-s r.o
tmiilit.li sind, irn w eiteren Ner'.m! a.!»ah stt M; *»ah rrvt* -!'-.e t
die bereits eher dem tlntttn >!.i,l.i;'ii la u.-.d \ n s»- .1. Das 1 '■<. * ^ T
dauerte noch an. als die FrsJa »tau-gen dt r s t ►,>,!»• !a*en 1 t:cs l\ a ; N
gesell w u Ihlen waren. Inimgcdi ssqi kann t s atu h na!;t as ..1
tioiisfiel'cr“ im c-tigeren Sinne dis NN . rtas la/e J -at. s- -v.a m» r vs
eher zu den Temperatur s^ua rung». u lat »li r tr!. »an I t;r e >. -
rechnet Werden. I »es kr neun la-'.iJ.ttk Ar Nif 3 I a e \ "t
Svphilt-s vier leber mit 1 u la r. Im e’s’.ii 1 ,i V ha- h de es sah n
eine Patientin mit tei tiarvu LsJa imi'arr, da.s 1 u ! a ' 1 • t 3 M -r.tt v
au. war anfangs k.»ntimiier Ik h. sp.sk-ü- •* i: k : •• ;t • a ' i n I ml sd« ,t-* *
einlliv. li muh N'erabreu Innig \ (, n l"d'-at Lu /ui tin um! i;n dg
Falle lagni e\ kleitt I ebv r gummat.i \ • »r : 1 ah hm« :..dc da N m.
gtosserung vier labet s. .w ie das la'tr. waa d i.i.a, , ks b». r \ .
den Kranken Selilvabt \ettragiu wurde. Dir Ni ' r s, i sst s : v •
rucklialth »s iler Ansicht v».ti K 1 c m p c r t r u-»! \N istpbal •
nach welcher das l ieber hei V- phi .s n.,d dnmff vUn /Art.id. u*- *
nullt dutvll die Resofpti»«n i!t r Zm ta"sm ■ tc la • \ g•. • r.k ü w r '
smidcrn tlmch die S\ phiiis a’s s..R!ie. Da N ■ .rh t ’ v* .a v* t re /-v*- -
Ik h gute ; tlier a peilt i sc li K^nmit \ ■ • m hrt.’uft I- I in ||- tau':?, w dm-* j
\'i»r vier Anwendung des Oiicvld* 1 i rs ta i s\ ' '.io: I ■ ' t'rL.i-a
klingen gewarnt werden muss, das .nah m kam man 1 - \ *» a : i v‘. S c
liebir w ein.;-, r eUirgisOi als das I. d mmm-m
R. Luria; Leber die Diagnose der I nberkub»se mittels der
C a I m e t ( c sehen Ophthalmoreaktion. 'R..sn-v M - 1 •» ^
No. 2.)
Auf (ir und Si. et r Fd ialir»na n k -r • t 1 zu -da - •• -a 1 ss v ,, .
In lallen von Ii-.t. nah tula r 1 u - n; \ . - : n v Vv • dm I t. • g v * ’
als auch anderer < »• . ..ote f.dd t'a- La'n i • t t s • . i i-.v: ; ,.
reakti"ii positiv aus. s. am a cdi tr.k i ,U.t i;"i k.u^a’cdi Lake
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1451
ten handelt. In zweifelhaften Fällen steigert der positive Ausfall
der Ophthalmoreaktion den Verdacht auf Tuberkulose und kann da¬
her neben anderen klinischen Symptomen eine ent¬
scheidende Bedeutung gewinnen. Ein negativer Ausfall der Reaktion
bei wiederholter Untersuchung macht das Fehlen einer tuber¬
kulösen Affektion bei der betreffenden Person wahrscheinlich.
R. W r e d e n: Die konservative Behandlung der chirurgischen
Tuberkulose mit Injektionen von Kamphernaphthol. (Russky
Wratsch 1908, No. 3.)
Privatdozent W r e d e n empfiehlt aufs wärmste die Behandlung
chirurgischer Tuberkulosen mit Einspritzungen von Kamphernaphthol.
Auf Grund seiner ziemlich ausgedehnten Erfahrungen (20 Kranken¬
geschichten werden mitgeteilt) stellt der Autor den Satz auf, dass die
Behandlung der chirurgischen Tuberkulose mit Injektionen von
Kamphernaphthol bei gleichzeitiger konsequenter Anwendung von
Immobilisierung des affizierten Organs bessere Resultate auf¬
weist als andere Methoden. Die Einspritzung von Kampher¬
naphthol ist völlig ungefährlich, falls es unverdünnt nur in
Abszesshöhlen und in Fisteln eingeführt wird, für Injek¬
tionen in die Qewebselemente jedoch eine Emulsion von
Kamphernaphthol in Glyzerin im Verhältnis von 1:5—2 zur An¬
wendung kommt. Durch vorhergehende Anästhesierung mit einer
1 proz. Kokainlösung können die Injektionen von Kamphernaphthol
in die Gewebe und die Entleerung der Abszesse vollkommen
schmerzlos vorgenommen werden.
L. U s s k o w und A. Godsewicz: Ueber den Einfluss der
Röntgenstrahlen auf den Stickstoffumsatz bei Leukämie. (Russky
Wratsch 1908, No. 3—5.)
Die sorgfältige Beobachtung von 4 mit Röntgenstrahlen behan¬
delten Leukämiefällen, von denen 3 zur myeloiden, 1 zur lympha¬
tischen Form der Leukämie gehörten, ergab, dass die Röntgenstrahlen
bei dieser Erkrankung auf den N-Umsatz und auf die Ausscheidung
der Harnsäure und der Purinbasen zweifelsohne einen starken Ein¬
fluss ausüben, dass aber diese Alterationen in Abhängigkeit von der
Form der Leukämie, der Schwere des Falles, der Dauer der Krank¬
heit, der voraufgegangenen Röntgenbehandlung und der Stärke der
Bestrahlung verschieden sind. In günstig verlaufenden Fällen wiesen
nach den Erfahrungen der Verfasser diese Alterationen eine gewisse
Regelmässigkeit auf und trugen einen anderen Charakter als in den
Fällen von entgegegengesetztem Verlauf. In den erfolgreich be¬
handelten Fällen wird nämlich gleichzeitig mit der Abnahme der
weissen und mit der Zunahme der roten Blutkörperchen und des
Hämoglobins ein deutlicher N-Verlust beobachtet, der zum Sinken
des Körpergewichts führt; daneben wird eine gesteigerte Ausschei¬
dung von Harnsäure und von Purinbasen und eine relative Zunahme
des PaOs vermerkt, wobei die Grösse der Harnsäureausscheidung
sich nicht immer in einem bestimmten und beständigen Verhältnis zur
Anzahl der Leukozyten befand. In den Fällen jedoch, wo die Rönt¬
genbestrahlung keinen rechten Erfolg zu verzeichnen hatte, nahmen
zwar gleichzeitig mit der Verringerung der roten Blutkörperchen
und des Hämoglobins auch die Leukozyten ab, aber unregelmässig,
abwechselnd mit kurzdauernden Zunahmen, jedenfalls langsam. Die
Ausscheidungsgrösse des Harnstickstoffs war meist kleiner als die
mit der Nahrung eingeführte N-Menge, es fand somit eine Retention
des Nahrungs-N im Organismus statt; entsprechend der N-Retention
konnte ein Ansteigen des Körpergewichts während der Behandlung
konstatiert werden.
A Worobjeff: Zur Behandlung akuter eitriger Entzündungen
■dt Stäuuügshyperämle nach Bier. (Russky Wratsch 1908, No. 5
In der chirurgischen Abteilung des Militärhospitals zu Kiew be¬
handelte der Autor mehr als 50 Fälle akuter eitriger Entzündungen,
darunter 9 Panaritien, 11 Phlegmonen, 1 Paronychie, 1 Osteomyelitis,
3 Riss- und Quetschwunden, 1 Tendovaginitis, 4 Furunkel und Kar¬
bunkel 3 gonorrhoische Arthritiden und 2 Geschwüre, mit Stauungs-
hvperäVnie nach Bier (Anlegen einer elastischen Binde). Verf.
empfiehlt diese Methode aufs angelegentlichste bei den verschieden¬
sten akuten entzündlichen Erkrankungen und hebt ihre Vorzüge her¬
vor- Verringerung oder vollständige Beseitigung des Schmerzes,
Tendenz des diffusen Prozesses zur Begrenzung, Fehlen entstellender
Varhen bei der Ausheilung, mangelnde Neigung der Sehnen u. a.
inr Nekrose weshalb geradezu ideale funktionelle Ergebnisse er¬
zielt werden * und die Möglichkeit, das so schmerzhafte Tamponieren
_ * Die Einwirkung der Stauungshyperämie auf die Kör-
JLmnrratür war keine evidente. Ebensowenig war in allen Fällen
Abkürzung der Krankheitsdauer zu bemerken. In
i f- ii /hei zwei akuten Eiterungen und einer gonorrhoischen
{ f?.® , l Worobjeff einen Misserfolg zu verzeichnen.
Arthritis) natt e \ n : Zur Lehre von den Opsoninen; ihre Bedeu-
, “ Vkf 5 i<?ffOse und Therapie. (Russky Wratsch 1908, No. 6.)
tag für die Ul K über 23 Fälle von Akne und Furunkulose,
Der Autor ftöhlenfisteln nach Laparotomie und 10 Fälle von
3 Fälle von bau r vizitis mit hartnäckigem, jeglicher Behand-
katarrfta lischer ^ albus (sämtlich durch den Pneumokokkus be¬
ton? frofzen dem r y^j^inebehandlung nach W right einen durch-
lingtl. in denen hatte. Keinerlei unangenehme Nebenerschei-
xhlmnden ErtolfC dies? r Behandlungsmethode beobachtet. Ab-
CDnj ten wurden bei
gesehen von ihrer hohen therapeutischen Bedeutung gewinnt die Be¬
stimmung des opsonischen Index durch die Schwankungen des ent¬
sprechenden Index in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung
und die Spezifizität der Opsonine des Blutes eine wichtige dia¬
gnostische Bedeutung. Zum Schluss glaubt der Verf., dass bei Er¬
krankungen, die einen chirurgischen Eingriff erfordern, eine prä¬
ventive, wenn auch einmalige Impfung mit den in diesen Fällen
gewöhnlichen Infektionserregern die Schutzkräfte des Blutes beim
Kranken steigern dürfte.
A. Shirnow: Die Agglutination bei Choleraschutzimpfungen
und bei der Cholera. (Russky Wratsch, 1908, No. 7.)
Im Herbst vorigen Jahres bot sich dem Autor Gelegenheit, wäh¬
rend der Choleraepidemie in Astrachan das Agglutinationsvermögen
des Blutes von Personen, die gegen Cholera geimpft worden waren
oder die Krankheit überstanden hatten, näher zu studieren. Für seine
Untersuchungen über die agglutinierenden Eigenschaften des Blutes
von Geimpften diente ihm das Serum von 14 meist jugendlichen
Personen, die sämtlich zweimal vakziniert waren. Die Dosis der
ersten Impfung hatte 1,0—1,5—2,0 ccm, die der zweiten (nach einem
siebentägigen Intervall) 2,5—3,0 ccm betragen. Das Blut wurde 8
bis 10 Tage nach der zweiten Impfung entnommen. Mit einer ein¬
zigen Ausnahme wurde in sämtlichen Fällen eine deutliche Agglu¬
tination in einer Verdünnung von 1 ; 15, in der Hälfte der Fälle in
einer solchen von 1 :30 und bei einer Person in einer Verdünnung
von 1 :100 beobachtet, während normales Serum nach der Erfahrung
des Verf. abgetötete Vibrionen in einer Verdünnung von 1 ; 30 gar
nicht und in einer solchen von 1 :15 nur ausnahmsweise agglu-
tinierte. Von den 8 untersuchten Personen, die Cholera überstanden
hatten, waren 5 vorher zweimal geimpft worden, 3 dagegen nicht.
Das Serum der Personen der letzteren Kategorie agglutinierte die
abgetöteten Vibrionen der Schutzlymphe höchstens im Verhältnis von
1 :50, während bei den Personen der ersteren Kategorie das Agglu¬
tinationsvermögen des Blutes nur in einem Falle bis zu 1 ; 200 stieg,
in den übrigen 4 Fällen hingegen sich nicht über l : 50 erhob. Das
Agglutinationsvermögen des Blutserums bei Cholera ist somit allem
Anscheine nach durchaus nicht hoch. Bei den Versuchen wurde
noch die Beobachtung gemacht, dass lebende Vibrionen in weit
grösseren Verdünnungen agglutiniert werden als abgetötete und eine
schnellere und deutlichere Reaktion aufweisen.
W. Stühlern: Ueber die Bedeutung der quantitativen Be¬
stimmung der typhösen Bakteriämie. (Russky Wratsch, 1908, No. 8.)
Im Obuchowkrankenhaus für Männer in Petersburg nahm Stüh¬
le r n an 42 Typhuskranken eine Reihe quantitativer Untersuchungen
des Bakteriengehaltes des Blutes (unter Benutzung der Methode
von Schiiffner) vor, um die Frage nach den Wechselbeziehungen
zwischen dem Grade der Bakteriämie und dem klinischen Bilde des
Abdominaltyphus klarzulegen. Die Untersuchungen ergaben folgen¬
des: Eine quantitativ scharf ausgeprägte typhöse Bakteriämie beim
Vorhandensein eines schweren Allgemeinzustandes im Beginne der
Krankheit berechtigt zur Annahme eines toxischen (foudrovanten)
Typhus. Der sogen, abortive Typhus steht höchstwahrscheinlich
an der Grenze zwischen dem toxischen und dem schweren Tvohus
und kommt dem Grade der Bakteriämie nach der toxischen Form
nahe. Mit dem Sinken der Temperatur sinkt auch gleichzeitig die
Bakteriämie, wobei in der Apyrexie noch eine quantitativ schwach
ausgeprägte Bakteriämie beobachtet werden kann. Diese beiden
Typhusformen bieten klinisch und bakteriologisch das Bild einer
Sepsis dar. Bei schwerem unkompliziertem Typhus und normal ver¬
laufendem Typhus mittlerer Schwere ist ein merklicher quantitativer
Unterschied im Grade der Bakteriämie nicht nachzuweisen. Bei
leichtem Typhus kommt eine kurzdauernde und quantitativ schwache
Bakteriämie zur Beobachtung.
L. Padlewsky: Ueber eine neue Anwendungsmethode des
Malachitgrüns zum Nachweis der Typhusbazlllen. (Russky Wratsch,
1908, No. 12.)
Angesichts der Mängel des gewöhnlichen Malachitgrünagars
setzte sich Padlewskv zum Ziel, einen solchen Nährboden her¬
zustellen, der, für das Wachstum der Kolibakterien ungünstig, die
Vermehrung der Typhusbazillen nicht im mindesten hemmen, son¬
dern im Gegenteil ein üppigeres Wachstum derselben begünstigen
solle. Diesen Anforderungen entspricht am besten ein Agarnähr¬
boden von folgender Zusammensetzung. Zu 3 Proz. Fleischagar mit
2 Proz. Pepton (von schwach alkalischer Reaktion) fügt man 1 Proz.
chemisch reinen Milchzucker und 3 Proz. natürliche Ochsengalle
hinzu. Der Agar wird zu je 100 ccm in Kölbchen gefüllt und drei
Tage je eine halbe Stunde lang in strömendem Wasserdampf sterili¬
siert. Sodann bereitet man: a) eine 1 proz. wässrige Lösung von
kristallischem, chemisch reinen Malachitgrün, b) eine 10 proz. wäss¬
rige Lösung von schwefligsaurem Natrium (NasSOa). Zu je 100 ccm
Agar werden nun hinzugesetzt: 0.5 der Lösung a, 0,75—1.0 der
Lösung b und 0,5ccm Ochsengalle: die Mischung muss von schwach
grüner Farbe und durchsichtig sein. Der mit dieser Mischung ver¬
setzte Agar wird in nicht allzudünner Schicht in Schalen gegossen
und ist nach der Erstarrung völlig klar, von gewöhnlicher gelblicher
Farbe, ohne grüne Niiance. Die Farbenreaktion, die auf diesem Nähr¬
boden verschiedene Bakterien ergeben, besteht darin, dass die¬
jenigen Bazillen, welche den Milchzucker zersetzen, Säure bilden,
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1452
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27 .
diese das durch das schwefligsaure Natrum reduzierte und ent¬
färbte Malachitgrün oxydiert und das Auftreten der grünen Farbe
wieder hervorruft; die Qalle begünstigt ihrerseits das Wachstum der
Typhusbazillen. Wird demnach der beschriebene Nährboden mit dem
Untersuchungsmaterial beschickt, so sind bereits nach lf> in Stunden
reichliche Kolonien wahrzunehmen, von denen die Kolibak-
terienkolonicn grün gefärbt, die iippig entwickelten Ty-
phusbazillcnkolonien hingegen erst farblos, sodann schon
g e 1 b g o 1 d i g gefärbt und durchscheinend sind.
L. Finkeistein: Lieber die Kutan- und Konfunktlvalrcaktion
auf Tuberkulin. (Russky Wratsch, 19 <)X, No. 13 .)
A. Bylina: Die Ophthalmoreaktion auf Tuberkulin als dia¬
gnostisches Mittel bei der Tuberkulose. (Ibidem.)
A. Bogdanow: Ueber die Ophthalmoreaktion auf Tuberkutin.
(Ibidem.)
A. Schiele: Ueber die Beziehungen der sogen. Ophthalmo¬
reaktion zur ekzematösen Konjunktivitis und zum Trachom, (ibidem.)
B. M i k I a s c h e w s k y: Einige Worte über die Möglichkeit
schwerer Augenkomplikationen bei der C a 1 m e 11 e sehen Oph¬
thalmoreaktion. (Russky Wratsch. FMK. No. 14.)
In der pädiatrischen Klinik des Prof. W. T sc her not f an der
Universität Kiew stellte F i n k e I s t e i n ausgedehnte 1 ’ntersuchmigui
über die v. P i r q u e t sehe Kutanreaktion (mit einer 25 pro/. Losung
von K o c h schem Alttuberkulin in physiologischer Salzlösung) und
die W o I f f - E i s n e r sehe Konjunktivalreaktiou (mit Calmette-
schem Tuberkulintest) au. An Kindern der ersten Lebenstage (die
ja bekanntlich stets frei von Tuberkulose zu sein pflegen) winde
die Konjunktivalreaktiou 45 mal ausgeführt, und zwar durchweg mit
negativem Resultat; mithin ist der Schluss berechtigt, dass tulc-
kulosefreie Individuen nicht reagieren. Ferner wurde die Kon¬
junktiv alreaktion an 120 Kindern im Alter von mehreren Monaten bis
zu 15 Jahren vorgenommen, von diesen reagierten 74 positiv und 4h
negativ. Von den positiv reagierenden Kindern litten ö zweifellos
an Tuberkulose (3 mal durch Sektion bestätigt), ix waren tuber-
kuloseverdächtig. in 20 Fällen wurde das Ergebnis durch du sub¬
kutane Tuberkulinprobe bestätigt. Von den negativ reagierenden Kin¬
dern starben drei; bei dem einen wurde Tuberkulose nicht gefunden,
bei den beiden anderen hingegen fanden sich käsige Veramleiime.cn
in den Bronchial- und Mesenterialdrüsen; diese beiden starben aber
3 und 5 T 'agt nach Ausführung der Reaktion. Von 17 erw achs<-nui
Personen reagierten 14 positiv (sämtlich tuberkulös oder tuberkulos.--
verdächtig) und 3 negativ (I klinisch nicht tuberkulös, die Ividui
anderen schwindsüchtig mit Kavernen). In einem Knulerasvl stellte
Finkeistein die Konjunktivalreaktiou HK» mal an. I he Kiitan-
reaktion wurde von ihm an 25 Kindern im Alter bis zu einem Monat
ausgeführt (bei sämtlichen mit negativem Resultat) und bei !'■<>
älteren Kindern. Auf (irund seiner Erfahrungen kommt der Autor
zu dem Schluss, dass die beiden Tuberkulinproben, die kutane wie
die konjunktivale. sich in den ersten Lebensjahren, wo keine latenten
Tuberkulose'formen Vorkommen, am besten bewähren durften, dass
aber für die übrigen Lebensalter ihr unmittelbarer klinischer Weit
mehr in dem negativen Ausfall enthalten sei.
In der inneren Klinik des Prof. W. Obraszow an der
Universität Kiew' stellte Bylina die Ophthalmoreaktion 53 mal an,
davon 31 mal mit positivem, 22 mal mit negativem Erfolg. In all den
13 Fällen, wo klinisch die Diagnose auf Tuberkulose dieses ««der
jenes Organs gestellt worden war, fiel die Reaktion positiv aus. Aus¬
serdem wurde jedoch eine positive Ophthalmoreaktion bei 1H Pa¬
tienten beobachtet, die klinisch nur wenig oder gar keine Anzeichen
von tuberkulöser Affektion darboten. In einem dieser Falle, wo das
klinische Bild am ehesten für Karzinom des Blinddarms zu sprechen
schien, wurde bei der Operation, dem positiven Ausfall der Reaktion
gemäss, Tuberkulose des Blinddarms gefunden. Der Autor ist geneigt
die Ophthalmoreaktion als wertvolles diagnostisches llilisrmttel anzu¬
sprechen.
In der Lungenheilstätte Troiany untersuchte Bogdanow 33
notorisch tuberkulöse Patienten und konstatierte bei sämtlichen ein
positives Ergebnis. Von 5b Schillern der ersten Klasse eines Pro-
gymnasiums reagierten lö.b Pro/., von 35 Schülern der dritten
Klasse ganze 40 Pro/, positiv. Bogdanow' ist der Ansicht, elass
die Ophthalmoreaktion auf Tuberkulin in Bälde bei der bruheliagnose
der Tuberkulose den ersten Platz, eimiehmcn und sowohl die soziale
Bekämpfung derselben als auch die persönliche Proplivlaxe er¬
leichtern werde, da diese Methode uns die Tuberkulose bereits
dort nachz.uweisen gestatte, wo mit Hilfe anderer moderner Mittel,
ja der Röntgenoskopie noch keinerlei Veränderungen zu entdecken
seien.
Miklaschewsky wandte die Ophthalmoreaktion nach Cal-
mette in bloss X Bällen an und erlebte schon an diesem gering¬
fügigen Material zwei schwere Komplikationen seitens des Auges,
und zwar eine schwere Keratitis, die über 10 Tage anhieit. und
eine heftige Iritis, die 2 Wochen zu ihr er Heilung erfordeite.
Bei dem Studium der Reaktioiiserschemungeii. die nach dem
Einträufeln von Tuberkulintest in den Konjunktivalsaek des Auges zu
diagnostischen Zwecken auftreten, stiess Schiele auf folgende
überaus merkwürdige Tatsache: war das Auge von TraUinm be¬
fallen. so quollen die Trachomkörner in den ersten 24 Stunden nach
Einführung des Tropfens Tubcrkuüroest auf: dazu gesäte snh cai
mehr oder minder hochgradiger katarrhn'ischer Zu st.it:.! der Ikm'i-
haut. In den nächsten lagen nahmen ade diese b:s v Meinungen an
Intensität zu: die alten Korner sJiw «.'.len n>sh n.v hr an. nr ! an:
der Bindehaut der Lider wie des Augapkis raten z.i'äoJe tr.Ve
(von grauer barbet auf; seltener entvvi v keden s, v h b as a’ < n •
bilde und Infiltrate auf der Hirnhaut. Die K"iiu-Vtiva war m t>■
hvpe ramisch; das Sekret nahm einen Sc h:em ag-eir ;ge n GüaraUcr je.
häufig wurde über heilige sJimerzui gvk agt: mit eeern W «nt. es
Stellte suh das Bild eles akuten tr.u homat**st n P:* Ziss..s em l' ui
positive Reakti'Ui auf I ube: kühn wiit.le ruh! rar in den sjuiuen
Stadien des Trachoms. sondern aiuh bei !cs% n V umren I
Kränkungen iler Bindehaut, bei der s-gen I •• ö.u.-.s.s und dun t- -
kularen Katarrh der Pu.tasten m gleiväer M c.se be-f.iJ'tet. Das..’
Lmstand bestätigt vn neuem die bereals memt.uh v. oissute An¬
sicht, dass s.uiilikhe f ■ diku l.i r c Arie kti-au n vier Ku* :.»*►: \ a d.u”'
Wesen nach identisch vn I. Mit Aumim »-•divum ilr»dD v er¬
handelte tr.K Immatose Augen ergaben die Reaktion na:t. - ca’
Beweis dafür, dass die Lds.vure das I ’.k ''.■•n.g.t! Ze'st- M. We'e
aikh ein I eil der l<dkki| '.d*ei uhatetj Leiben kann. 1 "um- um k
reagierten auf I ulvikii m a e ulaigeii \ ugua : k r gen. n :t Aas.
nähme natürlich eler skrotulosi-n und tuhe ’kirnte n
H. T u r n e r: Die Klopfung als Methode zur Beschleunigung der
Heilung von knochenbruchen und als Hilfsmittel bei der Behandlung
von Pseudarthrosen. «Russkv W ratOi, !■*“». No I* »
Prof. Menr\ I ii r n e r. Direktor die: padisc L t n K ak a'1
iler Militär rm-dizmiSv !ien Akademie m |Vti *s» u- g. i mp* eh t Jka
legen!ik hst die niethodis che tagik he l k » • r'm-g der i: ds;■' e hu !cr
liegend der Wekhtue (mit tmun I \ ? k imm ■ :>!.. mm er o,;.. r e'vi
eigens konstruierten Insfflii a nr > In i ausi ä d «•:*..u r Aerhuimg v v
Kilos berief tivjieii infolge verzögerter K .t us- !ur g rmd lu - ;u.on
sJiwer zn be subiguid.en l’seii dar öo • -s.. n Mt h*uc K'ar-kef.ge s! .ms
teil illustrieren die \orzige dieses Aut.d 'u v
P. M a s s | a k o w e t / und 1. I i e h e r m a n n Theorie und
Technik der Wassermann «chcn Reaktion und ihre Bedeutung für
die Diagnose der S>phlli», < RusWkv A\ •. tsui. d .dem »
Auf (irund eines Materia s \"fi loo | \ n kuum ti d L \ e ’Lism '
zu folgenden >Ji:nsseti: I. I *;e W .» s s e r :r a n n s, Uv Re a*.!:• n •>:
bei positiven) Alisf.iü Stets spe/ms.h 2 De r Vivhues \. M \ *
körpe rn Vermag bei tlem ge ge riw ,i-tigui Vae.ie imsut s W ,set
Von ihrem Wesen nur el.ir iber .tue/ns.ueii. d.tss du K arö e e e
I Ile smfektion eiftttul dur». hgem.uht hat. .o'tw .rte t e b-w h reut de
l'rage, ol» er iiov.li ge ge riw .o tig an n eilet. 3 Der N.u! s
von Aritigen ui eie n PduteMr.i)- teil sp^'v Dt mit g'o>s;u i -
Iklikeit dafiir, dass der >v plii ivtiiuit au. !» g > . e ",w ' t. g s.h ..
(bg.tmsnius aufh.tlt. 4. lebe-r die R e des «.»m ! us ;u:
des N\ phfiflser reger s w ie auJi der X-mko’p« r k.tmi bei de mj g*. ge
w artigen Mamle der >eP#i$iagt'o\t:k muk I’• vimv ausge \.t t t w e - -
den. 5. (Ibwohl el'e W a s s g r rir a n n ! t lü.idi-n s . h i st m .‘.e ’
Perioele eles Ausbaues birm.tet. v, k ar*n man e!o v ii s. |>,fi u.-f l.tst
tlllt Sk her llelt bi li.mpte ll. elass i!:r m / i'suUt e e Ukebu' R e
bei eler Diagnostik e!e r P 1- .; IS. r! ’ef p r ". V. w » he 1 der \ s-
arbeitung einer re ge ir eu b.te n. w issi iisju:' u !i I e g • • • k Be ’ ,f d -
lungsmethovle b-. sv. Inede fi vnii d • rte.
W . P r e d t e c z e n s k v : I eher die diagnostische Bedeutung
der Kutan- und konjunktiv alreaktion auf Tuberkulin. '
Wratsch l'X's. No. 1 u. 2.)
Keine L'r fahr urigen in eler pro** ,di ut s, he n K k v!u 1 m v t. • v .
tat Moskau resümier t Priv aLch *zent Pre.Ütv z e P s % \ m ■ ge e o
Tatzen: Sowohl ehe Kutan- wie »he K o.murktiv .i‘'ea* !:• n veiug s
wertvolle diagnostische Auis.h'sse /u ge *n n • J.is Vus'-ä v v '..*
Reaktion sprklit mit gross, r W .ihrs v lu n*’k fö , q g< . .u I ii'tTu' s.. .
wahreiul eler positive Ausf.id entweder aut dis \ •• h.n'd- -:si eua s
aktiven tuberkulösen Pro/esses oder aut e "e a’ ,.e ',e.;V''r tu' e*-
kulose Atie-ktiori Imivveisr; mit ande’en W or? t *i ■ dir n v! \ e Vusr.t ;
vier Reaktion ist seiner Natur u.kh einer u n d' d'.h !e ;!e l
sie gestattet keine klinische', sondern e me pa! K . • • c s v h..m.,v :v v ' t
I)iagriose. liier m ist eler \ or teil wie eler Na, i.te ;i !'"e' p*a *.! h.
Aerwendntig am Krankenbett enTf.rUii.
R. 1 r a ri k e I: l eher die klinische Bedeutung der Russe» sehen
Reaktion. I Pr aktiv, z* sk V WratSch l'x s. V. 3 i;
Die von Prof. R u s s o nn I.d.’e 1 a's f -s..|z di r l'li r 1 j c k .
sehen I ha/oreaktnm emi'fohieöe ihohe mit Me v % .* u war :*i- d, -
Autor in einer ganzen Red e v-m Lu’Yn an im.1 i.ust se ui I 'te'd c'.t 1 ->
zus.uiinieit. dass sie für \bdominu't\ und, km;"' -se Pve u *•>
ch.Uakter istisdi ist um! Wegen eler Lmku Vu it md 1'e.i‘ie" v- i |
ihrer Ausführung vor vh.r Ihazor * ak te.n e!en \ mmg \rrde"T. \ < .
Ausfall der RussoSciieri Reaktion kann tnm d.r'n a's p. v.*:v
gesellen werden, wenn nav.li /nci'z v-n 4 I • u ’ui d-r vv
Metln lenblaniovmig zu 4 5 skm Harn viies v r t i>e s^ 1 ne vm.e -^ * .
giurif I ai billig annimmt, de auf Zusatz v-n w e te •• " I 2 i' m*..
des Reagens nicht V e: sdrw imlet. s t !t : r; 1 . ss e ”e u «!m* R \ r t n
T« »n gt vv nmt.
< i. W ! a d i tu i r o vv : l'eher den Scharlachrheiimatismiisg.
(Prakticzesk\ Wräfsji |oos. s i
Luter >c har hkhi In umaTismns v erv. ; d c K n
eles Scharlachs, ehe bmw edeti bere ts m de e's f || lagen de- r ! r .
Digi-tizsa by
Goe .gle
Original fro-rri
UNIVERSITY OF mFnNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1453
Kränkung, häufiger jedoch am Ende der ersten und im Verlaufe der
zweiten Krankheitswoche aufzutreten pflegt. Die Komplikation ist
charakterisiert durch Schmerzen und Schwellung der Gelenke. Nicht
selten indes kommen Fälle vor, in denen die Gelenkschwellung fehlt,
und nur mehr minder heftige Schmerzen beobachtet werden. Unter
Beiseitelassung der eitrigen Synovitis pyämischen Ursprungs, die
sich zu schweren Formen des Scharlachs hinzugesellt, und der von
Henoch sogen. Synovitis scarlatinosa serosa beschäftigt sich der
Autor mit derjenigen Form, die sich durch Schmerzen, mitunter
längs der gesamten Extremität, auszeichnet. Bei einer genaueren
Analyse derartiger Formen kann man sich kaum des Eindrucks
erwehren, dass es sich hier um eine infektiöse Polyneuritis handle,
und in dieser Annahme wurde der Verf. noch bestärkt, als er in
einem Falle nach Scharlach eine Ataxie der unteren Extremitäten
beobachtete. In 2 Fällen von schwerem Scharlach bei Kindern von
7 und 9 Jahren, die in der ersten Krankheitswoche an Schmerzen
in den Beinen gelitten hatten und in der zweiten und dritten Woche
starben, untersuchte nun Wladimirow den N. peroneus super¬
ficial. und den N. dorsalis pedis. In den Nerven wurden tiefgehende
Zerstörungen gefunden. Die Nervenfasern waren hochgradig ver¬
ändert, das Myelin zu Tropfen und unregelmässigen Schollen zer¬
fallen. Ausser diesen tiefgreifenden Veränderungen der Nerven¬
faser, die den Spätstadien des pathologischen Prozesses entsprechen,
wurden noch an einigen Fasern die frühesten Anfangsstadien ana¬
tomischer Veränderungen angetroffen, die der bei der Diphtherie ver¬
kommenden Frühform der parenchymatösen Neuritis ausserordent¬
lich glichen. Der Scharlach kann somit eine Neuritis im Gefolge
haben, und die Fälle von „Scharlachrheumatismus“ mit Schmerzen
allein, ohne Gelenkschwellung, sind wohl auf eine Neuritis scarla¬
tinosa zurückzuführen. Ebenso mögen wohl Fälle von Tod an Schar¬
lach in den ersten Krankheitstagen durch neuritische Prozesse im
Vagus und Phrenikus zu erklären sein. Was die Therapie anlangt,
so hat der Verf. in einem Fall von „Scharlachrheumatismus“ mit
heftigsten Schmerzen, die’ jeglicher Behandlung trotzten und an In¬
tensität immer mehr Zunahmen, einen durchschlagenden Erfolg von
Mose rschem Scharlachserum gesehen, das 6 Stunden nach der In¬
jektion (200 ccm) die Schmerzen beseitigt hatte.
L. Bruck: Zur Anästhesierung des Geburtsvorganges. (Prak-
ticzesky Wratsch 1908, No. 10.)
Als Mittel, um den Geburtsverlauf schmerzlos zu gestalten, ohne
die Wehentätigkeit irgendwie zu beeinträchtigen, empfiehlt Bruck
das Skopolamin-Morphium, das ihm in einer Reihe von Fällen vor¬
zügliche Dienste geleistet hat. Er benutzt eine Lösung von Scopola-
mini hydrobromici 0,0003125 + Morphii hydrochlor. 0,015 + Aqu.
destill. sterilisatae 1,0 in zugeschmolzenen Ampullen und injiziert
in die Bauchgegeüd oberhalb des Mons veneris je nach dem Falle
Vi>, % oder eine ganze P r a v a z sehe Spritze. Das Skopolamin-Mor¬
phium besitzt eine hochgradig anästhesierende Wirkung, die sich
genügend in die Breite wie in die Tiefe erstreckt, um den Geburts¬
vorgang schmerzlos zu gestalten. Die etwaigen Nebenwirkungen
sind nach des Autors Erfahrungen so sehr geringfügig und unwesent¬
lich, dass sie weder hinsichtlich der Mutter noch des Kindes in Be¬
tracht gezogen zu werden brauchen. Angesichts dieses Umstandes
verdiene die Anästhesierung des Geburtsverlaufs mit dem genannten
Mittel vollste Beachtung.
F. Bialokur: Ueber die prophylaktische Behandlung der
1 angentuberkulose. (Prakticzesky Wratsch 1908, No. 14.)
Ausgehend von der Anschauung, dass Kinder tuberkulöser Eltern
mit einer gewissen (temporären) Immunität der Tuberkulose gegen¬
über zur Welt kommen, empfiehlt der Autor nach Analogie der
Jen n ersehen Schutzimpfung die Menschheit prophylaktisch gegen
die Schwindsucht zu immunisieren, da ja dieser Immunisierungs¬
prozess auch unter natürlichen Verhältnissen sich häufig genug im
Wntterleibe vollziehe. Die Immunisierung könne offenbar mittels des
tuberkulösen Toxins (Tuberkulins) ausgeführt werden. Der richtige
Zeitpunkt für die künstliche Immunisierung sei das Kindes- und
Jünglingsalter, wo noch Spuren der ererbten Immunität vorhanden
seien.
a c r hkarin: Morbus Basedowü im frühen Kindesalter.
WrpKchebnaia Gaseta 1908, No. 1 u. 2.)
von Basedowscher Krankheit bei Kindern bilden eine
Woch seltener ist sie bei Kindern unter 5 Jahren; in der
.dtenheit. fj einschlägige Beobachtungen niedergelegt. Der
uieratur sind erst S c h k a r i n in der pädiatrischen Klinik des
u-n Ptivatdo . an der Militär-medizinischen Akademie be-
\ ror * N- Morbus Basedowii bei einem 4Va jährigen Mäd-
onachiete rait hste- Von den charakteristischen Symptomen der
oien ist der se * lässig grosse, weiche Struma, hochgradiger
Krankheit lagen - r die mit sc h ar f ausgeprägter Arrhythmie des
uuphthalmus, J a erne j n 2 ustand, während das M o e b i u s sehe und
Pulses, nervöser fehlten. Das Antithyreoidin Moebius
;as 0ra e f e sene ro die) übte auf das Nervensystem des kran-
m Dosen von O,o ij' c htlich günstigen Einfluss aus, der Allgemein¬
en Kindes einen ^ si he hiich, aber die objektiven Veränderungen,
lustand besserte ^Ifoohthalnius, widerstanden sehr hartnäckig dieser
*ie Struma und pxop t, e jne besondere Tendenz zur Besserung,
laerapie und zeigten
G. Gorbunow: Die Behandlung des Trachoms mit Stauungs¬
hyperämie nach Bier. (Wratschebnaja Gaseta 1908, No. 6, therap.
Beilage.)
Zur Hervorrufung einer passiven Hyperämie im oberen und
unteren Augenlide bedient sich Gorbunow einer entsprechend
modifizierten S n e 11 e n sehen Pinzette. Die Technik des Verfahrens
ist folgende: dem Kranken werden etwa 3mal einige Tropfen einer
3 proz. Kokainlösung instilliert, sodann mit einem G r a e f e sehen
Messer oder einer lanzenförmigen Nadel kleine Einschnitte in die
Körner oder in die am meisten verdickten Stellen der Konjunktiva
gemacht und hierauf die Pinzette für 30—40 Minuten angelegt, was
von den Patienten vorzüglich vertragen wird; aus den Einschnitten
und Stichwunden quillt Blut und der Körnerinhalt. Konsekutive
Schmerzen und Reizungen konirrien nie zur Beobachtung. In leich¬
teren Fällen von Trachom legt der Verf. die Pinzette ohne vorauf¬
gehende Skarifikationen und Stichelungen an. Die Behandlungs¬
ergebnisse waren stets ausgezeichnete. Sogar die hartnäckigsten,
die verschlepptesten Trachomformen mit tiefgreifenden Verände¬
rungen nicht nur in der Bindehaut, sondern auch im Tarsus — alle
diese Formen nehmen nach den Erfahrungen des Autors unter der
Stauungshyperämie einen auffallend guten Verlauf, wobei allem An¬
scheine nach auch die Narbenbildung in der Konjunktiva ausbleibt.
G. Meszczersky: Das Atoxyl bei der kondylomatösen
Syphilis. (Russische Zeitschrift für Haut- und Geschlechtskrank¬
heiten, Januar- und Februarheft 1908.)
Auf Grund von 15 Syphilisfällen, die in der Moskauer chirur¬
gischen Klinik (Prof. A. Pospelow) einer Atoxylbehandlung unter¬
zogen worden sind, kommt der Autor zu folgenden Schlüssen: Das
Atoxyl übt im allgemeinen auf den Verlauf der kondylomatösen
Syphiliserscheinungen nur einen geringen Einfluss aus, wobei die
Wirkung der ersten Injektionen eine unvergleichlich stärkere ist als
die der folgenden. Am ehesten werden von dem Mittel gutartige,
zur spontanen Rückbildung neigende kondylomatöse Erscheinungen
beeinflusst, während tiefere und ernstere Veränderungen entweder
gar nicht oder nur sehr schwach reagieren. Alles in allem ist die
Atoxylwiikung erheblich schwächer als die des Quecksilbe -s, so öi ss
das Atoxyl als Spezifikum gegen Syphilis durchaus nicht bezeichnet
werden kann. Ueberdies ist die Atoxylbehandlung bei weitem nicht
ungefährlich, da dabei plötzlich Vergiftungssymptome auftreten
können, die Personen mit Gefässveränderungen oder geschwächter
Herztätigkeit ausserordentlich zu gefährden vermögen. Infolge¬
dessen ist die Anwendung des Atoxyls auf Patienten zu beschränken,
die kein Quecksilber vertragen oder deren Allgemeinzustand gehoben
werden soll, wie z. B. bei der Syphilis maligna. Schwere oder
drohende Manifestationen der Syphilis sowie die Lues der Schwan¬
geren sind von der Atoxylbehandlung auszuschliessen.
A. Dworetzky - Moskau.
Inauguraldissertationen.
An dieser Stelle verdient eine juristische Arbeit von Fritz
Koppe (Erlangen, 1907, 92 Seiten, Druck bei Ewald Dick, Elber¬
feld) Erwähnung, die sich betitelt: das Recht am eigenen
Körper; insbesondere seine Gestaltung bezüg¬
lich der Bestandteile, die vom Körper getrennt
werden. In einem kurzen Anhang wird über das Recht an
künstlichen Bestandteilen und Ergänzungen des
Körpers berichtet.
11 z i n a liefert einen Beitrag zur chirurgischen Be¬
handlung der Basedowschen Krankheit (Berlin 1907).
Ein Ueberblick über die verschiedenen vorgeschlagenen Methoden
der chirurgischen Therapie dieses Leidens macht den Eindruck, dass
diese Behandlung eine relativ undankbare Aufgabe der Chirurgie
wäre. Die Zahl der Rezidive, unvollkommener Heilung und der
Todesfälle übertrifft die der vollkommenen Heilungen. Allerdings
scheint die S t r u m e k t o m i e, besonders die partielle, bessere Re¬
sultate zu haben, also die relativ beste Behandlungsme¬
thode des Morbus Basedowii zu sein. Die Mortalität bei dieser
Methode ist gering, während sie bei der inneren Behandlung immer
noch 12 Proz. beträgt.
Hermann W eisbein liefert in einer Berliner Dissertation Bei¬
träge zur Behandlung der Placenta praevia mittels
vaginalen Kaiserschnittes und kommt zu folgenden The¬
sen: In allen Fällen von Placenta praevia, bei denen die das Leben
gefährdenden Blutungen eine schnelle Operation notwendig machen,
und die enge, noch wenig entfaltete Zervix sowohl die Wendung
nach Braxton Hicks als auch die Metreuryse ausschliesst,
ist der vaginale Kaiserschnitt indiziert. In den meisten
Fällen, wo der vaginale Kaiserschnitt indiziert ist, kommt man mit
der Hysterotomia anterior aus. Fritz Loeb.
Neu erschienene Dissertationen.
Universität Freiburg. Juni 1908.
Min ski Leo: Zur Frage der Tuberkuloseheilung im frühen Kindes¬
alter.
Hildesheimer Salomon: Ein Beitrag zur Kenntnis der Akro-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1454
MtlENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nr». ;
megalie mit besonderer Berücksichtigung der Sclincrvenbetcili-
gung.
Schneider Erich: Ein Pall von aussergcwöhnlidier Grosse eines
kindlichen Wasserkopfes.
Zimmer mann Alfred: Ein Beitrag zur Aetiolngic der primären,
endogenen Uveitis nach dem Material der Ereiburger Universitats-
Augenklinik.
Spilieke Ernst: Traumatische Lungentuberkulose.
Deich mann Eritz: Zur Actiologie des Caput ohstipum musculare.
Weber Ernst: Ein Beitrag zur Kenntnis der malignen Geschwülste
des Hodens.
Universität Rostock. Mai 19iis.
Langbehn Willy: Zur Kasuistik der traumatischen Erkrankungen
des Magens mit besonderer Berücksichtigung des l’nfallversjJie-
rungsgesetzes.
Rettig Hugo: Statistische Mitteilungen über das Vorkommen der
übertragbaren Geschlechtskrankheiten in Rostock tur den Zeit¬
raum 1897—1903.
Osteroth Emil: Ausgedehnte vikariierende H\perphasie des linken
Leberlappens infolge schwerer Echinokokkussacke im rechten
Lappen.
Keimer Paul: Zur Behandlung der inkarzerierten Hernien, speziell
bei Gangrän und Gangränverdacht.
Witte Ernst: Ausbreitung der Stirnhöhlen und Siebbein/ellen über
die Orbita.
Meine rtz J.: Tuberkulose und Blutströmung. Untersuchungen
über experimentelle Nierentuberkulose unter geänderten Zuku-
lationsverhälhtnissen (venöser Hyperämie der einen Niete durch
Unterbindung ihres Ureters). (Habilitationsschrift.)
Vereins- und Kongressberichte.
V. Tuberkulose-Aerzte-Versammlung
in München am 15. und 16. Juni 1908.
Berichterstatter: Dr. K. K. Ranke- München.
In der Vormittagssitzung des ersten Tages, die unter dem Ehren¬
präsidium Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Lud w i g E e r d i n a n d
von Bayern von Hofrat Dr. E. May geleitet wurde, gal) Herr
Professor Friedrich v. Müller Leitsätze zur Frühdiagnose der
Lungentuberkulose. Der klare, durchsichtige, das Wichtigste mit
sicherem Griff hervorhebendc Vortrag, dem die sehr zahlreich er¬
schienenen Kongressteilnehmer mit grösster Aufmerksamkeit folgten,
war eine glänzende Eröffnung des Kongresses, der auch in seinem
sonstigen glücklichen Verlauf wohl geeignet war, das Interesse wei¬
terer Kreise auf die Grösse der in Angriff genommenen Aufgabe hin¬
zulenken, wie auf die Notwendigkeit, die furchtbare Seuche noch
energischer und erfolgreicher als bisher anzugreifen.
Da der Vortrag Herrn v. Müllers in dieser Wochenschrift
demnächst in extenso veröffentlicht werden soll, genügt es hervor¬
zuheben, dass er in erster Linie die Bedenken, die der Diagnose so oft
entgegenstehen und die Fehler, in die man bei ihr verfallen kann,
klarlegen sollte.
Im Anschluss an ihn demonstrierte Herr v. Müller anatomische
Präparate und Herr Prof. Rieder eine Reihe sehr gelungener
Röntgenaufnahmen der Lungen. Prof. Rieder führte dazu aus:
Während die Perkussion und Auskultation mehr ein Oherflachenbikl
geben, ist die Röntgenuntersuchung imstande kleinere und namentlich
tiefer liegende Herde aufzudecken, von denen mau vorher keine
Ahnung hatte. Häufig lässt sich eine Erkrankung der Bronehialdrusen
nachwcisen. Wie die Röntgenbilder zeigen, sind die Spit/entuberku-
losen meist nicht lokal, sondern -das Innere der Spitze und der Hilus
sind meist miterkrankt. Das Röntgenverfahren zeigt oft eine ganz
ausserordentliche und sehr überraschende Verbreitung der Tuber¬
kulose. Dagegen muss zugegeben werden, dass es nicht gelingt,
frische aktive Herde von inaktiven zu unterscheiden. Deshalb ist
es nötig, die physikalischen Untersuchungsmethoden mit dem Ront-
genverfahren zu kombinieren. Auf diese Weise lässt sich das
sicherste Urteil über Diagnose und Prognose erzielen.
Aus der nun folgenden Diskussion ist in erster Linie lier-
vorzuheben, dass der von v. Müller aufgestellte Satz, n u r di e
physikalische Untersuchung kann die für den Arzt
wichtigste F r a g e entscheiden, ob ein fortschrei¬
tender, der Behandlung bedürftiger Prozess in
der Lunge vorhanden sei, von allen Diskussionsrednern als
richtig anerkannt wurde. Selbst ein so ausgesprochener Anhänger
der Tuberkulinanw endung wie Herr R o e p k e - Stadtwahl-Mel¬
sungen führte aus, dass nur die klinische Untersuchung entscheiden
könne, ob eine aktive oder obsolete Tuberkulose vor liege. Dieser
einstimmig akzeptierte Standpunkt war auch von Herrn v. Müller,
wie aus seinen einleitenden Worten klar hervorging. schon mit der
notwendigen Einschränkung gedacht, die Herr P e t r u s c h k i -Dan¬
zig aussprach, dass er nur für die Lungentuberkulose
Erwachsener, nicht für Kinder, Geltung besitzt. Ein negativer
physikalischer Lungenbefund kann bei Kindern natürlich nicht als
Beweis für das beiden einer Tubeik#-se uberiiauH Kn ;t/t we h.
bei denen die Tuberkulose meist picht in den 1 imgen. v » 'c'p
L ymplidf useusx stein ihren \iitung nimmt.
Em weiterer Satz Herrn v. M u . . c r s. K: w edetk« Kn I
kulmmipiungen irgendwelcher Art ist d.ts Vittreteu tme r V
ph\la\ie stets als möglich zu betrachten und als beweisend s - :
Iler mir die prompten, starken Reaktionen .r/nw i.t n. wim .e i
gegen mJit so einstimmig angenommen. Herr Pt t r u s c t; k i - 1 \.
zig und Herr R o e p k e - Stadtw ahl-M< si:uc.tu gunKn r ,e t * a .
d.erartiges beobachtet zu haben und seien da.-.er ::: der V ap x \
keine in Betracht kommende I e ii.e miie e t .r d;e I i:‘ e • ►
diagnostik. Herr R o e P k e Iiu it atu h vite « u t.ihr. d.e aus v!e r g-
I 'nr egelmassigkeit der I t mpe ra'.ur kir \ e n I u 1 e *k.. • ->e r suh T .r
Beurteilung \on Me ige' imgcn nadi I ut e r k u mm-e ► t ne n e r ^ * t. •
nicht so gross, wie der Re K nut. und betonte, duss .i s Ks. : ‘ c
weisend angesehen werden müsse, wenn bei Ine-P. m de r ge.
Dosis das zweite Mal eine höhere I e mpe : atnr ste u.e • :i"g ai.
I >as Kapitel eie r I u I e r k u 1 i n s c h .i d e n. v.us o e st - - *
Anitauger dieses Mitte \ s.. g, rn ganz sfeuinn " • - bte •». w '
mehrlach gestreut. Herr x. Mn lief li.it i,idi d .i .. 1 e 1
spr it/ungeti mehr mais Ihmiopp.em nn .1 a l nt e ' t /e ’* e ir I ’ e • • ■
\ er scluimmer uiigeu eler 1 ube r kn'oe.; be • b.u ute t. Me'f K < ■ . e '
llo|si er hause n sah Hach eler Upi thu "wie .ik t, n <: e \
I über keiKiiotc hen auitre teil. Audi Ile • r g Ti r o d e r - >. " " '
sah im Anschluss an ehe I uK r Kii.m'pf obe 1 ui er \ • rr I'.
Herr S e h r o d c r - Sdi-mibe rg und Ht r r R"'i iiteM-
galt sprachen ferner über die Methodik des Vi*>w nvs e • ” i
peraturSteigerung elurdi Koi perhew e gun.g . P e t r u s k h s i - i
Ritter- Geesthacht und S b < • t t .» - Rv <| < . ds.. :a .der den l --
leim.idiw eis uu Sputum.
Herr I. a ii d m a n n - I '.ir mst.id.t i.iiid bei D.rub.m.. s\ pei\ ‘ e ••. :
Tllberkulol B die Ko«.p!e melit.d'e nk ur N mit ti 1 e ' k ;i .• c m 1 n .
extrakt positiv, mit normalem l.ur.ct ne vtrast üue get» n.e^at-x . 1 '■
Resultat ist aber desha.b mdit imdeut.g imd t.r d..e I - m '■e x •.
w uidhar. weil E. mit dem I xt’akt eim r s.o k> •iiut-s; r, 1 im.:e w e
eine positr e Konp.e ine nt.d ,e hm;:- g er hu 1t. I . r den I ;d •. • *
bazillellliaeilw eis empbeh.t E. ile ll Iterxervidl as am *•
rauhend. Er sei in •> Minuten er ie Jut. w .tlrus! man s. nst .:t st
den lang suchen müsse.
Herr b r a n c k e - M mu he n weist aut su: e IP ' .id.!,.:.,^'
ehe (ielassstre Heil hm und I dtet um düng se er !ü s. t.-. te
Audi seien ehe sclimer zliatten >e'">.i!i"i l efi rv lU'e d: der e • k ■ .r
Pleurapar tien, darunter audi der I »nie ksc mue :/. se -r der Be.u t
Wert. br eie ni"iistr iert einen neuen I ’e i k ussi. : c .m me r.
/u den Demonstrationen Herrn Pr I. Rieders lernest M
K. b. R a ii k e - Mundie n. dass ö.e 1 't utiüge n de I R- • ‘ge :b ..der \ .
fach noch redit w ü.kui üdi sind. 1 ur randte' dieser I »e nt u” c« s
keine patllo|ogisdl-auatomi< v hen Para, eell bekannt. I ‘ s{ e
grossere Reihe elurdi die (M\!ukt: n k'Vt'". a der P». de r u m! :■ .
die ..Mhatten mul Mrange“ der R. «mgenbi !e r ruht g deuten it • -e •••
Im Schlusswort bedauert Herr x. Muilir. , .iss m de’ 1 ’ n
kiissi«ui nicht naher aut die ph\sika'isdie l nte r ' c rigu.i'
worden sei, und Weist llodl daraut hm. diu e e l.de’k.. s ; ■ .
so selten nicht ui den l.iingerispu/eu be..:’ ne. W .m die s;«||H,d
Reaktionen angeht, so seien sie gewiss p;r eie 1 sc ur w u t .
Immerhin muss ehe K'>i:tro de de r k\ .ö : • -’s'e su t.i'.e d.rd: ehe < *'
tum erst abgewartet w e lei» n. 1 ir e’.:e l h »griose an s:. h gei-'t
Zukunft den spe/ilisdien Reavti'-nn. I r ...e l ;;s v ia N . -P .d-t \
oder maktix. abe r e!e r pl:\s.ka a, in n l Mersud iPi,: IU r r p- :
R I e el e r antwortet He rrn Ranke, afch er se i de r M. g.
die pathologische Anatomie für ehe I »e utung de t R ut v e •• 1 : dt r , .-s
letzte Wort zu spr ec heil habe. I s sei ater. I es. uders I.. r du : :. -
gminndeii lalle, sehr sdiw er. solche < »I Eikti-au u zu erh.ideU
Den erstell \ ortrag in eler Sit/'O'g des /ue te m k on»;*e sst.o.
ehe du (eil ehe Anwesenheit Sr. Kgi. H !:e it di s Prin/i tjd u d w . v
ausgezeichnet war. hielt Herr R o c p k c - stadtw .d !-NU Aimce tt
das 1 he ma: Welche halle von I ar> nvluKtrkulose können In eien
VolküheilMattcn mit Frlol« behandelt werden? h t de k t
kopftuberkulose analog der l mu-. ••!:;! e -1 uiose in d >t.‘‘efi em. w ...
bei unter dem 3. Studium r.nm uh nuiut mehr ,i' pf.’.ri W um c -
ruilgen titlel l Izerati-me n. s<-w :e pei idrond* s v 1 /•m s* r-.;;■ m ■;
verstehen sind, so sind die b'iiil iii.itoiun I I, I • II tmd II I.
Wenn kein lieber \ orliamle m für die Amt .d-me me • t \ • 't. -, e
geeignet. Die Kombination der I ei.lui 2 s, .i hü r et de • r • •<
R. empfiehlt aber audi soRiie lulle auf/ime d " l n. u: : zu ’e ’.u'e
Weil wir mit ihnen \or einem f 1 '• .;n. ,c* v i , M ,, ,, • ... # vpi,-.
In der Diskussion emphei;t s c h r o d e r - s^ • . ”'--i • ^ de
Ausdehmmg der Kur für ehe I ur\: xtu: e -m •( | ;f 4 r« V,
Des weiteren sprechen muh Herr R u m p i - 1 P le u-1 d 'e n ut J Me"
K o c h - Sc hotiiber g.
II. Prof. A. Kay scrllnt-M. ' n sp-.d:: l eher die Fntwick-
lung der Auskunfts- und Fiirsorgestaiten für 1 ungenkranke und deren
weitere Ausgestaltung in Deutschland. Ir e • ; ' : v -r u ■.
Untersuchung eler lamme, ui e 'baupl de- s- . n l " oh- • . s
fortgeschrittenen 'bube' mi • se ti. In 1 ’.e : m f. • 1 s v d. ; e. ku e'"e
Itiebtinfi/ierte bumiiie. w *mn sie mit d-I •:'•'* >•. p n u/h’i
Raum bewohnte. Ihe wichtigste Angabe vier Se c l a'i.ptimg ist
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UNIVERSITY ÖF MINNESOTA
1. M i0öä.
MUfiNCHENfig MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1455
die Beschaffung normaler wirtschaftlicher Verhältnisse in der Familie
des Tuberkulösen, wozu Qeld und eine sehr genaue Kenntnis der
• sozialen Gesetzgebung erforderlich ist. Jeder Infektiöse muss ein
eigenes Zimmer zum Schlafen und Wohnen haben.
In der Diskussion sprechen Becker-Charlottenburg und
Fr an k e n b e r g e r -Nürnberg über die Einrichtung und Finan¬
zierung der dortigen Fürsorgestellen, Geheimrat Kehl- Düsseldorf
über die Tuberkulosebekämpfung auf dem Lande, R a n k e - München
über die Notwendigkeit die oft sehr lange vorhandene teilweise Ar¬
beitskraft des Tuberkulösen zu dessen Unterhalt heranzuziehen und
Arbeitsnachweise für solche teilweise arbeitsfähige Kranke zu
schaffen. Cohn- Posen über die Versorgung der der Ansteckung
ausgesetzten Kinder, für die er Walderholungsstätten mit Nacht¬
betrieb und Abgabe von Leberthran und Milch durch die Fürsorge¬
stellen empfiehlt. Stadtrat Z a m t e r - Charlottenburg hält nur die
Behörde, nicht den privaten Verein, für fähig, eine systematische
Seuchenbekämpfung zu betreiben. Prof. Pannwitz - Berlin
schliesst sich den Ausführungen Rankes an. Wo leichte Arbeit
nach der Entlassung aus der Heilstätte beschafft werden konnte,
haben sich wesentlich bessere Resultate erzielen lassen. Stabsarzt
Pannwitz - Hohenlychen schildert die dortige Kinderheilstätte, der
eine Ferienkolonie für tuberkuloseverdächtige Kinder, sowie eine
Haushaltungsschule für Mädchen und eine Gärtnereischule für Knaben
angegliedert ist. Kreismedizinalrat Messerer -München schildert
die Verhältnisse seines Kreises und Herr Geheimrat Liebrecht-
Hannover spricht über die Misserfolge einer ländlichen Kolonie, die
auf einem Bauerngute der Lüneburger Heide eingerichtet worden war.
III. Stabsarzt Dr. E. Kuhn- Berlin demonstriert seine Lungen-
saugmaslce, deren Anwendung und Wirkung auf den Brustbau an
mehreren Hunden gezeigt wird.
In der Diskussion wird von den Herren Ritter-Geest¬
hacht, Sobotta - Reiboldsgrün, Schröder - Schömberg, P i -
schinger -Lehr und Rosenfeld -Stuttgart übereinstimmend das
Fehlen einer deutlichen kurativen Wirkung hervorgehoben. Da-
I gegen sei die Maske oft sehr brauchbar für die Bekämpfung von
i Husten und Kurzatmigkeit, und es sei noch keine Schädigung bei
i ihrer Anwendung beobachtet worden. Im Schlusswort empfiehlt
! Kuhn die Saugmaske besonders für die Frühfälle und ganz be-
i sonders bei Kindern, deren Brustbau noch in günstigem Sinne um¬
geformt werden kann.
IV. W ich mann -Hamburg: Die Behandlung des Lupus.
V'ortr. empfiehlt nach synoptischer Besprechung der vielen Be-
nandlungsmethoden die heute in Gebrauch sind, Finsenlicht, Rönt-
«tnstrahlen, und für Frühfälle vor allem die Exzision. Die fortge¬
schrittenen Fälle gehören in die Behandlung von Spezialisten und
i3 Lupusheime.
In der Diskussion zeigt Röpke Photographien von einem
curch Tuberkulin gebesserten und dann durch Exzision geheilten
Aapusfall. Herr H e u c k - München hat von der Exzision nicht so
gute Resultate gesehen wie der Referent, Herr Francke -München
empfiehlt da, wo die Röntgenstrahlen versagen oder zu teuer sind,
die Kombination derselben mit einer Behandlung durch Resorzin
iusserlich und Kreosot innerlich.
Im Schlusswort hält Herr Wichmann an seiner Empfehlung
:kr chirurgischen Behandlung fest. Namentlich Kinder sollten ihr
stets sobald als möglich zugeführt werden.
V. C u r s c h m a n n - Friedrichsheim: Inwieweit ist eine Tren-
bhb£ der offenen von der geschlossenen Tuberkulose in den Lungen¬
heilstätten erforderlich und durchführbar?
Vortr. verneint sowohl die Notwendigkeit als die Durchführ¬
barkeit dieser Massregel, womit sich sämtliche Diskussionsredner mit
Ausnahme von Herrn Kreisarzt Dr. K r i e g e - Barmen einverstanden
trklären.
33. Wanderversammlung der Südwestdeutschen Neuro¬
logen und Irrenärzte.
Die Versammlung fand wie alljährlich in Baden-Baden statt,
-in fessle 3 Sitzungen am 30. und 31. Mai und wies eine Präsenzliste
i 100 Namen auf.
Der Geschäftsführer H o c h e - Freiburg eröffnet, entschuldigt die
Anwesenheit des in letzter Stunde abgehaltenen 2. Geschäftsführers
^aqcer- Frankfui t a. M. und gedenkt dann in warmen Worten des
•erstorbenen Hitzig- Als Vorsitzende für die Einzelsitzungen
OJägt er die Herren K r e h 1 - Heidelberg, E r b - Heidelberg und
’• fs s 1 - Heidelberg vor, als Schriftführer die Herren Bnmke-
-eiburg und Rosenfeld - Strassburg. Die Versammlung
>-ir.unt zu.
1. Sitzung.
f u gibt einen Rückblick und Ausblick auf die Ent-
® ~ ne, ”L Ä-i #« c |ien Nervenpathologle im letzten halben Jahr-
jeklwig der daran, dass die Psychiatrie, welche heute iiber-
- E I. en .' I in den 70 er Jahren von der inneren Medizin
- ^Inständig ist, dass die Nervenpathologie von den Lehrern
^zweigt ^ ur J I . e ' f,#»irründet, durch die Psychiater gefördert und
; inneren Medizin oegrui
vor allem von den Elektrotherapeuten auf die heutige Höhe gebracht
worden sei, dabei aber noch immer der Selbständigkeit entbehre.
Er verlangt eigene Lehrstühle, eigene Kliniken und eigene Ambula¬
torien für Nervenheilkunde; wo dies nicht zu erreichen ist, soll die
Neurologie bei der inneren Klinik verbleiben, aber nicht mit der
Psychiatrie vereinigt werden. Endlich gedenkt Erb der Gründung
der Gesellschaft deutscher Nervenärzte, die er als den sichtbaren
Ausdruck der Selbständigmachung betrachtet.
S t a r k - Karlsruhe spricht über einen Fall von geheilter Menin¬
gitis tuberculosa, bei dem die Diagnose durch 8 Punktionen einwand¬
frei festgestellt ist. Bei der 1., 3. und 4. Punktion wurden in der
Lumbalflüssigkeit ziemlich reichlich Tuberkelbazillen nachgewiesen,
bei den vier letzten Punktionen nahm die Leukozytenzahl ständig ab,
Tuberkelbazillen fehlten ganz. Der Eiweissgehalt der Lumbalflüssig¬
keit nahm von Punktion zu Punktion ab. Der Patient wurde nach
einigen Monaten mit grosser Gewichtszunahme 'entlassen.
H ess- Würzburg erläutert in seinen Ausführungen zur Physio¬
logie und Pathologie der Pupille, dass die Pupillenreaktion von einem
kleinen, höchstens 4 mm breiten Bezirk rings um die Fovea abhängig
ist, während die übrigen Teile der Netzhaut motorisch nicht wirksam
sind und die motorische Erregbarkeit auf der nasalen Seite viel
schneller abnimmt als auf der temporalen.
Zur Untersuchung der hemiopischen Reaktion, für die H e s s den
Namen Hemikinesie vorschlägt, hat er an Stelle der bisherigen Metho¬
den einen neuen Apparat konstruiert.
Auf Grund seiner Untersuchungen an Tag- und Nachtvögeln
nimmt Hess an, dass im Sehnerven Sehfasern und Pupillenfasern
noch nicht getrennt seien.
Weygandt- Würzburg gibt Beiträge zur Lehre vom Mongo¬
lismus. Die 3 Hauptcharakteristika dieser besonderen Form des an¬
geborenen Schwachsinns sind
1. die eigenartige Physiognomie, die den eigentlichen Rassetypus
des betreffenden Individuums verwischt;
2. das eigenartige Verhalten des Stütz- und Bindegewebes:
Hypotonie der Gelenke, verkrümmte Knochen (die Verkrümmung ist
geringer wie bei Kretinen), rissige gefurchte Zunge, Hyperbrachy-
kephalie;
3. der psychische Habitus, ausgezeichnet durch die leichte Reiz¬
barkeit und die grosse Neigung zu Scherzen.
Weygandt demonstriert die lebensgrosse Abbildung eines be¬
sonders typischen Falles und zieht aus einer Reihe von Sektionen
den Schluss, dass es sich beim Mongolismus um ein Gehirn mit eigen¬
artiger Degenerationsform und kindlichem Habitus handelt.
Da die mongoloiden Kinder vorzugsweise Kinder von alten
Eltern sind und da meist das letzte Kind einer Familie erkrankt,
dürfte es sich um ein Erschöpfungsprodukt handeln.
Der Vortrag von K a p p e r s - Frankfurt über strukturelle Ge¬
setze im Gehirnbau eignet sich nicht zur kurzen Wiedergabe.
Beyer- Roderbirken sucht zu beweisen, dass durch den Kampf
um die Rente bei nicht traumatischen Neurosen das gleiche Bild wie
bei den traumatischen erzeugt wird. Invalidenversicherung und Pen¬
sionsberechtigung, Beeinflussung durch verwandte Rentenempfänger,
Verlobung und Heirat sowie endlich das Interesse der Arbeitgeber
an billigen Arbeitskräften werden als treibende Kräfte beschuldigt.
2. Sitzung.
E d i n g e r - Frankfurt a. M. hält das angekündigte Referat
über Die Gruppe der Aufbrauchkrankheiten.
Er wiederholt und vermehrt zunächst die grosse Zahl von Bei¬
spielen, die er im Vorjahr aus seiner eigenen Erfahrung angeführt hat
(s. diese Wochenschrift 1907, No. 28), und die vor allem die Mehrzahl
der Neuritisformen als Aufbrauchkrankheit dartun. Dass die Neuritis
regelmässig solche Individuen betrifft, die durch Blei, Alkohol oder
Tabak oder auch durch die Toxine von Infektionskrankheiten ver¬
giftet sind, widerspricht dem nicht, ist vielmehr so zu er¬
klären, dass die Funktion vergiftete Nerven
leichter erschöpft als andere. Der allmähliche
Aufbrauch führt nicht bloss bei den peripheren Nerven,
sondern auch im Zentralnervensystem zu Erkrankung. Hat jemand
in der Jugend eine poliomyelitische Lähmung erlitten, so tritt oft
Jahrzehnte später eine neurotische Lähmung der anderen Seite ein.
Sind die einzelnen Teile des Zentralnervensystems zu klein angelegt,
so müssen sie schliesslich selbst den normalen Anforderungen er¬
liegen. Das beweist z. B. der Umstand, dass die Friedreich sehe
Krankheit stets Kinder mit zu kleinem Rückenmark betrifft.
Auch die luetischen Hirn- und Rückenmarkserkrankungen sieht
Referent so an, dass die Syphilis die betroffenen Organe so schwächt,
dass sie den normalen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind.
Tabes und Paralyse sind ein Additionsprodukt aus Lues ~h Erschöp¬
fung. Das beweist z. B. die akute Verschlimmerung, welche Tabiker
nach aussergewöhnlichen Anstrengungen erfahren, das beweist u. a.
ein Fall, wo nach mehrwöchentlicher Seefahrt Ataxie der Arme ein¬
trat, weil sich der Kranke viel an Seilen festhalten musste, das be¬
weist auch der Umstand, dass bei den Japanern nach einer Mit¬
teilung von B ä 1 z die Paralyse erst seit dem grossen industriellen
Aufschwung des Landes in den letzten Jahrzehnten auftritt. End-
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1456
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N
lieh beruft sich der Referent noch auf die \ oivuglicheii I iio’ge dei
Schunungstlierapie hei Tabes.
In der auf das Referat tollenden eingehenden Ihsk ussmii
will Hoc he die 1: d i n g e r sehe Theorie insbesondere nicht im
das Zentralnervensv’stem gelten lassen. 1 >ie Paralxse hetiirt ia nicht
bloss Personen, welche besonders intellektuel tätig sind, und die Ver¬
blödung schreitet auch dann noch fort, wenn der Erkrankte über¬
haupt nicht mehr geistig arbeitet. Auch der monotone. txpisjie \er-
lauf von Tabes und Paralyse widerspricht E el i u g e r s Anschau¬
ungen.
Determann erklärt auf Orund von ca. 1*«» Tubesfälleii. dass
Ataxie der Beine vorzugsweise solche Personen betreffe, welche die
Beine besonders anstrengen (z. B. Reiter). Ataxie des rechten Armes
vorzugsweise Leute, die viel schreiben.
Leute mit stehender Beschäftigung (Bureaubeamte) sollen be¬
sonders Seiisibilitatsstörungen der Beine, Leute, die oft genötigt sind,
den Harndrang zuriickzuhalten, zuerst Blaseustoruugeu auiwuwn.
Nicht verwendbar ist die Ld inger sehe Theorie für die Mn-
nesorgane.
E r i e d 1 ä n d e r fragt den Referenten, w ie sich die Pr folge de r
Uebungstherapie mit seiner Theotie vereinigen lassen.
Hess erwähnt eine Beobachtung aus England. wonach post-
diphtlicritische Akkommodationslähinuug m solchen Krankenhäuser n
nicht auftrat, wo man den genesenden Kindern das Lesen imle i sagte.
Lilienstein erwähnt den Lall eines Bleikranken mit Optikus¬
atrophie, dessen 'Tätigkeit darin bestand, dass er in einer l.etteiu-
fabrik die Lettern mit der Lupe auf f ehler untersuchte.
(iegeniiber Hoc he fuhrt er aus. dass das (ielnrn des paia-
lytischen Taglöhners durch < icnmtscrrcguugcn ebenso erschöpft wer¬
den könne als durch Denkarbeit.
Hegen die L d i n g e r sehe 'Theorie scheint ihm der mangelhafte
Wiederersatz erkrankter Nerven zu sprechen.
Bing erklärt, dass in bezug auf die Tabes folgendes gegen
Edinger spricht: Ls gibt Lalle des dauernd präataktischen >ta-
diunis, welche trotz Missachtung aller Scliouungsvorschi Uten nicht
schlimmer werden; andere Kranke erfahren trotz sofortiger Heil¬
behandlung vollkommene Lähmung. Bei konjugaler Tabes zeigen
sich zuweilen die ersten Symptome bei beiden Ehegatten an iden¬
tischen Stellen und endlich erkranken im N. opticus die am meisten
gebrauchten Lasern zuletzt.
Lrb hebt ebenfalls das monotone Bild der 'Tabes bei V inuern
und Frauen aller Beruisstände hervor, in Pro/, aller labest.ule \er-
laufen ohne Pupillenerkrankung, obwohl alle Kranken ihre Augen
sehr viel gebrauchen, (ianz besonders spricht gegen die L d inger-
sche Theorie, dass keine Tabes ohne Lues, lediglich durch Autln auch
entsteht.
Kohnstamm erzählt den Lall eines Knaben, der mit 1 2 .1,ihren
das Olekranon gebrochen hatte und erst mit lt> Jahren eine Uluaiis-
lähmung bekam, als er anfing Violine zu spielen.
Nissl gibt nicht zu, dass Veränderungen der Ner\cnzellcn
durch Ueberanstrengung bewiesen seien. Die Versuche, die zum
Zweck dieses Beweises gemacht wurden, wie z. B. das Amhaiigeu
von Ratten am Schwanz, stellen nicht eine l eberaustrengung. son¬
dern eine Malträtierung dar.
La udenhei mer fuhrt zur Unterstützung der Imlinger-
sclien Theorie den Lall einer Dame an, die als uriges Mädchen den
Ellbogen brach und II) Jahre später beim Reiteulei neu eine Nemitis
der Arme erfuhr, sowie den Lall einer Masclnueuschfeibcti.fi, deren
Tabes an den Armen begann.
Im Schlusswort erwidert E d i n g e r auf die einzelnen Liuw amlc,
dass ein Ersatz der geschädigten Nerveiisubstanz aiuli bei voll¬
kommener Schonung deshalb nicht stattfindet, weil im Nervensystem
des Erwachsenen keine Kernteilung mehr statthat. dass die l ebungs-
therapie deshalb nichts gegen seine Theorie beweist, weil sie keine
wirkliche Anstrengung darstellt, und dass das Lortscbreiten \on Para¬
lyse und Tabes dadurch zu erklären ist, dass der Kranke von seinem
Nervensystem immer noch so viel verlangt als früher. Seine <L d i u -
gers) Hypothese gibt eine Erklärung fiir jedes einzelne Symptom ;
das leistet keine andere Hypothese.
Die Ausführungen von Kohnstamm und Q ii e n s e I - König -
stein über den sensiblen Kern des ersten Kopfmetamers eignen sich
nicht zum Referat.
S. A u e r b a c h - Frankfurt a. M. schildert die operative Epi-
lepslebehandlunK an b Fällen, die seit s - J.s Monaten geheilt, be/w.
gebessert sind. In einem Lall trat ein Rezidiv ein. als der gebildete
osteoplastische Schädellappen wieder verknöchert war. Besonders
bemerkenswert ist der Lall eines Knaben, der im Alter von m Jahr
etwa 20 heftige Anfälle pro Nacht erlitt, beinahe verbindet ui die Be¬
handlung trat und jetzt in der Schule ganz ordentlich vorwärts
kommt.
Redner verbreitet sich dann über Kochers 'Theorie, welche
die Dauertrepanation als eine Ventilbildung zum Ausgleich von Druck-
Schwankungen im Schädelinncrn ansieht, er schildert Friedrichs
Operationsmethode durch Kraniektomie und Exzision eines Stuckes
der Dura und geht des näheren auf die Ansicht ein, wonach die Epi¬
lepsie keine konstitutionelle Neurose ist, sondern auf entzündliche
\ oi <, 111 c am < k h i in m t• ,,h. r I . I zu . • ■ t w c T .
1 ,i 1 i der opei ie X tui I am s ,:..i.c • i.d m : * t bo!i ii.
W i n d s c h c i d - I v p- g v '< ' ' d e \m • m :mut g . .
malischen Reflexepilepsie *:mi Bi .m n ,n.:
1. Der Kranke muss u.u hu e c .u v • u dem l : :af ; lo ’■>'
Wese n Sein (Sehr sdroi zu )\ o < Nm.
2. ile r e i ste An lall du I i.u !it u t u! h.i- I: de m .r .m ' •
Unfall aufgeti eten sein th«. w l,Me i.s 5 l./e v;.
X nach Exzision der Narbe* m ."Ven \ mm .•..** • -* t *i •
ZU bedenken ist. dass I ;',’t|'ve aiivli x • ” v t .0 '' • 'te
l nter 72 eigenen I .«..e n. d:e aut e m I .i zu- «I g. *
den, kann er so mir f als tr. ■;in..i!is l : e R ‘evev-me I < ■
Besomlef s bemet ki nsw c f$ ist en I .i 1. w i ! .u!. I "tte*: .
Endgliedes all einem f inger vier linken 11.u I de V V e \-
\r ui ausgehend zu a 1! ge meine n K ’ .m ;:ei i 1 • !i n. V . h I \ .* ■»
Narbe hin hem die Aul.ne II M umie weg. d.e-u tratmi se \e
aut mul 1 11 1 11 teil \c fim.ss:fc*% zum I >d . dm \ nt ; ve tm-d' n . «
des i e c hte u Stil rhu ns.
\\ i n el s c h e i d g .ml t. dass liier 2 \ r te u x :i \ :. c *; S
eile erstell relle kt<U IS Jl. ehe sp.-telell du* du den I uv Ie.. • gt.
van den V c I d e n - D..sv 'bat au -47 I ;> ept.m-::
suche über Chlor- und Bminstoit»echsel ge: m, nt Da . e !
medikatioii li.iupt s.n Im«, h vluuii i sitc. W;>e. s s e
k« »disalzai me K"st ersetzt We'deii.
Ci e r h a r d t - Basel lusd.reit \ .- r f • e \ ■ u Meningitis svi
deren interessante 1 mze du ite u |e r:.n:, » \ e ■ • m v ■ : u e ” •
einem Zlll Mektioii gehllute n i .i.i batte n ii.ttax t u.’H K
tiopvu elreimal hinteremai.der eleu /u st.n ! .n.sse •• •mte et ..b ^ • -
elami x er sagten sie.
d. Sitzung.
Diese Sitzung war xmuieoiiJ eie| au.it -u .s v !;.h.st ^
\ortr.igen gewidtiet. 1 be Mitte. imge n vmi
Oppenheim - I ml tag: l eher pmioplasmatischc Cjlijst
turen,
Törtter - Leipzig! leber ea.eii unter e 1 -. P- .1 Ar ’
sixen Paralxse xetiautetun I a.i x <>ri (ieschw ulMhildung im xordv
Dalken,
V o K U I ranklurt: l el er Au I .i !e x n tuberöser Sklerose.
Härtels - Ni assbur g : l eher Augenhintergrundsx erander im
müssen in de n austidir lu he n \ eii ’M'f r..u'ge e s t w . •
Der letztgeiiamite Redner g.ht au. C.ins 1 a e \*m re.ue’ M
er kr.tiikimg x or k--imite n, bei x\e.vt:en tme N.aanyx; . e .. ’
die Xon iler zeiil’Mu n nu iit zu nute : s v :a .vh n ist.
v. M e s s I - I eip/ig li.it l r.te imu himg u'er he 1 ■ *..
der motorischen Aphasie gemacht, etie n.u n Pierre M a f ■ e s .
sihemrr ege ude r Behauptung nivlit in eler dt :tte n 1c ke n Mt • •
lokalisiert Sein s-dl. Die Zit'tr.uii \ iislu e u! äe s fh ;> .
tretten zusammen mit Ue m le i. I'ei dessen /emt -wg r t * m
Aphasie e 111 1 11 ; t, d. h. mit der I Ö*\s^ h eite.
Schreiber und \N c > I e r - Hei !e ht i r g hat i n dum h I
xon >ch.|ifiieh<d ms \nge Mitosen an den (langlivn/ellen der Nei/Ii
ei zeugt.
I) r e > f u S S - Ile nie d e rg li.lt Xeisiivht. d.e P« 1 s ■( :i ;• t n
vöser I)>spepsie m x e ■ schmale ne «jruppen zu Um”, i." s ■ , i |
keimtms einer Kränkln it zu tmheiu. n • -i» der 11 g h i ^ : ’.stst. *
die Mageuer sc t|e immge u oder die f.e rxnseii >*>< ir.,e: . ..s | •
sind, f r unterscheidet:
1. Pei sollen mit erworbener Ne uhntiaire. w ' . e d \m ;
sehen Ersehe mim geil ehe ursp: .ng <v Ii .»us . .se i.de u t 'dh :
uherw lullern.
2. Personell, deren 1 r kr .mkimg aui "\.i: \ s, l \ K * i j .
läge beruht,
d. I *e I Solle II \"|| ps\ ch •patliische T \e’a'
J her a peilt tsc h Will D r e \ t n s s e ■ . Ni d ■ *. i
wirken, vier Magen Soll Wehr ?:.e, hc-n. h v . d - . . ► a:u • •
hehamlelt wervleii.
V. M O n a k O W - / ntlv ll bat ” e P N-i •• :! " v :• e : ’ e ’l I v ‘
Untersuchungen auf tu und e x ;n • cm ”U h : l.*v* “e a”i Mittelfn
neugeborener Tiere gem.u ht. \m* e s. mdc • e dum'; » - s« Jh- I u , <
ratlou des roten Kefiis. Ilieiel e-^.:b si v i. .-.s ü.jJi p.,:.
Dnrchtreummg \ mi Bahne n .i’tt rretu» si l.c e.”e ;’.:”v e P
geueration x ofi Kernen zu et/iv.ui ist.
P f c r s d f) r I f - St i asvf mg hat s;di be ” h diiiercntiakli.ignosi
sehe Merkmale auf dem (iebiet der Sprachstörung ;uz. m P
mentia praecox und Manie auvu* :* '.vH. V> . ‘ ' c ’ 1 * e: d.v n V. 1 v
sinnlose \ er bindunge ii imd Re men a U rfi.ett n. : e r e'eti P. -
x oit sinnlosen \ ei bnulimge n n trage i dem imd a : v • t tenden I ”
sinnlosen Reihen Sowie che M:s v : arg z w e: s;rm kd
unter einamlcr nur bei Katah uie ge tu: h n.
0 u e n s e I - Kouigx;. r i. • t .* s dute \\ nrttaubheit mn d.
an, wenn \\ ortsjnnvers:..: ‘‘.s ür: ! \\ ■:t auf. e *s* • s\e'' viv
die meisten Talle sind n be den Idd.im ..eii i. * .
<J ii e u s e 1 will a e durJt peripd^r ge fh. *.!e i • c
lalle ais perzeptix e M Ihr... heit, che durch /e 1 a e Ile * de : e...: d.
als assoziative Worita ul !;cvt I i/e:d;;:eii.
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1457
7. Juli 1908.
Gierltch - Wiesbaden beschreibt einen Sarkomfall, bei dem
das ganze Kleinhirn operativ freigelegt wurde und einen 4 Wochen
lang beobachteten Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels, wobei durch
Hvdrozephalus der N. opticus und olfactorius zur Degeneration ge¬
bracht wurden.
Als Thema für die nächstjährige Versammlung
wird die Differentialdiagnose der Lues cerebri bestimmt,
nicht; worüber K n o b I a u c h - Frankfurt referieren soll. Zu
ü eschäftsfiihrern werden Laqueur - Frankfurt und N i s s 1-
Heidelberg bestimmt. Gustav Feldmann -Stuttgart.
Altonaer Aerztlicher Verein.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 25. März 1908.
Vorsitzender: Herr H e n o p.
Schriftführer: Herr F e 1 g n e r.
Herr Hueter demonstriert:
1. Aneurysma der Aorta, mit besonderer Beteiligung der Wirbel¬
säule.
Das vorgelegte Präparat stammt von einem 54 jährigen Mann,
welcher im Jahre 1881 Lues akquiriert hatte, 1892 durch Fall von
einem Neubau sich eine Verletzung der Wirbelsäule zuzog, welche
Urinverhaltung und Gehstörungen zur Folge hatte. 1898 wegen
Tabes in Krankenhausbehandlung (Schmerzen im Kreuz, in den
Beinen, Unvermögen zu gehen, Blasenbeschwerden). 1907 Wieder¬
aufnahme in -das Krankenhaus. Jetzt ergab die klinische Unter¬
suchung schlaffe Lähmung beider Beine, geringe Ataxie beider Arme,
Khlen der Reflexe, Incontinentia alvi und urinae. Bei Bewegungen
m Bett traten heftige Schmerzen unter dem Rippenbogen auf.
Die Autopsie ergab graue Degeneration der Hinterstränge,
Zystitis, prävesikularen Abszess, Pyelonephritis, eitrige Peritonitis.
Aneurysma am Arcus aortae, schliesslich das vorgelegte
Präparat.
Von der schwer sklerotisch veränderten Aorta abdominalis führt
ein nahezu markstückgrosses, mit glatten Rändern versehenes Loch
;ti einen gut kindskopfgrossen aneurysmatischen Sack, der mit der
Wirbelsäule verwachsen, beiderseits neben ihr zwei gleich grosse
Rezessus von je Faustgrösse bildet. Der Aneurysmasack ist zum
xrossten Teil mit alter Thrombusmasse angefüllt. Die Wirbelsäule
lässt eine kyphotische Knickung in der Höhe des Dornfortsatzes des
12. Brustwirbels erkennen. An der längsdurchsägten Wirbelsäule
sieht man Arrosionen an der Vorderfläche der in das Aneurysma
hineinbezogenen Wirbelkörper des 10. und 11. Brustwirbels und des
1. Lendenwirbels. Die den 12. Brustwirbel begrenzenden Band¬
scheiben sind an der Vorderfläche der Wirbelsäule über einander
geschoben. Sie umfassen einen keilförmig gestalteten Raum, welcher
an Stelle des früheren Wirbelkörpers mit Thrombenmasse angefüllt
ist und mit dem Aneurysmasack kommuniziert. Von der Knochen¬
substanz des Wirbelkörpers sind nur geringe Reste am hinteren Um¬
fang desselben übrig geblieben. Auch die Substanz der Bandscheiben
ist zum Teil hämorrhagisch infiltriert. Das Periost. welches der
hinteren Fläche des 12. Wirbelkörpers im Wirbelkanal entspricht, ist
durch Hämornhagie abgelöst. Der aneurysmatische Sack hat sich
ferner in die Muskulatur links seitlich von der Wirbelsäule aus¬
gedehnt, hier sind die Muskeln an umschriebener Stelle mit Thrombus-
massen infiltriert, die Infiltration reicht fast bis an das Subkutan-
gewche heran.
Fine derartige Läsion der Wirbelsäule bei Aneurysma der Aorta
ist durchaus ungewöhnlich. Vermutlich ist der Fall durch die An¬
nahme zu erklären, dass bei der vor vielen Jahren erfolgten Ver¬
letzung der Wirbelsäule eine Fraktur des 12. Brustwirbels und zu¬
gleich an entsprechender Stelle ein Riss in der Wand der Aorta
eintrat. In klinischer Beziehung erscheint der Fall auch dadurch be¬
merkenswert, dass durch den Befund der Kvphose und der Infiltration
der Muskulatur Tuberkulose der Wirbelsäule mit Abszess vorge¬
täuscht werden konnte.
2. Ein durch Operation gewonnenes Präparat von Metrltis
chronica.
Es stammt*von einer bisher stets gesund gewsenen 47 jährigen
Frau, welche während der letzten Monate an starken Schmerzen
im Bauch und intensiven Blutungen aus den Genitalien gelitten hatte.
Die Untersuchung ergab einen sehr stark vergrösserten, druckemp¬
findlichen Uterus. Die klinische Diagnose schwankte zwischen
Uterus myomatosus und malignem Tumor.
Der Uterus ist über kindskopfgross, die Portio verstrichen, der
Zervikalkanal sehr weit, die Uteruswand stark verdickt, das Gewebe
sehr weich, feucht, rötlichgrau, an Sarkomgewcbe erinnernd, die
Schleimhaut glatt, fleckig gerötet und mit Hümorrhagien durchsetzt.
Die mikroskopische Untersuchung stellte fest, dass das Gewebe des
Uterus durchweg in Granulationsgewebe verwandelt ist. Die Muskel¬
fasern sind durch Oedem und zellige Infiltrationen auseinander ge¬
drängt, stellenweise fehlen sie ganz. Von dem perivaskulären und
interstitiellen Bindegewebes ist nichts zu sehen. Die Wandung der
Arterien ist häufig verklebt. Polynukleäre Leukozyten fehlen durch¬
aus. Die Zellen sind Lymphozyten, vielgestaltige Granulationszellen
(Polyblasten), zahlreiche Plasmazellen, besonders auch im Gebiet
der Schleimhaut gelegen, spärliche Mastzellen. Bemerkenswert er¬
scheint besonders, dass das präexistierende Bindegewebe des Uterus
völlig zugrunde gegangen ist. Eine Neubildung von Bindegewebe
würde also in dem vorliegenden Fall nicht durch Hyperplasie des
präexistierenden Bindegewebes entstehen, sondern von dem Granu¬
lationsgewebe als Vorstufe ausgehen. In ätiologischer Beziehung
liegt der Fall völlig dunkel. Die gewöhnlich für die Entstehung der
chronischen Metritis angeführten ätiologischen Faktoren: Lues,
gonorrhoische, puerperale oder sonstige Infektionen, vorausgegangene
Schwangerschaft, Lageanomalie des Uterus, kommen für den vor¬
liegenden Fall nicht in Betracht.
Herr Mölling: Lieber Retinitis circinata.
Unter gleichzeitiger Vorstellung eines ausserordentlich typischen
Falles geht Vortragender näher ein auf die Frage der Netzhaut¬
blutungen und ihrer ätiologischen Bedeutung für das Zustande¬
kommen der Hintergrundsveränderungen bei der Retinitis circinata.
Herr Pllsky demonstriert zwei Uterusmyome, die er durch
Laparotomie gewonnen hat.
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden.
(Offizielles Protokoll.)
XX. Sitzung vom 14. März 1908.
Vorsitzender: Herr Hecker.
Herr Rostoski: Demonstrationen.
a) Patient mit gleichzeitiger Lähmung des Musculus deltoides
und Serratus anticus maior rechts bei erhaltener Abduktion des Armes.
Der 48 Jahre alte Arbeiter fiel von einem 6VL* m hohen Brücken¬
bogen auf Rücken und Schultern, während -die rechte Hand einen
Kübel mit Zement hielt. Darauf entwickelte sich eine Lähmung des
rechten Serratus anticus maior mit Unfähigkeit den Arm über die
Horizontale zu erheben flügelartigem Abstehen der Skapula und allen
sonstigen bekannten klinischen Erscheinungen. Auch eine vorüber¬
gehende Schwäche und Atrophie im Infraspinatus stellte sich ein.
Zugleich mit dem Auftreten der Serratuslähmung war eine Atrophie
der hinteren Partie des rechten Deltoides zu bemerken. 14 Tage
später waren auch das seitliche und vordere Bündel des Deltoides
vollkommen atrophisch und gelähmt. Eine Subluxatio humeri blieb
aus. In der gelähmten Muskulatur war komplette Entartungsreaktion
zu konstatieren mit der Eigentümlichkeit, dass in der vorderen Partie
des Deltoides zunächst vorübergehend partielle Entartungsreaktion
mit indirekter Zuckungsträgheit auftrat. — Es waren also bei dem
Patienten beide Muskeln, welche zur Erhebung des Armes dienen,
gelähmt. Gleichwohl konnte der Patient den Arm je länger, je besser
erheben — zuletzt sogar 30° über die Horizontale hinaus. Dabei
beugte er den Rumpf etwas nach links, wie jemand, der eine schwere
Last vom Boden erhebt. Die Erhebung des Armes war dem Pa¬
tienten durch vikariierendes Eintreten des Pectoralis maior und der
mittleren Partie des Trapezius, welche beide hypertrophierten, viel¬
leicht auch des Supra- und Infraspinatus möglich. Fälle von iso¬
lierter Lähmung des Serratus und des Deltoides mit vikariierendem
Eintreten anderer Muskeln sind beschrieben worden. Der vorge¬
stellte Patient mit gleichzeitiger Lähmung beider Muskeln
bildet eine Ergänzung hiezu.
b) 2 Patienten mit arthrogener (sogen, reflektorischer) Muskel¬
atrophie.
Der 1. Patient, ein 53 jähriger Möbelpolierer, hat schon mehr¬
mals an akutem Gelenkrheumatismus gelitten. 14 Tage vor seiner
Aufnahme ins Krankenhaus erkrankte er von neuem mit einer
Affektion des rechten Kniegelenkes und beider Schultergelenke. In
den Schultergelenken blieb auch nach Abheilen der akuten Er¬
scheinungen Knirschen ohne Immobilisation des Gelenkes zurück.
Innerhalb von 10 Tagen entwickelte sich nun unter -den Augen des
Beobachters eine ausserordentlich starke Atrophie des Infraspinatus
und des hinteren Bündels des Deltoides. Bei der Palpation glaubte
man, unter der Haut direkt den Knochen zu fühlen. Gleichwohl trat
keine Entartungsreaktion, sondern nur eine mässige Herabsetzung
der elektrischen Erregbarkeit auf. — Im 2. Fall (59 jähriger Arbeiter)
bestand schon längere Zeit eine Erkrankung des rechten Schulter¬
gelenkes, die sich an ein Trauma angeschlossen haben sollte. Objek¬
tiv fand man die Bewegungen in voller Ausdehnung möglich, kon¬
statierte aber Knirschen, daneben eine ausgesprochene Atrophie im
Supra- und Infraspinatus mit normaler elektrischer Erregbarkeit.
Vortr. weist auf die relative Seltenheit in der Auswahl der von der
Atrophie befallenen Muskeln hin und geht dann auf die jüngst
publizierte Arbeit von Sude k ein. nach der die arthrogenen Muskel¬
atrophien mit dem von S u d e k entdeckten im Röntgenbilde sicht¬
baren Knochenatrophien und den bisweilen beobachteten Hauter¬
scheinungen auf eine Stufe zu stellen sind. W i e die dem o n -
strierten Röntgcnplattcn beweisen., sind jedoch
in den gezeigten Fällen keine K n o c h c n a t r o p h i c n
aufgetreten. Daun geht Vortr. noch auf die Theorie derartiger
Atrophien ein und betont, dass ihre Entstehung unmöglich durch In-
aktivität zu erklären sei. Die plausibelste Theorie sei zur Zeit die.
welche annehme, dass von der erkrankten Gelenkkapsel ein Reiz auf
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1-158
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHEN SCHRIET.
v . jr
das Rückenmark übertragen werde, der dann wieder auf die tm-
phischen Zentren für den Muskel überspringe. Schliesslich wird die
Differentialdiagnosu gegen Neuritis erörtert.
Diskussion. Herr A. Schanz: Der I. hall ist wichtig für
die Frage der Muskeltransplantation. Sch. hat die hier spontan em-
getretenen Muskeln systematisch bei Lähmungen am Schiiltergurtel
übergepflanzt. Betreffs der anderen hülle ist besonders die Ouadri-
zepslähmung nach Kiiieverletzungcn praktisch und therapeutisch
wichtig.
Herr H. H aenel: Mit einer reflektorischen Erklärumt ist nicht
viel geholfen; wenn aus den gesamten Schultermuskeln um der
Supra- und Infraspinatus, wie in den beiden letzten ballen, um der
Atrophie lierausgelesen werden, so deutet das daraui hm. d ms doch
wohl auch örtliche, neuritisalmliche Prozesse mit anzusclmhligcn sind,
die hier durch Uebergreiten des polyarthritisclieu Prozesses auf d e
Nachbarschaft den N. suprascapularis geschädigt haben.
Herr Rostos ki glaubt nicht, dass eine richtige Neuritis mit
im Spiele sein kann, wegen des raschen Eintretens der Atrophie, des
hehlens von Schmerzen und der Entartimgsreaktioii.
Herr H. H aenel: Beim Kniegelenke liefen die Vct h,iitu;sx C in¬
sofern anders, als der Ouadriz.eps der einzige dort m IL t:.uht
kommende Muskel ist. der durch eine Kiiicgeluiksnffktioii s.m it m
toto ausgesehaltet wird. Drei einzelne Schultetumskelii bei Er¬
haltung der übrigen können aber nicht wohl ..reflektorisch“ ge¬
lähmt werden.
Herr Werther: Die gonorrhoischen Ai tlu itivlen. die in d< m
Rufe stehen, besonders leicht Atrophien zu machen, weisen auf
toxische Ursachen dieser Prozesse hin.
Herr A. Schanz: lieber Krüppelfürsornc.
ln der letzten Zeit ist in den Tagesblätter n vie'iach nm der
Notwendigkeit einer K r ii p n e I f ii r s o r g e d ( e Rede gew eseti. ohne
dass genaueres mitgeteilt worden sei über die Zic'e und Wege,
welche diese Fürsorge sich zu setzen und zu verfolgen habe. Da es
sich hier um eine für die Aerztc wichtige Etage handelt, mochte ieh
zu diesem Thema an dieser Stelle sprechen.
Dass es Krüppel und Kriippelnot in ausserordentlich grosser
Masse in der Welt gibt, das lehrt uns in sehr vielen apsserdeutschen
Ländern ein Blick auf die Strasse. Dort sieht man überall, wo
Strasscnbettel existiert, unter den Bettlern eine grosse Zahl von
Krüppeln. In Deutschland, wo der Stras'-enhettel unterdrückt ist.
ist die Eeststellurig des Vorhandenseins von Kruppelelend nicht so
leicht zu machen, (irossc Verdienste hat sich nach dieser Richtung
der Zentral verein für Jugendfürsorge erworben, indem er auf Ver¬
anlassung unseres Kollegen Biesalski im Jahre l‘M> eine stati¬
stische Erhebung über das Vorhandensein jugendlicher Kruppe! im
Deutschen Reiche veranstaltete. Auf < 1 rund dieser Statistik be¬
rechnet sich die Zahl der jugendlichen - d. h. der nicht über H Jahre
alten — Krüppel in Deutschland auf mumm». Dafür, dass auch bei
uns in Deutschland Kriippeltum zu wirtschaftlichem Ehud fuhrt
haben wir ebenfalls zahletimässige Grundlagen. die wir dem Kode gen
R o s e n f e 1 d in Nürnberg verdanken.. Er Int berechnet dass das
deutsche Volk an seinem Nationalvermögen einen jährlichen \ er hist
von 200 Millionen Mark erleidet aus den wirtschaftlichen Schaden,
welche im Gefolge von Kriippeltum auftrctui.
Die hier angeführten Zahlen beweisen, dass cs sich bei der
Krüppelfürsorge um e i n c E rage v o n w e i 11 r a g e oder Be¬
deutung für das öffentliche W < * li ! ha n d e I t.
Wenn man sich nun die Aufgabe. Kriippclinrsot ge zu treiben,
stellen will, so muss man sich zuerst klar machen, worin die
K r ii p p e I n o t besteht.
Das erste, worunter der Krüppel leidet, ist imzw eiiclhait der
körperliche Defekt, welcher sein Kriippeltum verschuldet.
Diese Defekte sind auserordentlich wechselnd. Ein paar m.okante
Erscheinungen an denselben, die für uns hier Wichtigkeit haben,
sind folgende: Es handelt sich sehr selten um reine Defekte, d. h.
um Verluste oder Veränderungen, mit denen nicht sonstige körper¬
liche Leiden verbunden sind. Eolgc davon ist, dass die KiuppcI.
auch wenn ihr Knippelturn nicht zu beseitigen ist. fast immer amt¬
licher Hilfe bedürftig sind. Ein zweites wichtiges Moment ist. dass
dieselbe Körperveränderung, welche, im hohen Masse entw ickelt.
volles Kriippeltum mit allen seinen Eolgen hervor ruft, in niederen
Graden sehr oft für qnoad Kriippeltum völlig irrelevant erscheint.
Durch diese Erscheinung wird die Wichtigkeit ärztlicher Hilfe für die
Krüppel auch in den Eällcn markiert, wo eine volle Heilung mJit
möglich ist.
Die zweite Eorm. in welcher das Kriiniuleiend sich geltend
macht, ist auch leicht zu erkennen. Es ist das w i r t s c Ii a f t ! : c h e
Elend. Dass Menschen, welche nicht im vollen Besitz ihres Kör¬
pers sind, bei dem Eintritt in ihm Kampf ums Dasein ungünstiger
gestellt sind als ihre normalen Konkurrenten, ist leicht verständlich.
Die Beeinträchtigung, welche die Krimnel in dieser Beziehung er¬
fahren, kommt aber nicht nur direkt von der minderen Leistungs¬
fähigkeit ihres Körpers. Studien über die brverbsfalugkeit von
Krüppeln haben gezeigt, dass vielfach auch Krimnel deswegen der
wirtschaftlichen Verelendung verfallen sind, weil es ihnen nicht
möglich gewesen ist, Berufe zu finden, für d : e ihre körperlichen und
geistigen Balligkeiten sie geeignet machen.
Recht wenig bekannt i ne d- ttc L'tan .
K i iippeiienlens. Ich ha e n.i r c e m t . o . iu ti I «. d *«• •'*.
Auge, w e I c h e k r u p p e t u nt t :i t s e r. e I r a .: c ' r s
bringt und w cd he \ or .» ca 1 1 r.».t n ‘ c • ,i M k ' ..« 1 s. .v t
steil tretlen. il.e au ihre ui K • i.ts' 1 oa a- - ..'M - s ‘-‘ v '
geborenen Kiuppcl und d e ui r iiM'i ligr ' K • ; e ca • • . ' -
Ausser oi ilent.iw ii n nage tig v w .u:.' u. k • . ♦ : os ir a
em Stietkmd der Natur ui.d g. •. ■ c • Me «m •- ’■
diente: massefi ben.iwite, gt zu s. n. I 1 . *:*, > I % w . xx-x
dem KTwppelknule rdit im: s. s.e Pm s • 'm" ’m - k • , '*•-
ganzes I eben. Die s>. i w 1 ::i In« - . w * m c. de m c tx\
haben sjiw ei w w ge ‘c n f m rsx , a: e L . •. - v k ’
pels. t s ist gar he ii /u c te . n.ixx . i. c_ r ’c: :m k ■'
Zuge auf ti etc n. de .hcMacs w
der M igertic rdic U der |V\ war, \ ti itt s ’ 1 L' m ■
lad. dass man a t di m 1 1 ■ .;‘m de r I r ,..e :. ’* • • - ' - ■ *•
lasst, dass das \ - k den I e ii • k •’ . sst l * . •• s
mau unter den I eatc n. de m. ga m s , . ■. , ' c - - '• t c .
ii an auch unter den \ i ' i, 'jii c c .i •" .. ss. ,-•* , V
h.iitci Iimh t. I *.i\ crs.rt vgl i . ,i..v c ^ • 1 - . ■
d:e K r :i;mm «d* il.res K * « 'ems c ’.■ • •, t ' . ■ s . ' m
aut dir e W c m' s^ a.i. s r . n
W um tt an nun k r ;> t» c ' h t e c ^*c ' v. . "
d c se auf die d ? c . w v n a n n t- i. I ' - w c ■ 1 ■ g - ‘ c
des k r ii [i p e I e I c n d c s i i w ii t c n Z : • s* t .. . ’ v • v :<
z i f i s w h e a f / t ! w b e U '■ Za v : w ' ! • ’ ‘
orth-.p.id sd r k n>.c rr • L - • : - c'm o ■ W .. • 1
folgsun-g ;c itke -teil i! c s*. u : w u s • • • t.u - ’ ' ’ Vc '
ii:w ht aas/aJid’o c Zur IH - a .* t g d c s w . ' : s * 1 at t
Lt e h c n 1 1 e n d s der k ’ k • • c • w - v. ♦ « r vw. s : *a «.
u h für K r :r.|* i» e ! g c e ^ c ! c 1 '• c : vr : c a * s • e v
t ii r des e Lc r ti ! e \ <• r I' e r e * c n t: •: 1 d t ' c r !’■ c r ’ c
/ u I n Ii ( t u. t h s, ’i .c n -.ca • . - ’ x w i; c e r, w ■. . ’ c e ' M
eine gute' a ’ ' g e ui eine v *. a u ’ d «; " w. d . ? ' k . i
a irsii.iiciis'. S be-s, oll • V • • • .V •" . .. xt. \ -x , . .. v v i .n.
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k : i.'i'ln auxM ti !< } i ■ . ■ i . . b i m * x e x- • • . . , .. ... s. * '
c ntu iw kiiingsi.i! g ge/e .,t '.Mm.
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dem K"Pe rrhage n. r m l M . m V «n m .• . ’ v 1 e ’ : r - *t
natiirhv h w nm<..- di imtc V". e ’mm. ,:•• c m < m \ • •
L’s stellt S..1I 1 1 e r e ne s. ' c X M . . . e u , • sw \
er l< >r der t. bei yl» r a'c r a \ 1 -1 ,' ■ • I v • t ■■ ' /‘, , ’ ■ ! x ■
ehe* de ii t s v he ll X i r / te a c ‘ c • «‘ m I • e ' * ' • ■ .* x ‘
Herr Gustav 7 I m m e r m a n n: Die AKknmmodalion im
Ohr.
X'o.rtr. retVrie! t ijmt t_ r/ :. l 'vr reu *e A-'x-/,. .1 .
angestellt w urden, irn d c W g ( •< ,V *- L. !■ M -x’- <’a
Mittelnlir zu erklaum. S r ! • ü. ” d !* •'.r-s, .! - w ' -•
/ufiiliriiug zum iimerrti < Dir d :• Ji d i •• e'-
weder verbessert oder N . f m - ! •: > r tu b.-s. Id.’.
tung incd.ti/uTt sein s. ” t . s. h« u .1 ;*. h d-■ \\ ! -x- - .
unter stJi führten s.e auf de n <n ! i"*, ( m. .!.• xw . -•• \ >.
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liinw ärtsriiwkeil Ii.ibe e : tie SP .!" !. " - g. - • c • . : e SP . "
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1459
empfindung im Gefolge. Es wird das auf Grund hydrostatischer
Gesetze zweifellos festgestellt und an der Hand von Experi¬
menten und Selbstbeobachtungen bewiesen.
Vortr. zieht daraus die Nutzanwendung für die Physiologie,
dass die reflektorische Verschiebung der Kette eine Druck¬
erhöhung in der »Kette auslöse, die in drei Richtungen bedeutsam
sei: einmal um die schädlichen Wirkungen allzustarken Schalls
zu vermeiden, zweitens um die grösseren Amplituden der auf
tiefe Töne resonierenden Fasern zu kompensieren und drittens
um gegenüber komplizierteren Schallbildern eine bessere Dif¬
ferenzierung der Einzelkornponeirten zu ermöglichen. Gerade
in letzerer Beziehung sei der Name Akkommodation mit Vorteil
zu verwenden.
Zum Schluss wird noch kurz darauf verwiesen, dass diese
physiologischen Ableitungen ihre Bestätigung in dem fänden,
was die klinischen Beobachtungen bisher ergeben hätten.
(Der Vortrag erscheint in erweiterter Form im Archiv f.
Anat. und Physiologie, 1908.)
Aerztlicher Bezirksverein Erlangen.
(Bericht des Vereins.)
164. Sitzung vom 29. Januar 1908.
Herr Jamio demonstriert eine grössere Anzahl von Kindern
mit positivem Ausfall der Konlunktival- und der Pirquet sehen
Hautreaktion.
Diskussion: Herr Penzoiüt fügt seine eigenen klinischen
Erfahrungen mit dieser Methode an.
Herr Graser: Ueber die Chirurgie der Hirntumoren (mit De¬
monstrationen).
Diskussion: Herren Menge, Penzoldt.
165. Sitzung vom 26. Februar 1908.
Herr Nagel: Praxis des Stillens und dessen Einfluss auf die
Entwicklung des Kindes. (Erschien bereits in No. 20 dieser Wochen¬
schrift)
Diskussion: Herren Hauser, Penzoldt, Jamin.
Herr Hauser: Ueber die krebsige Entartung des chronischen
Magengeschwürs.
Neben kurzen Bemerkungen über die klinischen Gesichtspunkte
bespricht Vortr. eingehend an der Hand mikroskopischer und eni-
diaskopischer Projektionen die pathologisch-anatomische Diagnose,
die mit Sicherheit nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt durch die
mikroskopische Untersuchung gestellt werden kann. Besonders wird
darauf hingewiesen, dass die Differentialdiagnose gegenüber dem
sekundär ulzerierten Karzinom nur dann möglich ist. wenn erst ein
Teil des Geschwürsgrundes krebsig entartet erscheint, während in
späteren Stadien der ganze ulzerierte Bezirk Krebselemente erkennen
lässt und so meist eine sichere Entscheidung unmöglich ist.
Vortr. berichtet unter Demonstration der diesbezüglichen mikro¬
skopischen Präparate über einen solch absolut eindeutigen Fall, der
in einer Dissertation durch med. Prakt. Herold bearbeitet wird.
Diskussion: Herr Penzoldt gibt die krankengeschicht¬
liche Notiz zu diesem Fall. Herr Denker.
166. Sitzung vom 13. Mai 1908.
Herr Königen Ueber die klinische Diagnose des einseitigen
Zwerchfellhochstandes (der sogen. Eventratio diaphragmatica). Mit
Demonstration einer Kranken.
Unter den lediglich auf Grund des Röntgenbildes diagnostizierten
un«d unter dem alten, aber unschönen Namen ..Eventratio diaphrag¬
matica“ publizierten Fällen von einseitigem Zwerchfellhochstand ist
bisher kein Fall durch die Autopsie bestätigt, ein Fall dagegen als
Hernie aufgeklärt. Der Vortr. bezweifelt die Stichhaltigkeit der für
die klinische Diagnose der Eventratio diaphragmatica angeführten
Momente des radiologischen Befundes und empfiehlt für die klinische
Unterscheidung der Zwerchfellhernie vom Zwerchfellhochstand mehr
die'Entwicklung und die sonstigen klinischen Symptome des Leidens in
den Vordergrund zu stellen, welche in dem vom Vortr. beobachteten
und demonstrierten Falle zur Diagnose einer Hernie führten.
(Der Vortrag soll ausführlicher in dieser Wochenschrift mit-
geteilt werden.)
Diskussion: Herren Schittcnhelm. Spuler. J a m i n.
Penzoldt.
Demonstrationen:
1. Herr Ja min bespricht die Dexiokardie im Röntgenbild unter
Zugrundleeung einer eigenen Beobachtung bei angeborenem kom¬
plizierten Herzfehler.
2. Herr Merkel demonstriert das betr. anatomische Präparat
(fast totalen Defekt der Vorhof- und Kammerscheidewand mit Fehlen
des Pulmonalkonus und Atresie des Pulmonalstammes bei Offen¬
bleiben des Ductus Botalli).
Herr Merkel demonstriert ferner eine Photographie des Bauch-
situs sowie das Sektionspräpara’t eines Falles von exzessiver Magen-
ek teste, bedingt durch Knickung des Duodenums infolge Verwach¬
sung desselben mit der krebsig entarteten Gallenblase (Steine!).
(Der Fall wird als Dissertation verwertet.)
Diskussion: Herr Penzoldt bespricht eingehend die
praktisch hochwichtige Frage der akuten Magendehnung im allge¬
meinen, mit besonderer Berücksichtigung des vorliegenden Falles.
3. Herr Schittenhelm: Ueber Fälle von Rückfluss des
Pankreassaftes in den Magen.
Ausgehend vom den experimentellen Resultaten BoJdireffs
über den Befund einer tryptischen Verdauung im Magen seiner Ver¬
suchshunde an Stelle der peptischen hat Sch. eine Reihe von Kranken
auf das Vorhandensein von tryptischem Ferment in ihrem Magen¬
safte untersucht. Es haben sich dabei mehrere Fälle gefunden, welche
zum Teil schon im nüchternen Magen, zum Teil .nach dem Ewald-
Boas sehen Probefrühstück, einen alkalisch schwach sauer
reagierenden Magensaft lieferten, welcher mir tryptische Verdauung,
in einem Fall neben der tryptischen auch schwach peptischen Ver¬
dauung zu veranlassen imstande war. Der Magensaft wurde stets
sofort nach der Ausheberung in dreierlei Proben untersucht, im ur¬
sprünglichen Zustand, bei Salzsäure- und bei Alkalizusatz. Dadurch
dass bei dieser Versuchsanordnung unter völligem Fehlen des pep¬
tischen Fermentes nur Trypsin gefunden wurde, war es klar, dass es
sich hier um Fälle handelte, wo eine Rückstauung von Pankreassaft
im Sinne B o 1 d i r e f f s statthatte, welche zu einer Darmver¬
dauung im Magen an Stelle der Pepsinverdauung
führte. Es ist möglich, dass es sich hier um einen pathologischen
Zustand handelt, doch können auch andere Erscheinungen gefunden
werden; jedenfalls ist es wichtig zu erwähnen, dass in allen positiven
Fällen dauernd Magenbeschwerden bestehen. Weitere Unter¬
suchungen werden Aufschluss bringen.
Diskussion: HH. Penzoldt, Schittenhel m.
Geschäftliches.
Aerztlicher Verein in Hamburg.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom' 23. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr D c n c k e.
Demonstration:
Herr Trömner demonstriert a) einen unter dem Namen
„Penteapparat“ marktschreierisch angepriesenen Apparat zur „Hei¬
lung und Verhütung des Stotterns“ und warnt vor dem damit ge¬
triebenen Unfug.
Diskussion über den Vortrag des Herrn Nonne:
Meine Erfahrungen über die Diagnose und operative Behand¬
lung von Rückenmarkshauttumoren.
Herr Trömner kann nur einen negativen Beitrag zu dem
Thema üefern — eine nach Beriberi aufgetretene Erkrankung mit
allen Symptomen einer Dorsalmyelitis, bei welcher sich autootisch
ein Tumor fand. Zur Differentialdiagnose stellt Tr. dann eine 56jähr.
Frau vor: Vor 5 Monaten rheumatoide Schulterschmerzen, dann all-
mählige Lähmung des linken Armes; Status: atrophische Lähmung
der Schultermuskeln, am stärksten des Deltoideus, starke Parese aller
übrigen Armbewegungen, rechtsseitige Hypästhesie für Schmerz- und
Wärmeempfindung, dagegen Hyperästhesie links und rechts an Hals
und Nacken bis zum Gebiet der 4. Zervikalwurzel. Also links¬
seitige Wurzel- und Halbseiten-(Brown-S6quard)-Läsion des Hals¬
marks, in der Höhe etwa der 3.—8. Wurzel. Da sich aber ausserdem
doppelseitige reflektorische Pupillenstarre, geringer Romberg und
Areflexie fand, muss die Diagnose nicht auf Tumor spinalis, sondern
auf Meningitis cervicalis luetica mit Hinterstrang¬
veränderungen gestellt werden. Die Anamnese bestätigte die
Diagnose: Vor 13 Jahren Luesinfektion, vor 3 Jahren Okulomotorius¬
parese.
Herr L u c e ma^Iit in different.-diagnostischer Beziehung auf die
Peripachymeningitis tuberculosa und sarcomatosa aufmerksam. Er
hat in einem Falle,, wo bei einem % jährigen Kinde 8 tägiges Fieber
bestanden hatte, dann Rückenmarkkompressionserscheinungen auf¬
getreten waren, einen tuberkulösen Prozess angenommen; bei der
Operation zeigte sich ein Rundzellensarkom, das durch das 6.. 7. und
8. Foramen intervertebrale nach der Dura gewuchert war. Umge¬
kehrt fand sich bei einer 57 jähr. Frau, die kein Fieber, niemals tuber¬
kulöse Erscheinungen gehabt hatte, erst an ein- dann an doppel¬
seitigen Interkostalneuralgien gelitten, Empfindlichkeit des 3—5.
Dornfortsatzes, umkomplette Lähmung, schliesslich absolute Kom¬
pressionslähmung hatte, anstatt des angenommenen Tumors eine ge¬
schwulstartige. tuberkulöse Masse, ausgehend von 2 kariösen Wirbeln.
Herr Sick berichtet über, die chirurgischen Erfahrungen: Von
22 Tumoren sind 3 geheilt, 1 gebessert, von 20 Spondylitisfällen 5.
von 3 Frakturen mit Kompression 2. Die Operation gehört zu den
technisch schwierigsten. Der rasche Abfluss des Liquor cerebro¬
spinalis muss verhütet werden. Möglichst früh operieren, bevor
Lährnungserscheinungen. Kräfteverfall und Dekubitus die Prognose
noch mehr trüben.
Herr Sänger gibt eine Anzahl Krankengeschichten: 3 intra¬
durale, 2 extradurale Tumoren, von denen der eine dadurch be¬
merkenswert ist. dass er völlig schmerzlos verlief, 4 vom Wirbel aus-
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1460
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT«
No. 27.
Rehende Tumoren, die operativ angegriffen werden mussten, 3 Fälle
von Meningitis serosa spinalis circumscripta, sogen. Arachnoideal-
zysten. Die operativen Erfolge waren meist schlecht. S. bespricht
die Schwierigkeit der Höhenlokalisation, da einerseits die Schmerzen
ausstrahlen, andererseits über dem Tumor der Liquor sich staut und
Reizerscheinungen macht.
Herr Lenhartz ist überrascht über die schlechten Resultate,
der von Sick und Sänger gegebenen Statistik. Er erinnert an
einen Fall, der operativ in Angriff genommen wurde, wo aber eine
abundante Blutung 2 mal den Chirurgen abhielt, die Operation aus¬
zuführen. Es wurden dann Atoxylinjektionen gemacht, und Pat.
genas. Er warnt ferner vor zu frühem Operieren bei akuten post¬
infektiösen Rückenmarkserkrankungen. Er sah einen solchen Fall
nach Typhus; kolossale Schmerzen und eine fortschreitende Atrophie
in einem Bein legten den Gedanken einer Operation nahe. Eine Ber¬
liner Autorität riet zu, Lenhartz ab. Der Kranke genas.
Herr B ö 11 i g e r berichtet über seine bisherigen Erfahrungen
und erinnert zunächst an seine früheren Demonstrationen. Die erste
betraf eine Karzinommetastase des 4. Brustwirbels, welche operiert
wurde (F. Krause). Die zweite betraf einen in Lokalisation und
Segmentdiagnose richtig erkannten subduralen extraspinalen Tumor,
der von Krause operiert und geheilt wurde 1898 und 1900. Dazu
kommen 2 weitere Fälle: Ein 36jähr. Lehrer erkrankte März 1905
an einer mit Brown-Sequard sehen Symptomen beginnenden,
rapide zunehmenden Querschnittserkrankung. Lues wurde negiert.
Diagnose: Tumor extraspinal subdural liegend, in Höhe des 4. Dorsal¬
segments. Die Operation (Dr. Schwertzel) bestätigte die Dia¬
gnose. Es fanden sich 3 erbsen- bis bohnengrosse Fibrome, die
schmale Schichten gummöser Substanz enthielten. Es wurde Hg-Kur
angeschlossen. Der Verlauf war sehr günstig. Es besteht nur noch
eine leichte spastische Parese des rechten Beines. Pat. geht seinem
Beruf wieder nach. Fall 4: 37jähr. Fräulein, Oktober 1907. Beginn
vor einem Jahr mit Wurzelneuralgien, nach V-j Jahre Schwere im
rechten Bein, Analgesie*, im linken. Brown-Sequard, Druck-
empfindlichkeit des 4. und 5. Dornfortsatzes der Dorsalwirbe’säule;
keine deutliche Deformität. Pat. war nie tuberkulös erkrankt ge¬
wesen. Operation (Dr. Schwertzel) in Höhe des 4. Wirbel¬
körpers, in dem sich eine kleine Karies fand, von der aus ein gut
kirschengrosser Abszess extradural, gegen das Rückenmark von
vorn drückend, ausgegangen war. Auskratzung. Streckverbaixl.
Die Kranke starb einen Monat später an Erschöpfung und Hypostasen.
— Endlich gibt B. eine Krankengeschichte besonderer Eigenart. Die
Dame erkrankte 1899 mit Wurzelneuralgien, war bis Ende 1900 total
paraplegisch geworden, besserte sich spontan von 1903 an. 1904 in
Halle Diagnose Tumor gestellt und Frage der Operation erörtert.
B. fand noch 1906 das ausgeprägte Bild des Tumor spinalis. Seit 1907
geht die Kranke wieder ohne Stütze, jetzt bereits eine Stunde lang
ohne Beschwerden. B. glaubt an eine Spontanheilung einer Karies
oder eines meningealen Tumors. B. hebt besonders die heutige
Leichtigkeit einer Segmentdiagnose, dagegen die Schwierigkeit der
Tumordiagnose und seiner Differentialdagnose hervor. Herr Nonne
betont Lenhartz gegenüber die günstigeren Zahlen seiner und
B ö 11 i g e r s Statitstik gegenüber den von Sick und Sänger ge¬
brachten, weiter zurückliegenden Zahlen. Offenbar haben Zufällig¬
keiten aller Art bei den ungünstigen Ausgängen mitgewirkt. N. warnt
vor Atoxylbehandlung, die erstens die beste Zeit fortnähme und
zweitens an sich nicht ungefährlich sei. Gerade auf die früh¬
zeitige Operation kommt es an. Daher geniere man sich nicht,
eine probatorische Laminektomie in suspekten oder unklaren Fällen
machen zu lassen. Die Gefahren der Operation stehen in keinem
Verhältnis zu der Sicherheit, mit der der Kranke sonst bei verfehlter
Diagnose elend zu Grunde gehen muss. Je grösser die Zahl der Be¬
obachtungen wird, desto komplizierter wird das Symptombild, das
der Tumor machen kann. Die Fälle mit schmerzlosem Verlauf, die¬
jenigen mit komplizierenden Kernsymptomen mit gleichzeitigem Vor¬
kommen von intra- und cxtraduralen Tumoren oder von Kombi¬
nation von Tumor mit Syphilis sind besonders lehrreich und geben
schwer zu lösende Rätsel auf. Werner.
Naturhistorisch-Medizinischer Verein zu Heidelberg.
(Medizinische Abteilung.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 26. Mai 1908.
Herr V ö 1 c k e r: Erfahrungen in Zystoskopie und Nieren-
Chirurgie.
Diskussion: Herr Menge.
Herr R. O. Neumann: Ueber protozoische Parasiten im
Blut von Meeresfischen.
Vortragender berichtet über die Ergebnisse seiner Unter¬
suchungen über protozoische B 1 u t p a r a s i t e n bei
Meeresfischen, die er im Frühjahr d. J. in der Z o o 1 o -
gischen Station in Neapel angestellt hat. An Meeres¬
fischen sind in systematischer Weise kaum noch Unter¬
suchungen ausgeführt worden und es liegen nur einige Be¬
obachtungen von französischer Seite über das Fischmaterial
aus dem englischen Kanal vor. Aus anderen Meeres¬
teilen und auch vom Golf von Neapel waren weder die
Fisch arten, welche Parasiten beherbergten, noch die Art
der Parasiten selbst, noch das Mengenverhältnis
derinfiziertenFische bekannt. Das Material, welches
Neu mann untersuchen konnte, beläuft sich auf über
600 Fische mit 62 verschiedenen Spezies. Davon
waren 120 Fische infiziert, welche 13 Spezies angehörten.
Aehnlich wie die französischen Forscher fand er bei den
untersuchten Fischen T rypanosomen und Hämo g re -
g a r i n e n, ausserdem konnte er bei 2 Spezies Spiro -
chäten, die bisher bei Fischen noch unbekannt sind, nach-
weisen. T rypanoplasmen fanden sich nicht.
Die Parasiten verteilten sich in den verschiedenen Fischen
folgendermassen.
Un K hte
Gobius pagancllus.1
Solea lutea.
Gobius minutus ...... ^
Torpedo ocellaris.
Scorpaena scrofa. )
Scorpaena ustulasa ...... |
Raja punctata.[
Raja oxyrhynchus.[
Trigla corax .I
Pelamys sarda .. . . 1
Gadus minutus./
Hämogre-
garinen
Trypano¬
somen
Spirochäten
132
12
46
8
3
17
14
1
4
3
8
103
2
2
2
1
1
2
1
1
1
1
Ein Exemplar von Gobius minutus enthielt bisher
nicht beschriebene Teilungsformen, in denen sich 16 bis
62 merozoitenähnliche junge Parasiten entwickelt hatten. Die¬
selben Formen fanden sich auch in 2 unter 56 Exemplaren von
Arnoglossus Grohmanni. Endlich wurden in e i n e m
von 32 jungen Haifischen (Scyllium canicula) sonderbare
gainetenähnliche grosse Parasiten, welche in ausgewachsenem
Zustand das Blutkörperchen vollkommen ausfüllen und öfter das
Chromatin getrennt vom Protoplasma zeigen, angetroffen.
Ueber die Stellung der beiden letzten Parasitenarten im System
konnten ganz sichere Angaben zurzeit noch nicht gemacht
werden.
In allen den obengenannten Fischen sind Parasiten proto-
zoischer Natur bisher noch nicht angetroffen worden. Nur in
Raja punctata haben auch die französischen Forscher
Trypanosomen und auch Hämogregarinen ge¬
funden.
Zieht man die Tatsache in Betracht, dass unter 614 Fischen
120 infiziert waren, so scheint das Prozentverhältnis der In¬
fizierten zu den Normalen recht bedeutend zu sein. Schaltet
man aber die eine Art: G o b i u s p a g a n e 11 u s, bei der allein
unter 132 103 Parasiten enthielten, aus, so kommen auf
482 Fälle nur 17 infizierte — 3,5 Proz.
Interessant ist die Tatsache, dass alle infizierten
Fische zu denen gehörten, welche am Grunde des Meeres sich
aufhalten und auf dem Boden liegen, wie z. B. die Plattfische
us\v„ mit Ausnahme von Pelamys sarda. Diese Lebensweise
führt insofern eher zu der Infektion, als parasitenüber¬
tragende Zwischenxvirte resp. Wirte leichter diesen Fischen
beikommen können. Es gelang dem Vortragenden eine Reihe
mit Blutegeln (P o n t o b d e 11 a m u r i c a t a) behafteter
Fische, so z. B. Torpedo ocellaris, Raja punctata
und Raja oxyrhynchus, zu finden, welche z. T. mit
Trypanosomen infiziert waren. Durch weitere Unter¬
suchungen konnte festge^ellt werden, dass die Trypanosomen
in Pontobdella muricata morphologische Verände¬
rungen, die in manchen Stadien an Ruheformen von Grega-
riiien, dann wieder an Herpetomonasformen und Crithidia-
formen erinnerten, durchmachen.
Diese wichtige Tatsache, welche bei Süsswasserfischen
von K e y s s c 1 i t z an Trypanoplasma zuerst genauer
studiert wurde, Hess die schon früher vermutete Möglichkeit
einer Uebertragung der Trypanosomen durch die Blut¬
egel als sicher erscheinen. Die Bemühungen des Vortr., eine
künstliche Infektion durch infizierte Pont-
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Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1461
obdella bei Rajapunctat a z ustande zu bringen,
hatten Erfolg und es gelang nach dem An¬
setzen von Egeln in ca. 10 Tagen im gesunden
Fisch Trypanosomen nachzuweisen.
Der Vortrag wurde erläutert durch eine grosse Anzahl mi¬
kroskopischer und makroskopischer Demonstrationsobjekte
und Bilder. Die Arbeit wird ausführlich an anderer Stelle er¬
scheinen.
Diskussion: Herren Iggersheimer, Neumann.
Medizinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. März 1908.
Vorsitzender: Herr Unverricht.
Herr Brandt demonstriert: 1. Lupus erythematodes, 17 Jahre
bestehend.
2 . Ekzema tyloticum manum.
3. Lupus exfoliativus.
4. Ekzema barbae folliculare, Folliculitis barbae.
5. Sycosis tonsurans des Mons veneris parasitär.
6. Lues III. und zwar multiple Eifloreszenzen.
Herr Wiesenthal: Ueber epidemische Genickstarre.
Gelegentlich eines vom Redner behandelten Falles von
echter epidemischer Genickstarre gibt er zunächst ein aus¬
führliches Referat über diese Erkrankung, ihre Ausbreitung
nach den statistischen Angaben besonders in den letzten Jahren
bis zum Februar d. J., ihren Erreger, den Weichsclbau mi¬
schen Meningokokkus. Nach kurzer Schilderung der patho¬
logisch-anatomischen Verhältnisse nach der Darstellung W e -
sienhöfers und Goepperts wird der typische Krank¬
heitsverlauf beschrieben und »die Möglichkeiten der Diagnose
geschildert. Im Speziellen verweilt der Redner längere Zeit
bei der Frage der differentiellen Diagnose, der Prophylaxe und
der Behandlung. Bei dieser redet er der häufig zu wiederholen¬
den Lumbalpunktion und der Serumtherapie das Wort.
In Bezug auf den von ihm mit Prof. Keller, Sanitätsrat
Dr. Schreiber (Augenarzt) und Dr. Meier (Ohrenarzt) be¬
handelten Fall erwähnt er besonders folgende, ihm als vornehmlich
auffällig erscheinende Symptome: Margarete F., 6 Jahre alt, kon¬
stitutionell nicht erkrankt und ohne lymphatischen Habitus; Kind von
in guten, besonders in sanitärer Beziehung besten Verhältnissen
lebenden Eltern, erkrankt ohne jede Vorboten nach 3 tägigem
Schulbesuch. Die sofortige Untersuchung ergibt: Temperatur 38,7°.
freies Sensorium, Zunge etwas belegt; der ganze Rachen, soweit er
sichtbar, sowie Gaumenmandeln ausserordentlich blass, wie die
Schleimhäute schwer Anämischer. Magengegend etwas aufgetrieben,
aber nicht empfindlich, Stuhlgang war tags vorher erfolgt. An Brust-
und Bauchorganen nichts besonderes nachweisbar, dagegen auf der
Haut, in der Mitte der Sterni, am unteren, seitlichen linken Rippen-
'bogen und oberhalb der Symphyse vereinzelte, im ganzen vielleicht
7 unregelmässig angeordnete linsengrosse, wasserhelle Bläschen, die
beim ersten Sehen den unzweifelhaften Eindruck von Varizellen
machten. Nach 5 Stunden war -das Fieber auf 40,1 gestiegen, die
beobachteten Bläschen waren völlig verschwunden, ohne auch nur
die geringsten Spuren zu hinterlassen. Nach weiteren 5 Stunden
betrug das Fieber 40,2, fiel nach derselben Zeit auf 38,3, um nach
nochmaligen 3 Stunden (2 Uhr nachts) die Höchsttemperatur von
.«r».S zu erreichen. Puls betrug 160. Es war 24 ständiges unstillbares
Erbrechen und heftiger Kopfschmerz eingetreten. Am 4. Tage zeigte
sich eine ausserordentlich starke Starre der ganzen Wirbelsäule, die
am nächsten Tage zurückging und sich nur auf Hals und oberen
Rückenteil beschränkte. Die Haut- und Kniereflexe waren erhöht.
Kernig sches Symptom war vorhanden. Das Kind nahm dauernd
selbstgewählte Seitenlage ein, zunächst nur links. Am 5. Krankheits¬
tage klagte es über heftige Schmerzen am linken Oberschenkel und
als wir es herumdrehten, gewahrten wir varizellenartige Bläschen,
w ie am ersten Tage. Diesmal aber waren sie mehr in Gruppenform
angeordnet, wie bei Herpes zoster; sie verschwanden auch nicht,
vielmehr wurde der Inhalt der Bläschen trübe, das Unterhautzell¬
gewebe entzündete sich in zum Teil über fünfmarkstückgrosser Um¬
gebung, es bildeten sich Abszesse, die später gespalten werden
mussten. In der zweiten Woche litt das Kind unter den verschieden¬
sten Gesichts- und Hautneuralgien und unter furchtbaren, Tag und
Nacht anhaltenden Jaktationen. Mit dem stereotypen Wort „rum“,
das Patientin jedesmal ausrief, veraniasste sie ihre Umgebung, sic
mehr als 20 mal in der Stunde auf die andere Seite zu legen. — Der
erste Augenspiegelbefund fiel völlig negativ aus, dagegen zeigte sich
auf dem linken und später auch aut dem rechten Ohr eine Otitis
media, die gar keine subjektiven Erscheinungen gemacht hatte, die
aber bei der von Dr. Meier sofort vorgenommenen Parazentese
reichlich Pus absonderte. Im Blut, im Nasenschleim, im Halsabstrich
wurde bakteriologisch zunächst nichts Typisches gefunden, im Ohr¬
eiter Streptokokken und plumpe. Gram-positive Diplokokken. Erst
bei der dritten, durch Lumbalpunktion gewonnenen Zerebrospinal¬
flüssigkeit, sowie bei der zweiten mikroskopischen Ohreitcrunter-
suchung wurden Meningokokken gefunden, von denen im hiesigen
| bakteriologischen Institut (Dr. Gun dl ach) Kulturen angelegt
| werden konnten, deren Identität durch Vergleiche mit Stammkuituren
| festgestellt ist. Vom weiteren Verlauf ist noch mitzuteilen, der fiir
i sporadische Fälle besonders typische Verlauf der Fieberexazer¬
bationen und Remissionen, das Auftreten von Herzschwächeanfällen
in der 3. und 4. Woche von kurzer Dauer und eines sehr schweren,
sich über 24 Stunden hinziehenden Herzkollapses mit nicht mehr
fühlbarem Puls, stark beschleunigtem Atmen, Zyanose des Gesichts
in der 5. Woche, schwere Erscheinungen von seiten der Sehnerven
und doch der schliesslich günstige Ausgang, wie er ebenfalls bei
derartigen, sich über Monate hinziehenden Fällen nicht selten ist.
Die objektiven KrankheitssymDtome an Augen und Ohren bildeten
sich zurück, sowie auch der in der Rekonvaleszenz (im 4. Monat)
aufgetretene, sehr erschwerte, steife, etwas schleifende sogen,
spastische Gang. Das Kind wurde völlig gesund.
Therapeutisch wurden gegen die Jaktationen mit Erfolg Chloral-
hydratklysmata (1:100) gegeben, gegen die Herzschwäche Digitalis
abwechselnd mit Strophanthus, bei dem schweren Kollaps 14 Kampher-
spritzen, nach denen sich jedesmal die Herztätigkeit und der Puls hob.
Von heissen Bädern sahen wir keine beruhigende Wirkung, wohl
aber, wenn auch nur vorübergehend, von unseren 4 Lumbalpunk¬
tionen, bei denen 10 ccm — 2 Tropfen — 40 ccm — 20 ccm — Zerebro¬
spinalflüssigkeit entnommen wurden. Eine Serumbehandlung ist nicht
erfolgt, weil unser frühzeitiger Verdacht auf echte Genickstarre erst
spät bakteriologisch festgestellt wurde.
Das Woher der Ansteckung ist in diesem Falle, wie oft bei
den sporadisch auftretenden Fällen, völlig dunkel geblieben — auch
nicht eine Spur hat sich verfolgen lassen. Dagegen ist wichtig und
interessant, dass eine gleichaltrige Schulfreundin, Marie Louise v. H..
die sich mit dem erkrankten Kinde noch tags zuvor geküsst hatte,
völlig gesund geblieben ist. Ueberhaupt sind Ansteckungen von
diesem Falle nicht vorgekommen, wie auch in den Mauern Magde¬
burgs und darüber hinaus dies der einzige Fall geblieben ist. Aller¬
dings war die Absperrung des Kindes und seiner Umgebung eine der¬
artige, dass z. B. der Vater des Kindes auf Anordnung des hiesigen
Kreisarztes über 2 Monate vom Geschäfte ferngeblieben ist und dass
Dritte mit der Familie überhaupt nicht in Berührung kamen. Zum
Schluss redet der Vortragende einer Krankenhausbehandlung das
Wort. Ganz abgesehen von den Schädigungen, die der betr. Arzt
bei ängstlich besaiteten oder sagen wir ganz besonders vorsichtigen
Familien in seiner Klientel erleidet, ist auch für die betr. Familie die
Durchführung häuslicher Behandlung mit schwersten Opfern ver¬
knüpft. Dazu kommen noch allgemeine Rücksichten, die zunächst
von den Beteiligten, wie auch vom Arzt nicht genügend beachtet
werden: Die Mitbewohner eines solchen mit einem Genickstarre-
kranken belegten Hauses werden geschäftlich und auch im pri¬
vaten Verkehr gemieden und können dadurch leicht Schädigungen
erleiden.
Herr P. Schreiber: Ueber Augenveränderungen bei epi¬
demischer Genickstarre.
M. H.! Der von Herrn W i e s e n t h a 1 des genaueren beschrie¬
bene Fall von epidemischer Genickstarre bietet auch okulistisch
manches Interessante: Ich wurde zu dem Falle hinzugezogen, als
die Krankheit bereits diagnostiziert und polizeilich gemeldet war.
Die Augenuntersuchung bei der ersten Konsultation am 29. IV. 07
ergab jedoch ein absolut negatives Resultat. Weder war eine
Neuritis optica, noch gar eine metastatische Ophthalmie oder eine
Augenmuskellähmung zu konstatieren. Die auffallend weiten Pupillen,
welche bei den häufigen Schmerzanfällen maximal weit wurden,
jedenfalls infolge von Sympathikusreizung, reagierten deutlich auf
Lichteinfall. Erst am 11. V. konnte eine deutliche Neuritis optica
auf beiden Augen festgestellt werden, welche augenscheinlich mit
einer Sehstörung verbunden war und welche bis zum 22. V., au
welchem Tage Pat. bereits fieberfrei war. entschieden zunahm. Am
genannten Tage waren die Papillargrenzen äusserst verwaschen
und die Venen zeigten starke Stauung, ohne dass man jedoch von
Stauungspapille reden konnte, auch waren keine Netzhautblutungen
zu sehen. Pat. machte einen entschieden hochgradig schwachsichti¬
gen Eindruck. Bei der nächsten Untersuchung am 3. VI. bot das
Kind ein durchaus verändertes Bild. Erstens hatte sich das Sehver¬
mögen ganz merklich gehoben, infolgedessen war die Pupillenreaktion
eine äusserst flotte. Der Augenspiegelbefund war fast normal zu
nennen. Die Neuritis war abgeklungen und die Panillargrenzen
traten wieder deutlich hervor. Auf Grund dieses Befundes wurde
die Prognose des Falles günstig gestellt, und wenn auch die völlige
Heilung noch Monate in Anspruch nahm, so ging doch die damals
auf Grund des Augenspiegelbefundes gestellte Prognose glänzend
in Erfüllung. Eine am 27. XI. 07 ausgeführte Schlussuntersuchung
des Kindes ergab ein in jeder Beziehung erfreuliches Resultat. Seh¬
schärfe und Gesichtsfeld waren auf beiden Augen bei normalem
Augenspiegelbefund vollkommen normal.
Der beschriebene Fall ist nun insofern interessant, als die von
den verschiedensten Autoren beobachtete Neuritis optica, beiläufig
gesagt die häuftest beobachtete Augenkoniplikation bei epidemischer
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1462
Nn.
Genickstarre, im vorliegenden Kalle erst 2(» Tage nach Beginn der
Erkrankung auftrat lind nur ca. 14 Tage bis .1 Wochen zu beobachten
war. Es wäre danach wohl denkbar, dass eine Neuritis optica noch
hüufixer im Verlaut der epidemischen (ienickstarrc auitntt. als es
bisher beobachtet ist, denn es gehört, wie dieser I all lehrt, ein öfteres
Augenspiegeln dazu, um eine Neuritis nach/uw cisui. Wie schon er¬
wähnt, hatten die Augerispiegelimtersiicliimgeti in den ersten Wochen
des Bestehens der Krankheit ein durchaus negatives Resultat er¬
geben.
Herr Meier referiert über die klinischen Erscheinungen und
pathologisch-anatomischen Veränderungen des Mittelohres und Ohr¬
labyrinths bei übertragbarer Genickstarre, sowie die topisch-
neuritischen Veränderungen des Gehörorganes.
Bei dem hier behandelten Fall hat es sich um eine reine Mittel¬
ohraffektion gehandelt, die klinisch symptomlos verlauten war mul
erst mit dem Ohrenspiegel entdeckt wurde. In dem durch Para¬
zentese entleerten Exsudat war der Menmgococcus iutracellularis
gefunden und gezüchtet worden. Das Besondere war. dass die voi-
aufgegangenen bakteriologischen Untersuchungen der durch Lumbal¬
punktion gewonnenen Zerebrospinalflüssigkeit negativ ausgefallen
waren und erst der positive Meningokokkenbefimd des Ohreiters
die Diagnose sichcrstclltc.
Aerztlicher Verein zu Marburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. Mai 190S.
Vorsitzender: Herr T u c z e k.
Schriftführer: Herr Sardern a n n.
Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Krusius einen Lall
von sympathischer Ophthalmie in Form einer plastischen Irido¬
zyklitis bei einem Jungen, die sich drei Wochen nach einer perfo¬
rierenden Stiehverletzung am Limbus nahe dem Ziliarkörper ent¬
wickelt hatte. Die Wunde an sieli war gut geheilt und das Auge nur
massig injiziert. Das primär erkrankte Auge hatte bei der Auf¬
nahme (d Wochen nach der Verletzung) ein Sehvermögen von
Fingern in 2 m, das sekundär erkrankte hatte noch normale Seh¬
schärfe und zeigte nur mehrere feine Prnzipitate an der hinteren
Hnrnhautwand und hintere Synechien. Allgemeimmtersuelmng war
negativ. Energische Schmierkur wurde cmgclcitet, Atropin und
subkonjunktivale Kochsalz.injcktioncii gegeben. Trotzdem sank m
den nächsten Tagen der Visus des sekundär erkrankten Auges bis
auf \o, während der Visus des primär ei krankten Auges sich etwas
hob und sich der ophthalmoskopische Befund dieses Auges besserte.
Ls wurde deshalb von der Enukleation des verletzten Auges abge¬
standen. In den dann folgenden lagen hob sieh der Visus dieses
Auges bis auf ‘/io und ebenso der des anderen Auges wieder bis auf
’/a bei Besserung der iridozyklitisehen Erscheinungen. Gestutzt auf
diesen Fall und ähnliche in der Literatur erw ähnte rat Vnrti agcmlcr.
nicht zu leicht zur Enukleation zu greifen und lieber ab/uw arten,
zumal auch die moderne Metastasentheorie (Romei) einen solchen
Eingriff nicht mehr unbedingt fordert, da ja da mach eine schon er¬
folgte Aussaat in den Körper angenommen werden muss und man
durch die Enukleation nicht mehr den einzigsten Iniektioiisherd
entfernte.
Herr Römer: Spezifische Lieberempfindlichkeit und Tu¬
berkuloseimmunität.
Wie die Tubcrkuloseiniminiisicrinigsarbeitcn der letzten
Jahre übereinstimmend gezeigt haben, kann man Rinder durch
intravenöse Injektion mit für Rinder schwach virulenten In -
berkelbazillen immunisieren gegen nachfolgende Infektionen mit
virulentem Rindertuberkulosevirus. Man erzielt aber auch eine
erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen tuberkulöse Infektionen,
wenn man zur immunisierenden Vorbehandlung rindvirulente
Tuberkelbazillen in schwacher Dosis nimmt. Mau erzeugt also
eine schwache Tuberkulose beim Rinde, die gegen nachfolgende
Infektionen Schutz verleiht. Der Vortragende hat nun Ge¬
legenheit gehabt, das gleiche Phänomen bei tuberkulösen Meer¬
schweinen zu beobachten, und setzt des näheren die Be¬
dingungen auseinander, unter denen man beobachten kann, dass
ein tuberkulöses Meerschwein sielt gegen nachfolgende Infek¬
tionen widerstandsfähig erweist. Die Aufstellung dieses Phä¬
nomens selbst geht übrigens, wie der Vortragende hervorhebt,
schon aut Koch zurück. J *'
Diese erhöhte Widerstandsfähigkeit tuberkulöser Indi¬
viduen gegen eine nette von aussen kommende Infektion bringt
der Vortragende in kausalen Zusammenhang mit einer bei
tuberkulösen Individuen zu beobachtenden l'eberempfiiullich-
keit gegen Ttiberkelbazillen. Zu der gleichen Theorie, die der
Vortragende übrigens schon im August 1 ( >07 in der Sociedad
ttfedica Argentina vorgetragen hat, ist auch W o 1 f f - E i s n e r
(\ergl. Brauers Beiträge zur Klinik der I uhcrki.ti<* s e, Ja¬
nuarheft |9o.s) gekommen.
Die I atsache. dass eine tuberkulöse 1 1 :!e kto *11 erhöhte W j~
derstandsiiiliigkeil gegen weitere. \ <m aussen kommende In¬
fektionen \erleiht. kann von aulKlarender Bedeutung mr ver¬
schiedene, schwer verständliche ejnJemiuI'igisJie latschen
sein, auch praktisch hygienischen Bestrebungen in der I uher-
kiilosebekämpfimg bestimmtere Wege weisen.
(Der Vortrag erscheint ausführlich in Brauers Bei¬
trügen zur Klinik der I u b c r k u 1 o s e.)
Herr Mayer berichtet über d.e Erfahrungen, die n..:
Skopolamln-Morphiuminiektionen bei Geburten an der Mar-
burger Frauenklinik gewonnen wurden. NaJi kurzer Berück¬
sichtigung der ersten Anwendung des Skopolamin-Morph um i:i
der (iebiirtslnlle. der günstigen Erfahr ungett an der Freiburger
Frauenklinik und der ungünstigen an der Charikiraaeukm .k in
Berlin und der Leopoldschen Klinik in Dresden, besprich;
er die I eJimk der Anwendung. Er gellt dann zur Frage dt r
Berechtigung über, ob ein soldits Medikament einer Gebären¬
den gegeben werden darf, wobei nicht nur die Mutter, sondern
auch das Kind berücksichtigt werden muss.
Es werden folgende Anforderungen an das Mittel gesteht:
I. Darf keine Beeinflussung des pliys;o!»»g,schen Gebarts-
ablanfes stattfinden,
II. keine Schädigung der Mutter e ntreten und
III. keine Giitwnkimg auf dm kindlichen Organismus vor-
handen sein.
Herabsetzung der \\ elientaiigkeit wurde mJit beobachtet,
ebenso keine ernsteren Nac hgeburtsst. .rimgen. wdi! aber trat
Verschlechterung der BauJipresse ein und Schädliche E r.vv.r-
kimg auf den kindlichen Organismus bei Anw eirn.ing grosserer
Dosen. Als unangenehmste Nebenwirkung waren ha..hg ver¬
schieden hochgradige Auiregungs/iistaiide der Mutter e.rge-
treteii.
Was die (iesamtresultate betrifft, so wurde unter den 5"
beobachteten Fallen in
4l» Pr<*/. W irkung. a's.» ..Kunst'; Jicr I *a:t.iiit;scMat** erzielt,
m -12 Pr<»/. Ihp.egevc und
ui 12 Pro/, keine W ir kung.
Der Vortragende kommt zu dem Schluss, dass eine stän¬
dige l'eberw achung der Kreissenden bei der Skojx«:.im!n-M<*r-
phmmanw enduiig notig ist und dass deshalb d.e Methode nicht
für den praktischen Arzt geeignet ist, sondern nur in klenken
angewandt werden darf.
(Der Vortrag erscheint in evunso im /eiitralblatt für Gv-
nakologie.)
Diskussion: Herr M »ic k c ! lat- nt. dass er d e >s- p- -
l;*tn i n - M« »i plniinin.il kose als einen sein N ad; Je nsw erteil \ om;2i m
dem Best leben, die Geburt Schmer zios zu gi sia.teu. ane r k e n ••.!. d.«sc
er aber das Mittel tur zu gt.’.di. d.e M":ei :ui Hu i te: *
Sclieiniingi n beim Diutüriersc Iba! bir zu iii'.i: ^cii-Vn ha't. as dass
die Methode ideal genannt tun! dem Puisi-ct en.pn n wer.e
konnte. D.e TiihereclienInokt.it der W.'kn g. te n.u h :4er I g-
l.dikeit des betreuenden Organismus t“ r ♦ r t de .tagosstc \ -
sieht bei der Applikation Von >k"P"lam n. Uun nur Ina 5-1 P: /.
der Kreissenden >kopi,i.unai ange wendet v\ er der: K'-nute. so l.i\t ;n
dieser Beschränkung auch ein N.uhte.l. !•:!-• a.kvstii .st das \e r -
tahren an der Marburger brauenkumk ut/t \. n.issm w-udvn zu
(i miste n eines anderen \ eriahiens. de "Mi l’:,:.u K mdi nicht ab¬
geschlossen ist. nbtr d.is aber Jemn.uh't r.a:a r e M.tte düngen e*-
i« Igeii werden.
Herr Sieber macht darauf antra 'ks.un. dass vu kom-
p I i k a t i o n s I «i s e ii g \ n a k o ; n g i \ g h c n Operation*-
fallen derselben Klinik 22 Po*/. nach >*--■; lar M> rp;; u:r.-
ii.n kose t .ne zwei- bis d r e i t a g ; g c erbe ■ n.",e 1 sc: ia d.-.rig
zeigten. Die Pulszahl betrug in dasen 1 . en zw .n s :ot 1"* urd I
Schlagen m der Minute, sie war um 2 1 ' b s 5 > >d.'agc ge sie .gort.
Dieselben Emheimmg.en s.ml muh nach Im st n v.«n >k-•:»■*,am.n
ohne daTauilolgen-le operan-m K« b.uhiet. D.e >*. p- .mr : d--sen
w.oen durciiaiis massige und u'er sd‘” Uten i? vesi»»:! ne ".-»<• *t g.
das Präparat war. was seine K\ .nac t lat- CtS e uw .unis!: e
ln deser langer daucr n Jett Tu'v.i *e’ah‘>n >! e e Sud . arg des
Herzens infolge A i i g e m e i u i ti t o \ : k a t : o n d«. s k-'iurs zu er¬
blicken. Es werden des)ij b an der bet 1 c"e ’ den k r k >» r • a::i::f-
Morph.umnarkoseii nicht mehr ausgc: : *t, hr'gt Ctrl w er.an int
Lumbalanästhesie ( N"V«>k.a n » lur. vi 1 -’* .ita-’er M . -:i
11 i.o 1 gl vollkomn.en beb :e.l gyn-.li. R«. s'i ’ate e r /a t; ;t's' e^-mdere
wil'-kü hierbei llaUtals di'.otcv P . a'i r \-.!l be •• aPdct.
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1463
Herr Fischer berichtet über das Ergebnis der durch den
ji/tüchen Verein zu Marburg veranstalteten Sammlung von Kur¬
pfuscherei- und Geheimmittelanzeigen in der Fresse der Kreise
\\3rburg. Kirchhain, Erankenberg, Biedenkopf und Wittgenstein.
Gynäkologische Gesellschaft in München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 25. Juni 1908.
Vor der Tagesordnung hält der Vorsitzende. Herr Prof. Döder-
■ e i n. einen warmempfundenen Nachruf auf das in Frankfurt ver¬
storbene korrespondierende Mitglied der Gesellschaft, Herrn Prof.
A i b r e c h t. in dem er sein Bedauern ausspricht, dass dieser
rCrscher, der berufen war, in der pathologischen Anatomie eine
führende Stelle einzunehmen, so früh dahinscheiden musste.
Herr Mirabeau demonstriert einen Schllngenftihrer als
Zusatz inst runtent zu seinem Instrumentarium zur endovesikalen
Therapie.
Herr Amann demonstriert:
1. Präparate von Dickdarmresektionen und -ausschaltungen bei
gynäkologischen Operationen.
a) Myomata Uteri und Zökumkarzinom. Abdominale Totalexstir-
r*a:ion des Uterus und prim. Resektion des Zökums. Einpflanzung des
lk-ums seitlich in das Colon ascendens. Heilung.
b) Kystoma ovarii und Karzinom des linken Kolonknies.
Kystomektomie und prim. Resektion des Kolonstückes. Seitliche
Anastomose. Heilung.
c) Myomata uteri, Ileus. Einklemmung einer über 30 cm langen
Querkolonschlinge in Nabelbruchpforte. Primäre Resektion eines
i A5 cm langen Stückes des Querkolons. Heilung.
| d) Resektion der schwielig verdickten Flexur (Pseudokarzinom)
! lieosigmoideostomie (Dr. A 1 b r e c h t). Heilung.
e) Fiexurkarzlnom mit grossen sekundären Ovarialtumoren.
Abdominale Totalexstirpation der Ovarialtumoren und des Uterus,
prim. Resektion der Flexur (End- zu End), Dr. Brunner. Heilung.
f) Perisigmoiditis. Genitaltuberkulose, früher vaginale Total-
evstirpation. Dann mehrfache Laparotomie zur Lösung der
Adhäsionen. Schwere Obstipation bis Ileus, schliesslich Dickdarm-
uisschaltung und lieosigmoideostomie. Heilung.
2. Schwere intraabdominale Blutung mit grosser Hämatozelen-
üdung durch Platzen eines weit vorgeschrittenen Ovarialsarkoms.
Laparotomie. Heilung.
3. Myom mit Extrauteringravidität.
4. Myom mit Gravidität.
5. Nebenniere im Lig. latum bei Dermoid des Ovariums.
6. Kopfgrosses weiches Fibrosarkom des Beckenbindegewebes,
ausgehend dem Lig. latum, subsigmoideale Entwicklung.
Herr Hertel demonstriert:
1. Ei 5 Wochen alt.
2. Inkompletter Abort von 4—5 Monaten: 3 Wochen nach Aus¬
messung des Fötus werden bei der Auskratzung noch frischlebende
Zraten gefunden.
3. Uterus einer 40 jährigen Frau, bei der die Menses nie aus-
^cblieben waren. 12 tägige schwere Blutung. Totalexstirpation.
I:r, Uterus ein kleines Myom mit darauf haftendem Plazentarpolyp.
Herr G. Klein: Dämmerschlaf und Lumbalanästhesie. (Der
Vortrag erscheint in dieser Wochenschrift.)
Diskussion die Herren: Albert Hörrmann, Amann.
• Himer, Hengge. Erhärt, Döderlein. Mirabeau,
klein. G. Wiener -München.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 20. Februar 1908.
Vorsitzender: Herr Frankenburger.
Herr Görl: Exanthem durch Anacardia orientalis.
Anacardia orientalis d. h. deren Frucht wird in Nürnberg ziem¬
lich häufig als Sympathiemittel gegen Zahnschmerz verwendet.
Gewöhnlich wird sie, in einem Säckchen eingenäht, um den Hals ge¬
tragen und ist dann unschädlich. Wenn aber — wie bei dem
7 Jahre alten Patienten G.s — die Frucht durchbohrt ist und blank
~uf der Brust an einem Faden getragen wird, treten sehr schwere
Fntzündungserscheinungen auf. Bei dem Knaben war nicht nur die
Br mst, sondern auch die ganze Bauchgegend mit thalergrossen
Blasen bedeckt. Das äusserst schmerzhafte Exanthem heilte erst in
4 Wochen ab. — Einige Exemplare der Frucht werden demonstriert.
Ferner demonstriert Herr Görl eine schon früher vorgestellte
Patientin mit sehr ausgedehntem Lupus, bei 'der die Röntgen¬
behandlung ein gutes Resultat erzielte.’
Des ferneren berichtet Herr Görl über Entfernung von Täto-
-, v 1 e r u n g e n mittels der Kromeyer sehen Stanze.
Herr Kraus berichtet über einen Fall von familiärer, ange-
'orener Hornhautveränderung. Die Veränderungen konstatierte der-
»■vlbe bei einem 15 jährigen jungen Mann gelegentlich einer Brillen-
-Vstimmung. Auf bfeiden.Augen wies die Kornea viele kleinste punkt-
i i'rmige Trübungen auf, die auf das Zentrum sich beschränkten, eine
l 2—3 mm breite Randzone war vollkommen frei von jeder Trübung.
Am rechten Auge waren ausserdem einige feinste strickförmige,
gitterartig sich kreuzende Trübungen zu konstatieren. Auf Befragen
erklärte der junge Mann, er habe nie eine Augenerkrankung durch¬
gemacht, seine Mutter und 1 Vetter hätten die gleichen Verän¬
derungen. ln diesem Jahr hatte Vortragender Gelegenheit, die Mutter
desselben zu untersuchen und konstatierte auch hier beiderseits
kleinste, punktförmige Trübungen, die zentralen Hornhautpartien ein¬
nehmend. Auf Befragen erklärte sie. diese Veränderungen habe sie
schon immer und wurden schon vor langer Zeit in Würzburg
(v. Wels) nicht mir bei ihr. sondern auch bei ihrem Bruder fest¬
gestellt. Sie hat 2. Kinder, 1 Mädchen und den oben erwähnten
Jüngling, das Mädchen hat keine Veränderungen: Ihr auswärts leben¬
der Bruder hat 3 Kinder, doch vermag sie nicht tnzugeben. ob die¬
selben an den Augen Veränderungen hätten. J Eine hier lebende
Schwester von ihr hat normalen Augenbefuifd, von ihren 3 Kindern
hat ein Sohn die gleichen Hornhautveränderungen. Bemerkt sei. dass
diese Schwester mit einem Bruder ihres Mannes verheiratet. Anam¬
nestisch liess sich nichts eruieren. Da jegliche Entzündung der
Augen fehlte, glaubt Kraus, dass es sich um eine angeborene,
erbliche Form von Keratitis punctata handeln dürfte.
Sitzung vom 5. März 1908.
Vorsitzender: Herr Flat au.
Herr Hein lein: Fortsetzung des eingehenden Referats über
Prof. Me r k e I s - Göttingen: Topographische Anatomie (Schluss¬
band, I. Teil).
Herr Barabo demonstriert eine anatomische Tafel des
männlichen Körpers, gefertigt Mitte des 16. Jahrhunderts zu Nürnberg.
Sitzung vom 19. März 1908.
Vorsitzender: Herr Frankenburger.
Herr H e i n I e I n bringt den Schluss seines Referats über
Topographische Anatomie von Professor M e r k e 1 - Qöttingen
(Schlussband; untere Extremität).
Herr Gernert demonstriert einen ziemlich grossen Speichel¬
stein, den er aus dem Ductus Bartholinianus eines Mannes extrahiert
hatte, und spricht über Speichelsteine nn Allgemeinen.
Herr Stander demonstriert einen durch Resektion gewon¬
nenen Tumor der grossen Kurvatur des Magens und bringt die
Krankengeschichte des Falles: 62 jähriger Lehrer, der seit 3 Monaten
über unbestimmte Magensymptome klagt und bei geringer Gewichts¬
abnahme und leichter Herzinsuffizienz einen harten kleinapfelgrossen
Tumor der Pylorusgegend bei Palpation und Aufblähung aufwies.
Die Motilität wäre erheblich gestört, nach Probefrühstück 200 ccm
Rückstände, freie Säure 20. Ges.-Azid. 40, Congo positiv, Biuiet posi¬
tiv, kleine Mengen Blut. Neben dem Tumor und der Magenatonie
bestand ein massiger Descensus ventriculi. Im Verlaufe von 6
Wochen trat Blut im Stuhl hie und da auf, die Motilität verschlechterte
sich nicht mehr weiter, dagegen sank der Säuregehalt langsam auf
0,7 freie Säure und 33 Ges.-Azid. Im nüchternen Magen fand sich
wiederholt Blut. Die am 14. XII. 1907 von Herrn Hofrat H e i n 1 e i n
vorgenommene Laparotomie, die trotz mehrstündiger Dauer mit
Schleich gemacht werden konnte, brachte folgenden Befund:
Apfelgrosser Tumor der grossen Kurvatur, ca. 4 cm vom Pylorus-
ring entfernt; keine Drüsen; Sekretion und Schrumpfung des Ligam.
gastro-colicum. Ein Teil des Querdarms ist an den Tumor fest
adhärent. Resektion eines ca. 8 cm langen Stückes des Coxa trans-
versum und des Pylorusteils des Magens bis 2—3 cm über den Tu¬
mor hinaus. Vereinigung der Ouerdarmstümpfe durch Zirkulärnaht.
Einnähen des Duodenums nach Billroth I mit vorzüglicher
Funktion. Pat. erholte sich von dem Eingriff rasch, ohne jede Tem¬
peraturerhöhung, nimmt 6 Pfund zu. isst alles und ist 4 Monate
völlig beschwerdefrei. Ab 24. IV. 08 die ersten Symptome eines
Rezidives mit grossen Rückständen und starken Blutungen, dem
Patient in Bälde erliegen dürfte.
Das durch die Operation gewonnene Präparat stellte sich als
ein tiefes (PA cm) mit kraterförmig verdickten Rändern umgebenes
grosses Geschwür der grossen Kurvatur dar; die Randpartien waren
wallartig aufgeworfen und erschienen maligen degeneriert. Quer¬
darm war in die Geschwulst nicht eingezogen. Die mikroskopische
Diagnose, welche im pathologischen Institut Erlangen von Herrn
Professor Hauser gestellt wurde, ergab das seltene Bild eines von
den Ly mph spalten der.Submukosa des Magens aus¬
gehenden Endothelioms des Magens. Präparat wird de¬
monstriert.
Charakteristisch für diese Tumoren, die wohl dem Sarkom des
Magens nahe stehen dürften, ist der Sitz an der Curvatur maior, der
rasche Verlauf, die Rezidivbildung.
Berliner medizinische Gesellschaft
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom I. Juli 1908.
Vor der Tagesordnung: 1
Herr Bl um reich: Zum suprasymphysären Kaiserschnitt.
Bei einer sehr dyspnoischen Patientin soUte der Uterus ohne
Wehentätigkeit entleert werden. Er wählte dazu den suprasymphy¬
sären Kaiserschnitt. Morphium-Skopolamin-Narkose versagte. Bei
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1464
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
V». 27 .
Actliernarkose wurde Tracheotomie notig. Er glaubt, dass die
Methode den klassischen Kaiserschnitt, ebenso den vaginalen ver¬
drängen wird. Es ist eine Konkurrenzopcration der beckenerw eitern¬
den Massnahmen.
Herr R. Frank: Ein Fall von Chylurie.
Seit 6 Jahren war der Urin milchig, es wurde auf Bla"ciikutarrls
behandelt. Eis sind von europäischer Ui.vlmie nur ca. sii I alle be¬
kannt. Die Gerinnbarkeit des Urins war so gross, dass derselbe
in 2 Minuten vollkommen erstarrte. Hei der Z\stosk»»pie ergab
es sich, dass der Chvlusurin nur von e i n e r Niere ausgesclucdeii
wurde. — Hierzu Herr M a g n ii s - E e v y.
Herr v. Bergmann: Zur antiprotcolytischen Kraft des Serums.
Kasein • Serum • wechselnde Trvpsinmengen (Methodik muh
Eu Id) zeigen deutlich die hemmende protcnU tisJie Krait des
Serums aus der Menge der an der Wirkung verhinderten Trypsm-
menge. Bei Karzinom ist eine Vermehrung der antiproten*
h tischen Kraft konstant, wenn das gleiche allerdings auch bei
anderen Krankheiten beobachtet wird. Er glaubt, dass eine Kai/mom-
diagnose durch die autipmte, »Ivtische Kraft des Patienteiisci ums ge¬
stützt werden kann.
Herr Paul Manassc: Zwei Fälle aus der t'nfallpraxis.
]. Eine Zerreissung des Ligamentum patelläe iiiieriiis; Operation
führte zu fast vollkommener Heilung.
2. Zerreissung der Harnblase ins Peritoneum nach Einwirkung
eines schweren Traumas.
Tagesordnung:
Herr Anton Sticker: Ueber die Beeinflussung bös¬
artiger Geschwülste durch Atoxyl und fremdartiges Eiweiss.
Vortr. unterscheidet zytizide und zytnlytisclie Stoffe i
gegenüber Tuniorgew ehe. Serumtherapie scheint keine Chan- j
een zu habet:; ein weiterer Weg ist die Bekämpfung mit Fer¬
menten, doch treten bei dem Abbau der (ieschw ulst/elleii
toxische Wirkungen auf. Weiter ist die Benutzung der atito-
iermentativen und heterofermentativen Methoden möglich.
Bei Anwendung von Atoxyl trat bei toxischen Dosen ein :
Geschwulst w a c h s t u m ein; bei kleinen Dosen blieb d is j
Wachstum der Tumoren stellen und entstand eine Hyper- i
leiikozytose, Bei Angewöhnung trat das Wachstum bei den |
Hundesarkonicn jedoch wieder in Erscheinung. |
Bei Anwendung von körperfremdem Eiweiss erwies sich j
Hammelblut am geeignetsten. Direkt nach der Iniektu n trat I
ein Schwinden der J unioren ein, das sich anhaltend iortsetzte I
und zur regressiven Metamorpln se der rumoren führte. Bei
Wiederholung der Injektion traten unangenehme Allgemein- ,
erscheinungen auf (Serumkrankheit). 1
Kombination von Atoxyl und artfremdem Blut verminderte
die Schädigungen und verbesserte die Erfolge. Er hat auf
diese Weise Hundetumoren zum völligen Schwinden gebracht.
Bei Menschen wurde in keinem Falle ein Dauererfolg er¬
zielt, doch sollen erst noch Versuche mit der kombinierten Me¬
thode ausgefiibrt w erden.
Herr J. Hofbauer: (irundziige einer Antifermeiitbe-
handlung des Karzinoms.
Dem Karzinom wohnen abnorme, fermentative Prozesse
inne (analog der befruchteten Eizelle spez. des Cliorionepitluls).
Die Therapie muss daher eine antifermentutive sein. Autifer-
mentimmunisierung ist jedoch quantitativ zur (ieschw 11 1st-
therapie nicht ausreichend. Injektion körperfremder Eiwciss-
substanz wirkt antifermentativ zum Teil durch Absorption der
Fermente. Er benutzt vor allem Rinderserum, weil dieses be¬
sonders geeignet ist, da es Lezithin, ein sehr aktives Ferment
ausflockt. Alle ihre Fälle wurden günstig beeinflusst.
Herr Falk: Injektionen von Plazentarblut bei Karzinom,
ein Beitrag zur Kenntnis der Antifermentbildung. (Kurze Mit¬
teilung.)
Vortr. demonstriert Versuche mit Seidenpepton, die zcigui.
dass dem Atoxyl keine autifermentative Wirkung gegenüber
Pankreatin zukommen. Plazentarblut wirkt ziemhxh stark
autifermentativ in vitro, doch hat er nach einigen anscheinend
ermutigenden Ergebnissen schliesslich absolut keine Resultate
erzielt. Die Erfolge erw iesen sieh als Sclicinhesscruiigcn.
W o 1 f f - E i s u e r.
Wissenschaft!. Gesellschaft deutscher Aerzte in Böhmen.
Sitzung vom —. J u n i, med. Klinik Hofrat R. v, .1 a k s c h - Prag.
Herr Epstein demonstriert 2 Kinder mit Mongolenlleek. Ihr ,
Bruder des einen \<>n beiden zeigt eine ziemlich hochgradige ll\po- I
plasie des äusseren Genitales. Der Y,»i tragende \ e. nmte t. einen I
Zusammenhang der bi :de n >:*>rur;gi n dc-.rt, Öins N. le •• d. .
iigelid eaie uub.v. kannte I rvuhc e ne >:<»• arg .n vier I utw v*
de s lulltet eil le.Insel des e i,.,e ’: e de ll .st. I >v V, ^ 'e Vu»,.
zuerst am huuiigsicii be: lapa. <■ m he »hai ! w m X, "te ! n/.v ■ •
kein Rasse n med re mal vl.it.
Herr Münzer:
I. Der \ «utoigvuvle den 'geut uni K'pvU t e u ,.e d e I ’
Miehimgen des Ma ge rn, a r ud' a 11 as he ! r e Pe ude , NU :):• Ce u / ;• .
e ne Einrichtung zur Ansaugung des Magensaftes. 1 e we . e
Dt tiekhet abscl/img ;n gle . ‘n r \\ e se e” t ■ ■ w e * 1 »: \ s*
V11 n M c " s tltiv] ieded/cd mde ' h ■ < n heil wenden s .r tt !».■■•
sptiJit et die Mith-deu. iu , :.e mdm-d ,:‘n' d. :.. - *
I iiv lltigke.t vles Magens Xuis* b :«ss g«-be rt s • n, ! c D e s v ■
probe > .1 li i i s und d e I m>. *. • d:s;»- ati.ug Uv s M •e ' s •: tte "
P t •• b e k <• " t 11 ,1 e ii s v It tti . ,! t. Ir Me ! Je''*. dass ... w
liehe Iv 1 »de bei vier I t «»Urning ilt s De vm d e ate v *i r s c e " o, ’ e "‘
el.i ns. ehe Bellte eile M m realer ", Ul .2 .'"a'/vure .riCib . w ■.
aiteli e.tt ge w^ser E mhl"S vles Pe; s • s i:.u'.nW o«:i \v 0 u * .r
In k’ai.se tie r Be/.e'nmg let-uit e r . »'.iss es immi C« :t, *n :: < i; v..C
XU e v k 111 .tVs g e "’ 1 ' S he tt*. ei e I ’ e tl.u M Jru; M r e ' ” » •
lasse 1!. Bei \ ^ 1 . \ ...« gasd.ia W U de C.i" KiCdCi" t: e ’ .t " e ’
lei M\pera/ d tat »-‘ne D„n w .r 'e es «..st .u • e ' e
w.iiireiul die P e I e. ;••»; träte: s'e! n t: . t 1 •.
\\ titele und li.l« • de xm tt es .mge.'e e * s. 1 et. de rt \ 1 • e
bis zw eunal zu w .e de ' ! • e n. e ! 1 e n .«:•. e n « d'u 'e> I * te .
Stalle ’. Be /i.g lu : n vie r I a e > s a u : ■, t I «‘•■at \ : \ t .«.
ehe Beile lltlllig il Oe! I nte ’ viu l ir ^ ! »r de I '.1' u .1 • vt *
II e t v • 11. dass et su h /um n s t > 1« \i de n N.k t: w e s „e s litte" .
( Kn; u ui bed.e nt u.uii \'--.iii'ge\.i'\; nyf \er*e i.g ir •.! I • w .r ••
des Ntuh'es T1:, t Mal irvel I ';vs t. ll”d /e d e' ' < .0
t 1.1: ungsi < dfrUbdu, w e ». *;e ' v n h.tn I v de r Di;'. * ' ' a .
Probe attvse r.de 1 ' ll l*e w .1 1 ' t h.d e n.
2 I e be t d e Be de u!.11 g der \ isko^itat des Blutes S d li I \ •
tl"e ll nii ht ge Sv!: • ss. M ; de / ; - a"'t w • .1 e' "! e e ' . • h u: d \v 1 _
iaagn«».sj)s v he und tlte : a:*i ut c ::<• Be Uat.i'g d. 1 "e r Bes* u.u..,: g .
h» »IIIint. \ < »t de ' i a* d ‘ e "*e • t 11' m • e \ atg.C e C.t’ e ue e \ .»- 'e ,.
kl.lUSili ’c 1 i.i| ijur 1’t .r e NhtO -de /<:’ |b'*"uag de' \ s. s
tat \ i ll I uiss.^ki ' e 1 zu '••• \ tt. I • esetr. / w e v s e* v:d ! be , v
ih 1 " I ‘»tute s ihr II . r s ^ ii . |t i- , k sj'e \ »'.rat e”*":'' • . h* u 1
Best,n.mutig tut de^em Nnurat >! tat reu .r .-* me /'»n : . .
IltaIlse ',g. I s !’ e ’veU a v - de r \; 'm ' .11 v "i D e ! 1 * »: a c U m
\ < »11 Hess. | t.is i '• i’ / n d.e s le t / te ' e n ’ a ’ 1 n !'» . v • u d N^
/ur Me: "te hing ea.es e ^ e eil \ sk "■’.e'i s t v */t / ev .. .. v
lauge, äusserst u re Kat' .rem ge den ii ,-, e' Ni. .• g
viete, ter w e.te te t < 1 .»s:»»i.rtn :ii eu gvo • " . * 1 s »im-s
ivapl arett und atts^ ft.iessett le 11 1 I.asr. •! ' e " •’ ! mi e :• • V« . ■
ns.mtel euuess’h« .sse::. um de I * « •.«*:' s . * ••
ste den /n ki.une n. \\ .1! : e: ! d « k 1. ., r m ■ d ' '
ansv ‘die "se ii.mii I 11.1 n r•. 1 >*e ir1 o ii m:d gw .r •••"!' " N\ ""
besl.n.mte etwas Weder. Das \ e ' 1 a s de' NN’ ti b. « P
wird iladlir^b te -1 ,'e "t e " t. da"s *» « t ’t !>v »d; M NN «""e ' "a :.
«lese NNe.se emptseh \ ■ n >•». e- a ^‘e e \ e • ‘ • s
R-'breii te"tste'lt. Mau liate" d 1 u um 1 ••* g. w • • ” «. N --
tat \'tt I ii's gkeule ti be "t tun e t. w . n ..e t « R .1 N\ •
•g’ex b/e ;t g IM d e .«'• tv ' e «• e /(!«"•''’« e I . *.e t ;
Das \ e' 1 !ia JäI" dl » I iU. I tl »'<. ' W i"'(•"■: « ■ ;• l .1 ^1 , ' I .
k eu' "VIM C mild!» / 1 • t trat d« m \ e . a * '• s , '.Ne te ..e ' P ’ e
d e \ ,"k »sdat vier t e rendet? I • e t ”• \ « . v " /..•*. N\ »s«.
R • t K \ - P-.,g
Aus den französischen medizinischen Gesellschaften.
Socttt6 mddlcale des höpitaux.
V I t / 11 tl g \ <» ”, Io \ P ? 1 : II n ! I V .11 1 « "
Die I iw cDsmeiigc bei der Di. betiker kost.
NN ..In e 11 d .ule k linker da' ‘ e r 1 'ass •» ..»• 1 . ! .
die /muht an K»i}ilei;\ doPeti e ms v , ■■• d 1 - > :■ as, m . 1 1 i r
s 1 er und l.cmmiie u Ji |f d l :-».'t :» ' I >< * •.
BeaJduug ge s^ heulst. >14 )•• mge n de Id . m. .*v e e ’ k *a
bei W e k Ile tl de »' / ll "atu e u« ■ g»,v ,ss. -\ V _ f ,. s. ;;
W , »ll ul ll Ile 11 k • >"t s! a • ke 1 e "U ■ le 1 .» ' . * ' .1 " t / 1
kah »r mie t nsi ii K ekheT. Me ..e k d .de. ' .. / *; }•' " •
stilt/t ailt ehe v« und ii .d.e'e I»I .u l" 1 . s , " a 1 I
eier I ite i atut. i. .men Bi m i.'t oldd • . , \ . *. • .■ u . 1
In »lite I 1 w euss m . .: \ «. 1 u-r s,*m » I». 1 « . -. r •» Nu. ! 1 .
CIlle /11 Mallliie Cm < • ■ k. .si, • ie tr / mi •
staut In 1 SiJive'mi I , u \ • •»» D,. • s ■'.•]* .
W eassw 11 kling tt ii"" ” n aut 1 um« u. ,.a"s 1 • 1 m. isv- ■ . •; s
ein noch tu. (»t In .mut, » s.c, . * l s " . •. .. ..m-
1 rn.ilii uiig in. d I a sm vlu.i 1C.1 I ‘ "" ' “ ■ : "
sclt.iesslk h du* s u N 1 , (r te 11 /»ti • m . •' ' ' . " . u .
dilti 11 \ et Nv v ? ! g eii'S \ —. * " U ' : , s-
aiisleri-tl K \ ato.r.e d"e '"1 heiiuuui n; - ' m .. -
bei ie neu I ha im: :$&•: t n eint 1 et« 11. ‘ . . ~ . ' » : "• "t
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7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1465
Zuckergehalt im Urin nicht vermehrt; Linossier und Lemoine
bringen hiefür mehrere von ihnen beobachtete Beispiele. Sie er¬
klären daher die allgemeine Annahme, als ob ein Diabetiker einen
grösseren Nahrungsbedarf habe als ein gesunder Mensch, für irrtüm¬
lich und halten Einschränkung sowohl der Eiweiss- wie der Kohle¬
hydratzufuhr für notwendig. Nicht weniger falsch sei es zu glauben,
dass Abmagerung für den Diabetiker sehr verhängnisvoll sei; ebenso
sei die Annahme ein Irrtum, dass alle Diabetiker ausserordentlich
hohe Stickstoffausscheidung hätten; bei arthritischen Diabetikern ist
der reiche Stickstoffgehalt im Urin nur die normale Folge der Poly¬
phagie und der sehr N-reichen Diät.
Marcel L a b b 6 stimmt zwar mit Linossier und Lemoine
darin überein, dass übermässige Fleischzufuhr beim Diabetiker ge¬
fährlich ist, ebenso wie bei jedem anderen Individuum, aber er glaubt
nicht, dass die Eiweissmenge eine grössere Bedeutung habe, als die
der Kohlehydrate. Um zu beweisen, dass die Ei weissmenge ebenso
von Einfluss beim Diabetiker sei, wie die der Kohlehydrate, müsste
man beweisen, dass man willkürlich je durch Vermehrung oder Ver¬
minderung der Eiweisszufuhr die Glykosurie entsprechend erhöhen
oder reduzieren kann, wie es mit Zufuhr von Kohlehydraten der Fall
ist. In der Praxis dürfte noch immer die Reduktion der Kohlehydrate
nach den Prinzipien Bouchardats den Grundstock der Behand¬
lung der Glykosurie bilden; die Fleischmenge aber muss einfach in
massigen Grenzen gehalten sein.
Acadömie des Sciences.
Sitzung vom 21. April 1908.
Die Fortschritte der modernen Chirurgie, nach einer Statistik der
Kniegelenksresektionen beurteilt.
Nach Besprechung der schlechten Resultate, welche in der vor¬
antiseptischen Zeit die geringsten Eingriffe (Punktionen) an den Ge¬
lenken zeitigten und bei Resektion eine Mortalität von 35—36 Proz.
noch für ermutigend halten Hessen, führt Lucas-Champion-
ni^re an, dass er von 1880—1897 im ganzen 136 Resektionen des
Kniegelenkes ausgeführt und erst den 133. Fall und zwar 36 Stunden
rach der Operation an Alkoholdelirium verloren hat. Das ist eine
Mortalität von 0,76 Proz. statt der vorhin genannten 36 Proz. Mit
Ausnahme eines einzigen Falles, erlebte er nie sekundäre Eiterung
oder Rückkehr der Tuberkulose. Ch. hat eine sehr grosse Anzahl der
Operierten nach 25, 15, 18, 14 Jahren wieder gesehen lind alle
konnten gut gehen, einige sogar wahre Parforcetouren mit einem
verkürzten Beine machen. Ch. hat alle seine Operationen nach Li¬
ste rs Methode (antiseptisch) ausgeführt und niemals einen asepti¬
schen Saal benützt. Man kann aus dieser Reihe von Kniegelenks¬
resektionen, einer der umfangreichsten, die je ein Chirurg in einem
einzigen Lande für sich allein sammeln konnte, schliessen, dass diese
Operation nun als eine durchaus gutartige anzusehen, ebenso, dass
absolute operative Sicherheit durch Antisepsis zu erzielen ist.
Sitzung vom 4. Mai 1908.
Die Radiographie der Neugeborenen.
Edmund Perier berichtet über eine Arbeit von Vaillant,
Chef der Röntgenabteilung am Spital Saint-Louis, betreffs einer
neuen Methode, welche es ermöglicht, mittelst Röntgenstrahlen fest¬
zustellen, ob ein als totgeboren erklärtes Kind gelebt hat oder nicht.
Wenn es nicht gelebt hat, ist kein Organ auf der Radiographie sicht¬
bar. Hat es nur einige Atemzüge gemacht, so ist nur der Magen
sichtbar. Hat es 1—14 Stunden gelebt, so ist der Magen mehr durch¬
sichtig, hat an Volumen zugenonimen und der Darm wird sichtbar.
W enn das Leben über 14 Stunden gedauert hat, so werden die Lungen
sichtbar, die Leber zeichnet sich ab und das Herz ist schwach an¬
te zeigt. Von jenen Kindern endlich, welche mehrere Tage gclclu
haben, erscheinen alle Organe deutlich auf dein radiographischen
Bilde.
Aus den englischen medizinischen Gesellschaften.
Society of Tropical medicine and hygiene.
Sitzung vom 15. April 1908.
Eine ungewöhnliche Ursache von dysenterischer Diarrhöe In den
Tropen.
W. T. P r o u t berichtete über folgende bemerkenswerte Erleb¬
nisse bei einer in Gambia stationierten Kompagnie Soldaten. Gegen
Ende der trockenen Jahreszeit, als das Wetter noch heiter und klar
war. mit nur gelegentlichen schweren Regenschauern, kamen in all¬
mählich zunehmender Zahl Soldaten zur Behandlung mit Klagen über
kneifende Schmerzen im Leibe, Diarrhöe und Blutbeimischung zum
Stuhlgang. Das Allgemeinbefinden war nur wenig beeinträchtigt, und
die bedrohlichen üblichen Erscheinungen der Dysenterie fehlten. Auch
war bei der Zivilbevölkerung um diese Zeit von Dysenterie nichts
bekannt, trotzdem die Praxis des Vortragenden im wesentlichen eine
private war, und er nur aushilfsweise mit der ärztlichen Versorgung
des Militärs betraut worden war. Als Ursache der Störung wurde
schliesslich das Trinkwasser ermittelt. Es wurde nämlich das von
-en Dächern der Kasernengebäude abflicssendc Regenwasscr benutzt.
da das durch die Brunnenanlagen zu beschaffende Wasser salzig und
unschmackhaft war. Das in grossen Reservoirs äufgespeicherte
Wasser war aber eines Tages durch das Vorüberziehen eines
enormen Heuschreckenschwarms verunreinigt worden. Die Tiere
waren allerdings nicht in den Wasserbehälter hineingelangt, doch
hatte der nach Millionen zählende Schwarm so viel Fäkalmassen auf
den Dächern hinterlassen, dass alsbald nach dem nächsten Regen
grosse Mengen davon in die Zisternen hineingelangten. Man fand am
Boden derselben einen grünlich-grauen Schlamm mit einigen etwa
haferkorngrossen Körperchen, den unaufgelösten Fäzes der Heu¬
schrecken. Diese Fäkalstücke bestehen aus den unverdaulichen
Teilen von Blättern und Gräsern und enthalten vielfach die auf
Gräsern vorkommenden Nadeln von Kieselsäure. Sobald das ver¬
anlassende Moment beseitigt war, hörte die kleine Epidemie auf.
Redner erinnert an die Darmaffektionen der Obeahleute in Westindien
als Folge von Glasstaub und an die Wirkung von Diamantstaub in
Aegypten in den Schleifereien.
J. Canti ie bemerkt, dass in Indien die sogen. Gebirgsdiarrhöe
der Anwesenheit von Glimmer im Trinkwasser nach heftigen Regen¬
güssen zugeschrieben wird.
W. H a r t i g a n erwähnt, dass man in Hongkong ebenfalls die
Anwesenheit von Glimmer aus dem sich zersetzenden Granit viel¬
fach für die Entstehung von Diarrhöen verantwortlich gemach! hat.
G. T. Collingwood sagte, dass man Epidemien von Diarrhöe
auf Bermuda als Folge der Beimischung von Kalksteinstaub zum
Trinkwasser durch den von Dächern abfliessenden Regen habe
auftreten sehen.
Royal Academy of medicine in Ireland. — Section of
Surgery.
Sitzung vom 27. März 1908.
Denyssches Tuberkulin.
F. Dünne demonstriert einen Mann und ein Mädchen, welche
wegen langdauernder und ausgedehnter Knochentuberkulose mit
Denysschem Tuberkulin behandelt worden waren. Es waren im
Laufe eines Jahres etwa 50 Einspritzungen gegeben worden, und
beide Kranke sind mit funktionsfähigen Gliedmassen genesen.
H. Swanzy hat bisher nur Kochsches Tuberkulin gebraucht.
Lentaigne bemerkt, dass auch schon in früheren Zeiten
Tuberkulose zur Heilung gelangt ist; er glaubt aber, dass man die
besten Resultate erzielen wird, wenn man die operative Behandlung
durch Tuberkulin unterstützt. Die Opsoninbestimmung liefere sehr
gute Resultate, doch könne man auch ohne dieselbe die negative
Phase nach der Einspritzung ziemlich richtig abschätzen.
M c W e e n y führt aus. dass das D e n y s sehe Präparat nur eine
Modifikation des Koch sehen ist. Beide züchten Tuberkelbazillen
auf einer mit 5 Proz. Glyzerin versetzten Bouillon; das D.sche Tuber¬
kulin wird aber verwendet ohne das beim Koch sehen Verfahren
vorgeschriebene Eindampfen auf ein Fünftel des Volumens. Infolge¬
dessen enthalte es wohl verschiedene toxische und auch thera¬
peutische Bestandteile, welche durch das Kochen zerstört werden.
Bei der Bestimmung des Opsoninindexes machen sich so viele Fehler¬
quellen geltend, dass er nur auf Bestimmungen, die von W r i g h t,
dem Entdecker der Methode, selbst ausgeführt sind, sich verlassen
möchte. Er hat aber auch ohne solche Bestimmungen bei Drüsen¬
schwellungen am Halse wiederholt Bazillenemulsion eingespritzt und
dabei nach anfänglichem Anschwellen ein schnelles und meist gänz¬
liches Schwinden beobachtet.
McArdle hat bei fortgesetzter Tuberkulinbehandlung wieder¬
holt eine deutliche Gewichtszunahme konstatiert. Nach Laparotomien
hat er mehrfach Genesung erst nach Anwendung von Tuberkulin ein-
treten sehen. Sobald Abszesse entstanden sind, ist aber die Tuberku¬
linbehandlung direkt schädlich.
Dünne bemerkt noch, dass seine Beobachtungen sich auf
einige 90 Fälle erstrecken in einem Zeitraum von 3Vs Jahren. Er
richtet sich bei den Injektionen nach den klinischen Erscheinungen
und vermeidet so viel wie möglich fieberhafte Reaktionen. Am besten
fährt man mit kleinen Dosen und kurzen Zwischenzeiten. Seiner
Meinung nach ist das Tuberkulin das beste Mittel gegen Tuberkulose
bei jeder Lokalisierung.
Manchester medical Society.
Sitzung vom 1. April 1908.
Mangelhafter Fettumsatz.
M u m f o r d berichtet über eine Reihe von Fällen zur Be¬
leuchtung des Einflusses, den eine mehrere Jahre lang fortbestehende
Störung im Eettstoffwechsel bei Kindern ausübt. Eine derartige Ab¬
normität ist mit chronischer Diarrhöe und mit Fehlen oder Ver¬
änderungen des Pigments in den Fäzes (Acholie) verbunden. Ikterus
oder Glykosurie besteht dabei nicht. Bei den mitgeteilten Fällen trat
Genesung oder wenigstens Besserung durch Verabreichung von Pan¬
kreatin ein. Die Assimilation von Fett ging dabei wieder in nor¬
maler Weise vor sich, während die Behandlung der Diarrhöe nach
den sonst üblichen Methoden mit Kalomel und anderen Medikamenten
versagt hatte. Das Wachstum schritt wieder vorwärts nach mehr-
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1466
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27 .
jährigem Stillstand, und es konnte wenigstens bei einem Falle von
einer endgültigen Heilung gesprochen werden.
D. Mann bemerkt, dass die Farblosigkeit der Fä/cs ohne be¬
stehenden Ikterus bedingt sein kann einesteils durch reberfluss an
Fett, andernteils durch Mangel an (iallenpigment oder auch durch
Defekt am Pankreas. Das Fäkalfett kann dann bis auf und hn
Proz. gesteigert sein. Manchmal beruht die Farblosigkeit des Kotes
auf übermässiger Reduktion des Bilirubins durch abnorme (iarungs-
vorgänge im oberen 'Feile des Dickdarms. Normalerweise wird durch
bakterielle Einwirkung das Bilirubin im Darmkanal zu Fr«.lutin
reduziert, das dem Kote die normale Farbe verleiht; bei intensiver
Reduktion entsteht das farblose llrobilinogen. Derartige Vorgänge
finden sich bei chronischem Darmkatarrh, bei Tuberkulose der Ab¬
dominalorgane, bei septischer Erkrankung und auch bei einigen Ab¬
normitäten des Blutes. P h i 1 i p p i - Bad Sal/schlirf.
Aus Ärztlichen Standesvereinen.
36. Deutscher Aerztetag
zu Danzig vom 26.-27. Juni 19ns.
(Eigener Bericht.)
Im Saale des Friedrich-W ilhelm-Schiit/enhauses wurde am
26. Juni um 9 Uhr durch den Vorsitzenden des Deutschen Aer/te-
vereinsbundes, (ich. Medizinalrat Prof. L ö b k e r - Bochum, der
36. Aerztetag eröffnet. In seiner Ansprache gedachte der \'<>tsitzende
zunächst mit einem herzlichen Nachruf des grossen Verlustes, den die
Aerzteschaft Berlins und ganz Deutschlands durch den Tod Julius
Bechers erlitten hat. Nachdem die Versammlung sein An lenken
durch Erheben von den Sitzen geehrt hatte, fuhr die Rede fort:
„M. H.! Als wir vor Jahresfrist nach Beendigung der wichtigen
Beratungen das gastliche und schone Minister verWessen, konnten
wir hoffen, dass uns in diesem Jahre ruhigere Tage bcscluedcn sein
würden. Harrten doch in erster Reihe sozialhvgienische Gegenstände
der Erledigung, die unter dem Drucke der wirtschaftlichen Vorlagen
in Münster nicht stattgefunden hatte. Die Schulgcsundheitspflefte
und die Frage der Schularztsvstcme wurde a's erster Gegenstand
für die Verhandlung auf dem diesjährigen Aerztetag bestimmt.
Unsere Beratungen sollten mithin in erster Linie in uneigennützigster
Weise dem Allgemeinwohl dienen, und ich zweifle nach den A«>r-
arbeiten unserer Kommission nicht, dass eine Summe von Wissen und
praktischer Erfahrung bei der Besprechung dieser Gegenstände
niedergelegt ward, die der Förderung dieses überaus wichtigen Jedes
der Sozialhygiene nur dienlich sein kann, (ianz dürfen wir dabei
aber doch nicht vergessen, dass w ir nicht n u r als Staatsbürger,
denen das Wohl des (ianzen am Herzen liegt, bei diesen Fragen be¬
teiligt sind, sondern dass wir Aerztc auch gewisse eigene Interessen
dabei zu vertreten haben, wenn die Regelung derselben zur al'gc-
meinen, also auch auch zu unserer Zufriedenheit eriolgen soll. Ich
versage es mir, den (iedanken schon hier weiter zu verfolgen, w ill
ihn vielmehr nur der weiteren Erörterung bei der Besprechung dieses
Gegenstandes unterbreiten.
M. H.! Auch der zweite (iegenstand der heutigen Verhandlung
betrifft Neuregelungen auf einem Gebiete, welches nicht länger ver¬
nachlässigt werden darf, wenn nicht das öffentliche Wold schweren
Schaden erleiden soll. Wir Aerzte haben seit Jahrzehnten pflicht¬
gemäss auf die Schädigungen hingewiesen, welche durch die Pmkla-
mierung der Kurierfreiheit in Deutschland hei vorgetreten sind.
Unsere Stimmen sind ungehört verhallt, ja man macht uns /um Vor¬
wurf, dass unsere Bestrebungen nach Besserung lediglich aus eigen¬
nützigen Motiven entspringen. Wir müssen uns dies von übelwollen¬
den Gegnern gefallen lassen in dem Bewusstsein, als Sachverständige
unsere Pflicht gegenüber dem Staate und dem Volke getan zu haben.
Den Männern, die getreulich in dem undankbaren, fast aussichtslosen
Kampfe gegen die Kurpfuscherei nicht erlahmten, gebührt der Dank
des ganzen Volkes, wenn endlich:# wenn auch nur schwache An¬
sätze gemacht sind, wenigstens die schlimmsten Auswüchse der
Kurierfreiheit zu beschneiden. Auch die von Ihnen eingesetzte
ständige Kommission zur Bekämpfung der Kurpfuscherei hat den
..vorläufigen Entwurf eines Gesetzes betreffend die Ausübung der
Heilkunde durch nichtapproblerte Personen und den Geheimmittel¬
verkehr“ alsbald nach seiner Veröffentlichung einer eingehenden
Beratung unterzogen und Ihnen das Ergebnis zur weiteren Kritik
und Beschlussfassung unterbreitet. Wir Aerzte sind uns wohl be¬
wusst, dass eine gründliche Beseitigung der Schäden n u r d u r c h
Aufhebung der Kurierfreiheit erzielt werden kann.
Nichtsdestoweniger haben wdr geglaubt, uns der Prüfung des vor¬
läufigen Gesetzentwurfes nicht zu entziehen und Verbesserungen Vor¬
schlägen zu sollen, die sich im Rahmen des Entwurfes anbringen
lassen. Wir betrachten ihn aber lediglich als einen schwachen An¬
fang zur Besserung und werden das Endziel unserer Bestrebungen
unbekümmert um persönliche Verunglimpfungen nicht aus dem Auge
verlieren.
M. H.l Wenn wir somit in unseren Beratungen diesmal den
Fragen des öffentlichen Wohls den Vorrang gewähren, so dürfen wir
doch nicht vergessen, dass wir von unseren Vereinen hierher-..;*' !t
worden sind, um unsere eigenen Staudt \ n:e:c ssm zu \er!reten »m.J
zu fordern. Zu diesem Zwecke im;"Oi wir uns n--J’.::..is rmt vh r
Regelung des Verhältnisses des Deutschen Aerzte*erelnsbundcs mit
dem Verbände Deutscher Lebens* ersicherungsgeselKchaftcn 1 c-
schaftigen. In Münster haben Me de \ "Page /sr r« gi" l'c-
ratung und w eite; eil Acthiikhnng n .t den \ e i t'ctcrn de r 1 n *-v -
sehalten au unsere \e:staikle K«•rmn.s-vH^ ziir.ukutw iki:. ! 1 c
hat s.Pi der Aufgabe m.:t gn-swiu ! der und * e e r I o\'v xr •e’-
/«•geii. ist aber nullt imstande gewesen, de * -<n I: t ■* in * e* g.<- gi * e u
Jahr en fevuesct/teri 11*»n«»r ar I-•: vier nnge n du-Pi/rnt t/m; d -Pi s u d
Voll der < iegef.se :te noch gewisse Zuges!.*?- b sv V g». •» #Pd w . ' d-, *u
die n.uh Ausuht der Kommiss*, ai und 1: -o ins. -üvosv, Passt s e r c
nicht öftw esefit'.che Acrbesserung der tr d^'m \ ' tge duPM-P f ■
is re hatten in Minister den < iesPial*saiiss k Piss ) ••a .."'agt. t « de".
Fall der Ablehiiur-g der \«>n Ihnen bes v :.w. n. •: !. ■ ee:i I' •' Ge¬
rungen seitens dt. r (it seüscliaften den b 'P* • gm Aefag zu t!e”i
liachst/uhissigim Tear.n zu kundigen. Mb n am V De zur ' er \. F
wurde \"ii dt. ii Acitiitcrn Iw. !er Parte.«,« tes\i v. t. dass de I ” -
derungen des \e r /bdages in Munster a's me : ' 'd /u KdmP te o
seien. Nach r tot.:«. hi. r I r w . i g i m g hat iidtuh I: r < u s, :..i*!s.i i :s%. ‘ :: sc
auf t irtrnd dis m/w .sP.eii zu st -u r Kernt- s gc a'gb M . tu: t! e IV -
lirteilung dieses l n ,-i nsi.in '- s w «Pit gen M.rr a's e ".:* .! g gtgbr.P !.
den \i-n Ihnen m W e r t e. 1 1 n Nutfag de r k .' '„mg dt s ! t .
stellenden \ ertragt s n c ht zur Aust-d.-n- g b r r.;m /.i ! .*'e-i. d.i ii'dt *
den obw a beiden \ er hu tn.sse* de I: !t uomi .1-. ' I 't < •« Vi'/ti
und die M« "äug v |e s Aerzte* ere.iisluii.b s dar vh s. *■ *t k .• ! ga g
Schatten e?1 t:< n habt, n w ur dt n.
M. 11! I »er < iyci!.att'S.niss v *:us\ ist s Ji fiuusst. d.-.ss er b
vbese Fntio lassiir g der k iiiklgut-g gt gt u t • t :i wa*«/ tu zw e de*: „t
Beschluss des \t r/tidagt s \e? sp.sst n hat Ir st m dt r Mt * .mg
gewesen, dass he. der Ntianb’bn >.u * i„t rar dt r Am/Ubig st ' st
nach nochrti.i ger Bt ’.ttirg tl-e A t mi-! w.•-tu« g * ' rm s. w P--
tigcii Se ln : 11 fibt r m \ mm k.-iuie. Im st n 11 tr. : . matsf e:‘ !’■!
tler (ieSchattsauss^ ,-a.ss \.-n Ümen !• I. ’i*. u* .! f- "t. v! tss > t -
ihm diese erteilen werden, sf’l-st. we'ii > e de 1 t *r /ar lU s. ::ss-
fassurtg unterbreitete A'-Fage a’ - ’ ::t :t s • • . I: ! • - >*.t
ralnue zu dieser w -d'Yn " e i'dd l'.tfamt '.aw-i, d tss es
sitli nicht a’ie.u um d e s< b-n a.:F. u-m d e Ver¬
tragsfähigkeit des Aerzte*crclnshundes n.uh .•.av: 1 !• t S- tto
Sie den Anträgen der K"ii;:r/w..-i: li e /-.ist -* •• ;• g e'ft tu. s
müssen aber aiuli t! e \mi I! "in \ t : !• t dt neu Ae*-, 'e i! t k •••■s t ,..;i •
ziehen, dass v>e ke.re Bes v h’usse i.iss V n. .! e !t'? \ • s- •. dt •••
tlie Nislttbe.u htung tler \ ei eml ar u:gt n aui- r t n Dt* \e! .ml ,!t'
Verskherun-gsgest !\ v lutffen * e’t-f! <!dt t s« m- M*. • !• \ v sv-. -g
an tlie Bestimmungen des \ e't’.iges zu ha ti n. 's . t P *. Ft, d'.-
turig müssen wir iur u: s^-e Not .re u'>t" m ---tu. w t r *. \m/te-
vcremsbimd ve? trägst.d; g b'id'tn s. ",
Frul nun. rn. II.. weide uh n, zir Krankcnk.tsscnlragc. dt
nimmer zur Ruhe k ••«einen w rd. be\ s e n Pr t re I s.:-g gt-
für len hat. ehe aiuli d e l'eutsP'.en At 'de In :■ td g.. ?>. Pa\\ t
w ir tlie augtiib’u k'Pie läge rulb g be tr b btt u* d dt ■- ■ • 's • t p- •. - ■ 1
Ste'limg nehmen w-dbii. s.. m>issi-> w •» <. *i 1- r ■< *■ R . k :*•.*
die I'nt w u kt lurig dieser I rage in dm \c’ <* ! m dt- Am •' • a g e
weifen. Das \ ersiel.eni'-gsgesi \/ war fass* n v : der At-;' P*--g
für die Kassen, ihren M.tg'.i dem m K'ai-khe tsr • in j-» t .»* / • Pu
Behandlung zu giw.doiii. Ihr (it -st!/ g t ’u r habe es .*’ m *. --
lassen, die Frage aui/uw e r it gcsP-u.t. o dt • n zu ' i r’w . -*tu <
die Kassen l*ei I r!u"»mg sie r d" t n u’-t -1• agi mi 1’* P* * s v "- d t V, !-
:< t beit tler Aer/te sum-rii s- dt”, «>!::* c* *1 e d *s < it setz dt'* *.::b v v ht
tlurchZufuhren is?.
Ich will aus d't'ser Ftde r 'usvung n.u'if.iP ^ h 1 1 • t *** c i *: A’- # -
wurf machen. Musste d-uh dieser erste * •?' i'u H :udr
aui einem bis dahin fast \.. g un’-ekannti n < it ’ b r: Pt -v Nur
die Erfahrungen gew-sser Beim '-sk'.in '-1 ’iPum n u st *—|t c .
rufen standen zur A ebugung. d« r en 1 r-* , • gt u v •• . s ' P- *« •-
aügeniemert weidtü k-u’idtiT. Fh w ’ au’; ziut tu. dass dt
Deutschen Aer/te. ! < r er! Organ sat n * • *.u *• n P’ ga* / nr*./u r e s'*« *•.!
war, sich dama’s se’l sj n-Pit dir gat/m I • a.:w e te dt r treuer F
ruhtung für uristitii Mm ul und s» -e M *P , w :;sst -a-wiM "
sind. So rechnete ii-ati d«. nn, a’s es an d . \- s- -ii' g d.t s < it st :/e s
ging, mit dem hiimani n I in p 1 elf ! e n. - P * ?• • b r n d dt r \b i •
pf I i c h t ti n g der Aerzte. al t - ul! :u dr« •• I' .* -O ( ? Hu—.. t w att u /*:
lassen. Mit Befriedigmg tr ! mit St- •’/ ka»m P: m.-. n. d *ss man s P-;
bei dieser Beirr teilun-g dir Aer/te nuht \ «"u ; vt J hat. In 1: - odr--
der ()pferw ilhgkeit haben die .ii ntsP-.n \ - ••/♦t ub- '.-.s rj i)--.
Pflicht den Kassen und dtn A io Pa de«; g: ' e" e ,; *. o»-w --V
das Ergebnis ihrer atif'e budui l.-dP-- t • •*• *t e /• •'/ ”•-’m c'e
Lage vie’fach ein uerade/u k-mf«»'i * d'o und ga* /e "b 'mu:
i zu den Kassen an \ubri Hdoi t nt g.r / ir u :* ' ge w a* W r w
J es uns verargen, dass unte- s. b' . n IV m '-r ■ ■ 1 ■ - .t" — K • P-e de
Klagen über d.ese Zustande tru! d.«s \ -u-.'i r u!* \ ' de m
unseren Kb lieti immer über wi!*dei> J
Ais |«»vale Staatvl'drg, $ haben w .• :f h. n A-. '■*: *.! r d *
()effentlichkeit die Fnhabha; k-<.-t dm ^. P '. . •. .» u- !• . -:. *•.•* t •*
Wege zur Besserung gew i-sm. mi ’• I *.•’••• /• -•.• g-.
- Belmnlen um Abh.'ft gtht’m'. v .. .. . .. s • ■ ... . .• t \m
hallt, unsere Wunsche sau! 11 ? e • * t g " -P F* " r '• * s d -
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1467
mals geflissentlich fern gehalten von den Vorberatungen zur Ab¬
änderung der sozialpolitischen Gesetzgebung, obwohl man wissen
musste, dass das Verhältnis der Aerzte zu den Krankenkassen ge-
V radezu unhaltbar geworden war. Unsere Schilderung der Verhält-
^ nisse und Beschlüsse in Königsberg sind sowohl dem Bundesrate wie
dem Reichstage in einer ausführlichen Denkschrift am Schlüsse des
Jahres 1902 unterbreitet worden. Dennoch wurde in dem dem
Deutschen Reichstage im Jahre 1903 zugegangenen Entwurf zur Ab¬
änderung des Krankenversicherungsgesetzes auch nicht einmal der
Versuch gemacht, die Aerztefrage zu lösen. Sie war angeblich
»noch nicht spruchreif“. Und daraus erheben wir allerdings
einen ernsten Vorwurf gegen die damaligen Vertreter der Reichs¬
regierung. Zum letzten Male erhoben wir unsere warnende Stimme
an jenem denkwürdigen 7. März 1903 in den Mauern der Reichs¬
hauptstadt selbst. Nochmals wiesen wir hin auf die schweren
Schädigungen, welche aus diesem Gesetze sowohl für den ärztlichen
Stand, wie für die Versicherten erwachsen waren, und forderten zur
Abwendung dieser Gefahren, dass wir wenigstens als Sachverständige
angebört werden möchten. Im Hinblick auf die bisher fruchtlosen
Versuche, die Reichsregierung zur Berücksichtigung unserer Forde¬
rungen zu veranlassen, erliessen wir aber laut und vernehmlich
\ Aufruf an die Deutschen Aerzte, bis zur zufriedenstellenden Lö-
\ sang der Kassenarztfrage In festem Zusammenschluss die Mittel der
\ Selbsthilfe nachdrücklich zur Anwendung zu bringen. Nun raffte man
sich zum ersten Male zu einer Verhandlung des Gegenstandes im
Reichstage auf, die zur Annahme der bekannten „Resolution T r i m -
born“ führte, in der die Regierung ersucht wurde, „wie den Vor¬
ständen der Krankenkassen, so auch den Vertretungen des Aerzte-
standes Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Aeusserungen und
Wünsche zu geben und diesen so weit wie möglich gerecht zu werden,
insbesondere in eine Erwägung darüber einzutreten, ob sich nicht
die Bildung von ständigen Kommissionen je aus gewählten Mitgliedern
der Krankenkassenvorstände und der Aerzte unter einem neutralen
Vorsitzenden empfiehlt, welchen die Regelung der ärztlichen Behände
lang nebst Festsetzung eines Tarifes der Honorierung sowie die Ent¬
scheidung bezüglicher Streitigkeiten obliegt, mit der Massgabe, dass
alle Aerzte, welche sich dieser Regelung unterstellen, als Kassen-
( ärzte gelten“. Damals wurde im Reichstage endlich ausdrücklich an¬
erkannt, „dass das Krankenversicherungsgesetz in die Interessen
der Aerzteschaft so tief eingreift, dass die Aerzte einen moralischen
Anspruch darauf haben, vorher gehört zu werden, wenn es sich um
die Aenderung dieser Gesetzgebung handelt.“ Bald darauf brachte
I der Abgeordnete Dr. B e k k e r - Hessen einen Antrag ein, der die
f verbündeten Regierungen ersuchte, dem Reichstage tunlichst noch in
dieser Session den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, welches das
Verhältnis zwischen Krankenkassen und Aerzten einer Regelung
unterzieht, erforderlichen Falls auch ausserhalb des Rahmens einer
Gesamtreform des Krankenversicherungsgesetzes. Dieser Antrag ist
aber in die Versenkung verschwunden und aus ihr niemals wieder
1 «aufgetaucht.
Es folgte der von uns nie gewollte Kampf mit den Kassenvor¬
ständen, der zwar grosse Opfer forderte, aber dank der inzwischen
fest gefügten Organisation der Aerzteschaft von uns fast überall sieg¬
reich durchgeführt wurde. Wir Aerzte erkennen rückhaltlos an,
dass dieser Kampf eine gewisse Erbitterung auch in unseren Reihen
erzeugt hat, durch die eine Regelung des Verhältnisses auf dem Wege
> friedlicher Verhandlung nicht gerade erleichtert wird; wir haben aber
das Bewusstsein, in Langmut und Geduld bis an die äusserste Grenze
der Zulässigkeit gegangen zu sein, die innegehalten werden muss,
I wenn man nicht den Akt der Selbstvernichtung vollziehen will,
j Aber auch während dieser Periode der Selbsthilfe haben wir den
Weg friedlicher Vereinbarung nicht verlassen, und an vielen Orten ist
I auf diese Weise das Verhältnis zwischen Krankenkassen und Aerzten
zur Zufriedenheit aller Beteiligten geordnet worden. Und als es im
vorigen Jahre nicht ganz aussichtslos erschien, unter den veränderten
politischen Verhältnissen bei der Reichsregierung mehr Gehör zu
finden, als bisher, da hat der Aerztetag in Münster seinen
Geschäftsausschuss beauftragt, seine Beschlüsse mit dem gesamten
einschlägigen Material dem Herrn Reichskanzler persönlich zu über¬
reichen, und dabei die Bitte auszusprechen, dass Vertreter des
Deutschen Aerztevereinsbundes zur Mitarbeit an den Vorberatungen
der Vorlage betr. die Abänderung des Krankenversicherungsgesetzes
zugezogen werden. Dieser Beschluss ist von einer Kommission, der
ausser Ihrem Vorsitzenden die Herren Lent, Pfeiffer und
Meinte angehörten, am 1$. November v. J. ausgeführt worden,
in mündlichem Vortrage haben wir dem Herrn.Reichskanzler unter
gleichzeitiger Ueberreichung einer Denkschrift die Wünsche der
Deutschen Aerzte in bezug auf die Lösung der Kassenarztfrage dar-
\ -elegt. Der Herr Reichskanzler hat in seiner Antwort anerkannt.
\ uass die Mitarbeit der Aerzte an der weiteren Entwickelung der
1 v 'Zia!en Gesetzgebung wertvoll und unentbehrlich sei: er hat weiter
ausdrücklich zugesagU dass die Vertreter der Deutschen Aerzte zur
Mitarbeit an den Vorberatungen aller Vorlagen betr. Abänderung des
Krankenversicherungsgesetzes zugezogen werden sollen; er hat sich
endlich bereit erklärt, etwaige weitere Wünsche der Deutschen
t i.erzre in Bezug auf die soziale Gesetzgebung mündlich oder schrift-
i« -«&■ jederzeit entgegen zu nehmen.
M. H.l Der Herr Reichskanzler hat inzwischen das uns ge¬
gebene Wort eingelöst. Auf seine Veranlassung hat am 11. und
12. Juni <L J. im Reichsamt des Innern unter dem Vorsitz des Staats¬
ministers Herrn Dr. v. Bethmann-Hollweg eine Konferenz die
zukünftige Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Aerzten und
den Krankenkassen eingehend beraten. Es haben daran teilgenom¬
mene Vertreter der Reichs- und Preussischen Behörden, Vertreter
grosser Kommunalverwaltungen, Vertreter von Orts-, Betriebs-,
Knappschafts- und Eiserobahn-Krankenkassen, endlich eine Anzahl von
Aerzten aus allen Lagern: Freunde und Gegner der freien Arztwahl.
Die Verhandlungen haben einen vertraulichen Charakter gehabt, so
dass die Teilnehmer verpflichtet sind, sich bei der Besprechung in
der Oeffentlichkeit, namentlich bezüglich der Einzelheiten, einer
loyalen Zurückhaltung zu befleissigen. Ich glaube aber keinen Ver¬
trauensbruch zu begehen, wenn ich Ihnen folgendes über den Ver¬
lauf der Konferenz mitteile.
Die Beratung hatte lediglich den Zweck gegenseitiger Aus¬
sprache und Information, wurde daher in zwangloser Form geführt,
so dass die spätere Stellungnahme der Teilnehmer dem zu er¬
wartenden Gesetzentwurf gegenüber durch ihre Ausführungen in
keiner Weise festgelegt ist. Der zur Beratung stehende Gegenstand
ist nach allen Richtungen beleuchtet worden, und Vertreter aller
interessierten Gruppen sind in der durchaus sachlich geführten Aus¬
sprache in ausgiebigstem Umfange zu Wort gekommen, so.dass der
Zweck der gegenseitigen Belehrung und Information der Reichs¬
regierung unzweifelhaft erreicht ist. Die Vertreter des Deutschen
Aerztevereinsbundes haben selbstverständlich die Beschlüsse der
Aerztetage zur Richtschnur bei ihren Ausführungen genommen. Ab¬
stimmungen haben nicht stattgefunden und Beschlüsse sind nicht ge¬
fasst worden, und so mag der persönliche Eindruck, den die Ver¬
treter der einzelnen Parteien über das Ergebnis der Verhandlungen
mitgenommen haben, in mancher Beziehung von einander abweichen.
EinsaberstehtfestidieZeiten, in denen diedeutschen
Aerzte weder als Sachverständige noch als Interessierte bei
der KrankenkAssenfrage betrachtet und behandelt wur¬
den, sind vorüber, die Verhandlungen der Deutschen Aerzte¬
tage und die schweren Kämpfe im Lande haben uns endlich Gehör
verschafft, und weder die Reichsregierung noch irgend einer von
unseren Gegnern entzieht sich mehr der Erkenntnis, dass die Lö¬
sung der Arztfrage nur durch Festlegung gewisser Grund¬
sätze in der Reichsgesetzgebung erfolgen, und keinen weiteren
Aufschub vertragen kann. Wir Vertreter der Aerzteschaft
glauben nach dem Verlauf der Beratung auch begründete Hoffnung
hegen zu können, dass bei der in Ausicht stehenden gesetzlichen
Regelung ganz wesentliche Punkte unseres Programms, die sich auf
die Verhütung und Beilegung von Streitigkeiten beziehen, Berück¬
sichtigung finden werden, und dass gewisse allgemeine Normativ¬
bestimmungen festgelegt werden dürften, durch welche unter
Wahrung des Selbstverwaltungsrechtes der Kassen, das anzugreifen
wir Aerzte keineswegs gewillt sind, eine friedliche Regelung des Ver¬
hältnisses zwischen ihnen und den Aerzten bezüglich weiterer For¬
derungen unsererseits erfolgen kann. Sollten diese Hoffnungen sich
alsbald verwirklichen, so will ich mit dem Ausdruck des Dankes an
den Herrn Reichskanzler nicht zurückhalten. Einstweilen müssen wir
unter solchen Umständen den weiteren Verlauf der Dinge auf dem
Wege der gesetzlichen Regelung der Arztfrage abwarten, eine frucht¬
bare Kritik kann erst einsetzen, wenn der aus den stattgehabten Be¬
ratungen hervorgehende Gesetzentwurf von seiten der Reichs-
regierung der Oeffentlichkeit übergeben sein wird. Und wir können
uns nach meiner Meinung im jetzigen Augenblick diese Zurückhaltung
auferlegen, da einerseits unser Programm auf dem Aerztetage in
Königsberg unabänderlich festgelegt ist, andererseits auch wir in
unserer endgültigen Stellungnahme gegenüber der Regierungsvor¬
lage durch die Verhandlungen im Reichsamt des Innern in keiner
Weise gebunden sind. Ich kann Ihnen aber auch nicht verschweigen,
dass ein Teil unserer Wünsche und Forderungen auf heftigen Wider¬
stand gestossen sind, und dass es mir mindestens recht fraglich er¬
scheint, ob wir auf volle Erfüllung derselben durch einen Akt der
Gesetzgebung hoffen dürfen. Dies gilt namentlich von der gesetz¬
lichen Einführung der organisierten freien Arztwahl. Unzweifel¬
haft ist das Verständnis für das Wesen und die Bedeutung dieses
Arztsystems in allen Kreisen gerade in letzter Zeit bedeutend ge¬
wachsen, und daher hat die grundsätzliche Bekämpfung des¬
selben von Seiten der Gegner abgenommen. Um so heftiger aber ist
der Streit um die Frage entbrannt, ob die Einführung der freien
Arztwahl durch Gesetz den Krankenkassen auferlegt werden
soll, oder der freien Vereinbarung zwischen diesen und den Aerzten
vorzubehalten sei. Wir haben daher keinerlei Veranlassung, auf
den weiteren Ausbau unserer freiwilligen Standesorganisation oder
die Mittel der Selbsthilfe zu verzichten. Im Gegen¬
teil, jetzt heisst es mehr als je. die gesamte Deutsche Aerzteschaft,
einschliesslich der Gruppen, die allerdings in einer der wichtigsten
Fragen, der Frage der gesetzlichen Festlegung der freien Arzt¬
wahl eine abweichende Meinung vertreten, in dieser freiwilligen Or¬
ganisation zu umfassen, um in geschlossener, lückenloser Reihe das
Endziel unserer Bestrebungen, die Erhaltung der Selbständigkeit, der
Würde und der Ehre unseres Standes zu erkämpfen. Das ist
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1468
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N<». 27 .
möglich auf dem Boden der vielfach kritisierten Direktiven, die
der Deutsche Aerztevereinsbund im Verein mit dem wirtschaftlichen
Verband den Vereinen gegeben hat. Lassen Sie uns bei der weiteren
Entwickelung der Kassenarztfrage in den Vordergrund stellen, was
uns eint; durch gemeinsame Arbeit mit uns werden auch diejenigen
Kollegen, welche sich bisher nicht entschlossen konnten, das ganze
Programm der Aerztetage gutzuheissen, davon überzeugen. dass
wir ihre Interessen keineswegs zu schädigen gewillt sind, dass diese
vielmehr im Schosse des alle Kollegen umfassenden Bundes am besten
geborgen sind. Dann wird ein zielbewusstes Vorgehen mit Milte
freiwilliger Vereinbarung den Rest von (iegensat/en zwischen
Krankenkassen und Acrzten beseitigen, den der (ieset/geber uns
etwa unerledigt übrig lassen sollte. Dann wird es zu einem end¬
gültigen ehrlichen Brieden kommen, der allein dem Interesse der V er¬
sicherten, der Krankenkassen und der Aerzte dienlich ist.
Welcher Deutsche Arzt aber mochte heute abseits unserer
Reihen Stellung nehmen angesichts der Verhältnisse in Köln?! Wem
von uns steigt nicht bei Nennung dieses Namens die Zofnesrote in
das Antlitz? Utid müssen nicht alle im Lande, die ein Merz für die
Börderung des sozialen Wohles des Volkes haben, die dort von
neuem ausgebrochenen W irren aufs tiefste beklagen? Vor *1 lahreu
hafte der erste und bis dahin grösste Kampf auf diesem Gebiete
dank dem Solidaritätsgefühl der Deutschen Aerztesch.nt mit einer
Niederlage der Krankenkassen v o r s t ä n d e nicht der Kiauken-
kassen, wie ich ausdrücklich hervorhebe - geendet. Die Auf¬
sichtsbehörde hatte auf Grund der ihr gesetzlich /usteheiideu Rechte
und Pflichten eine Bntscheiduug getroffen, dank welcher die arzf-
liche Hilfeleistung für die Kassenimtglieder unter Hew illigung der
wesentlichsten Wünsche der ortsansässigen Aerzteschatt geschert
W'urde. Dass ein solcher Zwangsfriede nicht ein endgültiger s t! |i
würde, dass die unterlegene Partei wahrend der Dauer desselben
alle Mittel in Anwendung bringen wurde, um den Nachweis des
Ruines der Kassen durch das auigezw ungene SWem liefern zu
können, war vorauszusehen, laid welches S\stem konnte denn uher T
haupt zürn Segen der Kassen gereichen, wenn es nicht mit gutem
Willen in gemeinsamer Tätigkeit beider Beteiligten geh.nulh.ibt witd?
Beide Voraussetzungen haben in Köln gefehlt, und daher musste es
trotz des sachlichen Bntgegenkommens der Aerzte von neuem zum
Bruch kommen. Ich gehe nicht zu weit, wenn ich behaupte, dass
manche Massnahmen der Kassenvorstände keine andere Deutung
zulassen, als dass das verhasste Arztsvstem unmöglich gemacht
werden sollte, und damit dadurch mittelbar der ärztlichen Organi¬
sation in Köln das Rückgrat gebrochen wurde. Als zu Beginn
dieses Jahres, also ein Jahr vor Ablauf des Zw angsfriedens. die
Aufsichtsbehörde den Kölner Krankenkassen das Selbstverwaltungs¬
recht in vollem Umfange zurückgab. wurden zwar Bmigungsver-
handlungcn zwischen den Parteien geführt, aber schon im März in
schroffer Weise von den Kassenvorständen abgebrochen, zugleich mit
einer Anzahl Kölner Aerzte feste Verträge geschlossen und Ver¬
suche gemacht, um die Zahl der erforderlichen Kassenaizte aus den
Reihen der früheren Distriktsärzte in Leipzig zu ergänzen. Wieder
suchte die Aufsichtsbehörde zu vermitteln, und mit besonderem
Danke müssen die Bestrebungen des Herrn Oberbürgermeisters von
Köln zur Wiederherstellung des Briedens unsererseits anerkannt
werden. Sie mussten trotz weitesten Bntgegenkommens der Aerzte-
schaft scheitern, weil sie scheitern sollten. In Wahrheit handelt es
sich nämlich in Köln gar nicht um Mormrarstreitigkeiteii oder um
Abstellung von Behlern und Mängeln im Arztsvstem, nein es wird
dort von Seiten der Kassen Vorstände um eine Machtfrage gekämpft,
die mit der Vernichtung der Organisation und der Selbständigkeit
der Aerzte enden soll. Und ist es nicht beschämend für uns. dass eine
solche Situation von unsern (iegnern nur geschaffen werden kann,
weil sich einige Dutzend Mitglieder unseres Standes bereit finden,
unter solchen Umständen die Waffen gegen uns durch Abschluss
fester langfristiger Verträge mit den Kassen vorstanden unseren
Gegnern in die Hand zu geben? (Pfuirufe.) Sollen diese es dauernd
unmöglich machen, dass geordnete Zustände auf dem Wege fried¬
licher Vereinbarung geschaffen werden? Mit Genugtuung stelle ich
heute fest, dass aus allen Teilen des Reiches Kundgebungen em-
laufen, die den Kollegen in Köln die Sympathie der Deutschen Aerzte
und zwar sowohl der Breunde wie der Gegner der freien Arztwahl
zum Ausdruck bringen. Ich zweiile nicht, dass auch der diesjährige
Aerztetag einmütig sich der Kundgebung anschliesseii will, die der
Geschäftsausschuss im April ds. Js. nach Köln gesandt hat, um die
dortige Aerzteschaft im mutigen Ausharren zu bestärken, um ihr
zu beweisen, dass sie nicht allein im Kampfe steht, sondern der
tatkräftigen Unterstützung der gesamten Deutschen Aerztschaft sich
versichert halten kann. Wahrlich, es heisst nicht rasten in der
Arbeit, wenn wir vor dem Urteil der kommenden Generation in B.liien
bestehen sollen, lind daher erhebe ich auch heute w ieder die
mahnende Stimme an die Kollegen im ganzen Reich, sich eng um
unser Banner zu schären und einmütig eiuziistclien iiir die Ver¬
teidigung von Standeswohl und Staudesehre.
Alle Mann auf Deck! Das ist die Losung, mit der ich den
XXXVI. Deutschen Aerztetag in Danzig für eröffnet erklaie und
Sie alle zu gemeinsamer Arbeit namens Ihres fieschäftsaussJmsses
willkommen heisse. (Lebhafter nii-rnm-uu r Beifall.)
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Geh. Medizinalrat Dr. Aschenborn iibcrbra y fi!c h'e-auf
freundlichen Grosse des preussischen Ku’tusmifgste's. dc'sc e l-.f e
den lebhaften Wunsch, dass die bcrcshtigtcti W i.nsdte der Xe ■ ’k
tunlichste Berücksichtigung finden timgen, vl.inat cn,: ah w n de# R •
lind Mündigkeit m die ar/tüchen \ et h.dtH'jssc t .'»kehren k< •* ■
In Vertretung des Kgl. Regier uugspr .tside n:ui sjitu ht Me .!.. -
rat Dr. Seemann mul gevienkt besonders vles llesetzes gegen
Kurpfuscher. Bin Mittel zu di reu Be k.immune U .at .iikh a.c Be¬
kämpfung der empfimhis he ll AerzteUot auf de tu La'.de. Wedle au
\ ieleii Oiteu die Befinde des Maates n *tw en.bg tmuhe.
Stadtrat T o o p beg'usst den Aerztetag mame ns de s O! e r b .' ge r -
Illeislers und der Madt Dan/ig mit vleni Hinweis aut die w a Vt.gcu .'
Beratung stellenden allgemein h \ gie msc Ire n lauem Bei ihrem be ¬
halten Interesse tur .me sanita* eil Ir.igen wrd d.e Ma ft w ' w a : .• .
auch diese \ er handlangen mit bes< -nde t er An:- e:l k .sr,Li: \ e: !■ • ge n
Der Rektor eler teelnnsjieii Mm I Vcbiile, Br 1. K r <• h n. le’t .. e
gemeinsame n.itur w issnis, liaM..%;kv i .rumdue de r Med.zm u: J ete •
tevllinschen W isselisc hatten h e r s «• r. Inet w ic dat bedeutet v!.e v
wendigg Spe‘#%'i!isu*'T ung der Dnschimg kennsue.s eine ze^;
ternde kpc/J.*ItMer ung eler W jsse ns, halt mul tut ihrer um\ e~%äl e •
1 ntw te klung kt inen l int rag.
Dr, Moinber sprüht für die Natu* t* •? u !:cm!c <um v ' .r:
Danzig, elie, v t 1 1 17 -I .< bestelsetnl. in An 1'tsMi lk zu '.uiue n zu ’
Aerzteschatt Danzigs steht und an a eil 1 k st: c i'inge n eiet Ae'de
w armen Xnt< il iini.mi.
Blol Barth heg r usst An Xer/tefag mmans des „
\ e i e 111 s Dan/ig und gibt eler l reine \ioCiuh. a e die I vc
iliutscheii Aerzte schall kennen zu e nie n. et e •Ara.i. w* vier Ae *,
tag statlffUdil. aut neue tlas ^tamle si-i u usslM. ri der \ e ’ /; e s v b.»’t *• t -
leben. In I hinzu he rr schert g k .u he* \ e r! i.i-iwi Die Pea V •: •
Wahl ist Iller eiuuh stets s.u ma ht s. nuw;. es un.t I .d - d ' c "
\ «»l gellen k K ht tlur v hge 1 1 . ll * t W <*r de n. ••Ime vl.tss auf c.e r < j e
seile eine Bitterkeit herrscht.
Dir Aorsifzetuk I obker elarikt a eil I ho e : . .. u 'te ll tur Ce
fl elliullic hell Be g Mi SS ung su 1 .1 te. gedenkt der sdl - nu U | - • ■ e ' m v e o
die Danziger Natur mrs v iu r \ t rsamim. :ng um) norm, u ,e | ...
fuhrt \ Oll elelll Ir whe re ll < H'e r I• ,r ,.e ' Pa tsJe r Winter, sie ts e c
\ or kample t in eler Madte h\ gu ne gewesen sei.
Nadi Veriisiing einigen Big! assimgsti >t gufiMiii s v V g * de.» \ -
sitzende ein Begnissungste > annii an Giliemp.it W .i d ; •* h s \ .
eler. llaelulerii er bis letzt .me 'A Aerztelage t eMid.t, zum e vo
Male gezwungen ist. tei n/ub.t d>e n.
All Meile des elmdl K r a*’Lheit \ e ' li .n de ' te M liefe Mi’.tts I '* '
l'r. lent wirel Mevlizinairat Dr. I i n d :v a n u zum \ e r t • e t e * d.s
\ oi sitzenden bestimmt.
I. Der (icm:hah»hcrlch(, eler gedruckt \.',i^t. u.-d . *-e L»
kussiou erkiligt.
II. Vereinshlaft und Ka«»cnhcricH(.
Der Antrag Mutier- I np/.g An Bt / v g des \ e ’ e s' dt" \
für alle Mitgiieeler des Xer/te \ erenisl-utrde s td is. h zu m • , .
Wird auf \orsJllag des \ . •' s;*, e Ilde ll dem « le s v !,.-.ttsaiiss v ( jss ,'c'-
w lesen; ebenso stimmt eler \ sitze nde vie r Xme g.n g
S t e t n b r u c k - Me tim zu. ai.ui K r ark e id: ,o.se • n el.is X e • e • s.
blatt zii/useiiileii. lim die Hingen Xe'zte mit eien Mar de s'h s*- t
bekannt zu maeheii.
Der K a s s e n b e r i e h t wird n.u b k u* / e * Diskuss;, n ge ’v ‘ . t.
der labresbeitrag m ele r ImsIk t igen 11 he Ih ass<. n.
III. I»er midiste Punkt vier I age s. a d"i:r g be tr i**t d.e Schulde-
SiindlidtüpflcKC u m eI zwar a) die t nterwelsung und tr/ichung der
SchuljiiKcnd zur (icMindhei^pflegc. h) da» Schular/twesen.
Leber den erstell leil berichtet
fs t e p ll a n i - M.nölfu mi an eh r Ham! ,.e oder I e -tsat/e ;
I. Die hm anw ,k bsc. nde liumnl muss cumh v!;e >c'::u.e mt eie n
Regeln eler < iesumllie itspde ge S e r 1 1 a u t gi v..u!.l Werden.
Bill Melitigis Xeustandms eler < ie s>ui d!e 'tsp* e v e ist \ • •' )'f d m v u • v
für zweckmassige Xnw emiung ile tse Iben; via se 1 : • t zur Hebung
Volksgesiimllie It. eler X ■>' k sw • d: Uah* t und ekr \ ' lks\e e k • alt li:
mehrt elaeiurch ek r) \ < •!L sr e u htum
2 Bei XusbiMimg ade i 1 ehr Kräfte tu* \ • ’k s- um! !u V.e *e >v V;; eu
muss ehe (iesmielhe itsjule ge einen hes..mieten \ n!ir:,d'!sc'ci:iv.i’ .!
bilden.
/ll diesem Unterricht send in erste r I m e da Xe'/te ber;r-.
wrklu* dar. h ilna- A"sbi.vlnng und elumh ilmn lk r ut e! c <iew.. -
dafür bilden, elass elieser l nteiticbt ein zue A': Mt.
d. Bei iedetn geeigneten l nterris l:tss{. ft san.1 c e M ‘ er auf d e
Gesumllieitspili ge Imi/uw eisen mal zur dauernden lat cimg v k r
Regeln anzuhade n.
In die I a hl Imu.Ii» r samt ! u her de I lde t 1 siirj gee.cUele Kap te 1 ; ’ e *
Gesittteb'eitstakuse .iiit/mn. Ima n.
1. I.lll besonderer l nte» r k ht über Ge MP: d 1 e ds G ist V.mct-
saclilich Inr a.ter e >.!i der w misc ’ie ms a e ' t.
Xn >c knien trat I .te bk !o s\ sr.'n ] : gf de r I a ,, t *u d.-r <u-
sumllieitsptk ge »IutcIi e i arie I .u ' e •;* e r. w ■ >v • ^ ich dm di e:ne n A: et
ZU erteilen.
5. Behufs zw i c k m.issi g t ? I i.i-, : r - I uv. *w e stag v 1
Brzie liung dar S Jinim.a nd ist e- X* ’- r • • ■ de- Xe'/tc m A. i
dchnlbeln u Je n er tarier ddi.
Original From
UNIVERSITY OF MINNESOTA
r.juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1469
In^ besonderen legt Referent bei Punkt 3 grossen Wert auf
die durch alle Klassen von Anfang an fortgesetzte fast unme'rkliche
Unterweisung: und Erziehung zu gesundheitsmässigen Begriffen und
Verhalten. Die wichtigste und schwierigste Frage ist die, wer den
Unterricht halten soll. In der Stadt mögen sich genügend viele Aerzte
finden, auf dem Lande ist es unmöglich. Auch in den städtischen
Volksschulen ist es schwierig, da dort ja keine Fachlehrer wirken.
Es hat auch nicht jeder Arzt die den jungen Schülern angepasste
Interrichtsgabe; es kann eigentlich nur für ältere Schüler, da wo
Fachlehrer wirken, der Arzt in Betracht kommen. Sehr wichtig ist
die Beiziehung des Arztes in die Schulbehörden, denn nur der Arzt
vird das nötige nachhaltige Interesse für diese Fragen haben.
Zwei Fragen sind auszuschalten: 1. Die Frage der sexuellen
Auik 1 ä r u n g der Jugend ist zurzeit noch nicht genügend geklärt,
wie es auch der 3. Kongress der deutschen Gesellschaft zur Be¬
kämpfung der Geschlechtskrankheiten in Mannheim und die Verhand¬
lungen des internationalen Kongresses für Schulhygiene gezeigt
haben. 2. Die Frage der Kurpfuscherei. Der Kampf gegen diese
muss auf einem anderen Felde geführt werden. In der Schule wird
-re richtige Unterweisung in hygienischen Fragen allein dem Kur¬
pfuschertum entgegenwirken.
ln der Generaldiskussion betont
Petruschky- Danzig, dass, so lange die These 2 so wenig er-
i.llt ist, unsere Vorschläge noch grossenteils unerfüllt bleiben wer¬
den. Das wird noch lange dauern. Vorerst sieht der Lehrer in dem
Arzt nur den unbequemen und ungerufenen Mitarbeiter. Das erste
müssen Fortbildungskurse für die Lehrer aller Schularten sein, dann
ist das wichtigste die allmähliche unablässige erzieherische Tätigkeit
itr Lehrer und soweit es möglich ist, die direkte hygienische Auf-
' kärung der Schüler durch Aerzte. Auch die Eltern müssen noch erst
erzogen werden und dazu sollen die Elternabende dienen.
Es liegen folgende Anträge vor:
I C o h n - Charlottenburg: Zusatz zu These 1: Voraussetzung ist,
dass Schulhaus und Schulbetrieb den Anforderungen der modernen
Hygiene entsprechen.
) Zusatz zu These 3: Eine Mitwirkung der Schule bei der not-
f 5 endigen sexuellen Aufklärung unserer Jugend erscheint unent¬
behrlich.
Bei These 4 zu streichen die Worte: „Durch eigene Fachleute,
womöglich“. Zusatz: Die Anstellung von Schulärzten für alle Schulen
wird die Durchführung dieses Unterrichtes erleichtern.
Kormann -Leipzig wünscht wie Cohn dieselben Worte in
1 These 4 zu streichen.
1 V a n g e h r-Tilsit wünscht (zu These 3) die Einführung be¬
sonderer Lehrbücher für Gesundheitspflege, wie ein solcher Ge-
sundheitskatechismus früher schon in Gebrauch war. Ebenso wünscht
er die Bekämpfung der Kurpfuscherei in der Schule, nicht aber die
sexuelle Aufklärung.
Cohn- Charlottenburg wünscht die Unterweisung durch Aerzte,
nicht durch Lehrer, die bekanntlich vielfach Anhänger der Naturheil-
unde sind, dafür sprechen auch die namentlich im Auslande gemachten
cjten Erfahrungen. Vor allem müssen auch die vielfach noch sehr
schlechten hygienischen Verhältnisse in den Schulhäusern und im
x hul betrieb eine Besserung erfahren (Lehrpläne, Schulstrafen,
Fragein, Erholungspausen, Schularbeiten u. s. f.). Bezüglich der
s:\uellen Aufklärung muss sich der Aerztetag äussern, wenigstens
1 ^nin, dass eine Aufklärung überhaupt stattfinden soll, wenn auch
: . ent. nur im naturwissenschaftlichen Unterricht. Aerzte, welche den
vgienischen Unterricht erteilen können, sind jedenfalls in genügender
wähl vorhanden, zumal wenn in den höheren und niederen Schulen
>c'iulärzte angestellt werden.
Jaks- Thüngen wünscht die Aufstellung von Schulärzten auch
dem Lande, die Landärzte werden sich vollkommen dazu eignen.
In der Spezialdiskussion hält
Stephani - Mannheim den Zusatz Cohns zu These 1 an sich
r gut, zieht aber eine möglichst bestimmte, einfache Fassung vor.
These 1 wird unverändert angenommen, ebenso
Zu These 3 spricht sich der Referent gegen die sexuelle Auf-
t U'ung aus. Dieser Gegenstand soll möglichst wenig öffentlich be-
indelt werden; er erklärt sich nach seinen Erfahrungen als Schul¬
et entschieden als Gegner jeder sexuellen Aufklärung in der Schule,
e gehöre ausschliesslich ins Elternhaus.
FI e r z a u - Halle: Der Aerztetag soll sich zur sexuellen Äuf¬
nung äussern. Diese Aufklärung ist nur in der Schule möglich,
s jetzt haben sich Lehrer und Aerzte nur wenig an die Frage
"'angewagt. In Halle hat man die besten Erfahrungen gemacht,
i Wehdem es* anfänglich in der Schuldeputation mit den Lehrern
nweren Streit gegeben. Nun hat der Stadtarzt D r i g a 1 s k y zu-
\ : .h st den älteren Fortbildungsschülern, dann auch anderen Schülern
I Ogenwart der Lehrer und Lehrerinnen entsprechende Belehrungen
" und zwar mit bestem Erfolge. In der richtigen Weise geübt,
tauten solche Aufklärungen einen grossen Fortschritt.
Pfalz-Düsseldorf wünscht diese Aufklärung wenigstens für
1 i schiilpr der obersten Klassen.
KöniVsb öfer- Stuttgart: Die sexuelle Aufklärung gehört
S ■ Unterricht hinein, zurzeit kann man aber nicht
- äen hygienischen
gleich allen Lehrern diesen-Gegenstand zumuten, damit würde man
der Sache mehr schaden, daher empfiehlt sich wohl am meisten die
Anregung von P f a 1 z.
Kormann -Leipzig wünscht den Antrag Pfalz wie folgt zu
formulieren:
Bei der Schulentlassung ist durch geeignete Aerzte eine Be¬
lehrung über die Gefahren der Geschlechtskrankheiten zu geben.
H a k e r - München: Bei Aerzten und Lehrern bestehen jeden¬
falls noch Gegensätze über das W i e der Aufklärung. Diese Auf¬
klärung hängt sehr von den Persönlichkeiten ab und nicht alle sind '
dazu geeignet. Es ist das beste, die These unverändert anzunehmen
und auch die Einführung eines Katechismus abzulehnen.
K o r m a n n - Leipzig: Das wichtigste ist, dass die Aufklärung
nicht zu früh erfolge, die grosse Mehrzahl der Kinder ist nicht ver¬
dorben. Mit der Aufklärung könnte nur der Lehrer betraut werden,
aber man tut ihm keinen Gefallen damit, es erwachsen viele Unan¬
nehmlichkeiten und auch die Gefahr von Denunziationen usw. Da¬
gegen haben sich die Aufklärungen, welche an Gymnasien durch
Aerzte in Gegenwart von Lehrern und Eltern an die Abiturienten
erteilt wurden, gut bewährt.
P e r u t z - München beantragt besonders die Aufklärung über
die Schäden des Alkoholmissbrauches zu fordern, damit man sehe,
dass die Deutsche Aerzteschaft dieser Frage gebührende Aufmerk¬
samkeit schenke.
Scheyer -Berlin stellt mit kurzer Begründung den Antrag,
auszusprechen: Die Frage der Mitwirkung der Schule bei der
sexuellen Aufklärung hält der Aerztetag noch nicht für spruchreif.
S c h ü c k - Berlin: Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten hat ihre schönsten Erfolge gerade solchen
Aufklärungen zu danken. Auseinanderzuhalten sind dabei die bio¬
logisch-physiologischen Fragen und die Geschlechtskrankheiten. Ge¬
rade während der Entwickelungszeit, dem bisexuellen Zustand nach
Moll, sind solche Aufklärungen durch Aerzte besonders wichtig.
L i n d m a n n - Mannheim: Die Meinungen der Aerzte sind sehr
geteilt und es wäre nicht gut, sich mit einem schwachen Majoritäts¬
beschluss festzulegen; es fehlt zurzeit noch an geeigneten Lehrern
und Aerzten. Vor kurzem hat in der badischen Kammer der Minister
die Frage noch für undiskutierbar erklärt. Auch die Aufklärung der
Abiturienten ist nicht notwendig, die meisten bedürfen derselben nicht
mehr.
A 1 e x a n d e r - Berlin beantragt zu 3. noch hinzuzufügen: Je¬
doch sind Ratschläge in Bezug auf Behandlung von Krankheiten un¬
zulässig, und: für die Abfassung von Lesestücken ist die Mitarbeit von
Aerzten unentbehrlich.
Nach Annahme eines Schlussantrages und kurzen Bemerkungen
des Referenten wird der Antrag Scheyer gegen 44 Stim¬
men angenommen und die These 3 mit den Zusätzen
von Alexander angenommen.
Bezüglich der Anträge zu These 4 führt
Stephani als Referent aus, dass die allgemeine Durchführung
unmöglich ist, wenn ausschliesslich Aerzte den Unterricht erteilen
sollen; die Erfahrungen im Ausland sind nicht durchwegs so gut wie
Cohn angegeben hat. Die entsprechenden Aerzte sind schwer zu
finden und wie die Lehrer werden auch die Aerzte nicht gut bezahlt
werden. Es genügt, zu sagen, dass womöglich Aerzte den Unter¬
richt geben sollen.
Kormann -Leipzig will von einem Kompromiss nichts wissen
unter Hinweis auf die bedenkliche Kurpfuscherei durch zahlreiche
Lehrer, kommt es doch vor, dass derselbe Lehrer Vorstand eines
Vereins für Schulgesundheitspflege und Vorstand eines Naturheil¬
vereins ist.
Die Abstimmung ergibt die Annahme der
These 4 mit Annahme der Anträge Cohn und Kor¬
mann und Ablehnung des Antrages Perutz.
Die These 5 wird angenommen, der Antrag
Vangehr abgelehnt.
IV. Wahl des Geschäftsausschusses.
Gewählt werden: L ö b k e r - Bochum mit 20 550, Hartmann-
Leipzig mit 20 317, D i p p e - Leipzig mit 18 433, Herzau-Haüe mit
18 002, W e n t s c h e r - Thorn mit 17 707, P f e i f f e r - Weimar mit
17 250, W i n k e 1 m a n n-Barmen mit 16952, M u g d an - Berlin mit
16 844, K ö n i g s h ö f e r - Stuttgart mit 16 241, Le nt-Köln mit
14351, Mayer-Fürth mit 11125, P a r t s c h - Breslau mit 8112
Stimmen.
Es erhielten ferner noch Stimmen: F ra n z -Schleiz 6690.
Reh m - München 6683, Lindmann - Mannheim 5995, K a s 11 -
München 4865, Scherer - Ludwigshafen 4838, Hartmann-
Hanau 4581, D e a h n a - Stuttgart 4029 Stimmen usw.
Nach Schluss des Aerztetags wurden in den Geschäftsausschuss
kooptiert: Lindmann - Mannheim, B r u n k - Bromberg, Sche¬
rer- Ludwigshafen, Hartmann - Hanau, D e a h n a - Stuttgart,
Munter- Berlin, Scheel- Rostock, Rehm - München, Franz-
Schleiz. (Schluss folgt.)
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1470
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Kn. ”
Verschiedenes.
Ehrengerichtliche Entscheidungen.
In der ehrengerichtlichen Unterstichungssache wider den Ar/.t
Dr. Hans Fischer, früher in Wilmersdorf, jetzt in Karlshorst wohn¬
haft — E. G. 104. 07 — ist dieser Angeschuldigte durch das rechts¬
kräftige Urteil des Unterzeichneten Gerichts vom 9. April 190N wegen
Verstosscs gegen die Standesehre mit einer Geldstrafe von Kkki M.
und mit der Veröffentlichung dieser Entscheidung bestraft worden.
Berlin, 16. Juni 1908.
Aerztliches Ehrengericht für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬
kreis Berlin.
ln der ehrengerichtlichen Untersuchungssache wider den Ar/t
Dr. Hans Eise her, in Karlshorst bei Berlin wohnhaft. E. U.
34. 08 — ist dieser Angeschuldigte durch das rechtskräftige Erteil
des Unterzeichneten Gerichtes vom 6. Mai 1 ( >08 wegen Verstosses
gegen die Standesehre mit einem Verweise und einer Geldstrafe \"ii
2tMM) M., sowie mit der Veröffentlichung dieser Entscheidung bestraft
worden.
Berlin, 18. Juni 1908.
Aerztliches Ehrengericht für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬
kreis Berlin.
In der ehrengerichtlichen Untersuchungssache wider den Ar/t
Dr. Ernst Geyer in Schoneberg, Hauptstr. 4. wohnhaft. E. < i.
35. 08 — ist dieser Angeschuldigte durch das rechtskräftige Er¬
kenntnis des Unterzeichneten Gerichtes vom 6. Mai Iöos wegen Ver-
stosses gegen die Standesehre mit einem Verweise, einer Geldstrafe
von 1000 M. und Veröffentlichung dieser Entscheidung bestraft
worden.
Berlin, 18. Juni 1908.
Aerztliches Ehrengericht für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬
kreis Berlin.
Dr. Geyer ist bekanntlich der frühere, Dr. Hans E isclicr der
derzeitige Gehilfe des Kurpfuschers M i s t e I s k i.
Eine Sterilisationsflaschc für physiologische
Kochsalzlösung bringt die Hofapotheke in Heidelberg in den
Handel, welche es ermöglicht, die sterilisierte Losung jederzeit ge¬
brauchsfähig vorrätig zu halten. Die Eiasche ist aus dünnem Glas
hergestellt, kann somit ohne Gefahr höherer Temperatur ausgesetzt
werden; ausserdem ist die Einrichtung getroffen, dass die Ausguss¬
öffnung entweder durch einen Wattebausch oder durch Aus/ieheii
der Glasspitze ganz geschlossen werden kann.
Ist der erstere Modus gewählt, so ist die Eiasche leicht durch
einen durchbohrten Stopfen mit Schlauch und Trokar zu verbinden
und direkt als Irrigator zu verwenden, während im zweiten Falle der
Schlauch einfach über die Spitze gezogen wird.
Therapeutische Notizen.
Die Wirkung des Wismutsub nitrat auf gewisse Ver¬
dauungsstörungen beruht nach Untersuchungen der chemischen
Fabrik Bong 6t Sohn in Böblingen auf einer Hemmung der Miklr-
säuregärung; sie wird beeinträchtigt durch die spezifische Schwere
des Wismut und sein dadurch verursachtes Bestreben, sich zumal in
proteinhaltiger Umgebung schnell in körnig gehallter Form ah/u-
setzen. Um dies zu vermeiden, stellt die Fabrik mit Kakao und etwas
Zucker bereitete Pastillen mit einem Gehalt von 0,3 Wismutsulmitrat
her, in welchem das feinst zerteilte Präparat von dem Fett des
Kakao eingehüllt ist. Hiedurch wird erreicht, dass das Wismutsub-
nitrat im Organismus in suspendierter emulsionsartiger Form zur voll¬
ständigen Wirkung gelangen kann. (Allg. Med. Zentralztg. E>n*,
No. 18.) R. S.
Die natürlichen und künstlichen k o h 1 c n s a u r e n
Bäder empfiehlt Mougeot in einer längeren, mit einer histo¬
rischen Einleitung versehenen Abhandlung (Revue de Thcrapeutujue
mödico-chirurgicale, 1. Mai 1908) vor allem bei 3 Arten von Er¬
krankungen: bei Typhus, bei mit Insuffizienz verbundenen Herz-
klappcnfehlern, bei Chlorose und Anämie. Das natürliche k"hlen-
saure Bad ist die Behandlung der Wahl bei einer grossen Anzahl mit
vermehrtem arteriellem Druck verbundener Fälle, wo auch die
künstlichen Bäder Erfolge, wenn auch weniger befriedigende, geben.
Letztere lassen trotz der Vorzüge der natürlichen, bei Erscheinungen
von Arthritis, wie Hypoazoturie, Ekzema, wandernden Muskel¬
schmerzen, Bronchitis, Tracheopharyngitis wenig an Erfolg zu
wünschen übrig, ebenso kann man sie zur Behandlung der Tabes
anwenden. Sehr grosse Dienste leistet das künstliche Bad bei den
akut fieberhaften Krankheiten, wo das natürliche Bad nicht in Be¬
tracht kommen kann, und vor allem beim Typhus. Seme Wirkung
ist eine vollkommenere, wie jene des einfachen Bades, es erniedrigt
in ausgesprochengr Weise die Temperatur, vermindert in höherem
Grade die Pulsfrequenz und verursacht eine noch stärkere Diurese.
M. rät daher statt der kalten Bäder, die kohlensauren Bäder, die
selbst bei höheren Temperaturgraden stärkere Wirkung haben, bei
Typhus allgemein anzuwenden; man könnte den Kranken damit die
W irkung des immerhin sehr unangenehmen, am Anfang a
Schocks ersparen und die Zahl der Bader \ er mm :cr n. was
Brandt sehe Methode iur die Pta\;s n«««Ji ie.Jitcr ges;., ;<.:i w .
Als heller/.gensw erte \ orv.Jitsnuwegij efffptich t NE. <. • "
kleineren Baderaum, in dein man e.n an k-m c;>aaie sehr re ros Im .
gibt, gut zu lütten.
Tagesgeschichtliche Notizen.
M ü n c h c n. 6. Juli I * -v
Der 30. Deutsche Acr/tctag m D.iförg ^ E
der Generalversammlung des leipziger Verbal.dcsi lat sich in :*
als einer Beziehung m scharten Widerspruch gesetzt zu si.-- \ •-
ganger in Minister. Der \ ra»l;ka.em «niste e'i de M ’ »
Aer/tet.ig hat es snh geladen lassen müssen. m.i-.t nur m a.
seine Bes», h.usse, heltittenJ die \ erhalt.: rd ge n mit de n l e '• e * *
Me. heT ungsgeseiic li.ilte II, sondern. was w n litigef ist. Mi he, mg .
Gesamttendeii/ .die ei* - r t /um Vusd» ii» k ge k--:rm.t n w.o. K-" .. e "
zu w er eien. I nter dem Beii.nl tks Ai r/ti tags war m V. .-.sti: \ •
N ersJliedcMeil Ri dliern die N**tw tfi Juki :J »1er ..re m c'.eil *.i . ^
proklamiert wrdeii. d. h. des Aus>cP uw s Erunan Mu *
aus Aer/lev er emsPuinl und E. \ .. ine '.di »!e r 1 • zw u. K .mg der l’e .
Arztwahl gegen den WumsJi der bete -Kien K.ienn.i’/Ii w * s;„ ■ • ■ ■
wollten. In einem Riukhiick auf de n Xe:ztetag ui N • J". I • 7 •
wiesen wir aut die < n t.iln in hke it s- .„.hct Best-e: ai.gui t r de”. !•.
stand unserer Organisation hm und warnten davor. »um m : s.r i e -
richteten Bau len litte r tig nii/nrei'Hii. 1s gereicht uns .m: « n
tuung, dass unsere «*tt ausgi spr o v he t c \i'VcM. »lass iinnre « »' ^ n
satmu /um kample gegen n.e « ie w a d.he r r Sc halt de r Kassen. ii:c ■;:
i Kample gegen K • *E e ge n ge s v hallen sei. um! dass d.c Bim"',:' k
K ollegen zur trenn Xrztwahi auf dem Wege de r ln emu-m
I eher Zeugung, nicht dufeti die Zw ah..snnt'U i des p. \ r. dt i.- .1
Sperre erreicht werden müsse, mm and) in den ie de k n Ke
des Aer/tetags bc/w. des E. \. ii;in!\e dr idme ii ist. Har tü. a :
gab dem m seiner Eröffnungsrede der < ;e ru ra v s.o- m 'erg de s 1 X
mit eien Worten Ausdruck, die freie Arztwahl d rie mdit .ruM d
Zanka[i!el unter den K'd.e gen bikkn. Xu d.e "te e des Rute s t.a. ”
reinlicher Scheidung trat die Mahnung ..''ent em.g. im g. i ; k .
Hart manu m der einen >itzung dreimal in u!ui:.i\ :.hii We ■»
den Kollegen zunet.
Wann wird man audi in MuU%.heii die K-mse.jutuz aus da'.'
veränderten >.uliiage ziehen.-' Vdr innrer ist m M Md.eii d.e e:
Richtung massgebemt. die, um die ir.ie Ar/twaln bei den P- st-
Balmkasseii zu erzwingen, die 8*prt n s ung de s Be zi: es\ e r eins hm .
führte uiiel m fünf langen Jahren eiaKi d -di u!c r ‘ts errerdde. a % e • e-
trostinse Verwirrung ader kni,ui.i,ni V er ha.tmsse. Im Reute
diese Riehtimg abgetan; wann wird man audi m M muhen zu: 1
siclit kommen, dass es f.tSdic Propheten waren, »ie u m u B:i..:m-
kritg. der lins in Mu lulle« n*»wh luute entzweit, t •••!:.»» lite n um!
elieiemgen Kollegen die w eiletb.ukernten w.nu. »!ie die tried ,dd.
wenn auch langsamere I nt w k *> .img dem .itpsuMs • »in Kample \
gezogen wissen Wollten r*
- - I >er Z e n t r a I \ c r e i n deutscher > t • • m a t <> I ■ ■ g e ’.
zu Dresden wendet sidi m einem Zi'kuar gigeii das kV
ge r ic Ii t su r le 11 m dem 1 iteipr*>/e ss der Zan-i'ztc Dresdens g< ..
Dr. Breitbach «s. diese W odrensdn Mt l>o. > 1 - ^ wi. .
mehrere uurKlr.ige Angaln-n eiitha te. die üngn! s -r|. »!en l .tf-
bestand zu entstelkn; so n.irnent.-Wh. »lass ln. B sidi as
ar/t" angekundigt habe, und dass „Z i' narzt" um! di'i .-.a .rd *
Zahn- und Mnndkr.inkhtJtu u" rdr nt;' zu r t w e* !e. Die l.gnrg d»
Internationalen > t <• m*t t *• 1 <• g i s c h c n « i i s ^ s c : a : •
zu Paus im August l'iol hat a^» «nundsatz .uihidi .t. »lass de- Za
arzt Arzt sein müsse, dass me Bi zi n f.mmg ../an-dn ...
durch die umlassende re Be/tuhmmg „ v b rr.at. ' c" t ’ fzt wt’d
solle und dass ie»U r >t<'in.iWEa >;u ziahmzt t *r Zahn- w '■
Mundkranklieiten berechtigt sein in ah-. v »ä - h ie !'»•», n.le'C Ar; -
batioii die Bezeislmung seines >;h z a t.icl is bi .zu i . • Gtt rrs . w .
jeder Augen-, Ohren- etc. Xr/t. I he >;• m.it l g e s. •.. m ;!. r e m * i m
begntleii obligatorischer l n|ri r k ‘-fsgi d pstaf»' i .r e \ n M«-' er¬
den der Medizin sein, in k di m l arde s...; w emgs^ns an e.ne
Emversitat Gelegenheit zur • spez ia is;a. !;eii Xus?>. g ge’- t i
werden.
Die I »epntatioii tut die '»f.tdf ;s J-,e lr n ry'\ ge m Bi' ti b. t
beschlossen, iur le »le de r s t a »I t i s v fly n I r r «. n a v s t a I t e n e
eine Assistentin zunächst \ ersu v !tsw i m a-zus*» \\
lur den k n r zir i s ti k e n Z \ k ' u s u m " ! K i *-
lieber ii r z t I i c h e r I t 1 i ' : « n g s x u » v v m B-. - n s ■
E>. bis 31. (»ktober d. .1. siml \. an Re .c hs.uiss. • I r ».as ,i-zv c t
Eortbildimgsw eseii in V er bmdung n d* m Zi -t' a s -v itu na» '
stellende Bestimnm-'gi n getr-mn wadi.n 1. lk v btigmg zur 1- -
nähme. Zur J eiiitahme an di n I "üi ; i'wn i; 1 V "
ist jeder deutsche Xrzt ge p u 1 ''egm’g t .t’e r l "sd'-i • g-, ; ” r \ ’*
15 M. iur den ganzen Z.\ s.us bertr t t gt. Da.se 1 ixbi --n ge ‘
wird niJit zuriic kerstatti t. sofern a-;s irg*-*: !w e\ ht n ‘i ” len t
Jeilnahme an dem Z \ k ■ 11 s tmtit n • gdc h ist. e me Zu: c K-•-stufim..
erloigt nur dann. Wenn etwa sam.tl.che bet der Me Jung gew :r-s» ’-k ‘t
Kurse und Vorträge schon besetzt s::;J. 2. Art der An::;e'düng., Pr *
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7 . Juli 10ÖÖ.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1471
granime und Meldezettel für die gewünschten Kurse und Vorträge
sind unentgeltlich im Bureau des Kaiserin-Friedrich-Hauses für das
ärztliche Fortbildungswesen (Schalter für Kartenausgabe) zu er¬
halten, wo auch Auskunft erteilt wird (schriftlich nur gegen Er¬
stattung des Rückportos oder wochentäglich von 9—2 Uhr persönlich).
Bei schriftlichen Bestellungen auf den Meldezetteln ist zugleich die
F.inschreibegebühr (durch Postanweisung) zu übersenden, ohne
welche die Meldung ungültig ist. Alle schriftlichen Meldungen und
Postanweisungen sind zu richten an: Herrn O. Ziirtz, Kaiserin-
Fried rich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4. Persönliche Meldungen
werden wochentäglich von 9 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmittags
angenommen; hierbei ist zugleich die Einschreibegebühr zu erlegen.
Telephonische Bestellungen von Karten und Verzeichnissen können
nicht berücksichtigt werden. 3. Termine der Meldungen, a) Be¬
ginn der Meldungen: 10. August, b) Schluss der Meldungen: 17. Ok¬
tober. 4. Programmheft. Vom 10. August an werden täglich aus
allen bis 2 Uhr nachmittags eingelaufenen schriftlichen und persön¬
lichen Meldungen durch Auslosung die Teilnehmer für die einzelnen
Kurse festgestellt, welche hierauf ein Programmheft erhalten. Das
Programmheft ist unübertragbar, enthält den Ausweis für die Kurse
und ist auf Verlangen beim Eintritt in die Kursräume vorzuzeigen.
5. Zuschriften. Alle Zuschriften sind zu richten an das: Bureau des
Zentralkomitees, NW. 6, Luisenplatz 2—4 (Kaiserin-Friedrich-Haus
iür das ärztliche Fortbildungswesen).
— Das am Hausstein bei Deggendorf errichtete
Sanatorium für Lungenkranke aus dem Mittel¬
stände ist am 15. Juni in feierlicher Weise eröffnet worden. Aus
diesem Anlasse wurde dem leitenden Arzte des Sanatoriums,
Dr. H o h e, der sich um das Zustandekommen dieses gemeinnützigen
Unternehmens die grössten Verdienste erworben hat, ebenso dem
Vorsitzenden des Sanatoriumsvereins Dr. Werner- München der
Titel eines K. Hofrates verliehen.
— Der bisherige Leiter der Deutschen Heilstätte in Davos,
Stabsarzt a. D. Dr. B r e c k e, folgt einem Ruf an die von der Ver¬
sicherungsanstalt Württemberg neu erbaute Heilstätte bei Isny im
Allgäu; an seiner Stelle übernimmt die Leitung der Deutschen Heil¬
stätte in Davos Medizinalrat Dr. Kölle, langjähriger I. Assistent der
Heilstätte.
— Wie uns aus Königsberg i. Pr. gemeldet wird, ist der Privat¬
dozent für innere Medizin an der dortigen Universität, Dr. med.
Walter Rindfleisch, zum Oberarzt der Station für innere Er¬
krankungen am städtischen Luisenhospital zu Dortmund berufen wor¬
den; er tritt dort an Stelle von Dr. Franz V o 1 h a r d, der die Leitung
des allgemeinen Krankenhauses in Mannheim übernommen hat. (hc.)
— Herr Dr. Julius Peiser »bisher Assistent an der Kgl. Uni¬
versitätskinderklinik in Breslau wurde in die neue Oberarztstelle an
der Berliner Säuglingsklinik gewählt.
— Dem Direktor des Stadtkrankenhauses zu Chemnitz i. S. und
Oberarzt der chirurgisch-gynäkologischen Abteilung desselben, Hof¬
rat Dr. Reichel wurde der Titel Professor verliehen (hc.)
— Dem Direktor des Instituts für Hygiene und Bakteriologie
Dr. Bruns in Oelsenkirchen, dem Arzt Dr. Hecker in Wiesbaden,
dem Assistenten bei der Chirurgischen Klinik im Charitee-Kranken-
hause in Berlin Stabsarzt Dr. N e u h a u s ist das Prädikat „Pro¬
fessor“ beigelegt worden.
— Der bekannte Chirurg. Geh. Med.-Rat Dr. med. Edmund
Rose. ord. Honorarprofessor an der Berliner Universität, beging am
>. Juni die 50 jährige Doktorjubelfeier, (hc.)
— Die Herren Mistelski und Dr. Hans Fischer haben die
i.- der Beleidigungsklage gegen die „Münch. Neueste Nachr.“ von
ihnen eingelegte Berufung zurückgezogen. Das Urteil (s. d. Wochen¬
schrift No. 13, S. 710) ist somit rechtskräftig. Ebenso hat Herr
Mistelski eine Beleidigungsklage gegen den Redakteur dieser
V, ochenschrift, zu der ihm der im Jahrgang 1907, No. 46, S. 2308
dieser Wochenschrift erschienene Bericht über die schöffengericht-
nche Verhandlung vom 31. Oktober Anlass gegeben hatte, unter
Tragung der Kosten zurückgezogen.
_ In Marienbad hat sich ein Verein zur Errichtung
eines ärztlichen Erholungsheims konstituiert (s. a.
No. 40. 1907 d. W.). Den Bemühungen des vorbereitenden Komitees
>t es gelungen, schon in diesem Jahre für 40 Aerzte in der Vor- und
Nachsaison freie Unterkunft in Marienbad zu schaffen und eine Reihe
von sonstigen Vergünstigungen und Preisermässigungen zu erwirken.
Der Verein erlässt an alle Aerzte des Deutschen Reiches und
Desterieich-Ungarns die Einladung zum Beitritt, um sein Ziel, die
Errichtung eines eigenen Gebäudes baldmöglichst zu erreichen. Bei¬
trittserklärungen, sowie Gesuche um Freiplätze sind an den Vor¬
stand des Vereins zu richten.
_ p er ] m Kongress der Internationalen Gesell¬
schaft für Urologie findet vom 30. September bis 3. Oktober
1^08 zu Paris statt. Tagesordnung: Pathogenese rnd Behandlung der
Viurien- Retentionen in der Blase ohne mcchr mische> Hindernis;
rmaie und pathologische Physiologie der Prostata; Indikationen zur
Operation bei Nierentuberkul°se. tte , deutscher Psychiater
f min een hält ihre nächste Versammlung am 25. Ok-
ib »rdJsin Halle a. S. ab. Vorträge sind bis längstens 1. August
i
ds. Js. bei Geheimrat Prof. Dr. Anton, Halle a. S., Kgl. Nervenklinik,
Julius Kühnstrasse 7 anzumelden.
— Von der Kryptogamenflora, die von Prof. Walter
Migu 1 a als V.—VII. Band von Thomas Flora von Deutsch¬
land, Oesterreich und der Schweiz herausgegeben wird,
sind jetzt die Lieferungen 49—53 erschienen (Verlag von F. v.
Zezschwitz, Gera; Preis pro Lieferung 1 M.).
— Cholera. Britisch-Ostindien. In Kalkutta starben vom
10. bis 23. Mai 180 Personen an der Cholera. — Hongkong. In der
am 4. April abgelaufenen Woche sind 2 Todesfälle an Cholera, welche
Chinesen betrafen, festgestellt worden.
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 8. bis 13. Juni 10 Per¬
sonen an der Pest erkrankt (und 6 gestorben), seit dem 7. Mai ins¬
gesamt 47 (26). Ferner sind unter dem 14., 15. und 16. Juni je
2 neue Fälle bekannt geworden. — Aegypten. Vom 13. bis 20. Juni
sind 50 Personen an der Pest erkrankt (und 14 gestorben). — Bri-
lisch-Ostindien. Während der Woche vom 10. bis 16. Mai sind in
•ganz Indien einschliesslich nachträglicher Meldungen aus der Vor¬
woche und teilweise auch aus früheren Zeitabschnitten 6720 Erkran¬
kungen und 5708 Todesfälle an der Pest zur Anzeige gelangt. —
Hongkong. In der Zeit vom 29. März bis 2. Mai sind in der Kolonie
98 Pesttodesfälle, ausschliesslich bei Chinesen, vorgekommen. Von
107 gemeldeten Erkrankungen entfielen 80 auf die Stadt Viktoria. —
China. Nach einer Mitteilung vom 25. Mai ist die Pest in Amoy
mit dem Beginn der heissen Jahreszeit wieder aufgetreten. —
Britische Kolonie an der Goldküste. Einer Mitteilung vom 7. Juni
zufolge sind in Accra 3 neue Pestfälle festgestellt worden. — Trinidad.
Einer Mitteilung vom 5. Juni zufolge sind in Port of Spain 2 Todes¬
fälle an Pest festgestellt worden. Es wird angenommen, dass die
Seuche aus Venezuela eingeschleppt worden ist. — Brasilien. In der
Stadt Sao Paulo ist am 18. Januar und am 6. April je ein Pestfall
mit Ausgang in Genesung vorgekommen. Sodann sind dort am
23. Mai 2 Pestfälle, welche mit dem Tode endeten, und einige Tage
später noch ein weiterer Fall festgestellt worden. — Ecuador. Laut
Mitteilung vom 30. Mai war die Seuche in Guayaquil im Abnehmen
begriffen. Im Lazarett waren nur noch 48 Pestkranke vorhanden;
nur 4 bis 5 kamen wöchentlich hinzu. Vom 10. Februar bis 30. April
sollen 501 Pestfälle aufgetreten sein, von denen 238 tödlich verliefen.
— Neu-Süd-Wales. Nach einer etwa 6 wöchigen Pause sind in
Sydney in der ersten Hälfte des Mai wieder 2 Pestfälle vorgekommen.
Beide verliefen tödlich. — Queensland. Während des April sind in
Queensland 2 tödlich verlaufene Pestfälle vorgekommen.
— In der 25. Jahreswoche, vom 14. bis 20. Juni 1908, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Königshütte mit 34,8, die geringste Rheydt mit 4,8 Todesfällen
pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Masern und Röteln in Altenessen, Beuthen, Königshütte,
Recklinghausen, an Keuchhusten in Elberfeld, Hagen. (V. d. K. G.-A.)
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Der bisherige Privatdozent für Physiologie an der
Universität Göttingen, zurzeit physiologischer Chemiker am städti¬
schen Krankenhaus Friedrichshain zu Berlin Prof. Dr. med. Heinrich
B o r u 11 a u hat sich mit einer Antrittsvorlesung über „Chemische
und nervöse Funktionsregulierung im tierischen Organismus“ als Pri¬
vatdozent in den Lehrkörper der Berliner medizinischen Fakultät
eingeführt, (hc.) — Für Chirurgie habilitierte sich der Stabsarzt
Dr. Oskar Rumpel mit der Antrittsvorlesung über das Thema:
„Fortschritte der Nierenchirurgie auf Grund der neueren Unter¬
suchungsmethoden“. (hc.) — Seinen 70. Geburtstag begeht am 27. ds.
der Vorsteher der wissenschaftlichen Abteilung am Kgl. Institut für
Infektionskrankheiten in Berlin Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Wilhelm
D ö n i t z. (hc.) — Dem Prof. Dr. med. Ernst Friedberger (bisher
Privatdozent für Hygiene und Bakteriologie in Königsberg i. Pr.) ist
die Leitung der neugeschaffenen Abteilung für experimentelle The¬
rapie am pharmakologischen Institut der Universität übertragen wor¬
den. (hc.)
Düsseldorf. Wie wir bereits vorher mitteilen konnten, ist
nunmehr die Ernennung des Zahnarztes B r u h n zum a. o. Mitglied
und Dozenten für Zahnheilkunde an der Düsseldorfer Akademie für
praktische Medizin erfolgt.
Erlangen. Die 100jährige Jubelfeier der physikalisch¬
medizinischen Sozietät wurde am Samstag den 27. Juni
in der geplanten Weise begangen. Anlässlich dieser Feier wurde dem
I. Vorsitzenden Prof. Dr. R o s e n t h a 1 der Titel und Rang eines
Kgl. Geheimen Hofrates und dem II. Vorsitzenden Prof. Wiede-
mann (Physik) der Michaelsorden III. Klasse verliehen. Eine grosse
Zahl wissenschaftlicher Gesellschaften und ärztlicher Vereine aus
Nah und Fern waren durch Abordnungen bei dem Fest vertreten. Die
Festrede des I. Vorsitzenden bei dem Akt in der Aula behandelte
„Die Entwicklung der Physik und ihre Beziehungen zur Medizin in
den vergangenen 100 Jahren“. — Zu Ehrendoktoren der medi¬
zinischen Fakultät wurden ernannt: Becquerel -Paris,
C u r t i u s - Heidelberg, Nernst- Berlin; die philosophische
Fakultät dagegen verlieh den Doktor hon. c. v. L e u b e - Würz¬
burg, H o r s 1 e y - London, v. Kries- Freiburg.
Frankfurt a. M. Zum Direktor der gynäkologischen Klinik
am städtischen Krankenhause zu Frankfurt a. M, ist der Privatdozent
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1472
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
für Geburtshilfe und (lyiiiiki*1* »v. ic an der l-m\ ersitiit Bein. I *m >i.
Dr. mcd. Max \V a I t li a r d berufen worden. (hc.) Der Ohum/I
der inneren Abteilung am städtischen Krankenhause. I’mi. Dr. nied.
Hugo Lüthje hat einen Ruf an die Universität Kiel erhalten: er soll
dort als Nachfolger des im Herbst d. .1. vom Lehramte /unicktreteii-
den Geh. Med.-Rats Prof. H. Quincke die ordentliche Pmtcssur
der inneren Medizin und die Leitung der medizinischen Klinik über¬
nehmen. (hc.)
Drei bürg i. B. An der Universität Lrciburg i. Br. haben nach
dem Jahresberichte Lehraufträge erhalten: Prof. |)r. Edwin (io'ld-
mann für experimentelle Chirurgie, Prof. Dr. Alexander Ri t sc hl
für orthopädische Chirurgie, (hc.) Dr. Karl S u p f I e. I. Assistent
am hygienischen Institut, habilitierte sich iiir das l ach der Ihgieiie
und Bakteriologie mit einer Probevorlesung über „Die Autg.ihcii des
Schularztes im Interesse der öffentlichen < iesimdheitspflege". >eitie
Habilitationsschrift behandelt „Die Vak/ineunmumtat". Liner Auf¬
forderung der British Medical Association folgend, wild Professor
Th. Axenfeld auf dem diesjährigen Kongress m Sheiiield die Dis¬
kussion über „Serumtherapie in der Augenheilkunde” durch einen
Vortrag einleiten.
(i r e i f s w a I d. Eiir innere Medizin habilitierte sich der Assi¬
stenzarzt an der medizinischen Klinik, Dr. med. Joseph Lorsch-
bacli. (he.)
Kiel. Der I. Assistent an der ps\ chiatrischen und Nervenklimk
(Direktor Prof. Dr. S i e m e r I i n g) I >r. W asser in e v e r aus
Bonn a. Rh. hat sich auf (irund seiner Arbeit „Delirium tremens'* iiir
das Lach der Psychiatrie habilitiert. teilte Antrittsvorlesung be¬
handelte „die Haftpsychosen“.
Leipzig. Der ausserordentliche Proiessor der Medizin au der
Leipziger Universität. Siegfried <) a r te n. nahm einen Ruf als ordent¬
licher Professor fiir Physiologie an die Universität < dessen an.
Zum (Jeheimen Medizinalrat wurde der ordentliche Professur de»
Anatomie und Direktor des anatom. Institutes. Dr.mcd. Karl Rabl, der
einen Ruf nach Wien abgelelmt hat. ernannt. Dr. Llorus Lichte n-
stein, Assistent bei (ieh.-Rat Zweifel an der Um\er sitats-l raueii-
klinik, habilitierte sich mit einer Probevorlesung über das Thema:
..Die Geburten beim engen Becken und deren Behandlung, insbeson¬
dere die operative“, (hc.)
Münster i. W. Dem Strafanstaltsar/t Dr. med. Ileinu.h
Többcn in Münster i AV. ist ein Lehrauftrag für getklitliJic
Psychiatrie an der dortigen Universität erteilt worden, die.)
Rostock. Zum Rektor der Universität für I9i»s 09 wurde der
Psychiater Prof. L. S c h u c h a r d t gewählt.
\V ii r z b u r g. Prof. [)r. Ldwm P. Laust hat den Ruf muh
Göttingen als Nachfolger .1 a c o b j s a b g e I e Ii n t. I k r "emit zu
Hamburg hat Herrn Prof. Dr. \V. We \ gandt zum Direktor der
Hamburger Staatsirrenanstalt Lriedrichsberg erwählt. Unser hat
den Ruf angenommen.
Pisa. Dr. A. Boni habilitierte sich als Privatdozent für Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie.
Rom. Dr. L. Donetti habilitierte sich als Privatdo/ent für
innere Pathologie.
Turin. Dr. A. Aggarotti habilitierte sich als Pi iwitdo/eut
iiir Experimentalphysiologie.
(T o d e s f ä 11 e.)
In Berlin starb nach längerem Leiden Geheimint Dr. (kkur
Liebreich, bis vor kurzem Ordinarius fiir Arzneimittellehre und
Direktor des pharmakologischen Instituts der Unixersitut Bei Im. im
Alter von 69 Jahren. Ein Nekrolog wird folgen.
Dr. Moreau. Professor der Hygiene und genehtlulieu Me¬
dizin an der medizinischen Schule zu Algier.
Dr. D e n e f f e, früher Professor der operativen Medizin und
Ophthalmologie an der medizinischen Lakultät zu Gent.
Dr. E. V. S t o d d a r d. früher Professor der Therapeiitik und
Materia medica an der Universität Buffalo.
(Berichtigung.) In der Arbeit von Leber und Stein¬
harter „Diagnostische Impfungsversuche mit einem lettfreun
Tuberkulin“ in No. 25 ist auf S. 1 426, Sp. 1 in der Tabelle unter
„Nicht an Tuberkulose Erkrankte" zu lesen 152 statt 124.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Anton Forstncr. appr. Ions, in München.
— Dr. Heinr. Sander, appr. 19(H), in Nürnberg.
Verzogen: Dr. Lnedrich M arggraf von Niederwerrn nach
Schweinfurt.
Gestorben: Dr. Daniel Ritter in Sembach <Rheinpfalz).
Dr. Ziminermami in Oggersheim (Rheinpfalz).
Korrespondenz.
In Sachen „Aerztliche Mitteilungen 4 *.
Herr Dr. Back, Herausgeber der „Aerztlichen Mitteilungen“
ersucht uns mit Bezug auf die in No. 24. S. 1419 enthaltene Notiz
zu konstatieren, dass sein Blatt „W'eder irgend einem deutschen Arzt
noch auch dem Leipziger Verband einen Pfennig gekostet hat. Ibis
Bi.itl winde und wild \ieimi$$ xmi vkm ILt.uiV^i 04* I* ■
und bestellgcldli ei. wöchentlich J S «n 1 X \ K uts v %:n \e ?zt-. n /'•vi'bi :
Der Leipziger Verband iM überdies m-cii .1:11 Gewinn I e t e. . H ; . I * •.
Aei Zthcheil Mitteilung' n geboten a.s *. w .is m”- Lnuwugs m ' e •
kannt war, zu den li'.itlern, die g.mz \<«m I ilt.ig ui k m. .*,
unterhalten w erden. I bige gen iM n.vbts lin/iiwc:. k n. m:r §■’'<.■■
zur <uw Innung * "ii Inseraten nicht Vittei ge' .imM we’.km *. •.
11.ah allgemeiner Vnsuhl l-ediTikich v.nd.
I nsere \usi munde 1 sel/imceii vA 0.1 Re .'.Ab n .:v. ’ V«. ’• *
Mlttellunge II haben übrigens ge ereilt u Ij des \i:/!n.uo il! I ».« . .
zu e 1 n g e h e 11 d e 11 B e s p 1 e c f: 11 n g e n 1 ' e ' d . \ng-. e . • • *
zwischen Mitgimelct II des V m vt.mde s eh s I V w,.; Pc'•*'«« l'r Ile
p a c ll Cllleisells llllel de Jll Re d.o.te lll eile se * M v',e s v : - :: .r de ' • '
seits gelnhrt. Als eiere 11 Irgtb’us k.imi koust.iüt 't ve'.dni, d. .1 s v
über el 1 e Beurteilung der \ *> 11 11 n s b e a n s t .1 n d e ! e r
Beilage .. \ 11 s el e r Praxis 1 11 r die Praxis' u 1: t e r .1 e *■
Beteiligten I l e b e r e 1 11 s t 1 m :n 11 ri g besteht. I s / e ». * e
sich, el.iss d.is V er S v !;u mdi II e!e! Belage und id'e * b.OJpt ' e l
gest ,1 i tut lg der Ael/ti. Milt, alle ll eh U VV ilishn .le s | \ e ’
spricht uiiel es würbe ehe Ib'i.nug .ms^t M'* • de«, d.iss ::.a '• I
leeligllllg ainle-r W eit'ger I':”e r e n/e ll ZM;s. V: de u I V w de”
Verleger der Aer/ti. Witt, zu einer Be m d a* _ des Be I .bo w
geschritten weiden können. I me s 1 **.^1 \ r • 'e’u'g se • mdi r •'
mit dem Verleger eh r Vetzb M tt. .11 K ev: • smi ni Vefug 1; •
mogln h.
N.k ll du sin | 1 kl.irungen x • ie d.gt s« v h t-.o ins de- in de u ’e Vh •
Nummern mit den Vci zti. Mbl ge: m: tc V m n.n h • setw e
alle ll I le I I Dt. Hell p .1 e ll sie 1 m r e ■ e : . 1 eh .i!l VV o h.i ’ e > •' .• "
Veltl.ithll ZU de II Musste be liueU; I ’e l s. r. i.l.w ite U. b.tss s*t keil V !h
Ui: % ersucht I.issell Weiden, um s. Im .! w e r m. di zu e u*e r e -
w nihllreicn (lest.iltung eles V c Krt 's •• s ,-es zu g. u'.,en.
I l e her dm "t* .lir.g dt s 11. r r 11 D*. 11 e I p .1 v ä zu b.e : V -
geieg etl'Ke it kmillen Wir nbes nb'.nu ..He'? D f He" .1 . "
ll.lt bereits be 1 tief l e be r ll.ilijüe eie r Rt ..(►Ii ll tle r \e'b M tt. sc e
Schweren Bedclbell ge.eir el ie Benthe b.j- .eeg! Ieh' ” .w:.
ihm beile utel w erh n, b.tss eh ♦ zw ,e n be n ! V 1: ; .hm Be > ■
der AelZtl. M1! t. se mel Ze it g e s v ! . sse ' e V e r • .1 g e * e I h s- b : K ■ g ,.e '
betreuenden Beilage* x *-r .'iih-g naht e v* • n "e im.l b.ns t' !z
aut be-1 e le u \ e r tr .igsc hliessei.de ll "eben v c r w e . e /um V-’s v .
gekoflmie Ile n l tlzuf ie tle nht it • r > J -n VtdM.e e ,; e \‘.f •. • .
des Iftzteteu naht 111 umubde 1 .n \ijss:.*-; . i s;. t wi'bm k • ,t
Herr Di. II e I I p a c h Im e n.u :■ e • a h. .tss e ne e *a t
t ie staltung tles (Og.ois Nnm.o hn •< 'n .r-i ll< - on ■ . . . u s .
als ihm \e;her und ei.os er eias "na be r* eh. ? s h *: n D .n
ftdiimig einer s. de heu .111 tle m n'w.ms k” ' ae'hn Ve’h.u' bn*
V el b.imle s mit ihm IU sitze » be » Ve * ! M.tt v ••st a m s* ••
bedauere. I f wies da» ;of4i. u. b.tss \ e ' s v ' e h"' .."hn 'e' ’h.
ge 1 » ade auch nf/t ii"di n.it .b'iaan ’.t t *••
Rubriken ausst.iiner t sere n. eii%- b.ns b.i 'n\li n.1'. r . U'i ti.is ja-
il.ilinil llbef eile Behistkng des f-p.Zie tu V < • 1 .< u L s. k ,! • C "d e - v • •
solc he 11 Anhang ge un .be ■ t xx e* «!t n h-*n:a M t n.n 1 r .e ... sa ' !s e M •>
Seinerzeit ube r luillpt die Re .'„ist:«dbii u ’• n' h.b e. s.. s t : , ... s : , •
aus ihr Irw.igung heraus ge> v )n h« n. d.-v V In V.dvs*.--
der "itjiatnn e s tut b> n V e ’ b.nd •••'a • ri.oipt 11 u *:; ■* „ 1 c b ^1 •
Wurden sein Wurde, e :ra ll R- hntni' /■) »■'•au. w.‘ t’d d n‘. e <
Retoi in wt in.aii ms ihr r ed.o. ti--ru a n V e • •• vs t ivi .*■ ■ a«. •• st ; ••
Interesse eh s V er h.in.h «. nn! d< I x-n du. x e * ?• 1 te n u ".a ‘ a st¬
iegen habe, ledugiuh Von .lasi-n 1 n v. !dsn'."0 ,0 v de' b ”i .1 . ”
\ 0(1 V ul Sf.i Helsum g |iah h|t . 1 « s V e '' . u h s r .d a . < e .;! w ■ ■ h u s ■
ll.ibe er sali mit vie r un/u .on'a Men hi d.i !:u;g eles t »• g.o; s-:,s de'
Acrztl. Mitt. abimdetl zu ifurteu gegi.iid-t.“
Ueberticht dar SterbafSlIe In MOnchan
während der 25. Jahreswochc vom M. bis 2". Juni P>iH.
Bevölkcrungs/ahl 55r>
Todesursachen: Angeborene Lebensstil w. G. Leb.- M l P* 1 ),
Altersschw. ruh. f»n J.) 2 «o. Kmdl'ettficl'er — t2 s and. Lulgen der
Oeburt — De SchariaJi -ö. Masern u. Rutein d G , Diphth. u.
Krupp — ( ), Keuchhusten 1 < Ji, Typhus I ( h ubertragb. Tierkran* h.
— ( —), Rose (Erysipel) l (■-). anJ. VV undtnfektiunskr. icmschl. B;ut-
U. Eitcrvcrgift.» 1 ( 2 \ Tubcrkul. J. Lungen 2^ 2 ». Tubcrkul. arrJ.
Org. 4 (4), Miliartuberkul. 1(1.. Lungcnent/unJ. (Pneumun.) I ' tili,
Influenza -( and. übertragb. Krankh. 1 (' », Ent/mJ d Atmjngs-
organc 2 (4), sonst. Krankh. dcrselb. I b, organ. Hcr/lciJ. 12 il* ),
sonst. Kr. d. Krcislaufsorg. (cinschl. Hcrzs^h’agp 2 b. Gchirnsch'.ag
4 ((>), Gcistcskrankh. 2 *2), Eraiscn, Ekiamps. d. Kinder »> 4i. and.
Krankh. d. Nervensystems f 1 1■ <), Magen- u. I»a-m.-Kat. Brechdurchfall
(cinschl. Abzehrung' 4o (24t, Krankh. d. Leber 4 p». K r ankh. des
Bauchfells — (I), and. Krankh. d. V erdauungsorg. 1 < b, Krankh. d.
Harn- u. Geschlcchtsorg. o on, Krebs iKar/murn. Kankrmd) U (I ü,
and. Ncubildg. (cinschl. Sarkom* ^ Ui. Scihstmu'd 4 i!), Tod durch
fremde Hand 1 (—). Unglücks!.die 7 ili. alle ub-ig. Krankh. I c>j.
Die Gesamtzahl der Sterbcfallc l"7 (1""I. Verh.iitms/ahl auf das
Jahr und lm«» Einwohner im allgemeinen 17G (17/ ), für die über
dem 1. Lebensjahre stehende Bevölkerung 1 .4 (|4.4>.
•) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Läüe der VnrvnrS*
Vertag »on J. F. Lebmmn ln München. — Druch von L. MuhithAien Buch- und kumtdrucitrei A ei , Mur.c&cm
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München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Ekenadi. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 28. 14. Juli 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet)
Originalien.
Ueber Hämolysine, Bakteriolysine und Opsonine.*)
Von Professor Dr. v. Baumgarten in Tübingen.
Dass die bekannte Erscheinung des „Lackfarbigwerdens“
des Blutes, die Hämolyse, wie dieser Vorgang jetzt nach
Bordet und P. Ehrlich allgemein bezeichnet wird, in
vielen Fällen auf einem osmotischen Vorgang beruht, ist
von den Physiologen ,ganz allgemein anerkannt. Es kommt
hier vor allem das Lackfarbigwerden des Blutes in Wasser und
in gegenüber dem Blutkörpercheninhalt anisotonischen Salz¬
lösungen in Betracht. Die roten Blutkörperchen verhalten sich
wie mit Salzlösungen angefüllte Bläschen. Wie die Moleküle
eines Qases, in dem Bestreben, einen möglichst grossen Raum
einzunehmen, auf die Wandung des Qefässes, in welchem sie
eingeschlossen sind, einen Druck ausüben, so üben, nach
van’t Hoffs Anschauung, auch die Moleküle des gelösten
Salzes in dem gleichen Bestreben einen Druck auf die sie um-
schliessende, für sie undurchdringliche Bläsenchenwand aus.
Diesem „osmotischen“ Innendruck der roten Blutkörperchen
wird durch den osmotischen Druck der sie umgebenden Blut¬
flüssigkeit, welche ja ebenfalls Salze und andere wasserlös¬
liche Stoffe enthält, unter normalen Verhältnissen derart das
Gegengewicht gehalten, dass Volumen und Gestalt der roten
Blutkörperchen konstant bleiben und niemals, so lange sie
leben, auch nur Spuren des in ihnen mit den Salzen in ge¬
löstem Zustande enthaltenen Hämoglobins in die umgebende
Blutflüssigkeit übertreten. Werden aber die roten Blutkörper¬
chen in Wasser aufgeschwemmt, so tritt sofort das Hämo¬
globin aus ihnen heraus, weil def osmotische Druck des
Wassers gleich 0 ist, mithin der osmotische Innendruck in den
roten Körperchen das Uebergewicht gewinnt, sie unter
Wasseraufnahme ausdehnt, bis die zarte Blutkörperchen¬
membran entweder platzt, oder wenigstens so stark gedehnt
wird, dass sie das Hämoglobin durchsickern lässt. Derselbe
Vorgang vollzieht sich, wenn die roten Blutkörperchen statt
in Wasser in hypisotonische Salzlösungen (das
sind solche, welche einen geringeren osmotischen Druck
als das Blutplasma repräsentieren) verbracht werden, nur dass
der Hämoglobinaustritt hier entsprechend langsamer von
statten geht. Komplizierter gestaltet sich die Hämolyse in
hyperisotonischen Salzlösungen (solchen, welche
einen grösseren osmotischen Druck als das Blutplasma
repräsentieren). Hier müssen zunächst die roten Blutkörper¬
chen eine Schrumpfung unter Wasserverlust erfahren, weil sie
durch den stärkeren osmotischen Aussendruck zusammen¬
gepresst werden; nach und nach dringt aber doch Salz, die
ursprüngliche Impermeabilität der Wand überwindend, von
aussen her in die Körperchen ein, der intrazelluläre Druck
steigt demzufolge wieder und übersteigt schliesslich sogar den
Aussend ruck, wonach es zur Hämolyse kommen muss.
Die Blutkörperchenmembranen oder Stromata bleiben bei
der Salzhämolyse, nach K o e p p e auch bei der Wasserhämo¬
lyse e r h a 11 e n, in striktem Gegensatz zu anderen Fällen von
Lackfarbig werden des Blutes, z. B. durch Einwirkung höherer
Wärmegrade, Säuren, Alkalien, fettlösenden Reagentien usw.,
•) Nach einem im medizinisch-naturwissenschaftlichen Verein in
Tübingen am I. Juni gehaltenen Vortrag.
No. &
in welchen der Hämoglobinaustritt mit einer Zerstörung und
Auflösung der Stromata verbunden ist, Fälle, die ich zum
Unterschied von der eigentlichen Hämolyse als Erythro¬
zyt o 1 y s e bezeichne.
Angesichts der Erfahrungen über Wasser- und Salzhämo¬
lyse lag es nahe, die Ursache des Lackfarbigwerdens des
Blutes in andersartigem, Normal - oder Immun¬
serum, ebenfalls in Störungen des osmotischen Gleich¬
gewichtes zwischen Zellsaft und umgebender Flüssigkeit zu
suchen. Doch mussten alle früheren derartigen Erklärungs¬
versuche der „Serumhämolyse“ ganz zurücktreten gegenüber
einer anderen, bis vor kurzem herrschenden Theorie, wonach
der genannte Vorgang auf einer direkten chemischen
Destruktion der roten Blutkörperchen durch spezifische
Blutgifte beruhe. Da indessen die zuerst von L a n d o i s,
später von mir angestellten mikroskopischen Beob¬
achtungen des Vorganges der Serumhäraolyse sich nicht
mit dieser rein chemischen Auffassung derselben in Einklang
bringen Hessen, indem diese Beobachtungen zeigten, dass eine
eigentliche Destruktion der roten Blutkörperchen auch bei
dieser Hämolyse nicht stattfindet, vielmehr nur eine einfache
Trennung des Hämoglobins vom Stroma, wie bei der Wasser-
und Salzhämolyse, und dass auserdem die Serumhämolyse
unter ganz ähnlichen Form- und Volumveräinderungen der
roten Blutkörperchen erfolgt, wie die Salzhämolyse, so habe
ich eine neue, allen Beobachtungstatsachen möglichst gerecht
werdende, gewissermassen chemisch-osmologische
Auffassung der Serumhämolyse zu begründen gesucht, welche
sich kurz folgendermassen zusammenfassen lässt:
Durch die feste chemische Bindung des Hämolysins, des
Antikörpers, welcher entsteht, wenn Blut einer Tierart in den
Organismus einer andern Tierart übergeführt wird, an das rote
Blutkörperchen, welche Bindung nachweislich an das Stroma,
nicht an das Hämoglobin stattfindet, wird die normale Be¬
schaffenheit des Stromas verändert. Diese Veränderung
besteht offenbar nicht in einer direkten chemischen Destruk¬
tion, sondern wohl nur in einer „molekularen“ Alteration, der
zufolge die normale Permeabilität (Semipermeabilität) des
Stromas sich ändert, wodurch es zu Störungen des osmotischen
Gleichgewichtes zwischen dem Blutkörpercheninhalt und der
umgebenden Blutflüsigkeit kommt, welche Störungen sich teils
durch anfängliche Schrumpfungen mit sekundärer Quellung,
teils durch primäre Quellungen der Körperchen zu erkennen
geben. Die in der Quellung zum Ausdruck kommende Stei¬
gerung des osmotischen Druckes in der Zelle ist es dann,
welche das Hämoglobin aus dem Stromagehäuse heraustreibt.
Gegen meine Auffassung sind verschiedene Einwen¬
dungen erhoben worden, welche aber auf Missverständnisse
zurückgeführt werden konnten, und daher gegenwärtig als er¬
ledigt anzusehen sind.
Auf der andern Seite hat aber meine Auffassung auch
Zustimmung und gewichtige Unterstützung gefunden, und ich
darf unter anderem konstatieren, dass neuerdings auch die
Ehrlich sehe Schule von ihrer früheren Annahme, dass die
spezifischen Hämolysine eine „fermentative Auflösung“ oder
eine „primäre Abtötung“ der roten Blutzellen bewirken, zu¬
rückgekommen ist und unter Bezugnahme auf meine Auf¬
fassung jetzt nur noch von einer „Schädigung“ der roten Blut¬
zelle durch die Einwirkung des Hämolysins spricht. Auch die
neuesten interessanten Ermittlungen C. Neubergs, wonach
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1474
MUENCHENER MEDIZINISCHE NVOCIIENSCHRIFT.
Sn. N.
die Hämolysine lipolytisch wirken und dadurch die
Lipoidhülle der roten Blutzellen verändern, lassen sich mit
meiner Auffassung vereinigen.
Die genauere Erkenntnis des Prozesses der Seruin-
hämolyse gibt uns nun auch den Schlüssel für ein näheres Ver¬
ständnis der dieser analogen Serum b a k t e r i o I y s e. Es
besteht in der Tat nach meinen eingehenden vergleichenden
mikroskopischen Untersuchungen beider Vorgänge eine voll¬
ständige Uebereinstimmung derselben in den wesentlichen
Punkten: Auch bei der sogen. Bakteriolyse kommt es nicht zu
einer eigentlichen „Auflösung“ der Bakterienzelle, son¬
dern nur zu einer analogen Trennung des Zellsaftes von dem
festen Zellgchäuse, wie bei der Hämolyse; nach dem Austritt
der gelösten Zellbestandteile bleibt die (den roten Blutkörper¬
chen fehlende) eigentliche Zellmembran und der, wie diese,
in Wasser unlösliche, dem Blutkörperchenstroma entspre¬
chende, Protoplast, plasmolytisch verändert, aber ungelöst
zurück. Das schliessliche spurlose Verschwinden der bak-
teriolysierten Bakterienleiber im lebenden Tierkörper ist ein
sekundärer Vorgang, der mit der Bakteriolyse als solcher gar
nichts zu tun hat. Bekanntlich besitzt der lebende Tierkörper
die Fähigkeit, in ihm befindliche abgestorbene Zellen und Zell-
bestandteilc, mögen sie nun Leichen oder Leichenbestandteile
von Fremdzellen oder von eigenen Körperzellen sein, aufzu¬
lösen (zu „resorbieren“), und da die Bakterien nach voll¬
ständiger Bakteriolyse, ebenso wie die roten Blutkörperchen
nach vollständiger Hämolyse, sicher abgestorben sind, so
unterliegen sie im lebenden Tierkörper dieser seiner nicht
spezifischen nekrolytischen Tätigkeit. In vitro bluben aber
selbst im stärksten bakteriolytischen Serum die. den entfärbten
roten Blutkörperchen, den „Bhitkörperchenschatten“, ent¬
sprechenden „Bakterienschatten“ erhalten. So ist also auch in
Bezug auf die mikroskopisch verfolgbaren Erscheinungen die
Uebereinstimmung zwischen Hämolyse und Bakteriolyse eine
so vollständige, als es die zwischen Bakterienzelle und roter
Blutzellc bestehende Verschiedenheit der Zellstruktur über¬
haupt zulässt, und es darf mithin die aus dem mikroskopischen
Studium der Serumhämolyse für diese gewonnene chemisch-
osmologische Auffassung auch für die Serumbakteriolyse als
gültig betrachtet werden.
Eine, wenn auch nur kurze Erörterung der Hämo- und
Bakteriolysine kann heutzutage die von A. E. W right ent¬
deckten oder wenigstens als besondere Antikörper des Serums
diskussionsfähig gemachten „Opsonine“ nicht mit Still¬
schweigen übergehen. Die Wirkung der Opsonine soll darin
bestellen, dass sie die Bakterien für die Phagozyten (Le uko-
zyten) vorbereiten, sie gew issermassen für diese
„schmac k hafte r“ machen das (iekochte,
Fleisch zubereiten). Dieser Vorbereitungsakt soll die Bak¬
terien nicht töten, ja nicht einmal schädigen; erst durch die
Aufnahme in die Leukozyten sollen sie vernichtet werden. Die
Opsonine sind bereits im Normalserum vorhanden, durch die
Immunisierung werden sie in vermehrter Menge gebildet und
erlangen zugleich die Eigenschaft der Themiostabilität, wäh¬
rend- die Normalopsonine thermolabil sind. Die Immiiimpsoriine
sind spezifisch, d. h. sie wirken nur gegen d i e Bakterien,
mit welchen immunisiert worden ist; sie haben daher dia¬
gnostische Bedeutung. Ihr vermehrtes Auftreten im Blute von
Kranken ist nach W right ein günstiges Zeichen; sie haben
daher auch prognostische Bedeutung. Unabhängig von
W right, aber im Anschluss an ältere Versuche von Den y s,
hat in neuerer Zeit Neufeld in Berlin in Strepto- und Pneu¬
mokokkenimmunserum thermostabile phagozytosebefordernde
Stoffe gefunden, die er „Bakteriotropine“ nennt und die nach
seinen neuesten Mitteilungen von VV rights Opsoninen
verschieden sein sollen. Ich will nicht unterlassen, zu
bemerken, dass ich die von N e u f e I d für die Verschieden¬
heit angeführten (iriinde nicht als unbedingt stichhaltig anzu¬
erkennen vermag. Es wäre doch auch schwer verständlich,
warum der Organismus zwei verschiedene phagozytosebe¬
fördernde Stoffe in Bereitschaft halten sollte, wenn bereits der
eine derselben, das Opsonin, in Bezug auf phagozytose-
befördernde Leistungsfähigkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Indessen will ich hier auf die Frage der Identität oder Nicht¬
identität von Opsoninen und Tropinen nicht näher eingchen;
in dem Punkte, auf w elchen es mir heute ankommt, sind die
Tropine, nadi der Auffassung N c u leid s. mit den Opsomrei
identisch, namifch darin, dass auch sie die Bakterien mir für
die Leukozyten ..schm.ukhait“ machen, ihre \ erm Jitgr.g aber
diesen überlassen sollen. Durdi diese .Ansdianurg \«>n
W right und N e u leid ist die M e t s c h n i k o j i s,he
Phagozytenlehre, welche tu Deutschland zu Dunsten der Lehne
von den bakteri/ule n Ser u in stutt e n. dt n Bakte r < 1\ vnen.
fast ganz auigegebeii werden war. inr bestimmte IUkte r e n
wenigstens, wieder m den \ orde rgrund genickt werden. Be;
einer kritischen Prüfung der in Rede stillenden Arbeiten ia t
nun auf, dass die daraus entwickelte, eben erwähl te A: s:dit
nur sehwach gestützt iM. W right ur.d Neufeld haben
zwar für die zu ihren \ersuchen benutzten Sera dt n Mat g-.:
einer bakteriziden Wirkung derselben durdi d.ts platte r\e
fahren festgestellt; aber den Nachweis, dass d-e. durdi de
Einwirkung dieser Sera nicht abget- de te n Bakterien rau durdi
die Aufnahme in die Phagn/Meii getötet Werder:, habe n Vv
nicht ausreichend erbracht. W right Scheint es als er¬
wiesen anzusehen, dass von Phag<.z\ten autge nonn-.e :.e
Bakterien von diesen audi \ermditet werden; Neufeld da¬
gegen sucht eleu \ ernichiwngspro/ess der phag<</\t;e rte u B.^-
te-r ie ii durch direkte mikroskopische Be< •baditui ge ::
darzutun. Aber diese Bew e.smeth« de ist im \ «g._ : de n
Falle dndi redit zw eiielhalt. w :e idi aa anderer Stelle) be¬
gründet habe. Eni eil. .g e' I lilasse II sichere r I ’e w e:s f a r e . ‘: e
erst durch die P fl a g o z \ t e n zusta: :Jc ge k* mtri.e r e
Bakterienabtötung wäre wohl nur dadurch zu erbru gen. wet u
gezeigt werden konnte, dass die in einer bestimmten \ i:v:cb-
Probe gegebene Anzahl w ,ic hstimislali ger Keime d irdl de
I.iiiw irkuiig des Serums allein mdit \ e r r.r ge r t w.rd. wc!’
aber durdi glek h/eit.ge bmw irkung \nii be*t:n • ge w.-di* t.e::
Leukoz\te il. Derartige Aersudic Ili.de n s.di. me.ms U anii.s.
mir bei liektnen und Rüdiger arge t..:irt, M.b\r: \
auch diese \ ersudii im (ianze n e.n m:l den \ »ra.i^w V .t.gcr:
de r ()ps<um.theorie ube reiiistufmu i: Je s Re sab it e r K e!n::. s..
sind sie dodi so spär lich und im b..nzt Ii.e 11 m.t W nkisp: ..dum.
behaftet, dass sie als eine defi; n\e Ltled.mn g der I rage i:,J.t
angesehen werden konr.en. Weitere l uu rsii^.r gen e * -
schienen daher notig und waren irnr hesmdifs nahende*.*.
W cmi die in meinem Laboratorium ar „e'stdbe n Vu hp* .üar.ge r
auch nodi nicht abgeschlossen sind. s<. glaube ,J: d<»di e-r m
Resultate derselben hier bereits mitte. \n zu dürfe u.
Die betreffenden \ ersiidu wurden \<m
hell mit de n I lerreii Dr. I i n k h aus b\ dm \ .
Sdiiile-r W rights, sowie meinen Ass o
Uliel eUlieJ. Mied. M ll I ! in ge i .üie f \:,\ Ir in g
Sehe \ ersiie fiste Jank ausge Juli r t. fLe f /u k
allere emse lllagige \ersudie. weldle gelegen
sienings\ e‘i Mic he an Rindern gegen U;be:r .
me ine n dam.liegen Asnste nte n, den Ile r m
Dr. Dibbelt .mge ste'lh w in de n.
dienten p\ogei.e bta|>h\ k. kk« .11.
ba/ljfe ll und .M '/hiai. JbakU r u fr. Ab
\ 011 ( ie s 11 neie 11 und I %|his,ker n, I a!-e
dei n, k aniiie he ime rum. I aube r.se 1 um.
ki z \ teil entsprashen in mlou labe .
be lle Ile 11 vle 11 bt 1 um. I >ic I *\ um g .1
geschah nadi dein be karr te u. \on B u ,
Baktenzidie des Blritser 11:11s arge w
Platteliaiissaat. Bei de ll I ui e ’ke ,b.i/
v,, n der nadi W right berge sie 11
allein (teils frasdi. teils nadi '» bis
im W arnieschraiik bei b7 " Ld mit 1. de
von Bakteriencmulvion • be rum. 2 . e
saat von Bakte rieiieinids.nu und ge was.
d. der Keimzahl der .Ahsm.ii \,, n |g 1N ; t
• gewasdieiien Leiikoz\ten. Die \ e
wurden in eien einzelnen \ersudiei: ;m
hch nadi einander ausge fuhrt.
In diesen Versuchen stellte ndi i
nähme von W right und \unn V
Lalle, trotz mehr oder mmder reudndie
gerne ,i:s. b.-.t
• mm ernähre !'e
■ te n D r . Do:
u de W r I g b t
”ti r u- h e. r .
;dr d, r L’trr >
s e \ ■ n m;r ui
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') N’euliarulhinceUt der Pei:lsa»cn
XII. Tagung, Kiel, April PA'b: „L'ntcrsuc
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
K Juli 1908._ MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Fällen, eine keimtötende Wirkung der Phagozyten heraus. Im
Fall 2 (Bakterienemulsion + Leukozyten) wurden niemals
mehr Keime vernichtet, als in der reinen Bakterienemiilsion.
In den Fällen 1 und 3 tötete entweder das Serum die be¬
treffenden Bakterien nicht, so beim Menschen^ und Ka¬
ninchenserum gegenüber Staphylokokken und Tuberkel-
hazillen, beim Rindertuberkuloseserum gegenüber Tuberkel¬
bazillen, beim Taubenserum gegenüber Milzbrandbazillen;
dann tates aber die mit der Serum Wirkung
vereinigte Phagozytose ebensowenig; oder
das Serum allein tötete die betreffenden Bakterien in teils
höherem, teils geringerem Qrade, ohne dass aber das Hinzu-
kommen der Phagozytose die bakterizide Serumwirkung ver¬
stärkte. so beim Kaninchenserum gegenüber Milzbrandbazillen
und beim Taubenserum, gegenüber Staphylokokken; nicht
selten wurde sogar die bakterizide Serumwirkung durch das
Hinzukommen der Phagozyten erheblich abgeschwächt. Dies
Ergebnis unserer Versuche liefert also der Metschnikoff-
sehen Phagozytentheorie und ihrer Modifikation, der Wright-
sehen Opsonintheorie, keine Stütze (Demonstration).
lieber die Natur der sogen. Opsonine habe ich mich be¬
reits an anderer Stelle 2 ) dahin geäussert, dass die Erscheinung
der sogen. Opsonine nichts anderes sein dürfte, als eine Neben¬
wirkung der bekannten Bakteriolysine, ein abgeschwächter
Grad von bakteriolytischer Veränderung der Bakterienzelle,
welcher zu einer partiellen Ausschwitzung von Bakterien¬
protemen führt, die nach Büchners Ermittelungen eine aus¬
gesprochene positiv chemotaktische Wirksamkeit auf Leuko¬
zyten besitzen. Wie ich ersehe, sind auch verschiedene andere
Autoren zu derselben Auffassung gelangt, so auch Neufeld,
der indessen diese Interpretation nur auf die Wrigthschen
Opsonine angewendet wissen möchte, nicht jedoch auf seine
Tropin^, die er als besondere neue, von den Lysinen und Ag-
glutininen durchaus zu trennende Immunstoffe erachtet, die
Träger der von ihm der bakteriolytischen Immunität gleich¬
berechtigt an die Seite gestellten „Tropinimmunität“. Ich ver¬
mag N e u f e I d in dieser Anschauung nicht zu folgen. Abge¬
sehen davon, dass in den der Untersuchung zugänglichen
Eigenschaften kein durchgreifender Unterschied zwischen
W rights „Opsoninen“ und N e u f e 1 d s „Tropinen“ zu er¬
kennen ist, steht der Tropintheorie der gleiche Ein wand gegen¬
über, der hier gegen die Opsonintheorie erhoben wurde, dass
nämlich nicht erwiesen ist, dass die unter dem Einfluss der
Tropine den Phagozyten überlieferten Bakterien von den
Phagozyten vernichtet werden, ohne seitens der Tropine eine
Beeinträchtigung ihrer Lebensfähigkeit erfahren zu haben, die
die eigentliche Ursache ihres Todes ist.
Meines Erachtens müssten gerade diejenigen Forscher,
welche die intrazelluläre Auflösung von Bakterienleibern als
einen „Verdaungsprozess“ auffassen, nach den überzeugenden
Nachweisen namhafter Physiologen und Pathologen (M a t -
ihes, Fe r m i, E. Neumamn u. a.) über die Verdaulichkeit
lebenden Protoplasmas anerkennen, dass die Bakterien ab¬
gestorben oder wenigstens schwer geschädigt sein müssen,
ehe sie „verdaut“ werden können.
Ich würde es bedauern, wenn die höchst interessanten
Versuchsergebnisse über opsonische bezw. bakteriotrope
Serumwirkung, deren praktische Bedeutung für Diagnose
’-’Rd Behandlung von Infektionskrankheiten ja von der Kritik
ihrer theoretischen Bedeutung für die Immunitätslehre nicht
berührt wird, dazu Anlass geben sollten, die Immunitäts-
fVschung wieder in die Bahnen der Metschnikoffsehen
Phagozytentheorie, die ich für einen Irrtum halte, zu lenken.
Es liegt mir selbstverständlich fern, der Phagozytose,
V i. der Aufnahme korpuskulärer Elemente in amöboide Zellen,
jede Bedeutung für die Befreiung des Organismus von in
hn eingedrungenen Bakterien abzusprechen; aber nicht gegen
lebende und wachstumsfähige Bakterien kann ich
die Tätigkeit der Phagozyten gerichtet sehen, sondern nur
gegen abgestorbene und moribunde. „Sie erscheinen nur als
eie Hyänen des Schlachtfeldes, nicht als die Helden des Tages“
Verf.), oder stellen, um einen Vergleich Weigerts zu
wiederholen, nur die „Krematorien 1 der aus anderen Gründen
*) cf. Jahresbericht für pathogene Mikroorganismen, Jahrg. 1905.
* 144 und S. 748.
1475
abgestorbenen oder absterbenden Bakterien dar“. In solcher
Eigenschaft können sie immer im Befreiungskämpfe des tieri¬
schen Organismus gegen die in ihn eingedrungenen schädlichen
Bakterien eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, nicht
nur durch Säuberung des Terrains von den Bakterienleichen,
sondern auch dadurch, dass sie durch intrazelluläre „Ver¬
brennung“ derselben giftige Inhaltsstoffe der Bakterien (Endo¬
toxine) in unschädliche Verbindungen verwandeln. Doch darf
andererseits auch diese, den Phagozyten zuzuschreibende
sekundäre Rolle in ihrer nützlichen Bedeutung für den infi¬
zierten Organismus nicht überschätzt werden. Denn
diesem stehen gewiss auch noch andere Mittel zur Verfügung,
die Endotoxine unschädlich zu machen (Antiendotoxinbildung).
Zu einer Ueberschätzung der Phagozyten auch in dieser be¬
schränkten Bedeutung, als Krematorien der Bakterienleichen,
können die Reagenzglasversuche nach Denys, Wright und
N e u f e 1 d leicht verführen. Wie unzulänglich und verschoben
aber häufig das Bild ist, welches uns künstliche Versuchs¬
anordnungen in vitro von den entsprechenden natürlichen Vor¬
gängen im lebenden Organismus geben, das lehren die in Rede
stehenden ingeniösen, mit vollendeter Technik angestellten Ex¬
perimente wiederum aufs deutlichste. Während im Reagenz¬
glas weder das Normalserum, noch auch das Immunserum von
Menschen, Kaninchen und Rindern eine deutliche bakterizide
Wirkung auf Staphylokokken und Tuberkelbazillen ausübt,
lösen sich, wie ich aus zahlreichen eigenen Untersuchungen
weiss, im natürlich immunen oder künstlich immunisierten Or¬
ganismus beide Bakterienarten grossenteils bereits i m
Serum unter bakteriolytischen Erscheinungen auf, nicht erst
in den Phagozyten; und während im Reagenzglas, imDenys-
Wright sehen Versuche, stets eine grosse Menge beider
Bakterien phagozytiert werden, tritt im immunisierten Orga¬
nismus bei den Tuberkelbazillen die Phagozytose im allge¬
meinen so zurück, dass ihr in diesem Falle nicht einmal für die
Unschädlichmachung der Bakterienleichen eine grössere Be¬
deutung zugesprochen werden kann; bei den Staphylokokken
findet allerdings auch in vivo reichliche Phagozytose statt, be¬
trifft aber doch immer nur den kleineren Teil der injizierten
Kokken, der grössere löst sich auch hier unter bakteriolytischen
Erscheinungen direkt in der Gewebsflüssigkeit auf 3 ).
Aus der medizinischen Klinik des städtischen Krankenhauses
zu Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Lüthje).
Untersuchungen über Opsonine.*)
(Typhusuntersuchungen — zum Bau der Opsonine —
Meningitisuntersuchungen).
Von Dr. A. Böhm e, Assistenten der med. Klinik.
Die Untersuchungen W r i g h t s über Opsonine, die Jahre
lang fast ausschliesslich in England und Amerika auf Nach¬
prüfungen stiessen, sind in letzter Zeit auch in Deutschland
aufgenommen worden. Eine Methode, die so weite diagno¬
stische und therapeutische Ausblicke eröffnet, erfordert unbe¬
dingt Beachtung.
Seit Januar ds. Js. sind wir ebenfalls mit Untersuchungen
über Opsonine beschäftigt. Die Technik richtete sich nach
den — bereits oft geschilderten — Vorschriften W r i g h t s.
Der Verf. hatte im vorigen Jahre Gelegenheit, im Laboratorium
W r i g h t s die dortige Arbeitsweise näher kennen zu lernen.
Für das grosse Entgegenkommen, das Herr Prof. Wright
und seine Mitarbeiter bewiesen, sei auch an dieser Stelle auf-
richtigst gedankt.
Von verschiedenen Seiten, neuerdings auch von deutschen
Autoren, besonders von Saathoff 1 ), sind ernste Bedenken
gegen die Zuverlässigkeit und damit auch gegen die Verwend¬
barkeit der Methode erhoben worden . Auch unsere Unter-
3 ) Die Literaturnachweise zu den obigen Ausführungen sind teils
in meiner Abhandlung: Die Hämolyse im heterogenen resp. Immun¬
serum (Arbeiten aus dem pathologischen Institut zu Tübingen, Bd. V,
H. 2, 1905), teils in meinem Aufsatz: Die osmologische Auffassung der
Hämo- und Bakteriolyse (Hamburger - Jubelband der biochemi¬
schen Zeitschrift, Juni 1908) enthalten.
*) Nach einem in der Wissenschaftlichen Vereinigung am Städti¬
schen Krankenhausc zu Frankfurt a. M. gehaltenen Vortrage.
') Münchener medizinische Wochenschrift, 1908, No. 15.
V
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1476
MlJENCHENER MEDIZINISCHE WOCHESSCHRIFT.
Nn. Js
suchungen über die Phagozytose von Staphylokokken und
Tuberkelbazillen ergaben nicht den Genauigkeitsgrad, der der
Methode von ihren Begründern zugeschrieben wird. Fs wird
bei anderer Gelegenheit über diese Versuche berichtet werden,
die sich auf die Grösse der Fehler und deren (.Indien beziehen.
Eine Reihe von Faktoren sind von wesentlichem Einfluss
auf die Stärke der Phagozytose. Es sei hier nur ein Befund er¬
wähnt: der grosse Einfluss ständigen Schütteins. Bereits
Rosenow 2 ) weist kurz auf die phagozytosefördernde
Wirkung des Schütteins hin. In unseren Versuchen wurden
in kleinen Reagenzgläsern je 0,2 ccm gewaschene Blutkörper¬
chen Bakterienaufschwemmung und Serum gemischt und diese
Mischung 20 Minuten bei 37° gehalten; in dem einen Versuche
blieb das Röhrchen ruhig im Brutschrank stehen, in dem andern
wurde es ständig mit der Haml in einem W asserbade von 37“
20 Minuten lang geschüttelt. Wie gross die Steigerung sein
kann, lehrt die folgende Tabelle:
Tabelle I.
Fress-
zahien
Blutkörperchen
4- Staphvlokokk.-Susp. I -f akt. Serum .
a b
55,0 d.s
„
+ » II ~b * «
5,s i.n
w
4- Coli-Suspeiision 4- akt. Serum . . .
6,2 l.s
*
-f- * 4- inakt. Serum . . .
2.5 <». 1
m
4- . + NaU.
11,1 INI
Die Staphylokokkensuspension I war dichter als Suspension II.
a geschüttelt, b nicht geschüttelt.
Während bei Staphylokokken- und Tuberkuloseerkran-
kungen die phagozytosebefördernde Kraft des Serums meist
nur wenig von der normaler Fülle abweicht, und daher die
Verwendbarkeit der Bestimmung bei den Fehlern der Metho¬
dik nur beschränkt ist, fanden wir andere Erkrankungen, in
denen die Unterschiede zwischen normalen und pathologischen
Fällen trotz der Fehler der Methodik so gross waren,
dass sich eindeutige Resultate erzielen liessen. Die Fehler
spielen keine ausschlaggebende Rolle mehr, wenn gegenüber
einem normalen Index von 0,7 1,6 pathologische Fälle einen
Index von 3 oder noch mehr aufweisen. W ir fanden derartige
Verhältnisse bei Fällen von Typhus abdominalis, ähnliche auch
bei einem Fall von Meningitis cerebrospinalis.
Es liegen bisher wenig Untersuchungen über den Opsonin¬
gehalt des Blutes bei Typhuspatienten vor. Von den meisten
Seiten ward hier auf technische Schwierigkeiten aufmerksam
gemacht. 3 ) Muc h und S c h o 11 m ii 11 e r *) haben in letzter
Zeit über günstige Untersuchungsresultate bei Typhus und
ähnlichen Erkrankungen berichtet, ohne aber nähere Angaben
über ihre Methodik zu machen *).
Wenn man Vollserum prüft, wie es fiir Opsoninunter¬
suchungen üblich ist, so ist allerdings das Resultat kaum ver¬
wertbar. Die Bakteriolyse spielt hier eine sehr störende Rolle.
Die Bakterien, und zwar sowohl die phagozytierten wie die
freien, sind infolge der Scrimiw irkung zum grossen Teil schlecht
färbbar, in Kugeln umgewandelt oder kaum noch erkennbar.
Eine genaue Zählung ist häufig nicht möglich. Die Bakterio¬
lyse hisst sich aber stark einschränken durch Benutzung eines
10-20fach verdünnten Serums. Die Bakterien sind hier
bei 8 Minuten langer Einwirkung im Brutschrank fast völlig
erhalten. An der Hand eines längere Zeit beobachteten
Typhusfalles seien die weiteren Einzelheiten des Versuchs
besprochen.
Der Patient machte einen typischen Typhus durch, der
vom Stadium der Akme an hier beobachtet wurde. Auf den
lytischen Abfall folgten einige fieberfreie läge, dann ent¬
wickelte sich - - vielleicht im Anschluss an eine Thrombo¬
phlebitis — ein Rezidiv, das ganz ähnlich wie die Fieberperiode
verlief und alle Symptome einer typischen Typhuserkrankung
') Jmirn. of Inf. Diseases, 19(16, Bd. 3.
'') W right und D <> u g las: Proceedings of tlie Roval Sog .
1904. Vol. LXIII.
’) Münchener medizinische Wochenschrift, löiis, No. <> n.
) Nach Abschluss dieser Arbeiten erschienen die Veröffent¬
lichungen von Kä mm e rer. Münch, mcd. Woeheiischr., Ions, N<>. Jo
und R o I I y, Münch, mcd. Wochcnsehr.. Ions, No. J(>.
bot. Die opsonischen UnU rsiu hungen winden im erste',
lytischen Stadium begonnen und wahrend der ganzen Krank¬
heit fortgeführt.
Fs wurden stets junge 12 Inständige lebende Aga»*
kulturell eines Jahre lang auf künstlichen Nährboden ge¬
züchteten Stammes benutzt. In den meisten \ erhüben wurden
Bakterieiiaufschw emmiingen gleicher Dichte \eruai.Jt. de
nach einer StandardaufsJiw etnmung hergestellt waren. D.e
Ausstriche wurden mit heissein Karboltluonm 2 Minuten Leg
gefärbt. Gezahlt wurden für jede UntersuJnmg mindeste’ s
5u Leukozyten, häufig mehr. Der Stamm wurde ohne Zus.iv
von Serum nicht phago/ytierl wenigstens nicht lenetkab
der kurzen Emw irkun.gs/rit mhi S Minuten; bei lange r I u-
w irkung maJit sidi, wie meist, eure geringe >p< »ntanphag« *-
zyt(»se geltend. I n\eTeiunnte s akti\ es Serum bewirkte t.r c
sehr lebhafte I*hago/\tose. Bei Anwendung der uK.Jun m r
schwach opaleszierenden I \ phusha/äle naulsc liw e niitmng be¬
trug die dur Jischmttich \on ledern I.euko/Men autgeru»mme; c
Bakterienmenge p!iago v \ t'c count, im lobenden sei der
Ausdruck Fress/ahl dalur gebraucht etwa <» 12. D.e ge¬
naue Zahlung war hur. wie bereits erwähnt, irhdge der
teriolyse sehr erschwert. Wurde das Serum e.u.er bestimmtet:
normalen Person m Zehnfacher \ e rJuur.inrg be nutzt, so
schwankte die Fress/ahl m unseren zu \ ers v h.e de r en Ze.te’r
angestellti n Versehen zwischen n.3 als Mm.mum und 1.5 as
Maximum. Sie war im Wcsent'idum abh.utg.g \ "U eie r Dichte
der Bakterienaufschwemmung. Ihi luu.e liatm.g \ oh.g g!eic):er
Versnclisbediugiingen (gleiches Alter der Kultur. g!eiJie Drdrtc
der Aufschwemmung) Wechselte sie wen ge r.
Jeder einzelnen Bestimmung hattet ein mJit n r edle b ,c he r
f ehler all. Um dessen Grosse ungetahr schat/eti zu k■ r
wurde mit dem gleichen Serum in |o \ ersdnede u.e n kam aue*:
lömal nacheinande r derselbe \ersudi angcMt/t. \,.n u Je r
Kapillare wurden zwei Ausstriche a und h angelegt und :::
jedem Ausstrich 5 o Lcukn/vtcn gezalnt. DaPei w u mh n t->
gende Fress/ahlen erhalten:
Tabelle II.
Kapillare
1 2 3 4 5 i» 7 s »i |n
u u
r a*
I!
I*
Ausstrich a
1,5 1,7 1.5^1,6 1.4 1,7 1,4 2.0 1,4 Id
2.o 1.3
1,55
(je 50 Leukozyten)
1
•
Ausstrich h
1,9 l.s 1,51,62,01.51.5 2.o|.5 1.6
2.o 1,5
1.69
(je 50 Leukozyten)
1
Durchschn. \ . a u. h
1,75 1.75 1.5 1,6 1.7 1.6 1.452.o 1.45 1.45
2.o 1.45 I .»\2
(je loo Leukozyten)
l
Die Sera verschiedener normaler Personen verhieben s;d:
rieht gleich. Schwankten aber innerh.ilb i id:t zu weiter
Grenzen. Die nadi W right berechneten o|m.i:;s, he u Id /->
Kl in finaler Personen lagen /wisdien 0.7 und 1.6.
Die mit dem Serum des I \ plmspatm. nu n erhaltenen Frese,
zahlen waren sämtlich hoher als die der NormaNe'n. rve s?
waren die Unterschiede sehr erhebndl. l’ire Berechn mg des
Index dieses Serum ist natürlich bei der Grosse' des beh ers
der Fm/elbestimmimg und der Dille re-rz der \ ersdi e de ?e n
normalen Sera nur von bedingtem Wert. Nur g r o s s c
S c h w a n k u u g e u d e s | n d e x k «> n n e n zu Schluss c n
über Steige n und Faller: des (ipso p i n g e h a ! t e s
v e r w e r t e t w e r d e n.
Ftir jeden Versuch wurden ausser drin pa;h->!< micdien 2
bis 4 normale Sera, sämtlich m zehnfadie r \ e rdam ur g. ge-
priift. In der folgenden Tabelle III crJ die bei der l'rtte r-
siichung des erwähnten T\ pliushiMes enWuite® Werte- w ie Je r-
gegebeit, und zwar sowohl d.e I ress/.,!: An wie' de daraus !»<.-.
r chneten Indizes. Audi die be i ele r Prating de s inaktiv rerte’t
Serums erhaltenen Zahlen, auf die sp.,ur ge rau e.tge gange ?i
wird, sind hier xerzeic hue t. In der Figur 1 snd ube r der
I emperaturkurve die Indexkiirx en für Jas k :: \ c wie t.. r d..s
inaktive Serum gezeichnet.
Aus der Tabelle und der Kurve ist ers.JrJ.Ji. d.isx r
(Ipsonmgehalt des aktiven Serums mi Ixpsdien Stad um leicht
erhöht ist, um in der fieberfreien Ze.t euren sjlf In Iren Wert
anzuuelmien. Zufa.'i.g war eine Best.mrrn g gerade am luge
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1477
Tabelle III.
Datum
19. III.
|*iii n
30. III.
2. IV. |
14. IV.
>
00
AI VZ
>
>
>
10
CM
Fresszahl des
Norm, aktiv. Serums l li o I
11
UI
IV
1,9
1,7
2,3
1,5
0,9
0,8
1,1
1,6
0,9
1.3
1,2
2.4
1,1
0,3
0,4
0,9
1,3
0,5
0,6
0,7
1,4
1,1
1,2
0,8
0,6
Durchschnitt
Typhuspatient
2,0
3,4
1,1
3,3
1,2
19,0
1,5
5,7.
0,35,1,1
4,8 18,3
0,55
7,83
1,05
7,5
1,15
1,7
0 J
0,7
1£
Opson. Index
1,7|3,0 | 16
3,81 14 |7,5j 14 !
7,1 11,5 1
rresszahlen
Normal, inakt. Vollserum 1
II
1 1
© ©
4 k cn
0,6
1,2
- 1 — ' 0 , 3 ! —
— - 0,31 —
0,3 *0,2
o!i 1 -
-
Durchschnitt
Typhuspatient
0,4
0,45
0,8
0,9
8,1
— 0,3! —
l,4 0,7;i,5
0,2 0,2
1,3 0.3
_
Opson. Index des inakt Pat.-
Ser., bezog, auf inakt. Nor¬
malserum
0,9
1,8
i
9,0 -
4,7
2,3
7,5
6,5 1,5
Die Ziffer I bezeichnet in allen Versuchen immer dieselbe Person,
II—IV bezeichnen verschiedene, an den verschiedenen Tagen nicht
immer identische normale Menschen.
vor Beginn des Rezidivs gemacht worden. Die einige Tage
später vorgenommene Prüfung — also während der ersten
Tage des Rezidivs — ergab einen bedeutend geringeren Opso¬
ningehalt. Es folgt aus diesen Beobachtungen, dass eiri Rezidiv
auch eintreten kann bei sehr hohem Opsoningehalt des Blutes.
Dieser gibt also — wenigstens beim Typhus — dem Körper
nicht unbedingt Schutz gegen den Krankheitserreger. Die
vorliegende Beobachtung erinnert an Befunde von Stern 5 ),
cass auch der bakteriolytische Titer des Blutes un¬
mittelbar vor einem Rezidiv sehr hoch sein kann. Es darf
also bei der T y p h u s i n f e k t i o n nicht ohne
weiteres der Gehalt des Blutes an Antikör¬
pern als Ausdruck der tatsächlichen. Immuni¬
tätangesehen werden.
Der starke Abfall nach Beginn des Rezidivs ist wohl als
negative Phase im Sinne E hr 1 i c h s aufzufassen. Auch in der
Agglutininkurve sind gelegentlich derartige Abstürze beim
Auftreten eines Rezidivs beobachtet worden.
Im weiteren Verlauf der Krankheit scheint der Opsonin¬
gehalt zu steigen und zu fallen, bleibt aber immer weit über
der Norm. Die Unterschiede zwischen den Präparaten, die
mit normalem Serum und denen, die mit Serum der Patienten
aus der Zeit der ersten Rekonvaleszenz und des Rezidivs an-
gefertigt sind, waren durchweg so gross, dass ein Blick in das
Mikroskop genügte, um die gesteigerte Phagozytose zu er¬
kennen.
VA Wochen nach der Entfieberung verhielt sich das
Rekonvaleszentenserum ganz wie das normaler Menschen.
Der Grad der Phagozytose kann beeinflusst werden durch
die Agglutination. Wenn die Bazillen rasch durch das Serum
•’) Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Breslau
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zu Haufen zusammengeballt werden, so nehmen die Leuko¬
zyten solche Haufen auf, und es erhöht sich dementsprechend
die Zahl der phagozytierten Bakterien. In unseren Versuchen
war jedoch bei der Kürze der Einwirkungszeit — 8 Minuten —
meist noch keine Agglutination eingetreten. Dass diese nicht
die Hauptrolle bei der Grösse der Phagozytose spielt, zeigt
sich ferner, wenn man nach dem Vorschläge Simons fest¬
stellt, wie gross der Prozentsatz der mit Bakterien beladenen
Leukozyten ist. Immer waren hier die Patientensera den
Sera der normalen Menschen bedeutend überlegen. Ein be¬
günstigender Einfluss der Agglutination ist bei dieser Art der
Zählung ausgeschlossen.
Neben der opsonischen Wirkung des aktiven Serums
wurde auch die des inaktiven Serums verfolgt. Durch
% ständiges Erhitzen auf 56—58 0 verliert das normale Serum
seine opsonische Kraft fast völlig. Anders das Patienten¬
serum und das Serum künstlich aktiv immunisierter Tiere.
N e u f e 1 d und Hüne 5 *) hatten nachgewiesen, dass das
Serum von mit Typhus-, Paratyphus-, Cholerabazillen etc.
vorbehandelten Tieren auch nach dem Inaktivieren noch
phagozytosebefördernd wirkt, dass also diese immuni¬
satorisch erzeugten Opsonine thermostabil sind.
Hektoen®) hat das thermostabile Opsonin beim mensch¬
lichen Typhus verfolgt. Wir fanden bei unseren Typhus¬
untersuchungen den Gehalt des inaktivierten Serums an
Opsoninen bisher stets (vielleicht mit einer Ausnahme) erhöht,
wenn das aktive Serum eine solche Erhöhung erkennen liess.
Immer aber war die opsonische Wirkung des inaktiven Serums
nur sehr gering gegenüber der des aktiven. Die Vio Verdün¬
nung des inaktivierten Serums ist häufig nur sehr schwach
wirksam, es empfiehlt sich daher, das inaktive unverdünnte
Serum zu benutzen.
Die Versuche wurden mit der Bakterienaufschwem¬
mung angestellt, die am gleichen Tage zur Prüfung der aktiven
Sera diente. Es wurden mitunter auch inaktivierte Sera ge¬
prüft, die bereits einige Tage alt waren, da nach den bisher
vorliegenden Erfahrungen die phagozytosebefördernden Sub¬
stanzen des inaktiven Serums sich nicht wesentlich beim Auf¬
bewahren ändern. Zur Indexberechnung ist die Fresszahl des
inaktiven Patientenserums durch den Durchschnitt der Fress-
zahlen zweier inaktiver Normalsera dividiert worden. Auch
bei dieser Berechnung sind natürlich sehr erhebliche Fehler
möglich. Die Werte, die sich für das inaktive Serum des
Patienten ergaben, sind aus der Tabelle III und der Figur er¬
sichtlich. Die Kurve des inaktiven Serums zeigt ganz ähn¬
liche Schwankungen wie die des aktiven. Es sei noch einmal
darauf hingewiesen, dass das inaktive Serum in unverdünntem
Zustande, das aktive in lOfacher Verdünnung untersucht
wurde. Die in Tabelle III verzeichneten Fresszahlen des
inaktiven Serums sind daher nicht ohne weiteres mit denen
des aktiven Serums zu vergleichen.
Bei einem anderen Typhusrekonvaleszenten, der im all¬
gemeinen fieberfrei war, aber gelegentlich leichte Temperatur¬
erhöhungen zeigte und ständig Typhusbazillen im Harne aus¬
schied, wurden in der Zeit vom 14. II. bis 10. III. 08 fünf Be¬
stimmungen der opsonischen Wirkung des inaktiven Serums
vorgenommen, die sämtlich erhöhte Werte ergaben. Ein
dritter, nur einmal im lytischen Stadium untersuchter Patient,
wies ebenfalls eine Erhöhung auf.
Tabelle IV.
Prüfung inaktivierter unverdünnter Sera.
Datum
H. II. |
iS. ii. |
16 . II.
|237n.j
10 ’ m.
Normalserum I
0,2 -
I
0,3 1
0,4
i
0,5
0,5
II
0,2
- 1
—
0,4
0,4
Typhusrekonvaleszent
0,8 |
1,3 |
3,4
2,3
5,4
Index
4 I
5 i
8,5
i 5,i
1 12
Die Ueberlegenheit des aktiven Immunserums gegenüber
dem inaktivierten zeigte sich auch in Versuchen mit dem Serum
einer gegen Typhusbazillen immunisierten Ziege. Die Sera
wurden in verschiedenen Verdünnungen geprüft, die Blut-
Arbeiten aus dem Kais. Qes.-Amt, Bd. 27, H. 1.
*') Zentralblatt für Bakteriologie, Bd. 44, S. 456.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1478 MIIENCIIENER MEDIZINISCHE VYOCHENSCHRIPT.
Körperchen, die zum Versuch benutzt wurden, stammten von
Menschen.
Tabelle V.
aktiv
inaktiv
Vollserum
7.2
d.O
‘/io Verd.
8,9
14
*/ioo
5,2
0.7
Vl-Uü
0,5
0,5
Immer war das aktive Serum dem inaktiven überleben,
von der fast wirkungslosen tausendfachen Verdünnung abge¬
sehen. Die Unterschiede treten in den Versuchen mit zclin-
und hundertfacher Verdünnung sehr viel stärker hervor aK in
denen mit Vollserum. Auf dieser Erscheinung beruht es viel¬
leicht auch, dass N e u f e I d und H ii n e bei ihren stark w irk-
sanien Seris eine Herabsetzung der opsonischen Krait durch
Inaktivierung nicht beobachteten. Auffallend ist ferner der
Umstand, dass das aktive unverdünnte Serum nicht stärker
wirkte als die zehnfache Verdünnung. Wahrscheinlich liegt
die Ursache in der stärkeren Bakteriolyse, es ist jedoch auch
an andere Erklärungsmöglichkeiten zu denken (toxische Wir¬
kung fremdartigen Serums auf die Leiikozyten-Hemmungs-
zonen). Mit Untersuchungen hierüber sind wir noch be¬
schäftigt.
Auch für die Versuche mit inaktiviertem Serum wählten
wir eine Bebrütungszeit von nur 8 Minuten. Hei längerer
Einwirkung steigt zwar die Phagozytose, aber die Unterschiede
zwischen pathologischen und normalen Sera verwischen sich
mehr.
Tabelle VI.
•—
Dauer
der Einwirkung
7 Min.
2<> Min.
75 Min.
Inaktives Rekonvaleszentenserum . .
1,3
1,0
34
* Normalserum.
0,3
11,0
1.0
Erwähnt sei hier noch, das bei Verwendung inaktiven
Typhuspatientenserums die phagozytierten Hakterien auch
nach Verlauf einer Stunde keine Auflösungserscheinungen
zeigten. Die rasche Auflösung ist gebunden an die Anwesen¬
heit des bei 56° zerstörbaren Serumkomplementes ). I k*r gleiche
Befund ist von Lambotte und S t i e n n o n ") für Cholera¬
bazillen erhoben worden. Diese Beobachtungen bilden einen
Beweis für die Anschauung, dass in den Leukozyten Komple¬
ment für Typhus- und Cholerabazillen nicht in nennenswerter
Menge vorhanden ist. Wenn N e u f e I d und H ii n e trotz be¬
sonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit diesen Befund nicht
erheben konnten, so mag vielleicht die verschiedene Wider¬
standsfähigkeit der benutzten Kulturen oder die abweichende
Versuchsanordnung die Ursache sein.
Welche Beziehungen bestehen nun zw ischen dem thermo¬
stabilen Opsonin des inaktiven und dem Opsonin des aktiven
Serums? Die Steigerung des thermostabilen Opsonins an sich
ist zu gering, um den hohen Anstieg des (iesamtopsonins allein
als blosse Additionswirkung zu erklären. Man konnte zu¬
nächst annehmen, dass im Serum ein thermolabiles und ein
thermostabiles Opsonin nebeneinander bestehen, die beide im
Verlauf der Erkrankung zunehmen. Bei weitem die grossere
Zunahme würde dann auf Rechnung dos thermolabilen Opso¬
nins kommen. Aber es lässt sich doch nachweisen, dass die
Zunahme der opsonischen Kraft wesentlich von Stoffen ab¬
hängt, die durch das Erhitzen nicht zerstört werden, von
thermostabilen Stoffen also, die an sich meist nur eine geringe,
beim Zusammentreffen mit den Stoffen des normalen aktiven
Serums aber eine starke Steigerung der Phagozytose be¬
wirken.
Es sei hier an das Verhalten der bakteriolytischen Sera
erinnert. Immunisiert man ein Tier gegen Typhusbazillen, so
erhält es die Eähigkeit, grosse Mengen ciugeführter Typhus-
bazillcn rasch autznlösen. Das inaktivierte Serum dieser Tiere
ist im Reagenzglas, für sich allein geprüft, völlig wirkungslos.
Es entfaltet aber eine starke bakteriolytische Wirkung, wenn
') Ihis Phänomen tritt klar nur zu taue bei Yervv emlimu volbV
\x olilei haltener am -besten 12 ständiger - Agarkiiltm eil.
) Zentrn’bhiü fr Bakteriologie, -in. Heft 2 \.
man ihm eine kleine an suh nuht bakterioh tisJi wirker.de
Menge normalen Serums zuset/t. oder w eim man es einem
anderen normalen Tier mu/iert. Die B.ikkti'dvsc beruht als.,
auf dem Zusammenwirken zweier Substanzen, emer thermo¬
stabilen. im Immunserum vorhandenen. ..des Amho/e-i»i«' rs ’’.
und einer durch Hitze zerstörbaren. muh im N« •rm.bs l n.v.
vorhandenen. ..des Komplementes“. In ahn’:* tu r Weist lasst
sich zeigen, dass auch die bakien*ä\t;s v he Wirkung des Nor¬
malserums aut einem Zusammenwirken \ m; Vmbo/ep'.of ii'd
Komplement beruht.
Bereits L e v a d i t i und I n m a n *) und M u r r tr d M a r -
t i n'") haben afmhJie \ erbaltmsso für die Upv-rmt riaJi-
w eisern können. Das inaktiv urU Nornalserum ist fas* \--.g
wirkungslos. Der Zusatz einer kleine i; Menge akt:\er: >e-mi:;\
die an sich nur eine sehr vJiw.iJn Wirkung ausubt. bring:
eine deutlulie (Ipsonierung lierxor. Wird ein aktives |m-
n unserum so weit verdünnt, dass es an suh kaum ra-Ji < p-
S( msJi wirkt, und da/u eine kleine Menge an siJi eben!, s
nur schwach wirksamen aktiven NnfiiuibeUiiiis gefugt, s..
wirkt wieder das (icmisUi stark opsonisch.
Wir hatten ohne Kenntnis der I. e v .1 d t t i sJkü und
Muir-Martin sollen l utersiuhurigen den gleichen Virvuh
hantig aiisgefuhrt und zwar immer mit ganz demselben Re¬
sultat, sowohl bei Anwendung v * »ii Immun- wie Normale rum.
Unsere* l ntcrsiicfmngi n eistreuktell mJi auf die Reaktivier mg
von norn abn wie Immun- be/vv. Patie nteu^eris g.gmuhi^
Typhus- und K'dib.^llyn. t irnmft wurden mer.sjiäjte ird
'I lersera.
Tabelle V II
\ e r s t a r k u n g s v t r mu Ii t.
1 . Normales Menvhenserum. 1 \ phtisba/iben. ,
' r re ss/.e
1 Vol. Bl. 4- I Vol. Mmp 4* 1 V ol. makt. norm. M >. 4-
I \ o|. V j., akt norm. M >. . . 1.7
1 Vol. Bl. -f- I Vol v ‘iis|\ 4- 1 \ "I makt. norm M S -i-
1 Vol N.,U.t*4
| Vol. Bl. 4 - | \o| Mjsp. 4 - | \..|, » o akt. norm. M. S 4*
1 \o|. NaU. .... " 2
2. T\ pluis-lmmun-Ziegensernm.
1 V ril. Bl. 4- 1 Vol. Susp. 4 - 1 \o|
1 um. makt
Hll
nun
/ S.
4 - 1 N ol. '■'!•* akt. norm.
M >.
. . äX
1 V«
d. Bl. 4- 1 Vol. >usp. -f | Vol
! S-. makt.
In,
min
/ >.
4- 1 Vol. NaU. . . .
, 1 s
1 V.
d. Bl. -f 1 Vol. Misp. -f I \,.
. 1 m akt. n«
rin
M
>• +
1 Vol. NaU.
. 4
.1. Tv plms-Rekorn ales/entense
rum.
1 V(
>1 Bl. 4- 1 Vol. Susp. 4- 1 V<
1 . makt. Rek
S.
-f
1 Vol.
i«. akt. norm M S.
. . . r * *
I V«
> 1 . Bl. 4- 1 Vol. Misp. 4 . l \o
1 . makt Rek.
>.
+
1 Vd.
NaU.
e 7
1 V«
1. Bl. 4 - 1 Vol. s.jsp. 4 . | V,,|. •
o akt norm. M. >
• 4-
1 \ol.
NaU.
. . .
4.
Serum eines mit abgetoteten
Kultiren v<>
n
B a/
c«* i i v o r b c -
handelten Patienten. Piuluiu
ge gen den
•g'.i
u tu
n Mjiüiii.
2 V,
d. Bl. -p 2 Vol s„sp. 4- I \,
d. 1 i makt.
I
lt >
4- i
Vol. akt. norm. M t".
. . O.s
2 V.
d. Bl. 4- 2 Vol. Misp. 4 - 2
1 . J t makt. 1
’at
S.
i, 7
2 V«
d. Bl -p 2 \ o 1 . >usp. 4 2 \ ■
d. akt. n>
rm
M
> U
Bl.
— gewaseliene Blutkörper¬
Z. S. Zu
ge
nve’
um.
chen.
R' k. >.
Ri
k' Ui'
\ a'.es/eUten sc
Siisj
). — Ba/illensiivpeiisnm.
NaU. |
s 1 ' |.
gis^h.e hoj
M. S. M ensclieiiser um. sal/losuug
IS spi\clieii dies-j Ve'suJie aXo sehr d.:fu r . da^ t s s.J;
auch bei der Opsomnvv irkung um J.is Zus.mm •„: v . w . k ;
Komponenten liaiulelt. einer thermost. t-Kui:. ;m V c Banfe der
Immunisierung suh v erniehre uden und einer tbe bmUabX n.
nur im aktiven Serum vorhandenen.
Wendern wir iet/t diese Eitafmuigen zu 1L niti ,'u"g der
Präge an. worauf der Anstieg der < iesam’.m*..: e bt-uhr.
Es sei gleich ein bestimmtes Beispiel anget b r t. I’.is aktive
Serum eines T\ phuspatieiiteii in I" f.uber Vi-d.rrmg e r gab
an einem bestimmter I nge eine BtcW.fhi v ■•'* 4.o. das ;• akt ve
Patieiisernm in IhiuJrt Nerdumm g e*g.;h ; ur ".7 Eugteti
wir 'et/t aber zu de m P't.uh ve jdat.i *e r ■? .4 t er Pat.eiten-
serum ein gltkhes \ «•amten 1" buh v e:d..t : teu ek'n.eii Nor-
") Lo-npt. re ml. >-u. 1 : .! . I**»;. B « 2. fl.:; 15 u».c Pu
"') British Med. -Ioumi.. ];* p
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Jufi 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1479
malserums hinzu, das an sich eine Fresszahl von 0,5 bewirkt,
so stieg die Wirkung des Qemisches auf 5,4, also — mit Be¬
rücksichtigung der möglichen Fehler — auf denselben Wert,
den das aktive Patientenserum ergab.
Es lässt -sich also das inaktive Patientenserum durch den
Zusatz von aktivem Normalserum annähernd auf die Wirkung
des aktiven Patientenserums bringen. Es folgt daraus, dass in
den von uns untersuchten Fällen das Ansteigen der Opsonine
im wesentlichen bewirkt wird durch Vermehrung von thermo¬
stabilen Substanzen.
Sprechen diese Reaktivierungsversuche für einen kom¬
plexen Bau des Opsonins, so sind ausserdem eine ganze An¬
zahl anderer Eigenschaften bekannt, in denen mit dem aus
Ambozeptor und Komplement bestehenden Alexin des Serums
sich Analogien finden.
Das normale Opsonin verhält sich gegenüber den ver¬
schiedenen physikalischen Einflüssen (Hitze, Eintrocknen, Auf¬
bewahrung, Dialyse) wie das Komplement 11 ).
Es wird wie das Komplement durch feine korpuskuläre
Elemente, Kohle, Karmin u. a., absorbiert 12 ) u. 13 ) u. “).
Es fehlt in denselben Körperflüssigkeiten, in denen das Kom¬
plement fehlt. Leva di ti und Koessler 16 ) zeigten, dass
die Flüssigkeit der vorderen Augenkammer, die frei von Kom¬
plement ist, auch keine Opsonine enthält, dass Oedemfliissig-
keit nur wenig Komplement und Opsonin enthält. Wir fanden,
dass ebenso die durch Lumbalpunktion gewonnene normale
Zerebrospinalflüssigkeit nur Spuren von Komplement und Op¬
sonin besitzt.
Durch Absorption des Serums bei 0° gelingt es nach
C h a p i n und Cowie 17 ), dem Serum den opsonischen Ambo¬
zeptor allein zu entziehen. Das vorbehandelte Serum ist un¬
wirksam gegen die betreffende Bakterienart, erhält aber seine
opsonische Wirkung wieder, wenn man ihm Ambozeptoren
in der Form inaktivierten Serums zufügt. Die in der Kälte
mit Serum behandelten Bakterien sind nicht stärker phago-
zytabel als vor der Behandlung, sie werden aber sehr leicht
aufgenommen bei Zusatz von verdünntem normalem Serum
oder von in der Kälte absorbiertem Serum.*)
Die genauer erwähnten Verstärkungsversuche sprechen
in demselben Sinne.
Nach diesen Befunden ist es wahrscheinlich, dass die Op-
soninwirkting nach dem Ambozeptor-Komplement-Schema
verläuft, wobei es ganz dahingestellt bleibe, ob diese Ambo¬
zeptoren und das opsonische Komplement mit dem bakterio-
lytischen Ambozeptor bezw. Komplement identisch seien.
Während das inaktive Serum auch bei hohem Ambozep¬
torengehalt an sich nicht bakteriolytisch wirkt, zeigt inaktives
Serum von Rekonvaleszenten oder aktiv immunisierten Tieren,
wie bereits erwähnt.für sich allein schon eine mehr oder weniger
grosse opsonische Wirkung. Man könnte, wie L e v a d i ti und
Inman 18 ) es tun, annehmen, dass die Ambozeptoren an sich
bereits opsonisch wirken. N e u f e 1 d und Hüne 19 ), ferner
Bacher 90 ) erwähnen demgegenüber, dass man gelegentlich
Sera von hohem Gehalt an bakteriolytischen Ambozeptoren
f 'ndet, die gar nicht opsonisch wirken. N e u f e 1 d nimmt dem¬
entsprechend an, dass eine opsonische Wirkung zustande
kommen kann
1. durch das Zusammenwirken von Ambozeptor und Kom¬
plement,
2. durch besondere von den Ambozeptoren verschiedene
thermostabile Stoffe, die „bakteriotropen Substanzen“,
n ) Noguchi: Journ. of exper. Medic., Bd. 9, S. 455.
”) Simoni La mar, Bispham; Journ. of exper. Medic.,
1**6, Bd. 8.
”) Bacher: Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskr., Bd. 56, H. I.
14 ) Kämmerer: Münch, med. Woche.nschr., 1907, S. 1916.
’ 5 ) 1. c.
Comptes rend. Soc. biol., 1907, Bd. 62, H. 17.
“) Anmerkung bei der Korrektur: Zu «ähnlichen Re¬
sultaten kommt Meyer, Berl. klin. Wochenschr., 1908, No. 20.
,7 ) Journal of Med. Research 1907, Bd. 17, No. 2.
») i. c. . ...
,s ) Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 25.
Zentralblatt für Bakteriologie, Bd. 45, S. 166.
Arbikteh abs dem Kaiserl.'Gesundheitsamt, Bd. 27, H. 2.
*) /. c.
In Versuchen mit roten Blutkörperchen gelang es Neu¬
feld und Bickel 21 ) sogar, die lytischen Ambozeptoren von
den hämotropen Substanzen zu trennen.
Jedenfalls haben wir uns die Phagozytose als einen sehr
komplizierten vitalen Vorgang vorzustellen, auf den viele
Faktoren von Einfluss sind. Durch Einwirkung des
Serums auf die Bakterien kann deren Aufnehmbarkeit
gesteigert werden. Die Reaktion des Mediums ist nach
Noguchi 22 ) von Einfluss auf den Grad der Phagozytose.
M. N e i s s e r und G u e r r i n i 2S ) zeigten, dass durch die ver¬
schiedenen chemischen Stoffe — je nach der Konzentration —
die Phagozytose gehemmt oder gefördert werden kann. Auch
Bakterienstoffe, wie das Tuberkulin (Calmette 24 ) können
von Einfluss sein.
Endlich sehen wir, welchen grossen Einfluss rein physi¬
kalische Veränderungen, wie z. B. das Schütteln, auf die Stärke
der Phagozytose haben. Temperaturveränderungen können
ähnlich wirken. Es wird noch sehr eingehender Unter¬
suchungen bedürfen, um die Wirkung aller einzelnen Faktoren
genügend zu isolieren.
Einige Versuche über die Phagozytose von Meningo¬
kokken seien noch kurz mitgeteilt. Schwierigkeiten bietet die
rasche Auflösung der Meningokokken in den Leukozyten, die
Einwirkungszeit kann daher nur kurz bemessen werden, auf
etwa 8 Minuten. Manche Stämme eignen sich wegen ihrer
schlechten Färbbarkeit nicht zu den Versuchen. Allgemein
empfiehlt es sich, nur 8 bis 12stündige Meningokokken¬
kulturen zu benutzen, diese sind meist frei von De¬
generationsformen. Uns erwies sich am geeignetsten
ein frisch aus der Lumbalflüssigkeit eines Meningitis¬
kranken gezüchteter Stamm, der unter der Einwirkung
von normalem aktiven Menschenserum gut aufgenommen
wurde, aber keine Spontanphagozytose zeigte. Inaktives nor¬
males Menschenserum wirkte nur sehr schwach auf ihn ein.
Das Serum des Patienten, aus dessen Lumbalflüssigkeit der
Stamm herrührte, agglutinierte ihn stark, und zeigte eine sehr
verstärkte opsonische Wirkung, sowohl in aktivem wie in in¬
aktivem Zustande, die im Verlaufe der Krankheit zunahm. Bei
der Schwierigkeit der Zählung und dem Einflüsse der Aggluti¬
nation haben wir meist auf eine genaue Zählung verzichtet und
uns mit Schätzungen begnügt.
Tabelle VIII.
Datum
21. III.
29. III.
31. III.
2. IV.
Norm. akt. Serum I . . .
1,7
+
-f (ca. 7)
11 . . .
2,0
—
+
-Mca.3)
III ...
—
—
“T
+ (ca.8)
Akt. Serum des Patienten . .
5,0
—
ütetto
1 |-4-
(ca. 20)
Norm, inakt. Serum I . . .
—
—
0,5
•—
II . . .
—
—
0,7
—
nakt. Patienten-Serum . .
—
über 15
über 20
—
Die sämtlichen Versuche mit inaktiven Sera sind am 2. IV. aus¬
geführt worden.
Der Patient bekam am 21., 24. und 29. März Injektionen
von je 20—30 ccm Meningokokkenserum. Möglicherweise
sind diese Injektionen für den Anstieg des Opsoningehaltes ver¬
antwortlich zu machen; wahrscheinlich ist diese Annahme
nicht, da das zur Injektion verwandte Serum wieder für sich,
noch auf Zusatz von verdünntem aktiven normalen Menschen¬
serum opsonisch wirkte. Der Patient starb am 9. April. In
den letzten Tagen vor seinem Tode konnten keine Bestim¬
mungen gemacht werden.
Es sei noch bemerkt, dass ein Meningokokkenserum
anderer Herkunft, das an sich gar nicht opsonisch wirkte, durch
Zusatz fünffach verdünnten, an sich fast wirkungslosen aktiven
Normalmenschenserums kräftige opsonische Wirkung erhielt.
23 ) Verhandlungen des ärztlichen Vereins Frankfurt a. M., 4. No¬
vember 1907, ref. Münch, med. Wochenschr., 1908, No. 4 und Arbeiten
aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M.,
Heit 4, 1908. * ; .
•’) Conipt. rend. Soc. biol. 1907.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1480
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Zum Schlüsse seien die Resultate der Arbeit kurz zu-
sammengefasst:
1. Der Opsoningehalt des Serums gegenüber Typhus¬
bazillen lässt sich gut prüfen bei Benutzung verdünnten ak¬
tiven Serums. Mit Rücksicht auf die Fehler der Methodik und
die verschiedene Wirkung der normalen Sera lassen sich nur
grosse Ausschläge zu Schlüssen verwerten.
2. Bei einer längere Zeit beobachteten Typhuserkrankung
fanden wir in der Rekonvaleszenz eine starke Vermehrung der
Opsonine. Trotz des hohen Opsoningehaltes trat ein Rezidiv
ein. Nach anfänglichem Sinken war im weiteren Verlauf' des
Rezidivs der Opsoningehalt wieder hoch. Mehrere Wochen
nach dem Fieberabfall war dieser auf die Norm gesunken.
3. Auch das inaktivierte Serum dreier Typhusrekonvales¬
zenten zeigte eine erheblich gesteigerte opsonische W irkung,
die aber hinter der des aktiven Serums weit zurückblieb. Sie
liess sich durch Zusatz von normalem aktiven Serum be¬
deutend steigern, etwa auf die gleiche Höhe, wie sie das aktive
Patientenserum aufwies.
4. Die Steigerung der opsonischen Wirkung beruht in den
beobachteten Fällen also im wesentlichen auf einer Zunahme
thermostabiler Substanzen.
5. Eine erhebliche Steigerung der opsonischen Wirkung
durch Zusatz von verdünntem aktiven Serum liess sich zeigen
für inaktiviertes Typhuspatientenserum und die durch aktive
Immunisierung erzeugten Sera gegen Typhusbazillen, Koli-
bazillen und Meningokokken.
6. Die Reaktivierbarkeit des inaktiven Serums sowie eine
Reihe anderer Eigenschaften lassen sich am besten durch die
Annahme eines ambozeptor-komplementartigen Baues der
Opsonine aktiver Sera erklären.
7. Durch beständiges Schütteln wird die unter dem Ein¬
fluss von Serum zu Stande kommende Phagozytose bedeutend
gesteigert.
8. Eine rasche Auflösung der Typhusbazillen inner¬
halb der Phagozyten findet nur bei Anwesenheit aktiven Se¬
rums statt.
9. Die normale Zerebrospinalflüssigkeit enthält nur Spuren
von Komplement und Opsonin.
Aus der Tübinger Universitäts-Frauenklinik (Direktor: Prof.
Dr. S e 11 h e i m).
Oer Wert der RUckenmarksanftsthesie flir die gynäko¬
logischen Bauchoperationen.
Von Dr. Ernst Holzbach, Assistenzarzt.
Je mehr die Lumbalanästhesie Gemeingut der operieren¬
den Aerzte wird, um so divergenter werden die Kritiken, die
man über die Brauchbarkeit des Verfahrens hört. Bei der
Mannigfaltigkeit der Gebiete, auf denen die grosse und kleine
Chirurgie versucht hat sich die Methode nutzbar zu machen,
ist das nicht schwer verständlich. Die Anforderungen, die von
den verschiedenen Spezialitäten an das neue Verfahren gestellt
werden, sind grundverschieden, und die vorzüglichen Resul¬
tate der Arbeiten, die kaum über Laparotomien berichten
(vergl. z. B. Lindenstein mit 4 Proz. Laparotomien unter
500 Fällen) werden immer abstechen gegen die Veröffent¬
lichungen über Erfahrungen in der Bauchchirurgie. In dieser
wieder nimmt die Gynäkologie eine gesonderte Stellung ein
bezüglich der Indikationsbreite für die Anwendung des Ver¬
fahrens. Während sich für das Gros der gynäkologischen
Operationen die Auswahl auf Inhalationsnarkose oder Lumbal¬
anästhesie beschränkt, steht dem Chirurgen die Lokal¬
anästhesie in ihren Modifikationen als Konkurrenzmethode ans-
giebigst zu Gebote. Nicht in letzter Linie wird dabei immer
der persönliche Geschmack oder der nachhaltige Eindruck
früherer Misserfolge im einen oder anderen Sinne ausschlag¬
gebend bleiben. Wenn man aber die zweifellos schwierige
Technik der Lumbalanästhesie in Rechnung zieht, aus der her¬
aus nach meiner Ueberzeugung 99 Proz. aller schlechten Re¬
sultate zu erklären sind, so wird man verstehen, dass in den
Statistiken grosser chirurgischer Kliniken die lokalen Anä¬
sthesien im allgemeinen im Zunehmen, die lumbakn im Ab¬
nehmen begriffen sind (R o i t h). Eine direkte Stimmung gegen
die Lumbalanästhesie spiegeln die Sammelreferate, die über
Digitized b’
Google
Sn. 2*.
die gerade neuerdings erschienen«, n Arbeiten beruhten. Das
lässt sich, glaube ich. mit dem gew ohr.lijien Abflauen eines
anfänglich grossen Enthusiasmus allein nicht erklären. Un¬
schuld daran erblicke ich in einer gat /en Reihe um Autoren,
die der neuen Errungenschaft zwar ihr Lehrgeld n<>Ji mJi:
bezahlt hatten, aber doJi glaubten, n.uh eia paar Putze t J
Versuchen ihre mehr weniger häutigen Misserfolge gegen d e
Methode als solche atisspielcii zu müssen.
Wenn uh hier den Versuch mache, d.e Lumbalanästhesie-
in ihren Vor- und Nachteilen tur die g\nako|..g;sJie B.mJi-
chirurgie einer kritischen Würdigung zu unte f/u he % so ge¬
schieht dies auf der Grundlage einer ausgiebigen hei t:" ;s di r
verschiedenen Methoden der Inhalatioiisiiafkose, die 1 J 1 mir
unter bewährter Anleitung an der Mufti.heiler I X tu a u t I.
Heidelberger (v. Rostlmr n) und I hisse-Morter (S c li h e i in.
W itzel) Klinik an/ueignen Gelegenheit hatte. X,rn \ er¬
bleich stehen mir die Lrtalmmgen an annähernd I""»' Lumbal¬
anästhesien zu Gebote, von denen etwa zwei Drittel bei Lapa-
lotomien ausge-fulirt wurden. Speziell beriukM Jitige ri werde
ich die Eindrücke, die ich uaJi einmal exakt entwickelter IcJi-
mk bei den letzten J5u Laparotomien der S c I I h c i m s w b«vf4
Klinik gewonnen habe, und über de ich genauere Aui/e.J:-
nimgen besitze.
Bei einem Vergleiche der be.de n Methoden ist zun.iJist zu
präzisieren, was wir von der Anästhesie- überhaupt, sei es der
partiellen oder der allgemeinen, für unsere B.uk hoperatua.e •;
verlangen müssen.
W ir fordern : 1. Absolute Sch m e r z b e i r c in n g
für den P a t i e n t e n w a li r e n d der g a n z e n Da u e r
des Eingriffe s.
2 . Die Schalt u n g von \ c r li ä I t n i s s e- n i in
Operationsgebiet, die die Technik im Inter¬
esse einer rasch e n u n d c i n w a n d f r e i e n Durch¬
führung des Eingriffs weit möglichst er-
leichter n.
3. Di e m o g I i c h s t c Herabsetzung der < i e -
f a li r der A n ä s t h e s i e w a h r e n d w i e n a c h dem
E i n g r i f f.
4. Die V e r h ii t u n g u n a u g e n e li tu e r oder gar
b e d e n k I i c h e r Sensationen zu B v g i n n und i m
Gefolge der A n ä s t h e s i e.
5. Möglichst gering c n 1' i n t I u s s u f J c n
post o p e r a t i v c n Neri a u t.
Ehe ich auf die Besprechung dieser einzelnen Punkte <.iu-
gehe, will ich ganz kurz über das klinische Mater.a! retctlereti.
das ich der Kritik des Wertes der Lumbal.tr.asthe sic spe/.e:!
für die gynäkologischen Batuhoperatioueti zu Grunde lege.
Von den letzten 253 Laparotomien der lus^n Ki;t..k
wurden 25o in Lumbalanästhesie- ausgefufmt. bei dm 3 übrigen
Fällen musste wegen mechanischer l nniog'ichkeit. den l.urn-
balsaek zu punktieren, auf die Ar.w et;Jur g der Lumbal¬
anästhesie verzichtet werden. Es handelte s:Ji dabei /w emla!
um Verbiegungen der Wirbelsäule bei Osieoma‘az:e (Kastra¬
tion). einmal um starke Lordose bei K \ pb,. .skoG.se |s ut |,,
caesarea). In den übrigen J5o haleii gelang d;e Punktum.
Trotz erzielten Lu|iierab;!iisses hatten wir ein völliges
Versagen der A u a s t h e s i e zu u r/i idmen m o Eal’c n
3,6 Proz., einen uiibefned.genden. durch W argen. IbeJien
etc. besonders zu Beginn der Operation gestörten \ er-
I a u f in 7 hallen 2,-S Pro/., ein N i c h t a u s r e i c h e n
der Anästhesie, so dass bei anfangs \o! cer Schmerz¬
losigkeit die Operation unter /ulultenähme der Irh.dmuu>v_
narkose zu Ende geführt werden musste -11 Ural 16.4 Proz. ;
35 mal handelte es sich bei diesen 4! hallen um Emg* :f?e. d. e-
mehr als 5o Minuten beanspruchten. h.ue s.,g, r.an*-te SJiun-
narkose, d. h. wenige Tropfen Voller zur P.es Jiw u Ir.cur. -g
aufgeregter Patientinnen an/uw enden, mi:J wir iioJi öfter u;
die Lage gekommen.
In ungefähr 9o Proz. der habe w unk um dem Pt a n n e n -
s t i e 1 scheu Oiierschnitt. sonst duTch uu J:aue n oder pa r .i-
medianen Läng-schnitt, durch SJmut pant'bj dem I jg. p,. t j-
Partii, und J mal mit dem L ranz sj: ; .rtsjuatt npenem.
holgetide Eingriffe winden dam t amn’ Art:
N Kar/'i.uni<'per.i:."iieu n.u ; i i - ■ :• - \\ t - : ■■ t t v
Carcinoma cOli. P* hei L ,u c.uv>ni,i o • * p >? -s. c .t r . :n. • ,.i »..t v
und 1 hei S\ nc\ touna ma .gmru. J I v -n Je r .Ve" Je - **
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1481
üefiisse bei Kollumkarzinomen, die sich bei der Operation als in¬
operabel erwiesen. 3 Explorativinzisionen bei multipler Karzinose.
1 Explorativinzision bei Carcinoma flexur. sigmoid. inoperabile.
1 Sectio alta bei Carcinoma vesicae. 1 Sectio alta bei Blasenscheiden-
ristel. 35 Myomoperationen nach Doyen. 14 Mvomoperationen
durch abdominale Totalexstirpation. 1 Myomoperation durch supra¬
vaginale Amputation. 1 Myomoperation mit extraperitonealer Stiel¬
versorgung nach Hegar. 4 Myomoperationen durch Enukleation
resp. Abtragung 8 Radikaloperationen bei Tuberculosis genitalium
etc. 3 abdominale Totalexstirpationen bei Metritis, Pyometra. Fibro-
sarkoni. 8 Adnexoperationen mit Resectio uteri (Seil heim. Verh.
der oberrhein. Qes. f. Qyn. 1907). 18 Hämatozelenoperationen bei
geplatzter Extrauterinschwangerschaft. 16 einseitige Salpingoopho-
rektomien. 12 doppelseitige Salpingoophorektomien. 6 einseitige
Salpingektomien bei ungeplatzter Graviditas tubaria. 2 doppelseitige
Salpingektomien bei Hämato- resp. Hydrosalpingen. 11 doppelseitige
Ovariotomien wegen Ovarialtumoren. 27 einseitige Ovariotomien
wegen Ovarialtumoren. 6 Exstirpationen von Parovarialzvsten.
1 Nephrektomie bei Hydronephrose. 7 Laparotomien bei Tuber¬
culosis peritonei. 5 Tubensterilisationen. 3 wegen Tuberculosis pul¬
monum. 1 wegen Vitium cordis, 1 wegen Amaurosis e graviditate.
6 ventrale Fixationen an den runden Gebärmutterbändern. 3 Ope¬
rationen nach Alexander-Adams mit Eröffnung des Peri¬
toneums. 1 intraperitoneale Ligamentdurchtremiung (Seilheim:
Verh. -der mittelrhein. Ges. f. Gyn. 1908). 5 Nabel-. Leisten- und
Schenkelhernien. 1 Ileus postoperativus. 1 Ileus chronicus. 1 Vari-
kocele muliebris. 11 extraperitoneale Uterusschnitte nach Sell-
h e i m. 1 Entbindung durch die Uterusbauchdeckenfistel nach Seil-
heim.
Auf Details bezüglich Technik, Grosse und Dauer der Ein¬
griffe kann ich hier nicht eingehen. Auch alle die komplizieren-
i den Momente zu besprechen, die vor der Unternähme des Ein¬
griffs abgewogen werden mussten, würde zu weit führen. Ich
kann nur sagen, dass wir bei einer ganzen Reihe von Fällen
strikte Kontraindikationen gegen die Inhalationsnarkose hatten,
so durch Herzfehler, Lungenerkrankungen, Strumen und so
fort, nie jedoch wegen ähnlicher Bedenken von der Ausführung
der Lumbalanästhesie Abstand nahmen.
Zu den Kaiserschnitten muss betont werden, dass die
i Kinder jeweils völlig lebensfrisch zur Welt kamen. Bei dem
bekannten Uebergehen der Narkotika auf das Kind erscheint
das bemerkenswert. Bei den übrigen geburtshilflichen Ein¬
griffen, so weit sie in die Domäne der Lumbalanästhesie fallen,
bei denen also auf eine Aktion der Bauchpresse nicht mehr ge¬
rechnet werden muss (im Gegensatz zu den beckener-
weiternden Operationen) haben wir vornehmlich aus didak¬
tischen Gründen auf die Verwendung der Rückenmarks¬
anästhesie verzichtet. Der Student soll auf dem Kreiss-
saa! die Geburtshilfe so lernen, wie er sie in der Praxis treiben
muss, und dazu gehört auch die geburtshilfliche Narkose.
Dem kaum Geübten die Nadel zur Punktion in die Hand zu
geben, dazu ist die Methode zu diffizil. Maske und Chloro-
iormflasche sollen hier vor der Hand in ihrem Rechte bleiben.
Von den 27 nach Freund-Wertheim operierten
Gebärmutter- und Scheidenkarzinomen starben uns 5 = einer
Mortalität von 17,8 Proz. Ausserdem haben wir die wegen
Blasenkarzinom operierte Patientin verloren. Die Sektions¬
befunde ergaben, wie auch schon der klinische Verlauf gezeigt
hatte, dass die Lumbalanästhesie die Todesursache nicht ge¬
wesen ist. Von den übrigen 222 Laparotomierten haben wir
keine verloren, also eine Mortalität von 0 Proz. Anfügen kann
ich hier, dass ich bei der grossen Zahl der von mir selbst aus-
geflihrten oder beobachteten Rückenmarksanästhesien (an¬
nähernd 1000 Fälle) einen Todesfall oder auch nur wirklich be¬
drohliche Erscheinungen durch die Methode bis heute nicht be¬
dachtet habe.
Wenden wir uns jetzt der Prüfung der Frage zu, inwieweit
Inhalationsnarkose und Lumbalanästhesie unseren oben auf-
gesteilten Forderungen gerecht werden, so erkennen wir be¬
züglich Punkt 1 eine gewisse Ueberlegenheit der Inhalations¬
narkose an: Gleichgültig, welche Narkosetechnik und welche
von den gebräuchlichen Narkotizis wir anwenden, Versager
werden wir wohl damit nicht erleben, und wir können dem
Patienten die schmerzlose Durchführung des Eingriffes an¬
nähernd garantieren. Bei der Lumbalanästhesie können wir
:as nicht, ja wir müssen sogar beim Versagen oder nicht Aus¬
ziehen der Anästhesie zu den alten Methoden unsere Zuflucht
i zhmen Doch haben wir kein Bedenken, eine in
t Umbaianästhesie begonnene Operation bei
I -'ichta u s r e i chen der Anästhesie durch Inha-
I So. 28.
halationsnarkose zu beenden. Bei durch kompli¬
zierte Technik stark protrahierten Operationen haben wir uns
dieser Kombination stets bedient, ohne auch nur ein einziges
Mal irgend welche beängstigenden Situationen dadurch er¬
leben zu müssen. Die Anästhesie klingt nie mit einem Schlage,
sondern stets allmählich ab, und ebenso allmählich soll das
Inhalationsnarkotikum (Aether) zugegeben werden. Forziert
man dabei nichts, sondern wartet man ruhig, bis die Narkose
ihre Schuldigkeit tut, so verliert man freilich einige, u. U. sogar
kostbare Minuten, ist aber durch den glatten weiteren Ver¬
lauf stets reichlich entschädigt. Alle Autoren sind darin einig,
dass man dabei mit einem Minimum von Inhalationsnarkotikum
auskommt.
Die völlige Anästhesie nach Lumbalinjektion soll nach
unserer Forderung bis zum Nabel reichen. Die Erscheinung,
dass nur Teile dieses Operationsgebietes anästhetisch sind,
dass also z. B. bei unempfindlicher Haut das Peritoneum seine
Schmerzhaftigkeit behalten hat, würde ich als vollen Versager
bezeichnen. Es wird bei der Beschreibung der Technik aus¬
einandergesetzt, warum wir das höchst selten erleben. Häu¬
figer dagegen hören wir Schmerzäusserungen beim Entfernen
der meist hoch hinaufgesunkenen Qazekompressen, mit denen
wir die Bauchhöhle abschliessen. Es ist klar, dass mit ihrem
Herausziehen am Mesenterium und damit an ausserhalb des
Infiltraüonsgebietes liegenden Partien der Parietalserosa ge¬
zerrt wird. Abgesehen von dem .dadurch gelegentlich ver¬
ursachten, einen Moment dauernden Schmerz können wir, be¬
sonders da ja ein prinzipielles Bedenken gegen die Kombi¬
nation der nicht ausreichenden Lumbalanästhesie mit Inha¬
lationsnarkose nicht besteht, unseren Patienten mit gutem Ge¬
wissen eine schmerzlose Durchführung des Eingriffes ver¬
sprechen.
Unter Punkt 2 müssen wir verlangen: Beckenhoch¬
lagerung, Ausschaltung der Bauchpresse, speziell völlige Er¬
schlaffung der Bauchdecken, Verhütung von Würgen und
Brechen. Je mehr wir dem Operateur die Uebersicht über
sein Operationsfeld und dessen leichte Zugänglichkeit sichern,
umsomehr nützen wir dem Patienten. Wir können deshalb der
Forderung einzelner Autoren, zu Gunsten der Lumbal¬
anästhesie auf die Beckenhochlagerung zu verzichten, nicht zu¬
stimmen . Der Qrund, warum die abdominalen Operations-
metnoden den vaginalen immer mehr den Rang ablaufen, ist
die durch sie gegebene Möglichkeit des anatomisch exakten
Arbeitens durch Ueberblicken der Topographie, und dazu
brauchen wir auch Beckenhochlagerung. Experiment und Er¬
fahrung haben uns mm gelehrt, dass wir aus Rücksicht auf die
L. A. die Steillagerung durchaus nicht aufzugeben brauchen
(cf. Technik). Genau wie bei der Inhalationsnarkose führen
wir hier im Bedürfnisfalle extremste Beckenhochlagerung aus;
nur verlangt die Methode die Rücksichtnahme, dass
alle Lageveränderungen langsam vorge¬
nommen werden. Das ist übrigens eine Vorsicht, die
auch jeder Inhalationsnarkose gewaltig zu Oute kommt.
Bezüglich der übrigen Punkte wird uns keine Methode der
Inhalationsnarkose auch nur annähernd das leisten können,
was die Lumbalanästhesie leistet. Direkt ideal ist der Er¬
schlaffungszustand der Bauchdecken nach Rachistovainisation
— schon vor Beginn der Operation dokumentiert sich am Zu¬
sammenfallen des Leibes das Qelingen der Anästhesie — und
auch D-öderlein-Krönig schreiben, dass sie nur bei
tiefster Inhalationsnarkose ähnliche Erschlaffungen beobachtet
haben. Jeder weiss, wie dadurch ein Eingriff erleichtert wird.
Auch der „Kampf mit den Därmen“ hat aufgehört, das Pressen,
das gerade in entscheidenden Momenten zu recht kritischen
Situationen geführt hat. Und noch einer Wohltat darf ich ge¬
denken, die ich bei etwa 50 Laparotomien, welche ich im
letzten Vierteljahr selbst auszuführen Gelegenheit hatte, an¬
genehm empfunden habe: Die Rücksicht auf die Nar¬
kose fällt weg. Der Operateur kann seine Aufmerksam¬
keit ungeteilt seinem operativen Beginnen zuwenden, und es
bedarf nicht mehr des ominösen „Kiefer vor“ und der ver¬
stohlenen Seitenblicke zum Narkotiseur hinauf, wenn allerlei
unliebsame Zwischenfälle den Ablauf der Arbeit stören. Der
ganze Vorgang gewinnt dadurch an Ruhe und
Sicherheit.
2
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1482
MUENCHFNER MEDIZINISCHE \\ OCHENSCHRIFT.
Ad III beabsichtige ich nicht, die (jefahren der Inhalati«»ns-
narkose, den akuten und protrahierten Chloroformtod, die
Asphyxien, Bronchitis, Pneumonie usw. in den schwärzesten
Farben zu malen, um daneben die Lumbalanästhesie w ie den
Vogel Phönix aus der Asche aufsteigen zu lassen. Ich bemühe
mich im Gegenteil, die Nachteile der Methode möglichst ob¬
jektiv zu registrieren. Fs sind eine Reihe von Todesfällen nach
Lumbalanästhesie bekannt, die sicher dem Verfahren zur Last
gelegt werden müssen; ich will dabei nicht rechten mit den
Operateuren, die ihre Unglücksfälle speziell im späteren Ge¬
folge von operativen Eingriffen auch anders, und zwar mühe¬
loser anders hätten erklären können, als wie als Folge der
Lumbalanästhesie. Fine vergleichende Mortalitätsstatistik
wird jetzt noch sicher zu Ungunsten der Lumbalanästhesie
ausfallen. Doch halte ich es für angezeigt, zu betonen, dass
wir es hier mit einer jungen Methode zu tun haben, die ihr
erstes Lustrum noch nicht hinter sich hat, und dass Inter¬
essenten beim Nachlesen der Geschichte des ersten Jahr¬
zehntes der Inhalationsnarkose auch mancherlei Belehrung
finden werden. Ebenso ist zu betonen, dass die Methode in den
letzten 2 Jahren bezüglich der Lebenssicherheit zweifellose
Fortschritte gemacht hat. Ich selbst habe, wie aus der oben
angeführten Statistik ersichtlich, mehr Glück gehabt wie
andere; dass ich bei den mir zu Gebote stehenden Zahlen,
durch deren Grösse Zufälligkeiten wohl ausgeschlossen sind,
in der Prognose der Lumbalanästhesie dementsprechend zu¬
versichtlicher bin, wird mir niemand übelnehmen wollen.
Ueber die Verhütung von Unglücksfällen werde ich bei der
Beschreibung der Technik einiges zu sagen haben, ebenso über
die Natur der jetzt zu besprechenden N a c h e r s c Fei¬
nungen.
Unter ihnen rangieren an erster Stelle die durch die Me¬
thode gesetzten objektiv wahrnehmbaren Veränderungen, zu
deren Kenntnis ich einige Beobachtungen mitteilen kann. Es
sind in der Literatur eine Reihe trophischer Sto¬
rungen, speziell der unteren Extremitäten, nach Lumbal¬
anästhesie bekannt, vor allem Hackendekubitus, einmal sogar
eine ausgedehnte Gangrän. Sie beweisen eine Schädigung der
die obersten sakralen oder untersten lumbalen Wurzeln aus¬
sendenden Rückenmarksabschnitte oder der Wurzeln selbst.
Eine bisher nach Lumbalanästhesie noch nicht beschriebene
Form der trophischen Störung habe ich 3 mal zu sehen Ge¬
legenheit gehabt.
In dem einen Fall trat am 2., in den beiden anderen schon am
1. Tag nach der Operation eine zirkumskripte, derbe Infiltration des
Unterhautzellgewebes in der <ilutäalgegend auf. zweimal etwa ent¬
sprechend dem unteren Abschnitt der Ursprungslinie des Ghitacus
maximus, einmal mehr im oberen Winkel der Crena am: die Haut
über den gut talergrossen Stellen war jeweils intensiv gerötet, heiss,
crysipelatös — Messungen mit dem Hautthermometer ergaben Unter¬
schiede über einen Zentigrad gegen die Umgebung - und absolut
unempfindlich: die Fpitheldecke war intakt. Die Affektion blieb stets
auf die eine Seite beschränkt. Druckdekubitus war unbedingt aus-
zuschliessen, die Patienten waren sämtlich am Operationstag aufge¬
standen, das Fettpolster war reichlich. Im 1. Fall nahm das lnfilti.it
ziemlich an Umfang zu. und da die Frau wegen Sclieidenkarzmoms
operiert war, so musste au einen Zusammenhang mit der malignen
Neubildung gedacht und ein Stück des Infiltrates probeex/ubert
werden. Es handelte sich um derbes, schwieliges Gewebe, das der
Fascia lumbodorsalis innig aufsass. Die mikroskopische Unter¬
suchung ergab starke Infiltration und Nekrose, keinerlei Zeichen von
Malignität. Die Wunde heilte ziemlich langsam, der Rest des Inul-
trates verschwand in etwa 4 Wochen ohne weitere Behandlung, auch
in den beiden anderen Fällen ging das Infiltrat von selbst zurück.
Ich stehe nicht an. die Erscheinung als Folge
einer trophischen und vasomotorischen Storung
anzusprechen, ausgehend von einer Läsion der
unteren Sakralseg mente oder der C a u d a e u u i n a.
Eine andere Art der Trophoneurose beobachtete ich an einer an
Prolaps operierten 64 Jahre alten Frau: hier trat am Tage nach der
Operation eine etw r a handtellergrosse, mit klarer Flüssigkeit gefüllte
Blase im Gebiete des linken Musculus peronacus auf; auch diese heilte
ohne weitere Massnahmen. Verbrennung war ausgeschlossen.
Zweimal habe ich. ebenfalls am Operationstage entstanden, bei
Operierten eine Blase von etwa Walnussgrosse an der lateralen
Kante des kleinen Fingers gesehen. Ich notiere das. obwohl ich eine
Erklärung dafür nicht geben kann. Sollte die L. A. auch hierin r die
1 V;k4ie sein, so müsste eine Läsion im Gebiete der obersten Dorsal-
I angenommen werden.
Fazit besteht die Tatsache, dass i m G e f o 1 g e der
' a n ä s t h c s i e t r o p h i s c he St ö r ii n g e n i n
v c r s c h i e d e n e n ( i e bieten a u t t r e t e n kn n *i c r«.
deren Prognose nn allgemeinen gut zu sein sJicint; Jas
Ca vc d e c u b i t u m ist aber wie bei allen Aficklnmui eies
Rückenmarks auch bei der Lumbalauastlics*c bcM.iidi.rs zu
beherzigen.
Eine andere, wohl zu vermeidende Art der Schädlichkeit
sind die Beltllasclieiiv erbt ennimgcii, wie uh sie tiuher ver¬
schiedentlich nach Ltimbal.maMhcsie gescln.ii habe ; Uns Pflege¬
personal muss deshalb zur \nrsiJit gemalmt werden.
I he bekannten A u g e n rn ii s k e I I a h m ti n g e n r.u b
Lumbalanästhesie habe ich früher häufiger, unter den letzten
41 Kf Fallen nur einmal beobachtet, kh werde auf sie spater
zuriiekziikommen haben. Ueber die bei der Narkose wie
Lumbalanästhesie gleich häufigen P e r o u e u s I a Ii m ti n g e n
ist nichts besonderes zu sagen. Ihre Frequenz scheint mit dem
Gewicht der die 2. Assistenz iiiuehuhendcn Person zu sie.gen
und zu fallen.
Solange ein 2'• /tr. schwerer \ «>i<>nt.o.»rzt. /\usJun Je:i Hinun
eie- r m Üeckcuhoc lii.uei ung bellt: .1 i«. !k n l’.O.e.Uui *it,i:tJ ««Cer l.ia-
figer auf ihnen h.ingeial. an zweiter M.it'J a^s st elle, f-.itr. n w r a e
N l äge eine I Ytoiiewsp.it esc. >eit eine knapp 1 /tr wu K e: ua D.im c
die Melle bekleidet. ist uns Jas M:\sgesch.c k ruht ive hr /w. es? wp;
Dauernde doppelseitige Lähmungen habe ich nie gesJie'i.
F!s muss natürlich zugegeben werden, dass das Stovam oder
auch Adrenalin si khe grosse Nervengebiete ausser F iekt.< *r
set/eti kann. Viel wahrscheinlicher ist aber d<*ch die l rv.iJk
nicht im Anästhctikiim, sondern in der Punktion zu suchen.
Ein Herumstocherri in der Riickeninarkssubsi.m/. wie uh das
mit anzuseheii Schon Ge legeulu il hatte, kann natur lull, be¬
sonders bei getasskranken Individuen, durch Geiass/er rc ;sMin.g
eine Apoplexia s p i n a 1 i s i m Gebiete der Lenden-
a ii s c h w e 1 1 ii u g verursachen. Audi bmi it/ (M.,:Ji
mcd. W odieiischr. lönö. 2M hat l.alimui ge n. die I rauten-
roth seinerzeit beschrieben hat. durdi du ekle Nervenver¬
letzungen erklärt. Die Ansicht, dass Blasen- und Mast-
il a r m I ä Ii m 11 u g e n nach Lumbalanästhesie Vorkommen,
hat Roith widerlegt, kh selbst habe derartige Moriinge n
ebenfalls nie gesellen, konstatiere vielmehr mit Freuden, dass
wir kaum mehr eine postoperativ e Zvsntis erleben, we.l Je
Patienten fast durchweg nodi am Operatmnstugc spontan
Wasser hissen. Katheterisnms nach Laparotomie n ist ente-
grosse Seltenheit geworden. An seine Melle ist eine andere
Schädigung des Marnapparates getreten. > c h w arz hat zu¬
erst auf konstante Nierenreizung e n Inugew ie s t o.
die die Rachistov amisation im Gefolge- hat. Mosemann
hat das bestritten.
I kl selbstverständlich nur Katheterharn itir diese Unter¬
suchungen verwendbar ist. so musste ich mente Nachprüfungen
auf M) Falle beschranken, von denen ein grosser I eil le diglich
zum Zwecke des Studiums der Niemiers du mimgen katheteri-
siert wurde. Meine Befunde su;J mm von denen von
Schwarz recht wesentlich verschieden: In U» Fallen fand
ieh f) Stunden nadi Beendigung der Operation Fiweiss mi
Urin. Zu seinem Nachweis ebente jeweils elie F.ssigsaure-
Ferrozyankahum-. Salpetersäure. Ring- und kodiprobe. Die
Menge des ausgescliiedenen Albuinens Sclivvankte etwas, er¬
reichte aber me Prom. nadi Esbach. In von diesen
Fällen war das Fiweiss auch nodi |s Munden nach der (Opera¬
tion im Urin zu finden, meist sdiori etwas Schwacher. In
2 Fällen schwand es erst am 3. lag, 2 mal trat Fiweiss erst
an dem Tage auf. an dem die Patientin das Bett verhess (I mal
der 2., I mal der 3. lag); bei 17 Faiien trat kein Albnmen auf.
Organisierte Bestandteile, die auf eine akute Nephritis lnn-
v\ lesen, wurden nie gefunden, vor allem bestand me ausge¬
sprochene Zylmdrurie. Ich bestreite also, dass
n a c h S t o v a i ii i s i e r u n g des R u c k e n m a r k e s mit
reinen Pr ä p a r a t e n N e p h r i t i d e n. wie sie
S c h vv a r z b e schrei b t. a u r t r e t e n. u n d konsta¬
tiere in u n g e f ä h r d e r Halft e m e mer F alle ei n e
transitorische Albuminurie, die nur mdit bedenklich zu sein
scheint. Wird bei schon erkrankter N.ere operiert, so ist das
Frgebnis der Urinuntersuchung frcil.Ji anders;
Eine stink aimge blute te Patent n n : .rn y pi:.! •. r ,o, rn, ; c \‘.
h ii inen nach Esbach unj sp.,r v * lt n h\.i -. i;! /•, \\ir.:e
w egen M voms nacli Doyen »*p t r t. s >p.it : ..e". p p. w ,ir : f -
w eissgchalt auf I pro n.i 'e. 2-1 MwmY r. J.m.uh au 2 * V - u c ce-
st iegell. blieb J.um 2 I.i<e ’.t» g .n; K it J i«',, t 51 ; ?. t , 4 .„ |
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
i-1. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1483
38 i 1 Proni. Die Zylinderausscheidunit war während dieser ganzen
Zeit vermehrt, schwand mit dem 7. Tag, und erst am 10. Tag war
Jlt Eiw eissgehalt aui 1 Prom. zurückgegangen. Die Erage, ob
-as Stovain für kranke Nieren vielleicht doch eine schwere Schädi-
zj.ng bedeutet, bedarf also weiterer Prüfung.
lieber anatomische Veränderungen an der Niere nach Lum¬
balanästhesie ist bis jetzt so gut wie nichts bekannt; ebenso
:chlen noch Untersuchungen über den Ausscheidungsmodus
und die Ausscheidungsgeschwindigkeit der injizierten An-
jsthetika. Aufgefallen ist mir, dass ich bei Frauen, denen nach
der Laparotomie grössere Mengen Kochsalzlösung infundiert
wurden — ausser wegen des Blutverlustes geschieht dies bei
ns vielfach aus Rücksicht auf die Skopolaminausscheidung —
kein Eiweiss im Urin finden konnte. Ob hier mit dem Kon¬
zentrationsgrad des Giftes die Schädigung des Nierenpar¬
enchyms herabgesetzt wird, ist eine Frage, die der Nach¬
prüfung wert ist. Zugegeben muss werden, dass die Lumbal¬
anästhesie für die Nieren eine Schädlichkeit darstellt, die wir
nach Inhalationsnarkose mit Aether oder Chloroform nicht in
der Häufigkeit antreffen. Während aber die Inhalations¬
narkotika unter Umständen schwere parenchymatöse Degene¬
rationen der Niere verursachen können, scheint die Folge der
Rachistovainisation bei gesunden Nieren nur eine rein tran¬
sitorische Albuminurie zu sein.
Jetzt zu der am meisten gefürchteten Folgeerscheinung der
Lumbalanästhesie, den wochenlang anhaltenden Kopf- und
Vackenschmerzen der Operierten: Wir machten
darin, wie ich das früher beschrieben habe (Münch, med. W.
1908, No. 3), speziell in Tübingen in der Anfangszeit sehr be¬
trübende Erfahrungen. Auf ein fast regelmässig dabei zu be¬
obachtendes Zeichen will ich hier aufmerksam machen, näm¬
lich auf eine auffallende Differenz der Pupillen. Nur eine
Beteiligung der obersten Abschnitte des Rückenmarkes oder
der Medulla oblongata kann das erklären. Die Tatsache, dass
unsere Operierten seit X A Jahr so gut wie völlig von den
furchtbaren Schmerzen verschont bleiben, beweist mir, dass
wir mit unseren Anschauungen über Injektionen in den Lumbal¬
sack auf dem richtigen Wege sind. Cf. darüber die Technik.
Ueber die postoperativen Lungenerschei-
iiungen schreibt Roith, dass am Chirurgenkongress 1905
die namhaftesten deutschen Chirurgen aus einem grossen Ma¬
terial in Inhalationsnarkose Operierter eine Pneumonie-
inorbidität nach Laparotomien von 4—5 Proz. mit einer ganz
respektablen Mortalität berechneten, und es wird als ein
Hauptvorzug der Lumbalanästhesie von K r ö n i g und anderen
hervorgehoben, dass sie annähernd vor Lungenkomplikationen
schütze. Pneumonien haben wir in der Tat auch nicht mehr
beobachtet, dagegen hatten wir im sehr kalten Monat Februar
eine richtige Bronchitisepidemie auf der operativen Station.
Mikulicz hat ähnliches bei Lokalanästhesien beobachtet.
Das beweist, dass das Inhalationsnarkotikum zwar zu Lungen¬
erkrankungen eine gewisse Prädisposition schaffen mag, die
einzige Ursache dazu aber nicht abgibt. (Ich betone dabei,
dass w ir selbstverständlich auf geheizten Tischen operieren.)
Immerhin fürchten wir uns seit Anwendung der Lumbal¬
anästhesie so wenig mehr vor der Bronchitis, dass wir selbst
an Bronchitis erkrankte Frauen bei einigermassen dringlicher
Indikation stets operieren; wir schaden ihnen damit nicht.
Punkt IV, die Verhütung unangenehmer oder gar be¬
denklicher Indikationen zu Beginn und im Gefolge der An¬
ästhesie, gehört mit dem vorigen innig zusammen. Ich scheide
ihn nur deswegen von ihm, weil ich hier keine objektiv mess¬
baren, sondern durch das subjektive Empfinden zu bewertende
0rossen besprechen will. Eine wichtige Frage steht dabei
im Vordergründe, nämlich die der Ausschaltung der Perzeption
und Apperzeption der Vorgänge im Operationssaal. Bezüglich
der Inhalationsnarkose scheinen da ja grosse Schwierigkeiten
nicht zu bestehen, während für das Ansinnen, irgendwelche
Eingriffe in lumbaler oder lokaler Anästhesie ohne Ver¬
schleierung des Bewusstseins zu vollziehen, die Bezeichnung
der „Gefühlsrohheit“ kaum zu drastisch ist. Klaussner
schreibt in seinem prächtigen Büchlein über das psychische
Verhalten der Patienten vor und während der Operation, dass
die Anzahl derer, die Operationen unter Infiltrationsanästhesie
ii herstanden und mit Entzücken von dieser Methode sprechen,
(loch eine recht geringe sein dürfte. Er zitiert Aeusserungen
von auf diese Weise Operierten „Willensstärken Leuten“, da¬
hingehend, dass „schon die äussersten Zumutungen an ihre
Energie gestellt worden seien, und dass sie eine Operation in
der Art um keinen Preis mehr durchmachen möchten“. Die
Kombination der Lumbalanästhesie mit irgend einem Be¬
ruhigungsmittel erscheint also von vornherein selbstverständ¬
lich. Die modernen Bestrebungen setzen in dieser Hinsicht
meist schon am Vortage ein, indem den Patienten durch
Veronal o. ä. wenigstens eine ruhige Nacht verschafft wird.
Für die unbestreitbaren Vorzüge der Darreichung von Skopo¬
lamin-Morphium, sowohl vor Inhalations- wie örtlichen Anä¬
sthesien hier ehrzutreten, dürfte sich erübrigen. Ich verweise
darüber auf das Referat von Roith. Ich selbst habe die
Skopolamin-Morphium-Unterstützung der Narkose etc. seit
dem Jahre 1904 bei tausenden von Fällen gesehen, und zwar
bei der Dosierung, an der wir auch hier im allgemeinen fest-
halten, ohne Schaden (2 mal 1 cg Morphin und 2 mal 3 dmg
Skopolamin.) Es muss natürlich je nach der Individualität des
Kranken etwas ab- und zugegeben, und bei sehr aufgeregten,
sehr korpulenten oder an Nervina schon stark gewöhnten
Kranken dreist mehr verabfolgt werden. Das Klagen der Pa¬
tienten, „dass sie noch nicht schlafen, alles hören“ usw. kann
sonst trotz eindringlichsten Zuredens den Effekt der besten
Anästhesie vereiteln. Die Möglichkeit, völlige Amnesie auch
für Operationen in Lumbalanästhesie zu erzielen, besteht auf
diese Weise zweifellos, fraglich ist nur, ob es nötig ist, den
Dämmerschlaf so weit zu treiben. In den allermeisten Fällen
genügen unsere kleinen Dosen völlig, um den Patienten in ein
einigermassen gleichgültiges, schläferiges Stadium zu ver¬
setzen, und bleibt der Schmerz wirklich aus, so erleben wir in
fast V* aller Fälle alsbald tiefen Schlaf, dessen Schnarchlaute
eine direkte Quelle der Befriedigung für den die Anästhesie
Ausführenden darstellen. W i tze 1 sagt in der Vorrede zu der
kleinen Monographie über die Schmerzverhütung in der
Chirurgie: „Immer wird es der Wunsch des vor Schmerz
bangenden Menschen bleiben, für die Zeit des unabwendbaren
Ereignisses in tiefen Schlaf versenkt zu werden und aus dem
künstlichen Schlafe erst dann zu erwachen, wenn alles vor¬
über ist“. Wir werden diesem Wunsche mit der geschilderten
Art der kombinierten Lumbalanästhesie, wie sie von Roith -
Heidelberg ziemlich gleichzeitig mit K r ö n i g - Freiburg als
ersten angewandt wurde, durchaus gerecht, der Schlaf ist so¬
gar dem physiologischen ungleich ähnlicher als der Aether-
schlaf und hat den Vorteil, dass er durch Anrufen jederzeit
unterbrochen werden kann.
Unterlässt man dagegen bei Inhalationsnarkosen die vor¬
herige Verabfolgung von Sedativa, so scheint mir die kom¬
binierte Lumbalanästhesie bezüglich unserer obigen Forderung
der Allgemeinnarkose weit überlegen. Das furchtbare Würg¬
gefühl im Initialstadium der Narkose, die Sticknot und die
verzweifelten Anstrengungen, der Bändigung von Willen und
Bewusstsein zu entrinnen, bleiben vielen Patienten noch jahre¬
lang in schauderhaftester Erinnerung, und nicht weniger unan¬
genehme Sensationen empfindet der Narkotiseur selbst, der
trotz aller Versuche des „Einschleichens“ etc. doch gehörige
Exzitationsstadien seiner Patienten zu erleben hat.
Ad V. Eine gewaltige Ueberlegenheit der Lumbal¬
anästhesie vor der Inhalationsnarkose zeigt sich zweifellos be¬
züglich der Erscheinungen im Gefolge der Ope¬
ration. Niemand wird leugnen wollen, dass selbst die vor-
züglichst geleitete Narkose das Resultat speziell schw erer und
lange dauernder Eingriffe unbedingt verschlechtert. Bei
kachektischen Individuen, die sich einer Krebsoperation unter¬
ziehen müssen, stellt die Narkose direkt einen zweiten Ein¬
griff dar, und ich bin manchmal das Gefühl nicht los geworden,
— R 0 j t h spricht sich ganz in gleichem Sinne aus —, dass
Patientinnen nicht so sehr der Grösse der Operation, als der
Dauer der Narkose erlegen sind. Bei dem ungleich leichteren
Verlauf des Operationstages und der kritischen Tage post
operationem für die in Lumbalanästhesie operierten Karzinom-
kranken bin ich der Ueberzeugung, dass sich die primären
Mortalitätsresultate der Freund-Wertheim sehen Ope¬
ration bei gleicher Technik künftig bessern werden. .Aber aueh
bei weniger eingreifenden Köliotomien fällt der Vergleich un¬
bedingt zu Gunsten der Lumbalanästhesie aus. Durch sie
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1484
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
erst lassen sich die Massnahmen, die uns in
der Leitung des postoperativen Verlaufs
heute notwendig erscheinen, wirklich durch¬
führen. Wenn auch bei den neuen kombinierten Inhalations¬
narkosen das quälende Erbrechen seltener ist, als früher, so
verweigert doch der Magen 24 Stunden lang alles, und ebenso¬
wenig wird man den schwer narkosekranken Frauen vor Ab¬
lauf von mindestens 2 mal 24 Stunden das Aufstehen zumuten
können. Der grosse Vorteil in' der Prophylaxe der post¬
operativen Thrombose und vor allem in der Verhütung der
Lungenkcmplikationen geht damit verloren. Und nicht zuletzt
scheint mir das psychische Moment betonenswert: Das blosse
Wort „Aufstehen“ wirkt Wunder im postoperativen Befinden
und regt die Lebensgeister und den Willen zum Qesundwerden
mächtig an; den Narkotisierten aber in ihrem Elend fehlt
Wollen sowohl wie Können.
Jetzt Einiges über die Technik. D ö n i t z schreibt, dass
man denen, die viel über Misserfolge zu klagen haben, nicht
dringend genug empfehlen kann, sich genau an die Technik
derer zu halten, die gute Resultate aufzuweisen haben. Das
mag recht selbstverständlich klingen. Und doch bin ich der
Ueberzeugung, dass die höchst diffizile Technik auch heute
noch allenthalben unterschätzt und nicht erst richtig gelernt
wird. Wenn R o i t h sein Referat „Ueber die Narkose im all¬
gemeinen etc.“ mit den Worten einleitet: Der englische
Chirurg hat geschulte Narkotiseure von Beruf und ist zu¬
frieden, der Deutsche hat das nicht und ist meist unzufrieden“,
so gilt das vice versa genau auch für die Lumbalanästhesie.
Ich wundere mich deshalb nicht, wenn aus der Heidelberger
chirurgischen Klinik eine Statistik über Lumbalanästhesie ver¬
öffentlicht wird, die nicht viel besser ist, wie seinerzeit die
von Bosse (cf. Dönitz), und wenn in dieser Konsequenz
für eine Einschränkung der lumbalen Anästhesien plädiert wird.
R o i t h schreibt nämlich, „um den Wert seiner Statistik zu er¬
höhen“, „dass die verschiedenen Anästhesien von vielen und
nicht nur von einigen ausgeführt wurden, dass also die Re¬
sultate nicht etwa.als individuelle aufzufassen sind“.
Dementgegen herrscht bei uns das Prinzip: die Aus¬
führung der Lumbalanästhesie liege mög¬
lichst lange in der gleichen Hand. Nur so kann
eine einwandfreie Innehaltung der einmal erprobten Technik
erzielt werden.s Mit dieser Anschauung ist es uns zweimal
gelungen, Serien von fast 100 Anästhesien — darunter 2 /a
Laparotomien — ohne Versager auszuführen. Abweichungen
von dieser Regel, die freilich im klinischen Betrieb nicht zu um¬
gehen sind, rächen sich stets, wie auch unsere Statistik zeigt.
Wie ich die Technik handhabe, habe ich 1. c. schon be¬
schrieben. Ich lehne mich dabei an D ö n i t z und K r ö n i g an.
Die Zwischenschaltung eines feinen Gummi-
schlauchs zwischen Nadel und Spritze empfehle ich auch
heute aufs Wärmste, da nur so ein absolutes Ruhigliegen der
Nadel gesichert wird. Und noch einen 2. Vorteil hat der
Qummischlauch: Er zeigt uns an, ob die Nadelspitze während
der Injektion auch wirklich tadellos in die Zysterne eintaucht
und nicht etwa in Spalten zwischen. Kaudafasern usw. liegt.
Ehe das Injektionsgemisch eingespritzt wird, ziehe ich den
Spritzenstempel rasch noch einmal um etwa 1 cm zurück.
Liegt die Nadelspitze richtig, so ändert sich an dem Kautschuck
nichts. Bei verlegtem Wege oder nur geringer Liquormasse
— langsames Abtropfen des Liquors aus den Spalträumen!
— kollabiert er dagegen sofort, und ich weiss, dass ich in der
Lage der Nadel eine Korrektur anzubringen habe, wenn ich
auf ein Gelingen der Anästhesie rechnen hill. Durch diese
Kontrolle werden partielle Versager ausserordentlich selten,
und doch besteht gegenüber dem K r ö n i g sehen Besteck eine
wesentliche Vereinfachung.
Auch an das, was ich einspritze, stelle ich heute etwas
präzisere Anforderungen. Die Anschauung, dass wir
durch spezifische Gewichtsunterschiede
zwischen Liquor und Injektionsgemisch die
Höhe der Anästhesie beeinflussen können,
teileichnichtmehr. Die Krönig-Gauss sehen Ver¬
suche und die daraus abgeleiteten Prinzipien bestehen wohl im
Reagenzglas zu Recht, nicht aber im Tierkörper. Das Prinzip
basiert auf einer falschen Voraussetzung. Nicht mit einer
Digitized; by
ruhenden, sondern mit einer durch lebhafte Pulsationen und
fortwährende Atemexkursionen in ständiger Bewegung befind¬
lichen Flüssigkeitssäule haben wir es zu tun.
Aus folgendem Versuch wird das leicht ersichtlich: Punktiert
man einem in tiefer Aethernarkose befindlichen, vertikal am Kopf
suspendierten, völlig ruhig hängenden Kaninchen den Duralsack
dicht oberhalb des Kreuzbeins und injiziert unter geringstem Druck
0,02—0,03 g durch Kochsalzzusatz spezifisch schwer gemachten und
mit Methylgrün gefärbten Stovains, eine Dosis, die, wie Vorversuche
ergaben, für das Tier nicht unbedingt tödlich ist. so geht Atmung und
Herztätigkeit ungefähr 2 Minuten lang ungestört weiter. Dann wird
plötzlich die Atmung auffallend langsam, vertieft, und setzt nach
einigen sehr tiefen Inspirationen schliesslich völlig aus; alsbald steht
auch das Herz stilL Lässt man das Kaninchen ruhig in seiner Su¬
spension und eröffnet den Duralsack an den obersten Zervikalseg¬
menten, so sieht man den Liquor hier intensiv gefärbt die Rücken¬
markssubstanz umspülen. Es ist also kein Zweifel, dass das Stovain.
trotzdem es spezifisch schwerer war, sich durch die Bewegungen der
Flüssigkeitssäule mit dem Liquor gemischt hat ins Halsmark aufge¬
stiegen ist und den Tod des Tieres herbeigeführt hat. Umgekehrt
geht ein in gleicher Weise behandeltes Kaninchen, dem die gleiche
Menge eines spezifisch sehr leichten, aber stark suprareninhaltigen
Stovains eingespritzt wird, nicht in dieser Weise zu Grunde. Die
ersten 7 Minuten nach der Injektion schläft das Tier wie vorher, dann
machen sich leichte allgemeine Vergiftungserscheinungen, lebhaftes
Kauen usw. bemerkbar, jedoch keinerlei Beeinträchtigung der At¬
mung. Tötet man das Tier nach 15 Minuten durch einige Tropfen
Chloroform, so findet man die grüne Flüssigkeit zwar auch oberhalb
der Injektionsstelle, aber lange nicht bis zum Halsmark aufge¬
stiegen: Abgesehen von der „entgiftenden“ Wirkung des Adrenalins
durch Verlangsamung der Resorption scheint durch den Zusatz dieses
Extraktes auch eine Art Lokalisation zu Stande zu kommen. Wie
sich das erklärt, weiss ich nicht. Möglich wäre ja immerhin* dass
die Wirkung des Suprarenins auf die Gefässwandmuskulatur den
Arachnoidealsack partiell verengt und so das Aufsteigen des Giftes
etwas erschwert.
Ich komme durch diesen Versuch wieder auf die alte
Bier-Dönitzsehe Forderung zurück, dem Anästhetikum
Suprarenin zuzusetzen, abgesehen ganz von der Annehmlich¬
keit der Verlängerung der Anästhesiedauer und der Möglich¬
keit, mit der Stovaindosis durch diesen Zusatz herunterzugehen.
Mit 0,04—0,06 Stovain komme ich meist aus, 0,08 wurde nie
überschritten. Die Dosis Suprarenin, die ich jeweils beifüge,
ist 2—3 dmg des Suprareninum hydrochloricum (nicht syntheti-
cum) Höchst. Seit der Verabreichung dieser grossen Mengen
fürchte ich ein unliebsames Hochsteigen des Stovains nicht
mehr und führe unbedenklich und ohne Schaden zu sehen auch
Beckenhochlagerung aus. Weder Augenmuskellähmungen
noch stärkere Atembeschwerden oder ähnl. habe ich seitdem
beobachtet. Doch wiederhole ich, was ich 1. c. schon zu be¬
denken gab, dass ich alle durch brüske Lageveränderungen
bewirkten Niveauschwankungen fürchte, weil dadurch das
Gift direkt zu den lebenswichtigen Zentren hingeschwemmt
werden kann. Alle Bewegungen mit dem Operationstisch
müssen deswegen so langsam wie möglich ausgeführt werden.
Liebl hat auf die schlechte Haltbarkeit der Gemische
mit Adrenalinzusatz hingewiesen; den klinischen Beweis für
die Bedenklichkeit der zersetzten Lösungen glaube ich in
meiner ersten Publikation ebenfalls erbracht zu haben. Ich
habe deshalb gebrauchsfertige Ampullen herstellen lassen, die
die beiden Injektionsflüssigkeiten getrennt enthalten*). Der
wasserklare Inhalt der Phiolen wird erst in der Injektions¬
spritze gemischt und dann injiziert. Die letzten 150 An¬
ästhesien habe ich mit diesem Präparat ausgeführt und aus¬
gezeichnete Erfolge damit erzielt. Da ich glaube, dass Novo¬
kain oder Tropakokain ähnliche Dienste leisten, wie das Sto¬
vain — grosse eigene Erfahrung besitze ich darüber freilich
nicht—, so habe ich diese Anästhetika in der gleichen Kom¬
bination anfertigen lassen. Seit der Verwendung unserer reinen
Präparate sind auch die Nacherscheinungen nach Lumbal¬
anästhesie verschwunden. Immer wieder zu betonen, dass nur
tadellos reine, mit physiologischer Kochsalzlösung durch¬
gespülte Nadeln etc. verwendet werden dürfen, erscheint dann
nicht überflüssig, wenn man gelegentlich sieht, welch ein Satz
sich schon nach kurzer Zeit in der Nadel bildet; dem Lumbal¬
sack wird dadurch Unglaubliches zur Verarbeitung zugemutet.
Dass nicht etwa individuelle Veranlagung an den postoperativen
Kopfschmerzen. Erbrechen usw. die Schuld trage, lässt sich leicht
an solchen Fällen zeigen, die sich wiederholt der Lumbalinjektion unter-
•) Zu beziehen von der Firma G. Pohl. Schönbaum bei Danzig:
auch B i 11 o n, Paris hat mir solche Phiolen angefertigt.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1485
ziehen mussten. Während die Patienten, mit verfärbten, nicht ein¬
wandfreien Lösungen anästhesiert, über rasende Beschwerden
i'Iagten. sind sie bei wiederholter Iniektion mit dem neuen Präparat
völlig davon verschont geblieben.
Bei der Verwendung des Adrenalin in der Lokalanästhesie
sind mehrfach grössere und kleinere Nekrosen beobachtet
worden, die man der Wirkung des Nebennierenextraktes zu¬
schreibt. Ob auch die trophischen Störungen, die ich häufiger
beobachtete, seit ich grosse Dosen Suprarenin verwende, so
zu erklären sind, kann ich natürlich nicht entscheiden.
Kurz zusammengefasst empfehle ich folgende Aenderungen
an der gebräuchlichen Technik:
Die Punktionsspritze ist mit einem Qummi-
schlauch zu armieren, damit jede Verschiebung der
Nadel während der Injektion vermieden werde.
Dem Präparat ist Suprarenin erst im Mo¬
ment der Benützung zuzusetzen. Am besten be¬
dient man sich dazu der beschriebenen gebrauchsfertigen Am¬
pullen.
Nach beendeter Injektion ist jeder Lage¬
wechsel der Patientin langsam vorzunehmen:
Brüske Herstellung der Beckenhoch- oder Tieflagerung ist zu
unterlassen.
Es geht aus dem Gesagten klar hervor, dass die Lumbal¬
anästhesie in ihrer heutigen Gestalt noch unzulänglich und weit
davon entfernt ist, als die souveräne Form der Schmerz¬
befreiung empfohlen zu werden. Unsere Erfahrungen zeigen
aber, dass wir in ihr eine bei aufmerksamer Handhabung
ausserst dankbare Methode besitzen, die der Inhalations¬
narkose in vielen Punkten so wesentlich überlegen ist, dass wir
die Unannehmlichkeiten, die ihr jetzt noch anhaften, gerne da¬
für in Kauf nehmen. Der grosse Vorzug, dass strikte Kontra¬
indikationen gegen ihre Anwendung momentan nicht auf¬
zustellen sind, sichert ihr heute schon einen bedeutenden
Vorsprung vor der Allgemeinnarkose, und es ist nicht
zweifelhaft, dass sich bei der fleissigen Arbeit, die von
allen Seiten auf die Ausgestaltung der Methode verwendet
wird, auch die Resultate weiter bessern werden. Von uns
kann ich versichern, dass wir speziell in der gynäko¬
logischen Bauchchirurgie, wenn uns nicht nachträgliche Er¬
fahrungen eines Besseren belehren, auf die Verwendung der
Lumbalanästhesie nicht mehr verzichten werden.
Literatur.
Birnbaum: Münch, med. Wochenschr. 1908, No. 9. —
Döderlein-Krönig: Operative Qynäkologie. 2. Aufl. —
D ö n i t z: Münch, med. Wochenschr. 1906, No. 28. — Ellerbrock:
Therapeut. Monatshefte 1908, H. 5. — Holzbach: Münch, med.
Wochenschr. 1908. No. 3. — Hosemann: Zentralbl. f. Chirurgie.
19« iS. No. 3. — Klaussner: Ueber das psychische Verhalten des
Arztes und Patienten etc. Bergmann. 1905. — K r ö n i g und Q a u s s:
Münch, med. Wochenschr. 1907, No. 40—41. — Lindenstein: Bei¬
träge zur klin. Chirurgie. Bd. 56, H. 3. — Roith: Beiträge zur klin.
Chirurgie. Bd. 57, H. 2. — Roith: Münch, med. Wochenschr. 1907.
Nn. 17 . — Roith: Monatsschr. f. Geburtsh. und Gyn., 1907. —
Schwarz: Zentralbl. f. Chirurgie 1907, No. 13 und 23. — W i t z e 1 -
Wenzel-Hackenbruch: Die Schmerzverhütung in der Chi¬
rurgie. Lehmann 1906.
lieber periodische Azetonämie bei grösseren Kindern.«*
Von Privatdozent Dr. Hecker.
Die Ausscheidung von Azetonkörpern durch den Urin als
Zeichen bestehender Azetonämie im Kindesalter wird heute
nicht mehr als etwas Aussergewöhnliches betrachtet. Man
findet sie ausser bei Diabetes häufig bei den akuten Magen-
darmerkrankungen der Kinder, besonders dem Enterokatarrh
der Säuglinge und bei den meisten mit Fieber einhergehenden
akuten Infekten. Fr. v. Müller machte schon (im Handbuch
der Ernährungstherapie) auf die dem Kinde offenbar eigen¬
tümliche Neigung zur Azidosis aufmerksam, indem er betonte,
dass die febrile Azetonurie bei Kindern offenbar viel stärker
liervortrete als bei Erwachsenen, so dass man schon bei kurz¬
dauernden fieberhaften Affektionen den charakteristischen Aze¬
tongeruch der Ausatmungsluft erkennen könne.
*) jsjach einem in der Münch. Gcsellsch. i. Kinderheilkunde ge¬
haltenen Vortrag.
I
Diese Neigung der Kinder zur Azidosis wurde von Lang¬
stein und Ludwig F. Meyer und später von A. H ti s s y
experimentell bestätigt, indem unter gewissen Bedingungen
(Kohlehydratkarenz) künstlich Azetonkörperausscheidung er¬
zeugt und dabei gefunden werden konnte, dass sowohl die
relative Menge des Azetons beim Kin^I eine grössere ist als
beim Erwachsenen, wie auch der Zeitpunkt des Auftretens von
Azeton im Urin ein früherer.
Unter den verschiedenen Erkrankungen der Kinder, die mit
Azetonausscheidung einhergehen, hebt sich ein Krankheitsbild
besonders ab durch seinen fast typischen Verlauf: das re¬
kurrierende (periodische, zyklische) Erbrechen mit
Azetonämie. Die Kinder, meist Knaben jenseits der Säug¬
lingsperiode, erkranken in periodischen Zwischenräumen je¬
weils ganz plötzjich mit heftigem, unstillbaren, jeder diäteti¬
schen und medikamentösen Behandlung trotzenden Erbrechen,
das anfangs alimentär, später schleimig, gallig, selbst blutig
wird. In kürzester Zeit tritt starker Kräfteverfall auf, die Kin¬
der machen einen elenden, schwer kranken, oft recht be¬
ängstigenden Eindruck mit ihren eingefallenen umränderten
Augen, der spitzen Nase, der auffallenden Blässe des Gesichtes,
der allgemeinen Schwäche. Sie können nichts, auch nicht das
kleinste Schlückchen Wasser bei sich behalten und leiden in¬
folgedessen an quälendem Durst. Der Stuhl ist angehalten oder
diarrhoisch; das Abdomen eingesunken oder tympanitisch.
Nachdem dieser Zustand einen halben bis drei Tage gedauert
hat, hört das Erbrechen meist ebenso plötzlich, wie es ge¬
kommen ist, ohne erkennbare Ursache auf und nach einer kur¬
zen, oft kaum bemerkbaren Rekonvaleszenz erfreuen sich die
Kinder wieder besten Wohlseins. Charakteristisch ist nun, dass
während der ganzen Dauer der Attacke und oft schon vor Be¬
ginn derselben die Exspirationsluft den charakteristischen
säuerlich-obstartigen Geruch nach Azeton hat, während im Urin
reichlich Azeton, Azetessigsäure und Oxybuttersäure nachzu¬
weisen sind; Körper, welche entweder zugleich mit dem Er¬
brechen wieder schwinden oder noch kurze Zeit nachher nach¬
weisbar bleiben können.
Die Affektion ist in Deutschland im ganzen wenig beob¬
achtet. Die Schilderungen des Krankheitsbildes stammen zu¬
meist aus Amerika und Frankreich, wo S n o w, Whitney,
Comby, Marfan, Morichaut-Beauchant u. a. sich
eingehender damit beschäftigt haben. Durch H e u b n e r (sein
Lehrbuch) und Fischl (in Pfaundler-Schloss mann)
ist sie zuerst in deutsche Lehrbücher aufgenommen worden.
Misch veröffentlichte 4 Fälle aus der H e u b n e r scheu
Klinik, von denen aber keiner das klassische Bild des periodi¬
schen Erbrechens bietet. Bei allen handelt es sich um akute,
rekurrierende hochfebrile Anginen, in deren Verlauf Aze¬
tonurie beobachtet wird. Das Erbrechen ist nicht konstant,
sondern tritt nur bei einigen der Anfälle auf, während allerdings
gewisse Magenerscheinungen, wie starker Zungenbelag und
Anorexie sich durchgehends zeigten. Bemerkenswert ist der
4. Fall, bei dem die als „Magenkatarrh“ angesehenen Anfälle
von Uebelkeit, Fieber (und Angina?) laut Anamnese bis in das
früheste Lebensalter zurückgehen. Man wird die Fälle als
rudimentäre auffassen müssen.
Im Folgenden gebe ich kurz die Krankheitsgeschichten
einiger von mir beobachteter Fälle.
Die Untersuchung auf Azeton geschah teils mit der Legal-
schen, teils mit der von Lange modifizierten Le Nobel sehen
Probe, bei welcher zur Vermeidung der störenden Kreatininreaktion
statt Natronlauge Ammoniak verwendet wird. Der zu untersuchende
Harn wird im Reagenzglas mit einem Schuss Eisessig versetzt; nach
Zusatz einiger Tropfen einer frisch bereiteten Natriumnitroprussid-
lösung lässt man einige Kubikzentimeter Ammoniak vorsichtig zu-
fliessen. Dieser bleibt wegen seines geringeren spezifischen Ge¬
wichts ohne weiteres über dem Urinsäuregemisch stehen. Bei An¬
wesenheit von Azeton in dem untersuchten Urin erscheint an der
Berührungsstelle der beiden Flüssigkeiten ein intensiv vio¬
letter Ring, der bei geringen Azetonmengen erst allmählich
sichtbar wird.
Azetessigsäure wurde durch die Gerhardt sehe Eisen¬
chloridreaktion nachgewiesen. Auf Oxybuttersäure wurde
nicht geprüft.
1 . Fall. Fritz H., 6 Jahre, erkrankt plötzlich mit mehrfachem
Erbrechen jeglicher Speise und zeitweiligen Leibschmerzen. Nach
Difitized b
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1486
MUENCHENER MEDIZINISCHE WQCHENSCHKIBT.
wenigen Stunden schon starker Kräfte verfall: der Knabe beut
schwerkrank im Bett mit halonierten Augen, eingesunkenem
Abdomen, spitzer Nase. Stuhl obstipiert. Die ungeordnete Diät: eis¬
kalter Pfeffermünzthec kaffecloftelweise, Kalomel, TinKtura Veratn.
bleibt ohne jeden Einfluss auf das Erbrechen, ebenso eine rektale
Infusion von U,85 proz. Kochsalzlosung. Temperatur zw iselien 37.5
und 37,2, Puls um I1U. Das Erbrechen dauert 2 1 •; Tage; dann hört
es mit einemmale auf und kehrt nicht wieder.
Mit Beginn und während der ganzen Dauer dieses Anfalles
roch die Ausatemluft des Knaben so stark nach A z e t o n. dass
der Vater, ein Chemiker, der von einer Azetonbildung im Korner
nichts wusste, den (ieruch sofort identifizierte. Im Irin fand sich
reichlich Azeton, ebenso Azetessigsäuie. kein Eiwims«. kein
Zucker. Der Befund blieb der gleiche bis zum Nachmittage des
3. Tages, wo, nachdem das Erbrechen aut'gehbrt hatte, eine deut¬
liche Abnahme des Urinazetons konstatiert werden konnte. Am
4. Tage zeigte sich Azeton nur mehr in Spuren und war am 5. lag
vollkommen aus dem Urin verschwunden.
Der weitere Verlauf gestaltete sich so, dass einige 'läge nach
Aufhören des Erbrechens noch starke Schwäche bestand, nach
-1 Tagen aber alles wieder in Ordnung war.
Der Eall stellt sich als ein typischer Eall von rekur¬
rierendem Erbrechen mit A z t t o n ä m i e dar. w enn mau
die frühere (jeschichte des Knaben erfährt: das Kind hatte drei
Tage Brust, dann aber sogleich Soxleth mit W c i b c / a h n s Hafer¬
mehl erhalten. M i t 4 Wochen trat nach einer Dosis Magnesia
usta zum e r s t e n m a I e Erbrechen auf. In den nächsten
Wochen darauf zeitweises Erbrechen; dabei niemals Diarrhoe sondern
immer Verstopfung.
Zwischen der 7. und 8. Woche nach Zusatz von etwas Milch¬
zucker zur Nahrung starkes Erbrechen mit e r li e b I i c h e m
Verfall des Körpers. Es bestand Verdacht auf Meningitis. Der
Zustand, der 2—3 Wochen gedauert haben soll, führte zu einem
Gewichtsverlust von P4 Kilo.
Mit IV» Jahren „Krampfanfall* nach Konservenspargel, nähete
Daten nicht erinnerlich.
Vom 3. oder 4. Jahre ab häufig, etwa 2 3 mal im Jahr, „f i e b er¬
halte Magenstörungen mit Erbreche n“. w de he nach
Bericht der Eltern auf Kalomel stets prompt zurückgmgen. Bei
einem dieser Anfälle ein halbes Jahr vor dem oben beschlichenen
wurde vom Vater deutlicher (ieruch nach Azeton aus dem
Mund bemerkt.
Seit der Geburt besteht Neigung zur Obstipation, so dass der
Stuhl in der Regel nur künstlich erzielt werden konnte.
Diese Angaben sind in doppelter Hinsicht interessant. Sie
zeigen einmal das Vorhandensein einer konstitutionellen Ver¬
dauungsschwäche, die sich in periodisch wiederkehrenden, zum
Teil sehr schweren Brechkriscn üussern. Weiter lehren sie
aber auch den kontinuierlichen Z u s a tu in e n h a n g
des a z e t o n i^m i s c h e n Erbrechens in diesem Balle
mit gastrischen Krisen d e r e r s t e n Säuglings-
periode. Diese Kontinuität wurde von Heubner be¬
stritten.
Zur weiteren Illustration des Balles mögen noch fol¬
gende anamncstischc Angaben dienen: Der Vater bezeichnet
sich selbst als nervös. Die 2 (irossmiitter seien ner\os.
die eine hysterisch, die andere leide an Gicht. Der mütter¬
liche Grossvatcr war fettleibig; der väterliche Gn>ss\atcr
an Gehirntuberkulose gestorben. Die Mutter ist gesund, hatte
keine Brühgeburt; die Schwangerschaft war ihm mal bis auf einen
im 9. Monat erlittenen starken Schreck (Nachricht von einem Mord¬
anfall auf ihre Mutter). Die Geburt dauerte etwas laug. Kind war
scheintot, normal in Gewicht und Länge.
In der Aszendcnz sind ncuropathische und arthritische Momente
jedenfalls nicht zu verkennen.
Patient selbst ist ein blasser, lebhafter, frühreifer, ungewöhnlich
intelligenter, im ganzen also sicher „nervöser“ Knabe. Ueber die
Veranlassung zu dieser Attacke konnte nicht \icl eruiert werden,
ausser dass der Knabe 5 Tage vorher Schlagrahm. eine ihm 1 ms
dahin ungewohnte Speise, genossen hatte.
Diesem typischen Ball von rekurrierendem Erbrechen
mit Azetonömie setze ich mm eine Anzahl weiterer Bälle bei,
bei denen die Erscheinungen einen weniger ausgesprochenen,
mehr r ud i m e n t ä r e n Charakter tragen.
2. Ball. Erika M., 5 Jahre, erkrankt mit mehrfachem, jedoch
nicht nach jeder Nahrungsaufnahme eintretendem Erbrechen, auf¬
fallender Appetitlosigkeit und massigem Ei eher (urn 3N,2). Das
Erbrechen hört nach wenigen Jagen auf, während der allgemeine Zu¬
stand sich verschlimmert: Die grosse Mattigkeit und Schlaffheit des
Kindes, sein blasses Aussehen mul seine vollständige Appetitlosigkeit
ängstigen die Mutter. Stuhl obstipiert und nur durch Khsma zu er¬
halten, da Abführmittel gebrochen werden. Das Bieber steigt h l äge
nach Beginn der Erkrankung auf 39" und darüber. Es tritt Husten
auf, die Milz erscheint etw as vergrössert. Verdacht auf dvplius ab¬
dominalis. Die am 12. Krankheitstage im Hygienischen Institut sor¬
genommene Untersuchung des Blutes ergibt jedoch ein negatives
Digitized by Google
Resultat ijuo.ul Isplms und Par ats plius. In egen: mm ,h t-aa
ranziger (ieruch der H.iutausdutiMung macht s.^h bcmeima’ K e n
chat akteristiSv her iictucli aus dem Munde. Im l rm \/cJ< n > t
sani emtretende ReaktU'M», keine
Der ganze, ziemlich tatve Halte /. u ^ I -t r i J w r .1 ed't aal \ ' c t n. • c
bezogen und eler l.rt<>lg der e mg«. ie iteteii A ►. a :? l - .e - a pie t-gsd«?
ehe Diagnose. Natrium hu.ar b<unc ein iihnwim' t/\u w in d K .»
bader Wasser bewirkten eine (G":nt ! .tue IU »w’ii g m’J !'.id;
2 I age n s «»läge He muh g.
I isachhch war ke n best mmte r D.die' et zu e'iie'en D
bekam das kuul lange Ze it zu s.ei I .c.'cti. \--r t tu m Ln u :• v m
eins Kind nach re; Ji.ic hem (itnuss s >n Jeden und gei.na' e’Vi
f ischen ( I liuniis^ h l eine a K p t e M a g e n a J T e k t . n d:;m .
Wahrend wiüiei it.idi Angabe des \ ate' $ ‘V/J> uc.iJ «.'.er «ic-
ruch nach Azeton bcmc’khar w.ir.
3. Ball. Sih\ Me s. /.. 3 Iahte. Im \c* ante euer In.i'*? c
(Kind u ml Muhic mdit gesellen > t' tt h ei: ges w «. ‘V -tc« 1 ’ -
brechen \mi 2 tägiger Dauer auf. De Darri.-e s-ririt d*'*. K e v *
zeitig mit e'e m Beg.nn des I d"eJu ,: s zum >! g i"J \ ^e : e
betiiidcn se in gestor t. a'uita ! ende li .i'H - . gr >s\e M.it: , m !. Im ■ : e 'e
Augen. Abmagerung, kein lieber. Den \ n a n< • f • n J.i t vier *** <*:■«
aitige (icnich eiet Aterniutt auf.
Im l rm reichlich Azeton und \/c!c«s. gvrate, ke n I ^e 'g
kein Zucker.
Das Lrbrtd.cn halt 2 I a.e an und kdut da' u : m. : ! w .e e -
Die Xzetonune dauerte 5 läge, und zu.n sj de Re ist ’ I s ^d.« .e ’i
naeh ilem letzten l ibtevheli m>ch stark pst\. c c \ 'de" K \'Ve-
aussc lleldun g geilt Illlt der lUsseMl"; eie s V ge U e e ' "de : s M.o I
in Hand. 5 laze iludi Begum der I * ki.inkiii.g \ ►••ninenes W
beim.viel).
Das Kind batte mii I anJe .k s kt/teii Lik es Md ec ^ v v
leichte Alila. c \<m Irb’cdiel n. t cr.ien.v'iv n. (i.n.vii aus •
Munde. I ine Prutung aut Azct-ni w unle ie d d: d.-Umi t; d:t s
genommen.
3. Ball. W ill\ H.. 3 laloed Bilde’ de s 1.!’ H. ck'aikt m-d
vorausgegangeiie in Katarrh -der oberen I uduege p-dz mi at I r -
b r e c h e n mit stark e m Geruch nach V z e t - n Re* '
seilige Bronchiolitis; m.iss ges I.eKr um v :.i>e B .ow. gr> ec
Mattigkeit. Iian-ne'te \ugeu.
Im l rm reich uh Azeton, '■» -men \-n \ / e t e "> u.nne: Ja'-i
auffailig. dass m.t I seriell m» ! k>. n \ i lru" ag e’Jsd. t. w as w
aut ein Beh-eti %--n l*liovp.(j.ite n h-n.le utv t ‘ >
Das I i IM c c 1 1 e 1 1 tritt W«.hi mei.rdiv'i a,U. '.at a.‘c* I c.'it v!t ”
Stiübareri Chaiakter. Is !n>it n .ich 1 I agv»' au? \.u U 3 l.n;
bessern sich ehe I .uugeuvv mpb Me. p.u ’\ w e JeeM 2 s e f* -
einen fiel. De A zet< .nauss^ Im düng ,m l • n ! ■ t m .m/pi s I.i.v
\'-n etwaigen tr Pieren \iidi en gemr \ t u 's t M de l ’e
IMclltS.
5. Ball. Heilert |d. II Jahre. Am 2 l.ue e e :
f'Äkiiiar en A mg Mia tritt l.rhreulieii ft. d „ e *' • .* e ! *. sdi ■ • m
Ger u c h el es A I e ms nach \ / e t «. n an: Im l ‘ ff - e c ’ -
lieh Azeton. \/e tess-gs.uire zwete mm* ke e \iu'du.' , ••
Aussehen tlcs mi ubr i-geu sehr kuitr gen Lu 1 a '■m - e se -e \‘ •
nähme- el e s guten \ppcdts. 1‘1'cvlen ut:.J \ d .tii'M'e .
ehiuern nur einen lag. elu-ns,. u -e e! e \-i K n . 2 l.-.e • .u’i de n
Bi brechen \ i*i!es W . >li lem.de m Mass. N «.\ l eler • ' s . o w ,r n..
am ersten l äge eler ang imse n I nk’ai's ;: -g \ ■ •• ’i.m. \ -
Aus der \ or ge»c luchte ei es ka-un .s? zu er w .• e", el.iss er
Alter \ on 3 s lalren e • e n se ’rr e ’r.p’ ••.. v i.e :i M.i^eir ’uitte. d.e *
gegen irgend welche K "Sjiu ue r im ge n. be s. r.u-s .s'u ' Jede >;u m h
lutlM lg mit rneliM.iggem l'l'euben re.i^c'Je \/e : " p • ■. *e
w dreien iI.iiii.iN nicht \. m gern mi me ii. IbM-e ste ts \c guug zu v r..
\ er stopiung. Mit 7 Iah:ui i.ig er »< W -di.eii ,ni e^v .”
I irol akipur ii r ti ri i m t • k' \- >s(.ri l'-te'üis Mrt s l.ihm" *\p'
ähnliche I i kiunkimg 1 M'/ediwi urig, k p’m 1 • e •/c u. (> st
Husten) \on 3 W O^ Ile üt iu he r D.omr. lei eler a'-e’ !"• v -i
v. eeler l \ plius noch Parat\ plius rui v ;, v ew oiii in-Ai! k • ' :e N t :
3 lahren ist die Magern mpnnd db.i \ d sd. i „ \ e s v ' w ..e; .!,:
Knabe hat sich Kriheml entw ui !.
Die gcii.miiten BaHc hahen iir'lms^lia.lt t s.m-sdg.r \.r-
scluiulciiliciteii das (icmcmsimed J iss es guiJiz. : g za NX ucn
erselu iniimgcii und .‘\/ctr>nknrpera:iss v be. J-iug ge k- ••tuden m 1 ;
lind zwar snwrlil von A/ebm wie vimi A/e‘ess’^,rred Ii
allen Ballen war die Ausscheidung des A/ed -'s d.irji die V.;s-
atniungsliitt an dem cliarak tenstisglw n (je rruh aus den Mir J
kenntlich. Bieber bestand nur bei eurem I e :! der 1 .ZV.
Ausgesprochen period: selbes \ erhaben l.pss vji nur ’d :
dem ia audi im übrigen t> pivjiea fifdl \ o M eu* w m ke'*-. n B.Z'e
„Britz II.“ sicher konstatieren. Iki Je*) ;;* >c s e'i me hr r :j -
mentären Ballen i»t das \ odiusgdie u ahr:',die’' At* t.keu nt
\\ ahrsclieinlmhkeit an/ufu huren.
') II e li b n e | er w aii* t m s^ r.cI «. f 1 _ • .. ..ex de - l * i
meist rem h an K a'k ph. .sp-had n ,, n- , vv ^ - c \ ■ gi ge -
sforter K it'kauss^ lie-.dimg dun i; de r- t t d „c:
Belutul \o:!,(. gt. w age ich m : e • n*d-e . c v
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1487
Bemerkenswert ist die familiäre Neigung zur Azeton-
ämie bei den beiden Brüdern Fritz und Willy H.
Erbrechen und Azetonkörperausscheidung — Azetonämie
— treten entweder als selbständige Erkrankungen wie im I.
Fall auf oder gesellen sich als selbständige Komplikation einer
bestehenden fieberhaften Erkrankung zu, welcher sie dann ein
eigenes Qepräge geben.
Ohne Zweifel stehen die beiden Erscheinungen: Azeton-
ämie und Erbrechen in einem gewissen Zusammenhang mit¬
einander. Nach Heubner ist die Azetonausscheidung
nicht die Ursache, sondern die Folge der mit der Brech¬
attacke verbundenen Inanition. Heubner stützt sich dabei
auf die Untersuchungen von L a n g s t e i n und Meyer, denen
zufolge Azeton nach Inanition, speziell nach Kohlehydratina-
nition auftritt. Nach Marfan sind beide Symptome als Folge¬
erscheinung einer und derselben vorläufig unbekannten Ur¬
sache aufzufassen. Mir scheint es keinem Zweifel
zu unterliegen, dass das Primäre in dem Zu¬
stand nicht das Erbrechen, sondern die Bil¬
dung der Azetonkörper ist. Das Erbrechen
muss als ein Folgezustand dieser Störung im
Chemismus, wahrscheinlich als ein Ausschei¬
dungssymptombetrachtetwerden. Es gibt Fälle,
wo trotz des Vorhandenseins von Erbrechen und Azetonämie
jegliche Inanition fehlt. Dies zeigt am besten der Fall Her¬
bert F. und auch ein von Fischl mitgeteilter Fall eines drei¬
jährigen Mädchens, bei welchem der gute Allgemeinzustand
mit dem schweren Erbrechen kontrastierte. Ferner gibt es
Fälle von Azetonausscheidung ohne Erbrechen, wie die von
Misch mitgeteilten Krankengeschichten lehren und wie auch
folgender Fall zeigt:
Fall 6. Fritz U., 4 Jahre alt, erkrankt an akuter Pharyngo-
Tracheitis mit massigem Fieber (um 38,5°). Im Urin Azeton. Spur
Azetessigsäure. Kein Erbrechen, geringer Appetit, leichtbelegte
Zunge. Laut telephonischer Mitteilung der Mutter ist der Bub am
nächsten Tag wieder ganz gesund.
Auch D i c k i n s o n hält die Azetonämie für das Primäre
und die übrigen Symptome Auslösende, da das Azeton schon
beim Beginn der Erkrankung oft reichlich im Urin vorhan¬
den sei.
Das Wesentliche ist eine Störung im intermediären Stofr-
vuechsel, welche vorderhand nur durch übermässige Bildung
von Azetonkörpern nachweisbar zu tage tritt. Welche Um¬
stände bewirken aber nun eine solche Störung, bezw. unter
welchen Bedingungen kommt es zur Ausscheidung von Azeton¬
körpern? Hirschfeld und Rosenfeld haben gezeigt,
dass beim schweren Diabetiker ebenso wie beim Gesunden
der Ausfall der Kohlehydrate in der Nahrung die Entstehung
von gewissen Fettsäuren und deren Derivaten verursacht.
Diese sind Azeton, Azetessigsäure und Oxybuttersäure. Die
Untersuchungen erfuhren durch L an g s t e i n und L. F.
M eyer ihre Bestätigung, welche am Erwachsenen und am
grösseren Kind die Entstehung einer solchen Azidosis bei
Kohlehydratkarenz nachwiesen. Auch beim Säugling führt der
Hunger oder, strikter gesagt, der Kohlehydratmangel zu einer
intermediären Azidose. Während die Atrophie an sich nichts
mit der Entstehung der Azidosis zu tun hat, fand sich beim En-
terokatarrh der Säuglinge in der Regel starke Azetonkörper¬
bildung und zwar aus dreifacher Ursache: infolge des Hungers,
einer Störung des Kohlehydratstoffwechsels und einer Ver¬
mehrung der flüchtigen Fettsäuren im Stuhl (S a 1 g e)
Ueber die Q -u e 11 e d e s Azetons ist man heute schon
etwas besser informiert. Seine Entstehung aus E i w e i ss
muss als möglich zugegeben werden, nachdem N b e r g und
Or-
5? Beim AM», de. Fefee ,m
Kaiiismus entsteht zuerst Oxybuttersäure, aus ihr durch
Oxydation die — unbeständige — Azetessigsäure und daraus
durch COs-Abspaltung das Azeton.
Der Ortder Azetonbildung ist vorläufig noch nicht
auf gefunden. Die heute gültigen Anschauungen gehen dahin,
dass die Azetonkörper jedenfalls nicht im Darm, sondern in
den Geweben der Organe entstehen, wenngleich die Möglich¬
keit einer solchen enteralen Bildung nach den Untersuchungen
von Mau ban, Bagi n sky u. a. nicht ganz von der Hand
zu weisen ist. Ein neues Licht auf diese Frage haben die
Untersuchungen von Emden und K a 1 b e r 1 a h und von
Emden, Salomon und Schmidt geworfen. Sie fanden,
dass bei künstlicher Durchströmung d^r lebensfrischen Leber
mit normalem Blut eine flüchtige jodbformbildende Substanz
entsteht, die sie weiterhin als Azeton identifizieren konnten.
Die Menge des gebildeten Azetons war nicht unbeträchtlich und
betrug 13—27 mg in einem Liter Blut. Bei Durchblutung der
Muskulatur, der Lunge und Nieren konnte kein Azeton gefunden
werden. Bei der Suche nach der Quelle dieser Azetonkörper
wurde beobachtet, dass gewisse Ei weissderivate wie z. B.
Aminosäuren keine Azetonbildung veranlassen, während Leu¬
zin, besonders aber Oxybuttersäure und andere aromatische
Substanzen sich als starke Azetonbildner erwiesen. Dadurch
gewinnt die Ansicht aufs neue an Wahrscheinlichkeit, dass
Azeton nicht aus Eiweissubstanzen, sondern aus Fett entsteht.
Die Lehre von der Pathogenese der periodi¬
schen Azetonämie ist ebenso unklar wie reich an Theo¬
rien. Morichaut-Beauchant, der sich hierüber ein¬
gehend verbreitet, führt sie der Reihe nach an. Ich erwähne
nur, dass E d s a 11 das Wesen der Affektion in einer echten
Azidosis, ähnlich wie beim Coma diabeticum sieht. Den Be¬
weis gibt ihm vornehmlich der Erfolg der Alkalotherapie; dass
Rachford, Holt, Valagussa, Comby eine arthritische
Diathese annehmen, da die Azetonämie öfters alterniere mit
anderen arthritischen Zufällen“ wie Asthma, Migräne etc.:
dass Whitney von einer Ansammlung giftiger (imaginärer)
Stoffe spricht. Marfan nimmt einen hepatogenen Ursprung
der Affektion an im Hinblick auf die nicht selten beobachteten
klinischen Leberveränderungen, Schwellung, Ikterus etc. R i -
chardiere spricht von einer Insuffizienz der Leber, welche
das im Organismus gebildete Azeton nicht zurückhalte und
transformiere. Nach B r o c a ist das zyklische Erbrechen in
den meisten Fällen der Ausdruck einer chronischen Appen¬
dizitis, eine übrigens durch C r a n d a 1 e, Townsend u. a.
bald widerlegte Anschauung, die in solchen Fällen entweder
den Appendix intakt fanden oder auch nach Entfernung des
Appendix Anfälle auf treten sahen. Morichaut-Beau¬
chant selbst nimmt eine bakterielle Infektion mit primärer
Lokalisation im Darm an. Auch Misch sieht in dem Zu¬
stand eine „tiefergehende gastrische Störung bei nervösen
Kindern“.
Gegen die primäre Kausalität gastrointestinaler Störungen
spricht, wie Marfan hervorhebt, schon das Fehlen anderer
intestinaler Symptome als Erbrechen, die schnelle Beendigung
der Anfälle und die Wirkungslosigkeit diätetischer Mass¬
nahmen.
Fischl hält das azetonämisohe Erbrechen in einer ge¬
wissen Anzahl von Fällen für hysterischer Natur. Die
Azetonurie spreche nicht dagegen, da sich bei Hysterischen
nicht seiten Azeton im Harn finde ohne gastrische Symptome.
Fischl gründet seine Meinung auf 3 selbstbeobachtete Fälle,
von denen mir allerdings nur einer als zweifellos hysterisch
erscheint: Ein 12 jähriger, auch im übrigen stark hysterischer
und neuropathisch belasteter Knabe bekommt im Verlauf einer
Angina heftige Anfälle von Erbrechen mit Azetonurie, die zu
schwerem Allgemeinzustand führen. Eine brüske Manipulation
an der Tonsille mit gleichzeitiger Verbalsuggestion (Heraus¬
nahme eines Propfes wird das Erbrechen beseitigen) bringt
sofort den Anfall zum Verschwinden und bewirkt ruhigen
Schlaf.
Auch Heubner neigt der Meinung zu, dass nervöse Ein¬
flüsse bei diesen Attacken eine entscheidende Rolle spielen.
Zweifellos ist der allgemeine Zustand des Nervensystems nicht
ohne Bedeutung. Dafür sprechen die Fälle von Fischl, zum
Teil auch die von Misch und auch in meinem Fall I ist
die nervöse Veranlagung des Patienten nicht abzuleugnen.
Eine genügende Erklärung gibt diese Annahme aber nicht.
Jedenfalls liegt eine Insuffizienz im intermedi¬
ären Stoffwechsel gegenüber dem Fettabbau
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Original frnm
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1488
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. >.
vor. Diese kann durch eine Kohlehydratinanition, sehr
wahrscheinlich aber auch durch andere Momente verursacht
sein. In meinen Fällen war eine Kohlehydratinanition nicht
ersichtlich. tEine Beschränkung oder Entziehung von Kohle¬
hydraten war nirgends vorausgegangen und die allgemeine Er¬
nährung war bei allen Kindern eher eine kohlehydratreiche
gewesen. Bezüglich der Hysterie scheint es mir vorläufig
wünschenswerter, angesichts einer so tiefgreifenden Storung
im Chemismus sich nicht in die allzeit offenen Arme dieser
Diagnose zu flüchten, sondern, so lange es geht, nach organi¬
schen Ursachen zu fahnden.
Vielleicht ist der primäre Sitz der Erkrankung wirklich
die Leber und beruht der Prozess auf einer temporär ver¬
minderten Oxydationskraft dieses Organs im Sinne Pfau n d-
1 e r s.
Vielleicht ist die Aetiologie aber auch nicht so lokalisiert
und spielen ganz andere Organsysteme mit herein. Mög¬
licherweise gibt der e i g e n a r t i g e B1 u t b e f u n d im Falle I
einen Fingerzeig.
Fritz H., 8 Tage vor dem beschriebenen Anfall untersucht, er¬
gibt 80—90 Proz. Hämoglobin nach T a 1 q u i s t, 5 000 0ui rote Blut¬
körperchen und n u r 2 700 weisse Blutkörperchen, also eine
ausgesprochene Leukopenie. Die Zahlen stellen das Mittel
aus zwei an verschiedenen Tagen vorgenommenen Zählungen dar.
Das Verhältnis der einkernigen zu den polymorphkernigen Leuko¬
zyten betrug 78:22, war also ebenfalls abnorm. Im 2. Lebensjahre
ist das Ueberwiegen der Lymphozyten noch physiologisch (55 Pro/.);
von da ab tritt ein Ausgleich ein bis zum Ueberwiegen der Poly¬
nukleären. Ausser der Leukopenie sehen wir also noch eine deut¬
liche Verschiebung des Blutbildes zu Gunsten der Lymphozyten, in
gewissem Sinne also eine Entwicklungshemmung des Blutes.
Bindende Schlüsse möchte ich vorläufig aus diesem
Befunde noch nicht ziehen. Es erscheint mir aber sehr
wohl denkbar, dass die zweifellos vorliegende Insuffizienz beim
Fettabbau der Kinder mit azetonämischem Erbrechen ihre Ur¬
sache in einer konstitutionellen Anomalie hat und
dass diese als eine Entwicklungshemmung der
Fettabbaufunktion aufzufassen ist. Die Lcistungs-
schwelle ist hier offenbar individuell schon in den Grenzen des
Normalen sehr verschieden, so dass diese Fettabbauinsuffizienz
in allen Abstufungen, vom einfach empfindlichen Magen
bis zur schweren Attacke des rekurrierenden Erbrechens mit
Azetonämie sowie in akuten und mehr chronischen Formen
beobachtet werden kann.
Es besteht ein Weg, die Störung im System der weissen
Blutkörperchen und die der Fettabbaufunktion in einen ge¬
wissen Zusammenhang zu bringen. Der Ursprung der Lym¬
phozyten ist nach Ehrlich u. a. in den Lymphdriiscn zu
suchen. Diese haben aber nach Po u 1 a i n grosse Bedeutung
für die Absorption und Resorption des Fettes, welches sie durch
ein fettlösendes Ferment beeinflussen. Die konstitutionell
periodischeAzetonämie wäre demnach als eine Ent¬
wicklungshemmung, vornehmlich im Lymph-
körpersystem, aufzufassen.
Es wird jedenfalls von Interesse sein, in zukünftigen Fällen
das Blut der Kinder während einer Attacke und in der anfalls¬
freien Zeit zu untersuchen.
Zur Therapie des akuten Stadiums mag man. dem
Vorschlag Fischls folgend, immerhin eine Suggestiv¬
therapie versuchen (Verkündigung eventuell Vorbereitung
einer Kochsalzinfusion u. ähnl.). Einer absoluten Nahrungs¬
entziehung in den ersten 2 Tagen kann sich vorsichtige Dar¬
reichung einer kompendiösen fett- und eiweissarmen Nahrung
anschliessen. Nützlich haben sich mir als Trockenkost kleine
Stücke Schokolade und gebähtes, trocken ge¬
kautes Weissbrot erwiesen. Alkalien in Form von
Natrium bicarbonicum messerspitzweisc und Karlsbader Was¬
ser haben sich bei dem mehr chronisch verlaufenden Fall II
entschieden wirksam gezeigt. In der anfallsfreien Zeit
empfiehlt sich systematische Behandlung des Gesamtorganis¬
mus durch Hydrotherapie, Luftbäder, Gymnastik; im Hinblick
auf den Blutbefund speziell heisse Wickel, heisse Abreibungen.
Ferner fleischarmes Regime mit Ausschluss bildender und allzu
vnhPuinöser Speisen. Zeitweiliger Gebrauch \on Salzsäure-
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Literatur:
Heubner: Lehrbuch der Kmderheiikur k\ l eu'.’.c 1'*"»
Längste in und Me vor: Die A/uPse im k :r .!e-s.t n r, ?.■.*• -1 i
Kinderheilk., 61. Bd., Ivos. Dieselben: Die \/; :■ s >e C<.s -
lings, Ja lirli. f. Kinder henk., 6v B.J.. !'**>. 1 f. Mt \ er / ;■
Kenntnis der A/et-nmne bei den Inieko ::uO n dm kui.e*.
•lahrb. f. Kinderheilk., 6l. IUI. 1 >"5. Musst: W.m'e Bc f.i^e / ’
Kenntnis der A/uPsis im Kinde maller, Antm'» ; t. d gts I': \ s n:
Patli. d. Stoffw., pMM*. I ~ M o I I c h a u t - B c a lu !i j n t: i
gerne des vomissernents ä rt Julies a\ec .u<. t- :k v.e J.e/ ie/ e'”a* >.
(Ja/., des h"P., -47. - - 1 i s e h I: I es \ • musst mc-*US Je i : ■ e .v. .ie s
et l'hystene infantile. Re\. mens, des W.ide . et.:..me. b. i 1 ■**>
Misch: Zur Kenntnis des periodischen I r breche ns im h .eci tc m
.lahrb. f. Kinderheilk.. 61. Bd. l‘>oS f . I :i iu t 1 •<. \<■ : e .«
Azeton, Munch, med. \\ ochensJir.. So Du D-'o.i: l.c
f. Kinderh., 6.4. Bd.. S. 65.4. 11 i r s c h I e 1 J ur d R s e n ! e 1
Zeitschr. f. klm. Med., Bd 2s und M. - >n<-ve. \\ h i t n c t.
C o rn b y, Marfan, L d s a I 1. R a c h i < r d. M «»i t. \ a . .t g u * s .*.
R i c h a r d uD c, B r o c a. I ra n d a ! e. I < > w nse n d. V. a u b a
zitiert bei .Muri i haut. (i c e 1 m u \ de n. > c h w a r /. V, a c u s.
L e v i. /liiert bei I. a n g s t e i n - V e \ e r. H a g i t v k \ 1 % - •. *
A/etomine bei Kindern. Arcli f. e*\p l’ath . l ss l 1 n* e r w
K a 1 b e r 1 a h; E rn d e n. S a 1 << m <> n urul "■ c li in i d leer \.m : -
biidung in der Leber, Beitr. / d em. Ph\sud. urul P.i'h. “ B : . S 4 M
- M. A. Puiilam: Pc lacU-u des e uu : ns «\ ;t.e \ v;*
1‘al'snr ptimi et la res»»rpto»n vle s gra.ssis, U\ v. nc.s ces V..
de l enfance t<»nie. Jo, lvuj.
Aus dem chemischen Laboratorium des ak K eme.:.eu K:.« k.u-
hauses Hamburg-EpiKmJorf.
Untersuchungen über den Nachweis von Blut im Harn mit
Hilfe des spektroskopischen und einiger spektroskopisch'
chemischer Vorfahren.
Von O. Schu m m.
Das Interesse für d e Spektroskop.sdien Prohc-n auf Pk.it a:
im Laufe der letzten Jahre etwa in dem Masse ger.r.ger ge¬
worden, als die Zuverlass.gkeit eitbger dum’sdier B i*p r < «bem
namentlich der Guainkblutprohe (1 ]. durdi befere \::nnJ
timg ihrer Fehlerquellen zugeriommen hat.
Trotzdem ist die spektroskopische M e -
t h o d e für den Kliniker a u c h h e u t e n o c h u n ent¬
behrlich. Sie ermöglicht e >. d e n N a c h w e . s
e i n e r B I u t b e i m e n g u n g ? u m Harn in viele n I* a ! -
len mit g e r i n g s t e m Zeit a u t w ;i :i J / u f a !i reo.
ferner gibt sie Aufschluss u b e r d : e F <» r m .
der der B 1 u t f a r b s t o i i i;n Harn vorhanden ist.
F ü r d e n j e n i g e n, der in der Aus t ;i h r u n g u :t J
Beurteilung der üblichen Farbreaktionen a u :
Blut nicht ganz sicher ist. bildet d : e spektro¬
skopische M c t h o d e d i e geeignetste Kontrolle,
z u m a 1 s i e a u f ganz anderen Prinzipien b e ruht
Ich habe daher \ ersuche ul'er J e Z:;\ e’d.ss.gke;: u:ul
Empfindlichkeit verschiedener Austdirung *j. *rme n der spektro¬
skopischen Probe auvgeiiihrt. Pa idt be-'!\id|%: li.i'te. dass
die Zuverlässigkeit und Emptm.!'. d:ke:t in gyw >hii Gretveu
abhängig ist von der Art des 1 u nutzten Spektr.fslo#*. v.> hum
ich gleicli/eitig untersucht. mit wddum Ke-vtr-id <u v’\p :v
des Spektroskops man die besten Ergebu ss C e:/e't. P.P'l
hat sich nun gezeigt, dass nun. um d e ier d.is P.lut cb
teristische Ahsorptionserscbe.mmg ::u Spektrum .euli bei ge»
ringeln Blutgehalt in relativ dur.k’eu »• .1 e r ge Pnbte n 1 ...vs
keiten möglichst deutlich w a^'rue’mie:: /i k• n. .:'M P. ^*e .
ein Spektroskop anw endet, das c.ue s ( ur gm. ge iPi'i’c ■
(Ausdehnung des Spektrum) u’d g’e^n g ns Jmt ge* r*gc
Eigenabsorption besitzt. Ibescr \::;«nde*u: g e:“spr:dit u: de*n
zur Zeit erreichbaren Masse das \ nu nur k i’v'.dl
Ilandspcktroskop |J], Nadtstdem !:at s.Jj m/ mi N.i.hw e s
geringer Bliitbeimengimgen das emtadte gerade.d'* ge 11.*.’ d-
spektroskop (mit dreiiadietli \mic : pr '»um) b*. w a!rt. See
Eigenabsorption ist aber sdi n merk' di g:<*ss C r. s.» dass t >
bei der Untersuchung s.-Uier 1 ' .s^.gk. w \ d c fe !at!v dm kd
und getrübt sind, die* Ee.stung d s ucc. ■ •• • *. *: S”>ck*d#^k-
nicht erreicht. Per B u n s e n - K Ju’d-s. b. \['
in der allgemein iibi.dien Am:’ .:. r :uu;d *•:•. !.* •* !• ” i *•-
wähnten Pallen imdi Wecker g :te P. s-/\.v. t s ; .* .!
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1489
der starken Vergrösserung, für die der Bunsen-
Mrctihoff^he Apparat allgemein eingerichtet wird, ein sehr
ausgedehntes und lichtschwaches Spektrum entsteht. Infolge¬
dessen sind die auftretenden Absorptionsstreifen breit und ver-
scnu ommen. Bewirkt die zu untersuchende Flüssigkeit zufolge
ihrer Beschaffenheit auch noch einen starken allgemeinen Licht-
' erlust, dann wird das Spektrum bei diesem Apparat so dunkel,
dass die Untersuchung unmöglich wird. Daher habe ich für
meine Untersuchungen einen Bunsen-Kirchhoffsehen
Apparat v °n etwas abweichender Ausführungsform hergestellt
. ne Objektive haben einen Durchmesser von 30 mm
und eine AeQuivalentbrennweite von nur 16 cm. Da die Brenn-
wejte des Okulars 80 mm ist, so ist die Vergrösserung nur
^ ,ne “ lache. Dadurch wird ein helles kurzes Spektrum erzielt.
Selbst s eh r schwache Blutlösungen geben mit
einem derartigen Apparate noch scharfe,
leicht identifizierbare Absorptionsstreifen,
zu deren genauer Ortsbestimmungdie am Ap¬
parat angebrachten Messvorrichtungen die¬
nen.
Da es für die praktische Verwendung der spektroskopi¬
schen Methode wünschenswert ist, ihre Empfindlichkeit zu
kennen, so habe ich darüber eingehende Untersuchungen aus¬
geführt. Zunächst prüfte ich die Methode an wässerigen Lö¬
sungen defibrinierten menschlichen Aderlässblutes 1 ), dessen
Hämoglobingehalt 93 Proz. betrug, und erhielt dabei folgende
Werte.
Tabelle I.
Ver¬
dünnung
Schicht¬
dicke
Bunsen-Kirchhoffscher Apparat,
Vergrösserung 2 fach,
Spaltbreite 0,01-0,02 mm.
Geradsichtiges Hand¬
spektroskop von Zeiss
1:4000
4 cm
Positiv.
Positiv.
1:5000
4 cm
Noch identifizierbar, positiv.
Absorptionserscheinung
äusserst schwach, eben noch
zu identifizieren. Positiv.
1:6000
4 cm
Noch identifizierbar; die Lage
des ersten Absorptionsstreifens
lässt sich noch annähernd be¬
stimmen. Positiv.
Absorptionserscheinung eben
angedeutet, nicht mehr in-
dentifizierbar, negativ.
1:7000
4 cm
Absorptionserscheinung äusserst
schwach, eben noch zu identi¬
fizieren. Positiv.
1:8000
4 cm
Absorptionserscheinung eben an¬
gedeutet, nicht mehr identi¬
fizierbar.
1:15000
10 cm
Eben noch zu identifizieren.
Positiv.
Noch identifizierbar. Positiv.
1:25000
20 cm
Eben noch zu identifizieren.
1 :30000
20 cm
Eben noch identifizierbar.
Positiv.
Negativ.
Vorstehende Beobachtungen erlauben die Annahme, dass
Harne, deren Farbe den Verdacht einer Beimengung von Blut
nicht auf kommen lässt, doch solche Mengen Blut enthalten
können, die sich durch das Oxyhämoglobinspektrum nach-
weisen lassen.
Daraufhin Angestellte Versuche bestätigten die Annahme.
Die erhaltenen Werte sind in nachfolgender Tabelle zusammen-
gestelH:
Tabelle II.
Frisches menschliches Aderlassblut (Hämoglobingehalt 93 Proz.) mit
normalem Harn vermischt.
Mischungs¬
verhältnis
Schicht¬
dicke
Bunsen-Kirchhoff¬
scher Apparat, Ver¬
grösserung 2 fach,
Spaltbreite 0,02 mm.
Geradsichtiges
Handspektroskop
Handspektroskop
nach Schümm
l:GOOO
4 cm
Eben noch zu
identifizieren.
Kaum mehr zu
identifizieren.
Eben noch zu
identifizieren
1:15000
10 cm
dto.
dto.
dto.
1:25000
20 cm
Noch zu identi¬
fizieren, beide
Streifen ziemlich
deutlich.
Noch zu identifi¬
zieren. Der zweite
Streifen aber
äusserst schwach.
Positiv. Beide
Streifen deutlich
vorhanden.
1 : 30000
20 cm
Absorptions¬
erscheinung kaum
angedeutet, negativ.
Negativ.
Absorptions¬
erscheinung äusserst
schwach. Kaum mehr
zu Identifizieren.
Die Lage der beiden A'bsorptionsstreifen des Oxyhämo¬
globins fand ich bei Beobachtung einer 1 proz. Lösung von Blut
*) Das erforderliche Blut erhielt ich frisch von der I. Chirurg.
Abteilurvg unseres Krankenhauses; es war zum Zwecke der Gefrier-
punktbestimrnung entnommen worden. Den Herren. Sekundärarzt
Dr. Kotzenberg und Dr. Goldammer danke ich auch an dieser
Stelle für die oftmalige Ueberlassung des wertvollen Materials.
No. 28.
in Waser oder Harn bei 2 cm Schichtdicke zu: m L 589—567
(für den ersten Streifen, auf der Grenze von Rot zu Gelb be¬
ginnend!; 555—523 (für den zweiten Streifen). Es ist also
möglich, mit Hilfe der direkten spektroskopischen Beobachtung
noch recht kleine Beimengungen von Blutfarbstoff zum Harn
nachzuweisen. Füllt man den Harn in ein Reagenzglas, dann
gelingt der Nachweis freilich nur noch in einer Verdünnung von
etwa 1:2000. Die Empfindlichkeit wird aber
ausserordentlich gesteigert, wenn man den
Harn in eine Polarisationsröhre von. 10 oder
20 cm Länge, wie sie für Zuckerbestimmungen
gebräuchlichsind, einfülltunddanndieRöhre
in Längsrichtung vor den Spalt des Spektro¬
skops bringt. Der Nachweis gelingt dann noch
ineinerVerdünnungvon 1:25 000 (= ca. 1 T r o p f e n
Blut auf die Tagesmenge Harn).
Ich habe weiter Versuche darüber ausgeführt, ob sich die
Empfindlichkeit der spektroskopischen Methode noch steigern
lässt. Formänek [5] gibt an, dass eine gegebene Menge
Blutfarbstoff dann das intensivste Spektrum liefert, wenn man
ihn in Hämochromogen überführt, oder, kürzer ausgedrückt,
dass das Hämochromogenspektrum das intensivste aller Blut¬
farbstoffspektra ist. Ich habe wiederholt dieselbe Beobachtung
machen können. Es schien mir daher wünschenswert, unter
Benutzung des gleichen Blutes, das zu den oben beschriebenen
Versuchen verwandt worden war, auch die Empfindlichkeit
der Hämochromogenprobe festzustellen. Ich verfuhr folgen-
dermassen:
30 ccm der betreffenden Blutlösung wurden mit 2 ccm starker
(40 proz.) Natronlauge in einem planparallelen Glase gemischt, mit
einigen Kubikzentimeter Aether überschichtet und 1 ccm Schwefel¬
ammonium zugetropft. — Die durch den Zusatz der Reagentien be¬
wirkte Verdünnung wurde mit in Rechnung gezogen.
Tabelle III.
Auflösung defibrinierten Blutes in Wasser.
Ver-
Schicht-
Bunsen-Kirchhoffscher
Handspektroskop nach
dünnung
dicke
Apparat Vergrösserung 2 fach.
Schümm.
1:6600
4 cm
Hauptstreifen des Hämochro-
Hauptstreifen des Hämochro-
mogenspektrums noch deutlich,
erkennbar. Positiv.
mogenspektrums noch deutl.
erkennbar. Positiv.
1:6600
8 cm
Absorptionserscheinung die
gleiche, der Streifen aber sehr
Absorationserscheinung eben
noch identifizierbar. Positiv.
schwach. Eben noch identifi¬
zierbar. Positiv.
1:8800
4 cm
dto.
dto.
Auf Grund dieser Beobachtungen liegt es nahe, für den
Nachweis kleiner Mengen Blut im Harn die Ueberführung des
Oxyhämoglobins in Hämochromogen vorzuschlagen. Versucht
man aber, den Gedanken in die Tat umzusetzen, so zeigt sich,
dass dies auf eine sehr einfache Weise nicht gut ausführbar ist.
Setzt man nämlich dem Harn die erforderlichen Reagentien
hinzu, so entsteht ein bei manchen Harnen sehr starker Phos¬
phatniederschlag, der den Blutfarbstoff mit niederreisst. Die
Flüssigkeit ist dann oft so stark getrübt, dass sie sich ohne
weiteres zur spektroskopischen Untersuchung nicht gut eignet.
Filtriert man nun den Niederschlag ab, so wird damit ein
grosser Teil des vorhandenen Blutfarbstoffs entfernt. Dieser
lässt sich dem Niederschlag zwar durch Eisessig entziehen;
durch die noch erforderliche weitere Verarbeitung wird das
ganze Verfahren aber recht kompliziert.
Ich habe deshalb Versuche über die Empfindlichkeit einiger
anderer spektroskopisch-chemischer Verfahren ausgeführt, bei
denen der vorhandene Blutfarbstoff ebenfalls als Hämochromo¬
gen nachgewiesen wird. Sie mögen im folgenden kurz als
Tanninmethode, Zinkazetatmethode, Eisessigäthermethode be¬
zeichnet werden.
Tanninmethode. Die Ausfüllung des Blutfarbstoffs aus
dem alkalisierten Harn mit Hilfe von Tannin und Essigsäure ist
schon früher von Struve [6] angewandt worden* um aus dem im
Harn enthaltenen Blutfarbstoff die Häminkrystalle darzustellen. Ich
•habe, in Anlehnung an die Struvesche Vorschrift folgendes Ver¬
fahren ausgearbeitet und durchgeprüft.
100 ccm Harn werden mit 1 ccm Salmiakgeist alkalisch gemacht,
unter Umrühren mit 5 ccm frischer 10 proz. Tanninlösung versetzt
und dann mit Essigsäure schwach angesäuert (etwa 3 ccm ver¬
dünnte [30 proz.] Essigsäure). Die Flüssigkeit wird durch ein kleM •
3
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MUENCHeNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. J'v
Filter filtriert, das Filtrat fortgegossen. Den Niederschlag cxtraliicrt
man auf dem Filter durch Aufgiessen von etwa b ccm Salmiakgeist,
die ablaufende ammoniakalische Lösung fängt man in einem Glas
von etwa VA ccm Durchmesser auf (Reagenzglas, besser ein plan¬
paralleles Glas) überschichtet sie mit etwas Aether und setzt etwa
5 Tropfen gutes Schwefelammonium hinzu. Nach ein bis zwei Mi¬
nuten zeigt die Flüssigkeit das Spektrum des Hümochromogens.
Diese Probe habe ich deutlich positiv erhalten noch bei
einem Mischungsverhältnis von ITeilBlutauf 50ou Teil e
Harn. Sie übertrifft die Hellersche Blut¬
probe bedeutend. Es sei bemerkt, dass die
Verarbeitung grösserer Mengen Harn als
100 ccm sich nicht empfiehlt.
Die „Z i n k a z e t a t m e t h o d c“ wurde von C. Wulff
vorgeschlagen. Die Vorschrift lautet [7]:
„50 bis 100 ccm Harn werden mit */io Vol. Zinkazetatlosung von
3 Proz. versetzt, die Mischung wird dann im Wasserbade erwärmt,
bis sich der Niederschlag zusammenballt und letzterer, nach dem
Absetzen, auf einen kleinen Filter gesammelt. Fm kleiner Teil des
Niederschlags ist hieraui auf dem Objektglasc vorsichtig zu trocknen
und dann zur Häminprobe zu verwenden. Der Rest des Xinknicdcr-
schiags wird in Ammoniak gelöst, die Lösung filtriert, durch Nach¬
waschen des Filters auf 4—5 ccm gebracht und im Reagen/glase mit
einigen Kubikzentimetern Petroleumbenzin geschichtet. Nachdem der
Blutfarbstoff dieser Lösung durch Zusatz einiger Tropfen weinsaure-
haltiger Fcrrosulfatlösung (je 1 Teil Weinsäure und Ferrosuliat. I<>
Teile Wasser) reduziert ist, wird dieselbe spektroskopisch geptuit“.
Nach dieser Vorschrift habe ich recht günstige Resultate
erzielt; nur ist ihre Ausführung etwas zeitraubend, weil die
Mischung aus Harn und Zinkazetatlosung im Wasserbade er¬
wärmt werden soll, bis der Niederschlag sich zusammenballt.
Ich habe nun versucht, die Methode dadurch einfacher und
schneller ausführbar zu gestalten, dass ich das Erwärmen über
freier Flamme (bezw. Drahtnetz) vornahm, und zwar, bis die
Temperatur der Flüssigkeit etwa 70 80° betrug. Im übrigen
verfuhr ich nach W o 1 f f s Vorschrift. Bei dieser Ausführungs-
form waren die Resultate gleichfalls recht befriedigend, wie
nachfolgende Beispiele zeigen.
1. Mischung aus defibriniertem menschlichen Blute und altem
Ham, Verhältnis 1: 10 not). Verarbeitet werden 50 ccm. Zur Fxtrak-
tion des Filterrückstandes werden 4 ccm Salmiakgeist benutzt, das
Filtrat mit etwas Aether überschichtet und mit einigen Tropfen der
frisch bereiteten weinsäurehaltigen Ferrosulfatlösung versetzt.
Untersuchung mit:
a) Handspektroskop nach Hauptstreifen des Hämochromogen sehr
Schümm 1 deutlich. Positiv.
b) GeradsichtigemHand- Hauptstreifen des Hämochromogen deut-
spektroskop nach lieh, aber nicht so scharf wie mit ,a.“
Browning
2. Mischung aus defibriniertem menschlichen Blut und Harn.
Verhältnis 1:20 000. Verarbeitet loo ccm. Zur Extraktion des Filter¬
rückstandes werden 3 ccm Salmiakgeist benutzt. Weitere Behand¬
lung wie bei „1.“ — Hauptstreifen des Hämochromogen recht
schwach, aber noch identifizierbar. Positiv.
3. Mischung aus defibriniertem Blute und Harn, Verhältnis
1:20 000. Verarbeitet 50 ccm. Weitere Behandlung wie bei „2".
— Hauptstreifen des Hämochromogen äusserst schwach, aber noch
identifizierbar.
Bei dieser vereinfachten A u s f ü h r u n g s -
form der Z i n k a z c t a t in c t h o d c liegt die Emp¬
findlichkeitsgrenze demnach bei etwa 1: 20 000 .
Die Essigsäurcäthcrmethndc führe ich bei Harn
seit einigen Jahren folgcndcrmassen aus:
50 ccm Harn *) werden mit 5 ccm Eisessig und 4u 50 ccm
Aether im Scheidetrichter stark geschüttelt. Nach erfolgter Tren¬
nung 3 ) der beiden Eliissigkeitsschichten lässt man die untere (Harn¬
schicht) abfliessen. Sie wird nicht benutzt. Zu der im Scheide¬
trichter verbliebenen Aethcrlösung setzt man etwa 5 ccm Wasser,
schüttelt tüchtig durch und läst die nach dem Aufhören mit dem
Schütteln sich abscheidende untere wässerige Flüssigkeit abfliessen.*)
Sie würd nicht benutzt. Zu der im Scheidetrichter befindlichen
Aetherlösung gibt man mehrere Kubikzentimeter Salmiakgeist, ver-
*) Man kann natürlich auch grössere oder kleinere Mengen ver¬
wenden.
3 ) Scheidet sich die Harnschicht nicht gut ab, so gibt man etwas
Alkohol zu und schüttelt einmal sanft um. Bisweilen ist auch ein
nochmaliger Zusatz von etw r as Aether notwendig.
*) In einzelnen Fällen kann es vorteilhaft sein, die Aetlicr-
lösung nochmals durch Schütteln mit einigen Kubikzentimeter Wasser
zu waschen. Darüber entscheidet die Erfahrung.
schliesst den Scheidetrichter und schütte.t unter kahmig t
DarüberflicSNCiilassen des Mrahis der Wa^sta c tung» etwa . V n-.t«
Man prnit jetzt mit Fackmtispap.cr. I>;e Reust;' u s *.! M.rk a ►
sein; ist sie es mellt, s > setzt man rmJi s-kiei M •a , i.
Ins nach dem Schlitteln die Reaktion stark a ka s.h b i •>:. V.n
nun die mehr oder weniger stark -getu'hte untere w .«ssi ’ ge t.
die mmmelir den etwa \or!:a:ukneii B, Utkr bst. it as II.n .•.* n t
halt, nebst einem kleinen li.i der Aethe r.. ''■arrg aus dem R
Seheidetricliters m ein «am besten p uöp.ru. e es» «las'i \ :i 2 r
4 ccm DurJmieser ibessen. set/t etwa 5 1* Tr-pten givifgtw"
Schwelefammoimim liu./u und »mterviuMt spektmsk »p.s w h. >*<g e - "
oder nach einigen M. nuten tr.tt die A pt. • ; ».e * smie -:g *
Mamochromogens auf, ta. s B.utlar! st- ti m neune : sw er !i: NV:\e
vorhanden war. -
Die E m p t i n el 1 i c b k c i t n g r c ii / c dieser M c -
t h o d e liegt na c li m e inen \ i r v iu lt e n b e i et \x
1: 2tI (mhi. Sie ist bei einiger L e b u n g / i i tu f| v h
s c li null a n s f n b r h a r und hat den Vorzug, dass
sie zuverlässige R e s u 1 t a t e a u c li bei stark ge¬
färbten und bei stark a I k a I i s c b e n. i n Zer¬
setzung b c f i n d I i c h m II a r n e n g i b t. h e i d e n e r.
der Blutfarbstoff schon in Humatin u ber¬
ge g a n g e n und daher d ii r Ji direkte spektro¬
skopische Besichtigung nicht sicher n a c h -
w e i s b a r ist.
Die AbsnrplinnsersJiciming des Manu Jiroun.gLii>
alkalischer Losung (I: im, Schichtdicke- 1 ein) ist i< ’gcr.dc:
Der Schart begrenzte M.oiptMretin nnttin /w de”
!'r a li ii h o f c r sdu n Limen D mul 1. vmi /<</ n. 7
Der /weite, sdiwai(ii-ie lind wefiger sJiaM bi grenz te >t'e n * c-
gmnt etwa hn /'// 53>. Seme dunkelste Partie riuht \<>u ; '*» l
etwa 51<i. I r M.uiptM r i ik n ist audi unter u>’g mst^e n \i-'
nissen seiner günstigen läge w egen it.di! zu er kt men.
Im Zusammenhang mit vorstehenden l ntcrvi Jnngcn habe
ich nun noch vergleichende Versudie über d e Ftöfm: d'.JAed
der Spektroskop.s Ji-Jicmis Jr-ii Eisessig.tthcmk th* wie u::J
der exakten Ansiiihruirgsfurm der < iaauikM üpr.'l'e ’) r.isgc-
fuhrt. Dabei stellte sidi heraus, dass die Emp’mdN Jtke ;t be.der
Proben für Harn etwa die gleiche ist.
I >a nun die vorbereitende Bdiandkfeug des Hirns : :.r J e
Spektroskopisdi-dieimsclie Essigs.,nrea:!iern:d!p de und lar d e
(Jiiajakblutprobe. sowie ei.JIidi aikh inr die i-euerdnigs m -V.;:-
nähme gekommene Benz: Jmb'utpn»he M m gäaJk-r \V e sc e r -
frlgt, für die Ausfuhrting der genannten FarbpmKn a''er n :r
w enige Kubikzentimeter des Aetlu rextraktes erf *r.ie r, \ll sod.
so lässt sich die spektroskop;sdi-du m sdie Pr. dk- mit d.n
chemischen Farbproben in beijuctnskr W e s v - \ ereei gen.
F li r d i e j e n i g e n F a Ile. in d e n e n m a n m t t e : s
einer anderen Methode als der mikroskopi¬
schen im Harn in exakter Weise auf d : e \n -
w e s e n heit v o n B I u t I a r h s t o i f p r n t e n w i ] |. u n d
in denen die direkte spektroskopische P r u *
I li n g d e s u n v o r b e r e i t e t e :i 11 a r n s \ e r s a g t. e m p -
fehle i c h daher ein kombiniertes V e r f a h reu,
für d a s mir die kurze B e z e i c h n u n g ,.F xtrak-
t i o n s m e t h o d e“ a n g e m essen e r s v. li e int. 1 n d e ni
i c li b e t r e f I s der E i u z e ! h e i t e n auf die \ o r -
steh e n de Bes c h r e i I' u n g der ,.E i m s m m t lu r -
m e t h o d e‘* und die Literatur über die < i u tiak-
b I u t p r o b e und B e n z i d i n b 1 u t p r«» b e zur u ck-
verweise, skizziere ich kurz den < j a n g der
„E x t ra k t i o n s m e t h o d e":
..5«* ccm Marn ; ), 5 ccm I scssg. 4'* U 'ii \i* ir. >\rk
schütteln. Wässerige Schicht en;?e r nen. Aet' i' -‘Sir g ir • 5 ut
W asser schütteln, wassingc Scli.cltt entteruvu. i - i - : si reu D
der Aetherlösung mit den 1 arbreakt.i'ikii p:;;k-i.‘)
Ä ) Im Notfall genügt auch ein weiteres Reagcu/g'.is.
") Von der urspriing.iclien. e-niacheti Au'* . •' ."gsi -r-n vier
Guajakblutprobe ist an dieser Stcl.e abgesehen, e.i s e bekam::' wh
l*ei Ham nicht eindeutig ist.
Nimmt man mehr Harn, dann ist enSp'ck' c n.! Ti 1 :: bis.
essig und Aether zu nehmen.
“) a) (iuaiakpr.-be: Fange Kub.kzenbmi te r Vi em-sung. 3 b.s
10 Tropfen frischer (iuaia.staiktur t/u le e teil entw eüi r .ms
1 kleinen Messers;», tzc v.’.l «in . ; ak • .Pzpu c- u* j e n seilt kn- s-
zentimetcr Alkohol durch Matiui :m Re.iger.-g .is u*-.i „s.arcs
Abgiessen“ oder Af'ti.tr ie reu. oder aus ei’kai 1 1 .1 < j .. .• . - ms.mrc
und l'.ti Teilen Alkohol» und etwa 2.' ir ::Tn \e-;:.r/:en 1 e’pcn:.;i-
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14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1491
Hauptmenge der Aetherlösung unter sorgfältiger Kühlung mit
Salmiakgeist im Ueberschuss tüchtig schütteln. Ammoniakalisohe
(untere) Schicht nebst einem Teil der ätherischen in ein Glas ab-
^essen lassen, Schwefelammonium zusetzen und (in möglichst dicker
Schicht) spektroskopisch untersuchen.
Wenig befriedigende Resultate habe ich bei der Nach¬
prüfung der von Lecanu [9] angegebenen „Koagulations¬
methode“ erhalten. Sie beruht darauf, dass bluthaltiger Harn,
dem man eventuell noch Eiweisslösung zusetzen soll, beim
Kochen ein gefärbtes hämatinhaltiges Koagulum liefert, dem
man das Hämatin mit schwefelsäurehaltigem Alkohol entziehen
und darin spektroskopisch nachweisen kann. Auch einige
Modifikationen dieser Methode hatten kein zufriedenstellendes
Ergebnis.
Ueber die zum gesonderten Nachweis der einzelnen Um¬
wandlungsprodukte des Oxyhämoglobins dienenden spektro¬
skopischen Proben soll demnächst an anderer Stelle berichtet
werden.
Zusammenfassung.
1. Zu den spektroskopischen Proben auf Blut im Harn
eignen sich besonders die nachfolgenden Arten von Spektro¬
skopen : a) diejenigen Bunsen-Kirchhoffsehen Appa¬
rate, die eine geringe Dispersion, also ein schwach zerstreuen¬
des Prisma und ein schwaches Vergrösserungssystem haben;
b)die mit einem dreifachen Amiciprisma ausgestatteten ge-
radsichtigen Handspektroskope; c)das vom Verf. beschriebene
Handspektroskop, das vermöge seiner grossen Lichtstärke
auch zur direkten spektroskopischen Untersuchung relativ
dunkler Harne in grösserer Schichtdicke geeignet ist.
2. Unverändertes Oxyhämoglobin lässt sich im Harn noch
bei einem Gehalt an Blut von 0,004 Proz. (= etwa 1 Tropfen
auf die Tagesmenge Harn) ohne weitere Vorbehandlung durch
direkte spektroskopische Prüfung flachweisen, wenn man den
Ham in einer Schichtdicke von etwa 20 cm untersucht. Man
füllt ihn z*u dem Zweck in eine Polarisationsröhre ein.
3. Die „Tanninmethode“ eignet sich für solche Fälle, in
denen man, abgesehen vom Spektroskop, nur über die ein¬
fachsten Laboratoriumshilfsmittel verfügt. Ihre Empfindlich¬
keitsgrenze liegt bei etwa 1:5000 = 0,02 Proz. t
4. Die „Koagulationsmethode“ ist umständlich und bei ge¬
ringem Blutgehalt unsicher.
5. Die „Zinkazetatmethode“ lässt sich dadurch verein¬
fachen, dass man das erforderliche Erhitzen über freier Flamme
(bezw. Drahtnetz) ausführt. Ihre Handhabung ist ziemlich ein¬
fach. Bei Verarbeitung von 50—100 ccm Harn liegt ihre Emp¬
findlichkeitsgrenze bei etwa 1:20 000 (= 0,005 Proz. Blut).
6. Ist der dem Harn beigemengte Blutfarbstoff nicht mehr
in unveränderter Form vorhanden, sondern in Oestalt von
Methämoglobin oder Hämatin, und ist deren Menge nur gering,
so muss man, um die spektroskopische Prüfung mit Erfolg aus¬
führen zu können, dem Harn den Blutfarbstoff in geeigneter
Weise entziehen.
Dazu bedient man sich mit Vorteil der „Extraktions¬
methode“. Sie bietet den Vorzug, dass sie zugleich eine für
die exakte Ausführung der Guajak- oder Benzidin probe ge¬
eignete Lösung des Blutfarbstoffes liefert. Die „Extraktions¬
methode“ erlaubt den spektroskopischen Nachweis durch das
Hämochromogenspektrum noch bei einer Verdünnung von
1:20 000 (= 0,005 Proz. Blut), wenn man etwa 50 ccm Harn in
Arbeit nimmt. Durch Verwendung grösserer Mengen Harn
lässt sich ihre Empfindlichkeit noch etwas erhöhen.
7. Bei der Anwendung der verschiedenen spektroskopisch-
chemischen Verfahren beachte man, dass die Absorptions¬
öls vom spez. Gewicht etwa 0,95, dessen Brauchbarkeit durch Kon-
trollversuch festzustellen ist (s. Literatur).
b) Benzidinprobe: Einige Kubikzentimeter Aetherlösung, 10 bis
20 Tropfen Benzidineisessiglösung (frisch aus einer Messerspitze
voll Benzidin und einigen Kubikzentimeter Eisessig durch Auflösen in
Reagenzglas herzustellen) und 2 ccm Wasserstoffsuperoxyd (von
3 Gewichtsprozenten); _
oder: Einige Kubikzentimeter Aetherlösung, 2 ccm alkoholischer
Benzidinlösung (frisch aus 1 Teil Benzidin und etwa 15—20 Teilen
Alkohol absohitus zu bereiten) mehrere Tropfen Eisessig und 2 ccm
Wasserstoffsuperoxyd (von 3 Gewichtsprozenten).
erscheinung des (durch Reduktion mit Schwefelammonium)
aus dem Hämatin gebildeten Hämochromogen nicht beständig
i$t. Die Absorptionsstreifen entstehen (je nach der Menge des
vorhandenen Blutfarbstoffs schneller oder langsamer) inner¬
halb einiger Minuten nach Zusatz des Reduktionsmittels. Die
über der wässrigen ammoniakalischen Flüssigkeit stehende
Aetherschicht ist notwendig, um eine zu schnelle Reoxydation
des gebildeten Hämochromogen durch den Sauerstoff der Luft
zu verhindern. Zur Identifizierung des Hämochromogenspek¬
trum genügt der Hauptstreifen. !
Literatur.
1. O. Schümm: Die Untersuchung der Fäzes auf Blut. Jena
1906 bei Gustav Fischer. Dort Verzeichnis der älteren Literatur über
die Guajakblutprobe — O. Sc'humm und H. Remstedt: Ueber
den Nachweis voni Blut mit Hilfe der Paraphenylendiaminreaktion.
Zentralbl. f. innere Medizin. 1906, No. 40. — C. E. C a r 1 s o n: Die
Guajakblutprobe und die Ursachen der Blaufärbung der Guajak-
tinktur. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 48, 1906, S. 69. — O.
Schümm: Zur Kenntnis der Guajakblutprobe und einiger ähnlicher
Reaktionen. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 50, 1907, S. 374. —
O. Schümm: Zur Frage nach dem Vorkommen von Blutfarbstoff
oder Hämatin in menschlicher Galle. Münch, med. Wochenschr. 1907,
No. 32. — J. Rothschild: Untersuchungen über die Guajakblut¬
probe. Berliner klinische Wochenschrift, 1908, No. 18. — 2. O.
Schümm: Ein neues Spektroskop. Münchener medizinische Wo¬
chenschrift 1907, No. 47. — O. Schümm: Blutspektroskop. Med.
Klinik 1908, No. 15. — 3. M ü 11 e r - P o u i 11 e t: Lehrbuch der
Physik. — 4. 1. c.: Med. Klinik. — 5. Formänek: Die qualitative
Spektralanalyse anorganischer und organischer Körper. Berlin, 1905
bei R. Mückenberger. — 6. Zitiert nach Späth: Chemische und
mikroskopische Untersuchung des Harns. II. Aufl., 1903 bei J. A.
Barth. — 7. Zitiert nach E. Schmidt: Lehrbuch der pharmaz.
Chemie. Bei Fr. Vieweg und Sohn. Braunschweig. 1901, Bd. II,
S. 1833. — 8. O. und R. Adler: Ueber das Verhalten gewisser
organischer Verbindungen gegenüber Blut mit besonderer Berück¬
sichtigung des Nachweises von Blut. Zeitschr. f. physiol. Chemie.
Bd. 41, S. 59, 1904. — O. Schümm und C. Westphal: Ueber den
Nachweis von Blutfarbstoff mit Hilfe der Adler sehen Benzidin¬
probe. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 46, S. 510. — O. Schümm:
Untersuchung der Fäzes etc. 1. c. S. 13. — E. Schlesinger und
F. Holst: Vergleichende Untersuchungen über den Nachweis von
Minimalblutupgen in den Fäzes nebst einer neuen Modifikation der
Benzidinprobe. Deutsche ^med. Wochenschr. 1906, No. 36. —
O. Schümm: Ueber den Nachweis von Blut in den Fäzes. Münch,
med. Wochenschr. 1907, No. 6. — E. Schlesinger und F. Holst:
Ueber den Wert der Benzidinprobe für den Nachweis von Minimal¬
blutungen aus den Verdauungs- und Harnorganen. Münch, med.
Wochenschr. No. 10, 1907. — O. Schümm: Benzidin als Reagens
auf Blutfarbstoff. Pharm. Zeitung 1907. — 9. Zitiert nach Späth:
1. .c. S. 349.
Ueber die Rückwirkung des Lungenemphysems auf den
Verlauf des Asthmas.
Von Dr. M. Saenger in Magdeburg.
Dass das Asthma eine bleibende, mehr oder weniger er¬
hebliche Vergrösserung der Lungen durch Erweiterung der
Lungenalveolen zur Folge zu haben pflegt, ist bekannt. Es
fragt sich nun, ob und wie weit diese Folgeerscheinungen des
Asthmas, das Lungenemphysem, ihrerseits auf den Fort¬
bestand und den Verlauf dieses Leidens von Einfluss ist.
Rein theoretisch betrachtet erscheint es zunächst selbst¬
verständlich, dass ein solcher Einfluss nicht nur vorhanden,
sondern auch ein sehr erheblicher sein muss. Hiermit stimmt
auch die allgemeine Anschauung in Fachkreisen so sehr über¬
ein, dass vielfach Lungenemphysem schlechtweg als Bezeich¬
nung für Asthma gebraucht wird.
Das Lungenemphysem bedingt eine Erschwerung der Aus¬
atmung. Die aus den Lungenkapillaren in die Alveolen diffun¬
dierende Kohlensäure kann daher nur unvollkommen entleert
werden. Ist dies schon an sich geeignet, Atemnot hervor¬
zurufen, so ist dies in um so höherem Grade der Fall, je höhere
Ansprüche an unsere Atmung gestellt werden, z. B. bei körper¬
licher Tätigkeit, oder je mehr unsere Atmung durch äussere
Ursachen oder durch krankhafte Zustände behindert ist. Diese
durch Lungenemphysem bedingte Neigung zur Kurzatmigkeit
müsste nun allem Anschein nach um so grösser seit*, je grösser
jenes ist. Und man müsste dementsprechend auch annehmen,
dass das Lungenemphysem eine seiner Ausdehnung ent-
3*
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Original ffom
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1492
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn. >.
sprechende Neigung zu Asthmaanfällen, d. h. zu paroxysmalen,
auf Erschwerung der Ausatmung beruhenden Anfällen von
Atemnot zur Folge habe.
Allein Theorie und Erfahrung stimmen gar manchmal nicht
iiberein. Natürlich liegt dies an der Theorie und nicht an der
Erfahrung.
Wer Gelegenheit gehabt hat, eine grössere Anzahl von
Asthmakranken zu beobachten, wird zu der Einsicht gelangt
sein, dass Neigung zur Kurzatmigkeit, Häufig¬
keit und Schwere der Anfälle keineswegs in
einem konstanten Verhältnis zur Ausdeh¬
nung des vorhandenen Lunten e m p h y s e m s zu
stehen pflegen.
In besonders prägnanter Weise ergibt sich dies aus den
nachstehend mitgeteilten Fällen aus meiner Praxis.
1. Ingenieur T. aus Ofen-Pest, 2U Jahre alt, seit seiner ersten
Schulzeit asthniakrank. Die Anfälle waren sehr schwer, wenn sie
auch zuweilen längere Zeit hindurch tortblieben. Patient hatte der
Dauer der Krankheit entsprechend ein sehr ausgedehntes Emphysem.
Trotzdem zeigte er in der anfallfreien Zeit keine Spur von Kurz¬
atmigkeit. Er konnte turnen, Rad fahren und flott tanzen. Trot/dem
das Emphysem bei Beendigung der Behandlung — im März 19ik» —
keine Abnahme zeigte, so sind doch seitdem, wie mir aniangs vom
Patienten, später von seinen Angehörigen mitgeteilt wurde, die
Asthmaanfälle in der Hauptsache verschwunden.
Als ganz besonders für diesen Fall charakteristisch sei noch
der Umstand erwähnt, dass der 1 m 70 cm grosse Pa¬
tient nach etwa e i n w ö c h e n 11 i c h e r U e b ii n g
trotz seines so erheblichen Emphysems ohne
allzugrosse Anstrengung 3000 bis zu dboo ccm
Luft auf einmal a u s z u a t m e n v e r m o c h t e.
2. Rittergutsbesitzer H. aus M. in Westpreussen. 37 Jahre alt.
seit 27 Jahren asthmakrank. Das Emphysem war m diesem Fall
ganz ungewöhnlich gross. So war die oberen Lebergrenze fast bis zum
untersten Rand des Brustkorbes nach unten verschoben. Patient w ar
ebenso wie der in der vorstehenden Krankengeschichte erwähnte
Patient T. in der anfallsfreien Zeit vollkommen frei von jeder Kurz¬
atmigkeit. Auch vermochte er nach einiger llebung. obgleich nur
w enig mehr als mittelgross, ebenfalls bei e i n e r Ausatmung
3000—3600 ccm Luft zu entleeren. Durch die Behandlung - Fe¬
bruar 1907 — verschwanden die Krankheitserscheinungen in dem
Masse, dass, während vorher alle M Tage sehr schwere Anfälle
von mehrtägiger Dauer einzutreten pflegten, seitdem, d. h. seit
einem Jahre nur 3 leichtere Anfälle sich eingestellt haben, die ubu-
gens dadurch zustande kamen, dass Patient ein sehr schwer zu
bändigendes Pferd ritt.
Trotzdem besteht das Emphysem in unveränderter Ausdehnung
fort. Dadurch ist Patient indes so wenig geniert, dass er jungst,
ohne auszuruhen und in schnellem Tempo den Kölner Dom zu be¬
steigen vermochte.
Im Gegensatz hierzu lehren die folgenden Kranken¬
geschichten, dass trotz mangelnden oder sehr geringfügigen
Emphysems die asthmatischen Beschwerden - häufige und
schwere Anfälle, erhebliche Kurzatmigkeit in der anfallfreien
Zeit —- ungemein heftige sein können.
3. Fabrikleiter B. aus Magdeburg, Jo Jahre alt, war. als er
Anfang Dezember 1907 in meine Behandlung kam. erst seit April des¬
selben Jahres an Asthma erkrankt. Die Anialle waren sehr häufig
und äusserst heftig. Patient war auch in der anfallfreien Zeit hoch¬
gradig kurzatmig. Eine Volumvergrosserung der Lungen war in
sehr mässigem Umfang vorhanden. Nach etwa dreiwöchentlicher Be¬
handlung verschwanden die Beschwerden des Patienten vollständig.
Als er einige Zeit später untersucht wurde, war von einer Volum-
vergrösserung der Lungen nichts mehr nachweisbar.
4. Frau T., TS Jahre alt, welche seit kurzem in meiner Behand¬
lung ist, leidet seit September 1907 an Asthma. Sie hat allnächtlich
schwere Anfälle und leidet tagsüber an hocligi adiger Kurzatmigkeit,
durch welche jede körperliche Tätigkeit in hohem (irade erschwert
wird. Trotzdem ist in der relativ anfallsfreien Zeit keine Spur einer
Lungenvcrgrösscrung nachweisbar.
Wie im Anschluss an diese vier Fälle ausdrücklich liervor-
gchoben werden mag, bilden dieselben keineswegs eine sel¬
tene Ausnahme, sondern kommen, wenn sie auch nicht immer
von so ausgeprägter Art sind, doch wenigstens nach meiner
Erfahrung - - verhältnismässig häufig vor.
Dass das Lungenemphysem eine seiner Ausdehnung ent¬
sprechende Kurzatmigkeit, sowie eine entsprechende Neigung
zu schweren Anfällen nicht regelmässig, ja auch nicht einmal
besonders häufig zur Folge hat, ist zunächst durch etwas zu
erklären, was bisher wenig beachtet worden ist, nämlich
d ti r c h den U m s t a n d, d a s s, wie ich in einer in der
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D. Aerzteztg. (15. Juli PXK») veröffentlichten Arbeit dargeLgt
habe, das o b j e k t i v e und das s u b j e k t i v c L u t t -
b e d ii r f n i s keineswegs in ein e m u n v e r a n J er¬
lichen S t a r k e v e r h a I t n t s zueinander st c h t n.
Das s ti b i e k t i v e L n f t b e d u r f n i s k a n n n ü :n -
lieh durch Umstande mancherlei Art, die te.Ls m uns. Je s
ausser uns hegen, s o w o hi über die Nur m e r h o h t.
als auch unter die Norm erniedrigt sein.
kann cs de n n vurk o m men. dass der d ii r Ji Sto¬
rungen des respiratorischen liasw iJio’l s.
durch k ö r p e r 1 i c Ii e A n s t r e n g u n g e n usw, be¬
dingte L u i t h u n g e r weit geringer a u s f a 1 1 t.
als er sonst unter solchen U m s t a n d e :i z u sein
pflegt. Dies ist aber, wenn wir von der Wirk-.mg v.a: ke¬
uscher Mittel und von der Jutch Krankheit beJ.ngten Storung
des Empfindungsvermögens abseheii. eine Folge von tc.N i;;i-
bew iisster, teils bew usder Gew o h n u n g. So vermag nun
durch l ebung beim UntertanJieti die Fähigkeit zu erlangen,
eine dem Ungeübten un-Vgre ilidi lange Zeit unter W.i^ir zu
verweilen. So vermag ein in einer Grossst.ult hesdi. ” gter
Briefträger unvergleichlich besser, ohne ersidrlidie Atinmo*.
Treppen zu steigen, als derjenige, der mir w eiligem.il des 1 rge'
zum Treppensteigen gezwungen ist. So kann s v h. .yss'.,c p.
ähnlich wie bei der Lirigentuherk u’oee namentlich m de i
langsam verlaufenden Fallen nuht immer c.ue dem i *rt
schreitenden Zerstnrimgspro/ess entsprechende K urzatniigke *
emtritt, auch bei der allmählichen Entwicklung e,ne> aus¬
gedehnten Lungenemphysems eine alinuh’.che Gewöhnung au
das durch dasselbe bedingte Atmimgslimdern.s statüm Jen ).
Neben der nervösen Anpassung an dis Lengenentpbv-
sem müssen wir aber auJi eine m e c h ;i n i s c h e AiipiNsung
an dasselbe amiehmeii. Sonst Ware es mdit zu v erstellen, wie
in den oben mitgeteilten Fallen 1 und 2 trotz der ungewöhn¬
lichen Ausdehnung des Emphysems e ile so grosse Lutmunge
(.Ime besondere Anstrengung bei e l u e r Ausatmung entleert
werden konnte. Fis musste eben durdi Uibuug ob bewusst
(»der unbewusst mag dahingestellt sein - d.e Krait der Ans*
atmungsmuskiilatiir m dem Masse erhöht sein, dass s:e Jas
durch da> Fmph\sem gesetzte Aiisutmuiigshinderms \«■!:-
kommen zu uberwinden vermochte. Dies ist aber keineswegs
als ein beispielloses \erkoimmus zu betrachten. Denn, dass die
mailgelhatte und, soweit es sich nicht um lebenswichtige Or¬
gane handelt, selbst fehlende Funktion einzelner 1 e:ie unseres
Körpers durch die gesteigerte Funktion anderer körperte ,: e
ergänzt und ersetzt werden kann, weiss jeder Arzt und audi
jeder gebildete Laie.
Es versteht sich von selbst, dass durdi bew usste Ge¬
wöhnung. durch Ueb u ng. wie des bei der von nur emp¬
fohlenen Mclln de der Asthmabehundlung : ) der E.iil ist. J e
nervöse und mechanische Anpassung an die durdi das l\mph\-
sem und auch durch den Brondu dlkaturrh bedingte Ersdiwe-
rung der Atmung noch sicherer und ausgiebiger erreicht wird,
als dies durch unbewusste Gewöhnung der Fall mt.
Die durch Uebung erzielte nervöse Anpassung wird,
kurz ausgedrückt, dadurch erreicht, J.*ss d e Kranken allmäh¬
lich daran gewohnt werden, immer hdn re Grade einer w ill-
k ii r 1 i c li herbeigefnlirten Erschwerung der A*mu:ig olme er¬
hebliche Kurzatmigkeit zu ertragen. Wird he'hei gew isser-
masseii das Atmungs/entrum trainiert, so wirJ d.e mecha¬
nische l’eberw indiuig der durdi das Emph\se:n bewirkten
M Es versteht s;di v.-n st Ibst, J a ss. f.Us de ! ' s du v ruti g der
Blutbew egung im kleinen Kreis.auf durdi d.is 1 tu. nt durdi
eine vermehrte Mer/.arbeit .mnadidiiii w o!, .nun eme <iew..iiming
an die ungünstigen median.s,. heil •\liiim nm' .1 I" 'h zitruic hst n.cht
viel nutzen kann. Indessen ge-mu-t it'u'i e e •.«•rnmemc K<*mpen-
sieruug der ersdiw e rteil /1 rLui.1 1 1 • >n fwd.t. um die elurdi die be¬
hinderte Atmung bedingte* Kur/atm.gke t /0 d-M t gen. Im 11 m.gen
lasst sieh Ins zum gew :ss t n \ irade aiuii e durc.”. 1 r k:a’.Mmg des
Zirkiilatiuiisapparates bedingte Kur/.i'". o.e t d odi b \u>ei < u-
w uliriimg — T; auiienmg — (verg'i. we :<.* irte - ’'» zirn Xesi’w ndeu
bringen.
•) Yergl. meine Arbeiten in der M "du n ed. \Y .domsd: r . l’*»!.
No. S u«*d der D. Aerzte-ztg. Im Ju 1 I * 0 . s -w^e men e setzt itl
3. Auflage bei All'. R .1 t h k c. M.ic ie ; ::g t '^c lue neue Br 'sdinrc.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1493
Erschwerung der Atmung durch Uebung und die dadurch her¬
beigeführte Kräftigung der Aus atmungsmuskulatur erreicht.
Sehr wesentlich gefördert wird das Erreichen des hier an¬
gestrebten Ziels, wenn man die Kranken durch Uebung die
rähigkeit erlangen lässt, nach Bedarf ausschliesslich oder doch
vorwiegend unter Zuhilfenahme der abdominalen Atmungs¬
muskeln zu atmen. Durch eine ausschliesslich oder doch vor¬
wiegend abdominale Atmung wird nämlich nicht nur eine re¬
lative Ruhigstellung der Lungen bewirkt, es
wird dadurch ausserdem noch — was höchst
wichtig ist — eine ventilartige Verschlres-
sung der kleinen Bronchien während der Aus¬
atmung, d. h. eine wesentliche Erschwerung
der letzteren und damit — nach den massge¬
benden Autoren — auch die Entstehung einer
akuten Lungen blähungverhütet. Dass dieses von
sehr grossem Vorteil für die Bekämpfung und Verhütung von
Asthmaanfällen sein muss, ist — zunächst theoretisch — klar.
Dass solches aber auch in Wirklichkeit der Fall iist, habe ich
durch Erfahrung in einer sehr grossen Zahl von Fällen bestätigt
gefunden.
Die nachteiligen Wirkungen des Lungenemphysems auf den
Verlauf des Asthmas können also, wie im Vorstehenden dar¬
gelegt worden ist, teils durch die Selbsthilfe des Organismus,
teils durch zweckentsprechende therapeutische Massnahmen
mehr oder weniger vollkommen zum Verschwinden gebracht
werden, was nach meinen Erfahrungen auch in sehr veralteten
Fällen von 18, 20, 22, 27, 30 Jahren Dauer noch möglich ist.
kn Gegensatz zu seinen Wirkungen kann das Lungen¬
emphysem selbst bekanntlich weder spontan noch infolge thera¬
peutischer Massnahmen verschwinden. Wenn trotzdem Asthma¬
kranke, welche infolge irgend einer Behandlung oder auch ohne
Behandlung von ihren Beschwerden: der Kurzatmigkeit, den
Anfällen von paroxysmaler Atemnot, dem Bronchialkatarrh be¬
ireit sind und für die Dauer befreit bleiben, sich für vollkommen
geheilt halten, so haben sie recht, denn das zurückbleibende
Lungenemphysem ist doch sozusagen nur ein verborgener
Schönheitsfehler, wie etwa eine schiefstehende Nasenscheide¬
wand bei vollkommener Durchgängigkeit der Nasenhöhlen.
Was dürfen wir von der heutigen Skoliosenbehandlung
erwarten?*)
Von Dr. Karl Wahl in München.
M. H.! Wenn wir die ausgedehnte Literatur betrachten,
die sich mit der Skoliosenfrage beschäftigt, so finden wir ver¬
hältnismässig spärliche detaillierte Angaben über die Resultate
der Behandlung.
Und doch ist dieser Teil der Frage sowohl für den Patien¬
ten, wie den Arzt von grösster Wichtigkeit.
Erlauben Sie mir deshalb, dass ich Ihnen über die Er¬
fahrungen berichte, die ich mit der Skoliosenbehandlung in den
5 letzten Jahren gemacht habe.
Es handelt sich im ganzen um 321 Fälle, die ich selbst
untersucht und deren Behandlung ich selbst geleitet habe. Von
diesen 321 Skoliosen waren die grössere Hälfte fixierte, die
kleinere bewegliche Skoliosen.
Was die Behandlung der Skoliosen anbelangt, so muss es
als ein grosser Fortschritt angesehen werden, dass heute
wenigstens über die Qrundzüge unter den ärztlichen Ortho¬
päden annähernde Uebereinstimmung der Meinungen herrscht;
massgebend für die Therapie und den Erfolg der Behandlung
ist die Beweglichkeit oder die Versteifung der skoliotischen
Wirbelsäule.
Die Behandlungsresultate bei der beweglichen Wirbelsäule
sind durchgehends sehr erfreuliche. Hat man es mit nur eini-
germassen vernünftigen und gewissenhaften Patienten zu tun,
so darf man nach meinen Erfahrungen bei dieser Form der Sko¬
liose mit Sicherheit auf eine vollkommene Heilung rechnen.
Die dazu nötige Zeitdauer ist allerdings sehr verschieden.
Nach meinen Aufzeichnungen schwankt die Behandlungsdauer
bei beweglicher Skoliose in meiner Anstalt zwischen 3 Monaten
*) Vortrag, gehalten im Aerztl. Verein München.
und 2 Jahren. Unter 2—3 Monaten darf man sich selbst bei
leichten Fällen einen Erfolg nicht versprechen und nicht selten
zeigen anscheinend leichte Fälle im Laufe der Behandlung eine
unerwartete Hartnäckigkeit.
Selbstverständlich spielt bei der Behandlung neben ande¬
ren Faktoren der grössere oder geringere Eifer der Patienten
eine giosse Rolle; gerade bei den leichten Fällen ist es oft
schwer, die meist iugendlichen Patienten, aber auch deren
Eltern vom Ernst der Situation zu überzeugen.
W»e bei der Skoliosenbehandlung überhaupt, so bildet
heute insbesondere bei der beweglichen Skoliose die ortho¬
pädische Gymnastik den Angelpunkt der Therapie.
Die orthopädische Gymnastik hat aber eine wesentliche
Modifikation erfahren: sie ist intensiver und lokalisierter ge¬
worden. Man hat erkannt, dass die Gymnastik nicht in homöo¬
pathischen Dosen verordnet werden darf, sondern dass sie
möglichst intensiv betrieben werden muss, nicht nur täglich,
sondern sogar mehrmals im Tage.
Diese Erkenntnis hat ferner dazu geführt, dass man daran
ging, neben den meist vorzüglichen, aber kostspieligen Appa¬
raten in den orthopädischen Instituten einfache Turngeräte zu
konstruieren, die den Patienten mit nach Hause gegeben wer¬
den können und an denen diese zu Hause die erlernten
Uebungen fortsetzen können.
Die beliebtesten Hausturngeräte, Trapez und Ringe, eignen
sich nur in seltenen Fällen für diesen Zweck. Eine unerlässliche
Forderung, die man an ein modernes orthopädisches Haus-
.turngerät stellen muss, ist namentlich die Möglichkeit, auf ein¬
zelne Segmente der Wirbelsäule und des Rumpfes speziell ein¬
wirken, andere dagegen ausschalten zu können. Die Verord¬
nung entsprechender Gymnastikrezepte ist namentlich bei kom¬
binierter Skoliose oft recht schwer und erfordert viel Er¬
fahrung.
Bei der Konstruktion moderner orthopädischer Hausturn¬
geräte ist der technischen Geschicklichkeit des Arztes ein
grosser Spielraum gegeben. Eine grössere Anzahl derartiger
Turngeräte ist in der Abhandlung von Prof. F.Lange über die
Behandlung der habituellen Skoliose beschrieben und ab¬
gebildet .
Ich selbst verwende für diesen Zweck einen kombinierten
Apparat, bei dem der Widerstand durch kräftige Gummikabel
gegeben ist, und der wegen des Fehlens von Gewichten leicht
zu transportieren und überall anzubringen ist.
Mit dieser Art orthopädischer Gymnastik, unterstützt durch
Massage, gelangte ich in den meisten Fällen von beweglicher
Skoliose zum Ziele.
Nur bei einzelnen ganz besonders hartnäckigen Formen,
war ich gezwungen, ausserdem noch andere Heilmittel, wie
Lagerungsvorriohtungen und Stützapparate zu Hilfe zu nehmen.
Von dem Bilde, welches die Behandlung und deren Resul¬
tate bei der beweglichen Skoliose gibt, unterscheidet sich das
bei der fixierten Skoliose in vielen Punkten. Bei der fixierten
Skoliose modifizierte ich im Laufe der Jahre meine Behand¬
lungsart einige Male.
Angeregt durch die bestechenden, fast augenblicklichen
Besserungen, wie sie durch das forcierte Redressement mit
nachfolgendem Dauergipsverband erzielt werden können,
wandte ich mich zuerst dieser Behandlungsform zu. Ich bin
aber sehr bald zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Nach¬
teile der langen Immobilisierung der Wirbelsäule für die
Rückenmuskulatur grösser sind, als der Nutzen des Redresse¬
ments der Wirbelsäule. Die anatomischen und funktionellen
Eigenschaften der Wirbelsäule sind eben doch grundverschie¬
den von denen einer Extremität.
Ich ging deshalb sehr bald dazu über, die adressierenden
Gipsverbände immer nur eine Nacht liegen zu lassen, sie am
Morgen wieder abzunehmen und tagsüber ausgiebig turnen zu
lassen.
Leider konnte ich diese Methode, von der ich mir heute
noch sehr viel verspreche, nicht lange durchführen, da sie für
die Patienten zu grosse Kosten und für mich eine nicht zu be¬
wältigende Arbeitslast mit sich brachte.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1494
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2S.
Mein Streben ging deshalb dahin, ein Reklinationsbett zu
bauen, mit dem man eine ähnlich stark redressierende Wir¬
kung ausüben könnte, wie mit dem üipsverband.
M. H.! Ich erlaube mir, Ihnen ein Reklinationsbett hier zu
zeigen, wie ich es seit mehreren Jahren bei allen fixierten Sko¬
liosen verwende.
Eig. 1.
Wie Eig. 1 zeigt, besteht dieses Reklinationsbett aus einem
gepolsterten Brett mit eingebauten Schiebern. In dem abgebildetcn
Falle handelte cs sich um eine S förmige Skoliose, thorakal nach
rechts, lumbal nach links. Das seitliche Redressement wird durch
2 federnde Schieber a und b bewirkt. Vermittels kräftiger l edern c
lässt sich der seitliche Druck bis auf 5U kg steigern. Die Detor-
quierung der Wirbelsäule wird dadurch erreicht, dass die Polsterung
unter der eingesunkenen Rückenhälfte ausgespart ist. Auf diese
Weise wird erreicht, dass die ganze Körperlast auf den Rippenbuckel
drückt, während die eingesunkene Thoraxhälfte frei in der Luft
schwebt und das Bestreben hat, eine Dehnung nach rückwärts in
den ungepolstertcn Teil des Bettes auszuführen'). Eig. 2 zeigt die
genaue Kopie des Röntgenbildes derselben Patientin a in gewöhn¬
licher liegender Stellung, b im Reklinationsbett. \\ le die Zeichnung
erkennen lässt, ist sowohl das seitliche Redressement, als auch die
Detorquierung eine ausgezeichnete.
In diesem Reklinationsbett verbringen die Patienten die
ganze Nacht. Sie gewöhnen sich meist sehr bald daran und
viele davon erklärten mir schon, ohne das Reklinationsbett gar
nicht mehr schlafen zu können.
Auf den Gebrauch derartiger Reklinationsbetten lege ich
bei der Behandlung der fixierten Skoliose grossen Wert. Ganz
unersetzlich sind sie namentlich für Patienten, denen der Beruf
tagsüber keine Zeit für Anwendung anderer Heilfaktoren lässt.
Das vorliegende Reklinationsbett lässt sich ohne fremde Hilfe
an und ablegen, ist ausgiebig verstellbar und seine Anschaf¬
fungskosten sind gering.
Selbstverständlich kommen bei der fixierten Skoliose auch
noch die Heilmittel zur Anwendung, wie ich sic bei der bew eg¬
lichen Skoliose erwähnt habe.
Ausserdem bediene ich mich bei der Behandlung der
fixierten Skoliose noch eines ganz besonders kräftig adres¬
sierenden Turngerätes, das ich den Patienten ebenfalls mit
nach Hause gebe. Wie Eig. 3 zeigt, bestellt dasselbe aus einer
seitlich angebrachten Glisson sehen Schwebe und einer
am Scheitel der Abbiegung der Wirbelsäule seitlich angreifen¬
den Gabel. Fig. 3 stellt die Anwendungw eise des Gerätes bei
einer Totalskoliose nach rechts dar. Bei S-förmiger Skoliose
ändert sich die Arnvcndungswcise etwas, wie ich ebenfalls
an anderer Stelle eingehender schildern werde. Auch bei Be¬
nützung dieses Gerätes ist der Patient von fremder Hilfe un¬
abhängig. Das sehr kräftige Redressement wird durch die
Schw ere des eigenen Körpers bew irkt.
Bei sehr starken fixierten Skoliosen wende ich ausserdem
noch leichte orthopädische Stoffkorsette mit Verstärkungs-
*) Die genaue Beschreibung des Reklinationsbettes erfolgt in der
Zeitsclir. für orthopäd. Chirurgie.
schienen an. Wenn ich mir auch von der adressierenden Wir¬
kung der an den orthopädischen Korsetten in der besten Absicht
meist angebrachten Gurte so gut wie nichts verspreche, so
Eig. JL
j kommt doch dem Korsett selbst eine zentrierende Wirkung
! auf die exzentrisch gelegenen Partien des Rumpfes, ähnlich der
Wirkung einer Röhre, zu. Dass die redressierende Wirkung,
namentlich auf den Lenden- und unteren Brustteil der W irbel-
säule, durchaus nicht zu verachten ist, beweist Eig. 4 a und b.
Eig. 4 a. Eig. 4 b.
die dieselbe Wirbelsäule ohne und mit Korsett darsteüt. Das
Gewicht des von mir verwendeten orthopädischen Korsettes
beträgt durchschnittlich nur 250 g.
M. H.l Nachdem ich Ihnen einen t’eberblkk über das
Rüstzeug gegeben, w ie ich es bei der Behandlung der fixierten
Skoliose gebrauche, erübrigt mir noch. Ihnen nähere Angaben
über die Resultate meiner Behandlung zu machen.
Wenn sich auch die Behandlungsresultate bei der fixierten
Skoliose mit denen bei der beweglichen nicht vergleichen lassen
- es ist mir bisher in keinem Falle von fixierter bkoliose ge¬
lungen, eine vollkommene Heilung zu erzielen — so sind doch
die Besserungen, die ich auch bei der Behandlung der fixierten
Skoliose erzielte, recht beachtenswert.
Ich möchte hier nur einige Beispiele anfuhren: Bei einem
1 13 jährigen Knaben J. H. ging d:e Hohe des Biegungsscheitels
' im Laufe von 2 Jahren von 3.3 cm auf 1> cm zuriwk; bei
einem M jährigen Präparandenschuler S. im Laufe eines Jahres
von 5,3 cm auf 3.« cm; bei einem b jährigen MaJJicn im Laufe
eines Jahres von 1.9 cm auf 0.f» cm; bei einem löchrigen
Mädchen im Laufe von 4 Monaten von 1> cm auf o.s cm.
Grössere oder geringere Besserungen lassen sich auch bei
der fixierten Skoliose bei entsprechend langer Behandlungs-
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14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1495
dauer mit ziemlicher Sicherheit erzielen. Ich bin auch über¬
zeugt, dass die oben herausgegriffenen Resultate noch weiter
verbessert und verallgemeinert werden können.
Ein starker Hemmschuh für die moderne Skoliosenbehand¬
lung sind die geringe Ausdauer und die Vorurteile des grossen
Publikums, namentlich in bezug auf die einseitige Wert¬
schätzung des orthopädischen Korsettes. Immerhin beginnt
sich auch hierin schon ein Umschwung in den festgewurzelten
Anschauungen des Publikums zu vollziehen.
Gewiss lassen die Erfolge bei der Behandlung der fixierten
Skoliose noch manches zu wünschen übrig; aber auch die Sko¬
liosentherapie hat ganz bedeutende Forschritte gemacht und es
ist nicht mehr ganz am Platze, sie als Stieftochter der Ortho¬
pädie zu bezeichnen.
Aus der medizinischen Poliklinik zu Marburg.
Ueber Mentholvergiftung des Menschen.
Von Prof. A. Schwenkenbecher.
Vergiftungen des Menschen mit Menthol sind nicht be¬
kannt. Wenigstens habe ich weder in den neueren Lehr- und
Handbüchern der Toxikologie und Pharmakologie, noch sonst¬
wo, eine einschlägige Beobachtung auffinden können.
An Tieren, Kaltblütern und Kaninchen, hat man die Wir¬
kung des Menthols studiert: Bei Fröschen wirkt es lähmend
auf Grosshirn und Willkürbewegungen; 1 ) Kaulquappen werden
in einer wässerigen Lösung von 1:60 000 langsam, aber noch
vollständig narkotisiert. a ) Auch beim Warmblüter tritt bei
höheren Gaben Narkose ein. Zuerst wird der Gang unsicher,
die Sensibilität nimmt ab; vollständige motorische und sen¬
sible Lähmung schliessen sich an. Die Reflexe erlöschen. Bei
kleineren Mentholmengen werden Erregungszustände, aber
keine Krämpfe beobachtet. Herz und Gefässe bleiben sehr
lange intakt.
Die Minimaldosen, welche bei Kaninchen die erste Wir¬
kung erkennen lassen, sind schon recht gross. 10 g Menthol
verursachen nach den Angaben Lindemanns 3 ) noch keine
Erscheinung, erst 15 g erzeugen leichte Lähmung, 20 g töten
das Tier. In den Versuchen Pellacanis*) starb dagegen
ein Kaninchen bereits nach 4 g per os. Die Gesamtzahl der
hierüber angestellten Experimente ist wohl kaum genügend-
gross.
Einem Zufall verdanke ich die Erfahrung, dass Menthol auch in
nicht sehr grossen Dosen bei einzelnen Menschen leichte Vergiftungs¬
erscheinungen hervorzurufen vermag: Ich beabsichtigte aus hier
nicht zu erörternden Gründen, an zwei Kollegen und mir eine sog.
„Oelkur“ auszuführen, wie sie bei Cholelithiasis besonders von Kur¬
pfuschern vielfach vorgenommen wird 5 ). Zu diesem Zwecke wählte
ich folgende von Ebstein 6 ) mitgeteilte Mischung: „Rp. Ol. olivar.
200 ,0, Menthol 10,5, Kognak 30,0, Vitell. ovi II. MDS. Umschütteln
und nach demselben binnen 1—3 und mehr Stunden in 4—8 Portionen
zu verbrauchen."
Eines Vormittags nahm ich zwischen 10 und 12 Uhr vier Fünftel
dieser Arznei, mithin ca. 8 g Menthol. Die beiden anderen Herren
tranken etwas mehr, sie führten etwa 9 g Menthol in der gleichen
Zeit ein. Schon während der mit starkem Widerwillen schluck¬
weise erfolgten Einnahme trat lebhaft brennende Kälte in Mund
und Rachen auf, die bei jedem Ruktus sich in gesteigertem Grade
wiederholte. Dies Brenngefühl reichte nur bis in den Oesophagus
herab; in der Magengegend und auch sonst war im Leib Kälte nicht
zu spüren, erst viel später bei Entleerung der mentholhaltigen Fäzes
wurde wieder in der Analgegend die charakteristische „brennende
Kälte" wahrgenommen. Diese Beobachtung stimmt aufs beste mit
der Tatsache überein, dass Magen- und Darmschleimhaut keine
Kältenerven enthalten 7 ).
*) Kunkel: Handbuch der Toxikologie, II. Hälfte, Jena, Fischer,
1901, S. 959.
*) Overton: Studien über die Narkose. Jena, Fischer, 1901,
S. 140.
a ) Lindemann: Ueber die Wirkungen des Oleum Pulegii.
Archiv f. exp. Pathol. u. Pharmakol., Bd. 42, 1899, S. 374.
*) P e 11 a c a n i: Zur Pharmakologie der Kamphergruppe. Arch.
f. exp. Pathol. u. Pharmakol., Bd. 17, 1883, S. 377.
9 ) Kehr: Die interne und chirurgische Behandlung der Gallen¬
steinkrankheit. Vortrag. München, J. F. Lehmann, 1906, S. 83.
•) Ebstein: Erkrankungen der Leber etc. In Ebstein-Schwal-
bes Handb. d. prakt. Medizin, Stuttgart, Enke, 1905, II. Auflage,
II. Band. S. 455.
7 ) E. H. Weber zit. nach v. Frey: Vorlesungen über Phy¬
siologie. Berlin, Springer, 1904, S. 310.
Bald nach Einfuhr der Mixtur hatte ich auch auf der Nasen¬
schleimhaut die „Mentholempfindung". Es war mir, als ob die Nase
weiter geworden wäre, und die eingeatmete und durchgehauchte Luft
erschien mir sehr kühl.
Als ich 1 2Vz Uhr, da es mir im leichten Grade übel war, einen
Schluck Wein trank, hatte ich im Mund und Rachen die Empfindung,
als ob das Getränk ganz intensiv gekühlt wäre, obwohl dies nicht der
Fall war. Etwas später wurde heisser Kaffee genossen, der mir als
lauwarm erschien.
Bis gegen V /2 Uhr hatte sich bei mir langsam ein Zustand ent¬
wickelt, der mit einem leichten Rausch die grösste Aehnlichkeit hatte.
Der Kopf war eingenommen, ich fühlte mich müde. Gleichzeitig
machten sich ganz sonderbare Parästhesien in der ganzen Haut¬
oberfläche bemerkbar, namentlich in den Händen und Füssen, die ich
sofort als die „Mentholempfindung“ erkannte. Dabei verursachte
jeder mit der Hand berührte Gegenstand, wie die Serviette, ein Stück
Brot etc., eine ganz intensive Kältempfindung; es war als ob alles auf
Eis gelegen habe. Dieses Kältegefühl wurde immer unangenehmer,
obwohl mir die Blutfülle der Haut nicht verändert vorkam, und
Gänsehaut sicher nicht bestand.
Als ich mich zu Bett legte, verschwanden die Parästhesien und
ebenso die Rauscherscheinungen nach Verlauf von etwa 20—30 Minu¬
ten. Nach einigen Stunden fühlte ich mich wieder vollkommen wohl.
Das kratzende Kältegefühl im Halse verschwand jedoch erst nach
20 Stunden; die Nasenschleimhaut verspürte auch dann noch Kühle.
(Wahrscheinlich enthielt die Exspirationsluft noch Menthol.) Der
Urin roch 3 Tage lang deutlich nach Pfefferminz. Er sah normal
aus; eine chemische Untersuchung wurde nicht vorgenommen. Bei
den ersten Miktionen bestand leichtes Brennen.
Von den beschriebenen Rauscherscheinungen und Parästhesien
beobachteten meine Versuchsgefährten an sich selber nichts. Beide
hatten den Nachmittag über nur leichtes Uebelsein, an dem wohl
ebenso das genossene Oel wie das Menthol die Schuld trug. Sie
wurden dadurch nicht wesentlich belästigt. Der eine von ihnen
musste 18 Stunden nach Aufnahme der Arznei einmal stark er¬
brechen. Das Erbrochene enthielt keine Reste des eingenommenen
Medikamentes mehr.
Meines Erachtens bietet die mitgeteilte leichte Menthol¬
intoxikation auch ein gewisses Interesse für den Sinnes¬
physiologen. Bekanntlich erregt der in Rede stehende che¬
mische Körper bei äusserlicher Anwendung vorwiegend die
Kälte empfindenden Nerven. Wie aus unserem Experimente
ersichtlich, geschieht diese selektive Reizung auch vom Blute
aus, nach Einfuhr der Substanz in den Verdauungskanal. Die
Kältenerven der gesamten Haut und der Schleimhaut von
Mund, Rachen, Nase geraten in einen Zustand gesteigerter Er¬
regbarkeit, so dass jeder neu hinzutretende geringe Kältereiz
sehr intensiv empfunden wird.
Die Beobachtung, dass ein heisses Getränk im Mund und
RacTien nur als warm imponierte, ist wohl nicht ganz leicht
erklärbar: Bei Hitzereizen werden, wie wir wissen, Kälte-
und Wärmepunkte gleichzeitig erregt, und nach unserer heu¬
tigen Anschauung gibt gerade die gemeinsame Erregung beider
Nervengruppen die als „heiss“ charakterisierte Empfindung.
Vielleicht wirkt also Menthol auf die Enden der Kältenerven
derartig ein, dass diese bei höheren Temperaturen nicht mehr
ansprechen »während sie für niedrige Temperaturen abnorm
stark empfindlich werden. Oder man könnte auch dem Men¬
thol einen lähmenden Einfluss auf die Wärmeenden zu¬
schreiben, wie ja infolge dieses Medikaments auch die
Schmerzempfindlichkeit sinkt. Daneben kommt vielleicht noch
eine veränderte Durchblutung d$r Haut zur Geltung, wie sie
von Binz 8 ) beobachtet worden ist.
Nach kräftiger Einreibung einer Hautstelle meines linken
Unterarms mit 3proz. Mentholspiritus konnte ich das oben
beschriebene Verhalten gegenüber Hitzereizen nicht be¬
stätigen: Ein mit heissem Wasser gefülltes Reagenzglas rief
ganz die gleiche Empfindung an der eingeriebenen Stelle her¬
vor, wie an einer anderen nicht vorbehandelten Hautpartie.
Wahrscheinlich bedingt also die verschiedene Applikations¬
weise gewisse, wohl nur quantitative Unterschiede in der
Mentholwirkung.
Ueber den Einfluss der Linimenta auf die Hautnerven
wissen wir noch relativ sehr wenig. Man hat in den letzten
Jahren unter dem Eindruck der glänzenden Bier sehen For¬
schungen die Veränderungen des Blutstroms und der Gefässe
häufig etwas zu sehr in den Vordergrund geschoben und dabei
fast übersehen, dass bei der epidermatischen Behandlung noch
andere wesentliche Faktoren mit im Spiele sind. So ist z. B
8 ) Binz: Ueber einige Wirkungen ätherischer Oele. Arch. r.
exp. Pathol. u. Pharmakologie. Bd. V, 1876, S. 109.
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1496
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2 *.
bei Einreibung oder Umschlägen mit Alkohol von der grössten
Bedeutung die Tatsache, dass Alkohol von der intakten Haut
absorbiert wird, in die Zellen der Haut cindringt; 9 ) ferner
kommt in Betracht sein Einfluss auf die peripheren Sinnes¬
nerven, speziell die Wärmepunkte, und drittens erst seine üe-
fässwirkung.
Diese Verhältnisse sind sicherlich sehr viel komplizierter
als gewöhnlich angenommen wird und bedürfen noch ein¬
gehender Studien.
Nach der hier wieder gegebenen Erfahrung dürfte es wohl
angezeigt sein, bei der innerlichen Darreichung des im All¬
gemeinen recht harmlosen Menthols doch nicht zu grosse
Dosen (10 g) zu wählen. Zur Geschmacksverbesserung der
oben angegebenen, in jedem Falle abscheulich schmeckenden
Oelmixtur dürften z. B. 2 g Menthol vollständig genügen. Die
individuelle Empfindlichkeit gegenüber der besprochenen Sub¬
stanz ist anscheinend recht beträchtlichen Schwankungen
unterworfen, wie das auch für das Thymol 10 ) und im Allge¬
meinen ja für sämtliche Narkotika gilt.
Aus dem Sanatorium für innere und Nervenkrankheiten
Schloss Hornegg a. N.
Milchtage bei Entfettungskuren.
Von Dr. med. L. R o e m h e 1 d.
Aus der Lenhartz sehen Abteilung des Eppcndorfer
Krankenhauses hat vor Kurzem Jacob (Münch, med. Wo¬
chenschrift, No. 16, 17, 1908) über die günstigen Resultate be¬
richtet, die dort mit der Karellkur in Fällen von schweren
Zirkulationsstörungen erzielt worden sind.
Das Wesentliche der Kur besteht darin, dass der Patient
bei absoluter Bettruhe viermal im Tag je 200 g Milch erhält,
so dass das Herz bei dieser Entlastungs- und Schonungskur
nur ein Mindestmass von Arbeit zu leisten hat. Gewöhnlich,
d. h. wenn das Herz noch genügend Reservekraft hat, kommt
es dabei zu einermächtigen Diurese, zu Gewichtsabnahme und
zu langsamem Ansteigen der Herzkraft.
Lenhartz wendet diese Kur auch in Fällen von Ueber-
ernährung an zur Einleitung und Unterstützung einer Ent¬
fettungskur.
Ohne die Karelische Kur dem Namen nach zu kennen,
habe ich bereits seit 3 Jahren in meiner An¬
stalteinähnliches Verfahren bei zahlreichen
Entfettungskuren zur Anwendung gebracht
und im vorigen Jahr im Württembergischcn medizinischen
Korrespondenzblatt kurz auf diese Methode hingewiesen.
Jeder, der sich viel mit Entfettungskuren beschäftigt hat,
weiss, wie schwer es in manchen, besonders refraktären Fällen
ist, selbst durch hochgradige Unterernährung unter sacli-
gemässer Schonung des Ei Weissbestandes eine Gewichts¬
abnahme zu erzielen. Oft gelingt es weder durch mittlere Re¬
duktion (bis zu */» der gewohnten Kost bezw. der nötigen Ka¬
lorienmenge).noch durch starke Reduktion auf unter gleich¬
zeitiger Zuhilfenahme von Trinkkur oder physikalischen Heil¬
methoden die erwünschte Abnahme zu erreichen. Die Diu¬
rese bleibt trotz genügender Flüssigkeitszufuhr — extreme
Durstkuren wendet wohl niemand mehr zur Entfettung an —
gering, selbst Herztonika und Diuretika versagen, ohne dass
es zu eigentlichem Oedem kommt. In solchen Fällen haben
wir nun seit 3 Jahren, und zwar s o w o hl z u r E i n 1 e i t u n g
der Kur, wie es Jacob empfiehlt, als auch w ä h r e n d
der ganzen Entfettungskur jede Woche 1 bis
2 Milchtage verordnet. Bei völliger Ruhe, meistens
sogar bei Bettruhe, erhalten die Patienten an diesen 'l agen
1000 ccm Milch, dazu höchstens etwas Obst. Schon ältere
Autoren, L i c b e r m e i s t e r, T a r n i e r (zit. nach S t r a s -
s e r, Physikalische Therapie der Fettsucht, W6, p. 41) haben
ähnliche Kuren empfohlen. Milch wirkt in solchen Fällen ent¬
fettend, einmal alsUnterernährung, sodann aber auch als Diureti¬
kum infolge des geringen Na-Cl-Gchaltcs. Dazu kommt die
ö ) Schwenken hoch er: Das Absorptionsvermögen der Haut.
Habilitationsschrift, Tübingen. 1904, S. 10—12,
10 ) E. ßaelz: Ueber Salizylsäure und Thymol. Arcli. d. Heil¬
kunde, 17. Jahrgg., 1876, S. 379.
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Entlastung des Herzens durch den Fortfall der Bewegung. I > e
Urinmenge nach einem solchen M.Lhtag betragt oft das zw ci-
und dreifache der eingeführten MiLlmienge.
Besonders bewährt hat sich uns diese Mcdmde:
1. in Fällen von Fettleibigkeit. d:e mit Zirkulations¬
störungen einhergellen. Hier durfte muh dem Vorgang \ tm
Lenhartz die K a r e I I sJic Kur besonders zur E i n -
1 e i t u n g der Entfettung, manchmal mit glcah/cit.ge r
Digitülismedikatinn. geeignet sein: aber muh für die weitere
Kur empfehlen wir regelmässige Milchtage.
2. d a n n. w e n n e s n a c h a n f ä n g ! u h c r regel¬
rechter (i e w i c h t s r e d u k t i o n bei ei c h g e m a s -
scr E n t f e 11 u n g s d i ä t p 1 o t z 1 i c h zu einem Still¬
stand in der Ab n a h m e k o m m t. I >;e*es \ erjagen K:
gleiclihleibender Kost erlebt man bekanntlich nuht selten.
Erst neuerdings bat Boas (Archiv f. \ crJammgsk mmkIi..
Bd. XIV, 2) auf diese Falle hingewiesen und empfohlen, ähnlich
wie es Naunyn zur Unterdrückung der bei strenger Di.it
noch Testierenden Glykosune geraten hat. eine 24 stund.ge
Hungerpermdc em/usjialten. Achnluh wie der B o a s s Jr-
Karenztag fiir Fettleibige, die muh kurzem günstigen Anlauf
plötzlich stellen bleiben, muh dem Mungertag aber wieder
regelrecht abnehmen, wirken unsere Milchtage. de ja a:uh
Karenztage sind, von denen wir in der Rege! nullt mehr a’s
2 in der Woche, und zwar gew - .hufuli direkt hintere, nar.de r
geben.
3. Eine besondere Indikation zur A n w e n -
düng der Milchtage sc h eint mir g e g e h e n z u
s e i n, w e n n es s i c h dar u m h a n d e 1 t. das d u r c li
e i n e E n t f e t t u n g s k u r erzielt c R e s u 1 t a t zu er¬
halten. Man denke nur daran, wie sJiwer es tats.uhluh
fiir die meisten zu Fettsucht lie genden MeiisJun ist, ausser¬
halb einer geregelten Kur hmsuhtl.Ji der k<>st und Bewegung
so zu leben, ÜU'S das Gewühl konstant hiebt. Ihiuh k<»n-
sequente Einschiebung von Milchtagen ist es suchen Pat.etilen
möglich gemacht, Jahre lang auf ihrem (iewuht s\!ieii zu
bleiben, selbst wenn sie in der Zwischenzeit kleine d atet sjie
Exzesse begeben. Ich \ erlüge über eine Re.he von Pmb.uh-
tungen, nach denen Patientinnen, de früher i.ihrluh e.ue
Marienhader Kur notig hatten und immer wieder mit Herz-
insuffi/ieuz kämpften, suh jetzt aber durch w.uheutlube Ein¬
schiebung von Milchtagen auf ihrem Ncriiialgewnht erhaben
konnten.
Gerade für Fettleibige, deren Herz zu sekundärer Herz¬
schwäche neigt, ferner aber aiuh für fettlmbge Guhtkr.mke
und Nephritiker durfte sich unsere Methode empühlen. li.b:
man an den iibrigen Tagen gelingend EieisJi. (iemuse. Sa'ate.
so ist die Gefahr der Eiw eissunterernahrurg be/w. der ge¬
ringen Eiseu/utuhr wohl iiiJk ernstluh zu furchten.
In Fällen, in denen die Milch nullt vertragen wurde, habe t
wir sie vielfach mit Kalkwasser \erdumit gtgiben. ieult%li da¬
bei darauf geachtet, dass d e gesamte Flässigke.ts/up.!ir an
diesem Jag lono bis höchstens IJ ni c um nullt ubeuu gl.
H o r n c g g, 7. \ I. os.
Hochgradige Narbenkontraktur sämtlicher Finger der
rechten Hand in Beugestellung.
Von Geheimen Sanitätsrat Dr. R c i s m a n u in Haufe.
Am 1. Mai wurde die P> .dinge l’.iüi'ni H. H’ in das
hiesige evangelische Krankenhaus auigui-■rinnen. ikmi ffD te H.md
eine hochgradige NarbenD .nt: aktur darb-U. s*. dass vr: ! .Die l:"ar
mit Ausnahme des Daumens eine sn starke Dt iualir ziigun.
dass die Pulpa der langer last aui dir P.t m.i: 1 .ul.e »U r Hand s.Ji
emdruekten Ins /ur Pahmer /iialtigkcit. Nur dm k< "e I irar lass
sieh etwas al die heil, so dass man die Virla::.* ue fv iv r ui d'f.t* ein¬
zelnen lungergliedern sehen Dumte, die tdiuan I • aa r e'sDe’ari
wie eingemauert in den Nar betr/ugi n. Die Hand war \* ..M.tüd.g
imhrauehbar.
Diese Narbenk<>ntraktur war entstanden aus ei’a-r i.laumi \i r -
hremiimg. die suh die H. Hl d.ivimJi zngi/ umt hatte. da^s s e mit
der Hand Hilter die Pl.ittwal/e geraten war. n isrne P auk
bis fast zur Rotglut erint/t war. Durch usöns \ iss haben vier
Maschine gelang es ihr, die Hand aus ch r W a e zu Kfca u. aber
die ganzen inneren I iiulaii dir lunar hs m die H*-b 'taml I Pein
w aren unter Xin luklassung \ ■ .n l p: am is .tut der la ^hii P.atte arg
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1497
verbrannt Die ärztliche Hilfe bestand lediglich in Anwendung von
Salbenverbänden, die das Mädchen grösstenteils auch selbst besorgte.
Die Finger blieben dabei wegen der Schmerzhaftigkeit monatelang,
da die Heilung nur sehr langsam vonstatten ging, in gebeugter Stel¬
lung. So bildete sich eine Kontraktur sämtlicher Finger, die dann
durch die Narbenkontraktur allmählich den geschilderten Grad er¬
reichte und das Mädchen vollständig arbeitsunfähig machte.
Es waren mir früher wohl Fälle von Handflächen und Finger¬
verbrennungen vorgekommen, die in ganz ähnlicher Weise entstanden
waren, und zwar bei Kindern, die entweder an glühende eiserne
Oefen gefallen waren bei vorgestreckten Händen oder auf heisse
Herdplatten, die unverständige Mütter abgenommen und auf den
Fussboden gelegt hatten, wo Kinder in dem engen Raume sich auf¬
hielten. Auch hierbei waren Epidermisfetzen an den heissen Flächen
kleben geblieben. Ich hatte es mir dann zur Regel gemacht, solche
verbrannte Hände gleich auf mit Watte und Guttapercha belegte
Schienen zu lagern, so dass die Finger bis zur völligen Vernarbung
der Brandwunden und noch lange darüber hinaus in ganz gestreckter
Lage gehalten wurden. Bei diesem Verfahren habe ich dann nie¬
mals eine Kontraktur der Finger erhalten und wenn die so gestreckten
Finger auch anfänglich etwas versteift blieben, so liess sich dies durch
Hebung und das natürliche Streben, die Finger zu gebrauchen, bei
den Kleinen bald beseitigen.
Schliesslich erfolgte dann eine ganz glatte Vernarbung, der man
nach Jahren kaum noch die erlittene schwere Verbrennung ansehen
konnte.
Von diesen Erfahrungen heraus liess ich mich bei dem
Heilplane des trostlosen Zustandes der Hand des Mädchens
leiten. Ich dachte mir, wenn man den Zustand an der Hand
wieder herstellt in der Verfassung, in welcher sie sich nach
Abstossung des Brandschorfes befand und nun ein ähnliches
Heilverfahren unter konsequenter Bandagierung auf gepol¬
sterten mit Guttapercha überzogenen Schienen zur Anwendung
brächte, so müsste sich ein ähnliches Resultat erzielen lassen,
wie bei den Kindern.
Mit diesem Plane war mein Sohn, der die Operation ausführte,
einverstanden. Unter Chloroformnarkose und Blutleere, letztere mit
Umschnürung am Oberarm, da doch auch die muskuläre Kontraktur
der Fingerbeuger zu beseitigen war, um genau die Tiefe der Schnitte
übersehen zu können, wurden nun zunächst die Fingerkuppen von
der Volarfläche der Hand abgelöst und darauf, von den Fingerspitzen
beginnend, eine ganze Reihe von queren Einschnitten durch das
dicke Narbengewebe gemacht. Die Schnitte wurden genau bis auf
die Flexorensehnen geführt und nach beiden Seiten bis an die Grenze
von Narbe und Haut. Das Verfahren ist nicht so einfach, wie es
scheint, man muss nämlich genau darauf halten, dass die Schnitte
ganz senkrecht auf die Sehne fallen. Durch diese vielfachen, regel¬
mässig fortschreitenden Einkerbungen von der Spitze der Finger bis
zu den Grundgelenken gelang es nun, die Finger einzeln wieder ge¬
rade zu strecken unter deutlichem Nachgeben der Muskelbäuche am
Vorderarme. Ein brüskes Vorgehen bei diesen Streckungen musste
sorgfältig vermieden werden, denn sonst riskierte man, eine Sub¬
luxation zwischen den einzelnen Fingergliedern herbeizuführen. Auf
diese Weise wurde also derselbe Zustand an den Fingern hergestellt,
wie er vorher nach der Verbrennung bestanden hatte, nur mit dem
Unterschiede, dass statt der Brandwunde eine Reihe von glatten
Schnittwunden vorhanden war. Diese nun so gestreckten Finger
wurden einzeln mit schmalen Mullbinden verbunden, diese mit Blei¬
wasser getränkt und die aneinander gelegten Finger mit Guttapercha¬
umhüllung versehen und nunmehr auf ein mit einem entsprechend
breiten, gepolsterten Brettchen geschient und die Hand hochgelagert.
Als nach einigen Wochen unter diesem feuchten Verbände, der
später, als die Granulationsbildung üppig vor sich ging, mit Salben¬
verband (Ichthyol 5, Vaselin ad 100 und 2,00 Acet. plumbi) vertauscht
wurde, blieben die Finger gestreckt und wurde das Mädchen vor¬
läufig, um den weiteren Verlauf abzuwarten, aus dem Krankenhause
entlassen mit der Anweisung, die bereits ausgeführten Uebungen in
Bewegung der Finger zu Hause fortzusetzen und ebenso die Banda¬
gierung der Finger. Das Mädchen stellte sich nach etwa 6 Wochen
wieder vor. Sei es, dass die Bandagierungen nicht ordnungsgemäss
ausgeführt waren (die Patientin war Rentenempfängerin), sei es in¬
folge wieder eingetretener Narbenkontraktur, es stellte sich heraus,
dass das errungene Resultat zum Teil wieder verloren war, die Finger
standen etwa in halber Beugung.
Das also somit definitiv erhaltene Resultat gab uns Veranlassung,
dasselbe Verfahren noch einmal in ganz gleicher Weise zu wieder¬
holen, mit dem Ergebnisse, dass die Finger wieder in einem höheren
Grade der Streckung verharrten. Machte man nun nach eingetrete¬
ner völliger Vernarbung dieser zweiten Prozedur passiv eine voll¬
kommene Geradestreckung der Finger, so zeigte es sich, dass die
Narbe in der Hohlhand Sich noch erheblich spannte, und war zu er¬
warten, dass von hier aus, wieder mehr oder weniger ein Rezidiv
der Kontraktur sich einstellen würde. Es handelte sich also darum,
diese Narbenzüge unschädlich zu machen. Zu dem Ende wurde das
ganze Narbengebiet in der Hohlhand zentralwärts an der gesunden
Haut beginnend und von beiden Seiten, so tief als möglich, bis auf
die Beugesehnen Umschnitten und der so entstandene Lappen noch
distalwärts unterminiert mit flachen Messerzügen. Brachten wir nun
die Finger in starke Streckung, sogar etwas Ueberstreckung, was
mühelos gelang ohne Spannung der an der Palmarfläche der Finger
befindlichen Narben, so bildete sich in der Hohlhand eine freie, 3 bis
4 cm lange und ebenso breite Wundfläche. Diese bedeckten wir nun
mit aus dem Oberschenkel des Mädchens entnommenen Thiersch-
schen Lappen. Verband und Lagerung der Hand wie früher. Die
Einpflanzung heilte zum weitaus grössten Teile an. Das weitere Ver¬
fahren richtete sich nun auf die Mobilisierung der Finger, immer
unter Innehaltung der gestreckten Lage der Finger. Zu diesem
Zwecke wandten wir einen selbstverfertigten Apparat an nach Art
der H e u s n e r sehen Vorrichtung zur Streckung der Finger. Eine
mit Schellacklösung infiltrierte 'Kapsel von dickem Filz umschloss
den Vorderarm, von ihr aus gingen Gummizüge zu den Fingerspitzen,
die mit aus demselben Material angefertigten Fingerhütchen be¬
deckt waren. Dieser sehr zweckmässige Apparat gestattet unter
vollständiger Streckung der Finger, was für die Nacht besonders
bedeutsam ist, eine Vornahme der Beugungsübungen in unbehinderter
bequemer Weise. Mit diesem Apparate wurde die Geheilte aus dem
Krankenhause entlassen mit der Anweisung, ihn noch lange zu ge¬
brauchen.
Gegenwärtig, also nach 2 Jahren, zeigt die so arg verkrüppelt
gewesene Hand ein sehr befriedigendes Resultat. Die sämtlichen
Finger können fast völlig gerade gestreckt und bis zur Faustbildung
geschlossen werden. In der Handfläche befindet sich eine flache,
kaum 2 mm breite Narbe, die früheren wulstigen Narbenzüge an den
Fingern haben ganz flachen, sogar etwas verschieblichen Narben
Platz gemacht, die Finger haben eine solche Gelenkigkeit und Be¬
weglichkeit, dass die Hand ganz gut zum Klaviersoielen benutzt
werden könnte, wenn das Mädchen diese Kunst ausübte.
Fast zur selben Zeit hat V o g e I - Dortmund einen ganz
ähnlichen Fall von narbiger Fingerkontraktur nach Ver¬
brennung zur Heilung gebracht. Er hat zur Erreichung der
Hebung der Kontraktur, wie er in einer Zeitschrift, die ich
augenblicklich nicht angeben kann, ausführt, einen der Finger
der Hand geopfert, um aus dessen Hautmaterial Ersatz für das
Narbengewebe zu gewinnen. Wir sehen also, dass man auch
ohne ein solches Opfer, zu dem sich mancher Patient und Arzt
wohl nicht leicht entschliessen wird, ein befriedigendes Resul¬
tat erzielen kann. In unserem Falle wäre die Opferung des
Kleinfingers auch um so misslicher gewesen, als gerade dieser
Finger noch einigermassen weniger geschädigt aus der Brand¬
verletzung weggekommen war und noch etwas Bewegung
gestattete. Das von uns eingeschlagene Verfahren ist zwar
sehr mühevoll, erfordert von Seiten des Verletzten und des
Arztes Hingabe und grosse Geduld. Aber was wollen einige
Monate einer solchen Mühewaltung bedeuten für einen jungen
Menschen gegen die Wiedererlangung der Gebrauchsfähigkeit
einer für das ganze Leben sonst verlorenen Hand. Auch für
die Berufsgenossenschaft ist der Vorteil nicht zu unterschätzen,
der in der erlangten Wiederarbeitsfähigkeit liegt ohne Opferung
eines Fingers, die doch auch ihrerseits wieder eine Entschä¬
digung begründen dürfte.
Ein Doppelscheidenspiegel’) gleichzeitig zum Saugen
und Spillen.
Von Dr. Heinrich Fischer in Karlsbad.
Auf Grund mehrfacher Versuche kam ich zur Ueberzcugung, dass
die bisher für die Bier sehe Stauung in der Gynäkologie verwende¬
ten Apparate nur auf die Portio, nicht aber auf die Parametrien einen
Einfluss haben. Infolgedessen liess ich nach meiner Angabe einen
Doppelscheidenspiegel aus Porzellan anfertigen, bei dem die Saug¬
wirkung rings um die Portio erfolgt, während die Portio selbst und
der Muttermund frei bleiben. Derselbe ist aus einem breiten und
schmalen Röhrenspekulum zusammengesetzt, die konzentrisch in-
einandergefiigt sind und nur auf einer Seite in Verbindung stehen.
Auf diese Weise erhalte ich zwischen den beiden Spiegeln einen
zylindrischen Hohlraum, dessen Oeffnung ringförmig um die Portio
zu liegen kommt, während er nach aussen durch das Verbindungs¬
stück der Röhrenspekula bis auf eine kleine, runde, zur Aufnahme
des saugenden Ballons bestimmte Oeffnung abgeschlossen ist. Der
Apparat ist geschützt und wird in der Porzellanfabrik von B. Bloch
in Eiclnvald i. B. hergestellt.
Die bisher verwendeten, einer breiten Eprouvette gleichkommen¬
den Saugapparate haben, wie schon oben erwähnt, den Nachteil,
dass sie lediglich die Portio ansaugen, dagegen auf die Parametrien
*) Demonstriert in der Sitzung der Sektion „Karlsbad“ des Zen¬
tralvereins deutscher Aerztc in Böhmen am 2. Mai 1908.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1498
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N(». >*.
resp. die parametrancn Exsudate keinen besonderen Einfluss aus¬
üben können und dass bei Erosionen und aufgelockerter Zervix¬
schleimhaut auch Blutungen auftreten. Ein Nachteil der alten
Methode des direkten Ansaugens der Portio muss aber vor allem
betont werden und ist schon für sich allein ein Orund. dass die alte
Methode nicht oft wiederholt werden darf oder, besser gesagt,
Innerer
Röhren*piegcl.
Aeimerer
Röhrcntpirgfl.
Oummib^llon zum Saugen.
kontraindiziert ist. Er besteht darin, dass sich beim Saugen die
Portio schon nach wenigen Sekunden tief ins Saugglas einzieht und
bei häufiger Wiederholung gewiss eine künstliche hyper¬
trophische Elongation der Portio zur Folge hat. Hier
will ich auch erwähnen, dass die Suktion bei Erosionen der Portio
und bei Endometritis des Uteruskavums nicht empfehlenswert ist.
letzteres schon aus der blossen Erwägung, dass durch die Sukkulenz
der Portio der Zervikalkanal eher verschlossen als erweitert wird.
Die Vorzüge meines Doppelspiegels sind nun folgende:
1. Die Portio und der Muttermund liegen während des Saugaktes
frei und sind für Heisswasserspülungen und Instrumente zugänglich.
2. findet die Saugwirkung auf die der Gebärmutter angrenzen¬
den Gewebe statt, also wahrscheinlich auch auf die von und zu der
(jebärmutter verlaufenden Gefässc.
3. Wird auch die Zirkulation in den Hämorrhoidalgctässen be¬
einflusst.
4. Die Sekrete aus der Gebärmutter können während des Sau¬
gens frei abfliessen oder abgcspiilt werden.
5. kann die Methode oft wiederholt werden und auch länger
dauern; und
6. ist eine künstliche hypertrophische Elongation der Portio bei
Anwendung des Doppclspicgels mit Sicherheit auszuschliessen.
Die Erfolge, die ich mit meinem Apparat erzielt habe, will ich
kurz zusammenfassen:
a) Entspannung der Bauchdecken schon nach 10 Minuten und
Erleichterung der bimanucllcn Untersuchung;
b) leichtere Defäkation;
c) Besserung von dysmenorrhoischcn Schmerzen; und
d) günstige Beeinflussung parametraner Exsudate.
Zu Punkt d zitiere ich 2 Fälle, die w ochenlang in der gew issen-
haftesten Weise mit fast allen konservativen Methoden behandelt
wmrden sind und bei denen sich erst nach Anwendung meines Doppel¬
scheidenspiegels eine merkliche Besserung zeigte. Bei der einen
Patientin schwand das in den Nachmittagsstunden noch bis 3N.K be¬
stehende Eieber schon nach der 3. Suktion.
Die Handhabung mit dem Doppelscheidenspiegel erfolgt derart,
dass er wie jeder andere in die Scheide cingefiihrt wird, worauf man
den zum Saugen bestimmten Ballon komprimiert, das Spekulum etwas
fester an die Portio andrückt und durch Auslassen des Ballons mit
dem Saugakt beginnt.
Zum Schluss erwähne ich noch die ringförmigen Sa u g -
näpfe für allgemein chirurgische Zw ecke, welche ich
nach demselben Prinzipe herstellen liess und die viel niedriger sind.
Sie haben den Vorteil, dass sie Furunkel etc. ringförmig saugen,
während man zentral mit Tupfern, Skalpellen und Spülungen mani¬
pulieren kann.
Historische Notiz über die Behandlung der durch den
Biss wutkranker Tiere entstandenen Wunden mit Saug¬
behandlung.
Von Prof. Dr. Egbert Braatz in Königsberg i. Pr.
Als ich vor einigen Tagen zu meiner Vorlesung „Aus der Ge¬
schichte der Chirurgie“ in dem Lehrbuch von Lorenz freister
(2. Auflage 1724) nachsah, um meinen Zuhörern eine Stelle aus ihm
als Beispiel besonders vorzuführen, wählte ich als gewissermassen
aktuelles’) Thema das XVI. Kapitel über vergiftete Wunden, speziell
Tollwut.
Heister gibt hier zunächst eine knappe aber zutreffende
Schilderung der Erscheinungen bei einem wutkranken Hunde und
dann eine ungeheuere Menge der zum Teil auch höchst absonderlichen
’) Wir haben zurzeit in Königsberg gerade leider die Hunde¬
sperre wegen vorgekommener Fälle von Tollwut bei Hunden.
Heilverfahren seiner Zeit, von deren Aufzahlung wir ahsihen. Das
Non ihm angeführte Auswaschen solcher Wunden m.t Esvg wird ganz
neuerdings wieder als gutes Mittel empfohlen. Heister sact ui*cr
die Saugtiehandlung (7): „Andere pflegen in \ergiftteten Wunden,
sonderlich der watenden Hunde oder anderen Thier, gleich Vn’angs
die Adern über dem verletzten Ort erst lest zu un.binden, und d.c
Wunde mit Salzwasser oder mit Essig. ITicriak und >a!tz w<M aus¬
zuwaschen, oder. wenn sie tieft, auszuspritzen: hernach auf die W urde
öffters s t a r c k z i e h c n d e S c h r o p f f - h o p f f e *) zu setzen, um
dadurch das Gift wieder heraus zu ziehen. I nd damit dieses desto
besser geschehen möge, Schneiden sie die Wunden was weiter, aul
dass die Schropff-Kopff das Geblut und Gült desto leichter aus*
ziehen mögen. Endlich aber, zu desto mehrerer Sicherheit, brennen
sie die Wunde 1 weil sonsten die Leut leicht rasend werden und
elendiglich sterben müssen *. I nd ganz am Schlüsse des Kapitels
heist es noch: „Die Alten haben die xcrgültui Wunden, sonderlich
nach dem Biss einer \ergdtten Schlange mit dem Munde cnes an¬
deren Menschen (welche Ps\ lli genannt worden) g'eidi lassen aus-
ziehen, ohne dass solches demenigen. die es ausgezogen. was ge¬
schadet hatte; wie Cclsus hiervon kan gelesen werden. Lib. V
Cap. 27“.
Der Zweck der Veröffentlichung dieser N< tiz ist nun weniger,
zu zeigen, dass das Aussaugen xon Wunden cm altes \ erfahren ist.
Das ist ja schon zur Genüge bekannt, l'nd ebenso ist cs k.ar. dass
die jener Prozedur zu gründe hegenden \ orsteEinigen wenig zu tun
haben mit dem Gedankeiigangc Biers. Mir lag es xit'mchr daran,
bei der m der Jetztzeit vorhandenen .Möglichkeit einer sicheren
experimentellen Entscheidung, der Frage zu dienen, ob und in welcher
Weise die Saughehatullung das Recht hat. bei Wutbisswunden a's
Heilmittel (zur Vorbeuge) auch heute angewandt zu werden.
Versuch einer neuen klinischen Methode der Opsonin¬
bestimmung.
Eigene Bemerkungen zu der in Nn. .Ai, pJiis erschienenen vor¬
läufigen Mitteilung.
Von Dr. M ti g o K ä m m c r c r.
Für die Gruppe der Txphus- und Par.ttx phusbazi.’tn hat sivh
meine Versiichsanordiiung in nunmehr über w» l ntersuchungen sehr
gut bewahrt, bei Kranken- und Rekonsaleszentensirum ist messt
eine sehr deutliche, oft enorme Erhöhung der Phagozxtose gegenüber
dem Normalserum wahrnehmbar.
Leider nicht als richtig erwiesen hat sich indes die \*»n mir
vermutete Komplementwirkling des frischen Blutes, wodurch dann
der phagozxtäre Unterschied /wischen Immun- ur.d Normalserum
noch grosser wurde. Genau angestellte Nerg'eiche zwischen der
W r i g h t sehen und meiner T echnik mit der gleichen Üaktericn-
cmtilsion unter denselben Mochuncsxerhaltmssen vier Bestau Jtei.e
haben keinen wesentlichen l ntervhicd in der Grosse der Phago¬
zytose bei beiden ergeben.
Hat sich meine Modifikation somit als eine wesentliche \ e r -
besserung der Methode nicht erwiesen, so darf min sic d«-s ; i t--r
viele Falle als Vereinfachung und Erleichterung ansehen.
Referate und Bücheranzeigen.
A. v. K o r ä n y I - Ofen-Pest und P. F. Richter- Berlin:
Physikalische Chemie und Medizin. Ein Handbuch. Erster
Band. 575 Seiten mit 27 Abbildungen. Verlag von (I. 1 h i c ni c.
Leipzig l‘X)7. Preis 1(> M.
Das vorliegende, von Spc/ialforschem bearbeitete Hand¬
buch soll nach der Absicht der Herausgeber une l’ebersidit
über die Beziehungen zwischen phxsikahscher Chemie und
Oesanitmedizin geben, und zwar soll in diesem ersten Bande
die Beziehung zu den theoretischen mcJi/inisJien Wissen¬
schaften, in einem zweiten die Beziehung zu den praktischen
medizinischen Wissenschaften zur Darstellung gelangen.
Im ersten von M. Rol off-Halle bearbeiteten Abschnitt,
betitelt P h y s i k a I i s c h-c h e m i s c h e E i n ! e i t u n g u n d
Methodik, werden in sieben Unterabschnitten nacheinander
behandelt Materie und Energie - Atom- und Mnlcka'artheorie
— Die Aggregatzustände der Materie - Theorie der Losungen
— Chemische Reaktionen — Theorie der elektmlx tisjien Dis¬
soziation — Elektrochemie.
Im zweiten Abschnitt, betitelt Physikalische
Che m i e u nd P h y s i o I o g i e. hat A. L o e \x v - Berlin I »:e
Respiration, M. Oker-Blo m - He’.s-.ngfors I );is l ” :t m physi¬
kalisch-chemischer Beziehung, R. H u b e r - Zürich I je ph>si-
*) Im Original ebenfalls gesperrt geJruckt.
□ igitizedbr
dQo ogle
Original frorri
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1499
kalische Chemie in der Physiologie der Resorption, der Lymph¬
bildung und der Sekretion, H. Boruttau-Berlin Muskel-
und Nervenphysiologie, F. Botazzi -Neapel Die Regulation
des osmotischen Druckes im tierischen Organismus bearbeitet.
In dem allein 230 Seiten umfassenden ersten Abschnitt
werden die Lehren der physikalischen Chemie und der zu¬
gehörigen Methodik in eingehender Weise klar und anschau¬
lich entwickelt und durch zahlreiche Literaturangaben ein wei¬
teres Eindringen in den schon reichlich angehäuften Stoff er¬
möglicht. Welch ausgedehnte Anwendung die Lehren der
physikalischen Chemie zur Erklärung der Lebenserscheinungen
bis jetzt schon gefunden haben, geht aus dem zweiten Abschnitt
hervor, wenn auch in ihm die Verfasser nicht verschweigen,
dass hier der neuen Wissenschaft noch ein grosses Feld zur
Betätigung übrig bleibt. So kommt A. L 9 e w y in dem von
ihm bearbeiteten Unterabschnitte „Respiration“ zu dem Resul¬
tate, dass die bisher erforschten, von ihm erörterten physi¬
kalisch-chemischen Vorgänge genügen, um alle bei dem Gas-
wechsel ablaufenden Vorgänge zu erklären und M. Oker-
B1 o m schreibt den behandelten osmotischen bezw. Diffusions¬
erscheinungen eine grosse Bedeutung im physiologischen
Leben der Blutkörperchen zu, aber R. Höher, der die Re¬
sorption, Lymphbildung und Sekretion vom Standpunkte der
physikalischen Chemie aus sehr eingehend untersucht, muss
zugestehen, dass hier noch vieles dunkel bleibt, weil so viele
Variable, wie Filtration, Diffusion, Osmose und wohl auch rein
zelluläre Einflüsse zu berücksichtigen sind. Mit „Ausblicken“
auf die physikalische Chemie der Muskeln und Nerven muss
sich auch H. Boruttau begnügen, F. B 011 a z z i zeigt aber
mit Nachdruck, welch grosse Rolle der osmotische Druck im
tierischen Organismus spielt. Zahlreiche Literaturangaben in
diesem mehr der Physiologie gewidmeten interessanten Ab¬
schnitte ermöglichen es dem Leser, auf die Quellen zurück¬
zugehen.
Die grosse Bedeutung der physikalischen Chemie für die
medizinischen Wissenschaften ist den Praktikern schon längst
zum Bewusstsein gelangt; in dem vorliegenden Handbuch
bietet sich ihnen aber besonders günstige Gelegenheit zur
eingehenden Orientierung über das, was die physikalische
Chemie bisher schon der Medizin gewesen ist und was sie ihr
in künftigen Zeiten noch sein kann.
K. B ü r k e r - Tübingen.
Handbuch der Biochemie des Menschen und der Tiere,
herausgegeben von Dr. Carl Oppenheimer. Jena,
Fischer, 1908. 1. Lieferung. Preis 5 Mk.
Das in 20 Lieferungen zum Preise von ie 5 Mark er¬
scheinende Werk zählt zu seinen Mitarbeitern eine grosse Zahl
namhafter Forscher. Die erste Lieferung enthält „allgemeine
Methodik der Analyse organischer Stoffe“ von A. Strigel,
„einige physikalisch-chemische Methoden in biochemischer
Anwendung“ von Aristides K a n i t z, die „anorganischen Be¬
standteile des Tierkörpers“ von Hans Aron, Fette und Lipoide
von W. Glikin, und den Anfang einer Zusammenstellung
„Kohlehydrate“ von C. N e u b e r g. Nach der ersten Lieferung
zu schliessen, wird es sich im wesentlichen um eine Zusammen¬
stellung von Tatsachen und um ausführliche Literaturangaben
handeln. Das Werk wird daher für chemische und physio¬
logische Laboratorien den Wert eines Nachschlagebuches ge¬
winnen und vielen unentbehrlich sein, die selbst wissenschaft¬
lich chemisch arbeiten. Erich Meyer- München.
A x e n f e 1 d: Rapport sur le Catarrhe printanler. (Con¬
gas de SociSte Francaise d’Ophthalmologie 1907.) Paris
1907. G. S t e i n h e i 1.
In dieser hochinteressanten Monographie hat Verf. mit
Bienenfleiss alles zusammengetragen, was über den Früh-
iahrskatarrh der Augen geschrieben und zufolge Aufforderung
brieflich gegen ihn geäussert wurde. Hieraus, wie aus seinen
eigenen Beobachtungen und Untersuchungen kommt er zu dem
Schlüsse, dass die Erkrankung als eine chronische Entzündung
der Bindehaut mit Anhäufung von Plasmazellen aufzufassen
sei. Da häufig, wenn auch nicht immer, zwar keine Ver¬
mehrung der Leukozyten, wohl aber eine Zunahme der
Lymphozyten und eosinophilen Zellen bei Abnahme der
Neutrophilen im Blute bei Frühjahrskatarrh von Axenfeld
festgestellt wurde, seien diese Veränderungen des Blutes bei
der Behandlung zu berücksichtigen. Dass der , Frühjahrs¬
katarrh eine ausschliessliche Lichtkrankheit — verursacht
durch Einwirkung der ultravioletten Strahlen — sei, bezweifelt
A. wie er auch der Anschauung widerspricht, dass der Früh¬
jahrskatarrh mit dem Heufieber gleiche Ursache habe. Gleich¬
wohl empfiehlt A. für die Behandlung in erster Linie Abschluss
des Lichtes durch Okklusionsverband. Seggel.
Sudholf: Deutsche medizinische Inkunabeln. Biblio¬
graphisch-literarische Untersuchungen. Lex. 8°. 278 S.
40 Abbild. Heft 2 bis 3 der „Studien“ (Puschmannstiftung).
Leipzig 1908. Joh. Ambrosius Barth. (M. 18.—.)
Wieder erhalten wir eine reiche volle Garbe aus dem
Arbeitsfeld des schaffensfrohen Forschers.
Dass in den Büchereien, besonders der süddeutschen
Städte, auch der kleineren, noch manche Perle verborgen liegen
muss, ist zweifellos. Sogar ein bescheidenes Gemeinwesen,
wie unser Memmingen, hatte schon 1480 einen bedeutenden
Drucker in Albrecht >K u n e.
Der Inhalt des Werkes wird in folgenden Abschnitten dar¬
gestellt:
A. Aerztliche Volksbücher, No. 1—53;
B. Hieronymus Brunschwig, Chirurgisches, No. 54
bis 59;
C. Naturwissenschaftliche Volksbücher, No. 60—116;
D. Zur Diätetik und Körperpflege, No. 117—187;
E. Pest und Syphilis, No. 188—222;
F. Monstra, Gespenster und Hexen, No. 223—229;
G. Sterben, Tod, „Versehen“, Totentänzer, No. 230—260;
H. Kalender, Aderlasskalender, No. 261—454 f.
Nicht nur bisher wenig bekannte Drucke, auch Schriften,
die selbst den neuesten Historikern verborgen geblieben sind,
hat S u d h o f f an das Licht gezogen.
Zunächst sei O r t o 1 f f u s erwähnt, dessen Hebammen¬
büchlein von Ed. v. Sieb 0 1 d und Fasbender nicht auf¬
geführt wird. Es kann als die erste deutsche Arbeit über Ge¬
burtshilfe bezeichnet werden. S u d h o f f gibt als älteste Aus¬
gabe Ulm 1495 und vermutet ganz richtig, dass das Schrift-
chen noch weitere Auflagen erlebt haben dürfte. Ich besitze
eine solche, die 1534 zu Hagenau von Valatinus R o b i a n ge¬
druckt wurde. Es besteht aus 11 Blättern mit dem Titel: Eyn
Neuw büchlin wie sich die schwangeren frawen, auch die Heb¬
ammen mit denseltyigen, vor der Geburt, in der Geburt / unn
nach der Geburt halten sollen. Durch den Hochgelerten
Ortolffum Doctorem beschrieben, und auf bit etlicher erbaren
frawen, uffs kürtz begriffen in truck geben MDXXXIIII. —
Der Verfasser nennt sich zwar nicht „aus Beyerland“, doch
kann man aus gewissen Ausdrücken, wie „bürdlin“ (Dimin. von
burt, gebürt) = Nachgeburt auf bayerische Heimkunft schliessen.
Wichtiger ist der Augsburger Barthol. Metlinger,
dessen „Regiment der jungen Kinder“ von Ludwig Unger
neuhochdeutsch herausgegeben wurde (1904). Ich habe schon
vor 20 Jahren bei dem gelehrten Augsburger Dr. R o b. H o f f -
mann über diesen Autor Aufschlüsse erbeten. Kollege Hoff-
mann schrieb mir (Jan. 1888): „In meinen Notizen finde ich
den betreffenden Arzt in gleichzeitigen Schriftstücken immer
»Mettlinger* geschrieben (in den Steuerregistern der da¬
maligen Zeit). Bis zum Jahre 1483 kommt daselbst ein M ei¬
st e r P e t e r vor, welcher in einer Rezeptsammlung des Dom-
vicars Scherl von Gailendorf aus den ersten Jahren des
16. Jahrhunderts Magister Petrus Mettlinger genannt
ist. Ferner steht in den Steuerregistern von 1472 sein Sohn
Meister Barthelme, welcher von 1474 an bis 1491 als Mei¬
ster, ein paarmal auch Dr. Barthelme Mettlinger ge¬
nannt ist. Von 1492 ab seine Witwe und später seine Kinder.
Erst bei B r u c k e r in dessen ,Vita Occonum* heisst er ,M er¬
lin g e r 4 und Brücker sagt, dass von diesem Barth.
Merlinger bei Egenolf in Frankfurt mit Alberti Magni
mulierum secretis 1531 ein Tractat de infantum morbis er¬
schienen sei“ (= 39 b bei S u d h 0 f f, wo kein Drucker ge¬
nannt ist).
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1500
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn, 2*
Der älteste deutsche Kinderarzt, dessen Wert L 11 d w i n
U n ge r nicht zu schätzen versteht, verdiente gewiss eine kor¬
rekte Textausgabe mit Glossarium, das zum Verständnis der
Krankheits- und Heilmittelnamen unentbehrlich ist.
Die unter No. 35, 36, 37 von S ti d h c> f f beschriebenen Aus¬
gaben (1473, 1474, 1476) finden sich auch in (ieo. Willi.
Zapfs Augsburgs Bnchdruckergeschichte 17KN.
Auch mit Konrad von Mcgenberg (Huch der Natur)
befasst sich Sud hoff gründlich. Sehr dankenswert ist liier
der beigefügte lehrreiche Exkurs. Weitere Hinweise finde ich
in W. Wackernagels Geschichte der deutschen Literatur,
I, 436.
Das prächtig ausgestattete, reich illustrierte Werk wird
nicht nur den Aerzten, sondern auch den Kulturhistorikern und
Kunstfreunden grosse Freude bereiten.
Huber- Memmingen.
Neueste Jounuüliteratur.
Deutsches Archiv für klinische Medizin. 93. Hand,
1 . u. 2. Heft.’
1) Aufrecht: Die Genese der Arteriosklerose (Arteriitis).
Die Untersuchung von Sklerosen der Aorta thoracica, hei denen
Lues auszusehliesscn war, ergab, dass der ganze Vorgang als eine
Entzündung der vasa vasorum anzusehen ist, welche zu tr»»phischcn
Störungen in der Media und Intima fuhrt, so dass als»» der Prozess
als „Arteriitis“ zu bezeichnen ist. ebenso w ie man die von den klein¬
sten Gefüsscn der Nieren ausgehende chronische Erkrankung ..Nephri¬
tis“ nennt. Bei der Arteriitis mit ihrem Ausgang in Ai termskleiose
kommt es infolge der Entzündung der Vasa nutrienta je muh »1er
Art der in ihrer Ernährung beeinträchtigten Elemente zur b i w eicliimg
in der Media oder zur Zellschwellung mit nachfolgendem Schwund
auf dem Wege des Kernzerfalls in der Intima.
2) G. R i e b o I d: lieber periodische Fleberbewegungen mit
rheumatischen Erscheinungen bei Jungen Mädchen (rekurrierendes
rheumatoides Ovulationsfieber). (Mit 6 Kurven.)
Neben jenen Fällen von Ovulationsfieber (prämenstruellem Lie¬
ber), die mühelos auf einen nachweisbaren Infektionsherd zuriuk-
gefiihrt werden können (entzündliche Prozesse in den Genitalien,
Pyelitis, tuberkulöse Herde in den Lungen etc.), kommen nicht selten
Fälle vor, in denen sich ein Krankheitsherd im Körper weder nach-
W'eisen, noch mit Wahrscheinlichkeit vermuten hisst. Düse Fälle,
die sich hinsichtlich der Art und Weise ihres Auftretens den erst¬
erwähnten Fällen durchaus an die Seite stellen lassen (häufiges Re/i-
divieren der Anfälle in zeitlichen Perioden, die den Mcnstniatioiis-
intervallen des betreffenden Individuums entsprechen. Einsetzen des
Fiebers in den Tagen vor Eintritt der Menstruation), sind namentlich
dadurch charakterisiert, dass sie mit rheumatischen Erscheinungen
einhergehen. Die Aetiologie ist vorläufig dunkel, die Prognose ernst,
quoad restitutionem, insofern als auch bei leichten Anfällen das Merz
regelmässig in Mitleidenschaft gezogen wird und bei schweren An¬
fällen auch quoad vitarn, die Therapie machtlos und rem svmpto-
matisch: Salizyl bezw. Ovarialtablettcn brachten keinen Nutzen.
3) C. Haeberlin: Ueber das Vorkommen präkapillarer
Phlebektasien auf der vorderen und lateralen Thorax wand bei Er¬
krankungen der Zirkulations- und Atmungsorgane.
Die über dem untersten Thoraxabsclinitt median und lateral sich
findenden Ektasien präkapillarer Venen sind eine Stauungserschei¬
nung, die lokale Ursachen (z. B. Pulsation eines hypertrophischen
linken Ventrikels gegen die Thoraxwand und konsekutive Kompres¬
sion venöser Bahnen) lind allgemeine, dvnauiische Ursachen haben
kann. Als solche sind Schw äche/iiständc des rechten Heizens und
konsekutive Erschwerungen und Storungen im Abfluss des venösen
Blutes anzusehen. Es muss aber noch eine weitere, mechanische Ur¬
sache vorhanden sein, damit gerade über der unteren Thoraxapertur
sich charakteristische Ektasien bilden können; diese ist in der Kom¬
pression der über den Rippenbogenrand nach abwärts verlaufenden
subkutanen Venen bei den Thoraxexkursionen der abdominalen At¬
mung zu suchen.
4) K. A. Hasselbach: Ueber die Einwirkung der Tem¬
peratur auf die vitale Mittellage der Lungen. (Aus dem Labora¬
torium des Einsensehen medizinischen Liehtiustitutes Kopen¬
hagen.)
Bei 3 gegen Temperatureinwirkungen auf die nackte Haut nicht
abgehärteten Versuchspersonen bewirkten niedrige äussere Tempe¬
raturen eine hohe Mittellage und umgekehrt. Bei einer durch tägliche
kalte Bäder abgehärteten Person kamen diese Veränderungen nur
ganz rudimentär und zum Teil vorübergehend zum Ausdruck. Ueber
die Art und Zweckmässigkeit des reflektorischen Zusammenhanges
zwischen der Wärmcempfindtmg der Haut und dem Grade der Aus¬
spannung der Lungen während der Atmung lässt sich eine bestimmte
Erklärung noch nicht geben.
5) K. A. H a s s e I b a c h: Leber die Totalkapazität der Lungen.
( Aus dem Laboratorium des i' i n sc 11 sjiui meäi/imscheil I.*».
Milutes Kopenhagen.)
Die Totalkapazität der Lungen ist keine tm\ct an k Tu Le G* ^c .
sie nimmt bei liegender Mellung ab und nimmt \ or gehend ri.s, i
anstrengendem Laufe, andauernd bei l ebung zu. I ’ie \ ita kap.i.' :
der Lungen nimmt bei liegend», r stclkmg ab. hauptvu hlu h. \x» d ei c
Grenze »ler tatst» n luspit atmn eingeengt wird: sie nimmt ummMe .*'
muh einem Laute ab. weil »!ic Gteii/e »Tr lutsten I xsp.iaü- n t
geengt wird, w ährend die Grenze der tielstiii Inspiration suh g\.c‘:-
Zeilrg in geringem Misse erweitert; und s<c nimmt bei leimig z;i.
Weil suh »lie Gtcu/c »ler ticlst» n Inspiratr«11 erweitert.
f») R. Pietschv und II Mossii: Beitrage zur Bt'tjrldUing
der Kreislaulvcrhältnissc bei Infektionskrankheiten mit Hilfe der Blut»
dr5? kheStimmung. ( Xus »ler in» di/ims*hen kmuk in Base! » iV.t
6 Kurven.)
Bei T\ plins sinkt w ahrend der I >e ter \ es/enz nullt mir der M.tvi-
maldruck. sondern auch »kr Ibuk!* iu kuinDient ".»» und «!.is Xmp •-
tuileiifreiiuen/prodiikt (Ab). »1. h d e Mer/cnefgie ta !t bei g'iuli-
bleibeml» n XX nler staiulen. Pas Merz hat w.th'üul »ler Pe'ude IndicM
I lebeis trotz niedrigem Ma ximaidr iu k eine Me i» tstung getan. \ er-
umtlich um die ein r v h die Bakterient<-\me er /» ugte \ crtmndiv ung d»s
t ietassti iiius zu k- unpe nsieieit. und dadurch den geste sgerti n Xu-
spt liehen »ler t »r gatte an »lie Biutx etsm gun g n.u h/uka'' ojhii. M»t de ”i
Muken ei» r lemperatur reduziert su| die Mer/.n beit aut em geringeres
Mass. Gleuh muh der Lullte berung und im X er laute der Rckmfn.i »s-
zeiiz leistet »las Her/ w ie»ler \ »•riiu lirti- X’Kit. ehe bedm.’t ist dur*.:»
»lie \ crmchrte I atigkcit eie r Muske'n u: 1 d» r \ er »..inmus.-'i-sci: !*e i
den der t letiesung etttgegengi h. ;m» u i *at,« nten. ln der kt/ten Pe¬
riode mamlestiert suli eine ’*e» mu.\i Xtnde’u-g d» r /; » u ata m.
itnlein die \ et mehr UWg der \\ .de fSim.!» dur.h eme /uu.ih*-. c »le'
Merzeiiergie ausg»gacheii wirdeu mims. I s »:.*i:c di» se s Xciat^.i
ais Auselt Uek für die XX lede rhe r ste, .ung ks ii..rm.i\u X .is. m c n-
toiuis anzusehen sein. Pie B’utdriu k \ e : )n fasse ge s:t: e n .» s.. e n» u
Einblick II) »lie dtiull die St 4f;w eJis» prif-^akte eie r B.ikte'ieil L.cr\«*r-
g»*r ti teile K t» Kfäutsti <r uug. die zum I ewnudnis du», h ein p- s
\ ei sagen »ler ll»i zt.ttigkeit, zum k\ liieren 1 e il w < ■!. i .null durP:
eine S^ h.|.T«giing »kr X .»s. >m< k > r e n bedingt ist
7) Ih tirocdcl iirm Ir. Groedel: Leber die Form der
Herzsllhouettc bei den verschiedenen Klappenfelilcrn. <M,t 7 X’ 1 d
ilimg'-ii.)
Pie* l'oim der Herzsiffn■uet!e </. B liegende im-rrn lei X<nten-
msiinizieii/. liegende, mehr i um! a he I d * m bei rni*» r X' •' t» ’M» u. .s, .
st»* In* ti di* lilorm b» i Mitiaistiiu.se'. Kng» l'tn bei Mtra.usi.a e n •
lliul »lie* KolingiU ation der R.mdb-.ge n ks 11 ; ,*sj..in» ns. »bc bei e ri-
/»•Iru n K lappi-nfehle r n und Le i k <mrfin.i;i m lu-me r \ e rn ,e .k n
sind, können »Iu* Piagm-sg der k . 11 * i * e tu 1 kr .id unge n «esc: idi nr-
dern. In matuhen laben kamt »!i»se*s X »«%»t*. ♦ e n a'iss v ,» v g t bem!
s»-m, insbesonde re ist es w u bkg lar *be l *;*k ?e nka..!.ag::ose* /»usdiui
Klai»p» fi!» hier mul V itium e'>r dis w *mge n.tum.
M M. A r n s p »• r g e r; l eher t \cntratio diaphragmatica. < Xus
der nu'di/imsJicn k !unk zu lk:d»'b»'g> < M,t 1 .:*» I<
Pie Piagriose wu'»!e bei einem d"'.dingen M.d.lun in! , .i \ it.ni
durch »las Rmitg» Ipnid g» su li< r t.
01 11. bischer: Zur Kenntnis des kar/innmatösen Magen¬
inhaltes. (Xus eler II. nitili/iiiis. In n k .mk zu V.*a!.enl
Per k.u / 1 tu uiiatose- Magensaft eun .i t i:• j i u g» “’s.itz /um in r-
malen reuhluh I udpr<*dukfe »kr Im d* ■ \ i'V ' » u 1 .w •. ;sssp., tung :
T> ihmii, I » ii/in, Xremm mul I \ sin. P..s X!.::•» t» :i .! » s» r >;m tun^s.
pioiluktc ist w all r se ll.t in u ll aut »he 1 11 » v» nw .»* t »"’»» r'deddisdnil
b’einniits /unu k/u! dir e n Pa.*i.:«M t» ä t n kan* m- muit s» n M.igin-
sait »he Xrgmase*. P.is >ai/s.nn e d» ti/it b» i !,u l "!,ss.!u'»r Re akj|»*n
ist eine böige der XX ir kling des pr • -t e'--1 \ t >•., ,, lerm. ms
HD C. b* t a u b I i: Beitrage zur Pathologie und Iherapie des
Diabetes mellitus. ( Xus »1er I! me di/sms. In »» k **’k /u Mu-Jun und
der nn-di/imschcn Kinuk /u Basel.» « NX 1 1 l.ik. II *
2 lalle* Voll Piabetesnu li'us/ei^'.mi. wie r.«s v b n” ! iP'.eiivs »las
Ziukerumset/uiigsx erm« >ge n mit» r d» r ''Jvaumg. »hv 1 r den (»rg.i-
msmus »In* b mschr ankiing »kr k ■ T » ! \ »i* at» bedeutet. un!**r l m-
stamk'ii w a eil seil kann; sie* /ernten d e* atrs^t s;»'.. J*»*fs!e letnkn/.
sich »ler tio-rniaien I unkti'Uisi.ilugke it /u r »;*•. • n. s b.i »! »,.e P;.»t i nt-
sp i eclierkl g»ng»lt vur»k. Xiuh d.s ^e'.'u.c l » ' » r s :te n »!e r
momentanen I »der an/gr en/e \»nn.,g »1« r < »• gamsmus miter l m-
stail»l»*n Noch /il nbe r w unk n Ire ati.e I ■ -le u»** u. * e n / e •. Pie kdie-
h\»fratmeiige. »lie aiuli Pur lange re /» .1 -'.»s M.ixmum des /;uker-
verbr eil Mutig sx'eruiov’e ns bildet * abs u; e* I »'.-*’.• g: en/e■) kann »‘a-
bei um em Mehrfacb.es hoher lugen. Pc »: e I I» um/ iT» ’sjre;-
teiule Mehr/iifiihr x mi k-dikdix draten Iu/w !•»• »l.i lurvh K dingte
ilaiu-rinle* fuiiktn uielle l vlu r lasjung »ks /t;m » ' m: '-e t/ungs\em* ...» ns
hat grossen Anteil an »kr Pr<.gre dmn ' d» s Pnb * •< s | .» \ u’-'se kann,
ohne momentan »lie < u\koMpu* iiiiil':» h /u s; t ; v » rn* »me »!.iu»rn.!e
Schädigung »ler Toictan/ beW rkcti. X’*-g» '•»kn \ »!» n »!>;'Ji »!•»*
Nalirimgs.uifiialim» be»lingt» ii > Jiw .mUm . .. n de - /*.u ke MtjssJie idimg
koinieii sid» li» 1 p» r i"dise her und gesetzt: ,:ss-ge c Natur de ni dia¬
betischen (l"igamsmus an s^li zik ■ am ; < n. p:e k .. ’’*•?•• <; #rrser
Tatsachen kann im I *n/e!ta!le zur 1 k sp-nn ung e *'» ** />.:t i hren.
Zit der der Piabctiker am x orte! haftest» ti d.e N.d"tr*g emmmtiit.
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UNtVERSITY OF MINNESOTA
II Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1501
Zwischen Eiweiss- und Kohlehydratstofiwechsel kann in schweren
rillen von Diabetes insofern eine Beziehung bestehen, als bei
hoher Eiweisszufuhr und einseitiger Kohlenhydratentziehung mehr
auf Eiweiss beziehbarer Zucker ausgeschieden wird. In solchen
Fällen kann die Einschränkung der Eiweisszufuhr von günstigerem
Einfluss auf die Glykosurie sein, als die Kohlehydratentziehung. In
schweren Diabetesfällen mit Azidose kann energische Kohlehydrat¬
entziehung günstig wirken, indem unter dieser Schonung das Zucker¬
umsetzungsvermögen des Organismus erstarkt, und damit die Azi¬
dose sich bessert. Während im allgemeinen bei Fettzufuhr eine
Vermehrung der Azidosekörper im Urin nicht auftritt, zeigte 1 Fall
eine auffällige Abhängigkeit der Grosse der Azetonurie von der ein-
geiührten Fettmenge. Grosse Alkoholgaben verringerten diese
Azetonurie, schienen aber die Toleranz zu schädigen. Während der
Alkalizufuhr (Natr. bicarb.) wurde in 3 Fällen in Relation zur N-Ein-
iuhr weniger, bei Aussetzen jener mehr Gesamt-N ausgeschieden,
ln 4 Fällen Hessen sich auffallende Schwankungen des Körpergewichts
infolge Wasserretention feststellen; binnen wenigen Tagen können
infolge vermehrter Wasseraufnahme durch die Gewebe mehrere Liter
Wasser ohne sichtbare Oedeme oder Ergüsse aufgenommen werden;
dabei bekommen die Patienten ein volleres Aussehen; umgekehrt zur
Zeit der Körpergewichtsabnahme.
11) E. Grafe und W. Röhmer: Ueber das Vorkommen hämo¬
lytisch wirkender Substanzen im Mageninhalt und ihre Bedeutung
iir die Diagnose des Magenkarzinoms. I. Mitteilung. (Aus der medi¬
zinischen Klinik zu Heidelberg.)
Der Aetherextrakt des deutlich alkalisch gemachten Magen¬
inhalts nach Probefrühstück enthält unter gewissen Bedingungen
hämolytisch wirksame Substanzen. Sie fanden sich in allen unter¬
suchten sicheren Fällen von Magenkarzinom, bei anderen Magen¬
leiden sehr selten. Diese Substanzen sind alkohol- und ätherlöslich,
sowie koktostabil und hämolysieren in kleinsten Mengen Menschen-
und Tierblut. Der Stoff ist ein Lipoid und die wirksame Substanz
darin wahrscheinlich die Oelsäure, die vermutlich aus der karzinoma-
tös veränderten, ulzerierten Magenwand stammt.
12) A. W e i 1: Lieber die hereditäre Form des Diabetes insipidus.
(Mit Tafel III.)
Die Arbeit bespricht den Stammbaum und die weiteren 5 Gene¬
rationen einer Familie, deren Mitglieder in überraschend grosser An¬
zahl an Diabetes insipidus erkrankt waren. Diese hereditäre Form
des Diabetes insipidus zeichnet sich aus durch die besonders grosse
Intensität der charakteristischen Erscheinungen, namentlich die starke
Ausdehnung der Blase, die enorme Grösse der Einzelentleerung, das
ungewöhnlich niedrige spezifische Gewicht des Harns, den gleich-
massigen Verlauf, die unbegrenzte, von der Wiege bis zum Grabe sich
erstreckende Dauer, sowie die absolute Unschädlichkeit für das All¬
gemeinbefinden und das Leben der damit Behafteten. In den
meisten Fällen liegt eine direkte Vererbung vor, gelegentlich wird
eine Generation übersprungen. Der Ernährungszustand der Diabeti¬
ker war ein befriedigender, der Appetit gut; abnorm grosser Hunger
wurde nie gespürt, die Verdauung war durchweg gut. Periode,
Schwangerschaft und Geburt waren normal, nur die Gravidität stei¬
gerte die Symptome. In 3 Fällen verschwand der Diabetes während
fieberhafter Erkrankungen, um nach der Entfieberung wiederzukehren.
Das Herz war bei keinem Diabetiker hypertrophisch, die Gefässe
auch bei den ältesten Patienten nicht sklerotisch.
13) Joh. PI esch: Einiges über Perkussion. (Aus der II. medi¬
zinischen Universitätsklinik Berlin.) (Mit 5 Abbildungen.)
Nach Analyse der bei der Perkussion entstehenden Wellen be¬
spricht der Verfasser seine „Gefühlsperkussion", deren Ergebnisse
orthodiagraphisch kontrolliert und bestätigt wurden, und verwirft die
von Goldscheider empfohlene Griffelperkussion.
14) Besprechungen. Bamberger-Kronach.
Zeitschrift für Tuberkulose. 12. Bd., 5. Heft.
Prof. Dr. Kümmer; Tuberkuloseschutzimpfung der Rinder mit
nichtinlektiösen Impfstoffen. (Schluss folgt.)
Sophus Bang: Vorschlag einer Erweiterung der Turban-
schen Stadieneinteilung.
Die Turban sehe Einteilung legt ein zu einseitiges Gewicht auf
das sthetoskopische Bild, die der Extensität der Erkrankung beige¬
messene Bedeutung ist nicht einwandfrei, abgelaufene und frische
Prozesse werden nicht unterschieden, dem subjektiven Ermessen
ist zu grosse Freiheit gelassen. Unschätzbar ist an der Einteilung
die Einfachheit. Diese wurde durch den Wiener Kongress mit seiner
Turban-Gerhardt sehen Einteilung zerstört, weshalb diese
keine Aussicht auf allgemeine Anerkennung hat. Verf. will die alte
Einfachheit wieder herstellen und die Einteilung dadurch verbessern,
dass er den ganz unbrauchbaren Begriff des Lungenlappens be¬
seitigt (was links auf zwei Lappen kommt, verteilt sich rechts auf
drei) und Lungenfelder einführt. Feld 1—9 liegt vorn, 1 die Supra-
klavikulargrube, 2—6 der 1.—5. Interkostalraum, 7—9 Spitze, Mitte
und Basis der Axillargegend. Feld 10—18 ist hinten entsprechend
verteilt. Jedes Feld gilt bei leichter Erkrankung 1 Point, bei
schwerer 2 Point. Daraus ergibt sich eine ganz genaue Bezeich¬
nungsart bei der völligen Beibehaltung der Einfachheit der Turban-
schen Einteilung, und es ist auch der Widersinn vermieden, dass man
neuerdings jede Lunge für sich behandelt und dadurch zu ganz
falschen Schlüssen kommt. Durch Points ausgedrückt gehören jetzt
z. B. 10 Points der rechten Lunge allein zum 3. Stadium, während
9 Points der rechten und 9 der linken, also zusammen 18 noch zum
2. Stadium gehören. Verf. wünscht die Frage auf einem der nächsten
Kongresse besprochen.
Derselbe: Das Einträgen der Lungenbefunde In Schemata.
Wieder ein neuer Vorschlag zu 3 Dutzend alten. Es sind die
Zeichen, die in Dänemark üblich geworden sind und in gewiss er¬
freulicher Weise Anerkennung gefunden haben. Die Hauptsache bei
jeder Zeichensprache ist, dass sie auf einem vernünftigen System auf¬
gebaut ist. (Der Verein süddeutscher Heilstättenärzte hat jetzt eine
gleich logische Zeichensprache ausgearbeitet, über die noch die Ver¬
handlungen schweben.)
Dr. Kaufmann und cand. med. M i e t z s c h - Schömberg:
Experimentelle Prüfung des Desinfektionswertes von Rohlysoform für
die Wäsche und des Autans für die Wohnräume Tuberkulöser.
Die Untersuchungen der Verf. ergeben, dass weder Rohlysoform
die Wäsche, noch Autan die Zimmer desinfiziert.
Dr. med. M. Rothschild -Soden: Ueber Autotuberkuline.
„Unter Opsoninen verstehen wir mit W r i g h t diejenigen Be¬
standteile des Serums, welche dazu dienen, die phagozytische Kraft
der weissen Blutkörperchen zu fördern. Bringt man in einer Pipette
Leukozyten von einem Kranken, eine Emulsion der Mikroben, die
seine Krankheit hervorrufen, und eine gewisse Menge seines Serums
zusammen, lässt dann im Brutschrank dieses Gemisch bei 37 0 C eine
Viertelstunde verweilen, so können wir die Zahl der in dieser Zeit
phagozytierten Keime unter dem Mikroskope zählen. Zur Kontrolle
stellt man denselben Versuch mit dem Serum eines Gesunden an.
Das Verhältnis der gefressenen Bakterien zu den fressenden Phago¬
zyten nennt W r i g h t die „phagozytische Zahl" — das Verhältnis
der phagozytischen Zahl des Kranken zu der des Gesunden den
„opsonischen Index“. Den Opsoninen fällt die Aufgabe zu, ins Blut
gelangte Bakterien so zu verändern, dass sie von den Phagozyten
aufgenommen und unschädlich gemacht werden können. Die An¬
wesenheit der Bakterien im Blut gibt den Reiz zur Bildung der
Opsonine ab; allerdings enthält auch das normale Blut für eine Reihe
von Mikroorganismen spezifische Opsonine.“
Es dürfte nicht überflüssig sein, diese Grundlage hier nochmals
zu wiederholen, denn es lässt sich nunmehr mit kurzen Worten sagen,
dass R. als günstigstes Serum das betrachtet, das mit Bazillen von
dem zu behandelnden Kranken selbst emulsioniert wurde. Er nennt
dies eben Autotuberkulin und nimmt an, dass dort, wo bisher Erfolg
erzielt wurde, zufällig die günstigen Verhältnisse des Autotuberkulins
gegeben waren. Für Fälle mit geschlossener Tuberkulose, die also
keine verwendungsfähigen Tubcrkelbazillen produzieren, hat er ein
Universaltuberkulin konstruiert, das' nach dem Worte „Wer yieles
brhgt, wird manchem etwas bringen" aus verschiedenen Arten zu¬
sammengesetzt wird und dann doch etwas Auto enthalten mag.
Höchst interessant ist die von englischen Forschern aus der gan¬
zen ’iheorie abgeleitete praktische Anwendung, über die R. sagt:
„Es g. ang den englischen Forschern zu zeigen, dass infolge körper¬
licher bewegung aus der Umgebung tuberkulöser Erkrankungsherde
spezifische Giftstoffe ins Blut gelangen, die einen deutlichen Einfluss
auf den Verlauf der Opsoninkurve gegenüber den Tuberkelbazillen
ausüben. Zunächst senkt sich die Kurve, um in einer der Arbeit fol¬
genden Ruheperiode sich über die Ursprungshöhe zu erheben. Dar¬
aus folgt, dass die an der Peripherie tuberkulöser Herde in den
Lymphspalten und Saftkanälchen deponierten Tuberkuline — infolge
der Arbeit ins Blut gelangt — einen identischen Effekt auslosen, wie
künstliche, von aussen dem Erkrankten zugeführte Tuberkulindosen.
Unter Kontrolle des opsonischen Index gelingt es, die durch
entsprechende Ruhepausen unterbrochene Arbeit so zu dosieren, dass
eine erhebliche Anreicherung des Blutes mit Opsoninen resultiert,
welche dann der Ausheilung der erkrankten Organe förderlich ist.
Wir erfahren nichts Genaueres über die Prinzipien, nach wel¬
chen die Auswahl unter den Tuberkulösen getroffen werden soll, die
mit dem „Graduate-Labour"-System behandelt werden können. Nur
so viel hören wir, dass sich nicht alle Erkrankten für die Methode
eignen.
Zwei Punkte schienen mir die wichtigsten in diesem originellen
Heilverfahren zu sein — einmal der erfolgreiche Versuch der Ver¬
wertung des vom Kranken selbst gebildeten Tuberkulins zur künst¬
lichen Förderung von Immunisierungsvorgängen, zweitens die Be¬
obachtung des opsonischen Index zur Bestimmung des zweck-
mässigsten Zeitpunktes der Autotuberkulinisation."
Dr. Schröder -Schömberg: Ueber neuere Medikamente und
Nährmittel für die Behandlung der Tuberkulose.
Ein diesmal ziemlich ausführlicher Bericht in der üblichen Weise
und Vollständigkeit.
Die Beilage für Heilstätten- und Wohlfahrtseinrichtungen ent¬
hält einen referierenden Aufsatz von Köhler: Im Kampfe um
die T u b e r'k u lose frage, und einen solchen von Schellen¬
berg: Die Behandlung des Hauptthemas-.„Der Wert
der Röntgenuntersuchung für die Frühdiagnose
der Lungentuberkulose" auf dem Röntgenkongress
1908 in Berlin. L i e b e - Waldhof Elgershausen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1502
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. J*.
Deutsche Zeitschriit Mir Chirurgie. 93. Bd., 3. Heft. Leipzig,
Vogel, Mai 1908.
Nekrolog Lennander.
13) Fritz König-Altona: Weitere Erfahrungen über Kiefer¬
ersatz bei Exartikulation des Unterkiefers.
Ankniipfend an eine frühere Arbeit (D. Z. f. Ch.. 88. Bd.. 1.—3. H.
Ref. d. Wochenschr. 1907, No. 28, pag. 1392) teilt K. weitere Er-
fahrungen über Unterkieferprothetik mit.
Im ersten Falle wurde eine Schröder sehe Hartgummiprothese
benutzt, die durch eine an den Nachbarzähnen fixierte Goklgabel mit
Draht befestigt wird; dadurch wird lückenlose Schleimhautnaht er¬
möglicht. Der Gelenkknorpel der Cavitas glenoidalis wurde zur Ver¬
meidung von Knorpeldrucknekrosen mit Muskulatur überdeckt.
Bei der 2. vollkommen zahnlosen Patientin wurde eine nach
der Röntgenplatte angefertigte Hlfenbeinprothese mit Dorn fiir die
Markhöhle des Ramus horizontalis benutzt; die Prothese wurde nach
völliger Schlcimhautnaht eingesetzt, die Weichteile über ihr ver¬
näht mit ausgezeichnetem kosmetischen Resultate.
14) Julius Malis-Basel: Die Kutandiagnose der Tuberkulose
bei chirurgischen Leiden. (Klinische Studie.)
Nach guter zusammenfassender Uebersicht über Geschichte.
Technik und Deutung der Resultate bei der P i r q u e t sehen Reak¬
tion teilt M. seine an 105 Fällen chirurgischer Tuberkulose gemachten
Erfahrungen mit.
Der klinische Wert der Methode darf noch nicht als gesichert
betrachtet werden, bevor nicht durch ausgedehnte Untersuchungen
speziell ausgewählter Fälle die Art des Auftretens der Reaktion.
Differenzen im Reaktionsverlauf bei verschiedenen Tuberkulosen,
event. Zusammenhang zwischen der Intensität der Reaktion und der
Grösse oder Akuität der tuberkulösen Infektionen festgestellt ist.
«Die chirurgischen Tuberkulösen reagieren im allgemeinen viel
heftiger als die Lungentuberkulosen; sie zeigen sogar regelmässig
eine Reaktionsform, die bei Lungertuberkulosen als eine seltene und
ungewöhnlich starke beschrieben wird. Die bei Lungentuberkulosen
als stark bezeichnete Reaktionsform wird bei den chirurgischen nur
als eine mittlere bezeichnet usw. Es kommt daher den chirurgischen
Tuberkulösen eine relativ günstigere Prognose zu. als den Lungen¬
tuberkulosen, was auch in der Tat der Fall ist".
15) Roderich S i e v e r s - Leipzig: Ein Fall von Embolie der
Lungenarterle nach der Methode von Trendefenburg operiert.
Der Fall, der ca. 20 Minuten nach der Embolie zur Operation
kam, blieb noch 15 Stunden post operationem am Leben. S. konnte
aus der Art. pulmonalis 2 grosse Emboli extrahieren, die Atmung
setzte unmittelbar nach der Extraktion des 2. Embolus wieder ein.
Die Durchführbarkeit der T r e n d e I e n b u r g sehen Operation
ist damit am Menschen erwiesen, auch das Instrumentarium erweist
sich als absolut brauchbar.
Bei genügender Zeit würde T. mit B r a u e r - D r ä g e r schein
Apparat operieren, der aber nicht Conditio sine Qua non ist. wie der
vorliegende Fall zeigt.
16) F. Weber-St. Petersburg: Appendizitis und Gravidität.
Die Appendizitis während der Gravidität ist enorm selten. Die
Gravidität prädisponiert nicht zu Appendizitis; schwere Formen wäh¬
rend der Schwangerschaft sind relativ selten.
Trotz schwerer Appendizitis braucht der Abort nicht einzutreten.
In diagnostisch zweifelhaften Fällen ist F r ä n k e I s Vorschlag,
die Gravida in linker Seitenlage zu untersuchen, brauchbar. . In
leichteren Fällen wartet man ab; der 3.-4. Monat ist für die Appen¬
dektomie ä froid am günstigsten.
5 eigene Fälle, die sämtlich operiert wurden (2 mal Abortus).
17) H. F1 ö r c k e n - Wiirzburg; Das Fadenrezldlv nach Gallen-
stelnoperatlonen.
Das echte Gallensteinrezidiv nach Operationen ist de facto
enorm selten: meistens handelt es sich bei erneuten Kolikanfällen
um mit oder ohne Absicht zurückgelassene Steine, um Adhäsionen.
Katarrhe des Magens und Duodenums, Verstopfung der Gallenwege
durch Gerinnsel oder Schleimpfröpfe. Die theoretische Möglichkeit
der erneuten Steinbildung wird praktisch bestätigt durch das sogen.
Fadenrezidiv, d. h. Konkrementbildung um Seidenfäden nach der
ersten Operation.
An der Hand eines derartigen Falles stellt Verf. die Literatur des
Fadenrezidivs zusammen (7 Fälle).
Chemisch besteht der Fadenstein aus Cholesterinpigmentkalk,
in 6 Fällen bildeten sich die Fadensteine nach der Zystostoipie aus:
durch Benutzung von Katgut zur Gallcnsteinnaht oder Langlassen
der Seidenfäden nach Kehrs Vorschlag lässt sich das Fadenrezidiv
vermeiden.
18) Kurze Mitteilung:
Wilms-ßasel: Zur Technik der Beckenkompression bei
Operation der Blasenektople nach Trendelenburg.
Nach Durchmeisselung der Beckenknochen rechts und links vom
Os sacruin legt W. 8 Tage später über dem Leib des Kindes einen
Eisenbogen an. Dieser trägt an beiden Enden durch Schrauben ver¬
stellbare Holzklötze, die je 3 Nägel aufnehmen, die auf der äusseren
Beckenschaufel etwas hinter der Spina a. sup. angreifen und das
Becken komprimieren. Der Hautdruck und damit der Dekubitus wird
dadurch vermieden. (Abbildung und nähere Beschreibung im Ori¬
ginal.) Flörckcn - Wiirzburg.
Belirig« zur kllutecliM Cfcirurstet red. von P. v. 13 r u n s.
57. Band, 3. Heft. Tübingen, Lau pp. 19 un.
Aus der Heidelberger Klinik gibt I*. Paneel einen Ikitrag
zur Anwendung des Murph> knöpfet bei der Magendarmanasiocnote
und berichtet dann über die l rlahrüngtii der hetrc’iemleii K .:r\rk-. m
der der Knopi seit Ins Mptc :t.bcr l‘X'7 kofiM. »juv nt bei der
Gastroenterostomie angewandt wurde. I >. bespricht die \<-rte. c des¬
selben (Abkürzung der Operation. \ cr\ wt.u luing der Iccümk. un¬
mittelbarer postoperativ er Erfolg) n.ilur und erkennt SH/ie! eine Be¬
deutung betr. \ ei Mutung des Circulus vitn-sus dem km-pte zu. auch
Seme eventuellen Nachteile t1 inkeiiung. Re len tum durdi pt: it« -jü¬
tische Mrange, Knnpidi kubitus und I ’ e r! • ■ r .i 1 1 ■ > n. Par me ir;k \ v .« ” g
und Verschlingung) werden besprochen und wurde in der Heidel¬
berger Klinik m der Mailte der halte der Km-ptabgang k-ms%*:.e rt.
Nach P. ist der Knopi besonders zu empfehlen. wo es aut ei’ e /e t-
ersparms bei der Operation aiik<unmt: I. bei der Gastr«'enter- st--v .e
kachektischer lind herunter geM-mme ner Patienten (ka'/.nm ttw.».
2. bei der Resektion muh Biiif-th II; dagegen ist d;e Naht zu \er-
wenden: 1. wo es bei der Operation Weniger aui e.ne r.isd.e Vns-
fiilirung ankomml (besonders bei gutartigen fa. en»: 2. bei a en K*e-
sektionen (ausgenommen Buir-Uh II». 3. bei a-eii aiuh nur unter ge¬
ringer >paimmig Mellenden Anast. -m.-sen, namentlich der hast'-,,
stomia anterior.
Willi. Mack besprüht die Cholez)»tottomlen der Heidelberger
chirurgischen Klinik 1901—1906.
Wenn die Clndez* sb-sp-ip e ancli etwas an die Ekt-mnc \cr!->rcu
hat. glaubt M. doch, dass sie wieder weiter Anwendung laude, wenn
es gelange, ehe N.ulil'ile iler selben, M.tut.g# t il vier Bf.u he, Vdt.a-
S i • »neu lind Rezidive elanach zu reduzieren. W .ihre rd Kehr s<j Pr--/,
seiner C iallensteiiiopenef teil als vo,:g geheilt k-nst.»!ie r tc. und bei
II Pro/. noch Grund zu Klagen i.uul. er*.»)’ suli bei vle n N.u nu-te , -
suchungeii Ms. bei Sh. 1 lV-z. gebessertes, gutes und sehr gutes Ibe¬
finden. Pie primäre Mortaiital beieul.net sich aut vl Pr -/ bei g t.ch-
Zeitigen Cln>|ed<>elius..pi rati-uie n iii'eeMim \1 Pr--/., die Art t ts-
falngkeit war nur in hT.'J Pi*»z. \ -.big er lulle II oder g« t e sse 't. lei
lö Pro/. Iiess suh Völlige Gesundheit < Be s v hw erde beihed > konsta¬
tieren. Bruche (bas/ieniru ke nl waren m 2".4 Pr«*/, a er la..e Uei:*i
riiamilk Men GesJikcht 3i'.s Pr--/., beim \u! kheii IW.4 Pr--/ I v. r-
lianden, n.ieh k h"kd'‘clnisi.perati<-nen 2»*.7 Pr--z. Wie K. kann M.
der Nahtmethode* keine bes--ndere Bede utung be/. \ e * b. *; t u ** g der
Bruche beimessen (muh durc hgr eilt n-ler Nabt 2' , .s Pr--/., n.u h
Etagermaht Jo.S Pr«-/.). Rezidive wurden Bei I2d Pr«-/, an ge u -r n.e :i.
bei Chole/x stitis «-Ime Beteiligung der luteren Wege bei 4 M pr-z.
bei Eminem in I7.h Pr««/., bei Mepatikusdraimige m 2»‘.'s Pr--/. M
fuhrt Operatu-nsbeiund und N.u buntersiu liungser ge bms v--n 1
Chole/ystostomien naher an. Pie f i\ati--n der Uu'knba'm* am Pe::-
toneiim hat hantig zu Knukungs- und Adhasi- nsste m -seil get !.rt. Me¬
ist überall da zu verwerten. w<» stärkere Re ;//ustam!e bevtcf^iti
Per K e h r sehe W ebenso hmtt lasst h'-tten, euren Ied der B r iu be
hintaii/uhaltem Kombinat)'<n der l tagennaht mit emigen viu'ch-
greifenden Nahten siuht die >cbw;ulien beider Mette-vle n aiis;u.
gleichem Per Verbau Jmethode sprüht M. grosse pr.-ph'v lak: s k
Bedeutung zu. der Mt ftptlaster verband dient am besten zur I nt -
Spannung der Narbengegend wahrend der W imdheilumg »am besten
der Verband Kumme lls aus wenig sterben k--n:p'essen rat per¬
foriertem Heftpflaster befestigt, wenn möglich 7 1" läge belasse*»'#.
Pie clironisclie k lu-le/v stitis. die l i/erati-m.n der ( i.-. enK.ise. die
vielen kleinen und bröckligen Meine geb«' r en der l sb-me. Pie
Zystostomie wende man bei unveränderter Gadenb'usetiw and. >--'iiar-
stem oder weniger testen Steinen an.
Aus der Strassburger chirurgistheu Klinik besprüht !'. Krae-
m e r die Verwendbarkeit der Konfunktivalreaktion zur Diagnose chi¬
rurgischer Tuberkulosen.
Seit Nov ember I'xi7 hat Altsc huler und K. spe/u.i du lk deutnng
der Reaktion für die Diagnose chirurgis». her I über ku.- -s«. n /\\ ermitte'fi
gesucht und zwar iur sichere Tubei kul.-s«. n und tu*« r k ul--se v er !.u li-
tige balle. Von 2 pro/. Losung K'*chs •Vttu'u f ku..n in ph\ si-.logi¬
scher Kochsalzlösung wurde ein ’I ropteit aut »be birien'i.ube des
Unterlids (nicht den inneren Augenwinkel) eingebaute'!, die K'eakti--n
trat meist nach 5 h Stumlen. mauv.hm.il erst später <2o Mumleni ein.
93 Proz. der sicher tuberkulösen lalle /e:gt«.n p-^:ive K’e.ikti-.n.
bei Tuberkuloseverdäelitigen zeigte vkIi Mmi! positive. 5 mal negative
Reaktion, 97 Pro/., der sicher mchttuherku.osen | , t c boten keine
Reaktion, das Vorhandensein irgeiivl einer tuberku • seti I'rkr.nrkung
im Körper ist bei positivem Ausfall ilaiia-.li fast viJ.er. bei negativem
Ausfall sehr unw alirschemlk h. \ «ui lls v,liiMirgis^be*i I .»‘len smd 14.
in denen die etwa als vollgültiges Piagn-.sukuni a* gewandte K-*n-
junktivalreaktiori die ohne dieses unsuliere l'iagn- se ri^bt.g zu stellen
erlaubt hatte, wahrend sie m 1 lall /ur beii'di.sguove v e:\itet b.itte.
Kr. hält es für wahrscheinlich, ilavs die neue n ihren Patz
behaupten wird, wenn vlie ArisprnJie an sie nicht b :;er giM» 1t wer¬
den als die. denen eben Tuberkuiinreaktioneti überhaupt entsprecht n
können.
los. Mensik teilt aus der Prager K '"uk einen Fall von an¬
geborenem Genu valgum bei I'# ulregem Mann rr:t. vier mit Keii-
osteotonne operiert wurde.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1503
K. He n sehen bespricht aus der Züricher chirurgischen Klinik
cfie Extensionsbehandlung der Ober- und Unterschenkelbrüche auf
physiologisch-mechanischer Grundlage und gibt darin einen histori¬
schen Rückblick über die Frakturbehandlung, zeigt speziell die Be¬
deutung der Massage und Mobilisation der Gelenke, gibt u. a. in
physiologisch-mechanischen und biologischen Bemerkungen zur Kno¬
chenbruchlehre spez. eine Analyse der dabei mitspielenden Kräfte
(elastische Zugkraft der Muskeln, Bedeutung der Gelenkstellung bei
der Erschlaffung derselben etc.) und konstatiert, dass es eine ge¬
wisse mittlere neutrale Stellung eines Gliedes gibt, in der sich die
Spannungen aller in ihm gruppierten Muskeln das Gleichgewicht
halten, dass sich somit eine Mittel- und Gleichgewichtslage herbei-
hihren und eine bestimmte Winkelstellung der Gelenke ermitteln
lässt, in der die elastische Tension aller Muskeln das Minimum er¬
reicht. H. bespricht die Nachteile der langen Zwangsruhe in immo¬
bilisierenden Verbänden und die Schädigung der aktiven Teile, spez.
des „Arbeitsgewebes“, auch die Bedeutung des elastischen und
fibrösen Gewebes und gibt dabei einen kurzen Abriss einer „Binde-
gewebsmechanik“ und zeigt u. a. wie durch Massage und Gymnastik,
frühzeitige aktive Bewegung, die traumatische Entzündung auf das
notwendigste einzuschränken sei. In einem technischen Abschnitt
bespricht H. sodann die Aequilibrialmethode M o j s i s o v i c s, die
Balancier- und Hebelschwebe von Middeldorpf, den L o r i n -
ser-Hennequin sehen Zugverband und speziell den Z u p p i n -
g e r sehen automatischen Apparat zur Permanentextension für Unter¬
schenkel- und Oberschenkeifraktur und seine Hängemattenextension;
er vindiziert besonders den beiden letzteren gegenüber dem relativ
starren Extensionssystem der V o 1 k m a n n sehen Technik grosse
Vorzüge, zunächst einen gewissen Grad von Aktionsfreiheit, so dass
sie als mehr mobiles Extensionssystem anzusehen, das zu jeder Lager¬
stätte passt, für die Kranken bequem ist, dem Körper alle mögliche
Freiheit gestattet. Doch betont H., dass die Extension an der frischen
Fraktur möglichst bald einsetzen muss, dass auch starke Schwellung,
Wunden, Exkoriationen keine Kontraindikation bilden. Alle Brüche
sollen von den ersten Tagen ab (zunächst in Form der Einleitungs¬
massage) massiert werden. H. ist überzeugt, dass jeder durch die
viel besseren Resultate der Extensionsbehandlung gegenüber der an
Misserfolgen und Kurjstsünden reichen schabionisierenden Gipsver¬
bandbehandlung seinen grösseren Aufwand an Zeit und technischer
Mühe reich belohnt finden wird.
O. Förster schildert aus dem Allerheiligenhospital zu Breslau
3 Fälle von isolierten Sehnenverletzungen (ein weiterer Beitrag zur
Physiologie und Pathologie der Fingerbewegungen).
W. N o e t z e 1 gibt aus dem städt. Krankenhause zu Frank¬
furt a. M. einen Beitrag zur Therapie der Pankreatitis und teilt unter
Hinweis auf die Arbeiten von Ebner, Mayo Robson etc., von
denen letzterer 59 Fälle mit 23 völligem Erfolg der Operation zu¬
sammenstellen konnte, einzelne Fälle aus dem Frankfurter Kranken¬
bause mit, von denen besonders ein Fall von Frühoperation hervor¬
gehoben werden muss. Nach N.s Ausführungen muss die akute
Pankreatitis prinzipiell chirurgisch behandelt werden mittelst einer
sobald als möglich auszuführenden Laparotomie und Tamponade des
Pankreasherdes nach Bunge, wobei die freie Bauchhöhle nach
R e h n auszuspülen und zu drainieren ist. Bei dieser so rasch und
schonend als möglich auszuführenden Operation muss die Beschaffen¬
heit der Gallenwege in jedem Falle genau festgestellt werden, bei
gleichzeitig bestehender Cholelithiasis ist (bei entsprechendem Kräfte¬
zustand) der dringendsten, durch den Befund an den Gallenwegen
gegebenen Indikation zu genügen (event. die Cholezystostomie aus¬
zuführen). Bei Operation wegen längere Zeit bestehender Chole¬
lithiasis soll man, auch wenn gar keine Symptome von Pankreatitis
bestanden haben, doch eine sichere Orientierung über den Zustand
des Pankreas ermöglichen. Sehr.
Zentralblatt für Gynäkologie, No. 26.
L. Knapp- Prag: Ein Vorschlag zur Erleichterung der Ent¬
fernung von Quellstiften aus dem Zervikalkanale.
K. schlägt vor, den intrauterin liegenden Abschnitt des Laminar¬
stiftes durch eine Metallhülse aus Neusilber zu decken, wodurch der¬
selbe am Aufquellen verhindert wird. Der Faden des Stiftes wird
durch eine zentrale Oeffnung der Hülse geleitet. (Zu haben bei
C. Fischer in Prag.)
Ferd. Kleinertz -Stuttgart: Zwei Fälle von Nlerendekapsu-
lation bei Eklampsie.
Zwei Fälle schwerer Eklampsie, die erst post partum auftrat.
Beide Frauen (27 jährige II. Para und 24 jähr. I. Para) hatten vor
der Geburt Skopolamin und Morphium bekommen. Im 1. Fall blieb
die Operation erfolglos; Pat. starb 3 Tage nachher. Im 2. Falle
traten zwar auch nach der Operation noch Anfälle auf und Pat.
musste wegen Angstzuständen ins Irrenhaus gebracht werden; doch
trat schliesslich völlige Heilung ein.
Fr. Thomä -Lüdenscheid: Bemerkungen zu dem Artikel Ham*
Derschlags: „Die Anwendung der Abortzange* 4 .
Im Anschluss an einen Fall, wo nach Anwendung der Abort¬
zange Perforation des Uterus und Verletzung einer Darmschlinge
beobachtet wurde, die erst durch Laparotomie und Uterusamputation
zur Ausheilung kamen, warnt Th. vor der Winter sehen
Abortzange als einem gefährlichen Instrument. Das Normalverfahren
soll die manuelle Ausräumung sein. Gelingt die Ausräumung damit
nicht, so empfiehlt Th. die Winter sehe Abortkürette (Abortlöffel)
als ein wesentlich ungefährlicheres Instrument, als die Abortzange
ist. J a f f £ - Hamburg.
Archiv ffir experimentelle Pathologie und Pharmakologie.
58. Bd. 3.-6. Heft. 1908.
8) 0. Adler- Prag: Die Wirkung und das Schicksal des
Benzidins Im Tierkörper.
9) T. I s h i z a k a - Japan: Ueber künstliche Melanine und das
natürliche, im Organismus des Maikäfers vorkommende Melanin.
Chemische Studie über Melanine, welche durch Einwirkung von
Salzsäure aus verschiedenen Eiweissstoffen dargestellt wurden, und
über ein im Maikäfer vorkommendes natürliches Melanin. Melanine
lösen sich in Alkalien, sind durch Säuren fällbar und wechseln bei
geringem H-Gehalt und verhältnismässig hohem O-Gehalt beträchtlich
in ihrer Zusammensetzung.
10) A. Landau- Warschau: Experimentelle Untersuchungen
über Blutalkaleszenz und Azidose. II. Mitteilung. Ueber den Einfluss
von Alkalien auf die Alkaleszenz des normalen Blutes und desienlgen
bei endogener Azidose.
Landau bemühte sich, auf experimentellem Wege die Frage
zu lösen, ob eine Hebung der Blutalkaleszenz, welche bei der Azidose
des Coma diabeticum durch Verabreichung von Alkalien angestrebt
wird, überhaupt zu erreichen ist und warum diese Therapie beim
Coma diabeticum gewöhnlich versagt. Seine Versuche erstrecken
sich auf normale Kaninchen und solche, welche durch Hungern oder
durch Phosphorvergiftung an Azidose litten. Es zeigte sich, dass
Einführung von Natriumkarbonat bei gesunden Tieren die Alkaleszenz
des Plasmas hebt, an der Alkaleszenz des Gesamtblutes braucht
sich diese Steigerung aber nicht zu zeigen, wenn in den Blutkörper¬
chen Veränderungen stattfinden, welche im entgegengesetzten Sinne
wirken. Auch bei hungernden Kaninchen gelingt eine Bekämpfung
der Azidose, dagegen versagt sie bei der durch Phosphorvergiftung
erzeugten Azidose. Landau führt dies auf den Charakter der
Azidose bei der Vergiftung zurück, bei welcher auch nach Absättigung
der Säuren im Blut stets weiter grössere Säuremengen in den Zellen
gebildet werden. Aehnlich verhält es sich bei dem auf toxischen
Einflüssen beruhenden Coma diabeticum.
11) L. Lichtwitz-Freiburg: Ueber Wanderung des Adre¬
nalins im Nerven.
Klinische Beobachtungen hatten L. zur Vermutung geführt, dass
das Adrenalin gleich dem Tetanus- und Diphtherietoxin im Nerven
wandere. Die Richtigkeit dieser Ansicht konnte er an Fröschen
erweisen, denen er Adrenalin in ein Bein gespritzt hatte, das mit dem
übrigen Körper nur noch durch den freipräparierten Ischiadikus zu¬
sammenhing. Es trat jedesmal die charakteristische Pupillenerweite¬
rung ein, es musste also Adrenalin durch den Nerven in den Körper
des Frosches eingedrungen sein. Es handelt sich allem Anschein nach
um einen vitalen Vorgang, um Leitung in der Nervensubstanz, da
andere Gifte (Atropin, Strychnin, Kurare) auf diesem Wege nicht
zur Wirksamkeit gelangen, ein Vorgang, der wohl von grosser phy¬
siologischer Bedeutung ist.
12) J. B o c k - Kopenhagen: Untersuchungen über die Nieren¬
funktion.
In erneuten Versuchen geht Bock der Frage, ob die harn¬
fähigen Stoffe durch Filtration oder Sekretioq der Niere ausge¬
schieden werden und widmet in dieser Abhandlung seine Auf¬
merksamkeit der Phosphorsäure, von der Loewi behauptet hatte,
dass sie sich in kolloidaler Bindung im Blut fände und deshalb nur
durch echte Sekretion ausgeschieden werden könne. Bock fand
nun in seinen Kaninchenversuchen bei Wasserdiurese keine
Vermehrung der Phosphorsäure, dagegen konstante Vermehrung bei
Zucker- und Salszdiurese und Diurese nach Purinderivaten. Er
sieht auch in diesen Resultaten eine Bestätigung seiner Anschauung,
dass die Nierenfunktion nicht durch Filtration und Rückresorption
erklärt werden müsse, sondern durch echte Sekretion. Da Wasser
und Phosphorsäure bei den einzelnen Diuresearten nicht parallel
gehen, so vermutet Bock, dass Wasser oder eine schwache Salz¬
lösung durch die Glomeruli, Phosphorsäure durch die Tubuli contorti
ausgeschieden werden und dass diese verschiedenen Nierenapparate
durch die einzelnen diuretisch wirkenden Faktoren in ungleicher
Stärke beeinflusst werden.
13) G. B u r k h a r d t - Dresden: Ueber die Leistungen ver¬
lagerter Pankreasstücke für die Ausnutzung der Nahrung Im Darm.
Nachdem von Abelmann und Lombroso festgestellt wor¬
den war, dass auch unter die Haut verlagerte Pankreasstücke noch
einen Einfluss auf die Ausnutzung der Nahrung ausüben, ging Burk¬
hardt unter Minkowskis Leitung dieser interessanten Frage
von neuem nach. Er stellte zunächst an dem Hunde, der nur
noch ein unter die Haut verlagertes Pankreasstück besass, fest, dass
das Fistelsekret alle Pankreasfermente besass, dass es auf Nahrungs¬
zufuhr an Menge und Trockensubstanz zunahm, dass das tryptische
Ferment durch Darmpressaft aktiviert und in seiner Wirkung ver-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1504
MUENCliENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N*«’.
stärkt wurde. Zusatz von Magensaft hob die verdauende Wirkung
der Fermente nicht auf. Die Resorption der f ette wie der Liwciss-
stoffe war nur sehr wenig beeinträchtigt, so lange der Hund das
Sekret der Fistel nach Belieben auflecken konnte, stark gestört, wenn
der Saft aufgefangen und so dem Organismus ganz ent/ogeii wurde;
weniger gestört, wenn man den Abfluss durch Kotupressiv\ ei band
erschwerte. Letzterer Umstand legt den (iedanken nahe, dass die
Stauung zu einer teilweisen Resorption des Sekretes führte, welches
dann doch noch irgendwie für den Organismus verwertet wurde.
Die Leistung des Pankreas fiir die Resorption der Nahrung be¬
ruht demnach allein auf der Produktion des äusseren Sekretes, mag
dieses direkt oder indirekt dem Darm zugeführt werden; eine in¬
nere Funktion, durch welche etw a die Tätigkeit der resorbiei enden
Elemente beeinflusst wird, ist nach diesen Versuchen nicht au/ii-
nehmen.
14) R. B o e h m - Leipzig; lieber Wirkungen von Ammonium*
basen und Alkaloiden auf den Skelettmuskel.
15) O. Minkowski- Greifswald: Die Totalexstirpation des
Duodenums.
Pflüger hatte auf Grund von Versuchen am Frosch behauptet,
dass in dem Duodenum ein antidiabetisches nervöses Zentral«»! ran
liege, durch welches die antidiabetische Kraft des Pankreas be¬
herrscht werde. Minkowski führt nun an Mumien v«»n neuem
den Nachweis, dass nur die Pankreasentternuug. nicht aber die L\-
stirpation des Duodenums Diabetes herbeifuhrt und erklärt die ab¬
weichenden Ergebnisse Pflügers durch die kurze I ebensdauer der
Frösche nach der Operation, bei denen es aus diesem Grunde gar
nicht mehr zur Entwicklung des Pankreasdiabetes kommen kann.
16) G. B. G r u b e r - München: lieber die Beziehungen von Milz
und Knochenmark zu einander, ein Beitrag zur Bedeutung der Milz
bei Leukämie.
Der Verfasser wendet sich gegen die Ansicht K. Zieglers,
der nach Röntgenbestrahlung bei Kaninchen eine leukämische Ulut-
beschaffenheit und eine Degeneration der Milz festgestellt hatte.
Diese Degeneration der Milzfollikel soll nach Ziegler das primäre
Moment in der Entwicklung der Leukämie darstellen und sekundär
zu einer Wucherung der Knochenmarkselementc führen. Gr über
weist auf Grund von Versuchen au Kaninchen, die nach Milzexstir¬
pation bestrahlt wurden, diese Erklärung der Leukämie als eine
gestörte Beziehung zwischen Milz- und Knochenmarksfunktion zu¬
rück. Die Markzellen Zieglers erkennt er als solche nicht an.
hält sie vielmehr für grosse mononukleäre Leukozyten und erklärt
die Leukozytenvermehrung als eine Reaktion der Ivmphatischen
Apparate auf eine vorausgegangene Schädigung durch die Be¬
strahlung.
17) A. v. Do m a r u s - München: lieber Blutblldung In Milz und
Leber bei experimentellen Anämien.
Es gelang v. Domarus durch protrahierte Vergiftung mit
Phenylhydrazin, Pyrogallol usw. bei Kaninchen Organveramleruiigeii
hervorzurufen, die mit denen menschlicher, perniziös anämischer
Organe weitgehendste Aehnlichkeit besitzen: lymphoide Umwandlung
des Knochenmarks, myeloide Umwandlung der Milz mit Erythro- und
Leukopoesc, Auftreten von Knochenmarkselementen in der Leber.
Diese Veränderungen sind als Ausgleichsbestrebungen des Organis¬
mus anzusehen, sic fehlen bei der akuten Vergiftung.
18) A. Q r ö b c r - Güttingen: lieber den Einfluss des Lichtes auf
die Bildung von Kohlenoxydmethämoglobln.
Aus den Versuchen geht hervor, dass die Bildung des Methamn-
globin aus CO-Hämoglobin durch Ferrizyankaliurn bedeutend schnel¬
ler unter dem Einfluss des Lichtes, insbesondere der chemisch wirk¬
samen violetten und ultravioletten Strahlen, als im Dunklen vor sich
geht. Die Methämoglobinbildung durch Kal. chloric. wird durch
Kochsalzzusatz beschleunigt, und zwar entsprechend dem Dissozia-’
tionsgrad des NaCl.
19) C. Lhotäk von Lhota-Prag: Untersuchungen über
die vaguslähmende Wirkung der Digitallskörper.
Bei stärkerer Vergiftung durch Digitaliskörper werden die
Vagusenden gelähmt. Es stellt sich eine Blockierung der Hemmungs¬
funktion ein, die immer stärkerer und längerer Summation der Reize
bedarf, um durchbrochen zu werden. Die Blockierung wird durch
Physostigmin verstärkt und durch Apomorphin vermindert.
20) E. K e h r e r - Heidelberg: Der überlebende Uterus als Test-
oblekt für die Tätigkeit der Mutterkornpräparate.
Kehrer benutzt das in Ringerlösung auigehängte überlebende
Uterushorn der Katze als Testobjekt für die Wertbestimimmg der
Mutterkornpräparate und nimmt die minimale wirksame Dosis von
0,01 g Secale cornut. auf 200 ccm Ringerfliissigkeit als Einheit der
Wirksamkeit des betreffenden Präparates. Pas Uterushorn verzeich¬
net seine Kontraktionen auf der Trommel. Nach dieser Methode
untersucht, unterscheiden sich die verschiedenen Sekalepräparate des
Handels sehr bedeutend. Zu den wirksamsten zählen das Ergotm
dialys. Wernickc. E. Bonjean, E. Denzel, Secacornin Roche, während
mehrere völlig unwirksam blieben.
21) A. v. S i e w e r t - Strassburg: Untersuchungen über das
Hämin.
Von rein physiologisch-chemischem Interesse.
D igitized ^GOO^lß-
JJ l .1. Lew i u s k i - < n uisw .iid : l ober die (ircn/cn der Mippur-
säurebildung beim Menschen.
l.ewinski konnte durdi P.n u i«. hung \ hui/« «<. sau* «. ::i Na¬
tron beim Menvheii sehr bedeutende he n \ »-n 11 i n* -
saure im Harn erzielen. wurden Ki c»w i-issar nu r K -st \»-n C
emgefiihrter Benzocs.iurc nur n.s Pr-./ . \ ■ -m g dr« !»»••/. ir\i
ausgeschieden. Bei lel/tcur I> sc /e i„te n Vcfi iv erteil G.ttvx ir-
k uiigeil. die auf < ii\ k«»k-.»\ erarmmig iks K ::vs Fi: u!a :i. de: n 1 •„ :
I >ai rcichmig einer eiw eiss-, spe/itä g ’d • -k• ■oJiui k • -st « l**
Winden 5(1 g Beii/ocs.iu: c ansfandM«-s x.rtr.uen und los aal Jo l’r- *
freie Beii/oes. hm e m llippir vaire ukfege w an.U t 2 N.ercukr.;: * e
waren cln.nl , ms imstamle rcid; tdie* Moi .iii n.*m M.ppm m«u*c zu t
den. Bei beulen war .der die Au^sdie «einig der >u.'-st.ii:/
samt.
2 'l K. H u I d s c h i n s k i - Nr .issbur g: Leber die herz hem men de
Dlgltallnwlrkung.
Die beschriebenen \ersudic Zeigen, d.iss euic \d.M;--n der T
talmw ir kimg bei äusserer App.ik.alnm aul das Merz d vier U r ►. .. ^
der F.rrcgung eler her/hytf.nieiuk n ne r\*-se n 1 drehte (\.ioist t e -
stellt. Daraus zieht \ert. eien Sli.ius. dass diese I • .gda.mu ; r -.;;: g
gleichfalls ehe he r/hemmende n \ • -rric i:tö*lgen erregt, rar d.us es
sieh hierbei nullt um nervöse fkmeutc. s< -Mvlc r n um v!;e ;iawn‘i
Schichten des Mer/muskeds handelt.
24» A. flli n g e r - Königsberg: Weitere Studien über Canthart*
dln und Cantharidln-Immunifac, nebst Bemerkungen zur Wirkung des
Mutterkorns auf den Hahnenkamm.
25> V. Seo - I okio: Leber die Hlppnrsaurespaltung durch Bak¬
terien und Ihre Bedeutung für den Nachweis von Benzoesäure und
(ilykokoll Im Harn.
Naell elieseii m Minkowskis Klinik auvgelihrteR t oU--
siicliungen wirvl die Ilippiirs.mre des Marrs sehr le-dit durdi B.-.- -
teilen m Benz« »e s.mre mul < i. \ k < >k«.»il gi sp.i teil, mul zwar pw hm .«
sich die Staphx I« >k< >k ke n urul Ni e pP-k. -k V«. n a s wirksam, .
Bacterium coli, I \ phtis- mul Parat\plud a/: e n. s»>wic B j-e • >-
c\alleus nullt imstande* snul. liippms.iure zu /ersetzen. Die I . -. -
keit der Mippurs.iure/er legung kann demnadr zur DiVe rcn/ief i:*-g
\ er Sclneuleiier Baktei leitar teil Verwertet Werden; .iikIl u'm :!s »st I e:
l ntiTsuchmige n auf Mippurs mre mul Gi\k--k-d. i;n Man aul etwa K c
Bakterie uw ir klingen zu achten.
2i») \\ . \\ o I f f mul \. M a r t i n e 1 i i - Be r im leber einige Be¬
ziehungen zwischen Nieren* und Magenkrankheiten.
Wahrend beim Niet e nge smuk n n.u h den l nte-Mu hm* gen eie-
\ erf. eler Lliior gehalt der Nahrung »-fme 1 •ntkiss aul den gh .'ge 1 .» f
des Magensaltes ist und atich beim Nie r e iik * .mm n eine \ e t m.ru.e * t. _
des Chlors im Magensatt l»ei SaLl-arnur K- M md't s-p-rt e;r*:*.::.
Steigert eine NaCl-/.uiagc de u Ci-Geiiait eles M.. gensaltes bei Nieren¬
kranken. Ausserdem wirkt NaCl bei Nie r e r.k * ai:ke n dmre lisgh.
27) E. I ii I J - Be rIm: Die Wirksamkeit des Tr>psins und ein
einfaches Mittel zu Ihrer Bestimmung.
Prioritätsanspruch hinsichtlich der genannten MetVk* ge gen-
über G ross. J. M u I I e r - N :rrd e'g
Vierteljahrschrlff für gerichtliche Medizin und öffentliches
Sanitätswesen. XXXV. Band. 2. fielt. Jahrgang P> ^ 2. Me tt
1. Gerichtliche Medizin.
7) Raimund Keller, Meuli/maiprakiikant: Zur Kenntnis der kon¬
genitalen Hautdefekte am Kopie des Neugeborenen, i \us den pa: , -
logischen Institut m Mi.issl-uig i
Nadi einer auspihitidien geschuht idieii I miutung. m we.d.cr
die verschiedenen bisher von einer Kkifie \«-n Aut-Teil tu Scf;Lebe:'e*i
Falle nutgeteilt werden und m Weicher daraul l:;:;gLw lesen wird, da^s
die erste biologische l ntersudumg eines s--kF.cn k'-ngetnta.en Haut-
defektes von Hans v. Ilebra hcrndirt, gmt der \ er lasser eine ein¬
gehende Darsteliüng seiner eigenen Be«-bac.htm g.
F.s handelte sich um einen f» m<-nat.-vhen I «dus. w e.l äJ’.cn tjc-
Schlcchts, von ziemuch guter l ntw ickimig. I'.c >esti--n der inneren
Organe ergab voilk««mmen normalen Betund. an den F.vtremdate
war eine hochgradige \ aigo-Caicaneus-Me.,Lit|| au**ai end — d e
l usse schmiegten sich bei an den Leib emp- rges^:;.ager.tn Be.rc'i
der vorderen Bauchwand dicht an. Aut dem s.kild. muten ube r
der Mit irr a sagittaiis, n«>ch in die hintere l.cke der g'.ssen 1 . •utar.e de
limeiiireiclieiul, beland sidi ein im akgtmcmcn rm d..c!ier, 1 g v m
grosser Jlautdeiekt, dessen Niveau unter cIl*h der m-rmaclt Baut
leicht eingesunken erschien, die Ränder waren sdiar :<vaik-g. \-:i
einem ca. 1 2 cm breiten, weise«, n >amn im. s ebt::. vier der dl eire
scharfe Rinne X"ii der umgebenden Baut getrennt war. i ».e ganze
Stelle* des Hautde I«. kies war bei mal,;«-sk -p«e w e r B-. t'ad.tung \. ■ i ,-
k«»mmen haaiins. Die kiMd,eii erwitM.ii s, s m
Lälter dem Mikr«»sk<-pc Zeigte sidi der I *«.k*.t d-.r Hat;ptsdvi:e
nach aus einem Biutsch-nle btst^rnd. der Lei : \ er gro>s t rur.g
allenthalben Zeüde ti 1 1us im Ker nreste. Fier u*-c v.a tt d; gut e'iia tt ne
Blutkor |>eidieii erkenne n liess. P;e Mrbkut.v ! ans «. ::«.*n gr-.b-
W eiiigeii, dicktase: .gen l'».:.a ; a w e be, n s w e : t Ar.deutm-g
von FettZcKeu \«»rliai den. Im rtn I- .e /e s ten sidi
auch gut entwickeite Maare im Iktente,
Original frem
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1505
Was die Aetiologie dieser kongenitalen Hautdefekte anlangt, hebt
Yen. hervor, dass dieselben nicht durchwegs eine einheitliche Entsteh¬
ungsursache haben, dass vielmehr wahrscheinlich recht verschiedene
Momente ein und dasselbe Resultat hervorzubringen imstande sind;
sie können auf ein Trauma zurückgeführt werden — namentlich durch
kriminelle Fruchtabtreibung verursacht —, sie können aber, und
zwar jedenfalls häufiger, auf Vorgängen in der Uterushöhle selbst,
auf der Einwirkung von Amnion und Amnionsträngen beruhen.
Diese Tatsache ist bei der gerichtsärztlichen Beurteilung der¬
artiger Fälle stets zu berücksichtigen.
Der Abhandlung sind zur Erläuterung eine Reihe von Ab¬
bildungen beigegeben, sowie ein reiches Literaturverzeichnis.
8) Ernst Giese-Jena: Zwei Gutachten, als Beitrag zu der
Frage: Selbstmord oder Unfall?
Der Verfasser stellt zwei Gutachten einander gegenüber, von
denen das eine vom Fachmann in Schiessangelegenheiten (Ober¬
förster), das andere vom Gerichtsarzt (Verfasser) erstattet ist, welche
zu voneinander abweichenden Ergebnissen bei der Beurteilung des
Falles kommen: es handelte sich um eine Schussverletzung am Kopf,
mit der ein Mann in seinem Jagdgebiete tot aufgefunden wurde.
Der Oberförster nahm in der Prozessache gegen eine Lebensver¬
sicherungsbank den Tod als Unfallfolge an, während der Verfasser
Selbstmord annahm, namentlich in Erwägung des Umstandes, dass
bei gewöhnlicher Tragweise des Gewehres, sowohl über dem Rücken,
wie über der Schulter ein zufälliges Losgehen niemals die Schläfen¬
gegend in der Weise, wie es hier der Fall war, hätte treffen können,
sondern dass dazu immer eine stärkere seitliche Hebung des Ge¬
wehres notwendig sei.
Spätere Erhebungen ergaben, dass auch Umstände Vorlagen,
welche die Veranlassung zum Selbstmord abgegeben haben können.
9) Beintker, I. Assistent: Zur Wirkung verschiedener Re¬
duktionsmittel auf Verbindungen des Hämoglobins. (Aus dem bak¬
teriologischen Laboratorium der Stadt Köln.)
Verf. hat, um einen Ersatz des Schwefelammonium, welchem bei
Untersuchung des Blutes, namentlich in forensischen Fällen, Mängel
anhaften, zu finden, verschiedene, in der Chemie gebräuchliche Re¬
duktionsmittel in ihrer Wirkung auf verschiedene Verbindungen des
Hämoglobins untersucht, nämlich Schwefelammonium, Na¬
trium hypophorosum, hydroschwefligsaures Na¬
trium, salzsaures Hydroxylamin, Schwefelwasser¬
stoffwasser, weinsaures Eisenoxydul in ammonia-
k a 1 i scher Lösung, Zinnchlorür.
Das Ergebnis der Versuche mit Oxyhämoglobin, mit Kohlenoxyd¬
blut ergab nach Anschauung des Verfassers, dass in dem hyd ro-
schwefligsauren Natrium ein in seiner Wirkung dem
Schwefelammonium und dem weinsauren Eisenoxydul in ammonia-
kalischer Lösung gleichwertiges Reduktionsmittel gefunden sei, das
aber die Vorzüge voraus hat, dass es die Blutmenge nicht be¬
deutend vermehrt, d. i. verdünnt, was bei ganz geringen Mengen
wohl in Frage kommen könnte, und dass es eine klare, farblose
Lösung gibt, was namentlich bei Schwefelammonium nicht der Fall
ist, welch letzteres deshalb eine Verdunklung des Spektrums in Blau
bedingt.
10) Baller, Oberarzt an der Provinzial-Irrenanstalt Owinsk:
Zur Lehre der Gehirnerschütterung.
An der Hand eines selbst beobachteten, zur Sektion gelangten
Falles — ein Geisteskranker erhielt von einem anderen einen heftigen
Schlag gegen den Unterkiefer mittels eines Spatens, stürzte bewusst¬
los auf den locker aufgegrabenen Erdboden und war sofort tot — be¬
spricht Verf. die einzelnen Theorien, welche zur Erklärung der töd¬
lichen Wirkung der Gehirnerschütterung ohne besonderen Befund auf¬
gestellt wurden, unter welchen die eine die Gehirnerschütterung in
einer Reflexparalyse, eine andere in einem Schock des Gehirns, ent¬
weder hervorgerufen durch eine Funktionsstörung der Gefässe und
damit einer mangelhaften Ernährung des Gehirns oder in einer mecha¬
nischen Beeinträchtigung, welche das Gehirn gleichmässig trifft im
Sinne einer molekulären Schädigung der Zellenelemente, erblickt.
Baller verweist dagegen auf die experimentellen Untersuchungen
von Kocher und Ferrari und tritt für jene Auffassung ein, nach
welcher die Gehirnerschütterung in einer Quet¬
schung des Gehirns besteht, hervorgerufen durch eine gewisse
Bewegung desselben in toto. Auch die leichtesten Fälle von Com-
motio. die nach kurzen Erschütterungserscheinungen ad integrum
zurückkehren, sind hierauf zurückzuführen und nicht auf den sog.
Schock des Gehirns.
11) Attilio C e r i d a 1 i, Privatdozent: Beitrag zur Kenntnis der
spontanen Heilung der Herzwunden. (Aus dem Institut für gericht¬
liche Medizin in Florenz.)
C e i i d a 1 i beschreibt einen Fall von einer Herzverletzung, die
ein junger Mann gelegentlich einer Rauferei erhielt und die nach
s Tagen zum Tode führte. Bei der Sektion zeigte sich, dass der
Messerstich die rechte Kammer völlig durchsetzte, was Hämoperi-
kard und Kollaps verursachte.
Auf Grund der histologischen Untersuchung der Wunde und
des bereits vorhandenen Narbengewebes kommt er zur Anschau¬
ung, dass die Herzwunde durch Bindegewebsbildung, und zwar ver¬
möge des interstitiellen und subepikardialen Bindegewebs vernarbe,
ähnlich wie es bereits bei Experimenten an Tieren festgestellt wurde.
12 ) Camillo Toro: Ueber den Tod durch Sturz aus der Höhe.
(Aus dem Institut für gerichtliche Medizin zu Turin.)
Der Umstand, dass der Tod durch Sturz aus der Höhe in den
Handbüchern für gerichtliche Medizin und auch sonst recht kurz
bisher behandelt wurde, veranlasst den Verfasser, diese Frage näher
zu erörtern.
Dabei berücksichtigt er vor allem die Fragen, ob es sich wirk¬
lich um einen Sturz aus der Höhe handelt, ob der Sturz vor oder nach
dem Tode erfolgte, ob Mord, Selbstmord oder Unfall vorliegt.
Auf Grund eingehender Erörterungen all der bei den verschie¬
denen Fällen zu beobachtenden Befunde kommt Verfasser zu dem
Schlüsse, dass der Sturz aus der Höhe gegenüber den anderen grossen
Traumen durch stumpfe Gewalt sich durch grössere Häufigkeit von
Knochenverletzungen auszeichnet, so dass man kaum einem Todes¬
fall durch Sturz aus der Höhe begegnet, der nicht von Knochenver¬
letzungen begleitet wäre. Dagegen sind die vereinzelten Ver¬
letzungen selten. Sind die Verletzungen auf bestimmte Organe be¬
schränkt, so schliesst dies den Tod durch Sturz aus oder macht ihn
doch sehr unwahrscheinlich.
Zur Differentialdiagnose, ob der Sturz vor oder nach dem Tode
geschah, können ausser den allgemeinen Kennzeichen vitaler oder
postmortaler Verletzungen auch einige Erfahrungen über die relative
Häufigkeit, Form und Lokalisation der Knochen und Organver¬
letzungen beim Sturze des Lebenden einer- und der Leiche ander¬
seits herangezogen werden.
Die Unterscheidung von Selbstmord und Unfall kann sich, abge¬
sehen von den allgemeinen Unterschieden zwischen diesen Todesarten
und den äusseren Umständen, zunächst auch auf einige statistische An¬
gaben, wie Alter, Geschlecht, Beruf usw. stützen. Ferner überwiegt
beim Selbstmord gegenüber dem Unfall die Wirkung auf die unteren
Gliedmassen in charakteristischer Weise derart, dass das Gesamtbild
der hiebei entstehenden Knochen- und Organverletzungen mit hoher
Wahrscheinlichkeit die Erkennung der Todesart ermöglicht. Weiter
ist bei dem Selbstmörder eine erhöhte Muskelwirkung vorhanden,
deren Folgen sich in indirekten Verletzungen der Knochen und Weich¬
teile zeigen. Schliesslich finden sich bei Selbstmördern im allge-
' meinen durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren ausge¬
dehntere und schwerere Verletzungen als bei Unglücksfällen.
Oeffentliches Sanitätswesen.
6 . G. M.-R. Prot Dr. Rubner und G. M.-R. Dr. Abel: Ver¬
wendung von Salizylsäure oder ihrer Verbindungen für Konserven¬
zwecke. (Gutachten der Kgl. wissenschaftlichen Deputation für das
Medizinalwesen.)
Bereits in einem Gutachten dieser Deputation vom 17. II. 04 ist
ausgesprochen worden, dass mit Salizylsäure versetzte Fruchtsäfte als
verfälschte anzusehen seien, weil die Ware durch Zusetzen eines
fremden Stoffes eine äusserlich nicht erkennbare Verschlechterung er¬
fahren habe und da auf Grund der damals nachgewiesenen nachteiligen
Wirkungen der Salizylsäure bis herab zu Dosen von 1,5 g pro Tag an¬
genommen werden musste, dass auch noch kleinere Mengen sich bei
Leuten mit kranken oder empfindlichen Nieren als schädlich erweisen
könnten und dass bei kleinen aber regelmässig wiederholten Dosen
nicht mit Sicherheit krankmachende Folgen auszuschliessen seien,
wurde die Verwendung von Salizylsäure als unzulässig bezeichnet.
Zu gleichem Ergebnis kommt auch das neue Gutachten und
weist namentlich die Angriffe, die G.-R. Franz Hofmann in Leipzig
unter dem 30. August 1905 gelegentlich einer Strafsache, betr. Salizyl¬
säurezusatz zu Zitronensaft auf das erste Gutachten gemacht hatte,
in ausführlicher Begründung zurück, in erster Linie auf die verschie¬
denen Prüfungen bezugnehmend, welchen die Frage der Zulässigkeit
der Verwendung der Salizylsäure in den letzten Jahren unterzogen
wurde, unter welchen die zuverlässigeren eine schädliche Wirkung
der Salizylsäure für erwiesen halten.
Da die Salizylsäure keineswegs unentbehrlich sei zur Konser¬
vierung des Fruchtsaftes, diese sich vielmehr, wie es ja auch früher
geschah, durch andere Mittel erreichen lässt (Zuckerzusatz) und
da anderseits sich in salizylisierten Säften immer Veränderungen
vollziehen, so wird für den Salizylzusatz neuerdings der Begriff
„Verfälschung“ als berechtigt erklärt, so dass keine Veranlassung
bestehe, die in rfiiheren Gutachten ausgesprochenen Anschauungen
zu ändern.
7) G. O.-M.-R.' Prof. Dr. Schmidtmann -Berlin: Bericht über
die Erfolge der mechanischen, chemischen und histologischen Ab¬
wässerklärung.
Verf. weist zunächst daraufhin, dass man dem vielgestal¬
tigen Bedürfnis der Klärung der Abwässer durch ein allgemein
anwendbares Verfahren nicht gerecht werden könne, ein für alle
Fälle passendes und allgemein anwendbares Verfahren der Abwässer¬
klärung gibt es nicht, der einzelne Fall fordert ein den Verhältnissen
angepasstes Verfahren, das unter sachverständiger Kontrolle in weit¬
aus den meisten Fällen einen praktisch ausreichenden Erfolg erzielen
lässt.
Schmidtmann bespricht dann die verschiedenen, z. Z. ge¬
übten Reinigungsarten, die Reinigung durch Bodenbcriese-
I 1 u n g, dann das diesem natürlichen biologischen Reinigungszwecke
Digitized by Gck igle
Original frorn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCFILNKR MEDIZINISCHE W< »CHENSCMRMFT.
1506
in seinem Erfolg am nächsten stellende künstliche biologi¬
sche Verfahren, die R o t h e - D e g c n e r - Anlage (Kohle-
iTorf-Jbrei-Verfahren), die chemische Aln\ässerreinigung lind das
mechanische Reinigungsverfahren hinsichtlich ihres
Reinigungseriolges und ihrer Anlage- und Betriebskosten.
Was die Kosten der einzelnen Abw ässerrcinigungsveriahrcn
anlangt, so stehen diese im allgemeinen annähernd im direkten Ver¬
hältnisse zu der jeweils dadurch zu erreichenden Reinigung.
Vom praktischen Standpunkte wird ein billiger Ausgleich er¬
strebt werden müssen und man wird unterscheiden zwischen dem
hygienisch Notwendigen und hygienisch VV unschensw erten. anderer¬
seits muss aber eine unangebrachte Sparsamkeit vermieden werden,
weil sonst Misserfolge gezeitigt werden, deren Ausgleich später noch
weit höhere Kosten verursacht.
Die ständige Verbindung der Desinfektion mit
dem Betriebe zentraler Kläranlage empfiehlt sich nach Schmidt¬
mann nicht, sic ist auf Ausnahmefälle (Epidemien) zu beschranken.
Mine regelmässige sachverständige l utei suclmng
der Abflüsse der Kläranlage und des Vorfluters muss Aufschluss aber
die Wirkung der Anlage geben, dagegen kann in der Regel die bak¬
teriologische Untersuchung der Abwässer unterbleiben,
sie kommt nur in Betracht, wenn es sich um die Untersuchung des¬
infizierter Abwässer handelt.
8) Reg.- u. Med.-R. Dr. D e n c k e - Magdeburg: Der Einfluss der
Zuleitung der Salze und Endlaugen der Kallindustrie zur Elbe aul das
Magdeburger Trinkwasser.
Aus Anlass einer Klage der Stadtgememde Magdeburg gegen die
Mansfelder Kupferschiefer bauende < iewerkschaft hatte Dr. Druck e
ein Obergutachten in obengenannter brave zu erstatten. Er kam auf
ürund wiederholter Untersuchungen zu dem Schlüsse, dass die be¬
klagten Betriebe das Elbewasser in ausserordentlichem Masse dm Ji
mittelbare Zuführung von aussergewohnlichen Mengen \on Salzen
und Endlaugen (namentlich starken Chlorgehalt) vei um einigen und
dadurch eine genussstörendc Beschaffenheit des Magdeburger
Leitungswassers hervorrufen, eine g e s u n d h e i t s s c h a d I i c h e
Beschaffenheit desselben jedoch nicht sicher nachgewiesen weiden
kann.
9) M a n n - Charlottenburg: Fleischvergiftung durch das Fleisch
kranker Tiere und Ihre Verhütung.
Mann bespricht die Aetiologie de r verschiedenen Arten von
Fleischvergiftung, die Lebenseigenschaften von deren Erregern
beim Menschen kommen bekanntlich zwei klinisch verschiedene
Krankheitsbilder vor, am häufigsten akuter fieberhafter Darmkatarrh
mit schwersten Allgemeinerscheinungen und der sog. Raratvphus
und verlangt, dass zur Verhütung von Fleischvergiftungen die Tier¬
ärzte die Fleischbeschau ausüben sollen; bei scptisch-pvnmise heil
Erkrankungsformen hätte, sowie bei allen akuten Injektionen, die
kein klares anatomisches Bild liefern, die bakteriologische Unter¬
suchung stattzufinden.
10) 0 e r I a c h - Mildesheim: Die Beschäftigung jugendlicher Ar¬
beiter In Fabriken. (Schluss aus I. Heft.)
Verfasser erörtert die verschiedenen gesundheitswidrigen Ver¬
hältnisse, wie sie sich vielfach bei Beschäftigung jugendlicher Ar¬
beiter in Fabriken fänden; er erwähnt den ungünstigen Einfluss auf
die körperliche Entwicklung, die Störung der Zirkulation iVan/eii.
Hämorrhoiden, Leber- und Milzanschwellung), Erkrankungen der Ver¬
dauungsorgane (chronischer Magendarmkatarrh, chronische Obstipa¬
tion mit den nervösen Folgeerscheinungen), bei Mädchen Chlorose
usw. und führt in kritischer Darstellung die einzelnen gesetzlichen
Bestimmungen an, die zum Schutze der jugendlichen Arbeitet bis jetzt
erlassen sind und knüpft daran noch einzelne weitere Forderungen,
die in dieser Beziehung zu stellen wären, so verlangt er z. B.. dass
die jüngeren Mädchen möglichst spät, jedenfalls nicht vor ihm
1b. Lebensjahr zur Fabrikarbeit zugelassen werden und namentlich,
dass auch die ärztliche Mitwirkung bei der Fabrikauiskht zweck¬
entsprechend geregelt wird. Dr. Spaet - Furth.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 27. 19<)8.
1) A. B a g i n s k y - Berlin: Die Jüngste Dlphtherleeplderale und
die Serumtherapie. (Schluss folgt.)
2 ) C. T. N o e g g e r a t h - Berlin; Fln Fall von Elephantiasis con¬
genita.
Beschreibung dieser Veränderung bei einem etwas untergew icli-
tigen, W'enig ernährungsgestorten. leicht rachitischen. ps\ chisdi nor¬
malen Kinde von 7 Monaten, w elches neben einer Mikmpoh adei’ic.
einer leichten Anämie und einem Milztumor eine clephantiaMstisJie
Verdickung beider Unterschenkel und Fusse aufweist, wekhe. wie
das Röntgenbild zeigt, im wesentlichen die Weichtcilc betrifft. Verl
berichtet noch über einige ähnliche Fälle aus der Literatur.
3) H. L a c h in u u d - Minister i. VV.: Untersuchungen über die
Konvergenzreaktion bei reflektorischer Pupillenstarre.
Verf. fand bei einem psychisch erkrankten 2S iährigcu Dienst¬
mädchen. dass dir eine Pupille bei 'Tageslicht weiter ist als die
andere: während die engere direkt und konsensuell prompt auf Licht-
eiiifall reagiert, ist beides bei der weiteren nicht der Fall; auf beiden
Augen erfolgt Verengerung der Pupillen bei Konvergenz. Nach der
V *. 2v
näheren Auakse des Falles handelt es suh dabei um oikm vier w -
teilen Falle Non einseitiger reUvkl<<r isv. her Pup;, -eiistar ? e. \ut diese
Beobachtung lim iintcrsu Jite Verl, das genauere Verba.teil de'
Pupillen \on 21 Paialx tikeni und stelle lest, wie weit die K-o-
Vergetizreaktiou erhalten war. ob sn Sv.hiuH und ausgiebig er:«- -:*e.
ob beide Pupillen muh der V ereiigrrung g.eun gross und ob u:c-
sefbeii nach der Verengerung rund • • -1 e r ur/op« waren. V < i
KiPiipillenpaareii. m weklien is.diertc re tu kppis Ju POp unstarre be¬
stand, zeigten sieh bei 1 2 am >cli.ussc der k->n\e r ge i /rea\?f •>» o:>
gleulic I hi pd len. ferner waren am >vh uss vier V e' e ngeuirg n • v
den 3J Pupillen 2 { ) entrmnlet. Verl nimmt an. vl.iss diese I rs^r e nu:
Ille.) 11 aut kosten der k < *ll \ er ge 1 1 / r e akti"li zu setzen ist. s-nJe'O l.is^t
elieses mpioin ais Ausdriuk e ine r me Irr zmt'al gelegenen
auf. welche mit dem bei Par .o\tikern T oPig gestörten T na vie'
Muskulatur, aiuh der glatten, /iis.imnutitniigt.
4 ) . 1 . Karelier und < i. b e h a t 1 ti e r - Base !: I in Fall >on
Adams-Stokes scher Krankheit mit Schw leie Im H I s »eben
Bündel.
KrankengesJiiehtc und t i:iv*.hendv r k!i-*usl <. mrd res c "' ■. ! r
K.mtmaims, bei weiehem die gew ••l’iudieri 1 • s, he n'imgrti der ce-
na nuten Krankheit bestände n und das \ t r u •% e ■ ö u a' b •; m m r e
ganzen Verlaute Niel dünner war ,i<v an einem murmie ti Merze m ik
aut vlem t.Jiiei sdirntt /nr Madte ui’d mein ans Bn.kgeWe’e I
Ausser vier l.pikrise v!es la e s get'e-ri die Ve’t .ou ii e.ne /us.m.r'e u-
Siedlung \ II il 1 2 1 a lell aus vier I ile r at UT. bei Niedietl bei vU ’ "es;. Ir
eine Veränderung des II i s sJuh B mdv s gclumUii wn’.'.e De: n. •*-
liegende- Fall svlieilit ebcnla -;s v)e n k.ois.nen /us.pT.me m an g /wa.'ei
patln dogisv her V e r.Uidv • uug vl« s II issj;eii B n !e s um* vä '
A d a m s - > t o k e s Sv h er >\rnptome nkmupAx zu besiegen
3) L. n . lieber m a n u und B B. n 1 e ii e n e s s n • * *’e
Pest: l eher seifenartige Verbindungen als Komplemente.
Die Veit, »muhen m ihren Vusi hr imge u. be ziu.k h w e vhe r w r
auf elas thiginal n er weisen runsse-n. vl» n \ i 'sti v n. auf »rund, n r
neueren Veisiulun die I fffw amle zu uüm iit.gi n. We . v .ke .ue r i .. v
M\P"these. vlass suil an der Bildung Nmi k "rup e me nte n m.’ü'P! .e
V er bmdiingen beteiligen. elhwÖen w<ndvU sind. Die k n.pfe 'e
Sind n.ull dieser M\pothese den >e ile-l IW e iss\e r ge n ,b * r
gebaute Körper.
n) L ti I> 1 i n s k i - Berlin: Angina und Miliartuberkulose.
In dem tmtge lebte n lade :.ihrige r Lhcmö e f » batte s J. »r
Vnsclihiss an eine n er schleppte Angina bei dem leuht tm e *k u se •
Manne eine Miliar tubei knlosc, wekhe niiuh den Belum! e.ms \.!e *-
hauttubei ke's sulier ge stedt ist. e ntwukelt.
7) > l ii r m a n u - Bei Im: Die Intranasale 1 röflnung der Kiefer¬
höhle.
Die AngaL'eii über vl i c n«.mi Verf erpolue < hu ' atn ns!-, u.
wekhe hautUs.ulilu Ii aut eine nm. k-.miiieni l e bi i\. v pt vier M •; e .n •-
Zielt, snivl irn ()iigmal zu Nei skullen I t« l r tei; dp Ce I ru!-
ergebmsse will n <>m \ e* r I. inch nullt abgi-gcbe n werden
s) B. P i / e w a I s k i • chaih-.u : l eher das grosse Net/.
/.lisammeiiste tfung vl*. r Menningen /.ihbeuher \ ut* •'». n ai.s dv •
l.ileiatur n!'er vliesen »icgeiistand VeM fi.t n< *v h v.in; ki.z v
I h > tt< »k"l le N«>n 4 an Munde n ge m.ubte n V cmk tu tr an. lu: wek'un
ei eine Net/i esektmn n i >r gemmmie ii und zum I eil Ihr märe :n;u..eM
beobachtet hat.
ö) A. Pa p t> e n h e i m : Zur Baktcrlen-l.euko/> tcn-Di>ppellar-
bung bei Studien über Phago/>tose (Baktcriotropismiis und Ops<inl-
satlon).
Nicht zu kurzem Auszug geeignet.
HO F. R u n g e - Be rlui Appendizitis wahrend der Schwanger¬
schaft. (icburt und Wochenbett.
Die Appelidi/itis Svhemt W ali'end der > v 1 w ,inge ' %la!t e i'U )e-
soinlers seltene I rkrankuug zu mhi, eil m-g "stige r I • uss r ira-
Nivht.it auf ile n Verlaut einer n > <r li.m.'e m n \ ptu f n‘: .* t s ist nn a ’ge •
meinen nie ht zu brnb.u litt n. Du f'agc. "P K \ :i - äuge f s v »;at|
zu Rlicklailell elei VV ut mf* .t ts.it/e nt z-o-..in g p-.: sp. ”:e ' t. kam ti"C;
nicht beantwortet weidcm .sulier ist u »lass eme -e
Appendizitis ungünstig auf die >e hw äuge r Sv c.itt enwp'M. im.v m letz¬
tere sehr hantig truh/eitig unter Im in n w ■ V da) u i m* ,!e -se¬
in r Mutter und kmd eine wenig gute V\ . 1 ' g ist »■.»»■' h .r.n’i
liier eine exakte Diagnose, w i khe u d*u!i lei v)e n Nhi.ru'eii ?• •!
besonderen Schw terigki-iteii n ei Immi.Iv« ist. .po ,! ; v \ pf m k
emgeht. Wenn muh antangs e \ sprk t.eti \ e r Bekam’ m-g e » e Ver-
sclilee htermig des allgemenen / usi.pi. !v s *r:{ v - tu s* ( -t. ne't-
tointischeii I r Sv heimmgen etv. emtntt, s.. ist s. >n pi-
diziert. Bestellt eme Appeinb/rtis beim I mf tt - r w. ■ • ml g-ncr
< iebm t. so ist elunta' s sop-rtige < »tu ' atu n n- • v \ppe •• ‘ • t s w di-
rend de-s VV o t In nfu 1 r< s kann ietg’Iit zum V,o eteii N-n Pi-e^uur*
fn-ber Veranlassung ge'eii. < j : a s s ,m n - V m 1 u n
Deutsohe medizinische Wochenschrift. No. 27, 1908.
1) M. B e r n h a r el t - Be i in Die Behandlung der Basedow-
sehen Krankheit.
K limsv lu r V o;; • , g
2) T. I r e n d e ! e n i u r g - I e ; v . /ur Operation der f mbolie
der Lungenarterie.
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14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1507
T. hat einen weiteren Fall nach seiner auf dem heurigen Chi-
rurgenkongress mitgeteilten Methode operiert: 45jähr. Mann mit
tabischer Spontanfraktur des Collum femor. sin.; aus der freigelegten
A. pulm. wurden mehrere grosse Thromben extrahiert, einer war
34 cm lang; sie stammten, wie die Sektion bewies, aus der Vena
femoral. dext. Der Tod war 37 Stunden post oper. eingetreten. Zur
Technik macht T. ergänzende Bemerkungen.
3) Rinne-Berlin: Ueber die Differentialdiagnose von Typhlitis
und Adoexerkrankung.
Die diagnostische Unterscheidung der Appendizitis gegenüber
pelveoperitonitischen Entzündungen, Perisalpingitis, Oophoritis. Tu¬
bengravidität mit liämatocele retrouterina, Tumoren und Zysten des
Ovariums (Stieldrehung) und Lig. latum ist manchmal schwierig. In
zweifelhaften Fällen soll man so verfahren, als wenn Typhlitis Vor¬
lage, um nicht eine gefährliche Verzögerung eines notwendigen Ein¬
griffes zu riskieren. Rechtsseitige gynäkologische Leiden rät R. von
oben anzugreifen, um die etwa mitbeteiligte Appendix regelrecht
versorgen zu können.
4) W. Kölle- Bern und P. Schatiloff - Charkow: Unter¬
suchungen über Komplementblndung bei Rekurrenserkrankungen des
Menschen mit experimenteller Rekurrensspirochätose der Mäuse und
Ratten.
Die Untersuchung auf Komplementbindung war mit Mäuse- und
Rattenspirochätenimmunserum negativ. Beim Menschen dagegen
wurde ausgesprochene Komplementbindung beobachtet, aber nur mit
Blut von Rekonvaleszenten, welche schon zwei Anfälle überstanden
hatten. Die Komplementbindung war streng spezifisch, sie blieb aus
gegenüber anderen Spirochätenstämmen. Die Komplementbindungs¬
methode eignet sich also zur Differenzierung der verschiedenen Re-
kurrensspirochätentypen mittels menschlichen Immunserums, ausser¬
dem für die nachträgliche Diagnose beim Menschen. Das Fehlen der
komplementbindenden Antikörper im Serum von Ratten, das aber
Schutzwirkung gegenüber der experimentellen Rekurrens entfaltet,
spricht dafür, dass die komplementbindenden Stoffe Antikörper sin
generis sind.
5) R. Kraus und R. Doerr-Wien: Die Wertbemessung des
Dysenterieserums.
Verf. begründen, namentlich K o 11 e gegenüber, warum sie ihre
Wertbestimmungsmethode für die einzig richtige halten. Das beim
Menschen therapeutisch anzuwendende Dysenterieserum müsse des¬
halb im Tierversuch (Kaninchen) kurativ ausgewertet werden, da
dessen Neutralisationsvermögen, wie es bei Prüfung in vitro ge¬
funden wird, kein Mass für dessen Heilwert ausmache. Die prin¬
zipielle Bedeutung der Avidität der Antitoxine sei auch bei Di¬
phtherieantitoxin zu berücksichtigen.
6) A. B r e i n 1 und M. Nierenstein - Liverpool: Weitere
Beobachtungen über Atoxylfestigkelt der Trypanosomen.
Aus ihren Experimenten schliessen Verf., dass die erworbene
Atoxylfestigkeit nur für die betreffende Tierspezies gut hält, in wel¬
cher sie erworben wurde, und dass sie sich sogar während einer
längeren Passage durch Tiere verschiedener Spezies (7 Monate) für
diese eine Spezies erhält, ln diesen Tatsachen erblicken Verf. ein
schönes Beispiel von Vererbung erworbener Eigenschaften. Sie
machen ferner auf die bestehende Gefahr aufmerksam, durch un¬
zureichende Behandlung von Schlafkranken atoxylfeste Stämme von
Trypanosoma gambiense künstlich zu züchten; denn es gelang be¬
reits. in Meerschweinchen Trypanosoma gamb. arsenikfest zu machen.
7) A. v. H i p p e 1 - Göttingen: Ein Beitrag zur Serumtherapie
bei Erkrankungen des Auges.
Verf. hat das Deutschmann sehe Serum bei 40 Kranken an¬
gewandt. Es bewährte sich bei schwerer Iritis plastica und bei
Ulcus serpens, auch bei nichttuberkulöser Iritis serosa, war dagegen
unwirksam bei schwereren Infektionen des Glaskörpers. Das Serum
(gewonnen von Tieren, welche mit lebenden Hefezellen nach be¬
stimmter Methode gefüttert wurden) erwies sich als absolut unge¬
fährlich.
8) E. Hoffman n, H. Löhe und P. M u 1 z e r - Berlin: Syphi¬
litischer Initialeffekt der Bauchhaut an der Einstichstelle nach Imp¬
fung in die Hoden von Affen und Kaninchen.
Bei Versuchen, die Generalisierung der Syphilis durch Injektion
reichlicher Virusmengen direkt in die Hodensubstanz deutlich in Er¬
scheinung treten zu lassen, wurde bei einem Affen und bei einem
Kaninchen neben Anschwellung des geimpften Hodens an der Ein¬
stichstelle ein kutanes Infiltrat erhalten, welches ausser einer zen¬
tralen Erosion einen peripherischen Wall hatte und im ausgepressten
Serum zahlreiche Spirochaetae pallidae enthielt.
9) F. J a m i n - Erlangen: Fortschritte in der Diagnostik der
Lungenkrankheiten.
Uebersichtsreferat.
10) Dietrich- Charlottenburg: Ueber granulomartiges Sarkom
der Lymphdrüsen.
Verf. beschreibt 2 Fälle, welche makroskopisch und mikro¬
skopisch zur Hodgkin sehen Krankheit zu rechnen waren (ohne
Spur von Tuberkulose), und 2 andere, welche mikroskopisch völlig
den beiden ersten glichen, makroskopisch dagegen Sarkome waren;
die Zusammengehörigkeit der Fälle wurde auch durch Feststellung
von Einbruch des Gewebes in die Venen bei den ersten beiden Fällen
erwiesen. D. fasst alle diese Fälle zusammen unter dem Namen
„granulomartige Form der Lymphdriisensarkomatose“; die beschrie¬
benen Befunde von Tuberkulose hält er für kombiniert, d. h. in solchen
erkrankten Lymphdrüsen siedeln sich Bakterien leichter an. Bei
der klinischen Diagnose der Pseudoleukämie, bei Probeexzision von
Drüsen muss man stets an solche Sarkome denken.
11) Jul. Gnedza-Berlin: Ein Fall von Melanurie bei Darm¬
tuberkulose.
Durch den beschriebenen Fall erleidet die These, dass bei Me¬
lanurie oder Melanogenurie nur durch einen melanotischen Tumor
bedingt sein könne, eine Ausnahme. Das chemische Verhalten des
Urins wird genauer beschrieben. Es bestand auch Nephritis, welche
vielleicht der Melanogenurie Vorschub leistete.
12) Bodo Spiethoff-Jena: Erfahrungen mit der Finkei¬
stein sehen salzarmen Kost beim Säuglingsekzem, beim Strophulus
und Pruritus infantum.
Erfahrungen an 5 Fällen. Direkter Einfluss auf das Ekzem war
nicht ersichtlich; ein gewisser Wert der F.schen Kost liegt aber nach
Verf. darin, dass durch Ausschaltung sekundärer Einflüsse das Ekzem
ungestörter abheilen kann und in milder Form rezidiviert. Strophulus
und Pruritus wurde günstig beeinflusst. Besonders indiziert ist die
F.sche Kost bei Kindern, welche mit chronischer Dyspepsie neben den
genannten Dermatosen behaftet sind.
13) K. B 1 ü m e I und H. U 1 r i c i - Görbersdorf: Zur Behandlung
der chronischen habituellen Obstipation.
Neben der nicht immer möglichen kausalen Therapie empfehlen
Verf. ein Z e 11 u 1 o s e b r o t, das etwa 10 Proz. Rohfaser, und zwar
gereinigte und gesiebte Buchenspäne enthält.
14) Fr. L e h n e r d t - Halle: Ueber die Endresultate der Tra¬
cheotomie.
Bemerkungen zur Frage, ob Intubation oder Tracheotomie bei
diphtheritischer Larynxstenose vorzuziehen sei; es sei schwer, aus
dem nachuntersuchten Material bindende Schlüsse abzuleiten.
15) H. F i s c h e r - Berlin: Das Deutsche Rote Kreuz Im russisch-
lapanischen Kriege.
Kritische Bemerkungen über die prinzipielle Berechtigung solcher
Auslandsexpeditionen im Anschluss an den erschienenen offiziellen
Bericht. R. Grashey - München.
Oesteireichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 27. L. v. S c h r o e 11 e r - Wien: Zur Kenntnis der im Ge¬
biete der Lungenarterie entstehenden Geräusche.
Bei einer an rechtsseitiger Pneumonie erkrankten Frau wurde
RHU. in der Höhe der 8. Rippe nahe der Wirbelsäule ein konstantes
und umschriebenes systolisches Geräusch festgestellt. Die Obduktion
ergab eine Kompression der beiden Hauptäste der Pulmonalarterie,
besonders des rechten, welcher durch ein vom Lungenhilus aus vor¬
dringendes Schwielengewebe verengt und dessen Wandung von
anthrakotischen Massen durchsetzt war. Wahrscheinlich hat die
Hepatisation des Lungengewebes durch besondere Resonanzverhält¬
nisse das Geräusch verstärkt. Eine bronchoskopische Untersuchung,
die aber nicht veranlasst war, würde jedenfalls über die Verengerung
der Bronchialäste Aufklärung gegeben haben.
H. Königstein-Wien; Ueber das Schicksal der Spcrma-
tozoen, welche nicht zur Befruchtung gelangen.
Exner hat die Vermutung ausgesprochen, dass das überflüssige
Hodensekret in der Samenblase zur Resorption gelangt. In der Tat
hat R. in dem Inhalt der Samenblase verschiedene, hier näher be¬
schriebene Elemente gefunden, die als regressive Formen der Sper-
matozoen aufzufassen sind und schliesslich als kugelförmige Gebilde
einen charakteristischen Teil des Samenblaseninhaltes bei geschlechts-
reifen Männern bilden. An diesen Kugeln findet sich weiterhin noch
Körnchen- und Vakuolenbildung, welche der Resorption vorherzu¬
gehen scheinen. Aehnliche Zerfallserscheinungen finden sich an den
in der Vagina zurückbleibenden Spermatozoen; ausserdem findet aber
nach K.s Untersuchungen im Uterus von Maus. Katze, Hund und
Meerschweinchen eine ausgiebige Aufnahme und Resorption der
Spermatozoen durch Leukozyten statt.
R. P o 11 a k - Brünn: Bakteriologischer Befund bei eitrigen Bron¬
chitiden.
Verf. hat in einer Zeit, wo Bronchitiden in gehäufter Zahl unter
dem klinischen Bild der Influenza auftreten, bei 73 Fällen das Bron¬
chialsekret bakteriologisch untersucht. Es wurde häufig der Diplo-
coccus lanceolatus, Staphvlococcus aureus. Streptococcus pyogenus
usw., aber nur 8 mal der Influenzabazillus gefunden, in ähnlicher Weise
fehlte derselbe auch fast ganz bei einer influenzaartigen Epidemie in
der Brünner Garnison. Jedenfalls sind solche Epidemien nicht
eigentliche Influenzaepidemien und sollten auch nicht als solche, son¬
dern etwa als Grippe bezeichnet werden.
W. Reis- Lemberg: Das R o e m e r sehe Immunlsierungsver-
fahren (Injektionen von Pneumokokkenkultur und Pneumokokken¬
serum) in Fällen von Ulcus serpens corneae.
Ausser der Injektion von 1 ccm abgetöteter Pneumokokkenkultur
in die Armmuskeln nach Römer wurden am folgenden Tage, später
event. wiederholt 10 ccm des Pneumokokkenserums (gleichfalls von
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1508
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
V».
E. Merck in Darmstadt bezogen) in die untere Bauchgegend ein- j
gespritzt, in späteren Fällen wurde von der letzteren Seruminjcktion
abgesehen. Die Resultate dieser aktiven Immunisierung waren, wie
an einer Krankengeschichte besonders illustriert wird, günstig, ob- j
wohl die Fälle in der Regel schon sich im vorgeschrittenen Madmm j
befanden. Der Erfolg bestand hauptsächlich in einem MilNt.nul des '
Prozesses und einer Verbesserung der Sehschärfe. daneben wurde !
allerdings auch die (lalvaiiokauterisation angewandt. Gehandelt wur¬
den nur solche Fälle, welche eine reine oder ganz überwiegende
Pneumokokkeninfektion aufwiesen.
E. Miesowicz- Krakau: (Jeber spate Rachitis (Rachitis
tarda).
Krankengeschichte eines 17 jährigen Mädchens (mit Rontgenbild).
Die Diagnose wird begründet durch den erstmaligen Heg um der
Krankheit nach dem 10. Jahre, die charakteristische Kiiochenveiaaade-
rung, zumal bei der Durchleuchtung, und den günstigen \ erlauf naJi
entsprechender Behandlung.
O. Grüner-Wien: Die kutane Tuberkulinreaktion Im Kindes¬
alter.
G. legt für die Feststellung einer positiven Reaktion Wert auf
die Betrachtung aus einiger Entfernung (ca. 1 m) und auch aui das
lange Bestehenbleiben der Reaktion. Seine Fm/clei iaht ungen ver¬
zeichnen eine auffallend häufige Reaktion auch bei Meningitis tuber-
culosa und akuter Miliartuberkulose. Von klinisch sicher I uber-
kulösen reagierten 97, von Verdächtigen 7b, von klinisch 1 uberkulosc-
freien 21 Proz., bei den über 5 Jahre alten hindern dieser letzten |
Kategorie aber über 50 Proz. positiv, von äs bei Obduktion tuber- i
kulosefrei Befundenen hatte keiner positiv reagiert. \mi lär» >atig- i
lingen reagierten nur lb, davon 14 sicher Tubei kulose positiv. Die
Kutanreaktion im Säuglingsalter und den zwei ersten l.eber.Mulntn im ,
ein äusserst wertvolles, oit ausschlaggebendes I >iagn<istikum, ienseits
des 3.—4. Jahres ist sie nur zur Unterstützung der Diagnose zu ver- |
werten. Die Prognose ist bei positiv reagierenden Säuglingen selbst
bei geringem klinischen Befund schlecht, /um Schlüsse macht P. ,
noch Angaben über die verschiedene Grosse und das Aussehen und !
die Zeit des Auftretens der Reaktion bei den \ erscluedeiien Formen 1
der Tuberkulose. 1
L. Po llak-Wien: Ueber den Farbstoff des pneumonischen l
Sputums.
Im typischen Sputum crocctim findet sich regelmässig in nicht
geringen Mengen Bilirubin. Das Sputum wird mit doppelter Menge
Chloroform extrahiert, letzteres abgedampft, der Rückstand mit
einigen Tropfen Fssigsätire aufgenommen und mit einem Tropfen
0,5 proz. Lösung von Natr. nitrosum versetzt. Bew eisend ist der
Farbenübergang von Grün, Grünblau, Violett ins Rötliche. Am besten
gelingt die Probe mit dem typischen rostbraunen Sputum, das schon
dem Chloroform eine üriingelbfürbung gibt. Ob das Bilirubin auf
gallenfarbstoffhaltiges Blut zuriickzufiihren ist oder auf die Tätigkeit
von Bakterien, ist noch ungewiss.
A. Neumann: Ueber die Ultratellchcn des Blutplasmas.
Bemerkungen zu der Mitteilung von Dr. E. \V i e n c r über Sper-
makonien in No. 25. N. hält daran fest, dass der Fettgehalt Ger '
Nahrung von wesentlichstem Einfluss auf die Menge der llamo- !
konien ist und dass die Ultratcilchcn des Blutes wenigstens zum
überwiegenden Teile Fett sind. Sie finden sich nach reichlicher Fett- j
aufnahmc und bei manchen Kranken mit Magendarmstoningen. Von |
ihnen nach Form und Grösse zu unterscheiden sind gewisse andere
kleinste Körperchen, welche sich angeliäuft in den RnndpartieM von
Blutpräparaten nüchterner Personen finden, und andere Teilchen,
welche nach 24 — 4k Stunden im Präparat, w aln schemlic h gleich- 1
falls durch Niederschläge aus dem Plasma, entstehen.
Wiener medizinische Wochenschrift.
No. 16. O. C h i a r i - Wien: Ueberslcht über 82 Fälle von Thy-
reotomlen, partiellen und totalen Exstirpationen des Larynx wegen
Karzinom.
Kurze Krankengeschichten von 12 neuen Fällen.
M. Grassmann: Beitrag zur Lehre von den reflektorischen
vasomotorischen Störungen nasalen Ursprunges.
G. hat die der genannten Lehre zugrunde liegenden, in der
Literatur allgemein akzeptierten Vu suche Francois • r an e k s
nachgeprüft und in keinem Punkte bestätigt geinndeii;, so dass cs
unaufgeklärt ist, w ie F r a n c o i s - F r a n c k /u seinen Resultaten
gelangt ist; speziell das von ihm behauptete verschiedene \ erhalten
des Arteriendruckes in den einzelnen (ietässbezirken kommt weder
auf Nasenreizung noch auf irgend einen Reiz, je vor.
P i e n i a z e k - Krakau : Ein Blick auf die Entw icklung der Me¬
thoden der okulären Untersuchung der Atmungswege.
Geschichte der Laryngoskopie und Bronchoskopie.
M. H a j e k - Wien: Meine Erfahrungen mit der Trepanation und
mit den Radikaloperationen der Stirnhöhle.
lleberblick über die nach der K u b n t scheu Methode mit der !
osteoplastischen Resektion, nach der R i e d e I sehen, der K i I h a n -
sehen und K i 1 I i a n - U a i e k sehen Methode opetieiten Falle mit
den einschlägigen Krankengeschichten.
.1. Fein-Wien: Der Nervus laryngeus inferior und die svplii-
litischen Erkrankungen der Aorta.
Krurikengesehk hte eines aifgen M.rmcv >'■ : 1 t.st I: ’ t
Nach "i lallten Xplu-me. Imssxe.r.ge Re K er rc i s .c auc ... V.
klai»| , enaUekti"U. ,tiu ur \ sma.iia: :c :.e \ e ii : e Oe r g de r X "a. .« .M
im R' intgcnluld ii.k Iiw cisbar. \:*1 1 .i.t-s, tie I k '..c . !•’ - ■ . .
der RefcJp reus..ilnnuug und du \ i t.i \ e •; r v flc t U’: g. 1s •. •• x .
hier jedeiitaiis nicht um uu m ■ s* ... x. • .• • a w .< 'c'm
eine pei uortit Mce W ik he : nag :ai >ua.e 11 t n s v u. a n :■ s i ' . •
eine Ke !il/i its^e antiäu tis^ i.e km ..ixM x v ;, u s „ .g n 1 m.
^ 11 n i rn I > a i ’.! i. i. i r i; 11 n b»'se d gi-a* im.l n,< ; D,u s t .r,.ch e.aef X"c
r\ suieiil’iidung \ in be u..eti.
I . < i I a s - W teil: Die Sensibilität des l ar\ nxeinganges bei Re¬
kurrenslähmungen.
Die Non Massel iingoti !e ik ha g. davs i t.iM V. •-
Maut es Ik Je its \ mpt<>tti imä jk.ük c . n | -.i" i. t ' C ^ " : ’ -
der Rcktiri ens.ahmimg une Xa.iM'.e s.t de s l.u’v: v-.. ...e .. •, s xe..
dass bei linksseitiger Re k ik 'U’s a.hmtr.g r e .M v . - .. * •
reslitssc itigei n n. ist 11 v paxt :;esie be st; t.i. Mit M. la . t : c r .>.. u .e
NaJip: iifung nu ht K st.i’.g: getunde" D.e '• • i. >.
Aditus laiMigis beMiäeu aut einer \"> u. m d> s N .,r.:;a ;v '
No. 17. k . Untig-Wn.n; P .iraltmproihes.cn in der f usM>hte.
Als Dr s.iCbv Icbh.ittt sti r sd.ra i.mi i « » u. m :i \v ä ' t. < • ». •
Kranken cm k ii-m. in. n.\ r sp* ij>;g u!s'ia ■ 1 V s.*.:/ dm I
plantaris am kakam. i; s getimd-, m. Dumü 1 • % •« v . -
l’araimi in ibe l r: ^ei ur.g ik f I \ s*. w .• m e k s 'a e
dauernd f iitu:t. ie ' g t .i t - m •
Schiffs- und Tropenkrankheiten.
R i c li e ! o :: H\gienKche (irimd/uge der Ventilation und Heizung
auf Krieg*- lind Handelsschiffen. < \\ . t 'm i
h\g:u;e. Bd. XII. 11 D
Ref.: >. d e se W mJh-pv J. ; m )o 7, v 2J *■>
Neisser: Sind Syphilis und I ramhocMe \ er^shiedene Krank¬
heiten? «Dasedst. Ik!. XII. M »• »
S\ ph ,s und l:a||ä"e-s.e ze.e:i k : * ^ ; • ü se ; r .d •; % .
I < ‘Htuii. SM e!.,vs erie s v ; .e'e D "cot .i ..c 'e : . t
l ade UiMg ,Ji .st, >.e Werden vl.iMti e • t:: v , e' Mi d.'M .
(if tippe äuge ''"'eil. len. I’aast.n e’.'e.rgt. v e 'dm MM de ...Me
spez üssjfcn Me :r.ttel; das \ t: 1 a teil der V'er: a.P I" • ■ \ e • v m e st
bei Te den Kraus!,e teil ur.ge Jin. .n adM’i; s c * .. . , • ^t'.ä . w; v,
eine nai’.e Hcz ehur g zw s. neu din be !c:n k'.r- . tin rm.'Wi v, •
I r o t z d c m sind il ; c K r a u k ii e . t t n a t ■ . - • g * ^ d . -
aus verschieden und de l'.rdvoe ke • e X'.rt d«-' >*m»
denn Bestehen \nii Iran! >e s.e ! e m \"c s.: t. : . : g t u ».
bell e ngeanpüe >\ ph ns ic'iar i"ti si io ' Ifi • , Cn: \ i v
Schätzt r: c ht gegen I r.i’id .e s.e 1 •' \ ■ ! '.M m e Ne s s •. • u m
erneute h; ptuug ni;t T t arm—e' e !e: tra-‘ o P ce’i f v v
B I ii m ! und Melz-k"it.i K’a a: Schi/ogonie und Makro-
Kamelen, i Daselbst, tkl. XII. 11. s »
Xe!, saivl nach ihren lk--‘\:M *••• g e n 1! • Mk.-b g ; -
neigt, de Gesc li edlts-,n:t ;,i der M.i.t* .i a • .:s k ,i s . f Rm -
tauten der X r t aujzntassen. w i*d *e v m • •• -i de X' ..x- . x.
formen s.rul. tintig und rt dz ch. duich :'*:'e tue . %v ’Mi I , • -
Sc hallen den Körper iles neue n. u!.; r-e’-.h mm; VX ,• ü s * • s-.c •
zu svliw .iw i:en, elas er e:ne gute Ikn'sv-fe «r.V • » d e i n x . m' s.
jor m de s I h.ism, idiimi \ i \ a \ . >:e- : .> te u .i •• • d« m- •. *• m < r -
eine Trage der \ e»er !<:mg und g'a f e». v . *. d..xv v . • e* '.m .*•
In,dam t.it v!e s Wirtes old aal v ./ m . v. ■ . ! • a •- - v
W e Lb ü n w a’ 'eil muss. | » e'-i a I . m .’ • ■> . ' : , - k • . .
k«. M • a x de 1-« '.uldiiM / u < j ,. a. , gss 1 . . . • X*. -
galt» ti u aut!* Ü% w a e ■ d d e du 11 de K - 1 . v . .
ZMl'g s ch da: v h "po r;; a ! o;i i -dp . e
K ii 1 z - Du.i'a : Malaria ohne P.ir.iMtenhciurul und fkira^iten-
bcfuiid ohne Malaria, il'av 1. X iI ! - ".11 * »
In Jo k.liusc tl als X\ i (r ia s■. s\ t •> 1 > • ;
i Vo|| | 'ur opaet ll gi a:g t:o’/ ,i;:x Lv , • , • l ;, x., v • . ^ ; •. V.. . .
| riapai asiti mi.i.i; w eis im per :pi’> • :v’ < •• j; •• W , • 1 . • ;• m: m
j du negative Ikti; ad tu du Ma o a u \ .m V •• a.M n . .
Tilgt de ! I hr ax k • ".u 1 \\ e .s um' I v . • - t ^ t .
VV ,ic hsedU I I 1 11 ge bi, r e :: e I. die \ ■ ’.-. ' i e ' ’ t. v u < ’ t ' s
W ohusitz 11 h 1 1 1 \ 11 ah:' ar'M’Müle 1 . •. * •. X* . .
de^dl kommt. I * de Z\U 1 1 ' II a: pi ; a - a - * ■ . . • X’
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|s-t d’e dl r !a' fi • tl n O a ’ ^ • X v ■ mV
mat;.,e ! .i::i l 1 • ,• ’ • •. e ■ • 1
w assed t:e Iki k»a'n • * i, ■ ,■ | '.• a v ‘. M t x x
l’aiitig zw ai am e: sten I t m *. . • I ‘m .m k u • '
alvt < r;u !i d< - et v'c n L • ; x s 1 > -. w
Ilelf4V: xMi■ "111 • g, ii i'e ■ ; x ; ..Dax 1 , , •> a t : j • .. s .
I!i O d , e ll i m p e : : p ! t • e u ! u t v v 1 * x c : ■ . X • \ ; -
t i e I t v n d e n k . . i; via ,rj I' • ‘ v . 1 » • x e ' •. •
M a ' a • ; a a ' x ,, l •. • x - t . x , x •
t'tdi F'-
Maiar ia'u aiike ii a .! e ■ •
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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erkrankte, mit. Er beobachtete, dass in dem Blutserum des Malaria¬
kranken 19 Stunden nach der wirksamen Verabfolgung von 1 g
Chinin noch lebensfähige periphere extraglobuläre Jugendformen vor¬
handen waren, und dass sie sich 14 Stunden ausserhalb des zirku¬
lierenden Blutes lebensfähig erhielten.
Ziemann -Duala: lieber Malariaprophylaxe ln unkultivierten
Gegenden. (Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, 1908, H. 5.)
Die allgemeine Chininprophylaxe kann geübt werden:
1. Durch Ausrottung der Malariaparasiten im Menschen
a) durch Chininbehandlung der Malariakranken,
b) durch Abtötung der Parasiten im menschlichen Körper vor
Hervorrufung eines Fieberanfalles.
2 . Durch Ausrottung der malariaübertragenden Mücken.
3. Durch Schutz der Menschen gegen den Mückenstich.
4. Durch Hebung der Widerstandskraft der Bevölkerung.
1 a) ist nur unter best-immten Voraussetzungen unter Zuhilfe¬
nahme eines grossen Apparates von Beamten möglich;
1 b) jeden 4. Tag 1 g Chinin ist die beste Methode.
2. Ziel bei der mechanischen Assanierung muss die endgültige
Beseitigung von Sümpfen sein. Ist sie nicht durchführbar, so sollte
eine grössere europäische Ansiedlung überhaupt nicht angelegt
werden. Versuche, durch Verbreitung von Pflanzen die Mücken¬
brut abzutöten, sind fortzusetzen.
3. Europäer sollen 750—1000 m entfernt von den Eingeborenen
wohnen. Bei ständigen Wohnsitzen soll das Moskitonetz durch
mückensichere Häuser ersetzt werden.
4. Die Malariabekämpfung ist auch eine soziale Frage. Diejenige
Bevölkerung:, welche sich am besten nährt und kleidet, die besten
Hütten baut, ist gegen die Malaria am meisten geschützt.
Nur -durch die Kombination aller Methoden lässt sich das Ziel er¬
reichen: Die wahre Eroberung Afrikas für die weisse Rasse.
Hüllmann: Ueber die Lüftung von Kriegsschiffen. (Gesund¬
heits-Ingenieur, 1908, H. 7, S. 101.)
Bei den Forderungen, die von allen Seiten an den Entwurf und
den Ausbau eines Kriegsschiffes gestellt werden, ist die nach Lüf¬
tungseinrichtungen nur eine und nicht die wichtigste. Der Zweck
der Lüftung ist nicht nur, frische Atmungsluft zuzuführen, sondern
auch Schutz der Vorräte und Materialien vor dem Verderben. Be¬
seitigung von Wärme und Entfernung schädlicher, ferner zu trockener
oder zu feuchter Gase. Der notwendige Schutz gegen überkom¬
mende Seen, die Scheu vor Durchbrechung des Panzerschutzes und
der wasserdichten Abteilungen, die Möglichkeit, dass bei Explo¬
sionen dem Dampf Wege gewiesen werden in neue Abteilungen, die
Notwendigkeit freier Umsicht von den Geschützen und Kommando¬
brücken, endlich die Einteilung desSchiffes in viele meist kleine Räume
erschweren die Anbringung von Lüftungseinrichtungen. Es folgen
technische Darlegungen über Art, Anordnung und Verteilung der
Maschinen, des Kanalnetzes und seiner Verschlüsse, Berechnung der
Widerstände u. a. m.
Low: Ueber die ungleiche Häufigkeit der FUarlasis In den
Tropen. (Journal of tropical Medicine, Bd. XI, 1908, H. 4.)
Filaria Bankrofti wird vom Culex fatigans übertragen. Unter¬
suchungen, besonders auf den westindischen Inseln ergaben dem
Verf., dass die Verbreitung der Filariasis auch auf Inseln, die gleich-
massig von Culex fatigans bewohnt wurden, völlig verschieden war.
Bei der Filaria demarquaii und perstans, für die der Ueberträger
mit Sicherheit noch nicht feststeht, könnte die ungleiche Verbreitung
des letzteren, vielleicht Ornithodorus moulata, für die ungleichmässige
Verteilung angeschuldigt werden. Doch fand Verfasser auf mehreren
Inseln die Filaria demarquaii auf ein kleines Dorf oder eine Vorstadt
beschränkt, ohne dass irgend ein Grund vorlag, die Beschränkung
e;nes Zwischenwirtes nur auf diesen Punkt anzunehmen.
Prout: Ueber die Rolle der Filaria als Krankheitserreger.
(Daselbst, H. 7, 1908.)
Pathologische Folgen der Infektion mit Filaria demarquaii,
ozzarardii und perstans wurden bis dahin nicht beobachtet. Von
Eüariae medinensis soll hier nicht die Rede sein. Zum Nachweis
des Zusammenhangs der Calabarbeulen mit Filaria loa werden drei
neue Fälle mitgeteilt. Der Nachweis des Zusammenhanges der Ele-
iantiasis mit der Filaria loa und ihrer Larve, der Filaria Bankrofti.
wurde meist geführt durch die Behauptung, dass die Elefantiasis
mit dieser Filaria gleiches Verbreitungsgebiet zeige und dass die
Filaria' das lymphatische System bewohne, durch dessen Verlegung
die Elefantiasis entstehe. Doch irgend ein Parallelgehen der Filaria-
verbreitung und der Elefantiasishäufigkeit ist bis jetzt nicht ge¬
funden. Ferner, nicht bei jeder Elefantiasis ist die Filaria nachweisbar
und nur ein ganz geringer und wechselnder Prozentsatz der Filaria
Bankrofti-Infizierten zeigt Elefantiasis. Weiterhin, warum bewirken
die übrigen ähnlichen Filariaarten keine Krankheitserscheinungen?
Zur Erklärung nimmt man an, dass nur der tote erwachsene Wurm
Lymphangitis und Chylurie verursache, oder dass beide Krankheiten
Folge der Einkapselung des erwachsenen Wurmes seien, oder dass
Elefantiasis die Folge der Verlegung der Lymphwege durch unreife
Eier eines abortierenden Weibchens sei. Die Unwahrscheinlichkeit
a v er drei Erklärungsmethoden wird nachgewiesen und angenommen,
dass Elefantiasis auch in die Tropen die Folge peripherer Lymph¬
angitis nach bakterieller Infektion sei und mit Filariainfektion nicht
Zusammenhänge. Chylurie ist in den Tropen und in gemässigten I
Breiten gleich selten und kommt vor, ohne dass überhaupt der
Ductus thoracicus verlegt ist. Jedenfalls liegt irgend ein Beweis
des Zusammenhangs der Chylurie mit Filariainfektion nicht vor.
Z a m m i t: Ueber mittelmeerfieberkranke Ziegen und von Ihnen
geborene Junge. (Journal of the Royal Army Medical Corps, Bd. X,
H. 3, März 1908.)
Mittelmeerfieberkranke Ziegen überwinden, wenn überhaupt,
sehr selten ihre Infektion; da sie unerwartet infektiöse Milch aus-
scheiden können, bilden sie daher eine ständige Gefahr. Junge von
infizierten Ziegen scheinen einen gewissen Grad von Immunität gegen
Mittelmeerfieber zu besitzen.
Lawson: Röntgenstrahlen als Hillsmittel zur Diagnose und
Lokalisation von Leberabszessen. (Daselbst, Bd. X, H. 3, März 1908.)
Röntgendurchleuchtung erwies sich in drei Fällen geeignet zu
den in der Ueberschrift angedeuteten Zwecken.
Middleton Stuart Elliot: Hitzerschöpiung aui Kriegsschiffen.
(The Military Surgeon 1908, Bd. XXII, H. 3.)
Verf. beschreibt das in Deutschland unter dem Namen Heizer¬
krämpfe bekannte Bild. Es kommen mehr Erkrankungen in Heiz¬
räumen vor, als in Maschinenräumen. Neger werden öfters er¬
griffen als Weisse. Krämpfe beherrschen im Gegensatz zu den Er¬
scheinungen beim Hitzschlag und Sonnenstich an Land das Krank-
heitsbild; dabei bestehen starke Schmerzen in den Gliedern. Keiner
seiner Kranken war bewusstlos, kein Erbrechen, kein Durchfall. Puls
klein, schnell, Atmung flach; Stimme aphonisch; Temperatur zunächst
oft wenig gesteigert; Pupillen weit; ruheloses Hin- und Herwälzen:
starke Gewebsaustrocknung.
Therapeutisch empfiehlt Verf. besonders Kochsalzlösungein¬
giessungen in den Mastdarm. zur Verth -Berlin.
Inauguraldissertationen.
Universität Berlin. Juni 1908.
Heilig Gerhard: Fabrikarbeit und Nervenleiden. Beitrag zur Aetio-
logie der Arbeiterneurosen.
Schmidt Walter: Aetiologische Betrachtungen bei nervösen Er¬
krankungen von Militäranwärtern im späteren Zivilberul.
Brandes Viktor: Ueber die Behandlung der Kompressionsfrakturen
des Kalkaneus.
Goldblum-Abramowicz Rosa: Die Versorgung der unheil¬
baren Krebskranken.
Feldstein Georg: Prostatatuberkulose und ihre chirurgische Be¬
handlung.
Wessel Albrecht: Ueber Pankreaszysten.
Universität Glessen. Juni 1908.
Klein Julius: Ueber Pseudoeklampsie.
Vorbrodt Friedr.: Zur Kasuistik der Sarkome des vorderen Media¬
stinum.
Gasse Rieh.: Untersuchungen über das Verhalten der Blutkörper¬
chen bei chirurgischen Krankheiten des Pferdes, besonders bei
eitrigen Entzündungen.*)
Neddersen Alwin: Ueber einen Fall von umfangreicher Throm¬
bose der Pulmonalarterie.
Leonhardt Viktor: Ueber den Zyankaliumnachweis in Organen.
Kok enge Ferd.: Weitere Erfolge des suprasymphysären Faszien¬
querschnittes nach Pfannenstiel.
Busch Felix: Zur Statistik der Placenta praevia an der Giessener
Universitätsklinik vom Jahre 1892—1907.
Eichacker Fritz: Ueber die Bestimmung des Chloroformöles.*)
Müller Franz: Klinische Untersuchungen über Wert und Wirkung
des Kalomeis.*)
Bast gen Franz Josef: Ueber die behaarten Rachenpolypen.
Wolff Alexander: Vergleichende Untersuchungen über die Wirkung
einiger Digitalisglykoside an Hunden mit Hilfe eines eigens hier¬
zu konstruierten Sphygmographen.*)
Universität Greifswald. Juni 1908.
Markmann Alwin: Stapesankylose ohne Spongiosierung.
Schliebs Albert: Neuere Behandlungsmethoden der Geschwülste
v des Nasenrachenraums.
Moeller Paul: Die Bedeutung des Pneumothorax bei Herzver-
letzungen.
Universität Leipzig.
April 1908: Nichts erschienen.
% Mai 1908.
Bodenstein Wilhelm: Kasuistischer Beitrag zur Injektionsbe¬
handlung der Ischias.
B e n d i x Kurt: Die tödlichen Intoxikationen bei Quecksilberkuren.
Falt in Walter: Ueber den klinischen Wert der Konjunktivalreaktion
auf Tuberkulin.
Lorenz Marie: Ueber den Keratokonus.
Marenholtz Moritz, Frhr. v.: Ueber die korijunktivale Tuber¬
kulinreaktion. (Ein Beitrag aus dem Garnisonlazarett 2, Berlin.)
Natzler Adolf: Ueber Aktinomykose des Kehlkopfes.
*) Veterinär-medizinische Dissertation.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Wctzkc Paul: Pin hall von suprasymphysärer Entbindung muh
Frau k.
Anhalt Georg: Ueher trauniatiselie Riechlähmimgcii.
G ii r t n e r Georg: Fin Beitrag /ur Kasuistik des diffusen infiltrieren¬
den Karzinoms des Gesichtes und Halses.
Mer res Friedrich: Ueber Meriiskiisverletziiiigen.
S t ii m p k e Gustav: Arteriitis cerebralis im hriihstadium der >\ -
philis.
Wehner Fritz: Zur Kasuistik der Pneumokokkenseptikiimie ohne
Pneumonie.
Juni Iöön.
(j u d z e n t Johann Friedrich: Physikalisch-chemische Unter¬
suchungen über das Verhalten harnsaurer Salze in Losungen.
Henoch Oskar: Fin Fall von Diabetes mclitus nach Meningitis.
Kühn Hans: lieber Resultate der Operationen spinaler und zere¬
braler Kinderlähmungen.
Meyer Krnst: lieber den heutigen Stand der Behandlung der Pro¬
statahypertrophie.
Zucker mann Fritz: Zur Diagnose der Pankreaserkrankungen.
Dann Richard: Ueber spezifische Lungenerkrankungen wahrend der
Frühperiode der Sy philis.
Dornheim Friedrich: Beitrag zur pathologischen Anatomie der
T a y - S a c h s scheu familiären amaurotischen Idiotie.
Kias Bruno: Fin Beitrag zur Lehre von der Frbhchkeit der Ka¬
tarakt
Simonstein Hugo: lieber Hohlenbildungen im Rückenmark nebst
Beifügung neuer Gesichtspunkte in der Pathogenese und Mit¬
teilung zweier atypischer Fälle.
Joseph Alfred: lieber Gastroptose und ihre Behandlung durch
Gastroenterostomie.
König Hermann: Zur Kenntnis der Augensymptome bei multipler
Sklerose.
Kantorowicz Alfons: Zur Prognose der Schädelbasisbrüche.
Oehme Kurt: Ueber die Beziehungen des Knochenmarks zum neu-
gebildeten. kalklosen Knochengewebe bei Rachitis.
Wenske Alfred: Beitrag zur typhösen Frkrankung der Gallen-
wege.
Crohn Max: Vorkommen und Ursachen der Frühgeburt bei Zwil¬
lingsschwangerschaft.
Universität München. Juni löns.
Kodama Todomu: Fin Fall von Streptokokkensepsis.
Neusseil Ludwig: Das Verhalten der Pupillen bei Alkoholismus.
Sakuragi Jukichi: Gewichtsverhältnisse von Säuglingen prole¬
tarischer Bevölkerung bei natürlicher und künstlicher Frnährung
nebst einigen Bemerkungen über Säuglingsberatungsstellen und
Milchküchen. (Mit einem Anhang über die Gewichtsverhältnisse
japanischer Säuglinge.)
Ackermann Karl: Ueber das Vorkommen von Muskelhvpertonien
bei Frnährungsstörungen im Säuglingsalter.
Doerr Robert: Ueber den Chemismus der Azetonkörperbildung im
Kindesalter.
P reger Willy: Ueber einen Fall von „Fcchondrosis ph\sahf<»ra
spheno-occipitalis“ s. „Chordom des Tiirkensattels“. (Mit einer
Tafel.)
Lee de William Hermann: Fin Fall von isolierter Fraktur des Tro¬
chanter major beim Frwachsenen. (Mit 1 Abbildung.)
(j r i e b 1 i n g Otto: Ueber Stenose der Lungenartei ie mit unvoll¬
ständigem Verschluss des Forumen ovale.
Harzbecker Otto: Ueber den zeitlichen Ablauf der Hänml\sc bei
Einwirkung fluoreszierender Substanzen im Lichte.
Henop Otto: Ueber Lupus der Mundschleimhaut mit einem kasuisti¬
schen Beitrag.
Sega II Walter: Ueber einen Fall von multiplen Dcrmoidzysten des
Ovarium und des grossen Netzes bei Torsion der Tube. Gleich¬
zeitig ein Beitrag zur Lehre von der Entstehung der Netz¬
dermoide.
Im nachstehenden werden die n i c h t m e d i z i n i s e h e n Dis¬
sertationen des letzten Universitätsjahrcs, soweit sie für den Me¬
diziner Wissenswertes behandeln, zusammengestellt.
B c r I i n.
Well mann Erich: Abstammung. Beruf und Heeresersatz in ihren
gesetzlichen Zusammenhängen. Fine theoretische und praktische
Untersuchung.
Gossen .Johannes: De Galeni libro qui airo^st norpvyuwf in-
scribitur.
K ii h I Wilhelm: Der jährliche Gang der Bodentemperatur in ver¬
schiedenen Klimatcn.
B o n n.
.1 o w a n o w i t s c h Kosta: Neuere Bestrebungen in der Heinistätten¬
bewegung.
B r e s I a u.
Gerhardt Ferdinand v.: Was lehrt uns die Aushebungsstatistik
deutscher Länder in bezug auf die physische Entwicklung ihrer
nhner?
D igitize^fc^Xj 011^1 C
Auswärtige Briefe.
Breslauer Briefe.
(Eigener Bericht.)
F n J e J u n i.
Neisser. -- Geh. San.-Rat Lange t. — San.-Rat
S t e r n t. — Hermann C o h n in memorlam. — Die hygienische
Sektion. — Die Infektionswege bei Tuberkulose. — Säuglings¬
fürsorge. — Universität.
Dass Neisser wieder der unsere geworden d, b. do^s
er die Statte* seines Wirkens aus der I re ibhausiutt Javas
wieder in sein scheitmgfmht s r ) Breslau \ erlegt hat. ist ua^h
mannigfacher. Begrussiiugsehrimgen höheren Stiis m»Ji se.ter.s.
des Breslauer Aer/te\ erems durch 'ein heiteres und gemüt¬
liches Festmahl m Gegenwart \on fast Joo Aer/te n am 2. M.i.
endgültig festgestellt worden. In bewegten Worten und not
der von dem wahren Gelehrten un/ert reuniuhe n Bescheid», tt-
heit stellte er sich auf den kollegialen Standpunkt des emia Jie i»
praktischen Arztes, für dessen Kample und Sorgen er sich stets
vollstes \ eistandms bewahrt. Umgekehrt bat ainh de Bres¬
lauer AerztesJiaft ihm immer vollstes \ erst.mdms lur seine*
w issenscliaftlichen Forschungen entgegengebradu und ihre
praktische Tätigkeit immer w imsdrgemass in den Dienst smur
Wissenschaft gestellt. Sein neuestes rosafarbenes Bnie:d«»u\.
in dem er um die Liebesdienste der Prakt.ker wirbt. 1 h /h ht
sich auf die Serodiagnose der S\ plm.s n.ub W a s s c r m a n n -
A. N e* i s s e r - B r ii c k und weist auf de r.c :ie;u. K e r n hu tc
serndiagnostisclie Abteilung seiner klink Inn. t >bw ohl d.c"e
neueste Errungenschaft medizinischen Wissens nut der nidit
gerade jedem Luetiker w ilik>•mmeiien \ e in npunktion und
Blutabzapfuiig verbunden ist, so genügt doJi der Name
N e i s s e r s. um seine neue Abteilung r.iJit etwa an B!ut-
armnt eingehen zu lassen.
I)er angenehmen Aufgabe des Chronisten, neues Leben,
w ie es mit der Rückkehr Ncissers mu h Breslau \ erbm.den.
angemessen zu begrusseii. stellt die traurige des Absdr eds-
iiehmens gegenüber, zumal wenn es siJi um AbsdueJ für
immer handelt. Und es sind nidit immer nur die Hinge n, deren
Umgang durch Wiedergabe eies Brustbildes und durdi
Origmaliiekrolog gefeiert wud. wekhe der Nennung be¬
sonders wert sind; uns drangt es aiuh. denemgen Er¬
wähnung zu tun. welclie m den bescheidenen i ire u/eii der
schlesischen Aer/tesdiaft durdi vie luhr/e lir.telarges prak¬
tisches Wirken sidi einen Namen gemacht. Im Ns. Lebens¬
jahre starb der Senior de r Breslauer Aer/te, < ieD. Samtatsrat
I)r. Hein rieh Lange; im Sepumber dieses Jahres hatte er
sein Mi jähriges I loktnriubilaum feiern können. wurde er
Anstaltsarzt im hiesigen K rank e n h a u s e d e r E Ii s a -
b e t h i n e r i n n e n. Invs dessen Chefarzt. In du sir Anstalt,
in welcher in den Jahren Nrf> und l s 7" 71 ein K in gsla/arett
errichtet war. tat er sich damals m der K rugskranke nprkge
besonders als Chirurg lier\or. Dem Maiisarmen-Medi/mal-
iustitut gellorte er seit l'öj als Ar/t. seit l»o ,,i s f» i r ek?«• r an.
Nachdem er bereits bei elem E u r s t b i sc h o f Rob». rt
Herzog Hausarzt gewesen, hatte er die gienhe Stelle beim
Kardinal Kopp mne. In weiten Kreisen genoss er Ansehen
und Be I ieDtli e i t. Ausser dein 1 Lpfsdie ule n Langes haben wir
dasjenige von San.-Rat Dr. Heinrich Stern zu erwähnen,
welcher am X Mai im 75. Lebeiisiafire gestorben. Er war Wit-
begrimder des Vereins der Aer/te des Reg.-Be/. Breslau und
gehörte über du Jahre dessen \ orstar.de an. em Muster eJiter
Kollegialität.
Wenn wir heute aut den uns un\erge s-d:die n im Sep¬
tember 1 ( >U) verstorbenen Hermann Cohn rmdi einmal /u-
riiekkommen. so ist es nidit. weil er m diesem M-iut (-1. Jam)
Seinen 7U. (iebnrtstag gefeiert hatte, sondern die \ erauiassuug
gibt ein zu diesem läge in Breslau (bei F. W ob! fahrt) er¬
schienenes Buch; Hermann Cohn in mermmam“. D.is-
selbe bestellt aus A "I eilen, von denen besi.j Je rs de r erste
,.\ ita und l’ersonlislikeit'' von Dr. Ernst LuJw ig unser
Interesse in hollem (irade erwecken iiimv Ls ist eine*
Charakterstudie ersten Ranges; ans enier Ende kleiner Zuge
setzt sich vor liieren Augen nnJi und nadi m durch¬
sichtigster Klarhe it das Charakter!';.J des \ e rst<«rb-ctKn zu-
’) Nahe elem piadit*. '-ben Sduito.», r P.e». in .. n ,be [ i:i\e?s ; .
tätskliiiiken, im Parke Selbst die \ h i ivbiii ne \ ; .i S e i s s t r s.
. Original frorri _
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11 Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1511
sammen. Auf die wahrhaften Freunde Cohns muss diese
Nudie Ludwigs wie eine erlösende Tat wirken; mit rück¬
haltsloser Objektivität werden neben den grossen Vorzügen
iie Schwächen, auch die kleinsten, wiedergegeben, immer
aber findet der Biograph eine versöhnende Erklärung, welche
ede etwa aufkeimende Missstimmung in Sympathien auflöst.
Man gestatte mir nur einige Proben: „Die Hälfte seines Lebens
hat Hermann Cohn am Schreibtisch zugebracht, . . . dort
sass er, nicht wie ein Bücherwurm, eher wie ein Journalist,
dessen elementarer Trieb zur Mitteilung sich zur Gewohn¬
heit geglättet. Schrieb er nicht Bücher, so schrieb er Auf¬
sätze; schrieb er nicht Aufsätze, so schrieb er Streitschriften;
schrieb er nicht diese, dann schrieb er populäre Artikel, schrieb
Fragebogen, schrieb Korrekturen, schrieb Briefe, schrieb
Karten, schrieb eigentlich immer etwas, und da er das meiste
stenographierte, so ging es doppelt leicht von der Hand.“ —
„Hört man, dass von der ausserordentlichen Anzahl seiner
Schriften (306) noch nicht vierzig ... in Buchform erschienen,
... . alle übrigen aber in Journalen .... herauskamen, so
wird sogleich der Charakter dieser Arbeit klar: eine Flut, die
alles ans Land trägt, was ihre Wasser bergen“. Wie treffend
charakterisiert Ludwig den Dahingegangenen als Do¬
zenten! „Er trug ganz unprofessoral vor, in jedem Sinne:
nicht systematisch, doch übersichtlich; nicht mit gleichver¬
teilten Gewichten, sondern leidenschaftlich; nicht periodisch,
sondern dithyrambisch; nicht in Distanz zum Studenten, son¬
dern persönlich, okkasionell, anekdotisch, humorvoll; nicht
klassisch, aber wie ein Jüngling“. Bekannt sind ja Cohns
wissenschaftliche Gelegenheitsforschungen; mit liebenswür¬
digstem Humor schildert der Biograph wie Cohn bei solcher
Gelegenheit oft seine ganze Persönlichkeit in die Wage warf,
„wobei es ihm denn z. B. gelang, einen Dorfschullehrer zu be¬
wegen, seine ganze Schule — 240 Kinder — unter Atropin
setzen zu lassen; oder auch hundert Greise zur Untersuchung
zu versammeln, indem er im nämlichen Dorfe einen Bierabend
für die ältesten Männer, einen Kaffee für die runzligsten Mütter¬
lein abhielt“. Dieser „Vita“ schliesst sich als zweiter Teil eine
Abhandlung von Prof. Dr. Ludwig Laqueur - Strassburg über
Hermann Cohns „Verdienste um die Ophthalmologie und die
Hygiene des Auges an“. Laqueur war durch 50jährige
Freundschaft mit Cohn verbunden. Der dritte Teil hat Prof.
Dr. Leonhard W e b er - Kiel zum Verfasser und behandelt
Cohns optische und schulhygienische Arbeiten. Mit dem
Verzeichnis sämtlicher Publikationen Cohns schliesst das
„in memoriam“ geschriebene Buch; — eine Ehrung für den
Dahingegangenen, eine Ehrung für die Verfasser.
Die hygienische Sektion der Schles. Gesellschaft
für vaterländische Kultur, welche jahrzehnte fang ihr be¬
sonderes, auf Einführung von Schulärzten, auf Schulhygiene
und Credeisierung der Neugeborenen gerichtetes Gepräge
durch Hermann Cohn erhielt, hat einige Zeit gebraucht, um
sich sozusagen auf sich selbst zu besinnen und trotz des ver¬
führerisch wirkenden neuen Gelehrtenheims auf der Oder¬
insel den Schwerpunkt nach dem natürlichen Boden im
hygienischen Institut zu verlegen. Am 4. Dezember vorigen
Jahres wurde dort die Sektion mit einem Nachruf Flügges
auf den mittlerweile Cohn in den Tod gefolgten letzten
Sekretär derselben, Geheimrat Prof. Dr. J a c o b y wieder er¬
öffnet. Die Wahl zu neuen Sekretären fiel auf Geh. Med.-Rat
Prof. Dr. F 1 ü g g e und Geh. Med.-Rat Kreisarzt Dr. Wolff-
berg; zum Delegierten ins Präsidium der Schles. Ges.
f- vaterl. Kultur, ein Ehrenposten, welchen zu bekleiden Her¬
mann Cohn stets mit besonderer Genugtuung erfüllte, wurde,
da Flügge ablehnte, W o 1 f f b e r g gewählt. Diese erste
Sitzung sowie die beiden folgenden im Januar ds. Jrs. wurden
roit der leider immer noch aktuellen Breslauer Grundwasser-
Ir age ausgefüllt. Der Assistent am hygienischen Institut, Dr.
Dettinger, hielt einen Vortrag über die Grundwasser¬
verschlechterung, über welche eingehend diskutiert wurde.
Vortrag und Diskussion werden in einer vom Magistrat vor¬
bereiteten Druckschrift zur Veröffentlichung gelangen. — Dass
z ur Aufklärung solcher Fragen die verschiedensten Fächer,
w ‘e Chemie, Hygiene, Geologie usw., Theoretiker wie Prak-
Jiker, Zusammenwirken müssen, liegt auf der Hand; traurig
berührt es nur, dass Flügge selbst auch einen auswärtigen
Hygieniker heranzuziehen empfehlen musste, da er, der „bisher
seine Sachkenntnis gern in den Dienst der Stadt gestellt habe,
mehrfach auf Misstrauen gestossen sei und insbesondere jede
Beziehung zur städtischen Wasserwerksverwaltung habe ab¬
brechen müssen“.
Ein Gegenstand von medizinisch wichtigerem Interesse
und grosser allgemeiner Bedeutung kam am 20. Mai in der
Sektion zur Sprache. Professor Dr. Reichenbach be¬
richtete über „Versuche über die Infektionswege bei Tuber¬
kulose“. Bekanntlich ist von verschiedenen Seiten nachge¬
wiesen, dass es bei vielen Versuchstieren gelingt, durch
Fütterung Tuberkulose und zwar auch Lungentuberkulose zu
erzeugen. Es ist aber unlogisch, daraus auf den intestinalen
Ursprung der Menschentuberkulose zu schliessen. Dazu ge¬
hört der Vergleich mit dem Inhalationswege. Solche quan¬
titativen vergleichenden Versuche können auch allein über die
Frage Aufschluss geben, ob, wie häufig behauptet wird, die
durch Inhalation- erzeugte Tuberkulose nicht den wirklich mit
dem Luftstrom in die Lungen gelangten, sondern den unver¬
meidlich verschluckten Bazillen ihre Enstehung verdankt. Im
hygienischen Institut sind nun von Findel mit Hilfe eines
vom Vortragenden konstruierten Apparates (Demonstration)
solche Versuche an Meerschweinchen angestellt, bei denen die
Dosis der inhalierten Bazillen sich genau bestimmen liess. Es
zeigte sich, dass zur Infektion auf dem Luftwege etwa 20 Ba¬
zillen genügten, während zur sicheren Infektion vpm Darm aus
10 mg, d. h. etwa 400 Millionen Bazillen nötig sind. Aehnliche
Versuche sind vom Vortragenden mit einfacherer Methodik an
Meerschweinchen und Ziegen, von Alexander an Kanin¬
chen angestellt; überall zeigte sich die ungeheuere Ueber-
legenhe.it des Inhalationsweges. Es ist also auch ganz, aus¬
geschlossen, dass bei Inhalationsversuchen die unabsichtlich
verschluckten Bazillen irgend eine Rolle spielen. Wenn man
also überhaupt aus diesen Tierversuchen einen Schluss auf
das Verhalten des Menschen ziehen darf, so ist es gerade der
umgekehrte: der Inhalationsweg ist der bei weitem gefähr¬
lichere. Wie häufig aber dieser Weg in Wirklichkeit beim
Menschen eingeschlagen wird, lässt sich durch Tierversuche
allein überhaupt nicht entscheiden: dazu gehört die Berück¬
sichtigung der Infektionsgelegenheiten auf den ein¬
zelnen Wegen. Der an interessanten Einzelheiten reiche Vor¬
trag fand vielen Beifall und wurde rege diskutiert.
In der öffentlichen Gesundheitspflege unserer Stadt spielt
natürlich die Bekämpfung der Lungentuberkulose wie allent¬
halben die grösste Rolle; mit Unterstützung des Zentral¬
komitees in Berlin und der Landesversicherungsanstalt
Schlesien ist es gelungen, dem schlesischen Provinzialverein
zur Bekämpfung der Lungentuberkulose nicht nur eine Aus¬
dehnung über die ganze Provinz zu geben, sondern die Für¬
sorge auch auf die lungenkranken Kinder Schlesiens aus¬
zudehnen. Es wird beabsichtigt, u. a. regelmässige Kinder¬
transporte nach Nordenney in das Seehospiz „Kaiser Fried¬
rich“ einzuführen. Ueberhaupt fängt die öffentliche Fürsorge
an, sich mehr und mehr für die Kinder zu interessieren. Be¬
züglich der Säuglingsfürsorge steht uns ja ein be¬
deutender Fortschritt durch die von Magistrat und Stadtver¬
ordneten anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares be¬
schlossene grosse Säuglings-Heil- und Pflegeanstalt bevor.
Für die sogen, geschlossene Säuglingsfürsorge, welche bei
weitem energischer die Säuglingssterblichkeit herabdrückt als
die offene, haben wir ausser der kaum in Betracht kommenden
Universitäts-Kinderklinik bis jetzt nur den städtischen Kinder¬
hort der Armenverwaltung. Aber gerade die Herabsetzung
der Sterblichkeit der Stadtwaisensäuglinge von ca. 60 Proz.
auf 15—20 Proz., die sich vor allem durch die Einschaltung
dieser Säuglings-Kranken- und Pflegeabteilung in das städtische
Waisenpflegewesen binnen wenigen Jahren erzielen liess, weist
sehr deutlich den Weg, auf dem mit Erfolg vorgegangen werden
kann und muss.
Eine Berliner Zeitung hat kürzlich Breslau eine „zu¬
rückgebliebene Grossstadt“ genannt; dass diese
Bezeichnung nicht zutrifft, ist von der Breslauer Presse zur
Genüge klargelegt worden; am wenigsten wäre es am Platze,
etwa unsere hygienischen Verhältnisse zurückgebliebene zu
nennen. Wir stehen rücksichtlich der Prophylaxe und der
Krankenversorgung in kräftigster Vorwärtsentwicklung. Wer
das heutige Breslau z. B. mit dem aus Gustav Freitags
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1512
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
„Söll und Haben“ bekannten Ohle-Breslau vergleicht, wird zu¬
geben müssen, dass unsere Stadt sich aus einem Augiasstall
zu einem modernen Prachtpalast entwickelt hat. Der Ruf
Breslaus als Universitätsstadt ist sicher ein hervor¬
ragender und das Klinikenviertel an der Maxstrasse
könnte vorbildlich genannt werden. Dass die Zahl der Stu¬
dierenden sich auf geringer Höhe hält, ist durch die un¬
günstige geographische Lage zur Genüge erklärt. Im vorigen
Wintersemester waren hier 2033 Studenten immatrikuliert, von
denen am Schlüsse des Semesters 559 die Universität verliessen.
Zu Anfang des laufenden Sommersemesters hob sich die Zahl
durch Neuimmatrikulationen wieder auf 2052, von denen
leider (?) nur 276 der medizinischen Fakultät angehören. Da
wir im vorigen Sommersemester 2051 immatrikulierte Stu¬
denten zählten, so sind wir „numerisch“ zwar nicht gerade
fortgeschritten; dennoch ist es unter den gegebenen Verhält¬
nissen schon tröstlich, sich auf der Höhe gehalten zu haben.
Wo.
Vereins- und Kongressberichte.
Jahresversammlung des Vereins bayerischer Psychiater
in Erlangen
am 9. und 10. Juni 1908.
Im Vordergrund der diesjährigen Verhandlungen stand das von
R e h m - München und K o I b - Kutzenberg erstattete Referat über
„die künftige Ausgestaltung der Irrenfürsorge in Bayern“, dessen
eingehende Erörterung den grössten Teil der Tagungszeit in An¬
spruch nahm. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes sei etwas ein¬
gehender über die Referate, die in knappen Leitsätzen ihre Zu¬
sammenfassung fanden, berichtet. Rehm behandelte „die Er¬
fordernisse der Irrenfürsorge“. Nach seinen Mitteilungen sind zur Zeit
in den öffentlichen und privaten Irren - und Pflegeanstalten
Bayerns etwa 9000 Geisteskranke und ca. 4700 Idioten und Epi¬
leptiker untergebracht, in Summa 13 700, d. h. auf 100 000 Einwohner
etwa 200 Kranke. Nach den Erfahrungen bei uns und in anderen
Ländern wird das Bedürfnis noch weiter steigen; es müssen in den
nächsten 10 Jahren auf 100 000 Einwohner 300 Plätze für Geistes¬
kranke im weiteren Sinne bereitgestellt werden. Zur Ermöglichung
rascher Unterbringung und vorübergehender Behandlung der Kran¬
ken sind in den grossen Städten mit über 40 000 Einwohnern Ab¬
teilungen an den Krankenhäusern unter psychia¬
trischer Leitung einzurichten. Auch die Aufnahme in die
Kreisirrenanstalt muss ohne Verzögerung allein auf Grund ärztlichen
Zeugnisses und Antrag der nächsten Angehörigen erfolgen. An¬
dererseits ist dem gegen seinen Willen aufgenommenen oder fest¬
gehaltenen Kranken das unbedingte Recht der Beschwerde einzu¬
räumen. Zur Prüfung und Erledigung solcher Beschwerden ist eine
aus einem Richter, einem Verwaltungsbeamten und einem Amts¬
arzt bestehende Kommission einzusetzen.
Die Sorge für die Unterbringung der Idioten und
Epileptiker muss den Kreisgemeinden auferlegt werden. Den
Kreisirrenanstalten sind für diese Kranken besondere Abteilungen
anzugliedern. Alle Privatanstalten für Idioten, Epileptiker, Unheil¬
bare sind der ständigen Aufsicht der nächsten Kreisirrenanstalt zu
unterstellen. An die Stelle der Laienpflege muss die ärztliche Be¬
handlung treten, für diese ist in geeigneter Weise zu sorgen.
Die Prophylaxe der Geisteskrankheiten erfordert, dass die gei¬
stig abnormen Kinder und Jugendlichen unter psy¬
chiatrische Beobachtung gestellt werden. Dafür ist zu sorgen durch
Organisation der Hilfsschulen, psychiatrisch gebildete Schulärzte,
zweckentsprechende Kontrolle der Zwangserziehungsanstalten und
Rettungshäuser, staatliche Erziehungsanstalten für Schwachsinnige
mit gleichberechtigter psychiatrischer und pädagogischer Leitung,
endlich durch an Kliniken und Anstalten einzurichtende Beobachtungs¬
stationen für Jugendliche.
Die Fürsorge für die H e i 1 u n g d e r T r i n k e r, die in Bayern
noch vollständig fehlt, ist eine eminent wichtige öffentliche Angelegen¬
heit. Notwendig sind offene Heilanstalten für freiwillig eintretende
Trinker, am besten in organisatorischem Zusammenhang mit den
Kreisirrenanstalten. Die zwangsweise unterzubringenden, ent¬
mündigten Trinker gehören in die Irrenanstalten eventuell in beson¬
dere Abteilungen dieser.
Ein unaufschiebbares Bedürfnis ist in Bayern die Errichtung von
Volksnervenheilanstalten. Bei der grossen Zahl dieser
Kranken wird für jeden Kreis eine Anstalt nötig werden. An allen
Kreisirrenanstalten sind poliklinische Sprechstunden für Nerven¬
kranke abzuhalten.
Die geisteskranken Verbrecher und verbrecherischen Irren so¬
wie die zur Untersuchung eingewiesenen Untersuchungsgefangenen
sind in besonderen, unter psychiatrischer Leitung stehenden Anstalten
oder Strafanstaltsadnexen unterzubringen. Die kriminellen psycho¬
pathisch Minderwertigen würden vielleicht in Anstalten, welche an
die Korrektionshäuser anzuschliessen wären, für die Dauer ihrer Ge¬
fährlichkeit unterzubringen sein. — Zum Schluss empfiehlt der Re¬
ferent die Einführung der Eamilienpflege im Anschluss an die
Irrenanstalten und untör Gründung besonderer Zentralen, ferner die
Gründung und den Ausbau von Hilfsvereinen für Geisteskranke,
endlich die Führung einer genauen Statistik der Geisteskranken.
Ueber die Organisation des Irrenwesens berichtete dann Kolb.
Von seinen sehr genau durchgearbeiteten Vorschlägen sei besonders
das Projekt der Einführung eines externen ärztlichen Dien¬
stes an den Kreisirrenanstalten erwähnt. Dieser externe Dienst soll
den Tätigkeitskreis der Anstaltsärzte über den engen Rahmen der
Anstalt hinaus auf den Bereich des ganzen Aufnahmebezirks er¬
weitern und die Feststellung, Behandlung und Kontrolle aller
psychisch Kranken (im weitesten Sinne des Wortes) im Bereiche des
ganzen Aufnahmebezirks ermöglichen. Demgemäss soll der externe
ärztliche Dienst umfassen die Konsiliartätigkeit bezw. hausärztliche
Tätigkeit an den regionären Pflegeanstalten, Trinkerheilstätten, Ner-
venheilstätten; die ärztliche Fürsorge für die familiär verpflegten,
beurlaubten, entlassenen und nie in die Anstaltsbehandlung gelangten
Geisteskranken, Schwachsinnigen, Epileptiker, Minderwertigen des
ganzen Aufnahmebezirks. Der externe Dienst wäre unter einem
Oberarzt dem internen (unter dem Direktor stehenden) nebenzu¬
ordnen. Seine Einführung würde den Kreisen nicht nur keine Mehr¬
kosten auferlegen, sondern nachweislich Ersparungen ermöglichen
und würde ausserdem für die Kranken selbst, für die Pflegeanstalten,
für die Trinkerfürsorge, für die Irrenfürsorge im allgemeinen, für
die Militärverwaltung, für die Justiz, für die Irrenanstalten und
deren Aerzte Vorteile bringen. Referent bringt dann ferner Vor¬
schläge für Organisation des Anstaltsdienstes, zur Besserung der
materiellen und ideellen Stellung der Anstaltsärzte, zur Einrichtung
von Direktorenkonferenzen und Kommissionen, denen die Visitation
der Anstalten obliegt, endlich zum Bau von neuen Anstalten.
An beide Referate schloss sich eine sehr lebhafte Diskussion an,
in der die einzelnen von den Referenten aufgestellten Thesen durch¬
gesprochen wurden. Im allgemeinen fanden die Vorschläge allseitige
Zustimmung; es wurde die Einsetzung von Kommissionen be¬
schlossen, welche weitere Vorarbeiten für die Neugestaltung des
bayerischen Irrenwesens übernehmen sollen.
Es folgten dann die wissenschaftlichen Vorträge.
Relchardt- Würzburg sprach Ueber umschriebene Defekte
bei Idioten und Normalen. Er schildert Gruppen Schwachsinniger,
welche durch die verschiedene Ausbildung des Vermögens zu lesen
und zu schreiben interessant sind. Neben einer ersten Gruppe, welche
nur mit „optischer Stütze“ schreiben, d. h. nur abschreiben und nicht
auf Diktat schreiben kann, gibt es eine zweite, welche wohl zu lesen,
aber nicht zu schreiben, und eine dritte, welche zu schreiben, aber
nicht zu lesen vermag. Vortr. erörtert diese Störungen genauer an
einer Anzahl von ihm beobachteter Fälle, um dann theoretische Be¬
trachtungen anzuschliessen. Er zieht den Vergleich mit aphasischen,
agraphischen, apraktischen Zuständen, indem er sich an die Aus¬
führungen R i e g e r s über die zerlegende und zusammenfassende
Tätigkeit unseres Gehirns (das „staccato“ und „legato“) anlehnt. Es
gibt offenbar partielle Defekte der synthetischen Funktionen, auch im
Bereich der Norm. R. weist im Anschluss hieran auf Aehnlichkeiten
in musikalischem Gebiet hin. Hinsichtlich der Abhängigkeit der
Fähigkeit zu lesen von der optischen Stütze, verweist er auf Aehn¬
lichkeiten auf anderen Gebieten. Es gibt z. B. hochmusikalische
Leute, welche nur nach Noten spielen können, selbst eigene Kom¬
positionen. Andererseits verweist R. auf die Dozenten, die, ohne zu
lesen, nicht sprechen können. Endlich erwähnt R. die interessanten
Erscheinungen des absoluten musikalischen Gehörs; im Vergleich mit
diesem sind die meisten Menschen „tonblind“. Zum Schluss werden
die grossen individuellen Differenzen auf motorischem Gebiet und die
hier bestehenden partiellen Defekte behandelt.
Specht- München: Zur Theorie der Ideenflucht.
Kritisches Referat über die letzten Arbeiten über die Theorie
der Ideenflucht, besonders die Abhandlung Liepmanns. Sp. sieht
das Wesen der Ideenflucht in einer elementaren Störung der „Ein¬
stellung“; sie ist letzten Endes eine Willensstörung.
K r ä p e 11 n - München: Ueber die Entartungsfrage.
Vortragender erörtert zunächst die Frage der Zunahme der
Geisteskrankheiten, die er durch verschiedene statistische Zusammen¬
stellungen nachweist. Er behandelt sodann als erste Ursachen der
Degeneration den Alkohol und die Syphilis, deren grosse Be¬
deutung für die psychische Morbidität er in graphischen. Darstellungen
aufzeigt. Kr. geht weiterhin auf die übrigen Ursachen der psychi¬
schen Entartung ein, von denen er als zweite Gruppe die mit der
sozialen Gebundenheit zusammenhängenden Schädigungen
bezeichnet. Der Verlust der Freiheit, die übergrosse Häufung der
Pflichten, die allgemeine Hetze, Unrast und Ueberarbeitung erzeugen
ein Heer von Krankheitserscheinungen, die nicht die Arbeit an* sich,
wohl aber das Missverhältnis zwischen Verpflichtung und Zulänglich-
keit des Einzelnen verschuldet. Es sind ganz bestimmte Krankheits¬
erscheinungen, die wir aus diesem Konflikt entspringen sehen; wir
finden entweder völlige Resignation, die pathologischen Aboulien, die
Kranken fangen gar nicht mit der Arbeit an; oder es kommt zu
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14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1513
verzweifelten Anstrengungen, die Kranken können nicht mehr auf¬
hören; die Phobien, die Erwartungsangst, die Zweifel- und Grübel-
sucht sind Erscheinungen, die diesem letzteren psychologischen
Mechanismus ihre Entstehung verdanken. All diese Leiden sind
Naturvölkern unbekannt, sie sind ein Charakteristikum unserer Ge¬
bildeten und wir sehen sie zum Teil aus ganz bestimmten Momen¬
ten in unserer Gesellschaftsordnung entstehen, wie wir ja auch die
traumatischen Neurosen unter unseren Augen werden sehen. Eine
weitere Reihe von Schädigungen fasst der Vortragende endlich unter
demTitel der „Domestikation" zusammen. Er versteht darunter die
mannigfachen Erscheinungen, die wir durch die Verkünstelung unse¬
rer Lebensbedingungen, die Verweichlichung, die Loslösung von der
Natur entspringen sehen. Bei Tieren finden wir unter solchen Be¬
dingungen deutliche Zeichen der Abnahme der Widerstandsfähigkeit
und ein Nachlassen der Fruchtbarkeit. Aehnlich steht es auch beim
Menschen, wie das Aussterben der städtischen Bevölkerung beweist.
Auch die Verkümmerung des städtischen Proletariats wegen Mangels
an Licht, Luft und Bewegungsfreiheit ist hier zu nennen, ferner die
einseitige Züchtung geistiger Eigenschaften und der Mangel an Wil¬
lensbildung. Die gemeinsame Wirkung all dieser Faktoren ist das
Verkümmern der Triebe. Der gesunde Egoismus, der Trieb zur
Selbsterhaltung schwindet, Selbstaufopferung, ja Selbstvernichtung
— der Selbstmord — ist an der Tagesordnung. Die Ueppigkeit der
Lebensbedingungen stört die Regulation der elementarsten Bedürf¬
nisse, die sonst ganz mechanisch erfolgt. Wirklicher Hunger ist
eine uns fast unbekannte Erscheinung, wir bedürfen aller möglichen
Appetitreizungen, ähnlich steht es mit dem Schlaf, der Trieb zur
Arterhaltung nimmt dauernd ab, ebenso wie die geschlechtlichen
Perversitäten dauernd zunehmen. So können wir also nicht ver¬
kennen, dass im Kulturleben Schädigungen liegen, welche zur De¬
generation führen. Wir sollen aber auch nicht übersehen, dass es
Gegenströmungen gibt, auffrischende Faktoren, welche eine Re¬
generation bedingen. Es fragt sich nur, welche Reihe überwiegt.
Diese Frage ist für uns ungemein wichtig, sie muss auch unser
Handeln beeinflussen. Vortr. schlägt die Einleitung genauerer Unter¬
suchungen vor, die in abgeschlossenen Bezirken des Deutschen
Reiches von Reichs wegen eingeleitet und'Jahrzehnte hindurch fort¬
gesetzt werden müssten. Sie würden dann die Frage der Entschei¬
dung näher bringen, ob die degenerierenden oder regenerierenden
Kräfte in unserer Kultur die Oberhand behalten.
J a m I n - Erlangen demonstriert einige Fälle zu der Frage der
traumatischen Neurosen.
Weygandt -Würzburg: Organische und funktionelle Sym¬
ptome nach Schädelverletzung.
W. schliesst seine Ausführungen an den Bericht über die Nach¬
untersuchung des bekannten Falles von Hirnverletzung, den R i e -
ger 1889 beschrieben hat. Damals waren mannigfache sehr schwere
Störungen konstatiert worden, die auf organische Veränderungen be¬
zogen wmrden, und eine sehr schlechte Prognose auf Erblindung,
Irrsinn und Tod war gestellt worden. Als W. den Kranken wieder¬
sah. war von all den schweren Erscheinungen, die der Patient dar¬
geboten hatte, fast nichts mehr wahrzunehmen. Was er von Krank¬
heitszeichen zeigte, war fast durchweg offensichtlich funktionell und
psychogen und offenbar mit der hohen Rente, die er bezog, in
suggestivem Zusammenhang stehend. W. schliesst an die Schil¬
derung dieses Falles die Mahnung, bei der Untersuchung von Stö¬
rungen nach Schädelverletzungen vorsichtig zu sein in der Be¬
ziehung der einzelnen Ausfallssymptome auf lokalisierte Herde.
Man müsste auch an die Allgemeinsymptome denken, an die all¬
gemeine funktionelle Hemmung, die sich an schwere Traumata an-
schliesse.
Sp e c h t - Erlangen: Ueber die klinische Stellung der Paranoia.
Sp. beginnt mit einem Hinweis auf die Entwicklung der klini¬
schen Stellung der Paranoda im Sinne Kraepelins, ihre Abgren¬
zung nach der Dementia praecox und dem manisch-depressiven
Irresein. Zu ihrem Typ erhob Kraepelin die Fälle des Querulanten¬
wahnsinns. Aber gerade diese zeigten eindringlich, dass eine solche
Absonderung der Paranoia auf die Dauer nicht haltbar sei. Sehe
man sich die Querulanten genauer an, so werde man alle wichtigen
Zeichen chronisch manischer Zustände nicht vermissen; man solle
daher nicht von einer Querulantenparanoia sprechen, sondern von
einer Querulantenmanie. Sei aber der Typus der Paranoia als
Manie erkannt, so falle es auch nicht schwer, die übrigen „Paranoia“-
iälle zu rubrizieren. Auch sie erweisen sich als Fälle des manisch¬
melancholischen Irreseins. Sp. bemüht sich besonders, die Bedeu¬
tung der melancholischen Komponente für die Gestaltung des para¬
noiden Gepräges der Bilder hervorzuheben. Es sind Mischzustände
mit depressivem Einschlag, welche die Verfolgungswahnvorstellungen
ausbilden, und oft kann man das periodische Auftreten von'paranoiden
Schüben als angedeutete depressive Phasen erklären. Vortr. schliesst
mit der Zurückweisung jener Vorwürfe, welche behaupten, dass durch
die Erweiterung der Rubrik des manisch-depressiven Irreseins eine
Verflachung der Auffassung eintrete. Eine Vertiefung vielmehr der
Betrachtungsweise sei der Erfolg. Vortr. verwaist zur Unter¬
stützung dieser Behauptung auf das Beispiel der Nachbardisziplin
der Neurologie, die ähnliche Entwicklungsstadien durchlaufen habe.
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Es folgt dann noch der Vortrag von Ritterhaus-Erlangen:
Ueber psychologische Tatbestandsdiagnostik. Die übrigen Vorträge
müssen der vorgerückten Zeit wegen ausfallen. Die nächste Ver¬
sammlung wird Pfingsten 1909 in München tagen.
Isserlin.
Berliner medizinische Gesellschaft
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 8. Juli 1908.
Herr Senator hält einen Nachruf auf Liebreich.
Herr J. Citron: Versuche, die das Fettspattungsver-
mögen luetischer Sera betreffen.
Vortr. prüfte das fettspaltende Vermögen von Luesseris,
die positive Wassermann sehe Reaktion gaben. Es zeigte
sich, dass fast in allen Fällen ein hohes Fettspaltungsvermögen
der positiven Wassermann sehen Reaktion parallel geht.
Diskussion über die Demonstration des Herrn
G. v. Bergmann: Zur Briegersehen Karzinomreaktion,
über die Vorträge der Herren Sticker, Hofbauer und
Falk: Ueber Beeinflussung und Behandlung der bösartigen
Geschwülste etc.
Herr B r i e g e r wendet sich gegen die Verwendung der F u 1 d -
sehen Methode. Mit seiner Methode hat er von 100 Fällen nur
4 mal fehlende Hemmung gefunden. Bei der Benützung von art¬
fremden Serum zur Krebsbehandlung handelt es sich nicht um Anti¬
fermente, sondern um lytische Stoffe, dieselben, welche die Ana¬
phylaxie bedingen.
Herr Edel geht auf seine vor 5 Jahren vertretene Krebstheorie
ein und sieht in den neuen Befunden eine Bestätigung seiner An¬
schauungen. Speziell wird jetzt, wie er vorgeschlagen, Blut der
gleichen Spezies Krebskranken eingespritzt.
Herr P i n k u s hat mit Trypsininjektionen bei Krebskranken voll¬
kommen negative Resultate erzielt.
Herr Orth protestiert, als Zeuge angerufen zu werden, dass
bösartige Geschwülste zur Heilung kommen.
Herr Lazarus: Die Operation stellt die souveräne Methode
der Krebsbehandlung vor.
Herr F u J d verweist auf die Fermentuntersuchungen von
Ascher.
Herr L i e p m a n n berichtet über seine zytolvtischen Versuche
bei Krebs, die negativen Erfolg gehabt haben. Auch Versuche mit
fermentreichem Plazentarsaft führten zu keinem Erfolge.
Herr Uhlenhuth berichtet über Versuche mit Atoxvl bei
krebsinfizierten Mäusen. Durch Atoxylbehand|ung wird das Haften
des übertragenen Tumors nicht verhindert. Die Tumoren wuchsen
stets schneller als bei Kontrollieren. Auch Vorbehandlung mit he-
terologem Serum ergaben die gleichen Resultate.
Herr Bier: Eine günstige Beeinflussung der Karzinomfälle durch
die Behandlung sei unzweifelhaft, ja er habe bei einem Mamma¬
karzinomrezidiv eine Rückbildung gesehen, wie nie zuvor. Ob die
Hundesarkome den menschlichen Tumoren vergleichbar seien, stehe
noch dahin; von Heilung von Karzinom habe keiner der Vortragenden
überhaupt gesprochen, nur von Beeinflussung.
Herr Hofbauer (Schlusswort): Die Differenz der Uhlen¬
huth sehen Resultate bei Mäusetumoren zeige eben, dass zwischen
Mensch und Tier Differenzen bestehen.
Herr C. Posner: Die Verwendbarkeit der Dunkelfeldbeleuch¬
tung für die klinische Mikroskopie.
Vortr. zeigt in einer Reihe von Projektionsbildern ausserordent¬
lich interessante Befunde, die mit der Dunkelfeldbeleuchtungsmethode
gewonnen sind. Die Demonstrationen erstrecken sich auf urologische
Untersuchungsobjekte. Er demonstriert erst verschiedene Sedimente
bei Dunkelfeldbeleuchtung. Leukozyten und Epithelien lassen sich
unterscheiden, auch Farbendifferenzen treten hervor. Speziell sind
die Kernfiguren und Granula im lebenden Zustand der Zelle gut zu
erkennen. Vortr. glaubt, dass die Untersuchung bei Dunkelfeldbe¬
leuchtung sich einen Platz neben den anderen Untersuchungsmethoden
erobern wird. Wolff-Eisner.
Verein für innere Medizin zu Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 6. Juli 1908.
Herr v. Leyden hält einen Nachruf auf Liebreich.
Demonstration:
Herr Reicher: Ueber einige ultramikroskopische Beob¬
achtungen.
Vortr. nimmt auf den Vortrag von Pick und P i n k u s (s. No. 23,
S. 1262) Bezug.
Auch nach der Narkose kommt es im Blute zur Ansammlung von
Lipoiden und Cholestearinesthern; ob es zu Xanthombildung
kommt, ist bisher nicht bekannt. Da es gelungen war durch Chole-
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1514
MIJENCHENER MEDIZINISCHE \\ ()CMENSCMRIET.
Nn. J
Stearin /Kaninchen gegen das Lezithin des Kobragiftes und dessen
anäniisierende Wirkung zu schützen, wurde Cholestearin in öliger
Emulsion bei perniziöser Anämie angewendet und zum Teil ein Er¬
folg erzielt. Er demonstriert bei Dunkclfcklbcleuchtung 2 Präparate:
Blut vor und nach der Narkose. Vor der Narkose sind normaler¬
weise nur einzelne Ultrateilchen vorhanden; nach der Narkose sehr
zahlreiche. Es handelt sich um Eetteilchen. Sie finden sieh aiieh bei
Diabetikern und nach Eettmahlzeiten, nach denen sie jedoch wieder
verschwänden. Das dauernde Vorhandensein be/eiclmete man i
schon früher als Lipümie. Beim Basedow verbrennt das l ett :
schneller als normal und erklärt dies vielleicht das (ietnlil innerer j
Hitze. Es lassen sich bei diesen Beobachtungen Uebergange zw i- j
sehen normalem und pathologischem Gehalt des Blutes an ultra- ,
mikroskopischen Eetteilchen auffinden. I
Herr Klebs: Blindschleichentuberkelbazilien und Ihre An wen- j
düng bei der Behandlung menschlicher und Warmblütertuberkulose. ;
Redner hat nach dem Möller scheu Selbstversuch mit B I i n d- .
schleiche ntubcrkcl ha zillen derartige Versuche auige- j
nommen und hat bei Meerschw einchen und Kaninchen günstigen \ er- j
lauf der Tuberkulose beobachtet. Er stellt auch ein Kind vor, das
Drüsenschwellungen und Eieber aufgewiesen hatte und unter (> In- |
jektionen von Blindschleichentuberkelbazillen aufgehlnht ist. Der j
Blindschlcichenbazillus als kräftigere Urform besiegt den dir'eren- i
zierten menschlichen Tuberkelbazillus, wo er mit ihm zusammentrint. j
Tagesordnung: i
Herr Bauer a. OL: Ueber alimentäre Oialaktosurle bei
Ikterus. j
Vortr. hat bei Leberzirrhose eine auffallende In- ;
toleranz gegen Galaktose beobachtet. Hei 4(» g Galaktose- j
darreichung scheiden die meisten Menschen schon etwas (
Zucker aus, die Lebcrzirrhotiker schon bei 20 g. Eälle von ,
Icterus Simplex zeigen ebenfalls eine gesteigerte Galak- j
tosuric, die am höchsten ist, wenn die Acholie des Stuhles zu |
schwinden beginnt. Die Intoleranz gegen Galaktose bleibt noch !
lange Zeit, wenn auch in vermindertem Masse, nach scheinbar
vollkommenem Ueberstehen der Krankheit zurück. Hei Cliole-
lithiasis wird eine Intoleranz gegen Galaktose nicht beobachtet.
Die Versuche lassen keine andere Deutung zu, als dass bei den
betreffenden Kranken eine Schädigung der Leber eint ritt: wahr¬
scheinlich handelt es sich beim Icterus simplex also n i c h t um
einen einfachen mechanischen Verschluss durch Schwellung
der Duodcnalschlcimhaut.
Diskussion des Vortrages von Herrn Zuclzer:
Neuere Untersuchungen über den experimentellen Diabetes.
Herr Magnus-Lev y gibt Ratschläge, w ie die Präparate (aus
Pankreas) dauerhaft gemacht werden können.
Herr Ehr m a n n hat sich mit dem Einfluss der inneren Se¬
kretion auf das Nervensystem beschäftigt (Neurochemismus). Nach
Muskarininjektion wird die (ilykosurie nach Adrcnafminiektion ver¬
hindert; neuerdings sind noch andere Stoffe mit gleicher Wirkung
gefunden worden. Die Inhibierung einer Adrenalinglx kosurie iM also
kein Beweis für die Isolierung wirksamer Stoffe aus dem Pankreas.
Herr Zuclzer (Schlusswort): Mit A I e x a u d e r untersuchte er
das Pankreasvenenblut hinsichtlich eines inneren Sekretes. Das Pan-
kreasvynenblut zeigte keine Wirkung auf die emikleierte belichtete
Eroschpuoilk. noch auf den Vagus, noch auf den Blutdruck. I
Die Infusion von Blut aus der Vena nancreatica m die Bliitbalm j
' on pankreasdiabetischen Hunden war fast stets wirkungslos. Manch- '
rnal allerdings schwand der Zucker aus dem Urin, was aber auch '
snontan bei pankreasexstirpierten Hunden eiingeinale in einzelnen '
Urinportionen beobachtet wurde. !
Die Vorschläge von Magn us-I.ev v haben sich sclmn als
nicht erfolgreich erwiesen, da er natürlich diese Versuche sclmn an- '
gestellt habe. Die Adremdinglyknsurie habe den Vorzug, dass sie
eine Titrierung der benützten Pankreaspräparate, wenigstens an- 1
nähernd, in Bezug auf ihre Wirksamkeit gestatte.
\V o I f t - E i s n e r.
Aus Ärztlichen Standesvereinen.
36. Deutscher Aerztetag j
zu Danzig vom 26.-27. Juni 1908. 1
(Eigener Bericht.)
(Schluss.) ;
Nach der Mittagspause wird in die Beratung der Schularzttrage
eiiigetreteri. zu welcher folgende Leitsätze des Referenten Gast- !
p a r - Stuttgart vorhegen: |
L Es erscheint wünschenswert, dass überall dort, wo die Ver¬
hältnisse es zulassen, also namentlich in den grossen Städten, den '
vollamtlich allgestellten Schulärzten der Vorzug gegeben wird. I
2. Line Verbindung von Schularzt- und Be/irksar/tstellen ist
nur ^dässig. wonn . dum Inhaber einer solchen • Stelle die Privat- i
Praxis untersagt ist.
d. Ist aus irgend einem Grunde die Durvbl.hr iüü§ des unter 1.
und 2. be/eiclmeten Modus, \u\';e r als >!i r idt.de . T e 1 \\ e* dt
muss, undiirv limbf bar. so sind Pr i\atadZtc tu den r‘mcr Praxis r. t
tler Ausübung der >chular/ttaligke it /u Iw I* aiu n. .d er nur üe ’i.
wenn vertragsmäßig testgelegt wird, dass t:n iDi'g'dt m . c
Prixatpraxis tler Kolitgen nullt statt’, n.dt n kann.
4 . Im allgemeinen hangt die I eistung aal »It m GDuti dm
Schulln giene nullt X'»m s, hmar/ts\su m. s-mdirn dt r IVrs v ! » •„ t
tles >chiiiar/tcs sowie \om Ausbau dt r tur das k-#|w r lu he W ’ e-
finileii der bwhuikindcr get r orte iu n Massiiahmiu aU
G a s t p a r - Mutig.irt erläuterte die ltits.it/i dt s nDurtu aus.
gehend \ on tler /mulmumit n I mbut ger uug und \ ns.w Dsung »It r
vhul.ir/thDicil Eiligkeit. Ict'tmc imäusst die lü gutaD tm g *
Sc h lügt ball de und tles >v hu; bt f r ie Iw s, die l i’!t"siu img und l t ‘ e * *
waehung tler Minder nn»l die m.u bring »Im * ft r t u.'wü W • f -
fahr tsemr u htungeri tur die tr.der r I utw'Mi.« m t 'XHa"-
stallen. W aldsv huletl. I or dt rs v hult n usu I. s.wu d.c Imdmimg »!m
< iesuritlheitsptlege. /. B. tlurvli \*<rtr.igi.
Zu unter St heulen ist der Mbu.a’/t im \ - Dm t '!■ d"tr niu m
.Mannheim) \ «m dem pi atar/lu ht n Mbuar/t im Nt ••f am! W as
die Motm'ierung betntt:. s-- ist kt uu s d-.r bt : 'mi >\stt”e b ge'
als i!as a »ule re. Bei dem M fiii’ar/t tui V beamt w ' ► t de Pnxn!
inaxis sitlu r anregend, s e muss v,D) aber in gi xx ißt n <i'm.'t”
halten, ilannt keine l cberiaMung dt s V/ks n> I kt nie MD- 1 mm ^
der Mhnlc entsttht. Der Mhular/t nn \ ••.'amt tu Jet s\(i w u tu s
mit tler Mhreibar beit leuhter ab. Dmc »lass er e"i P.-.meaek'at ; i,
werden braut ht, aiiv.lt tlas v./ialc \ ers'.mdms ist D i it m ken g« .
rmgeres. In u dt m I ali ermrdmt die sjn!,,i* 7 tidif I mD-mt g-- -s%- s
W issen und Ir fahr urig mul ein gt \\ ißt s I m.rD ’ti n. De l Mm-
sut Innig der Minder ist in u dt in laii g't uh rv. :i;s.nn. »de l mm*
w.uhung tle’si Iben ist in k'imi'cii tu )w j^m: u bt n Bi/'Dm \% t . t
tles häufigen W tu hseis der >thu\r w t nige r it \ "t lbt \ t' • g
tler ar/tiuhen B t Ir a n d I u n g ist f ifu r % .tu s v »-.\v^'ige >.»De.
aber I elurgrine in die Praxis dir k-du gt n s.m{ u dt * Zt | zu X '-
meiden, the K'iibungeti fade« ums.,*r.t h>r b ’t. u‘ f u ’ r »! e s w
ar/tiuhe latigkeit ausgt baut wob Ibi dir Nut/b.r •v.is b ;mg d- '
W o) 1 11 ,1 1 1 r t s e 111 r u 1 1 f 111 ’ g t n ist es r:u ht bubt, a’ts /w i 1 rVei, d .
Rechte anderer Bt lm-r den n i v fit / :r sfe.n in ! dtii \e f huü dm
persoidu hefi Mreberei /u xernuul-n dt *t s Xt-'a-gf die >!*.
hing nn \"l!amt, um iurrudigtnd zu si im und diu \ t ’ bist dir Pm> s
und der K r ankt nlu haiullung .iiis/ii.m »v I t n. unt lieb t m der lü -
wegung mul tu ih r w ism ns , 1 -..ut i Ja n Ib s ir g. I s «vt h V--\: s
nullt rimgiuli eines der bt idt i >\ -sn me /u unuiltii. u 'u
seine \"f/uge. aber aiuh stme ! a’!t riSyitt tt
Es lugen bdgttnlc Vntuige x<-r:
a) l owenstein und M u g d a n ■ \n Midi vier I t .ts.-f e ,
best lihessen: Du frage, «d* >v!:t;.a:/t i in ftaufae,: <d,tr i::i Ni'v-
amt, ist zur/eit n«*th nullt enudm Jet»; sie ist a* ' .e gg \ *-r d. :
gelo.rtl.er teil \r beitsie■istung. smuic x < u; dsatn und ptr*».: .Dun \t - -
haltnjssen.
b) M a n / e I - I Iber It Id I t a?it r a n.it nüNfidu n 'in Vl.o.b-
runeeii des lextes in dt u Ltits.,t/vri ur:..:t kt Vt an t^xr e
the I *r ix atar/te im St ''iii.uiit as !;u..i»'|;ie /u ert.pfi ‘ t«
e) K o r m a n n - I eip/ig beatüi.ivt d;e M’t ivbung dt r W . '»t
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tl) R e m b o | d - W ahlsee bt an’ragt ^tnulumg du s I t ts.tf/es 2
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Lharlotteiiburg haben sich die 1) Mhubo/ti nn VÜtn.if t X'dst.o-d.g
bewalnt. >ie h.ibtri ie ui. D"o SDm.m uni v »li . t f .i"u n. ur-!t r -
Mit Iren the Mliulrekruten. k < • n t r»> ’u »tu du e, besiu m u /t t-
x\ eise den \ älter r ulit. halten nn-natuh ei"e >p f t, bs!-.m It. trt'Un 4%
Auswahl iur die I t r ienk< .buiu u usw . Du s »i n. a ■' » t bt
bereitwillig die I ihrer k am n aus dir \t */*-s v ' m” u gi 'n n;m :
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Behaiullung. Die k "fitnnut :t d- i he 1 ac It dt ! f’ubt. »!a f%:
einer ex ent. lüisvliiiiung tler Otsunddu dsb-u« n dt s •• de's de-,
t tagen w ird. Sri tler liegen gti.bn Jdmi Pu ' a - ‘uug tM d t
Iiuloltn/ tler Eltern am meistt n s v dmu . -sst v» h d.iuh »' ..
Aufstellung und Mitarbeit \ *.n .'»' dsdnugf:: a‘ 1 t tt n. du »Dp eir-
zeliien Svhulern und I item iin I e'*u ’mu t: ;t dt »r s du .r/to
n.uhgeheii und die ar/tiuhe l’thau l'uug V* ‘/''.ism n Da.-. ..<•
kommt tler prakfisvhe Ar/t ahy 1 *’ \u ! n t br a s d t - x ■
>v huhir/t in I »t i uhr ung tut <!t m \"'U h-nt t t r im 4 lD"t r
besser kennen. Aiuh \-mi w >■ r v 4 bat* Du. n v t.m • s ; -- ! dut :••• •-
impeiisier tt ri ^vhu!.ir/te nu bf /u vi' n. r - \ D< k . ^ - ” mt ;•<
I.innalime von b" MI 1 *• 'H M rtnbt t-w ,■ u'd. ^u' / mu.u k
eignen su h aller »!iugs w t mger. D< r 1 , >*/: m A • .e n *• D ’
sn befr rvdigt sein. Die Ir. meu-sD - •• f •.<.<•' s • d t ,. , ' t \ ‘
Dntci siu Illingen sind s^bb sv'D’ d .. D' • • •• .g. l'.-s >x stt -
der nebeiiamtu lu n b» !m ' ' t - - hu* ^D: u Do d *! D- b ••
vnll.imtiu hen ist es m-Dr nu bt dt - ! a- Es <>’••• • s .,
I. eits.it/ 4 an/tm iuru u.
I o w e n s t e i ri - 1 ! t r f.. ' • \ uD m f ‘ r
Sehul.ir/te im NDunimt s t =t I. I: r t n zur a >. : .. !'■■, . •_ g- _
ohne k'o!lisi - - n. Es ist u null x - - u b t t V r/ ‘w a'"’ ” g u '>%.■> • ■ :• ”
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14. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1515
aber doch viele (18) Aerzte Verwendung Wir sollen uns auf kein
System festlegen, das Wünschenswerte sind Schulärzte im Nebenamt.
S c h u 1 1 e - Köln: Jeder tritt für das System ein, das sich in
seiner Heimat bewährt hat, ich bin für die Schulärzte im Nebenamt.
Viel schlimmer als die bei diesen besprochene Schreibfaulheit ist eine
Schreibmanie. Den kleineren Schularztbezirken ist der Vorzug vor
den grossen zu geben, auch bei den vollamtlichen Schulärzten sind
Lebergriffe in die Privatpraxis nicht ausgeschlossen. Da wir kein
bestimmtes System fordern wollen, fallen die Leitsätze 1—3 am
besten ganz fort.
M a n z e 1 - Elberfeld spricht entschieden für das System der
Schulärzte im Nebenamt; es soll kein Monopol geschaffen, sondern
die Mehrheit der Aerzte, welche mitarbeiten will, zur Mitarbeit zu-
gelassen werden.
Peyser -Berlin hält es wünschenswert, die eigentlich schul¬
ärztliche Tätigkeit von der wissenschaftlichen Verarbeitung des
Materials zu trennen. Letztere, die wissenschaftlichen Schulhygieniker,
würden dann sozusagen Schulärzte im Hauptamt werden.
Reich- Breslau spricht sich für Streichung des Leitsatzes 1 aus.
Landsberg -Posen ist für die Schulärzte im Nebenamte, die
sich auch in Posen bewährt haben. Es ist nicht würdig, so viel
von angeblichen Uebergriffen in die Privatpraxis zu sprechen.^
K o r m a n n - Leipzig: Wir können die Juristen um ihr Selbst¬
bewusstsein beneiden. Wir unterschätzen unsere Befähigung zur
hygienischen und schulärztlichen Tätigkeit, und doch werden sich
überall geeignete Aerzte finden. Am besten bewähren sich vielleicht
Schulärzte im Nebenamt unter der einheitlichen Leitung eines Stadt¬
arztes.
Ein Schlussantrag wird auf Einspruch Königshöfers ab¬
gelehnt.
S t e p h a n i - Mannheim: Ich bin 3VL» Jahre als Schularzt im
Hauptamt tätig und habe manches mit der Schulbehörde durchzu¬
fechten gehabt. Ich habe weder den Konnex mit dem sozialen
„Milieu“ noch den Konnex mit der Praxis verloren, ich komme mit
den Eltern selbst viel in Berührung und finde Gelegenheit, ihnen die
Fürsorge für ihre Kinder ans Herz zu legen. Ich bin völlig befriedigt
von meiner Stellung, w r eil sie viele grosse Probleme bietet. Ich habe
Sitz und Stimme in der Schulkommission, wie sie im Nebenamt nicht
gewährt wird. Wenn es heisst, die Schulärzte im Nebenamt haben
sich bewährt, so will ich das nicht angreifen, aber es gibt doch Orte,
wo die Behörden sich gegenteilig äussern.
S t e r n f e 1 d - München ist ein Freund der Schulärzte im Voll¬
amt und des Leitsatzes 1. Der ärztliche Bezirksverein München
teilte einstimmig seine Ansicht, obwohl in München die Schulärzte
im Nebenamt wirken. Der Leitsatz 1 spricht ja nur einen Wunsch
aus. wo die Verhältnisse es zulassen, wogegen niemand etwas ein¬
wenden könne. 50 Zitate aus Tagesblättern, medizinischen und schul¬
hygienischen Schriften liegen vor, wonach die Schulärzte im Neben¬
amt, sich nicht bewähren. Wo der Schularzt im Hauptamt wirkt,
kann keine Schädigung der Privatpraxis eintreten, bei den im Neben¬
amt wirkenden lässt sie sich nicht vermeiden.
C o h n - Frankfurt a. M.: In Frankfurt wirken seit 10 Jahren
20 Schulärzte im Nebenamt zur vollsten Zufriedenheit; der ärztliche
Verein hat auch für die höheren Schulen die Anstellung von Schul¬
ärzten angeregt.
Nunmehr wird ein Schlussantrag angenommen.
Der Antrag Löwenstein-Mugdan wird angenommen,
ebenso der Leitsatz 4. Damit entfallen alle anderen Leitsätze
und Anträge.
V. Bericht der Lebensversicherungskommission über die Rege¬
lung der zwischen dem deutschen Aerztevereinsbund und dem Ver¬
band deutscher Lebensversicherungsgesellschaften bestehenden Ver¬
einbarungen.
Anträge des Geschäftsausschusses:
1. Der Aerztetag wolle beschliessen, einer Staffelung der
Honorare, und zwar sowohl für vertrauensärztliche als auch für
hausärztliche Zeugnisse nach der vom Verbände der deutschen
Lebensversicherungsgesellschaften vorgeschlagenen Staffelungsart
zuzustimmen (s. den Entwurf des Vertrages, abgedruckt in
No. 654 des ärztlichen Vereinsblattes).
2. Der Aerztetag wolle dem Geschäftsausschuss Indemnität er¬
teilen wegen der nicht erfolgten Kündigung der zwischen dem
Deutschen Aerztevereinsbund und dem Lebensversicherungsverbande
zurzeit noch bestehenden bisherigen Vereinbarungen.
3. Für den Fall der Annahme von 1:
Der Aerztetag wolle dem Entwürfe eines neuen Vertrages mit
dem Lebensversicherungsverbande in der aus Beilage B (Aerztliches
Vereinsblatt No. 654) ersichtlichen Fassung mit folgenden, dem Ver¬
bände vorzuschlagenden Abänderungen, seine Zustimmung erteilen.
Zu § 1, Abs. 3 möge zwischen den Worten „auf“ und „Ver¬
anlassung“ eingesetzt werden „schriftliche“.
In § 2, Abs. 1 möge es heissen statt nach der Untersuchung „im
Anschluss an die Üntersuchung“.
In § 3 soll bei den Worten „und für das kurze Zeugnis 5 M.“
hiazugeiügt, werden, dass das Formular für das kurze Zeugnis, (wie
es ht\ sogen. Volks- und kleinen Versicherungen in Anwendung ge¬
langt), nicht mehr Fragen enthalten darf, als in Anlage B II von der
gemeinsamen Kommission festgesetzt ist .
K r a f t - Görbersdorf als Referent: In Münster waren Wir der
Meinung, die Lebensversicherungen seien reich genug, um für das
hausärztliche Attest 10, für das vertrauensärztliche Attest 15 M. zu
bezahlen, und wir glaubten, sie würden auch unseren Wünschen ent-
gegenkommen. Zur gleichen Zeit tagten die Lebensversicherungs¬
gesellschaften in Düsesldorf und dachten, wir Aerzte wollten nur
ein vereinfachtes Formular und dafür die bisherigen Hono¬
rarsätze erhalten, während wir eine Vereinfachung des Formulars
und Erhöhung der Honorare wollten. Unter den Aerzten waren
zwei Tendenzen. Diejenigen der grossen Städte wünschten eine er¬
höhte Bezahlung für das hausärztliche, diejenigen der kleinen Städte
eine solche für das vertrauensärztliche Zeugnis, und schliesslich er¬
gab sich die Erhöhung für beide. Die Besprechung mit den Ver¬
sicherungsgesellschaften war fruchtlos; nun wäre der Fall der Kündi¬
gung gegeben gewesen, aber um den Bruch zu vermeiden, haben
wir weitere unverbindliche Verhandlungen geführt. Nun ergab sich,
dass es leistungsfähige und weniger leistungsfähige Gesellschaften
gibt. Sollten wir letzteren entgegenkommen? Es will aber keine
Gesellschaft als weniger leistungsfähig klassifiziert werden. Da trat
man an die Staffelung nach der Versicherungssumme heran, da der
eigentlich Bezahlende doch der Versicherungsnehmende ist; der
Durchschnitt der Versicherungssummen ist 4400—4500 M. Wir sind
nach wie vor der Meinung, dass die Gesellschaften die Honorar¬
erhöhung sehr wohl ertragen können; die grossen Gesellschaften
zahlen ja zusammen ca. 2 Millionen Mark an Tantiemen, ebenso sind
ja die Reinerträgnisse der Gesellschaften zum Teil ganz glänzend.
Warum sind wir doch zu dem Mittelweg bereit? Da fragten wir,
brauchen die Gesellschaften unsere Leistung? Die amerikanischen
Gesellschaften verzichten seit Jahren auf ärztliche Atteste, nach der
Statistik reicht der Schutz durch die Atteste nur etwa auf 5 Jahre,
später gleicht sich der Unterschied ganz aus. Die Gesellschaften
sichern sich durch eine genauere Anamnese, für deren Richtigkeit
der Versicherungsnehmer einstehen muss. Ein Teil der Bevölkerung,
zumal der weiblichen, würde sich bei Wegfall der ärztlichen Unter¬
suchung in wesentlich grösserem Umfang versichern lassen. Daher
haben wir doch Bedenken, ob die Aerzte bei einem vertraglosen Zu¬
stand auf jährlich 2— 2Vs Millionen Mark verzichten können und sollen.
Bei der vorgeschlagenen Staffelung ist der Gewinn für uns noch
immer recht beträchtlich, im ganzen etwa 20 Proz. der bisherigen
Einnahme. Die Verantwortung, nur aus Prinzipienreiterei auf dem
früheren Beschluss zu beharren, wäre zu gross. Die Gesellschaften
könnten auf die ärztliche Untersuchung verzichten oder zur Anstel¬
lung von Distriktsärzten mit 10—15 000 M. und mehr Gehalt über¬
gehen; wer möchte einem Familienvater diese sehr anständige Stel¬
lung verbieten und damit zweifelhaften Elementen zu fetten Pfrün¬
den verhelfen? Wir hätten Ihnen gern 1 100 000 M. Mehreinnahme
verschafft, nehmen Sie vorlieb mit 400 000.
S c h ü c k - Berlin: Das Verhalten des Geschäftsausschusses hat
unser Kopfschütteln erregt. Wir hatten die Staffelung auch ganz
anders aufgefasst, als Kraft sie darstellt, es wäre noch angegangen,
nach der Grösse und finanziellen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft
zu staffeln, so aber nach der Versicherungssumme bei gleicher ärzt¬
licher Leistung zu staffeln, bedeutet eine Provision, welche unwürdig
unseres Standes ist. Was das amerikanische System betrifft, so sind
die amerikanischen Gesellschaften nicht so sicher und verlangen
von den Antragstellern eidliche Angaben. Diese geben die Antrag¬
steller bei uns nicht. Kraft hat auch vergessen auf die hohen
Agentenprovisionen und die gute Geschäftskonjunktur hinzuweisen.
L ö w e n s t e i n - Elberfeld: Ich habe 1907 die Anträge auf 10
und 15 M. gestellt, wurde in die Kommission vorgeschlagen, aber
nicht gewählt. Wenn die Gesellschaften das amerikanische System
einführen wollten, würden wir sie nicht hindern können. Unsere
Forderungen sind nicht masslos. Trotzdem beantrage ich die In¬
demnität für den Geschäftsausschuss und auch die Annahme des
Staffeltarifs. Denn die Hauptsache ist die Einigkeit der Aerzte, wie
sie beim Tarifvertrag sich gezeigt hat. Im Rheinland ist die Organi¬
sation wohl stark genug, um unsere Forderung durchzusetzen, wo
anders ist das vielleicht weniger der Fall.
D r e i b h o 1 z - Wilsnack: Es ist zu verwundern, wie man nach
der Einmütigkeit und frischen Kampfstimmung des vorigen Jahres
nun so die Segel streichen kann. Bleiben Sie fest und einig bei Ihren
Beschlüssen! Die Gründe sind im vorigen Jahr genügend besprochen.
Von der Staffelung hat das Gros der Aerzte keinen Vorteil, denn
Anträge über 5000 M. sind sehr selten. Vorteil haben die Vertrauens¬
ärzte der grossen Städte. Wenn die Gesellschaften so schwach sind,
dass sie diese Honorarerhöhung nicht leisten können, sollen sie ver¬
schwinden. Mir kommt es nicht auf die Beträge an, aber Verträge,
die an und unter die Minimaltaxe gehen, sind unwürdig. Eines der
Schreiben der Gesellschaften an den Aerztevereinsbund hat mich
durch seinen Ton mit Zorn und Entrüstung erfüllt. Die jetzigen Sätze
gelten seit 1874. Seitdem ist der Geldwert gesunken und sind doch
auch die Beamten der Gesellschaften aufgebessert worden. Wenn
wir den Gesellschaftern nachgeben, können wir auch beL den Kran¬
kenkassen keine Forderungen erheben.
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1516
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N'n. ’S
Der Vorsitzende Loebker verliest mit bezug auf die Be¬
merkung des Redners das einzige in Betracht kommende Schreiben
des VeEsicherungsvcrbandes und verneint jeden beleidigenden Cha¬
rakter desselben, der Oeschäftsausschuss würde andernfalls nicht
weniger-empfindlich gewesen sein .
P f a 1 z - Düsseldorf: Die Kommission hat ihren Entschluss
schweren Herzens gefasst, weil der Erfolg nicht sicher ist. Es war
ein Fehler, die Honorarsätze im vorigen Jahre festzulegen. Die
Solidarität der deutschen Aerzte ist gewachsen, aber doch vielleicht
nicht überall genügend. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei einem
Bruch ein Teil der Vertrauensärzte doch weiterarbeitet, w ir Konnten
dann nicht so schroff sein, sie deshalb auszuschlicssen. Die Haupt¬
sache ist unsere Einigkeit.
M ü 11 e r - Zittau stellt den Antrag, die Anträge des (iescliafts-
ausschuses abzulehnen und die weiteren Verhandlungen dem Leip¬
ziger Verband zu übertragen.
Die Staffelung ist unannehmbar, weil ja jede Untersuchung die
gleiche Leistung darstellt, früher bestand schon eine Staffelung und
es wurde gerade die Vereinheitlichung hegriisst. Wenn das ameri¬
kanische System besser ist, führen es die (iesellschalten schon ein.
sie sind ja nicht verpflichtet die Untersuchungen vornehmen zu lassen.
Die bisherige Kommission ist nicht routiniert genug, an ihre Stelle
soll der L. V. treten.
M a r k i e 1 - Hamburg beantragt, die Summen für die Staffelung
auf 4999 M., 5000—19 999 abzuändern und die Dauer des Vertrags vor¬
läufig auf 3 Jahre festzusetzen.
Um 4 Uhr 40 Min. Nachmittags wird die Beratung vertagt.
Sitzung vom 27. J u u i, 9 U h r v o r in i 11 a g s.
Zu Beginn der Sitzung verliest der Vorsitzende einen tele¬
graphischen Oruss Oeheimrat W a 11 i c h s’, welcher den Arbeiten
des Aerztetages den besten Erfolg wünscht.
W i n k c 1 m a n n - Barmen: Auch ich gehöre zu den Mitschul¬
digen. Es ist nicht angenehm, um Indemnität zu bitten, weil mau einen
schlechten Auftrag nicht ausführen konnte. Der Ueschaftsausschuss
hatte schon vor der Aktion Bedenken und hat die Verhandlungen erst
auf Wunsch des Aerztetages unternommen. Die Aufgabe war zu
schwer. Ich scheue mich nicht vor einem fröhlichen Krieg, aber
hier sind wir machtlos, wir haben keinen (iegner. Der Kleinkampf
spielt im Sprechzimmer des Arztes. Nicht alle 3nnm Aerzte können
die Sache aushalten. Müllers Vorschlag ist unmöglich. \\ ir
können das Ansehen des L. V. nicht für diese Sache emsetzen. es
uüre das auch ein Misstrauen zur bisherigen Leitung (Zuruf: Nein').
Wir brauchen jetzt eine Zeitlang Frieden und Ruhe und Einigkeit.
Es sind ernste Zeiten. Zeigt sich doch eine Bewegung, die Amts¬
ärzte aus dem Aerztevereinsbund herauszunehmeu. Darum wollen
wir ohne Not keinen Zwist. Die in Betracht kommenden Summen
sind zu gering. Wir wollen keine Scharte in unsere scharfe Wafie
bekommen. Wir sind nicht stolz auf unser Kind. Sie brauchen auch
nicht stolz zu sein, es hat Schönheitsfehler, die sich vielleicht mit
der Zeit gut machen lassen, aber der Wurm ist da und muss erhalten
werden.
H e n i u s - Berlin: Die Beschlüsse der Kommission enttäuschen,
nachdem kraftvolle Männer im vorigen Jahr so feurig gesprochen
haben. Es ist zu verwundern, dass die Versicherungsgesellschaften
nur an das Formular gedacht haben sollen. W enn die kleinen (iesell-
schaften nicht auskommen, sollen sie wo anders sparen. Das ameri¬
kanische System ist nicht zu befürchten, die Distriktsärzte wurden
zu viel überlastet werden. Seien Sie einig in der Zurückweisung
dieser Anträge, das wird Eindruck machen!
M a n z e I - Elberfeld empfiehlt die Annahme der Anträge mit
Rücksicht auf die allgemeine Lage.
D a v i d s o h n - Berlin: ln Münster kannte man keine Furcht.
Die blasse Furcht hat aber alle diese Verhandlungen geleitet, sie ist
ein schlechter Vermittler. Kraft hat im vorigen Jahr die Ver¬
sammlung begeistert hingerissen, diesmal vertritt er mit geringer Be¬
geisterung eine schlechte Sache. Die vertragslose Zeit ist nicht so
schlimm. w r ir bekommen dann nur höhere Honorare. Die Staffelung
als solche verwerfe ich nicht, aber durch zu grosse Konnivenz ist
unser Prinzip verletzt. Wer wird künftig vor den Beschlüssen des
Aerztetages Respekt haben, wenn man sich über mit solcher Majori¬
tät gefasste Beschlüsse hinwegsetzt?
Müller-Hagen beantragt, den Vertrag nur auf 3 Jahre ab-
zuschliessen. Wenn die ersten Vorkämpfer für die Sache uns die
Anträge unterbreiten, müssen schwerwiegende (inindc vorliegen.
Das Prinzip des Staffeltarifs haben auch Juristen, Anw älte usw. Der
Antrag M ii I I e r - Zittau w äre ein Misstrauensvotum gegen den Oe-
schäftsausschuss. Im ganzen ist der (iegenstand zu minderwertig,
der Erfolg zu zweifelhaft.
K r a f t - (iörbersdorf: Wir haben nichts zu entschuldigen, wir
wollen Sie nur nicht in einen vertragslosen Zustand fuhren, der alle
möglichen Schwierigkeiten und für den einzelnen schwere Konflikte
bringt, wenn die Agenten kommen mit ihren Anerbietungen und die
dira necessitas des Lebens. Wir können die Stellen nicht sperren
und haben viele Kollegen, die durch die Verhältnisse bezwungen wer¬
den. Alles das wollen wir Ihnen ersparen. Der Vergleich mit den
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Krankenkassen trifft nicht zu. wir haben hier keine Kranken, dre !k-
handlung brauchen. Man Sehiagt den L. \. \<>r. Im < ies v h.i'tcms-
Schuss sind die Euhrer des L. \. Sie spielen via nur die I •lirer m ! M
aus. Die 2 Jon lim M. sind sicher, wir können sie gut branden.
Nehmen sie den Vertrag ais Zw isdienx ert» ag an L h stimme fpr dt n
Antrag M u I I e r - Hagen, m den 3 Jahren kennen sidi die k,einen
< iesellschaften emrie Ilten.
S. A I e x a n d e r - Berlin erklärt pers.-nliJi, dass der Btsd 'pss
der Kommission nicht einstimmig war und er selbst dagegen und !..r
die Kündigung gestimmt habe.
Nach einer < icschaftsor dnungsdvbatte wnd die g” umk.t{7h v 1
Erage der Staffelung des Ibunuars zui Abstimmung ge) rächt. und
zwar auf Antrag Koriigshoters durch Stimmzettel.
Wahrend der fur die l'eststeilung des Resultates tu tuen Zeit
werden die Beruhte der khmmusM-.iu n tuitgv genge ru-mme n.
VI. Bericht der Kommfosion für dat ärztliche Unterstützung«-
und Versicherungswesen.
Referent Das i vl s o h n - Bei im : Die Arbeit der Kummssi-n war
eine stille. Der allgemeine deutsche Baders erband hat die \m
gnnstigungen dahin erweitert, dass Angehörige vier Aer/tc Be -
freinng \on der Kurtaxe und .null ohne dessen g.euh/eitue An¬
wesenheit im Kurort erhalten, ferner dass «he Witwen und Waisen
von Aer/teii eine Er niassigung vier Kurtaxe und B ider preise e'-
halteii, wenn eine Bestätigung der Ik durpigkcit durch die Aer/te-
kamriier xmliegt. Die \ v r liami’imgeii mit dv n Behörden wegen d*. r
Statistischen f'eststefUwig der I aimheux er h.i'tmsse der Aer/tc. A *#§*
Witwen mul Waisen nehmen diten guten loftgang. sie werden d;e
tiruiullage lur lahre'an-ge Arbeiter! hekin. um zu einer W ,tw en- und
W arsenx ersiv lierung zu gv ’an. i ri.
Dem Antrag des Rvtereute u gemäss wird v!ie K • missi« n zu
we'teren Schritten rin l.mx er nehmen mit dem < icu f;.i!ts.mss, hi;\s
crimu htigt.
VII. Bericht über die Versfcherungskassc fur die Aerzte Deutsch¬
lands.
Referent M n il t e r - lkr !in beruhtet uber die weitere einstig;
Entwicklung vier Kasse niivl L h usst mit dem W misdie'. es rm-ge dv r
Aei zte\er emsbuiivl mul vier I e p/.ger \e'KinJ nadi «Ivin \ >r'-. .:e dis
Herausgeber koilegiiifns vie r M.i:•«. t.e ne r tr.i d / ScMe n W ■ -che 'ihV :t
eler Kasse albahrliche /.uxx e ndunge n machen
S t e i n b r u c k - Stolzenhagen ta«le :t die I ngher z igkeit vie r Kasse
bei vier Aiiinahme xoii K > dir ge n. >ie gehe nur aut die a er su *n r-
steil lalle muh l ntersuc Innig ilulvh zwei Vcrzte nn. datier ist es
in 25 I.ihren nur zu | 5 m Aurilahmen gekofnm t -ü >oe \ v an. t am h
Rexerse gegen \x eitere Aiim'ihJh muh fr kenn I r k ' amim gv n >.
Werden ehe Kollegen zu k-mkur re rt/gese's«, hatten get.hrt
S c h o n ll e I m e r - lk r hu bezeichnet demgegen her < ! .ts \ -jf-
ualmisx er fahren als vltir e haus weitherzig. Der \ er zu ht auJ Ce 1
scliavligung muh früheren 1 ; kraukim^e n ist eine I i.i:d'!virg
Sehlechte Risiken dart eine- gute K.iss c nullt ul-v "H 'ran E s w.se
Sogar ehe Anstellung x on \ e r traue ns.r /teil zu k: nw« den
H e ll l ll s - lkr im bestätigt, dass das \cr!nh’tn durDaus k>’-
legial ist. das Risiko muss allerdings genau gt pr itt wvr.hu Der
„Anker“ nimmt freiluh alles auf. hat aber \ ie! Indure P’am.e ns.^ze
D a \ I d s o h n - I kr hu empfiehlt vbe \uUsurg a'hr k e me n
Sterbekassen zu emisten der \ ersiehe f rrngskasse. deren Sidark,;
llllei Leistungsfähigkeit damit gesteigert xxird
Fortsetzung der Beratung uber Punkt V.
Die Abstimmung ergibt H 15 s Stimmen lur. 4'«o gegen die Staf¬
felung ehr Honorare.
Vertreten sind auf dem Ae’/tetage \ er eine diodi 517 De¬
legierte mit 22 31‘> Minimen.
Die liivlemmt.it wird dem < ie sc hafts.uissc huss m;t aen gegen
1 Stimme erteilt.
Eis xxird nun x mi I* f e i f 1 e r - ILimbor g cm \nttag emge b’.u ht.
eien Vertrag en bloc an/unehrnen und a«t 5 Iah re a ,< /us > lewen unter
Ueberw eisung aller x or hegende-n Anträge ari de u i leschailsaussvhtiss
als Mater ial zu xxelte'en \ er iianditm ge u.
Inzwischen ist muh eine l-'eihe* Xoii \r*.t ragen auf Vaudcr urrge n
m dem Vertrag eiligere n ht xx ordern
W i n k e I m a n n - Ba r me n ist g* g--»i ihn \n**ag IMe «ft er
und wünscht auch vlie Erot xoii 5 l.«hren nur ...’s M.ite’ial" an den
< ieschäftsanssv.Iitlss zu uber xx eise i'.
M a r k i e I - Ilambprg xx :ms v r;t. d iss a.i^!: d.e letzten Anträge
noch nach Möglichkeit her’uks. Jmgt werden.
Der \ ol sit/rmir sagt via s zu
H a r t Mi a it i>- Leipzig ist mit d* m Antra g Pt elfter eirnvr-
St.invleil. E'me Erist x<«n 3 lahreii ist genug, liehen d.e \ ers.J v-
rungsgesellschalten Muht ilaiaut cm. so soll der Kampf c'ohm t
w er den.
K r a i t - (iothei s,|oi f t ri ! • c I ‘ t n Vnt-ag Pfeiffer m : t
vlem Zusatz : s, Lite ssi n die 1 u v s v , .r:.n t-u ’ t s : 't aut 3 fahre
ab. so w ird die \rrge t ..e W.cit de*n |. p/^er \ t d-.r;d u'-eTgt^'e n.
Abstimmung: lkr Anf.ig W .. e r - /kau w'd a! ge ■. h.rr*.
Der Antrag Pfeiffer wird a n g v n- ri n v n
Der Ziisat/antr ag K raff \r • .! ge ge n 2 v !:”nn.n ange M(«mmen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
M. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1517
Der Vorsitzende fasst das Resultat dahin zusammen, dass der
Vertrag mit möglichster Berücksichtigung aller Vorschläge auf 3 Jahre
abzuschliessen ist. Wird diese Frist nicht angenommen, so wird die
Sache dem Leipziger Verband überwiesen.
„Diesen Befehl wird der Qeschäftsausschuss nicht nur ausführen
müssen, sondern er wird es auch tun!" (Grosse Heiterkeit.)
VIII. Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Leipzig-Land.
Der 36. Deutsche Aerztetag in Danzig erklärt es für Standes-
pilicht der deutschen Aerzte, mit allen erlaubten Mitteln die Aus¬
dehnung des Versicherungszwanges über die 2000 M.-Grenze hinaus
zu bekämpfen.
Hierzu: Antrag des ärztlichen Vereins zu Danzig:
Der 36. Deutsche Aerztetag in Danzig erklärt für dringend er¬
forderlich, bei einer Aenderung des Krankenversicherungsgesetzes
im § 27 Abs. 1 dem ersten Satz:
„Kassenmitglieder, welche aus der die Mitgliedschaft begründen¬
den Beschäftigung ausscheiden und nicht zu einer Beschäftigung über¬
gehen, vermöge welcher sie Mitglieder einer anderen der in den
§§ 16, 59, 69, 73, 74 bezeichneten Krankenkassen werden, bleiben
solange Mitglieder als sie sich im Gebiete des Deutschen Reiches
aufhalten, sofern sie ihre dahingehende Absicht binnen einer Woche
dem Kassenvorstande anzeigen“,
,die Worte hinzuzufügen:
„jedoch nur solange ihr Einkommen 2000 M. nicht übersteigt."
Ferner Zusatzantrag zum Antrag des ärztlichen Bezirksvereins
Leipzig gestellt vom Aerzteverein an der Unterweser:
Der 36. Deutsche Aerztetag erklärt es ferner für Standespflicht
der deutschen Aerzte, zu erstreben, dass die Kassenmitglieder mit
Erreichen eines Gesamteinkommens von 2000 M. von den kassen¬
ärztlichen Vergünstigungen ausgeschlossen werden. Solche in
ihrem Einkommen über die 2000 M.-Grenze hinauswachsenden Kran¬
kenkassenmitglieder sind nach der für Privatpatienten ortsüb¬
lichen Taxe zu behandeln, wobei die Kasse für die Bezahlung
haftet.
G o e t z-Leipzig als Referent: In jedem Jahre zeigt es sich
mehr, dass die einzelnen Parteien im Reichstag sich nicht genug in
Volksfreundlichkeit tun können. Zahlenmässig könnte die Gefahr als
nicht so gross erscheinen. Nicht alle Leute unter 2000 M. Einkommen
sind versichert, sondern nur die Hälfte, nicht versichert sind alle
kleinen Landwirte usw. Die Reichsregierung wird auf die allgemeine
Versicherung, welche den sozialdemokratischen Zielen dient, auch
kaum eingehen. Doch ist die Sache wichtig. Schon jetzt befinden
sich viele Wohlhabende freiwillig innerhalb der Zwangsversicherung,
z. B. bessere Buchhalter, junge Söhne reicher Leute in Anfangs¬
stellungen, die von ihren Eltern glänzend gehalten werden, gelbe
Stiefel tragen und ein festes Verhältnis haben. (Heiterkeit.) Bei der
Erhöhung der Grenze von 2000 auf 3000 M. wird die Sache noch
schlimmer, da handelt es sich um das Gros der Privatpraxis, dagegen
müssen wir uns mit allen Mitteln wehren, nicht nur mit Protesten und
Resolutionen, die wir möglichst hoch hinaufschicken. Beschliessen
Sie vielmehr, dass wir von Angehörigen des Mittelstandes keine
Pauschalzahlung annehmen und die Minimaltaxe um 50— 1Q0 Proz.
zu erhöhen haben. Das wird dazu dienen, diese Elemente von den
Kassen fernzuhalten. Es kommt nur auf den Willen der Aerzte an,
den Krankenkassen für diese freiwilligen Mitglieder mit höherem Ein¬
kommen höhere Beträge aufzuerlegen. Wie diese höheren Einkommen
iestzustellen sind, ist nicht unsere Sache. Diese Direktive muss der
Aerztetag geben, wenn auch die Fassung unseres Antrages vielleicht
eine Aenderung erleidet.
Antrag M u n t e r - Berlin: Für den Fall der Ausdehnung der
Versicherung auf Personen mit einem Gesamteinkommen von über
2000 M. ist jeder Versuch eines Pauschalhonorars zurückzuweisen
und für die neuhinzukommenden besser situierten Kategorien von
Kassenmitgliedern das ortsübliche Honorar der Privatpraxis zu
fordern.
Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Nürnberg: Die Einführung
einer Karenzzeit ist untersagt und wo eine solche besteht, ist sie
baldigst aufzuheben.
Francke -Danzig und Braun-Bremerhaven begründen kurz
die Anträge der Vereine Danzig und Unterweser.
M u n t e r - Berlin: In dieser Frage können wir alle einig sein,
aber wir sollen nicht immer sagen „es ist eine Standespflicht“. Bei
der Zunahme aller Bedürfnisse der Lebensführung kann man nicht
unseren Stand, der vor allem wirtschaftlich unabhängig sein soll,
immer weiter hinabstossen. Wird die Versicherung ausgedehnt, wo¬
gegen wir nichts einwenden, so soll es nicht auf unsere Kosten ge¬
schehen. Einer weiteren Begründung bedarf mein Antrag nicht.
M a g e n - Leipzig: Die Anträge sind begriissenswert, treffen
aber das Wichtigste nicht. Wir wollen überhaupt die Ausdehnung
des Versicherungszwanges nicht, trotz der Anhängerschaft für die
freie Arztwahl. Das verderbliche ist das Dazwischenschieben einer
anderen Instanz zwischen Arzt und Patienten, die Veränderung der
allgemeinen Stellung des Arztes zum Kranken. Schon ist von einer
,Arbeiter“versicherung nicht mehr zu reden, sondern die Neigung der
Mittelstandsversicherung nimmt überhand wegen der Mittelstands¬
politik der Parlamente. Am besten wäre es alle Anträge abzulehnen
und nur an dem Königsberger Programm festzuhalten.
Müller-Hagen: Man kann beiden Anträgen zustimmen. Der
Danziger Antrag musste auch die § 11, 19, 63 des Gesetzes be¬
treffen.
G u ttst ad t-Berlin: Die Bestrebungen zur Erhöhung der Ver¬
sicherungsgrenze geht von einer Petition des Verbandes kaufmänni¬
scher Krankenkassen aus, dass auch Handlungsgehilfen von mehr
als 3000 M. Jahres- und 10 M. Tageseinkommen zur Versicherung
zugelassen werden sollen. Die Kommission des Reichstages hat sich
für die Berücksichtigung der Petition ausgesprochen. Daneben gehen
die Bestrebungen im Falle der Krankheit den Handlungsgehilfen den
Gehalt fortzugewähren und Krankengeld zu geben. Die deutschen
Krankenkassen haben ein Vermögen von 200 Millionen Mark, bei
ca. 11 Millionen Mitgliedern betragen die Verwaltungskosten schon
2 Mk. pro Kopf. Würde die Versicherung weiter auf 3000 M. aus¬
gedehnt, so würde die freie Praxis ganz verschwinden und z. B.
in Berlin nur 3 Proz. der Besteuerten übrig bleiben.
Magen- Leipzig stellt den Antrag:
Der 36. Aerztetag hält an dem Programm des Königsberger
Aerztetages auch in dem Punkte fest, dass Personen mit mehr als
2000 M. Einkommen Mitglieder der Krankenkassen weder werden
noch bleiben dürfen und geht über die eingegangenen Anträge zur
Tagesordnung über.
Nach Annahme eines Schlussantrages spricht
G o e t z - Leipzig gegen den Antrag Magen, w r eil er nur einen
Schlag ins Wasser bedeute. Wir wollen mehr, wir wollen uns für
den Fall des Krieges vorbereiten.
Die Anträge M un t e r und Goetz werden dem Sinne nach
vereinigt.
Nach dem Vorschlag S. Alexanders -Berlin wird der An¬
trag Magen geteilt. Die erste Hälite desselben
wird angenommen, der Uebergang zur Tagesord¬
nung abgelehnt, der Antrag Goetz-Munter einstim¬
mig angenommen. Die übrigen Anträge gelten als
erledigt.
IX. Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Leipzig-Land.
Der 36. Deutsche Aerztetag bittet diejenigen hohen Bundes¬
regierungen, die auf Grund des § 80 der Gewerbeordnung Medizinal¬
taxen erlassen haben, durch gegenseitiges Uebereinkommen diesen
Taxen gleichlautenden Wortlaut zu geben und dadurch, ebenso wie
vor einigen Jahren die Arzneitaxen, nunmehr auch die Medizinal¬
taxen zu vereinheitlichen.
H a r t m a n n - Leipzig als Referent: Der befriedigende Erfolg
des Aerztetages von Köln bezüglich der einheitlichen Arzneitaxe er¬
weckt den Wunsch nach einer einheitlichen Gebührenordnung. In
dem Kalender des Leipziger Verbandes hat Goetz eine Zusammen¬
stellung der verschiedenen Taxen gegeben. In manchen Staaten
besteht überhaupt noch keine Gebührenordnung, in den übrigen weist
sie sehr grosse Unterschiede auf, das haben wir bei dem Abschluss
des Tarifvertrages erfahren. Die preussischen Aerztekammern mit
Ausnahme der Berliner haben sich bereits im Sinne unseres Antrages
ausgesprochen. Der Aerztekammerausschuss ist noch mit der Sache
befasst. Eines Gesetz entwurfes bedarf es nicht.
Der Antrag wird ohne Diskussion angenommen.
X. Bericht der Kommission zur Bekämpfung der Kurpfuscherei.
Antrag des Geschäftsausschusses: Der Aerztetag
wolle dem vorläufigen Gesetzentwurf mit den von der Kommission be¬
antragten Aenderunger. als einer interimistischen Mass-
r e g e 1 seine Zustimmung erteilen, aber nach wie vor sich für die
Notwendigkeit der Wiedereinführung des Kur¬
pfuschereiverbotes aussprechen.
Lind mann - Mannheim als Referent verweist auf die im Druck
vorliegenden ausgezeichneten Berichte der Kommissionsmitglieder
Becker- München und Reissig- Hamburg und spricht den Dank
für die an die Kommission eingesandten Arbeiten aus. Schon seit
Jahren erstreben wir das Kurpfuschereiverbot nicht im eigenen,
sondern im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Moral. Unter
allen Umständen bedeutet der Gesetzentwurf einen Fortschritt, er
ordnet die Materie einheitlich und erhöht die Strafen. Eigentlich
müsste die Kurierfreiheit aufgehoben werden, — die vor¬
gebrachten Gegengründe sind nicht stichhaltig, zwei von
ihnen, die Befürchtung, dass die von der Schulmedizin nicht
anerkannten Heilmethoden unterdrückt werden würden und
der Hinweis, dass auch von Nichtfachmännern gute Heil¬
methoden ausgeübt werden, müssen als bedauerlich bezeichnet
und zurückgewiesen werden. Eine Schulmedizin existiert nur in den
Köpfen der Gegner, es gibt kein Dogma und kein Verbot einer Me¬
thode, zum Gegenbeweis ist nur an die Aufnahme zu erinnern, die
der Kehlkopfspiegel und die Röntgenstrahlen in die Medizin gefunden
haben. Wo sind die Methoden und Fortschritte durch die Kur¬
pfuscher: Gesundbeten, Diagnose aus den Haaren und Reibebäder!
Notwendig ist die Mitwirkung der Medizinalbehörden und der Justiz
bei der Ausführung des Gesetzes, an dem wir nur die notwendigsten
Aenderungen vorgeschlagen haben.
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1518
MUFNCHFNFR MFIMZINISCHF WOCHENSCHRIFT.
Nn. .?>.
Guttstadt-Berlin beantragt, über die Bestimmungen, welche
sich auf die nichtapprobierten Personen als Krankenbehandkr be¬
ziehen, zur Tagesordnung iiberzugehen.
Alle Medizinalgesetze kranken an ihrer Ausführung und die
Schwierigkeiten liegen schon bei den nächstbeteiligten Beamten. \\ ic
soll man die Wohnung und Geschäftsräume des Kurpfuschers be¬
aufsichtigen, wie sollen die Geschäftsbücher ausschcn, kann man
denn eine ordentliche Buchführung erwarten? Ls werden viele Ver¬
schleierungen Vorkommen. Wie kann man den Pfuschern die Mel¬
lurig einer Diagnose Zutrauen? Wie soll das Verbot der Behandlung
gewissen Krankheiten und die Anwendung von Behandlungsmethoden
kontrolliert werden? Dazu bedarf es eines erfahrenen, selbständigen,
gut bezahlten ärztlichen Personals. Bür den erlaubten Teil der
Krankenbehandlung werden die Annoncen der Pfuscher fortbestehen.
Wie steht es mit dem Recht, Totenscheine und Atteste aus/ustellen,
w ie mit dem Berufsgeheimnis, wie mit der Zulassung zur Behandlung
der Krankenkassen? Im allgemeinen wird die Stellung der Kur¬
pfuscher besonders durch die Meldepflicht nur noch mehr gefestigt
und anerkannt werden.
Alexander - Breslau beantragt auszusprechen: Der .Aerztetag
hält unbeschadet des grundsätzlichen Standpunktes, dass ein völliges
Kurpfuschereiverbot mit einem Verbot der kurpiuscherischen Re¬
klame das erstrebenswerte Ziel sei, mit Hinblick auf die l nwalif-
scheinlichkeit, unter den obwaltenden Umständen dieses Ziel zu
erreichen, den vom Reichsamt des Innern vorgelegten Entwurf eines
Kurpfuscherbekämpfungsgesetzes für zweckmassig und geeignet zur
Einengung des Heilschwindels unter der Voraussetzung, dass die von
ärztlicher Seite vorgeschlagenen Ergänzungen und Abänderungen in
das Gesetz Aufnahme finden.
Der Antrag Üuttstadts ist ganz verkehrt. Wir müssen uns
mit dem Erreichbaren begnügen und das Gesetz als zweckmässig
anerkennen, nicht ablehnen. Der Cieschäftsaussclmss bringt unsere
Zufriedenheit zu w-enig zum Ausdruck. Das Verbot allem reicht, wie
die Verhältnisse in Oesterreich. Erankreich. Italien zeigen, nicht aus.
Dass der Entwurf gut ist, zeigt die Wut der Gegner. Die Melde¬
pflicht ist zu begriissen. Redner schlägt eine grosse Zahl von Aende-
rungen an den einzelnen Paragraphen des Gesetzes vor.
S i e f a r t - Charlottenburg: Was Guttstadt sagt, passt nur
auf die jetzigen Zustände, alle seine Befürchtungen sind gegenstands¬
los. Der Entwurf ist freudig zu begriissen, das beweist schon die
stattliche Anzahl von Protesten durch die Kurpfuscher. Legalisiert
ist der Pfuscher nur durch die Gewerbeordnung und Kuricrircihcit,
w'ie sie jetzt besteht. Alle Aenderungsvorschläge können wir der
Kommission überlassen.
E r a n z - Schleiz: Mit dem Verbot allein ist nichts getan, das
erreichen wir auch nicht. Die Einführung der Geschäftsbücher ist
ausgezeichnet. Die Kurpfuscherei gehört vor die Polizei, unter Po¬
lizeiaufsicht, nicht vor den Amtsarzt, wenn dieser auch selbstver¬
ständlich hinter der Polizei stehen muss. Die Polizei muss die
persönlichen Verhältnisse überwachen und zwar durch vorgescltrie-
benc Fragebogen. Die Nichtanfertigung von Pfuscherrezepten in
Apotheken gehört in eine Apothekerordnung. Ich habe eine Reihe
von in den Apotheken nach Pfuscherrezepten angefertigten Arzneien
mitgebracht und ausgestellt, desgl. zahlreiche in der thuringsclien
Hausindustrie fabrizierte, von den Hausierern überall vertriebene
Geheimmittel. Die Kommission des Reichsgesundheitsamtes muss
permanent sein, die Mittel müssen durch sie genehmigt werden. Die
Behandlung aller ansteckenden Krankheiten und der Frauenkrank¬
heiten ist zu verbieten. Schwierig ist nur die Diagnose. Zweck-
mäsig ist da, nicht auf die Krankheiten, sondern auf gewisse Krank¬
heitssymptome Wert zu legen. Viel schärfer muss jedenfalls noch der
Geheimrnittelschwindel getroffen werden. Sehr zu empfehlen ist allen
Kollegen der trefflich geschriebene „Gesundheitslehrer" Dr. Kan¬
tors.
H e n i u s - Berlin beantragt, dass die in § 5 des Entw urfes ge¬
nannte Kommission als Zentralstelle für die Prüfung von Geheim-
und Arzneimitteln zu.dienen habe, welche erst dann in den Handel
gelangen dürfen, wenn die Kommission über ihre Zusammensetzung
ein Gutachten abgegeben hat.
Winkelmann - Barmen beantragt, den Antrag des Geschäfts¬
ausschusses anzunchmen und die vorliegenden Anträge der Kommis¬
sion als wertvolles Material zwecks Abfassung einer Denkschrift an
das Reichsamt des Innern zu überweisen.
Nach einem kurzen Schlusswort des Referenten wird der An¬
trag Guttstadt mit allen gegen 2 Stimmen ab¬
gelehnt.
Der Antrag des Gcschäftsaussch usscs w' i r d zu¬
sammen mit demjenigen A 1 e x a n d c r s - B r c s I a u an¬
genommen .
Der Antrag W i n k e 1 m a n n wird a n g e n o m m e n.
Ebenso ein Antrag H e s s e 1 b a r t h - B e r I i n. der
Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kur¬
pfuschertums für 1909 wieder einen Beitrag von
500—1000 M. zu leisten.
XI. Dringlichkeitsantrag Jaks-Thüngen auf Einführung der
Krrnkenverslcherung für die Arbeiter der landwlrtfchaftlichen Be¬
triebe mit ausdrücklichem Ausschluss der kleineren selbständigen
Landwirte.
Nachdem der Vorsitzende seine grundsätzlichen Bedenken gegen
solche wichtige, in letzter Stunde angebrachte Anträge a
gespiodien, wird der Antrag abgeuhnt.
Dagegen sti llt der \ orsitzeiidc den I »nnduhkeits.int'.vg.
Aerztetag möge der Kölner Aerztevhatt seine >\ mpatlue »luun am-
ilruckluhe debatteiose Annahme der \i*n dun (iivti.iüsu.'.v: .."i
erlassenen >\ mpathiekuridgi billig erw i ui n.
Die \ er Sammlung erhebt suh zum Au hm der Aistimmimg r :
Beifall Von den Sitzen.
Schulte- Köln dankt im Namen dir k • •i’i r Aiiztc. m ■ i :i u .s
allen < legenden I >eutsc hlaiids >\ nipatiiu kn: d.u bimgi n /ngi :ii :i. t T ...c
treue l riter Stützung durch di n \ir/tv\i lemM'im.!. .teil I cip/ut. r \ i r -
band mul deren I um er. 1 s ist gut, dass Cu \iigt ,i gi ;::.i:t n.d.t auf bi *,
Tagesordnung stand; denn es gut nullt zu redm. s. n.urn zu 0. ”
Der Kampf geht nadl a I roOlvn, gegen die ab*r: nm^i n \i'/ir, „
w eie lie die Kasse keinen Mt eg haben konnte. gegen d-, n \ 'st.r i
der Kasse, und gegen die Miss\ erstau#nssc bei tin/e len \erw.t-
tungs .rgancn. Aber wir sind nullt aiein. zu uusstiheu c..e \k.idc*v e.
der Assistente ri\er band, vier Aer /1 1 \ er i msl und. bi r M p-igcr \i r -
band. Wenn der Deutsche daun am lüsten k.p wenn er \ - r,
allen beiten angegi lile n wird, dann rule uh: M.t Mut zum Su ^c
Noian!
Der Vorsitzende wberbbekt zum SJ:'iiss t - den Gang bi r
Ver fiandiungcn. ln ruhiger, s,u hiuher Bi n.iud ung ist d.ts ganze
gramm erlevligt w >. r el e r i; zun. uhst die ge s;m ,:hi ,t , (V f. t | r/u i.ui-.g e.e r
>e huliiigeinl und vlie >mu.a»/tv\ st eine. V- i uu .ruh lo’-.t i.ic'.i .
Lel'e l ellistimmung e. Zielt wurde. ludiütit die Bi ’.bmg vl Ji i. ei:
lortselirilt und d’e g«. Jassttfi Beschlüsse sind Muht s-> \u.\d:e::ä
um schaden zu koiiien.
Was die Miiiting zu eli n I i bens\er su Iler urg^i *>e .Schattm u -
geht, sn ist nullt das starre t istha teil ai.ewi ein Auiim der t .
was als uriruht'g ei Kaimt wird. s< li "lue /-gi rn gi.rdi't w e * n
den Mmorit.iti u. die nullt mit aiem zuradm sind, l e bt du Aus-
sulit aut eine Besserung n.uli einigen l.drm.
ln vier Kurplusvhi r trage ist kein /w e de i n uh: au der N !\n::„ *. -
keit tler Aiüiubung der Kunutolu it. v'.a mi nicht zu erwarten ist.
nehmen wir die Ui! s i Sc :..a K e ne Besserung n.. t einem giw.ss«.
Dank in.
Zur Kassi-riar ztfrage habv :i wir kioz und p-.t/is >u dag a ■
nominell lind ge/iigt. diss i:n luten vH dir \ v rate lad de : \ -
g etilem heit tl.r die /w augsv e r su hcrung (mrum irgiiatm w e . -
den müssen. Mit bis. aide rer f rinde situn wo. v...s\ V s i v h: N i-
luugeii ist. einen Keil in die I min it di r di uts. M n \e uti i m e .'u i
I s war ein schwerer Kamp! in Munster, w ,r l.a.'uu .d er gv : diss
auch die Mirinrit.it zu uns gehören und r.uht ai:ssd:i..;ai wc.\.
Diese IMmiuiig bat suh er tn..t. In dir K asseritr.ige sa d w i; i a
die einzige uni r imligte frage gibt dt n (iigumri kirne « ii 'pe'u
einen Keil zwisclun uns zu treibt n. Das «ut.hi di r I m.gk. .1 lad
Snlid.Hitat ist gist.nkt Wnrdm. Das ist d.e gu.sstv t r; u ' v:t
des Aerztetages m Dau/ig.
Mit lierziuhem Dank au ade Beted.gtiii sd.-ss dir \ *: sit.u
den Aerztetag um d » Dhr.
Dem unerimnbuhi n luter der Versäum. ’uug h’ad te jl e n i u s .
Berlin ein dreifaches H-nh. in das du \ i rs.,u,u: arg m iu;. .a
Dankbarkeit einstimmte. B e r g e a l - M au !u . 1 .
Verschiedenes.
Ehrengerichtliche Entscheidungen.
N a c h t r ä g I i c h e I r h o li u n g a r z t 1 i c li e r I i vju i d a t ■ • * n i u
Die kürzlich ui der Mark h. mul. W .u!u nsc !; r . 'N-. s . ls«*st ,d -
gedruckte Editsclliivlung vles (»Mi Muuhtii Sc'u.ut dv u i.v.tad dv r
Aerzte hinsichtlich der Möglichkeit, eine gesti te I n;u ..b.n nad;-
träghcll erhöhen zu kniiriin. it< h"’u m Masse gitur u u i. l .dmi
Unterzeichneter ei hu !t pers.-nadi \-r.uin. 'b :■ .<ai du »u-
biihren m einem bestimmten I a"e crh-b'en k a 'u- < di: rud
Es durfte di shaib nadistilunde I i > ;.ug di s « »I < i i .
die im letzten Heft der ButscInidungen c!t r (»Mi .a .ud-iud ist. tku
Leserkreis interessieren.
Dieses Geruht Khnte jede iiadit' d e M‘ t\ '
Rahmen einer (iebuliren"rdnung gistidin I ..;ii u m: a;!ai
Gründen ab. Ls stutzt suh dabei auf fr n: er t • ga*u.i ne lüsdiii-
(Ilingeti verschiedener Geruhte und fuhrt m G f '-cmdis aus.
Der Arzt kann innerhalb des ihm in m ' » n. 1 » ^ ^ .
stellten Spielraums muh seinem b ;gin I upsvai ge”..iss 55 .d,
dl(i BGB. die lustung. d. i. die H du di s \. » -• M .u :■ M.t di h Be¬
trages, bestimmen. Diese B< s-,- •• m g ris.au: dn'di eau e.n-
Seitige, ernpfangstu- ! 11 rfr = gt Wi, aapi .r tmg. Kt .. e s C M - -'i.-g
jedoch nach $ Mo B< iB. als zugec.m. * n zu e r ach!en. s.. ist de- V ::
daran gebunden, er kam sie nu ht •• e ‘.r w t :e: r lift u. D e Mi .amg
nachtragiu h ist ausgeSv Ib- .ssen. se’’ st w i mi vier P.i'un! nj» Cegiu
die Annahme der Lunndap m stuiid-t. d.a m d- r l i ‘u • s t -u;ia’g d« r
Rechnung eine Bestimtmr g der I eu'ia g r.uh £'■ ^ \bs. J P« dk
liegt.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
14 . Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1519
Nur dann ist eine nachträgliche Aenderung und Erhöhung zu¬
lässig:. wenn sich der Arzt das Recht hierzu auf der Rech-
nung selbst vorbehält.
Das OLG. München nahm im Gegensätze hierzu an, auch durch
Jas Verhalten der beiden Parteien vor der Uebersendung könne
ein derartiges Widerrufsrecht begründet werden.
Die Entscheidung des OLG. Celle scheint besser begründet zu
sein wie die früher mitgeteilte.
Es ist deshalb auf alle Fälle zur Vermeidung zweifelhafter Pro¬
zesse zu empfehlen, das Widerrufsrecht durch einen geeigneten Ver¬
merk auf der Rechnung sich zu wahren, falls der Arzt aus irgend¬
welchen Gründen eine nachträgliche Aenderung für eventuell
u ünschenswert erachtet. Dr. Th. Erlanger - München.
Penslons verein für Witwen und Waisen bayerischer Acrzte.
Gegenwärtig gelangt der Bericht für das Geschäftsjahr 1907
zur Versendung. Leider war der Berichterstatter längere Zeit schwer
krank und wurde dadurch die Zustellung unliebsamerweise verzögert.
Der Bericht wird an alle Bezirksärzte und ärztlichen Bezirksvereine
gesandt mit dem Ersuchen, die Kollegen auf unseren in vorzüglichster
Entwicklung begriffenen Pensionsverein aufmerksam zu machen.
Das Gesamtvermögen des Vereins betrug am Ende des Berichts¬
jahres 1 407 121 M. 01 Pf., das Gesamtzinsenerträgnis 50 201 M. 46 Pf.
An Pensionen wurden ausbezahlt 51824 M. 96 Pf., an Dividenden
7758 M. 73 Pf. Als sehr erfreulichen Zuwachs des Vermögens des
Stockfnnds sind ausser den jährlichen regelmässigen Beiträgen der
Ehrenmitglieder zahlreiche Schenkungen von Kollegen zu erwähnen.
Auch die Herausgeber der Münch, med. Wochenschr. haben wie all¬
jährlich den Verein mit einer Zuwendung von 2000 M. bedacht.
Ausserdem erhält der Verein einen jährlichen Staatszuschuss von
M3f> M.
Die günstige Entwicklung der Finanzlage und die steten mit
grösstem Danke anzuerkennenden Schenkungen ermöglichten es, aus
den Zinsen des Stockfonds an jede Pension eine Dividende von
15 Proz. zu gewähren. Es besteht die grösste Zuversicht, dass die
von der letzten Generalversammlung in Aussicht genommene weitere
Erhöhung der Dividende auf 20 Proz. im Jahre 1910 erfolgen kann.
Dann beträgt die Pension einer Witwe der nach den neuen Berech¬
nungen Eingetretenen 360 M., bei beispielsweise 4 minderjährigen
Kindern 648 M. — eine gewiss nicht mehr zu unterschätzende Vereins-
Ostung gegenüber den möglichst niedrig gehaltenen Mitglieder-
ähresbeiträgen. .
Bei dieser andauernden vorzüglichen Entwicklung des Vereins
'aden wir alle Kollegen zu recht zahlreichen Beitritten dringlichst ein.
Noch ist der ausserordentlichen Tätigkeit der Herren Hofrat
Dr W Beckh und Dr. J. Neuberger in Nürnberg Erwähnung
zu tun welche unermüdlich an dem Ausbau der Zentenarstiftung sich
beteiligen. Die Stiftung, welche bekanntlich dazu dienen soll, un¬
bemittelten, jungen Aerzten durch teilweise Zahlung der Jahres¬
beiträge den Eintritt in unseren Pensionsverein zu erleichtern, hat
„eeenwürtig bereits ein Vermögen von 12 600 M. Im Jahre 1909 soll
■itselbe in Wirksamkeit treten.
Wir laden auch hierzu die Herren Kollegen und ärztlichen Be¬
zirksvereine die noch keine Beiträge für diese kollegiale Stiftung
Geleistet haben, ein, durch recht zahlreiche Zuwendungen das Kapital
"er Stiftung vergrössern zu helfen, um damit gerade denjenigen baye-
Vdien Aerzten, welche sich in nicht zu günstigen Lebenslagen be-
fnden und für welche unser Pensionsverein in erster Linie gegründet
v jrde die Sorge um die Zukunft ihrer Hinterbliebenen zu erleichtern.
Therapeutische Notizen.
i iphr*r Airurin, ein neues Diuretikum,
tV.. «. „ i, ippct. med.-chir. Presse). Er bezeichnet das
Diuretikum, dessen Wirkung sehr rasch zu-
ta/e rrkt und welches man am zweckmässigsten in Dosen von 3.0
* r r' verabreicht. Das Mittel ist nicht ganz frei von unangenehmen
'.hriwirktfnJIn auf den Magen, doch vertragen es die meisten
enxvirku g . a j s Antistenokardiakum fand es Verf.
bewahrt" sowohl in der Kupierung der entwickelten Anfälle als in
* * »•—F. L.
prophy
faktischer Hinsicht.
hat an der chirurgischen Privatklinik von
Poi, neIrn **V{* - eekommen, dass als harndesinfizierende Mittel
ft zu dem Erge den Vorzug verdienen, welche Formaldehyd im
oejemgen Prapa unter diesen hauptsächlich dns Hetralin,
L.nn abspalten u g 0 rovertin. (Urotropin ist Hexa-
Irotropin u Kondensationsprodukt von Formaldehyd und
itiethylentetramln, j s t Dioxybenzolhexamethylentetramin und
Anmömak: “ e l t T _ r . troD j n und 44Proz. Resorzin: Borovertin ist
HnatetoylenEetramintr^or^und^besteht aus Urotropin und Bor-
scure.) ' (Med. Klinik 1908 , No. .)
Tagesgeschichtliche Notizen,.
München, 13. Juli 1906.
— Die Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie zu» Berlin
hat der Aerztekammer für Brandenburg-Berlin Abänderungs¬
vorschläge zum gynäkologisch-geburtshilflichen
Teile der ärztlichen Gebührenordnung vom Jahre
1 89 6 unterbreitet, in denen eine Erhöhung derjenigen Gebühren er¬
strebt wird, die in einem offenbaren Missverhältnis mit der geforder¬
ten Leistung stehen, ferner einige durch die Einführung neuerer opera¬
tiver Massnahmen gebotene Zusätze gemacht werden. Im all¬
gemeinen wird eine Heraufsetzung der Höchstsätze verlangt, da die
Spannung zwischen diesen und den Mindestsätzen (bei dem einfachen
Besuch und der einfachen Beratung 1:10) häufig sehr zu Unrecht
eine viel zu geringe ist und gelegentlich sogar ohne ersichtlichen
Grund auf 1:2 herabgeht. Im einzelnen ist hervorzuheben die sehr
ausführlich motivierte Forderung der Erhöhung des Ansatzes für
Beistand bei einer natürlichen Entbindung (§ 140) von 10—40 M. auf
15—150 M.; für instrumenteile oder blutige Erweiterung des Gebär¬
mutterhalses zum Zwecke der künstlichen Entbindung werden (ausser
der Gebühr für den sonstigen operativen Eingriff) 10—100 M., für
Operationen zur Erweiterung des knöchernen Beckens ebenso 30 bis
300 M. neu beantragt. Für Beistand bei einer Fehlgeburt wird Er¬
höhung (von 6—50 M.) auf 10—100 M., für Operation eines frischen
Dammrisses (5—20 M.) a) eines unvollständigen 5—40 M., b) eines
vollständigen 10—100 M. in Ansatz gebracht. Die Eingriffe zur Lage¬
verbesserung der Gebärmutter (2—20 M.) werden spezifiziert und
nach ihrer Schwierigkeit höher (10—50 bezw. 50—300 M.) eingesetzt;
für die Operation des Scheiden- oder Gebärmuttervorfalles 50—300 M.
neu verlangt. Für die Ansätze für Assistenz (5—20 M.) und Narkose
(5—15 M.) wird Erhöhung auf 5—50 M. beantragt.
— Am 9. ds. tagte in Brüssel die internationale Heil¬
stättenkommission. Nachdem kürzlich im Reichsgesundheits¬
amte in Berlin Vorberatungen stattgefunden hatten, sollte diese Kom¬
mission hygienische Mindestforderungen aufstellen, damit über¬
triebene Kosten beim Bau von Volksheilstätten vermieden würden.
Diese Forderungen werden der nach Philadelphia einberufenen
internationalen Tuberkulosekonferenz unterbreitet werden. Deutsch¬
land war in Brüssel vertreten durch den Vorsitzenden der Landes¬
versicherungsanstalt Berlin, Dr. Freund, Geheimrat Liebrecht,
Direktor der Landesversicherungsanstalt Hannover, und Professor
Dr. Pan n witz, Generalsekretär der internationalen Vereinigung
zur Bekämpfung der Tuberkulose. Ausserdem hatten Frankreich,
Oesterreich, England, Schweden, Dänemark und Belgien Vertreter
entsandt. (Voss. Ztg. )
— Der Staatssekretär des Innern hat gegenüber dem Deutschen
Apothekervereine eine Besprechung wegen der Regelung des
Verhältnisses zwischen den Krankenkassen und
den Apotheken für den Monat September in Aussicht gestellt.
Er hat sich dabei Vorbehalten, auch die Frage der Arzneiversorgung
der Krankenkassenmitglieder zum Gegenstände der Erörterung zu
machen.
— Laut § 7 Abs. 4 der Satzungen des „Verbandes der
Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirt¬
schaftlichen Interessen“ hat sich der auf der Hauptver¬
sammlung in Danzig vom 25. Juni d. J. gewählte Vorstand konstituiert.
Nach Zuwahl weiterer 4 Beisitzer gehören ihm z. Z. an die Herren:
Dr. H a r t m a n n, Dr. Max G ö t z, Dr. H i r s c h f e 1 d, S.-R. Dr.
Dippe, Dr. Streffer, Dr. Mejer, Prof. Dr. Schwanz, Dr.
Dumas, Dr. V o 11 e r t, Dr. G ö h 1 e r.
— Die diesjährige Plenarversammlung des K. &ä c h s.
Landesmedizinalkollegiums findet am 23. November
statt.
— Wie uns aus Hamburg gemeldet wird, ist Prof. Wilh. Wey-
g a n d t, bisher Leiter der Poliklinik für psychisch-nervöse Krank¬
heiten an der Universität Würzburg, zum Direktor der Staatsirren¬
anstalt Friedrichsberg bei Hamburg ernannt worden.
— Dem prakt. Arzt Dr. med. Deppe, dem Begründer
der Walderholungsstätte in Wilder Mann bei Dresden, wurde die sil¬
berne Lebensrettungsmedaille am Bande verliehen.
— In England wurde, wie alljährlich anlässlich des Geburtstags
des Königs, auch in diesem Jahre eine Anzahl von Aerzten mit
Auszeichnungen bedacht. Wir nennen u. a. den Kliniker Sir Lau-
der Brunton und den Chirurgen Prof. Watson Che y ne,
denen die Würde eines Baronet, ferner den Tropenhygieniker
Colonel David Bruce, dem die Ritterschaft verliehen wurde.
— Die von der Augsburger Vereinigung für ärzt¬
liche Fortbildung in den Monaten Februar bis Mai 1. J.
veranstalteten Vorträge haben sich einer ausserordentlich regen Teil¬
nahme seitens der Kollegen, namentlich vom Lande, zu erfreuen
gehabt. Es haben sich 125 Mitglieder der Vereinigung angeschlossen.
Folgende Vorträge wurden gehalten: Prof. D ö d e r 1 e i n - München:
Verhütung und Behandlung des Puerperalfiebers. Obermedizinalrat
v. G r u b e r - München: Ueber natürliche Immunität (mit Projek¬
tionen). Oberstabsarzt Prof. Dr. D i e u d o n n 6 - München: Ueber
Aetiologie der Nahrungsmittelvergiftungen mit besonderer Berück¬
sichtigung der Fleischvergiftungen (mit Demonstrationen). Qeheimrat
Prof. Dr. v. A n g e r e r - München: Die chirurgische Behandlung von
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1520
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28.
inneren Erkrankungen. Obermedizinalrat Prof. Dr. v. Bauer-
München: Ueber die Bedeutung der Blutuntersuchung für die ärztliche
Tätigkeit. Prof. Dr. P f a u n d 1 e r - München: Ueber den sogen.
Därmkatarrh der Säuglinge und seine Behandlung. Der Wieder¬
beginn der Vorlesungen ist für Ende September geplant.
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 14. bis 20. Juni 8 Per¬
sonen an der Pest erkrankt (und 4 gestorben). — Britisch-Ostindien.
Während der beiden Wochen vom 17. bis 30. Mai sind in ganz Indien
5310 (2577 + 2733) Erkrankungen und 4360 (1990 + 2370) Todesfälle
an der Pest zur Anzeige gelangt. In Kalkutta starben vom 24. bis
30. Mai 60 Personen an der Pest, in Moulmein vom 10. bis 30. Mai 52.
— In der 26. Jahreswoche, vom 21.—27. Juni 1908, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Wiirzburg mit 29,5, die geringste Deutsch Wilmersdorf mit 5,2 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Scharlach in Beuthen, Zabrze, an Masern und
Röteln in Kassel, Flensburg, Heilbronn, an Unterleibstyphus in
Koblenz, an Keuchhusten in Elberfeld. V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Zum Direktor der Universitäts-Poliklinik für ortho¬
pädische Chirurgie an der Berliner Universität ist der Privatdozent
Prof. Dr. Joachimsthal ernannt worden. — Wie wir hören, hat
der Privatdozent und erste Assistent am pharmakologischen Institut
Dr. med. Wolfgang H e u b n e r einen Ruf als a. o. Professor und
Direktor des pharmakologischen Instituts in Göttingen erhalten und
angenommen. Er tritt dort an Stelle des nach Tübingen berufenen
Geh. Med.-Rats Prof. K. J a c o b j. (hc.)
Göttin gen. Der Privatdozent für Neurologie und Psych¬
iatrie und Oberarzt an der psychiatrischen Klinik zu Göttingen
Dr. med. Albert Knapp, der erst vor einigen Tagen als Nachfolger
von Direktor Dr. Görlitz zum Direktor der Heilanstalt zu Wald-
broel (Rheinland) berufen wurde, hat einen von sämtlichen Aerzten
und Vorstandsmitgliedern der Pastor v. Bodelschwinghsehen
Anstalten ausgehenden Ruf erhalten, die ärztliche Oberleitung der
annähernd 3000 Kranke beherbergenden Krankenanstalten in Bethel
bei Bielefeld zu übernehmen, (hc.)
H a 11 e a. S. Als Privatdozent in der medizinischen Fakultät hat
sich eingeführt der Stadtarzt Prof. Dr. v. D r i g a 1 s k i mit einer
Antrittsvorlesung über „Krankheit und Infektion“.
Kiel. Der Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Viktor H e n s e n, Di¬
rektor des physiologischen Instituts der Universität wurde zum Vor-
standsmitgliede der Fachsektion für Physiologie der Kaiserl. Leopold.-
Karolin. deutschen Akademie der Naturforscher in Halle a. S. mit
einer Amtsdauer bis zum 11. VI. 1918 gewählt.
Tü b i n g e n. Dr. med. Hermann D o 1 d, Assistent bei Prof,
v. Baumgarten am pathologisch-anatomischen Institut, siedelt
am 1. August an das Royal Institute of Public Health in London
als Demonstrator of Bacteriology and Comparative Pathologie
über, (hc.)
Würzburg. Am Mittwoch den 15. Juli habilitiert sich in der
medizinischen Fakultät der hiesigen Universität der Spezialarzt für
innere Krankheiten, Dr. Melchior F a u 1 h a b e r, auf Grund einer
umfassenden Arbeit: „Die Röntgenuntersuchung des Magens“. Die
Probevorlesung betitelt sich: „Die Heilerfolge und Gefahren bei der
therapeutischen Anwendung der Röntgenstrahlen“.
Basel. Dr. B. B 1 o c h habilitierte sich als Privatdozent für
Dermatologie. — Der Professor der Pathologie an der hiesigen Uni¬
versität, Ernst H e d i n g e r, erhielt einen Ruf an das Sencken-
b e r g isebe medizinische Institut in Frankfurt a. M. an Stelle des
jüngst verstorbenen Professors A 1 b r e c h t.
Bologna. Dr. G. F a s o I i habilitierte sich als Privatdozent
für Zahnheilkunde.
(Todesfälle.)
Dr. G. Caruso-Pecoraro, Privatdozent für interne Pa¬
thologie an der medizinischen Fakultät zu Palermo.
Berichtigung. In der Arbeit von L ü d k e: Ueber die Chy-
lurie (No. 26) muss es auf Seite 1372, Zeile 11, heissen: Aber in
diesem Chyluriefall war die Fettmenge des Blutes nicht er¬
höht; .
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung. Dr. Max Franz iss, approb. 1904, in
München.
Ernannt. Der prakt. Arzt Dr. Joseph D e t z e 1 in Dahn,
seiner Bitte entsprechend, zum Bezirksarzte I. Klasse in Rocken¬
hausen.
Militärsanltfitswesen.
Der Abschied mit der gesetzlichen Pension be¬
willigt: dem Oberstabsarzt Dr. Schmitt, Regimentsarzt des
5. Chev.-Reg., mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uni¬
form mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen.
Der Abschied aus dem aktiven Heere mit der
gesetzlichen Pension bewilligt: dem Stabsarzt
P f a n n e n m ii 11 e r, Bataillonsarzt im 18. Inf.-Reg., unter Ueber-
führung zu den Sanitätsoffizieren der Landwehr 2. Aufgebotes.
Ernannt: zum Regimentsarzt des 6. Inf.-Reg. der Stabsarzt
Dr. Müller, Bataillonsarzt im 20. Inf.-Reg., unter Beförderung zum
Oberstabsarzt; zu Bataillonsärzten die Oberärzte Dr. Scheuerer
des 9. Inf.-Reg. im 18. Inf.-Reg. und Dupre des 2. Feld-Art.-Reg.
im 19. Inf.-Reg., beide unter Beförderung zu Stabsärzten.
Versetzt: der Oberstabsarzt Dr. Ott, Regimentsarzt des
6. Inf.-Reg., in gleicher Eigenschaft zum 5. Chev.-Reg.; die Stabs¬
ärzte Dr. Buhler, Chefarzt des Garnisonlazaretts Lechfeld, als
Bataillonsarzt zum 20. Inf.-Reg. und Dr. H e i t z, Bataillonsarzt im
19. Inf.-Reg., als Chefarzt zum Garnisonlazarett Lechfeld; die Ober¬
ärzte Dr. Miller vom 7. Feld-Art.-Reg. zum Sanitätsamt I. Armee¬
korps, Meier vom Sanitätsamt I. Armeekorps zum 1. Inf.-Reg.,
Dr. Mayer vom 10. Feld-Art.-Reg. zum 18. Inf.-Reg. und Peters
vom 2. Fuss-Art.-Reg. zum 10. Feld-Art.-Reg.; dann den Oberarzt
Dr. Karl Dix der Reserve (I. München) in den Friedensstand des
17. Inf.-Reg. als überzählig mit dem Range nach dem Oberarzt
Dr. Eber des 16. Inf.-Reg.
Befördert: zu Oberärzten (überzählig) die Assistenzärzte
Dr. Eber des 16. Inf.-Reg., Dr. Bärthlein des 18. Inf.-Reg.,
Dr. Dietrich des 20. Inf.-Reg. und Dr. Vahle des 2. Jäger-Bat.
Im Beurlaubtenstande Abschied bewilligt: den
Stabsärzten Dr. Alois Schwaiger der Reserve (I. München) und
Dr. August Kesseler der Landwehr 1. Aufgebots (Kaiserslautern)
und dem Oberarzt Dr. Adolf W i m m e r der Reserve (Aschaffenburg),
sämtlichen mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, ferner den
Oberärzten Dr. Robert Neudörffer (Hof) und Dr. Otto S e i t z
(J. München) von der Reserve, Dr. Gustav Zimmermann (Hof)
von der Landwehr 1. Aufgebots, Dr. Richard Palm (I. München),
Dr. Franz Blersch (Mindelheim), Dr. Karl Zais und Dr. Anton
Utschneider (Weilheim), Oskar Friede (Hof), Dr. Gustav
Wagner (Bayreuth) und Dr. Gustav Deutsch (Hof) von der
Landwehr 2. Aufgebots.
Befördert: zu Assistenzärzten in der Reserve die Unterärzte
Bernhard Hilter mann und Dr. Oskar May (I. München), Maxi¬
milian Kienningers (Mindelheim), Dr. Maximilan Roth (Nürn¬
berg), Dr. Salomon Krämer und Dr. Erich Spiegelberg (I.
München) und Adolf Dietz (Kissingen), in der Landwehr 1. Auf¬
gebots die Unterärzte Dr. Karl Linnich (I. München) und Julius
Gundermann (Würzburg).
Korrespondenz.
Zur Frage der Idiosynkrasie gegen Hühnereiweiss.
Im Anschluss an die von Dr. Landmann, Horwitz und
Lederer mitgeteilten Fälle möchte ich berichten, dass über dieselbe
Idiosynkrasie bei einem einjährigen Kinde eine Notiz im Buche von
Prof. A. Baginsky über Diphtherie (Wien 1898) existiert. Im
Kapitel über die Serumtherapie (S. 322, Anm.) schreibt er, dass
„bei einem einjährigen Kinde die erstmalige Fütterung mit einem,
halben Eigelb von einem eben frisch gelegten Hühnerei in noch
nicht vollen 10 Minuten eine Urtikaria erzeugte, so schwer, dass das
Kind krebsrot mit völlig blasenartig verschwollenen Augen, dick und
derb sich infiltrierender Kutis am ganzen Körper erschien . . .“ „Das
von mir beobachtete Kind war... ein kräftiger, frischer, prächtig er¬
nährter Knabe“.
Diese interessante Beobachtung glaube ich nicht unerwähnt
lassen sollen.
Dr. med. Wl. Woltke. prakt. Arzt in Moskau.
Ueberslcht der Sterbefälle In München
während der 26. Jahreswoche vom 21. bis 27. Juni 1908.
Bevölkerungszahl 556 000.
Todesursachen: Angeborene Lebensschw. (1. Leb.-M.) 12 (16),
Altersschw. (üb. 60 J.) 3 ( 2 \ Kindbettfieber — \ and. Folgen der
Geburt 1 (—), Scharlach — (—), Masern u. Röteln 2 (3), Diphth. u.
Krupp — (—). Keuchhusten 1 (1), Typhus — (lkübertragb. Tierkrankh.
— (—), Rose (Ervsipel) 1 (1), and. Wundinfektionskr. (einschl. Blut-
u. Eitervergift) 4 (1), Tuberkul. d. Lungen 29 (25), Tuberkul. and.
Org. 10(4), Miliartuberkul. — (1), Lungenentzünd. (Pneumon.) 15 (10),
Influenza — (—), and. übertragb. Krankh. 5 (11, Entzünd, d. Atmungs¬
organe 4 ( 2 ), sonst Krankh. derselb. 1 (1), organ. Herzleid. 18 (12),
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg, (einschl. Herzschlag) 4 (2), Gehirnschlag
6 (4), Geisteskrank!!» — (2), Fraisen, Eklamps. d. Kinder 3 (6), and.
Krankh. d. Nervensystems 4 (3), Magen- u. Darm.-Kat„ Brechdurchfall
(einschl. Abzehrung) 29 (46), Krankh. d. Leber 2 (3), Krankh. des
Bauchfells 1 (—), and. Krankh. d. Verdauungsorg. 4 (1), Krankh. d.
Ham- u. Geschlechtsorg. 3(6), Krebs (Karzinom, Kankroid) 10 (15),
and. Neubildg. (einschl. Sarkom) 3 (5), Selbstmord 5 (4), Tod durch
fremde Hand — (1), Unglücksfälle 2 (7), alle übrig. Krankh. 2 (1).
Die Gesamtzahl der Sterbefälle 184 (187). Verhältniszahl auf das
Jahr und 1000 Einwohner im allgemeinen 17,2 (17,5), für die über
dem 1. Lebensjahre stehende Bevölkerung 12,1 (10,3).
> ine eingeKiammerten Wahlen hedeuten die raue der Vorwoche
Verlag von J. F. Lehmann in Manchen. — Druck von E. MOhlthaler* Bach- and Kunitdruckcrci A O., München.
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Zusendungen sind zu adressieren: Für die Redaktion Anraft«
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6.—. * Übrige Bezugsbedingungen siehe auf dem Umschlag.
Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE
Herausgegeben von
l.Ungtrtr, ».Monier, I.r.BeUiager, ICinäun, LHelferich, ff.r.Leobe,S. t.I srkel,J. v. lichel, F.PiDziIdf, 0. Mauke, B. Spatz, F.r.llsskil,
Freiburg LE München. Leipzig. Eisenach. Würzburg. Nürnberg.
Berlin.
Erlangen. München. München. München.
No. 29. 21. Juli 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet)
Originalien.
Ueber eine wesentliche Verbesserung meines Serums.
Von Professor R. Deutschmann in Hamburg.
In der Sitzung der freien Vereinigung der Chirurgen
Berlins vom 9. März 1908 berichtete S c h w a 1 b a c h, wie ich
einem Referate in der Deutsch, med. Wochenschr. No. 22 vom
28. Mai 1908, p. 989 entnehme, über einen schweren Fall von
entzündlichem Exophthalmus, der ohne operativen Eingriff, nur
durch Injektionen meines Serums in ziemlich kurzer Zeit zur
Norm zurückgeführt wurde. Der mit dem Serum erzielte Er¬
folg war um so wertvoller, als das andere Auge des 50 jährigen
Patienten wenige Monate vorher durch das gleiche Leiden,
trotz operativer Eingriffe, unter Zurückbleiben von Sehnerven¬
atrophie erblindet war. Auch für das jetzt erkrankte zweite
Auge war bereits ein operativer Eingriff in Aussicht genommen,
da höchste Gefahr für den Sehnerven bestand, und nur, um
kein anderes Mittel unversucht zu lassen, erhielt Patient eine
Injektion meines Serums. Schon nach 12 Stunden' konnte das
obere Lid gehoben werden, der Bulbus war ziemlich beweg¬
lich, während als Befund vor der Injektion angegeben ist:
„Hochgradige Hervortreibung des Auges (etwa 1 cm weiter
als das andere), vollkommene Unbeweglichkeit des Bulbus,
starke Chemose und Rötung der Konjunktiva, Herabhängen des
oberen Lides und damit Unmöglichkeit, zu sehen.“ „Von einer
Operation wurde nun Abstand genommen und weitere Serum¬
injektionen gemacht, auf die in ziemlich kurzer Zeit der nor¬
male Zustand des Auges wiederkehrte. Dass das Serum auf
die Krankheit eingewirkt hatte, dafür lieferte der Patient den
Beweis erstens anfangs Februar dadurch, dass ein 2 Tage altes
Rezidiv auf 3 Injektionen innerhalb 48 Stunden zurückging,
und zweitens anfangs März durch ein einen Tag bestehendes
Rezidiv, das auf eine einmalige Einspritzung von 2 ccm am
nächsten Tage verschwunden war.“ Der Bericht schliesst:
„Sowohl bei geeigneten Fällen auf der Augenstation wie
chirurgischen Abteilung des Josephskrankenhauses haben wir
das Deutschmann sehe Serum seit Anfang dieses Jahres
angewendet (etwa 14 Fälle) und neben negativem überwiegend
positiven Erfolg beobachtet.“ — Es sind mir inzwischen eine
grosse Reihe zum Teil ganz ausserordentlich günstiger Er¬
fahrungen mit meinem Serum von seiten der Kollegen privatim
brieflich mitgeteilt worden, die freilich im Interesse der Sache
besser publiziert worden wären, und ich kann nur immer
wieder den Wunsch aussprechen, dass die Versuche in grossem
Massstabe fortgesetzt und die Resultate, ob gut oder schlecht,
möglichst ausführlich bekanntgegeben werden möchten. Man
möge sich nicht irremachen lassen durch ironische Hinweise
auf die Polyvalenz meines Serums, wie dies z. B. in einem
Referat über meine Arbeit (Heft 69 der Beiträge zur Augenheil¬
kunde) in No. 31 der Wochenschrift für Therapie und Hygiene
des Auges für 1908 geschehen ist. Derartige Angriffe werden
am besten durch Mitteilung von Tatsachen, die den Beweis
für diese Eigenschaft des Serums erbringen, zurückgewiesen.
Abgesehen von einer Fülle von eigenen und fremden klinischen
Beobachtungen, -mit denen ich diesen Beweis antreten kann,
ist derselbe aber auch inzwischen experimentell, und zwar in
den „Arbeiten aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie
zu Frankfurt a. M.“ erbracht worden. In dem neuesten von
Ehrlich herausgegebenen Heft 4 von 1908 findet sich ein
Aufsatz von M. N e i s s e r und Prof. G u e r r i n i über Op-
No. 29
sonine und Leukostimulantien. Ich entnehme der Arbeit dieser
Forscher den folgenden hier interessierenden Passus: „Aus
dem Sensibilisierungsversuch ergibt sich, dass keine direkte
Beziehung zwischen Staphylokokken- und dem Deutschmann¬
serum besteht; das Deutschmannserum vermag Staphylo¬
kokken nicht zu opsonieren. Aus dem 1. Versuch mit Deutsch¬
mannserum folgt aber, dass es gleichwohl die Phagozytose zu
verstärken vermag; eine andere Versuchsanordnung liess diese
verstärkende Wirkung des Deutschmannserums deutlich er¬
kennen.“ Es folgt nun der experimentelle ziffernmässige Be¬
weis; ich führe hier an unter B. „Sensibilisierung bei 5000 fach
verdünntem Immunserum“. Phagozytäre Zahl nach Zusatz
von aktivem Normalpferdeserum (1:100) 7,9, Deutschmann¬
serum (1: 100) 13,0, Deutschmannserum (1: 1000) 9,9.
Die Autoren N e i s s e r und G u e r r i n i rechnen danach
mein Serum zu den Leukostimulantien, d. h. zu denjenigen
Stoffen, welche die phagozytäre Kraft der Leukozyten zu
stimulieren vermögen und meinen, dass es auf Grund ihrer
Versuche naheliege, die Wirkung meines Serums auf Nukleine
zu beziehen. — Wie dem nun auch sei, welcher Natur das auch
von mir bisher supponierte Agens sein möge, welches, in
meinem Serum enthalten, den Zellen im Kampfe mit den Mikro¬
organismen, wie ich mich in meinen früheren Arbeiten aus¬
drückte, frische Energie zuführt — der ziffermässige experi¬
mentelle Beweis dafür liegt nun vor und auch die Polyvalenz
dürfte damit erklärt sein. — Ich gehe nun auf eine Bemerkung
ein, die Sch wa Ibach in seiner obenerwähnten Mitteilung
über die Wirkung meines Serums zum Sthluss macht: „Nicht
unterlassen will ich zu bemerken, dass der Kranke nach jeder
Serumeinspritzung eine Zeitlang fieberte und trotz reichlicher
Nahrungszufuhr stark abmagerte und um die Injektionsstelle
ein Exanthem und Rötung auftrat, das sich in einiger Zeit
zurückbildete. Bei weiteren Kranken, die wir aus Anlass dieses
Falles mit dem Serum behandelten, beobachteten wir diese
Erscheinungen nicht.“ Es handelte sich also jedenfalls bei
diesem Patienten um eine Serumaffektion, wie sie nicht nur
meinem Serum, sondern jedem Serum als solchen unter ge¬
wissen Umständen nachfolgcn kann. Ich selbst habe unter der
ganz ausserordentlich grossen Menge von Kranken, die ich
mit Injektionen meines Serums behandelt habe, nur zweimal
Erscheinungen von „Serumkrankheit“ auftreten sehen, dagegen
öfter leichte Erytheme, auch Quaddelbildung mit starkem
Juckreiz an der Injektionsstelle, die nur selten so intensiv
werden konnte, dass ich vorübergehend die Einspritzungen
auszusetzen genötigt war. Um diese Unannehmlichkeit zu ver¬
meiden, war Herr Dr. Enoch schon seit längerer Zeit be¬
müht, aus dem Serum den wirksamen Stoff abzuscheiden, um
ihn dann in wässriger Lösung wieder injektionsfähig zu machen.
Dies ist ihm nun auch gelungen. In einem Vortrage, den
Enoch im Vereine deutscher Chemiker in Hamburg am
25. März 1908 gehalten hat, hat er seine diesbezüglichen Ver¬
suche mitgeteilt. Es glückte ihm nach unendlich mühseligen
Vorarbeiten, die Bedingungen festzustellen, unter denen Zusatz
kalten Wassers zu meinem Serum eine Abscheidung einer
weissen Trübung erzeugte, die dann als Niederschlag gereinigt,
ein leichte Löslichkeit in Wasser durch Beifügung von Aetz-
natron oder von Neutralsalzen, sogar schwefelsaurem Am¬
moniak und Kochsalz zeigte. Es handelt sich da natürlich um
ein Globulin, das zur Ausfüllung gelangt. Die wichtige Frage
war: Zeigt die Lösung dieses Globulins die gleichen Eigen¬
schaften als Heilmittel wie das Serum, aus dem es gewonnen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1522
No. 20.
warde? Das konnte nur die Prüfung am Krankenbette er¬
geben. Ich nehme vorweg, dass meine zahlreichen Versuche
zu dein Resultat führten^ dass in der Tat dieser durch Aus¬
füllung gewonnene Körper die volle Wirkung entfaltete, wie
das Serum selbst. Zwecks Injektion w urde der aus meinem
Serum niedergeschlagene, gereinigte Körper mit Wasser auf-
geschwemmt und durch eine minimale Spur Alkali gelost.
Dabei zeigte sich als erster Vorteil vor dem Serum, dass diese
Lösung doppelt so konzentriert hergestellt werden konnte
wie dieses, so dass 1 ccm derselben 2 ccm Serum entsprach.
Als Haupteigenschaft dieser Losung aber ergab sich, dass
Personen, welche gegen jede Serumeinspritzung empfindlich
waren und mit Erythem und heftigem Juckreiz, eventuell
Urtikaria, darauf reagierten, die Lösung des w irksamen Prinzips
anstandslos, und zwar wochenlang vertrugen. Damit ist,
wenigstens soweit meine bisherigen reichlichen Erfahrungen
massgebend sind, die Gefahr einer Serumerkrankung zu ver¬
meiden und der Therapie mit diesem Heilmittel, weil es in
erheblich höheren Dosen bei geringerer (Quantität von Flüssig¬
keit verabreicht werden kann, ein noch grösserer Wirkungs¬
kreis eröffnet wie bisher. Eine rein theoretische Trage bleibt
dabei, ob das aus dem Serum niedergeschlagene Globulin
selbst das wirksame Prinzip ist oder ob es nur der Träger des¬
selben in dem Sinne ist, dass es dasselbe mitreisst; für die
therapeutische Verwendung der Lösung ist diese Erwägung
gleichgültig. Wir bezeichnen diese wirksame Injektions¬
flüssigkeit mit Deutschmannserum E. Sie wird von der Serum¬
fabrik Ruete-Enoch in Hamburg vorrätig gehalten.
Ich habe mit diesem Serum E. eine Reihe schwerer und
schwerster Fälle von Iritis und Hypopyon-Keratitis mit ganz
ausgezeichnetem Resultate behandelt, verzichte aber auf die
Wiedergabe der Krankengeschichten, die nur ermüdend wirken
könnte. Dagegen kann ich es nicht unterlassen, einen Fall
schwerster Erkrankung mitzuteilen, der wohl bezüglich des
durch mein Serum E. dabei erreichten Heilerfolges einzig da¬
steht. Dem behandelnden Kollegen, Herrn Dr. F. Man n-
hardt, verdanke ich die Erlaubnis zur Publikation sowie
die Krankengeschichte bis zur Zeit meiner Konsultation, ebenso
dem Hausarzte Herrn Dr. Brandt die Angabe und Uclur-
lassung des Aligemeiubetundes; beiden Herren Kollegen bin
ich dadurch aufs lebhafteste verpflichtet.
Herr Kollege M a n n h a r d t schreibt:
„Herr ().. 53 Jahre alt. in H.. erblindete nach wiederholten Re¬
zidiven von Iritis gonorrhoica durch Pupillciiversdiluss und konseku¬
tives Glaukom auf dem rechten Auge im Jahre lönu. 1 me ln-
dektornie, die erst im Jahre Will ausgeiuhrt werden konnte, scünt/te
das Auge vor der sonst eventuell notigen Enukleation. Am 11 . IV. n.s
zeigte sich Patient mit der Befürchtung, dass sein linkes Auge
von einer gleichen Entzündung befallen sein könne, wie früher das
rechte.
Befund: Rechts: Amaurose; links: Mvopie 2 IX, V I; objektiv
nichts Pathologisches zu finden.
12. IV. Starkes Lidödem; Bulbus intakt.
13. IV. Zunahme des Lidödems bei noch immer freiem Bulbus
14. IV. Chemosis; Gedern der T e n o n sehen Kapsel.
, . ^ f 4 * Protrusio bulbi; erkennt nur grobe Schrift; intraokular
Kein Befund. Abends: in Vorderkammer eitriges Exsudat, vom
äusseren Kammcrwinkel her in Ausläufern ausstrahlend; hat einige
/eit nichts sehen können.
16. IV. Hypopyon; daneben, ohne Zusammenhang mit dem¬
selben, eitriges Exsudat auf der Iris, das die untere Hälfte der Pupille
deckt.
i ,L. I Y\ I ^ ntere Hälfte der Kornea völlig getrübt. Epithel ge¬
ackert, stellenweiss abgehoben. Hvpopvon hat zngeiiommen.
IK. IV. Durch den oberen Teil der Pupille, durch welchen bis
dahm noch schwachroter Reflex aus dem Etindus kam. sieht man
jetzt gelbliches Exsudat im Glaskörper.“
Am Abend dieses Tages, also arn IN. IV.. wurde ich konsultiert;
ich tand links: hochgradige Protrusion des Bulbus mit Bew eglichkeits-
hemrmiiig, Lidödem, starke Chemosis der Koniunktiva, lebhafte Mirn-
kopfschmcrzen. Hornhaut zu fast *trüb, st.ppig, nur oberes Drittel
etwas klarer; Hypopyon bis über *.i Pupilleiiliolie. durch das obere
Dnttel der, wie es scheint, weiten, runden Pupille, rein gelbes Eicht
aus der liefe Lichtschein nur mittlere bis hohe Lampe. Projektion
ungenau. I uls sehr schwach, unregelmässig, aussetzeml. Patient
hochgradig deprimiert. — Seit 8-Hl Jahren bestand häufig rezidi¬
vierender Gelenkrheumatismus, der nach Herrn Koll. B r a n d t jeden¬
falls gonorrhoischen Ursprungs war. Am Herzen hatte letzterer Ge¬
räusche wechselnder Art feststellen können, sowohl an der Mitralis
Anf-öi' 1 r ^ l,anddt cs sidl «m einen endokard,tischen
fri. ) V( . ,r . ai,ss 'cht ich auf gonorrhoischer Basis beruht wie
frühere desgleichen auch. - Ich stellte mit Herrn Kollctten Mann-
1 hardt gemeinschaftlich die Diagnose aut nictaM.itis^ he Huhtlwd.-ie.
von tlc*r Her/altcktmn ausgegangen; die Prognose nmsstui wir. jeder
Erfahrung nach, als absolut sdiicdu bezeichnen l m aber eitun
therapeutischen V ersuch /u »muhen. sdihig ich Inn »,turnen nunus
Serums vor und mu/ierte n;uh Imwii.igung v-ii Herrn K- legiu
M a n n h a r d t s<üurt ca. 3 ccm. Am nächsten Vormittag war zwei¬
fellos ein Stillstand des Pto/esses w ahr iu lin.bar. D.e Inu staun n
wurden nun täglich fortgesetzt, und zwar, da nadi der 2 . >er umm tö -
tioil Erythem an der I msp: it/imgsstc de autti at. mir iu*c h mer,
' Serum E m der Dosis von 2 Ccin doppelter k< m/entr.m m. a s.» eut-
1 sprechend 4 ccm Serutix Am 23. IV. trat eine (tu «•!:.!•• ms. he An-
: Schwellung in der linken Sdidteuge geiul auf. I nter der fort¬
gesetzten Ser umhehanduing besserte sidi nun der Zustand des im-
keu Auges rapul; die Hornhaut wurde Kar. d.«s grosse llvp i'\-n
verschwand, aus dem I iindus kam t.igadi besseres rotes l ickt, so
dass am 7. V. bei gut sichtbarem Augeuhmte? gr und Veden I ge eun
wurde. Ich reduzierte deshalb ehe Se*umd- vis ,im s \ uru « <j \ a ,,j
j 1 ccm mul setzte am !<•. V. ganz damit aus. Die ! ■ K c war. dass
I ain II. V. ein Rezidiv sieh zeigte: leidite Chemosis um] iritis.iie I r-
; se lief billig eil mit Neigung zur >\ik\ hieul'i.dul'g. Idi ihm' e'tc s.-mrt
I wieder Serum E, mul zwar 4 ccm m doppeder km/i i.n.»! m. ent-
j sprechend N ccm "w-rum. Sdioti am folgenden lagt wieder R.^k-
i gang der bedrohlichen Ir s v heinuu gen. V ,>u ela an. bei w. ti*er In¬
jektion \on täglich 2 cetn >erum f, tadem-ser Ile:.muss er .o.t. Aas
Vorsicht setzte idi die täglichen luuktiouen bis 22. V. t<-:; c<n da
| au n«o h je ein** am 2t*. V.. 3n. V.. 2. VI., 5. VI.. Ik \ I.. 21. VI.
i Schon am l‘X VI. war das Auge fast \ol,ig imekti. mstrei. *t;z s. b s
auf einige leichte S\nechuu normal. > * *. Sieden So. 1.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass d.cscf 1ml-
ausgang nur ti< n >erimiiniekti< men zu \ er danke n war. v. war er
durdi den Eintritt des leichten Re/u!i\s der ent/md „heil 1 *s v }.ei-
iiuugen bei oitmbar zu vorzeitigem Ausse tzer; der l .pspo-t/i:* ge n
und das sofortige VV ieder \ er s v tiw urde n derse.ben bei VViedeuiut-
nalmie der letzteren iinumst,, ss!k fi erbracht.
In mancher Beziehung ähnelt dieser K rurkhe.tsfall dtrn
von S c b \s a I b a c b beschriebenen; in tu ult n handelt is v„h
tun schwerste Eiterprozesse bei Einäugigen; bei Inuitn war d.e
Prognose schlecht, als die Serumtherapie entsetzte. bt i be detl
war sch*m nach der ersten liuektum die Hesstrnrg /u kon¬
statieren: Dei beiden resultierte eine miss*, rorde ntm M gaust.ge
Wiederherstellung; bei beiden ist dir Ikwus dir Wirksamkeit
der Sernmbebandliing durch den sofortigen gimst. K en Emtlasx
bei Auftreten eines Rezidivs erbracht. Mein Eall ist, nieias
Erachtens, aber durch seine Schwere fnr die Wirkung niemes
Serums noch bedeutungsvoller als derjenige vi*n Sc bw al-
buch; er liefert ferner den Beweis, dass die neue Serurn-
modifikatmn E. gtuaii so leistungsfähig ist wie das Serum
selbst, und dass dieselbe da anstandslos Wochen hindurch ver¬
tragen wird, wo das ursprunglulle Serum schon muh der
zweiten Injektion Frühem erzeugte und voraiissubfluh bei
Zunahme desselben batte ausgesetzt werden müssen - gewiss
zum grössten Nachteil des erkrankten Auges.
So mochte ich dum. im Hinblick auf alle nur nun bekannten.
Erfahrungen mit meinem Serum, aufs neue zu ausgiebiger Ver¬
wendung desselben, und zwar nullt nur m dir Äugt nlu ilkundc.
Mindern auch iu allen anderen niedi/iutsJien Ihszipbiien aat-
iordern. Mit der Herstellung der Modmkation F. ist aiuh du*
geringe Gefahr, die elurdi eine eventuelle Senntikrar.khe.t
drohte, beseitigt und es ist erniogl.cht, in genüge r Fluss. K ki ;ts-
meiige hoher konzentrierte Dosen zu v e ubttic)u n. n*1Jjc
hohe Dosen sind aber, niemer Ar.su bt muh. m>t g. um m:tl r
Umständen einen Schweren k rankbt p\pr« ./e ss ir.kkti.*ser
Natur wirksam zu bekämpfen. Auf ReJmnrg enter zu kieuen
Dosis kommt w all rvc bemlu ll der grösste Ie,! der negativer;
Erfolge, und da mit dein Serum, speziell der MoJmkat.on F.*
nicht der geringste Schaden augeridttet werden kann, so ist
ein dreistes Vorgellen damit mdit nur erlaubt, s.»r de rn ge¬
radezu geboten. 4 Ccm der doppelt k«*r:ze r.tr'erte n Losung
sind (iffenbar fnr einen Erwachsenen mdit u* m.il e:; e hohe'
Dosis und eine hoch genug gewühlte enudiedtt vnrmissidit-
hdi, wie* fiher d.is Schicksal mies Aiues. so unter l trist,imlett
über das Schicksal des ganzen OfgaHismus.
Wiihfeiul des Druckes ilieses \ti?s.it/e s e*s^» ^ rj m \ '7 r
Deutschen uirili/ims dien VV <*dj’ensc iiritt e -o \". r \ . r i p'f \.
v * Hippel ans iler f rii\ ■ersn.its.nigi nk U:- k m >i *: -n.n;r f |> lt /
trag zur Seriniitfierapie bei I rkrankungen .',s \ r
iisser Seme uherw legend gimstigeii I -r.ili'in ^ n mit rvivn
V ei l.
Serum mitteiit. \\ eim es ihm bei einigen k
Verletzung und (ii.iskm pi r mle kti, m \e'\,! k
er auch bei s ,ldiea I 'r,,/i ss C n gute I o
des neuen E->erums m h'.hen D sut, inu;,:i
lieh, bedient.
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Ji. Wird
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ent. t.;g-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENEt? MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1523
Aus der Kgl. bakteriologischen Untersuchungsanstalt Neun¬
kirchen.
Ein Verfahren zum Nachweis spärlicher Typhusbazillen.
Von Dr. H. C o n r a d i, Leiter der Anstalt.
- Die Züchtung spärlicher Typhusbazillen aus keimreichen
Substraten setzt die Beseitigung der Wachstumswiderstände
voraus, die sich den Typhuskeimen innerhalb des Ausgangs¬
materials entgegengestellt haben. Bei der relativ langsamen
Vermehrung und geringen Widerstandskraft der Typhuskeime
kommt* vor allem ihre Ueberwucherung durch rascher wach¬
sende antagonistische Bakterienarten in Betracht. Der Weg
zum Nachweis spärlicher Typhusbazillen führt somit über drei
Hindernisse: Ausschaltung der Konkurrenzbakterien, Be¬
günstigung der Typhuskeime und Markierung der Typhus¬
kolonien. Ein Teil dieser Schwierigkeiten wurde bereits im
Laufe d-er letzten Jahre überwunden. Der Drigalski-
C o n r a d i sehe Nährboden und seine Modifikation, die E n d o -
platte, schufen zuerst die Möglichkeit, den Typhusbazillus in
Bakteriengemischen von nahestehenden Arten zu unter¬
scheiden. Der Löffler sehe Malachitagar brachte zwar den
Vorteil, dass ein grosser Teil der Qärungsorganismen, ins¬
besondere der Kolibazillen, unterdrückt wurde. Mit dieser
Auslese ging indes stets eine Schädigung der Typhuskeime
einher, die ihre Agglutinationsfähigkeit herabsetzte oder gar ihre
Entwicklung hemmte. Das Malachitgrün schloss die Sero¬
diagnostik der Typhuskolonien aus. Bei Typhus fand daher der
Löf fl ersehe Malachitagar als Nachweisverfahren geringen
Anklang, hier gilt gegenwärtig der Drigalski-Con-
radische Nährboden als der empfindlichste Typhusbazillen¬
nachweis. Allein auch bei diesem Verfahren lässt die Sicher¬
heit nach, sobald das Mischungsverhältnis zwischen Typhus¬
bazillen und Begleitbakterien sich sehr zu Ungunsten der
Typhuskeime verschiebt. In Würdigung dieser quantitativen
Verhältnisse ging man dazu über, durch eine vorherige An¬
reicherung der Typhusbazillen das erprobte Nachweisver-
rahren zu vervollkommnen. Zusätze von Koffein, Kristall¬
violett oder Malachitgrün sollen eine elektive Vermehrung der
Typhusbazillen bewirken. Hierher gehören die Versuche von
Ficker-Hoffman n, Lentz-Tietz, Peabody und
Pratt. Alle diese Verfahren hemmen nicht nur bestimmte
Darmkeime, sondern sie schwächen den Typhusbazillus. Wir
sehen also, dass n.oeh stets eine intensive Vernichtung der
Saprophyten nur auf Kosten der Typhuskeime zu erzielen war.
Meine eigenen Versuche stellten sich die Aufgabe, die
Ausschaltung der Konkurremzbakterien ohne jede Schädigung
der Typhuskeime durchzuführen. Die Grundlage der Methode
bildet die Tatsache, dass bestimmte Anilinfarbstoffe zum Vorteil
der Typhusbazillen eine elektive antiseptische Wirkung aus¬
üben. Bereits im Jahre 1901 konnte ich dartun *), dass vor
allem Malachitgrün und Brillantgrün, wenigstens in hohen Ver¬
dünnungen eine Vermehrung von Typhusbazillen begünstigen,
gewisse Darmkeime aber unterdrücken. In der Zwischenzeit
habe ich^Iiese Studien über antiseptische Wirkung der Farb¬
stoffe fortgesetzt. Unter ca. 400 Farbstoffen, die ich in den
letzten 3 Jahren systematisch durchgeprüft habe, bewährte
sich schliesslich Pikrinsäure sowie Brillantgrün krystall. extra
rein der Höchster Farbwerke. Beide sind saure Farbstoffe,
Pikrinsäure ein Nitrofarbstoff ist Trinitrophenol, während
Brillantgrün krystall. extra rein (Höchst) in die Gruppe der
DiamidÖtriphenylmethanfarbstoffe gehört und als Tetraätyl-
damidotriphenylkarbinolsulfat aufzufassen ist. Pikrinsäure
uird in einer Verdünnung von Visoo«, Brillantgrün krystall. extra
rein in einer Verdünnung von Visoooo bei einem Säuregehalt des
Nähragars von 3 Proz. verwandt. Die Herstellung des Nähr¬
bodens ist einfach und wenig kostspielig. Ein Liter Agar be¬
steht aus 900 ccm Wasser, 30 g Fadenagar, 20 g Liebigs
F’eischextrakt und 100 ccm einer 10 proz. wässerigen Witte-
schen Peptonlösung. Der Zusatz der filtrierten und sterili¬
sierten Peptonlösung erfolgt erst, nachdem die Sterilisation des
Agars und seine Filtration durch Watte beendet ist. Dann
wird, die Reaktion des Peptonfleischextraktagars hergestellt
i nd soviel Normalnatronlauge bezw. Normalphosphorsäure zu¬
gefügt, dass vom Phenolphtaleinneutralpunkt ab der Säuregrad
*) Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh., Bd. 39, S. 289.
3 Proz. beträgt d. h. zur Neutralisierung von 100 ccm Agar
gegen Phenolphtalein 3 ccm Normalnatronlauge erforderlich
sind *)• Hierauf werden von einer 1 prom. wässerigen Lösung
von Brillantgrün krystall. extra rein und einer 1 proz. wäs¬
serigen Lösung von Pikrinsäure (von Dr. G. Grübler-
Leipzig) je 10 ccm zu 1J4 Liter Agar gegeben. Nach Durch¬
mischung wird ohne nochmalige Sterilisierung der klare
hellgrüne Agar in grosse Doppelschalen ausgegossen. Nun
streicht man auf einer, höchstens auf zwei Platten
mittels Glasspatel soviel Material aus, als ob 3 grosse
D r i g a 1 k i - C o n r a d i platten zur Verfügung stünden. Die
Grünplatten werden alsdann 18—20 Stunden bei 37° ge¬
halten. Es zeigen danach die Typhus- und Paratyphus¬
kolonien ein charakteristisches Wachstum: die 2—3 mm grosse,
glattrandige Typhuskolonie ist hellgrün und durchsichtig, rund¬
lich und flach, in der Mitte allerdings etwas dicker als am
Rande. Bei schräg auffallendem Licht hat die Kolonie ein
mattes Aussehen. Mit Hilfe einer ca. 10 fachen Lupenver-
grösserung gewahrt man dann die charakteristische, hell¬
glänzende, körnige Struktur der Typhuskolonien und zwar be¬
sonders deutlich, wenn die Platte von einem dunklen Hinter¬
grund sich abhebt. Aehnlich sieht auch die Paratyphuskolonie
aus, nur ist sie etwas grösser und üppiger, als die Typhus¬
kolonie und ihr Farbenton geht ins Gelbgrün über. Besonders
charakteristisch für die Paratyphusbazillen ist die Bildung von
Riesenkolonien und Rasen, die sich durch ihre relative Durch¬
sichtigkeit, die spiegelnde Oberfläche, Randbuchten und das
Fehlen feingezackter Ränder auszeichnen. Ist auch diese
Wuchsform der Typhus- und- Paratyphuskolonien eine cha¬
rakteristische, so darf sie doch nicht als spezifisch gelten.
Denn es gibt Bakterienarten aus der Heubazillen-, Alkaligenes-,
bezw, Proteusgruppe, deren Kolonien keine oder nur geringe
Unterschiede darbieten. Eine spezifische Differenzierung in¬
des ermöglicht hier die Agglutiinationsprüfung der Kolonien,
wofern gewisse Fehlerquellen ausgeschaltet werden. Bisher
wurde nämlich bei jeder Kolonie, die mit hochwertigem
Typhusimmunserum auf dem Deckglas agglutinierte, ihr Ver¬
halten in physiologischer Kochsalzlösung geprüft. Diese Kon¬
trolle reicht aber nicht aus. Denn es zeigte sich, dass bei
Kolonien, die sich völlig in Kochsalzlösung auflösten, eine
prompte Ausflockerung in einem Tropfen sterilisierter Rinder¬
galle eintrat. Da nun Typhus- und Paratyphusbazillen in dem
Gallentropfen lebhaft beweglich bleiben, zur Verklebung nei¬
gende Bakterienarten aber von Galle agglutiniert werden, so
bietet der hängende Tropfen von Galle die Möglichkeit, jede
Pseudoagglutination zu erkennen. Es ist daher notwendig,
bei positivem Ausfall der Agglutination mit Immunserum auch
das Verhalten der Bakterien in Galle, nicht mehr in Kochsalz¬
lösung zu prüfen. So wird durch die Gallenkontrolle die
Agglutinationsprüfung der Kolonien mit einwandfreien Kautelen
umgeben und ihre vorläufige Identifizierung sicherer gestaltet.
Noch möchte ich hervorheben, dass der Ausfall der Deckglas¬
agglutination mit der Oelimmersion zu betrachten ist. Eine
sehr wesentliche Erleichterung und Vereinfachung der Unter¬
suchung bedeutet die Tatsache, dass relativ wenige Arten von
Organismen auf den Grünplatten wachsen. Abgesehen von
den Typhus- und Paratyphuskeimen sind es im wesentlichen
nur gewisse Angehörige der Fäulnisflora, wie der Bac. pyo-
cyaneus, bestimmte Proteus- und Alkaligenesarten. Diese
Fäulniskeime machen sich breit, weil der Kolibazillus und seine
fäulniswidrige Wirkung auf den Grünplattcn nahezu ausge¬
schaltet wird. In der Regel gelingt es jedoch leicht, die Fäul¬
niskeime durch makro- und mikroskopische Betrachtung sowie
durch die Agglutinationsprobe von den Typhusbazillen zu
unterscheiden. Zum Schlüsse noch einige Worte über die bis¬
herigen praktischen' Ergebnisse der Methode. In der Neun-
kircher Anstalt wurden seit 1. Oktober vor. Jrs. über 5000
Untersuchungen des laufenden Typhusmaterials mit den Grün¬
platten vorgenommen. Unter 2850Fäzesuntersuchungen wurden
325 mal Typhus-, 35 mal Paratyphusbazillen, von 2515 Harn¬
untersuchungen 105 mal Typhus- und 26 mal Paratyphus¬
bazillen nachgewiesen. Ebenso hat sich auch die Kombination
‘) Ein 2 proz. Fleischextraktagar ist in der Regel 2,5—2,8 Proz.
natürlich sauer. Wurden z. B. zur Neutralisierung von 100 ccm Agar
2,5 ccm Normalnatronlauge verbraucht, so sind 1 Liter Agar 5 ccm
Normalphosphorsäure zuzufügen.
V
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MUENCHENFR MEDIZINISCHE \VOCHFNSCHPfFT.
Ko. 24 .
15 24
meiner Gallenkultiir mit der Grünplatte bei der Züchtung der
Typhuserreger aus dem Blut bewahrt. Die angeführten Zittern
erbringen wohl den Beweis, dass der Nährboden im Gross¬
betrieb der staatlichen Seuchenbekämpfung sich als brauchbar
gezeigt hat. Denn erstens ist es jetzt möglich, aus
bakterienreichen Substraten innerhalb 2()
Stunden spärliche Typhus- und Paratyphus-
b a z i 11 e n herauszuzüchten. Zweitens wird
dieser kulturelle Nachweis durch die Aus¬
schaltung v o ir Konkurrenzbakterien, die
charakteristische W u c h s f o r m der Typhus-
und Paratyphuskolonien und ihre tm v c r m i n -
d e r t e Agglutination sfähigkeit wesentlich
vereinfacht. Das neue Nachweisverfahren empfiehlt sich
dadurch, dass es die Arbeit verringert und die Sicherheit
erhöht.
Aus dem Institut fiir Schiffs- und Tropenkrankheiten in Ham¬
burg (Leiter: Medizinalrat Prof. Dr. Noch t).
Weitere Untersuchungen über sog. ultramikroskopische
Infektionserreger.
Zur Filtration des Hiihnerpestvirus.
Von ( j. G i e m s a und S. P r o w a z e k.
Im Verlaufe der weiteren Untersuchungen über die sogen,
ultramikroskopischen Frreger beschäftigten wir uns ein¬
gehender mit Filtrationsversuchen des H ii h nerpest-
virus, das bekanntlich die meisten gebräuchlichen Bakterien¬
filter, wie nach Centanni Chamberland- und Berkefeldfilter,
sow ie nach eigenen Untersuchungen Pukalfilter passiert.
Es ist bereits früher in dieser Zeitschrift berichtet worden, j
dass in den wiederholt stark zentrifugierten, klaren Filtraten 1
aus vorher zentrifugiertem Gehirn-, Blut- und Leberbrei in I
nach Löffler gefärbten Ausstrichen kleinste, korpuskulare |
Elemente nachgew iesen werden konnten, von denen vermutet
wurde, dass sie die Träger des Virus in einer bestimmten
Modifikation sind. Durch eingehende Kontrolluntersuchurgen
konnten sie von den etwas grosseren, zumeist gehäuft vor¬
kommenden Hämoglobinausfällungen differenziert werden.
Wir gingen nun daran, die Pukalfilter an der äusseren
Oberfläche mit Agar-Agar, Zelloidin oder Gelatine zu iiber-
schicntcn und das Virus dann gleichsam durch diese Kolloid¬
gallerte hindurch zu filtrieren. Die Versuchsanordnung war
ziemlich einfach und geht aus der beiliegenden Abbildung her¬
vor. Der angewandte Apparat bestand aus einer Pukal¬
filter, welche durch einen Gummistopfen und eine zweimal
rechtwinkelig gebogene, starkw andige Kapillare mit einem
gleichfalls durch einen Gummistopfen abgedichteten Sauggefäss
verbunden war. Vor dem Ueberziehen des Pukalfilters mit
der Kolloidgallerte wurde der ganze Apparat im Dampftopf
sterilisiert und gut abgekühlt. Das Ueberschichten mit dem
Agar geschah in der Weise, dass man das Filter bis über den
Gummistopfen w iederholt in eine ö proz. Agarlosung ein¬
tauchte und abkühlen liess. Die Filtration erfolgte derart, dass
zunächst 6 Stunden unter Benutzung eines K ö r t i n g sehen
Wasscrstrahlgebläses bei einem Vakuum von ca. 20 mm ge¬
arbeitet wurde: sodann wurde der Saugtlaschenlialm a zuge-
dreht und das Gebläse abgestellt. Das Vakuum hielt sich auch
in der Folgezeit gut und es gingen auch spater in der Pegel
noch beträchtliehe Mengen dev Filtrates über. Dass diese Filter
sehr dicht sind, beweist der Umstand, dass bei einer Filtration
von Methylenblau in der ersten Zeit ein farbloses Filtrat
erzielt wurde, das sich erst spater nach einer intensiven
Durchfärbung der Agarschicht blaute. Bei einer Filtration
von Leberbrei, der mit physiologischer Kochsalzlösung her-
gestellt und von den groben Partikeln durch Zentrifugieren be¬
freit wurde, konnte anfangs ein nahezu farbloses Filtrat ge¬
wonnen werden; erst spater ging wohl etwas von dem Blut¬
farbstoff durch das Ultrafilter hindurch ur.J die Flüssigkeit
nahm eine leicht rotgelbliche Färbung an.
Nach der Methode von Martin, der Pasteur-Chamber-
landkerzen, Membranen von Gelatine und gelatinöser Kiesel¬
säure eingelagert, und bei einem Drucke von T<» 50 Atmo¬
sphären filtriert hatte, gingen durch das Filter folgende Sub¬
stanzen durch: Proto-, Pcutero-, Mctensilbumoscn, t ’rochrom,
Azid- und Alkalialbummat. Karamel, Bihserdin und Dextrin,
ferner in verschiedenem Umfange einige KnstalloiJe. Audi
hier spielte nach Pcid die allmahhJie Imbibition der Kolloid-
membran mit der Substanz der zu filtrierenden Losungen c.r.e
Polle.
Das Hühnerpest virus ging nicht durch
diese Agarultrafilter hindurch; Mahner, d.e
wiederholt mit diesen Filtraten subkutan behandelt wurden,
gingen nicht ein, wahrend die unfiltnertc Losung sie innerhalb
•Fs Stunden unter den für die Hühnerpest charakteristischen
Erscheinungen tötete. Die avmilcnten Huhiicrpestliitrute
wurden mit dem Ultramikroskop untersucht und es konnten in
ihnen zahlreiche, stark lichtbrediende Körperchen in oszil¬
lierender Bewegung nachgewiesen werden ein Beweis,
dass nur in der Forschung nach den ultraxisiblen Erregern
dieser Krankheit, auch das Ultramikroskop nicht weiter bringen
kann. Dagegen konnten in der vorsichtig abgetragenen, mit
destilliertem Wasser verdünnten Agarschidit des Pukabilters
] in nach Löffler wiederholt gefärbten Präparaten die oben
I erwähnten korpuskularen GebilJe wiederum nadigew lesen
j werden. In der Folge durfte es für diese morphologischen
| Untersuchungen zweckmässig se.n, d*e \on Uhlenbut
j empfohlenen Bakterienfilter in ihrem grössten 'I eil mit Paraffin
zu imprägnieren und bloss ein kleines terminales Territorium
f ii r die Filtration durch die Gallerte auszuspuren. N.uh der
! Filtratirn kann man die kleine terminale Agar-(Zelloidm-)
Schicht wie e*in De*ckglasblattchen ablosen und nach ver¬
schiedenen Methoden zur Färbung benutzen. Zur Gewinnung
von l Itraiiltraten können die (lallerttilter in zw eckmassige r
Weise derart abgeandert werden, das ein engerer, die Kapillare
tragender Filter/ylmder in einen weiteren, etwas niedrigeren
eingesenkt wird, worauf der Zwischenraum zwischen beiden
durch die betreffende Zelloidgallerte ausgetiillt werden kann;
damit allseitig ein gleichmnssig gr< sser Zwischenraum zwi¬
schen den ineinander geschobenen Filtern entsteht, muss der
kleinere Z\linder an vier Stellen seines oberen t mfanges mit
glasierten Buckeln \ersehen werden. Der Abstand zwischen
den beiden Filterbasen wird durch eine Glaskugel \c»n be¬
stimmter Grosse reguliert.
Bereits früher wurde über erfolglose Immumsierur.gx er-
sudie mit durch Wärme und Saponin ahgetotetem Muhnerpcst-
Mrns berichtet. Das im Fjssdirank m ,*i -in pro/. GKzerm
Altbewährte Virus busst nadi einiger Zeit (5 Monate ♦ ) seine
\ irulenz ein; doch konnte audi mit diesem abgeschw achten
oder avirulenten \irns eine Immunität m keiner Weise erzielt
w.erden. Nachdem aber einmal die Tatsache testgestellt wurde
dass m Glyzerin längere Zeit auibewahrtes \irus seine
N tu lenz embusst. wurden in der Folge für alle hier mitgeteilten
\ ersuche ein durch mehrere Passagen geprüftes und als h«*vh-
Mrulent erkanntes \ inis verwendet, das die Hühner in
ring steil Dosen maximal nach Ts Stunden tötete.
Wir haben ferner Hühner mit dem nicht infektiösen Ultra¬
filtrat mindestens bmal in entsprechenden Zeitabständen \ «>V-
behandelt und konnten feststclk-i. dass mi \ergleich zu den
Koritrolltiereii die Inkiibath n der Krankheit eine Verlängerung
erfährt, dagegen wird die Hühnerpest durch gleich¬
zeitiges Emspritzen von dem L'ltraftltrat und von geringen
n i jit i inn h t . Q ()( )^1 c
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UNIVERSTTY OT MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1525
Mengen des Virus — das bekanntlich noch in Verdünnungen
von 1 : 1 000 000 000 infektiös ist — nicht beeinflusst. Die
Versuche sollen weiter fortgesetzt werden.
Kurzsichtigkeit und ihre Verhütung.
Von Prof. Dr. Best in Dresden.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der
Theorie der Kurzsichtigkeitsentstefoung, insofern sie zu prak¬
tischen Folgen führt; also mit der Frage, welche Ursachen sind
daran schuld, dass eine grosse Zahl von uns im Leben Kurz¬
sichtigkeit erwirbt, während wir fast alle mit nicht kurzsichti¬
gen Augen geboren werden, und welche Massnahmen legt uns
die gewonnene Einsicht in die Ursachen der Kurzsichtigkeit für
deren Verhütung nahe, insbesondere also auch für die Schul¬
hygiene.
Denn die bisherigen Erfolge in der Bekämpfung der Myopie
sind, darüber können wir uns nicht hinwegtäuschen, recht ge¬
ringe. In den 70 er und 80 er Jahren des vorigen Jahrhunderts
begannen die Bestrebungen, vor allem durch Verbesserung der
Beleuchtung, der Schulbänke und andere hygienische Forde¬
rungen den Prozentsatz der kurzsichtigen Schüler herab¬
zusetzen. Gerade auf dem Gebiete der Schulhygiene ist durch
Entgegenkommen der Behörden und durch die allgemeine Ver¬
besserung der Lebenshaltung seit jener Zeit viel erreicht — und
die Resultate für die Schulkurzsichtigkeit? Keine Verminde¬
rung.
Auch auf theoretischem Gebiet wogt noch der Kampf.
Weder die Theorie S t -i 11 i n g s noch irgend eine andere hat
bisher den zur Anerkennung nötigen Grad von Wahrscheinlich¬
keit errungen. Es soll nachher der Versuch gemacht werden,
hierüber, soweit es zurzeit möglich ist, eine klare Kritik zu
liefern.
Vorläufig erst einige Zahlen, die diebisherige Er¬
folglosigkeit, des Kampfes gegen die Schul¬
kurzsichtigkeit beleuchten und uns andererseits
einen statistischen Einblick in ihre Ursachen tun lassen. Im Jahre
1866 fand Cohn, der um die praktische Förderung der Schul¬
hygiene am meisten verdiente Forscher, unter den Studenten
Breslaus 60 Proz. Myopie; 1880 unter den Medizinern Breslaus
59 Proz.; 1902 unter den Medizinern derselben Universität
wieder 60 Proz. — fast die gleichen Zahlen. Gärtner fand
unter den Tübinger Theologen 1861—1882 78 Proz. Kurz¬
sichtige ; unter denselben 1905 S p e i d e 1 62 Proz. Man kann
wohl sagen, dass mehr als die Hälfte unserer deutschen Stu¬
denten. kurzsichtig ist! Die Aussicht kurzsichtig zu werden
wächst mit dem Grade der Bildung. Ich führe wieder zu¬
nächst die klassischen Zahlen von C o h n an. Derselbe fand in
der obersten Klasse einer Dorfschule 1866 2,6 Proz., der städti¬
schen Volksschulen 9,8 Proz., der Prima des Gymnasiums
55,8 Proz. Kurzsichtige.
Eine Statistik von Schleich in Tübingen ergibt 1905:
1.-2. |
3.-7. |
1 8.—10. 1
1 11.—12.
Schuljahr
Qvmnasium.
l 23
16,8
45,2
38,5
Realschule.
10,7
25,6
—
Höhere Mädchenschule . .
1,6
5,2
15,8
—
Volksschule.
1,3
6,2
Eine Zusammenstellung von Roth (1905) weist in Krefeld
für das letzte Schuljahr in den Volksschulen 5,1 Proz. nach,
ebendaselbst für 20 jährige Militärpflichtige 5,6 Proz. Also man
kann für die unteren Volksschichten mit Volksschulbildung in
Deutschland 5—6 Proz. Myopie annehmen, während die Ge¬
bildeten von Klasse zu Klasse mehr aufweisen, in Latein-
Thülen mehr als in lateinlosen, in Kadettenanstalten weniger
als im Gymnasium, Offiziere weniger als Studenten, die letz¬
teren mit den eben erwähnten Höchstzahlen.
Wir Deutsche gelten im Ausland als kurzsichtige Nation,
als das Volk der Brillenträger. Aber wir haben auch als erstes
Volk allgemeine Schulpflicht durchgeführt. Und die neueren
Statistiken des Auslandes ergeben, wenn auch nicht ganz so
hohe Zahlen wie bei uns, so doch dem Prinzipe nach ähnliche.
Wie ist die Schulkurzsichtigkeit zu erklären? Man kann
die Sache scherzhaft auffassen, wie der Niederländer Straub
und sagen, das Schulgeld ist schuld daran; je mehr die Eltern
für die Erziehung ihrer Kinder aufwenden, um so sicherer sind
sie, dass ihre Kinder kurzsichtig werden. Auch ist die Kurz¬
sichtigkeit eine Prämie, die das Schicksal für recht brave
Kinder aufspart; je höher der Fleiss, um so grösser die Wahr¬
scheinlichkeit der Myopie. In Wirklichkeit ist natürlich die
Nahearbeit in und für die Schule der schädi¬
gende Faktor; je grösser der zu verarbeitende Bildungs¬
stoff, um so schädlicher für die Augen. Uebrigens ist die
Kenntnis dieser Tatsache schon Jahrhunderte alt; bereits K e p-
1 e r hat die Beobachtung ausgesprochen. Eine andere Erklä¬
rung der Schulkurzsichtigkeit als durch Nahearbeit kommt
nicht in Frage; denn wir sehen ja, dass die Kinder derselben
Rasse nur in 5—6 Proz. kurzsichtig werden, wenn sie nicht in
die höheren Schulen kommen. Aber auch diese unteren Be¬
völkerungsschichten können bei geeigneter — Versuchsan¬
ordnung hätte ich beinahe gesagt — Beschäftigung in höherem
Grade Myopie erwerben; von den Tuchstopferinnen z. B. nach
C r a m e r 69 Proz., ebensoviel wie die Studenten.
Nun ist die Sache aber mit diesem einen Faktor, der Nahe¬
arbeit, nicht völlig erklärt. Denn warum werden die 69 Proz.
Tuchstopferinnen kurzsichtig, der Rest aber nicht? Ein Kind
mit, sagen wir einmal 5 D Hyperopie, können wir beliebig mit
Nahearbeit beschäftigen; Kopfschmerzen wirds kriegen infolge
der Augenanstrengung, aber keine Kurzsichtigkeit. Ich habe
dieses Beispiel einer optischen Anomalie mit Rücksicht auf
spätere Ausführungen gewählt; allgemein genommen liegt die
Sache so, warum bleiben eine grosse Reihe von Augen trotz
Nahearbeit bei ihrer alten Refraktion (Emmetropie, schwache
Hypermetropie oder gröbere optische Anomalien)? Während
andere bei gleicher Inanspruchnahme kurzsichtig werden.
Zweifellos müssen wir verschiedene Disposition, vermut¬
lich begründet im angeborenen (und damit er¬
erbten und eventuell vererb baren) Bau des
Augesannehmen.
G r u n e r t ist einer der wenigen Autoren, die eine der¬
artige Disposition leugnen; nur die Jugend sei die Disposition.
Ich weiss nicht, wie man damit erklären kann, dass von gleich¬
jungen Kindern trotz gleicher Nahearbeit ein Teil kurzsichtig
wird und dies in verschiedenem Grade, der andere aber nicht.
Um die mehr weniger grosse Neigung (= Disposition) zur Er¬
werbung eines je nach Disposition verschieden hohen Grades
von Myopie kommen wir eben nicht herum. Und es ist mir
auch kein Grund denkbar, w r arum man den Einfluss ererbter
Faktoren (= Disposition) auf das Wachstum und den Bau des
Auges leugnen sollte.
Ausserdem ist die Sachlage so, dass die Erblichkeit
durch statistische Angaben bewiesen wird.
Diese Angaben schwanken allerdings erheblich, zwischen 30
und 80 Proz.; vielleicht am genauesten ist die Zahl von
M o t a i s: 65 Proz. Die Ermittlungen über die Erblichkeit der
Myopie sind nämlich dadurch recht ungenau, dass sie viel¬
fach nur auf den Aussagen der Patienten beruhen, nur selten
auf direkten Untersuchungen der Angehörigen. Für etwas
sicherer als die vorigen Zahlen halte ich das Resultat der Unter¬
suchungen von Kirchner und von G r e e f f, die ergeben
haben, dass Kinder kurzsichtiger Eltern 2 mal mehr der Gefahr
der Kurzsichtigkeit ausgesetzt sind als Kinder normaler Eltern.
Allerdings ist auch hier die Erblichkeit nicht voll zu fassen;
denn die Eltern können ja, trotzdem sie bei der Untersuchung
normale Augen haben, gleichwohl die Disposition zur Myopie
in sich tragen; kurzsichtig sind sie vielleicht nur deshalb nicht
geworden, weil ausgiebige Nahearbeit in ihrer Kindheit fehlte.
Wegen der latenten Disposition müssen die Prozent¬
sätze der Erblichkeit schwanken. Zum Beispiel: Evangelische
und katholische Theologen in Tübingen werden nach Speidel
in gleichem Prozentsatz kurzsichtig; die evangelischen haben
54 Proz. Heredität, die katholischen nur 21 Proz. in ihrer As-
zendenz. Die evangelischen stammen mehr aus Pfarrer- un. 1
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1526
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
No. 29.
Lehrerkreisen, also von Vätern mit Nahearbeit; die katholischen I
mehr von Bauern, also aus einer Bevölkerungsschicht, in der
die Myopiedisposition nur schlummert, wegen fehlenden in¬
tensiven Lesens und Schreibens aber nicht zur wirklichen
Myopie wird.
Die Latenz der Disposition hat vielfach zu Trugschlüssen
geführt. Durch die Schule wird ein grosser Teil der Kinder,
deren Eltern noch normale Augen hatten, kurzsichtig; und da
nun deren Kinder später eine scheinbar neue erbliche Be¬
lastung in sich tragen, muss ja, wie z. iB. E r i s m a n annimmt,
nach einigen Generationen die Mehrzahl aller Europäer, we¬
nigstens der Städtebewohner, kurzsichtig werden. Auch bei
Cohn findet sich der Gedanke, dass bei der erwiesenen Erb¬
lichkeit der Myopie und der Hineinbeziehung immer neuer
Kreise durch die Nahearbeit die Kurzsichtigkeit der Bevölke¬
rung zunehmen müsse. Allen diesen Gedanken liegt der Fehler
zu gründe, dass sie nicht damit rechnen, dass auch normale
Augen die Disposition zu Myopie in sich tragen können, ohne
dass wir es ihnen anmerken. Nach meiner Auffassung liegt
die Sache so, dass ein Kurzsichtiger auch bei absolut normaler
Aszendenz sein kurzsichtigkeitsdisponiertes Auge ererbt hat;
bei gleicher Belastung des Auges mit Nahearbeit würde die
Statistik 100 Proz. Erblichkeit ergeben; bei den ungleichen An¬
forderungen in den verschiedenen Generationen bezw. Indi¬
viduen kann man nur erwarten, dass bei Kurzsichtigen gegen¬
über Normalen ein gewisses Plus von Myopie in der Aszendenz
gefunden wird, wie dies tatsächlich der Fall ist.
Die Disposition zur Myopie ist anscheinend bei allen Men¬
schenrassen in gleicher Weise verbreitet; wenigstens lassen
die grossen Unterschiede in der faktischen Verbreitung der
Myopie sich recht gut auf die grossen Bildungsunterschiede,
d. h. auf die mehr weniger grosse Anstrengung der Augen
während der Jugend mit Nahearbeit zurückführen.
Aber schon bei dieser Frage sehen wir eine gewisse Un¬
sicherheit in der Entscheidung. Wer von den beiden Fak¬
toren im gegebenen Fall anzuschuldigen ist, Nahearbeit oder
ererbter Bau, das macht nun für die Theorie der Ent¬
stehung der Kurzsichtigkeit noch viel grössere
Schwierigkeiten. Eine Gleichung mit 2 Unbekannten ist nicht
so ganz einfach aufzulösen.
Wollen wir die Entstehung der Kurzsichtigkeit erklären,
so ist es wenig zw r eckmässig von der „Disposition“ auszugehen.
Mit der lässt sich nicht experimentieren. Sie bildet gleichw ohl
den Hauptbestandteil einiger Theorien. Einige von ihnen
tragen sofort den Stempel der Unwahrscheinlichkeit an sich,
weil sie allgemein biologischen Grundsätzen widersprechen.
So sollte nach Lange das Fehlen von elastischen Fasern in
der Sklera an der Myopie schuld sein, was unterdessen wider¬
legt ist. Die Theorien von S t i 11 i n g und von Gallus
nehmen ihren Ausgang vom Bau der knöchernen Augenhöhle;
auch sie sind insofern w'enig wahrscheinlich, als im allge¬
meinen die Anlage der Organe bestimmend ist für ihre Um¬
hüllung. Also das Wachstum des Auges ist massgebend für
die Orbita, nicht umgekehrt, dass sich das Auge nach der Kon¬
figuration der knöchernen Wandungen richten müsste wie denn
auch z. B. nach Enukleation des Auges die kindliche Orbita
gegenüber der normalen im Wachstum zurückbleibt.
Wollen wir die Myopiegenese aufklären, so ist es am
besten, von dem Faktor auszugehen, der im Individualleben
experimentell veränderlich ist, vonderNahearbeit. For¬
schen wir also zunächst nach den Bedingungen, unter denen
die Nahearbeit kurzsichtig macht. Da ist am wichtigsten,
dassdies nur während der Wachstumszeit ge¬
schieht. In diesem Punkte ist S t i 11 i n g unbedingt recht
zu geben, der die Bedeutung des Wachstums klar erkannt hat.
A s k hat nachgewiesen, dass der Prozentsatz der Myopen
unter den Kindern durchaus parallel dem Wachstum zunimmt,
und auch dass die Höhe der Kurzsichtigkeit im einzelnen Fall
entsprechet«! der Körpergrösse wächst. Jenseits 25 Jahren
kann man im allgemeinen sicher sein, keine Myopie mehr zu
erwerben; direkt beobachtet, ohne auf subjektive Angaben des
Patienten angewiesen zu sein, habe ich unter den zahlreichen
Myopen keinen, der im erwachsenen Alter seine Rfeffaktions-
anomalie envorben hätte. Aber es ist zuzugeben, dass ge¬
legentlich auch in mittleren Jahren die Erwerbung einer Nahe-
arbeilskurzsichtigkeit vorkommt. Solche Ausnahmen, die übri¬
gens sehr selten sind, erklären sich wohl ungezwungen da¬
durch, dass eine gewisse langsame, dem Wachstum verwandte
Regeneration der Gewebe auch später im entwickelten Organ
stattfindet. Sehr viel eindeutiger ist es, dass eine Zunahme der
Myopie trotz dauernder weiterer Nahearbeit, ja vielleicht trotz
vermehrten Schreibens und Lesens im Lebensberufe, nach dem
20. Jahre selten, nach dem 25. so gut wie nie eintritt. Die in
der Jugend einmal erworbene Myopie bleibt, wie wohl die
Mehrzahl der Leser aus eigener Erfahrung oder derjenigen
ihres Bekanntenkreises weiss, durch das ganze Leben durch
konstant; nimmt manchmal sogar um kleine Beträge ab; sehr
selten zu — und diese Ausnahmen können bei ihrer verschwin¬
denden Zahl an der Allgemembedeutung des Wachstums für
die Entstehung der Kurzsichtigkeit nichts ändern.
Also die Nahearbeitskurzsichtigkeit ist eine Wachstums¬
erscheinung; und die Frage spitzt sich somit dahin zu: wel¬
che Faktoren regulieren das Wachstum des
Auges? Damit, mit dieser neuen Feststellung ist zugleich
gesagt, dass wir wohl vorläufig die Ursachen der Myopie¬
genese nicht ganz vollständig überschauen werden. Denn wir
können bei keinem Organ die Wachstumserscheinungen me¬
chanisch auflösen, wenigstens mit unseren vorläufigen Kennt¬
nissen darüber. Aber wir können versuchen, wie weit wir
kommen. Auf das Wachstum eines Gliedes muss zunächst von
Einfluss sein seine Erbmasse (= Disposition), worüber wir
zunächst hinweggehen wollen. Sodann bei gegebener Dispo¬
sition die Art seiner funktionellen Inanspruchnahme; ferner
können eventuell äussere mechanische Faktoren eine Deformi¬
tät hervorrufen. Muskeln, als das bekannteste Beispiel, werden
stärker durch individuelle Anpassung an vermehrte Leistung;
andererseits entstehen durch zu starke Belastung statische De¬
formitäten, wie Plattfuss u. a. Worum handelt es sich am
Auge ?
Unser Auge muss von Geburt an bis zur völligen Aus¬
bildung etwa 6 mm im Durchschnitt in der Längsachse wach¬
sen; aber dieser Betrag ist nicht etwa für jedes Auge kon¬
stant, sondern je nach Hornhautradius individuell verschieden.
Damit normale Refraktion erreicht wird (Emmetropie oder
schwache Hypermetropie; Kriterium S 1 ohne Glas; nach R o t h
78,5 Proz.), muss eine Wachstumsbeziehung zwischen Hom-
hautradius, Linse und Augenlänge vorhanden sein. Diese Be¬
ziehung ist sicher grossenteils erblich reguliert, aber da eine
immerhin recht grosse Zahl ( 4 /s) aller Menschen bei normaler
Refraktion anlangt und Bruchteile von Millimetern schon eine
erhebliche Refraktionsänderung machen, so ist doch wohl der
Schluss berechtigt, dass eine geringe individuelle An-
passungsmöglichkeitandieOptikderAussen-
w e 11 vorliegt. Vielleicht hat diese individuelle optische An¬
passungsmöglichkeit auch mit Schuld an der phylogenetischen
Erwerbung der Emmetropie. Ob nun dies letztere richtig ist
oder nicht, jedenfalls spricht für das Bestehen einer individu¬
ellen optischen Anpassung die Nahearbeitskurzsichtigkeit.
Wenn jemand dauernd sein Auge auf kurze Entfernung ein¬
stellt, als „Bücherwurm“ während seiner Jugend eine Nahe¬
distanz und nicht die Ferne zu der physiologisch am meisten
benutzten optischen Einstellung macht, so stellt sich, wie die
Erfahrung zeigt, die Augenachse hinsichtlich ihrer Länge auch
auf Nahdistanz automatisch ein. Dieser Vorgang legt es doch
wirklich nahe, dass wir es da mit einer individuellen Anpas¬
sung zu tun haben. Dass gelegentlich ganz unzw^eckmässige
hohe Grade dieses Vorganges sich entwickeln, kann nicht wun-
dernehmen, denn die Natur arbeitet nicht so exakt, dass Fehler
vermieden würden. Vielfach ist gegen diese Auffassung der
Myopie als zweckmässige Anpassung Wider¬
stand laut geworden. Myopie sei keineswegs etwas zweck¬
mässiges. Ist sie auch nicht, aber wenn jemand in seiner
Jugend seine Augen zu viel in der Nähe braucht, so liegt die
primäre Unzweckmässigkeit eben hierin. Zum anderen ist
an diesem Widerstand eine Verwechslung schuld. Nur von
individueller Anpassung fct 1 »die Rede. In ph y 1 o g e n e ti¬
sch e in Sinnist die Myopie keine Anpassung;
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21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1527
wir könnten uns ruhig noch. Jahrtausende mit Nahearbeit be¬
schäftigen und demgemäss 50 Proz. und mehr Myopie er¬
werben; und die erste Generation, die wieder in der Kindheit
ihre Augen mehr für Ferne einstellte, würde sofort wieder nor¬
male Refraktion haben. Zum mindesten gibt es keinen Be¬
weis für die Vererbung einer erworbenen Eigenschaft auf
unserem Gebiet; den Schein einer solchen täuscht nur die
Latenz der Disposition vor.
Dass man die Nahearbeitsmyopie als eine Druckde¬
formität ansähe, wäre die zweite oben erwähnte Möglich¬
keit. >' Indessen ist das Wachstum der Organe im allgemeinen
so unabhängig von äusseren Faktoren, dass Deformitäten nur
bei schwerer Belastung Vorkommen. Trotzdem nimmt die
weitest verbreitete Theorie eine solche beim Auge an, durch
Druck der äusseren Augenmuskeln. Das ist mir bei der zarten
Ausbildung dieser Muskelchen und der sorgfältigen Ausglei¬
chung des minimalen Druckes durch ihre Anordnung und Be¬
ziehung zur T e n o n sehen Kapsel von vorneherein sehr un¬
wahrscheinlich. Wir wollen diese Möglichkeit darum nicht
verfolgen, weil vermutlich Irrwege dabei herauskommen.
Also wenn die Kurzsichtigkeit eine Anpassung an optische
Dinge ist, so kann diese Anpassung wohl nur mit denjenigen
Vorrichtungen Zusammenhängen, die uns schon normalerweise
gestatten unser Auge für fern und nah einzustellen, mit der
Akkommodation. Die Artde r Benutzung der Akom-
modation reguliert das Wachstum des Auges,
soweit es da einen angeborenen Spielraum gibt. Wie man sich
diesen Einfluss der Akkommodation vorstellen kann, ist von mir
in einem Vortrag in der Heidelberger Ophthalmologischen Ge¬
sellschaft 1907 ausführlicher erörtert. Ich gehe davon aus, dass
die Akkommodation die Aderhaut nach vorne zieht, was durch
eingespiesste Nadeln am Tierauge bis zum Aequator des Auges
nachgewiesen werden kann. Dem Akkomodationsvorgang ent¬
gegen wirkt die der Aderhaut und ihrer Lamina elastica inne¬
wohnende Elastizität; diese Elastizität ist nach meiner Auffas¬
sung mit dem Wachstum des Auges am hinteren Pol verknüpft.
Wenn man sich die Sache mechanisch vorstellt, so kann man
von Ueberdehnung der Aderhautelastizität sprechen. Nun ist
nachge wiesen, dass das kurzsichtige Auge speziell am hinteren
Pol ektatisch wird; z. B. ist nach Sattler das hintere Ende
der Obliquus(sup.)sehne beim normalen Auge ca. 3 mm, beim
kurzsichtigen bis zu 10 mm vom Sehnerven entfernt. Dass
gerade der hintere Pol derart wächst, ist wohl in erster Linie
auf angeborene Faktoren zurückzuführen, d. h. das Wachstum
findet eben nur hier hauptsächlich statt, während der übrige
Teil relativ w r enig wachstumsfähig ist. Man kann sich die
Sache auch mechanisch vorstellen, wenn man annimmt, dass
entsprechend dem Defekt in der Aderhaut am Sehnerven und
ihrer mangelhaften Anlage in seiner Umgebung (Konus!) hier
die Elastizität am ehesten nachgibt.
Folgt man dieser Theorie, die einen Zusammenhang zwi¬
schen Akkommodation und Wachstum annimmt, so sind zugleich
gewisse Folgerungen für die Art der Disposition ge¬
geben. So wird zur Myopie disponieren eine mangelhafte
Elastizität der Aderhaut am hinteren Pol, wie
sie sich in ausgesprochenen Fällen durch Risse in der Lamina
elastica, Aderhautatrophie, Dünne der Sklera am hinteren Pol
des Auges dokumentiert. Die Dünne d e r S k 1 e r a, die von
Heiyeu. a. besonders betont wird, ist in vielen Fällen kor¬
relativ zu der mangelhaften Ausbildung der
Aderhaut von Geburt an angelegt, in anderen vielleicht
sekundär nach vorherigen Elastizitätsverlust der Aderhaut.
Mangelhafte Anlage der Aderhautelastizität bezw. der elasti¬
schen Sehne des Ziliarmuskels ist oft korrelativ mit unge¬
nügender Akkommodations-undKonvergenz-
kraft verknüpft; und wenn wir in vielen Fällen von Myopie
und zwar gerade in den fortschreitenden finden, dass die Akkom¬
modation eine geringe ist—von Pfalz besonders betont—oder
die bekannte „Insuffizienz der Interni“ beziehungsweise sogar
Divergenzschielen, so sind diese Symptome nur ererbte Korre¬
late zu der mangelhaften Anlage der elastischen Kraft der Ader¬
haut. Auch das U e b e r Yf g n (}• e r jL^ä n g s p,a r t i e d e s
Z i 1 i a f m u s k e 1 s gegenüber der ringförmigen gehört zu den
disponierenden Momenten. Wenn endlich bei Myopie sich
häufiger Astigmatismus findet, als sonst, so ist auch
dieser wie die Myopie (besonders die höhere) nur ein weiteres
Zeichen der angeborenen Verbildung des Auges; seltener liegt
die Sache so, dass der Astigmatismus zu grösserer Annäherung
der Arbeit ans Auge veranlasst und zu den direkten Ursachen
der Myopie gezählt werden muss.
In welchem Verhältnis die beiden ursäch-
lichenFaktorenderKurzsichtigkeitbeieinem
gegebenen Fall mitwirken, ist nicht immer klar zu
erkennen. Natürlich gibt es Fälle, bei denen die Nahearbeit
gar keine Rolle spielt. Wenn einer auf einem Auge beispiels¬
weise normal ist, auf dem anderen 10 oder 20 D Myopie hat,
so wird das niemand der Nahearbeit zur Last legen. Die hohen
Grade der Myopie und manche niederen mit auffallend gros¬
sem Konus gehören wohl grösstenteils hieher; aber wieder bei
anderen klinisch durchaus gleichen müssen wir doch gelegent¬
lich Nahearbeit mit anschuldigen. Die hohen Grade kommen
unter der ungebildeten Landbevölkerung Russlands ebensogut
vor wie bei Gebildeten, vielleicht bei letzteren um etwas häu¬
figer (nach Sattler doppelt so häufig, w'omit sich ein gewisser
Einfluss der Nahearbeit auch hierbei zeigt). Es ist zuzugeben,
dass diese „deletäre“ Form ätiologisch different
ist von der typischen „Schulkurzsichtigkeit“
von 1—5D, aber nur dem Verhältnis nach, in dem der ererbte
Bau und die Nahearbeit ursächlich beteiligt sind; eine scharfe
Trennung ist unmöglich. Andererseits gibt es natürlich zahl¬
reiche Fälle, in denen der ererbte Bau des Auges vor den
Schäden übermässiger Nahearbeit bezw\ dauernd gleichmäs-
siger Naheakkommodation schützt, besonders bei typisch hyper-
opischem Bau des Auges, mit seinem in der Regel sehr kräf¬
tigen Akkommodationsmechanismus (wozu auch eine gut aus¬
gebildete elastische Sehne des Ziliarmuskels gehört).
(Schluss folct.)
Der Hermaphroditismus beim Menschen.
Von Alfred Hegar.
In dem unter obigem Titel erschienenen Werk von Franz
Ludwig v. Neugebauer sind, so weit so etwas überhaupt
möglich ist, alle veröffentlichten Beobachtungen dieser Miss¬
bildung gesammelt worden. Die überaus mühsame und
fleissige Arbeit steht so einzig in der Weltliteratur da. Die
einzelnen Fälle werden nach den Anfangsbuchstaben der
Autoren, also in alphabetischer Ordnung, aufgeführt. Die bei¬
gegebenen Inhaltsverzeichnisse sind nach den Formen der
Anomalie, nach den Komplikationen mit körperlichen Krank¬
heiten, Psychosen und bösartigen Geschwülsten, nach den
Lebensschicksalen, den Zusammenstössen mit der Justiz
u. a. m. angeordnet. So kann man leicht finden, was man sucht.
Der Gegenstand hat für die Vertreter der verschiedensten
Fächer ein grosses Interesse. Die Aufmerksamkeit des
Psychologen und Psychiaters wird sich auf den seelischen Zu¬
stand, die Triebe und Affekte des missratenen Geschöpfes
richten. Der Chirurg und Gynäkologe muss seine körper¬
liche Beschaffenheit kennen, um diagnostische Irrtümer und
ungerechtfertigte Operationen zu vermeiden.
Die Juristen und Aerzte, welche mit gerichtlicher Medizin
zu tun haben, werden durch Reklamationen wegen falscher
Einträge in das Buch des Standesbeamten, wegen Eheschei¬
dungsprozessen, Fragen über Zurechnungsfähigkeit bei Homo¬
sexualität in Anspruch genommen.
Die grösste Bedeutung hat das Thema für den Biologen.
Es verschafft uns Auskunft über die Korrelationen der Keim¬
drüse und sein Studium gab den ersten Anstoss zur Ver¬
werfung der, unter, andern auch von Vi rchow vertretenen
Lehre von der Omnipotenz des Hodens und des Eierstocks,
deren Gegenwart als notwendige Voraussetzung für die Ent¬
stehung und weitere Entwicklung der männlichen oder weib¬
lichen Sexualcharaktere galt. Geoffroy St. H i 1 a i r e, durch
seine Untersuchungen über Hermaphroditismus veranlasst,
sprach sich zuerst für einen von der Keimdrüse unabhängigen
Ursprung und weitere Ausbildung der übrigen Abschnitte des
Genitalsy$tems aus. K I e b,$ ,schljesst sich diesem 1 Autor an
und sagt, in seiner bekannten Arbeit über Hermaphroditismus,
ausdrücklich, „dass das Geschlecht der Keimdrüse die typische
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15-8
MUENCMENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N.
*).
Entwicklung der übrigen Abschnitte des Sexualapparaies nicht
bestimme, und wenn sich diese meist dennoch in der gleichen
Richtung mit der Geschlechtsdrüse ausbilden, dies offenbar
von einer gleichnuissig der ganzen Keimanlage mitgeteiltcu
Bewegung herrühre".
Puech erklärte sich aus Gründen, welche er den Er-
gebnisen seiner Forschungen über angeborenen Defekt und
über rudimentäre Zustände der Ovarien entnahm, gegen das
Dogma von dem übergrossen Einfluss dieser Organe. Ich habe
in meiner Schritt über „Kastration der brauen ) die über den
Hermaphroditismus, die Folgen der Kastration, sowie die an¬
geborenen Mängel und Verkümmerungen der Keimdrüsen bis
dahin bekannten Tatsachen zusammenzustellen gesucht. Ich
beabsichtigte dadurch, einen Aufschluss über die Beziehungen
jener Organe zu den übrigen Abschnitten des Genitalapparates
und anderw eitigen Organen zu erhalten. Dabei bin ich zu ähn¬
lichen Schlüssen gelangt, wie meine genannten Vorgänger. So
hob ich hervor, dass bei angeborenem Defekt beider Eierstocke
der Uterus bis zu intontiler Beschaffenheit und bei Pseudo-
liermaphroditismus mascul. noch weiter ausgebildet sein
könne*’). Jedes Organ besitzt eben eine eigentümliche, von
der Umgebung und anderen Organen unabhängige Entwick¬
lungsenergie, wie Born durch seine genialen Experimente be¬
wiesen hat.
Doch habe ich dem Eierstock eine die Ausbildung be¬
günstigende Einwirkung zugeschrieben, wenn auch ohne ihn
ein Individuum seinen geschlechtlichen 1 ypus erhalten könne/)
Dabei habe ich ausdrücklich auf den innigen Zusammen¬
hang des Ovariums mit dem Uterus und seinen bunktimien
hingewiesen, wie er zwischen ienem und den anderen >e\ual-
charakteren in so hohem Grade nicht besteht. Das Experiment
bewies, dass nach Kastration junger I iere der Fru Jithalter
nicht mehr wuchs, während er nach der wegen Erkrankung
ausgeführter Kastration erwachsener Frauen zusammen¬
schrumpfte. Darauf gründete ich meine Empfehlung dieser
Operation bei Fibromen, welche sich nach dieser gewöhnlich
rasch verkleinern.
Meine Schüler, Becker 1 ), A 11 e r t h ti m. L i n g e I “),
S e 11 h e i in *) haben in ihren Arbeiten später nicht bloss durch
Aufräumen und Beseitigung alten Schuttes Negatives geleistet,
sondern auch positiv wichtige, bis dahin unbekannte I atsachen
festgestellt, so das Erscheinen eines reichen Federschmuckes
beim Kapaunen*), während man diesen bis dahin der Henne
gleich werden liess, das späte Eintreten der knöchernen Aer-
einigung der Diaphyse mit der Epiphyse und das da¬
durch bedingte stärkere Längenwachstum der Knochen, bei
Kastration a ). Von grossem Interesse ist auch das Ver¬
halten der Brustdrüse, welche nach Exstirpation der Ovarien
beim jugendlichen Tier verkümmert, während sie bei einem
kastrierten Mädchen oder Frau gut ausgebildet bleibt und
selbst sezerniert, sogar bei Nulliparen ").
Ich habe die Resultate meiner Studien in einem Auf¬
satz über „die Korrelationen der Keimdrüse und die Ge-
schlechtsbestimmung" kurz zusammen gefasst.
Alle diese Arbeiten sind vor der Schrift M a I b a n s r ) „Die
Entstehung der Geschlechtscharaktere" erschienen, teilweise
sehr viel früher. Die Anschauungen Malbans stimmen im
w esentlichen mit den mehligen überein. Er bezeichnet den Ein¬
fluss des Ovariums auf die übrigen Sexualcharaktere als einen
protektiven, während ich ihn als einen begünstigenden
darstellte. Die Unterlagen, auf welche sich Mal bau hei
seinen Schlüssen stützte, angeborene und erworbene Defekte
') Volkuumiis Samml. kliu. Vnrtr. 1N7N, pag. M<> Us.
-) IhkL pag. X 1 2.
") Ibid., pag, SU.
’) Seil he im: Beiträge zur Geburtshilfe und (h Jiakolngic,
Bd. I. pag. id.s.
’) Becker: Der männliche Kastrat. luaug.-Piss.. I'reiburvr
is% und Seil heim: Beiträge zur Geburtshilfe und Gynäkologie.,
Bd. II, pag. 23(}
') l.ingel: Zur hrage nach dem l.inilusse der Kastration auf
die b.ntw icklmig der Milchdrüse. Inaug.-Diss., f’icibuig l'*HU
\lterthum: Die h’olge/ustande nach Kastration mul die sekun¬
dären (ieseliieditscharakteie. Beitr. z. Geburtsh. u. G\ nakol., Bd. II,
pag. Id.
: ) Archiv f. Gy’äknL Bd 7(1 p. ’nä.
der Keimdrüse und Merm ipliroditismus. sw:d dieselben. wi/Jie
ich bereits 1S7S in iir liier „Kastration der D.miu" hi nutzte.
Der Mermaphroditismus liefert, wie aus dem Aorfurgihea-
deii erhellt, einen wertvollen Beitrag zu unserem Urte:! uhe r
die Korrelationen der Keimdrüse. Er wirft muh in I uh: aal
die Sumimesge^chiehte des Muis,iieu und auf die (ie s JileJits,
bestimmiiug. wenn freilich das Du: kel. weklus dar.Zur
schwebt, nicht vollständig versjiuuht wird.
Wir müssen anuelimeu. dass früher zweierlei Ke uiJuih u
vorhanden waren, wie wir es muh muh heutzutage bei d-. n
wahren Zwittern sehen, w eklig zwar beim ALmsJun sehr
selten, bei anderen Säugetieren, wie bum k\ li ui J dem
Schwein, häufiger mi/ntrelk u cikI. Du h i un IU o
Ti ms ist die eine Keimdrüse ohne Ausnahme u: i:mn sehr
reduzierten Zustand, was darauf h ; deutet, dass s e bei dun
Genus bald vollständig \ i r 'Jiw u de n werde. In einem Indi¬
viduum von normalem Ges v h1eJi!s!\pijs ist es bereis so Weit
gekommen, wahrend dir I eiPmgs. ippur.it. wiUur mit dir
verschw undi neu Keimd'use m \ i rbu dang s'uvd. durch s t je
Aerkimmierimg dartut, dass er desuii Be.spUe f Igett wude.
Bei dem sog. ScIiemzw 11!c r ist i ' t.i'k die er e V:
der Keimdrüse in Wegfail gek< imrin. Bude I e.nmgs.ipp.o ;*e
halten sich erhalten; der eine fast immer xul weniger g .!.
als der andere. Merkwürdigerweise ist ,1er gut aiisgebi!di\
der. welcher beim normalen Mensjtui n..t der Kemidruse ur-
buiukii ist, welche luim Zwitter nicht nu.hr existiert. ENns.»
verhält es srIi mP den übrigen Sexual Jia r uktert n. welche
ebenfalls, wie man sich ausdnickt, lu te r oa ger Natur sind.
Das ist jedoch selten ganz dur J 1 .. 1 1 ' t. < iew . •hidu.li be¬
gegnet man einem MisJimaseh lu tc roh .ger und homologer
(iesclilechsmerkmale und die Zahl dieser k <>niI' natu mui ist sehr
gross. Man mag siJi aber irgend eine ausdu kut. Mits w:rd
man in dem N e u g e b a u e r sehen W e rk e :n aus der I iteratnr
entnommenes Beispiel auffiuden. Der von nur sdn n Dafü r
gemachte Vergleich mit einer grossen Ar/..hl vmi M<s,k-
stiic keilen, welche man bebt big zu diesem <>.k r ienem Bdd
zusammenfügt, liegt nahe.
Der mit Beteiligung dir pr im.r i n Sexual ch.rukUre ver¬
bundene Mermapliroditismns ist ruht gerade h.e:?:g. iVJi
scheinen Unterschiede zwischen Rusm u rud N-ituun zu be¬
stehen. Ich glaube nicht, dass ein linziln.ir in I k utschl.md
so viel eigene Beobachtungen machen k«»rre. wie v. N e u g e -
bauer in Dolen. Eingehende EorsJmt g< n m zivilisierter:
Eändern vermögen allem über die Müdigkeit dir M:ssh:'duug
Auskunft zu geben. Aon grossem Interesse wäre is ;\\ wissen,
wie es bei wilden \ nlke rschafte u und bei den Mu'sJr raffen
damit bestellt ist.
Wenn man muh die sekundären Sexua 1 . ha-akte^e h.-r.m-
zieht, wozu die Bert. Jrignng votlugt. sn wird nur: d e / ih!
der Hermaphrodi Vn ho, h einschätzen m:iss t brululi hat
man sich vor falscher Bugm -e zu hiitefb N-. gativ e F.gen-
schaften. wie eine verkümmerte Brustdrüse b«.\\ t H ein
im Wachstum zurückgebliebener Kih'k. ;ü er! t . , \
stimme hum Mar ne Rönnen sehr wohl b tm • .äs«*-, •; s, mi und
einer in der Kmderziit m.tge! rebren I‘ i:tw u k 'n- -gss*,»: mg.
ibfolge Sc lile'e fiter Ernahrimg und Rot per |d\ ge. ihnn IVsprmg
verdanken. Selbst M\pospadi.e massigen (r.idrs i s: v a’buht
zuweilen als ein hotalismus auf/ufussi n und 1 -. : * in i o r sjod-
1 ich eil Einwirkung auf die Brüht Joe «äii "e. B« sr u < k _
schli chtsnu rkmale. wie eine \o|V Brnyd’iise bi ”, \\.r, r e.
cif’ Backenbart heim Web. sind w u » \ ..’b re Ird.u-n
Selbst bei A ermudung ailt r dragnostis n Du-u-.r be¬
gegnen uns v ielfach I Yrs-u:i p. w i k he. r.e!\u nopri.skm ( iu i-
; talapparat mannlijier odi r weihlulu r A't sekundäre Sev:.:!-
I Charaktere dt s amli reu ('us/D J,:s an s.Jj t r .i e; e n . ik
i Mann fallt eine I istelsimime auf. w/Jn -::Jp en I: s.
J Ullis auf/iilassen isi t eine gut ausgehikfi !e I bns:drase, Mvts.-
, spadie höheren (irades, Minuugtirg zu we i; .Jur D.es^h.;::i-
, K r m:g. wuhlkhe S.miesart und Denkweise. Vuh de Ikun.
Sexualität soll naJi Angal'e umger Anäur « ;• v < Ta
woran ich zweifle. A|tr s Ji, um, a’s oh J t r \ :g ir: guii
Verkehr mit Individuen des , eeruu \ vo
zu l irunde liugui. w eiche mü dun Mermap!ood.:.s;-.js pc Vv b..
uis nichts zu »im haben. I k .uf \\ . ibe K-.rkr w : r k
So'mme. Dartw uJu, s.i,.. t \ \] .. v .. , A j u, L . ri _
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21 . Juti 1908.
MUENCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1§29
schäftigungen, welche dem Manne ^ukommen. Perverser
Sexualtrieb scheint seltener zu sein.
So schieben sich in die Zusammenstellung der Geschlechts¬
merkmale, welche wir die männlichen nennen, weibliche Merk¬
male ein und umgekehrt Meist sind es leichtere Abweichungen
vom Typus, bei denen wir von konträren Sexualcharakteren,
Feminismus und Maskulinismus sprechen, Erscheinungen rück¬
ständiger Natur, aus der Vergangenheit zurückgebliebene
Reste. Es ist zu wünschen, dass die Individuen, an welchen
sie zum Ausdruck kommen, insbesondere die Homosexuellen,
mit der Zeit ganz verschwinden werden. Bis jetzt ist aber die
Herstellung der zwei reinen Geschlechtstypen in der Mensch¬
heit noch nicht ganz gelungen. Auch der Gärtner sehe
Kanal und der Uterus masculinus sind noch da.
Der männliche und der weibliche Geschlechtstypus ver¬
danken ihre Vorherrschaft einer Auslese. Zwitter und Schein¬
zwitter sind fast ohne Ausnahme unfruchtbar, oft mit anderen
Missbildungen behaftet, Erkrankungen, Geschwulstbildungen
ausgesetzt, dem Kampf ums Dasein nicht gewachsen. Per¬
sonen mit ungewöhnlicher Kombination der Sexualcharaktere
leichterer Art unterliegen diesen Schicksalen weniger, kommen
jedoch bei der Zuchtwahl zu kurz. Ein Mann mit voller Brust¬
drüse oder ein Weib mit Backenbart werden zum Ehestand
nicht gerade leicht begehrt.
Die Aetiologie des Hermaphroditismus ist zwar vielfach
dunkel, gewährt aber doch einen Einblick in das Wesen der
Anomalie, v. Neugebauer teilt uns Fälle davon bei Ge¬
schwistern mit. Bei Hypospadiaen geringeren Grades und
Gynäkomasten ist Vererbung beobachtet worden. Gleich¬
zeitige Bildungsfehler an anderen Körperteilen werden bei den
Zwittern nicht selten angetroffen, aber auch bei deren Vor¬
fahren und Angehörigen. Ferner kamen bei diesen Hysterie,
Psychosen, Epilepsie vor.
Es scheint, als ob der Keim durch irgend etwas in Unord¬
nung geriete und dies nun in abnormen Zuständen und Er¬
scheinungen zum Ausdruck gelange, welche verschiedener Art
sein können. Epilepsie und Syndaktylie, Hysterie und Herma¬
phroditismus sind äquivalent, wie man sich ausdrückte, und
können sich vertreten.
Jenes irgend etwas, das Primum movens, ist uns freilich
meist nicht bekannt. Doch wissen wir, dass Alkohol, Blei und
die Toxine der Infektionskrankheiten, vor allem die der Lues,
vielleicht auch deren Mikroorganismen Keimvergiftungen
und dadurch Missbildungen verschiedener Art hervorzurufen
vermögen, v. Neugebauer erwähnt insbesondere Lues als
ursächlichen Faktor des Hermaphroditismus und auch K1 e b s
teilt ein Beispiel mit.
Die Selektion bietet uns eine Erklärung für das Ueber-
wiegen des männlichen und weiblichen Geschlechtstypus,
gegenüber hermaphroditischen Bildungen. Deswegen wissen
wir aber noch nicht, warum in dem einzelnen Fall das ent¬
stehende Wesen* zum Mann oder zum Weib wird. Ueber diese
Geschlechtsbestimmung im engeren Sinne sind so zahlreiche
Hypothesen aufgestellt worden, dass ihre Erörterung hier viel
zu weit führte. Ich möchte nur das hervorheben, was uns für
dieses Problem aus dem Studium des Hermaphroditismus her¬
vorzugehen scheint.
Unser jetziges Wissen berechtigt zu der Annahme, dass
kleinste Teilchen des Keimes den Aufbau der Organe und, was
für unsere Frage von Bedeutung ist, ihre Anordnung leiten. Die
chemisch-physikalische Konstitution jener Determinanten ist
durch jahrtausendjährige Selektion so festgestellt, dass aus dem
Zusammentreffen beider Keime für gewöhnlich nur der männ¬
liche oder der weibliche Typus hervorgehen. Diese Regel wird
aber zuweilen durchbrochen und es erscheinen Körperbildungen,
deren Wiederauftauchen nicht zu erwarten war. Das ge¬
schieht, wie bereits erwähnt wurde, bei den Keimvergiftungen.
Die Folgen dieser freilich sehr grossen Schädlichkeiten liefern
den Beweis, dass die grosse Zähigkeit und Elastizität, mit
welcher der Keim seine Beschaffenheit beibehält oder wieder
gewinnt, doch ihre Grenzen hat und man kann daher wohl an¬
nehmen, dass auch weniger intensive, aber lange Zeit dauernde
Einflüsse Schwankungen und Variationen in der Beschaffenheit
des Keimes hervorrufen, deren Folgen sich innerhalb der
physiologischen* Grenzen halten. So entstehen zwar keine
No. 29
Hermaphroditen, aber über den männlichen oder weiblichen
Typus wird entschieden.
Der Aufenthaltsort, das Klima, die Ernährung, der Gesund¬
heitszustand, das Lebensalter, der Altersunterschied der Eltern,
geschlechtliche Ueberanstrengung, Inzucht mögen auf die
Eigenschaften des Keims einwirken. Die Werte eines dieser
ursächlichen Faktoren abzuwägen wird schwer sein, da sie
nicht vereinzelt, sondern fast stets in- Verbindung auftreten
und sich weder für die Beobachtung, wie für das Experiment
leicht isolieren lassen.
Aus der kgl. Universitätsklinik und Poliklinik für psychische
und Nervenkrankheiten in Göttingen.
Psychiatrische Wünsche zur Strafrechtsreform.*)
Von A. Cramer in Göttingen.
Meine Herren! Es erscheint fast überflüssig noch Worte darüber
zu verlieren, dass ein Arzt — und das bleibt ein Psychiater immer,
selbst wenn er sich noch so viel mit forensischer Psychiatrie be¬
schäftigt —, nicht imstande ist, alle die juristischen Relationen zu
übersehen, welche die einzelnen Worte des von ihm formulierten
Paragraphen als Rechtsbegriffe nach sich ziehen. Der Psychiater tritt
wie jeder Arzt mit der gesamten Straf- und Zivilrechtspflege nur als
Sachverständiger in Beziehung. Als Sachverständiger ist er
ein unmassgeblicher Gehilfe des Richters. Dasselbe kann er
auch nur sein bei dem Gesetzgeber. Er ist verpflichtet,
bei jeder neuen Gesetzgebung seine Wünsche an massgebender Stelle
geltend zu machen, er wird umsomehr Erfolg mit diesen Wünschen
haben, je mehr er sich auf das Gebiet stützt, für das er allein
zuständig ist, auf das Feld des ärztlichen Wissens und Könnens, in
vorliegendem Falle auf die Lehren der psychiatrischen
Wissenschaft. In dem Momente, wo der ärztliche Sachver¬
ständige juristische Paragraphen zu bauen versucht, ist er ein dilet-
tierender Laie und allen den Gefahren ausgesetzt, die jedem Kur¬
pfuscher auf juristischem Gebiete drohen. Dieser Tatsache ent¬
sprechend hat der Gesetzgeber sich auch niemals an den Arzt als
Sachverständigen gewandt, wenn es sich um die Formulierung han¬
delte, sondern nur dann, was ja viel wichtiger ist, wenn es sich
darum handelt, eine Grundlage für die Formulierung in diesen
Grenzgebieten zwischen Jurisprudenz und Medizin zu finden. Ganz
anders liegt natürlich die Sache, wenn dem Arzte ein sach¬
kundiger Jurist beigegeben ist. Alsdann ist eine Formu¬
lierung unbedenklich und nützlich. Das ist zum Beispiel in den
Referaten geschehen, welche Aschaffenburg und Strass-
mann in Verbindung mit dem Juristen Heimburger für die Me¬
dizinalbeamtenversammlung geliefert haben. Gerade dieses Referat
erleichtert mir ausserordentlich meine heutige Arbeit, wie Sie sehen
werden. Ich würde auf alle diese selbstverständlichen Verhältnisse
nicht eingegangen sein, wenn nicht unsere psychiatrische Literatur
fast täglich neue formulierte Gesetzesvorschläge brächte. Oft ge¬
nügt die Mitteilung einer einzigen für den Sachkundigen alltäglichen
Beobachtung, um eine Reihe von neuen Paragraphen zum Leben zu
erwecken. Wie es häufig damit bestellt ist, mag eine Beobachtung
ergeben, die ich kürzlich machte. Ein Kollege, der sich noch recht
wenig mit Psychiatrie und fast gar nicht mit forensischer Psychiatrie
beschäftigt hat, kommt zu mir mit der Bitte, ihm ein Gutachten in
einer Mordsache zur Publikation zu überlassen, er habe die Absicht
einige gesetzgeberische Vorschläge daran zu knüpfen, das mache
einen guten Eindruck.
Wer die gerichtlich-psychiatrische Literatur kennt, wird mir
zugeben, dass wir neben ernsten und ausgezeichneten Studien auf
diesem Gebiete auch nicht wenige Publikationen besitzen, welche
ähnlichen Motiven entsprungen sein mögen. Ich bin also überzeugt,
dass unser Vorstand lediglich wünschte, dass in diesem Referate
der psychiatrische Sachverständige zur Strafgesetz¬
gebung zum Wort kommen soll und nicht der psychiatrische Gesetz¬
geber.
Ein Wunsch, der oft dem Psychiater in foro entgegentritt, ist
der, dass der Jurist, dem er helfen soll, die Wahrheit
zu finden, auch die zum Verständnis der psychiatrischen
Ausführungen notwendige Vorbildung besitzen möge.
Wenn man sich die Sache oberflächlich ansieht, dann könnte
man zu der Ueberzeugung kommen, dass dieser Wunsch gar nichts
mit der Strafgesetzreform zu tun hat. In Wirklichkeit liegt aber
die Sache gerade umgekehrt, namentlich wenn in der neuen Straf¬
gesetzgebung auf die psychischen Grenzzustände mehr
Rücksicht genommen werden und dem Richter das Recht der freien
Beweiswürdigung erhalten bleiben soll. Es liegt durchaus nicht im
Wesen unserer gesamten Rechtsprechung, dass der Richter einfach
als Tatsache hinnimmt, was der Sachverständige in seinem Gut¬
achten erklärt, der Richter soll vielmehr auf Grund eigener Er-
*) Nach einem im Deutschen Verein für Psychiatrie (April 1908)
erstatteten Referat.
2
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1530
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *>.
wägungen, bei denen ihn das Gutachten des Sachverständigen unter¬
stützt, zu seinem Urteil kommen, sonst spricht nicht der Richter,
sondern der Sachverständige Recht. Wie soll aber der Richter in
die Lage kommen, sich eitt eigenes Urteil zu bilden, seihst wenn
der Sachverständige noch so klar und einfach spricht, wenn er von
der Materie, die der Sachverständige behandelt, nicht die leiseste
Vorstellung hat? Dabei wird diese Materie, weil in Zukunft die
(irenzzustände berücksichtigt werden müssen, viel komplizierter sein
und bei einer mangelnder. Vorbildung der Juristen gerade auf diesem
Gebiete zu sehr schwierigen Situationen führen. Der Jurist soll kein
Psychiater sein, ebensowenig wie wir Juristen sein wollen. Aber
ich sehe nicht ein, weshalb der Mediziner gerichtliche Medizin hören
muss, wenn der Jurist in keiner Weise verpflichtet ist. sich wenigstens
mit den grundlegenden Anschauungen bekannt zu machen, auf tiruiul
deren er nicht selten über Leben und Tod entscheiden wird. Wenn
der Jurist ein Semester forensische Psychiatrie hört, dann ist we¬
nigstens das gewonnen, dass er die l'ehcrzeugmig mit nach Hause
nimmt, dass es wirklich solche Zustände gibt, von denen der Sach¬
verständige spricht. Auch wird der Jurist, der forensische Psvclnutric
gehört hat, bei V e r n e h m u n g e n in Sachen, w o zw eitelluite
Geisteszustände in Betracht kommen, viel sachkundiger piotokolherei.i
können. Auch bleibt wohl immer 'das eine oder das andere aus diesen
Vorlesungen haften, weil der Jurist im allgemeinen Vorlesungen, in
denen Kranke demonstriert werden, nicht zu besuchen pilegt und
deshalb der Lindruck dieser Vorlesung ein viel nachhaltigerer ist. Audi
bekommt der Jurist einen ungefähren Hinblick in das, was die ge¬
richtliche Psychiatrie will, er lernt tinsehen, dass unsere Disopiiri
eine W issenschaft ist, welche nach den strengen Regeln der klinischen
Erkenntnis und nicht nach Sentiments und nach dem Geluhl arbeitet,
wie das der Laie immer wieder annimmt und unbeschadet in dir
Oetfentlichkeit breit tritt; wir können uns davon ja ieden Augenblick
überzeugen, wenn wir nur eine Zeitung in die Hand nehmen.
Dem Juristen wird immer die Wahl der zu/uzicheiidcn Sachver¬
ständigen überlassen bleiben müssen. Hat er aber auch nur einmal
in seinem Leben geholt, was gerichtliche Psychiatrie ist und was
sie will, dann wird ihm ein Missgriff in der Auswahl der Sachver¬
ständigen, wie er in der letzteren Zeit mehrfach vor gekommen ist.
so leicht nicht passieren können. Er wird den Sachverständigen, der
in teuilletonistischer Weise in der Tagespresse auf Sensation lim-
arbeitet, den Sachverständigen, der in der Zeitung bereits sein Gut¬
achten abgibt, fast bevor ein Verbrechen passiert ist. den Sach¬
verständigen, der ohne Beobachtung und gründliche Untersuchung
lediglich auf eine Zeugenaussage gestützt ein zum mindesten vor¬
eiliges Gutachten erstattet, von dem gut ausgebildeten Sachverstän¬
digen, der nur auf Grund längerer Beobachtung und eingehender
mehrmaliger Untersuchung ein Gutachten abgibt, unter sc heulen lernen
und als Grundlage fiir sein Urteil sich nur auf deiartige Gutachten, die
sich streng an die Grenzen der Wissenschaft halten, stutzen. Ist das
erreicht, dann ist nicht nur Mir die ganze Sache, für die Sicherheit
und das Ansehen der Rechtspflege viel erreicht, sondern es wird auch
der Laie die IJeberzeugung gewinnen, dass das psychiatrische Gut¬
achten eine ebenso ernste, streng wissenschaftliche Leistung ist wie
die Forschung auf «allen anderen Gebieten menschlichen l ikcimtms-
vermögens.
Ich wende mich jetzt nach diesen mehr allgemeinen Aus¬
führungen zur Strafprozessordnung, l'eber die Auswahl
der Sachverständigen sind kaum noch Worte zu v er hei en. nach¬
dem die Praxis gezeigt hat, dass trotz des Institutes der Gei ichtsarzte
und trotz der bekannten Justizministerialverfiigungen der Irrenarzt
von Beruf in ausreichender Weise zu Wort kommt.
Damit, dass jemand ein ausgezeichneter Kr eis- oder < iei ichtsar zt
oder ein ausgezeichneter Irrenarzt ist. ist noch nicht gesagt, dass er
zugleich auch ein vor Gericht namentlich zur Erstattung mmullichcr
Gutachten besonders brauchbarer Sachverständiger ist. 1 s ist des¬
halb eine generelle Regelung dieser Frage, wie sie der .iiistizministcr
in seinen früheren Verfügungen, versucht hat, iihci huupt ein Unding,
weil das persönliche Moment eine zu grosse Rolle dabei spielt. Die
Aktion des deutschen Vereins für Psychiatrie hat aber insofern Erfolg
gehabt, als der Justizminister unter dem 2 1. III. U4 erklärt hat. dass
es sich in seinen in dieser Frage vorausgegangciien Verfügungen nicht
um einen Ausschluss der Anstaltsärzte handelt, sondern dass viel¬
mehr die besonderen Umstände, von denen der S Jot ZPO. spricht,
bei den Leitern und Aerztcn der Anstalt ganz besonders in Betracht
kommen. Sie können sowohl in der besonderen psvchiatrisclieii Aus¬
bildung, die namentlich bei den öffentlichen Anstalten mit Rücksicht
auf die sorgfältige, bei ihrer Auswahl geübte Sorgfalt voraiis/usehcii
ist. als in der durch ihre Tätigkeit erlangten grossen Erfahrung be¬
ruhen, vor allem aber darin bestellen, dass die in Rede stehenden
Aerzte, bei der Behandlung der Kranken viel eingehendere Wahr¬
nehmungen zu machen in der Lage sind, als ein anderer, nur auf Be¬
suche beschränkter Sachverständiger. Es wird sich empfehlen, die
Amtsgerichte darauf hinzuweisen, dass sie diese Erwägungen bei
der Auswahl der Sachverständigen in Betracht ziehen.
Wenn auch diese Justizministerialverfügimg hauptsächlich in
bezug auf das Entmündigungsverfahren ergangen ist. also den Zivil¬
prozess berührt, so wird sie doch auch, soweit der Strafprozess in
Betracht kommt, ihre günstige Wirkung nicht verfehlen.
Von einigen Seiten ist der Wunsch auf getane ht. J.»ss auU; Ki um,
wie zum I eil im Auslande, eine prinzipielle Bestimmung dahin ge¬
troffen werden mochte, dass in jedem 1 alle, wo cm Nu üv c t ständiger
vernommen wird, auch ein < i e g c n s,i *h \ e r st a n d i g c r zu Worte
kommt. Dass es dem Geruhte in allen la.len unbenommen ist. so viel
Sachverständige zu hören, als es will, ist bekannt u n sehe aber
nicht ein, weshalb unter eint.Dum \ er ha Hussen. wenn das Geruht
dem Sachverständigen unbedingtes \ et trauen schenkt und schen¬
ken kann, jedesmal noch ein anderer >.uhv erstaiidiger gehört wer¬
den soll. I las kommt nur m Betr.uh't, wenn aut Grund des
Gutachtens eines einzig e n S a c h v e r s t a n d i g e ri
eine A n k I a g c er h o b c n w e r d e u s «• I I. Di kann muli hier
dem Vorschlag von Strassmann m.r aus», h Messt n. dass es er¬
wünscht erscheint, wenn in so Dien I .dien die Vernehmung eines
zweiten Nu hv er ständigen zur Phisfit gemacht wird. A ..e rdings
kommt die ganze ITagc für den psv chratr isdien Nufiv crstandui ri
nur selten in Befracht. /. B. wenn aut i irund des jj 224 oder .».'s
StGB, der v orge lundciie Zustand v ««n Nechtum oder 1 ahmimg o.u r
Geisteskrankheit aut eine Missliandumg zuriuk/u: .hielt ist. Di
habe diese ganze I u.c muh nur hcr.dirt. um zu /eigen, »hiss wir
uns nullt für ömmp-■teilte mm h.bare Nuhv erstand., e ha.tin, son¬
dern dass es uns mir erwünscht ist, wenn uns n.>Ji »emaiid lii.M.
die schwere Verantwortung m »Iksui laben lur unser Gutachten zu
tragen.
.leiler. der gezwungen ist, ».Her an hi ' u hts», e r hand'-.mgen als
Saehverstaruliger tt il/uiu tmu n. hat den M a n g e I e ■: {sprechen¬
der B e s t i m m u n g e u. welche es e r rn o g I i c h e n, c i n e n
Zeugen körperlich oder auf seinen <ic i s t es / u s t a n d
untersuchen zu lassen. cmpnm.Un. \ s c h a I t e n b u r g
hat diesen PcsidcMcn einen sehr p:i/is«.m innl s v i..«rjen \is;r:uk
gegeben. Eli gelle lll em/etiin PimMell Vielleicht iiodi etwas Wei¬
ter als dieser Autor. Denn uh bin m e r/engt, dass wir n.u't »Je -ti
heutigen Na fiele eier lorsdiung zur I 'sv c•■.■ -gie der Ze u s e nausv, :
gar nullt Meller (u itsmassre gcln genug ve: .r'geri komu n.
I >ie B e u r t i i I ii n g d e r /. c u g n i s i , t h i g k e t t eines Me ri¬
schen ist aber ott eine de r s e h w i e r i g s t e n A u t g a b e n J..r »L. o
psv e h i a t r i s e Ii e n > a c h v e r s t a n d i g c n. nanu nt uh w e !> ri
t irenzzustände in Bet ras hl kommen. Di Me ,c dest;ab mit
A schaff e n b u r n muh die I or der uug aut. dass zur genauen lest-
Stellung eit r ZcllgniMahigkeit m Ausnahme:.! eti eventueii auji An¬
stalt s b e o h a e h t u n g Piogiufi s« in yd Wie \ s » tu i i c n -
bürg Inn uh überzeugt, dass hie gegen eine starke < ippov: i-.p s;di
gelt eitel m.u lien wir»l. denn eie r I aie Örndmi Schon im .»gemeinen
alles was lrren.msi.dt heisst, mul n-uh \ ie mehr kranken an 1 1 .»m::i
V orurteil nullt wenige unter den < ir e i://ust.uide n. I \ Ware vui-
leulit ein Ausweg, wenn diese BcoKu httmg um auf d.» n \:.s:. t M
und Kliniken pirchge tulut w ur de. vu.da am h über Abut’ir'g nur
fm Ne r v e nk i unke unter \ussji ins \ ■ m I nole skui:ke;j verlegen.
Ein Reu ht zur Besc Ii« er de ge gen d;e se ALissrege! de r B» • -L.ic fiti.n g
Wird immer gegeben sein müssen. >.i» he des tie’uhts wiru »s sein,
die < ii tuid-lage eler Beschwerde zu pumri. amh ist es a.isscr ., i n
Zweifel, elass diese V\.issugel nur aut »lie a i , c r w i c n I'i g s t e ri
Lalle w ir»l beschrankt werden tu .vven. weil i.i »!» i Aiue aus seinem
Erwerbsleben herausgerissen Wird mul e utsp-edu a.! emtsdiad
werden muss.
I s w ur »le zu w eit ge he n. Wenn uh hier genauer aut die Zeug -
n i s f a h i g k e i t il e r Geisteskranker» und d e r Grenz-
zustande e mg eilen wollte, es sind muh diese V e r h., tmsse tri
psv c luati isc heut Kreisen zur < u niue bekannt, amh b *be uh selbst
die m Bet i,Kht kommenden V et ha luose in Jet he tum Vuhuge tiunur
ger u htiu In n Psvdirnlrie wieder ziisumnu m; »ste t » le m, < i. I isc\>,
loosi. V\ iinsc lie nsw er I w.ue es mr. dass .nu h » 1 er ln*ist m grosse¬
rem l mfarige suh mit eite seit I rage n be s„ hatiigeit rm-c ute. er wurde
ilaim ehe W u htigkeit der gemachten Re t-nmv ..rs v ii age eusehen.
Da d i e I i a g e. ob ein / e u g e vereidigt w e r d e ri
soll, abgesehen von der \ItersgreüZe v-n In I.ihren, ganz abein
eler Heien I >e w cisw ur »ligimg des Ruhters id’e T bissen «st, der unter
l mstamleu muh Geisteskranke Vereidigen kam. gewinnen a c diese
Fragen noch eine ganz besondere W ublüht it. Denn is» tri so,Jn - T
Fall mit im psv eluatr isJu u Mwu* z w i ite .iiatter Zeugnis!.,: ^keut erM
verenligt, dann bekommen seine Aussagen eine gewisse «f/ie
Sanktionierung. Es ist eleshu'h besonde rs wichtig, dass bei s.-Ulur»
Zeugen, w e I c Ii e f r n h e r einmal g e i s t e s k r a ri k g e w e s e u
sind, zur Zeit der Vernehmung aber als ge sund he /euhiu! w erden
müssen, wenn nmgluh. vo|i einem S »Jiv e?M mdigeii gt pmtt werden,
um zu entscheiden, ob nicht em Re sidu.ijs.i' u aus »ier Zeit der
Geisteskrankheit ehe Zeugemmissam beeil'.’ i;sst i \ s c h a f 1 e n -
bürg). Dasselbe gilt .null iur Sachverständige. weDic s !w
in dieser Enge heimden,
Wer \ iei forensisch beschäftigt ist. w er f:.r:"g Vkte'i zu äseri
gezwungen ist. vermisst . ,jt schttier/luh. »lass t - ,!.,s i mLuhtcn
w i e h t i g e A u s s a g e n v o n fiuculii: 1‘rJi n u n d
Z e u g cn nicht wörtlich, s .. n »I e r u n u r »! e m Sinn e
nach angegeben sin ! Wenn man h gde ge ,,,: u il gut
psv'ebiatrisc!i v orgebtlde te l ntersiuhuu-.s:' p. r ?■•: iet. vv e ehe ohrt y*
weiteres dem Wunsche des >u erst.md ge *i' üiisguLn und. w . ,
es eriprdenuh erscheint. \ve»rt.:ch p r - t sobie'c:; lassen. 5 .. sinj
DigitizedTjy
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
2 1. Juli 1008.
MUENCHeNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1531
das doch Ausnahmen; wir müssen es deshalb, wie Aschaffen¬
burg, als ein dringendes Desiderium bezeichnen, dass in der
Novelle zur Strafprozessordnung eine Bestimmung aufgenommen
wird, welche eine solche Protokollierung, womöglich stenographisch,
dem begründeten Wunsche des Sachverständigen entsprechend, vor¬
sieht. Die stenographische Protokollierung hat den Vorzug der
grösseren Exaktheit und der Zeitersparnis.
Schon vor langen Jahren hat Leppmann darauf aufmerksam
gemacht, dass, wenn irgend möglich, gegen einen Angeklagten, dessen
Geisteszustand in Zweifel gezogen wird, verhandelt werden soll,
weil immer die Möglichkeit vorliege, dass der Angeklagte gar nicht
der Täter sei, oder dass aus einem anderen Grunde seine Frei¬
sprechung erfolge. Auch wenn der Angeschuldigte nach der ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlung in Geisteskrankheit verfällt, ist
sehr zu wünschen, wenn verhandelt und nicht das Verfahren, wie das
meist geschieht, zunächst eingestellt wird. Denn nichts hindert die
Genesung eines Menschen so, als die sichere Erwartung, dass sofort
nach der Genesung das Strafverfahren und die Hauptverhandlung
ihren Fortgang nehmen.
Auch in diesen Fällen kann ja das Gericht zu einer Freisprechung
kommen, so dass der Kranke während der Rekonvaleszenz keine
Sorgen vor dem Strafrichter zu haben braucht Aber auch wenn
er nicht gesund wird, ist wie im ersten Falle es von ausserordent¬
licher Wichtigkeit, dass gegen ihn verhandelt wird. Denn ist die
Anklage irrtümlich erhoben worden, so bleibt das Odium nicht auf
dem Angeschuldigten sitzen, ein geisteskranker Verbrecher oder ein
verbrecherischer Geisteskranker zu‘sein. 'Wenn er sich so bessert,
dass man ihm einen Aufenthalt ausserhalb der Anstalt gestatten kann,
macht seine Entlassung viel weniger Schwierigkeiten. Auch die
Angehörigen werden stets aus naheliegenden Gründen damit einver¬
standen sein, dass nach Möglichkeit verhandelt wird.
Die Verhandlungsfähigkeit ist streng genommen ein Begriff,
mit dem sich der psychiatrische Sachverständige nicht befassen kann.
Auch steht ja die Entscheidung immer bei dem Richter. Wird aber
der Sachverständige gefragt, so wird er nach Möglichkeit immer
dafür eintreten müssen, dass verhandelt wird. Selbstverständlich
kann gegen einen Kranken mit schwerer Bewusstseinsstörung oder
gegen einen Kranken im Zustande der Verwirrtheit und Desorientiert¬
heit nicht verhandelt werden, es muss immer noch eine gewisse
Möglichkeit, der Verhandlung zu folgen, auf einfache Fragen sach-
gemäss zu antworten, vorliegen. Wird natürlich das Gericht durch
die aus krankhafter Ursache entspringenden Antworten des An¬
geklagten ungünstig beeinflusst, dann wird der Sachverständige am
besten darauf dringen, dass die Verhandlung abgebrochen wird.
Selbstverständlich muss in allen Fällen, wo ein Grenzzustand
in Frage kommt, verhandelt werden.
Die Verlesung des Protokolls über die Ver¬
nehmung eines Zeugen oder Sachverständigen,
der nach der Vernehmung in Geisteskrankheit
verfallen ist, ist nach § 250 StPO, möglich.
In der forensischen Praxis geschieht das auch anstandslos, wenn
nicht die Verteidigung aus irgend einem Grunde eingreift; und doch
muss ein derartiges Vorgehen, wie Aschaffenburg mit Recht
betont, von psychiatrischer Seite als sehr gefährlich bezeichnet
werden. Wir wissen sehr genau, dass nicht wenige Formen von
Seelenstörungen in ihrem Beginn viel weiter zurückreichen, als der
Laie das anzunehmen pflegt, sehen wir doch öfter z. B. einen Unfall
als Ursache einer Geisteskrankheit angeben, während wir bei ge¬
nauerer Prüfung feststellen können, dass der Unfall bereits Folge
der Geisteskrankheit gewesen ist. Nehmen wir dazu, dass es auch
vorkommt, dass dem Ausbruch der Psychose für längere Zeit ein
Grenzzustand vorausgeht, und dass gerade in diesen Grenzzuständen
nicht selten eine mangelnde Reproduktionstreue oder geradezu Re¬
siduen aus Dämmerungszuständen bei den Aussagen eine grosse
Rolle spielen, ganz abgesehen von anderen krankhaften Erschei¬
nungen, welche die Zeugnisfähigkeit beeinflussen können, dann wer¬
den wir verstehen können, dass bei der Verlesung derartiger Proto¬
kolle ganz besondere Vorsicht am Platze ist. Was speziell
die Sachverständigen betrifft, so spielt offenbar die progressive Para¬
lyse hierbei eine sehr wichtige Rolle. Ich habe es wenigstens zwei¬
mal erlebt, dass Aerzte, bei' denen ich in der Sprechstunde pro¬
gressive Paralyse mit starker Urteilsschwäche und starker Ein¬
busse der Merkfähigkeit feststellen konnte, nachher vor Gericht in
der Voruntersuchung als Gutachter vernommen wurden. Als es zur
Hauptverhandlung kam, befanden sie sich bereits in Anstaltsbehand¬
lung, ihr früher erstattetes Gutachten wurde aber anstandslos ver¬
lesen.
Aehnliche Beobachtungen macht man sowohl bei Zeugen als bei
Sachverständigen, wenn sich langsam und schleichend eine senile
Seelenstörung oder eine arteriosklerotische Atrophie der Grosshirns
entwickelt. _ . . ,
Es wird also im Interesse der Rechtssicherheit
eine unumgängliche Forderung bleiben müssen,
dass in derartigen Fällen ganz generell Sach¬
verständigegehörtwerden.
Trotz dem klaren Wortlaut des § 493 wird einem
Geisteskranken, der im Strafvollzug geistig er¬
krankt ist, die in einer Irrenanstalt zugebrachte
Zeit nicht auf die Strafhaft angerechnet. Die Gründe
die dafür bestimmend sind, scheinen hauptsächlich fiskalische zu
sein. Denn wenn ein im Strafvollzug geistig Erkrankter in eine
Irrenanstalt kommt, wird die Strafvollstreckung unterbrochen. Mit
dem Moment, wo das geschieht, trägt die Kosten nicht
mehr der Fiskus, sondern die unterstützungspflichtigen Kommunen
und Provinzen. Es scheint das zu geschehen" auf Grund einer alten
Kabinetsordre. Bresler zitiert eine solche aus dem Jahre 1825.
Aber die Frage, wer die Kosten bezahlt, könnte uns schliesslich gleich¬
gültig sein, viel wichtiger ist, dass unsere Kranken durch
dieses Verfahren nicht selten grossen Schaden
nehmen. Sie kennen meistens, sckpn infolge ihres längeren Auf¬
enthaltes in Gefängnissen und Zuchthäusern, die Bestimmungen der
§ 493 St.P.O. und rechnen sich aus, nachdem sie von ihrer Psychose
in der Irrenanstalt genesen sind, oder nachdem die Symptome der
psychischen Störung mehr zurückgetreten sind, dass nunmehr die Zeit
ihrer Strafhaft abgelaufen sei, oder dass sie wenigstens nur noch so
und so lange zu sitzen brauchen, wenn sie ins Gefängnis zurück¬
kommen, weil die in der Irrenanstalt verbrachten Monate und Jahre
nach ihrer Meinung nach der klaren reichsgesetzlichen Bestimmung
auf die Strafhaft angerechnet werden sollen. Sie verlassen infolge¬
dessen guten Mutes die Irrenanstalt, um dann zu ihrer grossen Ent¬
täuschung zu erfahren, dass es mit allen ihren Berechnungen nichts
ist, dass die ganze in der Anstalt zugebrachte Zeit „vergeblich“ war,
dass sich ihre Strafhaft also eigentlich, ohne dass sie etwas
daf*ür können, verlängert hat. Denn dass sie während der Be¬
handlung in der Irrenanstalt aus der Strafhaft entlassen waren, ist
ihnen nicht bekannt und auch, wenn man ihnen die Sachlage klar
zu machen versucht, findet man aus leicht begreiflichen Gründen
wenig Verständnis. Die Folge dieser oft grossen Enttäuschung ist,
dass diese Individuen bei ihrem meist sehr labilen und leicht vul¬
nerablen Zentralnervensystem, sobald sie wieder in Haft sind, wieder
erkranken und wieder unter Unterbrechung der Strafhaft einer Irren¬
anstalt überwiesen werden müssen. Dieses Spiel kann sich sogar
öfters wiederholen. Das ganze Verfahren ist des Fiskus nicht würdig
und ein Luxus auf Kosten der Steuerzahler der Provinzen und Kom¬
munen, welche die Kosten zu tragen haben. Ganz abgesehen davon,
dass man immer wieder Fälle sieht, welche durch dieses Verfahren
so geschädigt werden, dass es später unmöglich ist, eine derartige
Besserung zu erzielen, dass sie ohne Unterstützung sich draussen
ihren Lebensunterhalt selbst erwerben können. Dazu kommt noch,
dass in den Fällen, wo eine längere, dauernde, aber nicht gerade
unheilbare Psychose während der Strafhaft zur Entwicklung kommt,
von der man nicht gerade sagen kann, dass sie unheilbar ist, die
Möglichkeit einer Beendigung der Strafhaft eigentlich nie beseitigt
werden kann und immer drohend über dem Horizont des nach langen
Jahren endlich sich bessernden Kranken schwebt. Ich werde keinem
Widerspruch begegnen, wenn ich erkläre, dass es dringend not¬
wendig ist, dass hier endlich Abhilfe geschaffen wird.
Ganz besonders ungünstig gestalten sich die Fälle, wenn wir einen
gegen Ende der Strafhaft geistig Erkrankten mit sehr labilem psychi¬
schen Gleichgewicht vor uns haben, der wegen eines Restes von ein
paar Tagen oder Wochen wieder in die Strafhaft zurück muss, dort
aber mit Sicherheit wieder krank wird, wie bereits praktische Er¬
fahrungen gelehrt haben, während seinem ganzen Zustande nach bei
einer Entlassung in die Freiheit mit einiger Sicherheit zu erwarten
ist, dass nichts Vorkommen wird und der Mann sich selbst wird
weiter helfen können. Wenn es sich zum Beispiel um ein Affekt-
verbrechen in der Trunkenheit unter ganz ungewöhnlichen Umstän¬
den, wie sie wohl niemals wieder Vorkommen, handelt, das mit einer
längeren Zuchthausstrafe belegt ist.
Ich habe es hier öfter versucht, Begnadigung für den kurzen
Rest der Strafhaft zu erlangen, um dem Kranken die Rückkehr ins
Leben zu erleichtern. Dies ist mir aber bis jetzt nur einmal unter
grossen Schwierigkeiten gelungen. Eswäre erwünscht, wenn
eseine gesetzgeberische Möglichkeit gäbe, in ähn¬
lichen geeigneten Fällen leicht und rasch eine Be¬
gnadigung zu erzielen.
(Vergleiche auch Rixen, Psychiatr.-neurolog. Wochenschrift
1907.)
Die Notwendigkeit bei wichtigeren Fällen die Möglichkeit der
Anstaltsbeobachtung nach § 81 StPO, über 6 Wochen aus¬
zudehnen, namentlich wenn mehrere Gutachter in Betracht kommen,
ist so allgemein anerkannt, dass ich darüber kaum noch Worte zu
verlieren brauche.
(Schluss folgt.)
Zur Behandlung des akuten Schnupfens.
Von Dr. Hugo L ö w y, Spezialarzt für Hals-, Nasen- und
Ohrenkrankheiten in Karlsbad.
Die Frage, ob man die K o r y z a behandeln soll und kann,
wird vielfach mit einem Lächeln abgetan, dessen Kommentar
die Annahme ist, dass einerseits die Affektion nicht der Rede
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
wert sei, andererseits die ärztlichen therapeutischen Be¬
mühungen keinen deutlichen Wert besässen und gerne zitiert
man die im Moritz Schmidt sehen Lehrbuch als trefflicher
Ausdruck der Volksstimmc verzeichneten Spriichwörtcr, „dass
der Schnupfen drei Wochen dauere und wenn man ihn be¬
handle 21 Tage“ oder gar „una buon infreddatura trenta nove
giorni dura e quarant a qui la cura".
Indessen ergibt sich aus dem oft hohen (irade der direkten
Schnupfenbeschwerden, insbesondere aber auch aus der Häu¬
figkeit von daraus hervorgehenden und oft mit gefährlichen
Komplikationen verbundenen Affektionen der Nasenneben¬
höhlen, des Mittclohres und der tieferen (im Sinne Hollän¬
ders „höheren“) Luftwege, dass eine wirksame Therapie sehr
wünschenswert ist.
Alles hängt also von der zweiten Frage ab, kann man die
Koryza erfolgversprechend behandeln?
Wenn ich diese Frage bejahe, so geschieht es auf Grund
einer Behandluugsweise, welche mir so häufig den gewünschten
Erfolg gezeitigt hat, den Schnupfen zu coupieren, dass sie der
Allgemeinheit nicht vorenthalten werden darf.
Auf der Suche nach einem Ersatzmittel für das in der Nase
allzustarke Reizwirkung entfaltende Argentum nitricum, habe
ich schon seit Jahren das Protargol erprobt und bin nach ver¬
schiedenen anderen, weniger effektvollen Applizierungsweisen
(mittels Pinselung, Tropfen, Spray) dazu übergegangen, einen
kleinen Wattetampon mit der Lösung -- 1U proz. - voll zu
imbibieren und mittels Pinzette so in die Gegend des vorderen
l eiles der mittleren Muschel einzulegen, dass auf dem Wege
dahin ein Teil der Lösung über die ganze untere Muschel
sowie in den mittleren Nasengang und nach Möglichkeit in
den Sulcus olfactorius gelangt; hier zwischen Septum und mitt¬
lerer Muschel oder auch im mittleren Nasengang bleibt der
kleine Tampon hierauf einige Minuten liegen und wird dann
wieder mittels Pinzette entfernt. Dies gewöhnlich beiderseits
und einige Tage wiederholt, auch mehrmals im Tage. Der
Erfolg ist bei ganz frischen Fällen von Koryza gewöhnlich
eklatant, etwas weniger bei bereits mehrere Tage alten, ganz
prompt wieder bei länger, mehrere Wochen verschleppten,
mit reichlicher Sekretion einhergehenden Fällen, bei welchen
übrigens auch Lapislösungen am Platze sind. Bei unzugäng¬
licher Verschwellung kann der Tampon durch Abdrängen
immerhin oft ohne Vorbereitung plaziert werden, oder cs wird
Kokainisierung vorausgeschickt, was auch sonst geschehen
kann.
Von der unterstützenden Verwendung der Nebennieren-
präparate bei Koryza bin ich abgekommen, nachdem gelegent¬
liche Rcizwirkungen nachgefolgt waren, welche gerade hier
nicht erwünscht sind.
Um Reizwirkungen, wenn auch rasch vorübergehender
Natur, zu vermeiden, ist auch bei der Verwendung des Pro-
targols eine gewisse Vorsicht angezeigt, indem die erste Appli¬
kation nicht allzulange ausgedehnt wird und eventuell eine
schwächere Lösung zur Anwendung kommt.
Obwohl das Protargol bereits seine rhino-laryngologische
Geschichte hat und es, wie mir nachträglich zur Kenntnis kam,
von Skillmann 1901 im „Journal of eye, ear and throat
diseases“ für akute Rhinitis als 2 proz. Spray (0,1 -1 proz. fiir
Kinder) empfohlen wurde, hat es doch bis jetzt keine Popu¬
larität bei dieser Affektion erworben, vielleicht darum, weil die
Anwendungsform des Sprays an Wirksamkeit keineswegs der
oben beschriebenen gleichkommt*). Freilich kann das Verfahren
der Tamponeinführung nur von der Hand des Arztes ausgeführt
werden und es empfiehlt sich daher vielfach, daneben, zumal
bei wiederholter Applikation oder Ortsentfernung des Pa¬
tienten, eine 2- 5 proz. Lösung zu instillieren oder mittels Spray
zu applizieren; bei Kindern wird man sich gewöhnlich darauf
beschränken müssen.
*) Anmerkung hei der Korrektur: In No. Id dieser
Wochenschrift, 190s, teilt Sanitätsrat Berliner „Line Behandlung
der Angina auf dem Wege durch die Nase mittels Protargnl-
. 1 he“ mit und bemerkt: „auch bei Schnupfen habe ich die Salbe an-
endet und die Patienten über die Verordnung sich dankbar
ern hören“.
No. >9
Diese Instillationen, fur w eiche ein Augentr* «piglas oder
ähnliches gelingt bei vollständig naJi rückwärts gene.gtcr
Kopfhaltung, um eine wirksame Bespulung der Imheren Jede
der lateralen Nasenwand zu erm« »glichen lasse idi a.iJi in
allen Fällen von akuter Otitis vornehmen und gebe d.e \cr-
ordnung den Patienten mit chronischen und rezidivierendut
Mittelohrentzündungen aus proph\laktischen Granden mit aal
den Weg zur Anwendung bei akiit-rhimt s v hen ErsjRun::::gi$b
Dass Jullien (Revue int. de Mid. et de Jur. 3
bis 3 proz. Protargnlspulungen bei eJiter Nasenhlemn'»r:tn>e
empfiehlt und diese in vielen Fallen von Korwa der Neuge¬
borenen vermutet, verdient hier angeführt zu werden, obwohl
es sich ihm nicht um die gewöhnliche Kory/a handelt.
Erwähnt sei ferner, dass ich bei sicherer Rhinitis vaso-
motoria einen auffallenden Erfolg mit Protargol nicht zu si!r:i
in der Lage war, obwohl gegenteilige Beobachtungen von
Baum garten (Ofen-Pest) und Alexander ilierl.i.) vor¬
liegen. Bei verschleppter katarrhalischer Rhinitis können ähn¬
liche Symptome erfolgreich mit Protargol behandelt werden;
Verwechslungen auf diesem Gebiet sind nicht immer so leicht
zu vermeiden.
Die dem „tuto" und „cito“ fnr sich allem Genüge lei¬
stende Protargoltherapie wird nach der Seite des ,.uictiuJe’*
in vorteilhafter Weise ergänzt durch eine e.uiUvhc I'orm der
Inhalation von Menthol und Kampher 4:3 (oder ;n anderem
Mischungsverhältnis), welche ich gleicht.» 's seit mehreren
Jahren zu verordnen pflege.
Menthol unJ Kampher vermengen vJi zu e.ner nl.gcu
Flüssigkeit, von welcher aus der I ropftias Jie einige TropLn
in das zum Sieden erwärmte, einige Zentimeter hoch m emem
Reagenzglaschen stehende Wasser zugeingt werden. Die s\h
entw ickelnden feuchten Menthol-Kampher-I >amp?e, w eiche bei
der allmähligen Abkühlung erst durch Anfschatteln, dann durch
neuerliches vorsichtiges (wegen der Neigung /um \ erpuffet:)
Wiedererwärmen - wozu eine stets d:s;>,>n.b'e Kerze ge¬
nügt - - wieder angeregt werden, inhaliert der Patient 3 3 mal
täglich 5 ln Minuten lang durch die Nase in alle Jede des
Respiratirnsiraktes. au deren Wanden sie subl imeren werden.
Besonders kommt auch hier der Nustnradieuruum in Betracht,
die prophylaktische Fürsorge fur d.e Iubeng.gcnJ sowohl he:
akuten als auch chronischen Katarrhen, m welch letzteren Lal¬
len die Anwendung zw eckmassiger Weise durdi einen län¬
geren Zeitraum in einem gewissen Turnus geschieht. 7 . B. e.n
Jahr lang in jedem Monat eine oder zwei Wochen laug.
Neben dem Rezept
Rp. Menthol 4."
Latnplior. '
M. U r. I iqtieM.u tum da ad lag. c. ej' st.
glitt, nunnm-rant.
I»S. Zns.it/ zur Inhalation
erhält der Patient luigefugtes Diagramm a’s (
Weisung mit, die viele Worte sparen hält.
Dass die Nase nicht darüber gehalten werde,
während die darunter gesetzte Flamme d e M -
scliung ms Sieden versetzt, muss erfali rurgsge-
muss besonders emgescharit werden, dam,: keine
Verbrühung infolge Aufpuffe ns resultiere. L u
wenig Vorsicht in diesem Sinne lasst das s:d;„r
verhüten. Statt des Reagenzglases mag e it < i i>-
kolbchen oder ein Formauglas ohne -Xiifsat/ \e r -
wendung finden.
Diese ungemein einfaJie und sparsame \u-
ordmmg scheint mir dem MassenK .1 irm s .im
meisten zu entsprechen und fur geu . >hu , Ji G»m-
pliziertere und kostspieligere, w um audt /\v%>k-
massige \ orrichtimgen wie zu tri iLsp.J di#.
S a e n g e r sehen „Arzneiv erda::;;'t:mgsa;-; ar.t:“
((i e n t s c h in Magdeburg) zu ersetzen.
Neuerlich hat M a d e r in V*. 37 der M mJi.
med. W ochcnschr. 1 »7 eine M O :::g von Men¬
thol Ol. pin. pumil aa. auf Z'e We.se v er¬
dampft, zu Kathetenilsim’at. • - uu M ttc '• d;r eui;
faclier sind wohl Dämpie Mc oder Ka:i;;3
L braiulis i;;-
‘“i r
m'hieu. K lit¬
te r in Ae: hu r
□ riginBl frorri
UNIVERSITY OF MINNEN
Üigitized Dy Go gle
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1533
sulf. (1 : 10)» wovon einige Tropfen in den Politzerballon ein¬
geführt werden (U r b a n t s c h i t s c h).
In No. 9 der „Russischen medizinischen Rundschau“ von
L i p I i a w s k y 1907 finde ich eine Mitteilung von Prof. H.
Krause, dass sich ihm das Oleum menth. pip. in einer Mi¬
schung von 2,0 zu 18,0 Alkohol absol. und 80,0 Wasser in
ähnlicher Verwendung bei akutem Schnupfen gut bewährte.
Er hat wegen des gelegentlichen Verpuffens beim Erhitzen dem
Reagenzglas eine besondere Form geben lassen (bei Pfau,
Berlin).
Man wird immerhin auch Gelegenheit haben, durch An¬
wendung von Kokain, Adrenalinpräparate, Anästhesin u. ähnl.
enthaltenden Lösungen, Pulvern und Salben einzelnen sym¬
ptomatischen Indikationen zu genügen — eine detaillierte Dar¬
stellung aller diesbezüglichen Möglichkeit ist hier nicht be¬
absichtigt.
Dagegen muss noch der Algemeinbehandlung vor allem
durch Diaphorese Erwähnung geschehen, welche als be¬
sonderes itn Anfang oft wirksam mit Recht populär ist. An¬
gesichts des empfindlichen Zustandes, in welchem der Patient,
ohnehin von Komplikationen bedroht, sich besonders nach
reichlichem Schwitzen befindet, empfehlen sich hiezu aus¬
schliesslich häusliche Schwitzprozeduren, am einfachsten mit
Hilfe von 1,0—1,5 Aspirin in reichlich warmem Thee mit
folgender trockenwarmer Einpackung, wo Schwitzkastenvor¬
richtungen — Dampf oder Heissluft — im Hause verfügbar
sind, auch diese.
Bei starken Allgemeinbeschwerden und Kopfschmerzen
sind Antipyretika darzureiohen. Die Kopfschmerzen, be¬
sonders im Ablauf, werden häufig günstig beeinflusst und zum
Schwinden gebracht durch einige „negative Politzer“ resp.
Ansaugungen nach Sondermann.
Last not least möchte ich eine mir für die Koryza sonst
nirgends begegnete diätetische Vorschrift hervorheben, welche
wesentlichen Vorteil zu bieten vermag. Es ist die Anordnung,
jederzeit von der Nasenattnung Gebrauch zu machen,
ganz besonders aber imZustandakutenSchnupfens,
wenn die Durchgängigkeit der Nase nur irgend dazu ausreicht;
dies ist ja häufig genug der Fall, oft aber stellt sich die Passage
rasch ein sobald nur erst einige unter geringem Druck (in einen
vorgehaltenen, leicht überwindbaren Widerstand wie Watte
oder das Taschentuch) stattgehabte nasale Exspirationen Ab-
schwellung herbeigeführt haben. Die Nasenschleimhaut kehrt
bei aufrecht erhaltener Lüftung rascher zur Norm zurück als
ohne dieselbe; die Ausschaltung der Nase, vom Respirations¬
akt stellt eine direkte Schädigung für sie dar.
Im Uebrigen muss dieser Vorschrift hier auch wegen ihrer
eminenten prophylaktischen Bedeutung gedacht werden, denn
bei Befolgung derselben im gesunden Zustand sind Erkältungs¬
katarrhe und selbst tiefergreifende Entzündungen der Luft¬
wege sicherlich gar häufig, vielleicht in der Mehrzahl der Fälle,
zu verhüten.
Bedingung dazu ist freilich neben der vorhandenen, einiger-
massen ausreichenden, eventuell in allen Fällen herzustellen-
dt*n, aber auch nicht übermässigen Nasendurchgängigkeit auch
noch Berücksichtigung eines zweiten hygienischen Gebotes:
Eile mit Weile . . . d. h. tunlichst nicht über die Grenze
hinaus, welche durch die für die Befriedigung des Luftbedürf-
n:>ses ausreichende Nasenatmung gegeben ist; — auf dass Du
iange lebest! könnte hinzugefügt werden.
Dies gilt natürlich besonders für körperliche Tätigkeit im
Freien bei ungünstigen Witterungszuständen, insbesonders
Kalte, und unter denselben Umständen auch für das Sprechen,
ius ja zur Mundatmung zwingt.
Soweit nasale Prophylaxe mehr weniger benachbarter
Direktionen ; für die Koryza selbst dürfte übrigens das Moment
kr „Erkältung“ durch plötzliche Abkühlung perspirierender
feutbezirke u. ähnl. tatsächlich die erste Rolle spielen, wovon
i er nur andeutungsweise gesprochen werden kann. So vulgär
ciese Tatsachen auch seien, sie können gerade darum nicht
genug nahegelegt werden, wenn wir vor der Therapie der
Prophylaxe dienen wollen; für die Therapie der Koryza aber
<j as protargol nicht ungenützt bleiben.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Giessen (Prof.
Dr. P o p p e r t).
Volare, mit typischer Radiusfraktur komplizierte Ulna¬
luxation. — Ulnarislähmung.
Von Dr. T h o n, Assistenzarzt der Klinik.
Am 19. III. 08 kam der 22 jährige Schreinergeselle C. L. in unsere
poliklinische Behandlung. Während er einen Türflügel auf dem
rechten Arme trug und denselben über seinem Kopfe mit der linken
Hand stützte, war er zu Fall gekommen, indem er auf glattem
Terrazzoboden mit beiden Füssen gleichzeitig nach vorn rutschte und
nach hinten auf die rückwärts ausgestreckte linke Hand nel Die
Hand wurde dabei stark dorsal flektiert. Nachdem er schon zu Boden
lag, rutschte er infolge des Schwunges noch ein wenig weiter nach
vorwärts, so dass die linke Hand, wie er genau angibt, zum zweiten
Mal noch stärker dorsalflektiert wurde.
Als der Verletzte in unsere Behandlung kam, war die Gegend des
linken Handgelenkes schon so ausserordentlich stark geschwollen und
dabei so schmerzhaft, dass der Patient schon bei leisem Drucke und
bei den geringsten Bewegungsversuchen laut aufschrie, und die Dia¬
gnose ohne Narkose nur noch durch Röntgenaufnahme ermöglicht
wurde. Die Hand stand ohne seitliche Abweichung in der Verlänge¬
rung der Vorderarmachse, dagegen in sehr starker dorsaler Verschie¬
bung, so dass fast eine Luxation der Hand nach dem Handrücken
vorgetäuscht wurde. Nebenstehende Umrisszeichnung (No. 1) lässt
die erhebliche Abknickung nach dem Dorsum deutlich erkennen und
zugleich auch die starke Verkürzung der Handgelenksgegend.
No. 1. No. 2. No. 3.
Das dorso-volare Röntgenbild (No. 2) zeigte nun, dass ein typi¬
scher Radiusbruch mit mehrfacher Frakturierung des distalen Frag¬
mentes vorlag; ferner dass dieses Fragment und mit ihm die Hand¬
wurzel so weit proximalwärts verschoben war, dass das proximale
Radiusfragment und das unverletzte Ulnaköpfchen zum Teil durch
die Schatten der proximalen Handwurzclknochen gedeckt wurden.
Auf dem seitlich aufgenommenen Röntgenbild (No. 3) sah man
das ca. 2Vz cm lange, distale Fragment der Radiusfraktur um die
ganze Dicke des Knochens dorsal und auf der Radiusdiaphyse weit
proximalwärts verschoben, so dass das Fragment auf der Diaphysc
reitet. Das Köpfchen der Ulna dagegen stand volar unter den Hand¬
wurzelknochen, und zwar so erheblich verschoben, dass sein Pro¬
cessus styloideus fast das Os pisiforme erreichte.
Es handelte sich also um eine mit typischer Radiusfraktur kom¬
plizierte, volare Luxation im unteren Radioulnargelenk.
Durch sofortigen, geringen Zug liess sich das stark proximal
dislozierte Radiusfragment leicht so weit herunterziehen, dass die
Ulna wieder an ihre normale Stelle rückte. Die Reposition der
Radiusfraktur wurde am folgenden Tage (20. III. 08) in Narkose vor¬
genommen. Sie gelang auch fast vollkommen, doch hatte das mehr¬
fach frakturierte, distale Fragment grosse Neigung, in seine fehlerhafte
Stellung zurückzukehren, so dass ein Gipsverband, der gut gepolstert
war, angelegt werden musste.
Der Gipsverband wurde nach ca. 2 Wochen entfernt und mit
Handbädern, Massage, leichten aktiven und passiven Bewegungen
begonnen. Die Fraktur war konsolidiert mit geringer Dislokation.
Schon damals fiel die eigentümliche Fingerstellung der linken Hand
auf.
Bei der Untersuchung am 23. IV. 08 wurde folgender Befund auf¬
genommen:
Handrücken und Handgelenksgegend noch etwas geschwollen.
Radiusfraktur mit geringer Dorsal- und Radialverschiebung fest kon¬
solidiert. Dorsalflexion ist beiderseits nahezu gleich. Volarflexion
noch etwa zur Hälfte behindert. Pronation frei, Supination ca. V« be-
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
schränkt. Auf die seitlichen Bewegungen (Radialad- und -ahduktion)
sind noch etwas beeinträchtigt.
Die Beugung der Finger ist gut. Der Faustschluss vollkommen.
Bei dem Versuch, die Einger zu strecken, w ird der 4. und 5. Eiliger
im ürundgelenk um ca. 30° resp. 5(1° überstreckt, wahrend die
Mittelgelenke dieser Eiliger leicht gebeugt gehalten werden, w ie dies
das gewöhnliche Bild der U I n a r i s I ä h m ung ist. Streckung der
übrigen Einger ist frei. Auch kann der etwas abgespreizt stehende
Kleinfingcr an die übrigen Einger nicht angelegt werden.
Auf dem Dorsum der ulnaren Seite des 4 . Fingerendgliedes ist
die Sensibilität für Berührung etwas abgeschwächt, ebenso aut der
Dosalseite des Endgliedes des 5. Eingcrs. hier aber etwas weniger
deutlich wie am 4. Einger. Auf der Beugeseite ist die Sensibilität
für Berührung am Kleinfinger, der Kleinfingerseite der Hand nebst
KIcinfingerballen erloschen. Ebenso ist an den gleichen Stellen das
Gefühl für spitz und stumpf und die Schmerzempfindung deutlich
herabgesetzt. Am Mittel- und Endglied des Kleinfingers kann auf
der Beugeseite und dem Kleinfingerballen warm und kalt nicht unter¬
schieden werden, während dasselbe Gefühl auf dem Dorsum des
Mittel- und Endgliedes etwas verlangsamt ist.
Während an der Vorderarmmuskulatur keine Veränderung der
elektrischen Erregbarkeit nachzuweisen ist. zeigt die Inten.ssei-
muskulatur komplette Entartungsreaktion; sie ist faradisch nicht er¬
regbar; galvanisch ist die Erregbarkeit stark herabgesetzt, die
Zuckung selbst ist träge. K. S. Z. < An. S. Z.
Eine Atrophie der Zwischenknochenmuskulatur ist wegen der
noch bestehenden Weichteilschwellung nicht nachweisbar.
Es bandelt sich also um ein Bild, wie wir cs bei einer
Ulnarislähmung zu sehen gewohnt sind. Die Schädigung des
Nerven ist wohl auf eine Zerrung und Quetschung seines di¬
stalen Abschnittes durch das weit nach unten herausgetretene
Ulnaköpfchen zurückzuführen und obgleich die Luxation schon
spätestens 2 Stunden nach der Verletzung reponiert wurde,
war die Läsion des Nerven schon so stark, dass er sich bis
jetzt noch nicht erholt hat.
Was nun den Entstehungsmechanismus betrifft, so sind die
genauen Angaben des Mannes von W ichtigkeit. Lr rutschte
mit beiden Füssen gleichzeitig aus und fiel rückwärts auf die
vorgestreckte Hand, die dabei stark dorsalflektiert wurdiG also
der typische Entstehungsmechanismus der dorsalverschobenen
Radiusfraktur. Weiter gibt er aber noch an. er sei nach dem
Fall noch eine kurze Strecke weitergerutscht und dabei sei
die Hand nochmals stärker dorsalflektiert worden. Man kann
nun zwanglos annehmen, dass in dem Moment, in dein die
stark dorsalflektierte Hand den Hoden erreichte, die typische
Radiusfraktur entstanden ist und erst bei der nochmaligen
stärkeren Dorsalflexion die hochgradige Dorsal- und Proximal-
verschiebung des distalen Radiusfragmentes eintrat. Diese
war aber nur dadurch ermöglicht, dass die Ulna volarwärts
auswich, also in diesem Falle luxiertc. Die Luxation im unteren
Radioulnargelenk kommt also bei der typischen Radiusfraktur
nur dann zustande, wenn nach Eintritt der Radiusfraktur die
Gewalteinwirkung noch nicht erschöpft ist, sondern noch
weiter geht.
Luxationen im unteren Radioulnargelenk, auch die mit
typischen Radiusfrakturen komplizierten, sind bis jetzt nur sehr
selten im Röntgenbild dargestellt worden. Ja. es dürfte sogar
eine einschränkende Korrektur der vor der Röntgenkontrolle
veröffentlichten Fälle wohl am Platze sein, da die Luxationen,
wie H ö n i g s ch m i d t ‘), B a u m *) und ich 5 ) bei Leichenver¬
suchen gefunden haben und auch M a r d e n h e u e r *) angibt,
meist inkomplett bleiben. Allerdings können bei typischen
Radiusfrakturen so hochgradige Verschiebungen eintreten,
dass Fragmente und Vorderarmknochen in drei verschiedenen
Ebenen liegen und dadurch eine Luxationsstellung der Ulna
zustande kommt — eine Deformität, die mit Sicherheit nur
durch stereoskopisches Röntgenbild nachzuweisen ist. und auf
die schon Oberst 5 ) in seinem Atlas der Frakturen und Luxa¬
tionen Hinweisen konnte. Immerhin dürften derartig schwere
Verschiebungen, w ie in unserem Falle, sehr selten sein und in
der Tat habe ich in der mir zugänglichen Literatur einen ähn-
4 ) H ö n i g s c h m i d t: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. X.
1878.
liehen nicht finden können. Ausserdem aber bietet er noch
ein ganz besonderes Interesse deswegen, weil sich irn An¬
schluss an diese Verletzung eine U I n a r i s 1 ä h m u n g ent¬
wickelte.
Durch Leichenversuche gelang cs mir. in einer früheren
Arbeit 3 ) nachzuweisen, dass die einfachen, nullt mit anderen
Verletzungen komplizierten Luxationen, wenigstens die nach
der Beugeseite durch forcierte Supination und l eberstreckung
der Hand hervorgerufen werden können. Den Entstehuugs-
mechanismus der mit typischer Radiusfraktur komplizierten
volaren Luxation im unteren Radioulnargelenk glaubte uh
an der Hand unseres Falles zeigen zu können.
*) Baum; Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 67. m»i’.
3 ) Thon: Zum Entstehungsmechanismus der Luxationen im
unteren Radioulnargelenk. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, s4. 1 *x»o.
4 ) Bar den heuer; Verletzungen der oberen Extremitäten.
Deutsche Chirurgie, Bd. 63. 1886.
“) Oberst: At’as der Frakturen und Luxationen. 1901.
Aus dem gcrichthch-mediziiiixJicu Institut zu \\ icn.
Beitrag zur Kasuistik des Selbstmordes während der
Geburt.
Von Pr. Kurt v. Sur y. Assistent an dem Institut.
Der Versuch und auch die Ausführung eines Selbstmordes
während der Geburt sind sehr selten. Fs ist deshalb wohl an¬
gebracht. über einschlägige Falle zu berichten. Abgesehen
vom psychologischen Interesse, das man solchen Vorkomm¬
nissen stets entgegenbringt, kann auch im speziellen der
Suizidversuch forensische Bedeutung erlangen.
In der Literatur sind über Mnzidx ersiiv.be uahrenJ der titDurt
nur wenige Falle /u finden. Ms erster hat Ustandcr 1 ) eine t rau
beobachtet, die, sonst schon von sehr heiligem Naturell, mto.gc der
starken Wehen aus dem lenster springen wollte.
M u c k I c n b r o i c h *) berichtet uber einen Fall, in dem sich
| eine Mehrgebarende nach dreitägiger W ehentatigkcit aus JsJnr.e'/
und Angst mit einem Rockbunde zu strangulieren \ersuchte. Neuer¬
dings verfugt > i e g w a r t ) über eine ahn'uhc Beobachtung. Jv s.« hr.
Frau. 7. Gebärende, seit 2 Tagen Wehen. B'asensprung v>r lr* Mun¬
den. Temperatur 3\n •; sehr starke l n r u h c. Rechte «ie-
sichtslagc. Kinn nach hinten. In einem unbewachten Moment begab
sich die Frau auf den Abort und knuntte sich auf. wurde aber ir.cu.ti
abgeschnitten und wiederbekht. Darauf in tiefer N.rkosc Gehurt
durch Wendung sofort beendigt. Die M mptomc. die Patientin rach
dem Mrangulationsxersuch In.t, sind sehr interessant und stimmtn rn
allgemeinen mit denjenigen, die man Sonst an w it Jcrbcicbtcn t r-
hangten erheben kann, ubcrcin. t.s bestand tiefes K *ma. schwere,
röchelnde Atmung; Pupillen starr, weit. reakti*»ns|..s; starke m< to¬
rische l nrulic. Nehon im Laufe des ersten lages he'lte sich das >cn-
sorium auf und Patientin erinnerte sich sogar ihres >c!bstni*»r d-
versuchs. es bestand also für diese Zeitperu.de keine retn.grade
Amnesie. In den nachsttolgenden 'lagen unter Schüttelfrösten und
hohem Lieber beidseitige Paramctritis. ohne Sinnens er w irrung ; Aus¬
heilung.
Während cs sich in diesen 3 Mittelungen nur um ver¬
suchten Selbstmord in der Geburt handelte, kann uh im
folgenden über zw ei F ä Ile v <> n voll c n d c t c m S u i z i J
i in der Geburt berichten.
I. Fall. 22 i a h r i g c ledige Zcitungstragcrin; ihre
\ngehorigcn haben von einer Schwangerschaft nichts beme-kt und
es soll die Verstorbene sonst, auch psychisch, stets e e s u n d
Gewesen sein. In den letzten Monaten hat sie \«*n Zeit zu Zeit nbir
Bauchkrampfe geklagt. Das Mädchen
ging mit der Angabe, etwas besorgen zu
müssen, von zu Mause fort in ein in der
Nahe befindliches Magazin, wo sic der
I Verkäuferin wiederum sagte, dass sic
noch weitere Kommissionen zu machen
habe. Kurz darauf wurde sie im elter¬
lichen Mause am Boden eines 1 ichthofes
in einer gr »ssen Blutlache lugend tot auf-
gefunden. Ihr Logis war imi 2 . Sto v ke.
daselbst stand das m den I uhtbof
führende Fenster offen. so dass mit Recht
angenommen w ird, dass sich das M «d-
chen von hier heruntergest'irzt hat. Die
Person soll früher, vor der utzt bestan-
denetien Schwangerschaft, suh d ihm gc-
iiiis.se rt haben, dass sie sich etwas an-
tue. wenn sie einmal schwanger wurde.
Die Leich e. zu einer Lebungs-
sektion verwendet, war mittc’go.ss. von
') Osi ander: Neue Denkwürdigkeiten. 17u7.
J ) M li c k I e n b r o i c h: lo'schott zur f eicr des 5o iTiltr igei
Jubiläums der Aerzte des Reg-Bez. D sse-Jo'-f,
i : • * W ". i l*s% *>:.«!'ie u. Vrxenkrankh. 1 »7
*) J
Bd. 4?. 5 2
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1535
ziemlich gutem Ernährungszustand. Haut im ganzen blass,
mit wenig blassrötlichen Totenflecken rückwärts. Linker Ober¬
arm in der Mitte deutlich difform, abnorm beweglich; auf Einschnitt
zeigt sich der Humerus ungefähr der Mitte entsprechend quer frak-
turiert. Auf der Aussenseite des unteren Femurdrittels rechts eine
10 cm lange Rissquetschwunde, aus welcher spitze Knochensplitter
herausragen; der Femur ist in dieser Höhe ausgedehnt zertrümmert.
Abdomen nicht besonders aufgetrieben, sein Umfang entspricht auf
alle Fälle nicht dem einer Hochschwangeren. Brüste grösser, ent¬
leeren auf Druck mässig viel wässrige Flüssigkeit.
Zwischen den grossen Labien ragt ca. 4 cm weit
eine mit 1%—2 cm langen Haaren besetzte Hautfalte
hervor, die, wie die nähere Besichtigung ergibt, aus der Va¬
gina kommt. Der Hymen ist schmal, Introitus vaginae zweikronen¬
stückgross; der touchierende Finger stösst in der Vagina auf
Knochenfragmente.
Beim Auseinanderhalten der grossen Labien wird eine aus¬
gedehnte Verletzung der vorderen Schamspalte
sichtbar. In ihrer oberen Hälfte sind die kleinen Labien nebst der
Klitoris von ihrer Verbindung mit den grossen Labien abgerissen,
so dass ein weit klaffender, ungefähr dreieckiger Defekt entstanden
ist, dessen rechter Schenkel 4 cm, der linke 4,5 cm lang ist. In
dieser Wunde sieht man eröffnete Gefässlumina und stark blutig
suffundiertes Fettgewebe. An der oberen Kommissur der grossen
Schamlippen findet sich eine zweite nur oberflächliche, 2 cm lange,
nach oben rechtskonvexe Kontinuitätstrennung. Im übrigen keine
anderen äusseren Verletzungen.
Schädeldach unverletzt, Gehirn etwas blass, o. B. Halsorgane
o. B. Rechte Lunge mässig gedunsen, linke klein und schlaff, beide
Lungen sowie das Herz unverletzt. Links hinten vom Ansatz des
Herzbeutels an das Zwerchfell, entsprechend auch dem linksseitigen
Ende des Lig. coronarium hepatis ist das Zwerchfell in einem
Umfang von 7 cm Länge und 5 cm Höhe eingerissen. Durch
diesen Defekt ist der mit mässig reichem Inhalt gefüllte Magen
bis über den Pylorus hinaus in die linke Pleurahöhle ein¬
getreten. Daselbst ca. 100 cm flüssigen Blutes. Das präverte¬
brale Oewebe besonders auf der linken Seite der Brustwirbelsäule
von einer ziemlich grossen Menge teils geronnenen, teils noch flüssi¬
gen Blutes durchsetzt. Es ist der 4. Brustwirbelkörper
schräg von oben rechts nach links unten frakturiert und die
Aorta descendens zeigt in dieser Höhe eine quere,
leicht spiralige Ruptur, deren Enden am vorderen Umfang
des 4 cm breiten Gefässes Vz cm übereinander stehen.
In der Bauchhöhle finden sich 200 ccm flüssigen Blutes. Leber¬
oberfläche mit zahlreichen kleinen Einrissen; im Mesenterium stellen¬
weise geringe Mengen geronnenen Blutes.
Der Uterus ist stark vergrössert, sein Fundus steht in Nabel¬
höhe. Ueber den Fundus verläuft 2 Querfinger rechts von der
Mittellinie von vorn nach hinten eine 10 cm lange, schlitz-
artige O e f f n u n g, die das Cavum uteri eröffnet. Das Peritoneum
ist an beiden Rissenden noch 1 cm weiter eingerissen wie die Mus¬
kulatur. Aus dem Uterusinnern sind durch diesen Riss
im vorderen Anteil die beiden unteren Ex¬
tremitäten und der Beckenring des Kindes,
sowie hinten ein kleinhandtellergrosses Stück
Plazenta in die freie Bauchhöhle ausgetreten. Das p r ä -
vesikale Gewebe ist zerfetzt und blutig suffundiert,
man sieht daselbst ein grösseres, freibewegliches
Knochenfragment, das offenbar dem linken Schambein an¬
gehört. Nach vorn gelangt man anstandslos in die oben erwähnte
grosse Wunde der Klitorisgegend. Die Verletzung setzt sich nach
links hinten fort. Die Untersuchung des kleinen Beckens ergibt, dass
der kindliche Schädel tief im Becken steht und die
Vagina weit gedehnt ist. Letztere ist auf ihrer linken Seite durch
einen 7 cm langen Riss, der sich als direkte Fortsetzung der
Klitoriswunde nach hinten links darstellt, eröffnet.
Die übrigen Bauchorgane, namentlich Harnblase mit Urethra
und das Rektum unverletzt, nur sind alle ausgesprochen anämisch.
Die untere Korpushälfte, die Zervix und der obere Teil der
Vagina wurden in der vorderen Mittellinie sorgfältig eröffnet. Das
wohlgebildete, ca. 50 cm lange Kind ist in 1. Hinterhauptslage
eingetreten und findet sich der Kopf im rechten schrägen Durch¬
messer. Das aus der Vagina herausragende Hautstück entspricht ,
einem 10 cm langen und 9 cm breiten Teil der kindlichen Kopf- 1
schwarte; der Schädel erscheint über der Sagittalnaht skalpiert, der
Laopen ist nur vorn in der Gegend über der grossen Fontanelle mit ,
einer breiten Basis der übrigen Kopfhaut noch anhaftend. Das Schä¬
deldach ist in ausgedehntem Masse zertrümmert und das Gehirn
in grosser Ausdehnung zerquetscht. Zervix ist entfaltet, der '
äussere Muttermund vollständig verstrichen, die j
Eihäute zerrissen. j
Das Becken ist abnorm beweglich. Nach der Mazeration er- |
gibt sich rechts ein doppelter, links ein einfacher j
Verti kalbruch; auch die Symphysenverbindung ist
gesprengt.
Die rechte vordere Bruchlinie beginnt oben an der
Eminentia ileopectinea, schneidet den vordersten Pfannenteil, den
Ramus sup. oss. ischii und geht unten durch den Tuber oss. ischii.
Die rechte hintere Bruchlinie verläuft durch den
äussersten rechtsseitigen Teil des 1. Sakralwirbels und dann durch
den 2. bis 5. Processus lateralis nach unten.
Durch die linke B r u c h 1 i n i e ist das Schambein ab¬
gesprengt; sie durchtrennt oben das Corpus ossis pubis, mündet in
das Foramen obturatum und verläuft unten durch die Grenze des
Ramus inf. oss. ischii und des Ramus inf. oss. pubis. Daneben besteht
noch eine zur Facies symphyseos parallel gehende I n f r a k t i o n
auf der Innenseite des Schambeins an der Verbindung zwischen
Ramus sup. und inf.
Sämtliche beschriebenen Weichteil- und Knochenver¬
letzungen zeigen vitale Reaktion. Als Todesursache ist
einmal der gewaltige Schock durch den Sturz mit den in¬
folge davon bedingten schweren Peritoneal-, Uterus- und
Zwerchfellrupturen, dann auch die Anaemia gravis anzu¬
sehen. Die Blutung nach innen war gering, dagegen muss die
nach aussen sehr beträchtlich gewesen sein.
Einen 2. Fall erwähnt in einem anderen Zusammenhänge
H a b e r d a kurz in der Abhandlung über „Streitige ge¬
schlechtliche Verhältnisse“ in Schmidtmanns
Handbuch S. 374, 1905. Ich lasse denselben hier ausführlicher
folgen. Aus dem Gmundenersee wurde die ziemlich frische Leiche
eines jungen Mädchens gezogen. Da an der Annahme eines
Selbstmordes nicht zu zweifeln war, wurde die Leiche, ohne die
Kleider geöffnet zu haben, beerdigt. Erst nachher tauchten Gerüchte
auf, dass die Frauensperson schwanger gewesen und vielleicht eines
gewaltsamen, nicht selbst verschuldeten Todes gestorben sei. Daher
Exhumation der Leiche nach 18 Tagen und gerichtliche Obduktion.
Es fand sich ein vergrösserter, leerer Uterus, in der Vulva lag die
Plazenta, von dieser ging die Nabelschnur in der rechten Genito-
cruralfalte nach hinten, wo unter den Nates die Frucht gefunden
wurde.
Es handelt sich hier um eine Leichengeburt;
tatsächlich muss aber die Geburt im Momente des
Todes schon begonnen haben, denn die Eihäute waren
zerrissen und der Uterus kaum invertiert. Die polizeilichen
Erhebungen führten in Betreff der Umstände zu keinem posi¬
tiven Resultat, so dass eine andere Möglichkeit als Selbst¬
mord in der Geburt nicht in Betracht kommt.
Während wir in unseren beiden Fällen über die
letzten Motive des Suizids im Unklaren sind, geben O s i -
ander, Hucklenbroich und S i e g w a r t an, dass ihre
Frauen aus Schmerz und Angst den Tod suchten. Diese
Faktoren können, besonders bei sensiblen Naturen, sicherlich
bis zur Selbstvernichtung führen; die Annahme einer ver¬
minderten Zurechnungsfähigkeit ist aber dazu gewiss nicht
notwendig.
Fritsch 4 ) gibt speziell für Gebärende infolge der Angst,
Schmerzen, Blutverlust. Erschöpfung etc. eine Herabsetzung
der Besonnenheit und Widerstandskraft zu, wodurch die freie
Willensbestimmung eingeschränkt, bei psychopathi¬
scher Veranlagung sogar schwer beeinträchtigt und
aufgehoben werden kann. v. S ö I d e r 5 ) drückt sich viel
zurückhaltender aus, da er meint, es sei nicht sicher erwiesen,
„ob der Zustand von Gebärenden ohne krankhafte Momente
die Bedeutung einer Sinnesverwirrung erlangen könne“.
Diese Frage ist forensisch ausserordentlich wichtig; denn
wenn für den Geburtsakt selbst eine Sinnesverwirrung anzu¬
nehmen wäre, so würde eine solche auch für die Zeit kurz
nach der Geburt — Kindsmord — wohl erklärlich sein. Auf
Grund der reichlichen Erfahrungen am hie¬
sigen Institut ist aber in der grossen Mehr¬
zahl der Fälle von Kindsmord eine Sinnes-
verwirrung durch den erschöpfenden Ein¬
fluss der Geburt auf das Gehirn oder durch
gesteigerte Affekte bei starken Wehen bei
psychisch gesunden Frauen nicht zuzugeben.
Ganz ähnlich lauten auch die Resultate in Bischoffs 6 )
zusammenfassender Arbeit über den Geisteszustand der
Schwangeren und Gebärenden. In seinen vergleichenden
4 ) J. Fritsch: Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit.
Dittrich sches Handbuch der ärztlichen Sachverständigentätigkeit.
VIII. Band, 1. Lieferung, S. 26.
5 ) F. v. S ö 1 d e r: Strafrecht und Strafprozessrecht. Ibid.. S. 11\
*) E. Bi sch off: Archiv f. Kriminal-Anthropologie (Gross).
Bd. 29, 1908, Heft 21 3, S. 109.
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1536
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
So. 29.
Studien über die Geburten in Wien (ca. 55 000 pro Jahr)
kommt er zu dem wichtigen Schlüsse, dass Geisteskrankheiten
und vorübergehend abnorme Geisteszustände bei Entbindenden
selten sind und vorwiegend bei Disponierten auftreten. Die
durch den Geburtsakt bedingte Erregbarkeit wird also im all¬
gemeinen noch innerhalb der physiologischen Grenzen fallen.
Wien, im März 1908.
Aus dem evangelischen Diakonissenkrankenhausc in Witten.
Durch Trauma hervorgerufene Stenose des Pulmo-
nalostiums.
Von Dr. Bruno Le ick, Chefarzt der inneren Abteilung.
Am 29. Februar 1904 wurde der 20 Jahre alte Arbeiter Rudolf A.
wegen rechtsseitiger Lungenentzündung auf die innere Abteilung des
hiesigen evangelischen Krankenhauses aufgenomnicn. Die Pneumonie
nahm einen normalen Verlauf und gelangte in kurzer Zeit zur Aus¬
heilung. Bei der Untersuchung des Kranken hatte sich nun gezeigt,
dass ausser der Lungenentzündung, die zur Aufnahme in das Kranken¬
haus die Veranlassung gegeben hatte, bei dem p. A. ein Herzleiden,
und zwar eine Pulmonalstenose bestand. Der Patient fiel schon hei
dem ersten Blick durch eine hochgradige Zyanose auf; besonders
stark war dieselbe an den Lippen. Ohren, den Finger- und Zehen¬
spitzen ausgesprochen. In der Kälte und bei schnellen Bewegungen
wurde die zyanotische Färbung stärker und war nach den Angaben
des Patienten oft so intensiv, dass er sich scheute, sich auf der Strasse
zu zeigen. Die Endphalangen der Finger waren kolhig verdickt und
zeigten die bekannte Veränderung, die man passend mit dem Namen
„Trommelschlegelfinger“ belegt hat. Bei der Untersuchung des
.Herzens fand sich der Hcrzspitzcnstoss im 5. Interkostalraum, ver¬
breitert, nicht ganz bis zur Mammillarlinie reichend. Die rechte
Grenze der absoluten Herzdämpfung erstreckte sich bis zur Mitte
des Sternums. Leichte Pulsatio cpigastrica. lieber dem ganzen
Herzen hörte man ein deutliches systolisches Geräusch, am lautesten
an der Auskultationsstelle der Pulmonalis im zweiten Interkostalraum
links. Der zweite Pulmonalton war nicht wahrnehmbar.
Wir hatten also den für Pulmonalstenose typischen Befund.
Patient ist im Laufe der nächsten 2 Jahre des öfteren von mir
untersucht und auch in ärztlichen Kursen demonstriert worden. Der
Befund war im wesentlichen stets derselbe, nur wurde die Zvanose
immer ausgesprochener, und es entwickelte sich allmählich eine
Tuberkulose der Lungen, die durch den Nachweis der Tuberkel¬
bazillen im Sputum einwandfrei festgestellt werden konnte. Diesem
Leiden ist Patient im April 1906 im Alter von 22 ' i Jahren erlegen.
Die Autopsie bestätigte die klinische Diagnose. Neben tuber¬
kulösen Herden in beiden Lungen fand sich eine hochgradige Stenose
der Pulmonalklappen. Dieselben waren zu einem nach aussen vor¬
gewölbten Diaphragma verwachsen, welches im Zentrum eine kreis¬
förmige Ocffnung von ca. 4 mm Durchmesser zeigte. Im übrigen
konnten, abgesehen von einer deutlichen Hypertrophie des rechten
Ventrikels, Veränderungen am Herzen nicht aufgefunden werden.
Das besondere Interesse des Falles liegt nun darin, dass
diese Pulmonalstenose, die doch für gewöhnlich ein ange¬
borenes Leiden darstellt, bei unserem Patienten mit aller¬
grösster Wahrscheinlichkeit auf ein Trauma, von dem er im
Alter von ca. 15 Jahren betroffen wurde, zuriickzuiiihren ist.
Die Gründe, die für diese Annahme sprechen, sind folgende.
Als Kind hat Patient nie zyanotisch ausgeschcii. Ich habe mich
genau bei seinen Eltern erkundigt; dieselben gaben mit Bestimmt¬
heit an, nie eine derartige Färbung bei ihm in den Kinderialiren be¬
merkt zu haben. Er konnte laufen und springen wie andere Kinder
und ist in der Schule ein guter Turner gewesen, ln seinem 15. Lebens¬
jahre erlitt er einen schweren Unfall. Er wurde von einem guss¬
eisernen Rahmen, der von einer Polierscheibe absprang, mit voller
Wucht gegen die Brust getroffen, so dass er zu Boden stürzte und
längere Zeit bewusstlos war. Genaueres, namentlich über den Be¬
fund bald nach dem Unfall, konnte ich leider nicht in Erfahrung
bringen. Eine Unfallanzeige ist nicht erstattet worden, wie auch
der p. A. nie Rcntcnanspriichc geltend gemacht hat. Ungefähr
V : -'—Jahr nach diesem Unfälle wurde zum ersten Male eine Herz¬
störung bei dem Kranken festgestellt. Er musste sich einer Augen¬
operation unterziehen, und bei dieser Gelegenheit teilte ihm der be¬
treffende Augenarzt mit, dass sein Herz nicht in Ordnung sei.
Zyanose und Trommelschlegelfiuger bestanden damals noch nicht,
sondern haben sich erst allmählich im Laufe der nächsten Jahre ent¬
wickelt. Erst ungefähr 5 Jahre nach dem Unfälle wurde ärztlicher¬
seits das Bestehen einer Pulnionalstcnosc konstatiert, als der Kranke,
wie schon gesagt, wegen eines anderweitigen Leidens Aufnahme im
hiesigen Krankenhausc fand.
'Tatsache ist also, dass der Kranke im Alter von ca.
15 Jahren von einem Unfälle betroffen wurde, der sehr wohl
geeignet erscheint, eine Erkrankung der Herzklappen zu ver¬
ursachen. Durch den plötzlichen, heftigen Schlag gegen d,e
Brust muss es zu einer starken Druckstugeru: g mi 'lhorav
kommen, und durch die Frtahrur gui bei l rfa'.lverlet/kn
wissen wir ja, dass eine derartige Druckst«, igertmg mJit ganz
selten zu Zerreissungen, Einrissen oJcr d<>Ji Blutungen an
den Herzklappen fuhrt. Derartige K lapp«, nv erletzimgen geben
dann einen günstigen Boden für die Ausladung erdokard.tisJicr
Prozesse ab, als deren Endresultat in urwrun Falle d.e Stemme
der Pulmonalklappen an/usehen ist. Weshalb hier gerade die
Pulmonalklappen geschädigt wurden, wage ich nicht zu ent¬
scheiden.
Bis zu diesem Unfälle war der Patient durchaus gesund
und leistungsfähig gewesen. Dass von den Eltern des Kranken
in seiner Kindheit eine zyanotische Färbung nullt wahr¬
genommen wurde, wurde ja nicht so sehr gegen d e \nn.thiiie
eines angeborenen Herzfehlers sprechen, da ja hinlänglich be¬
kannt ist, dass die Zvanose bei angeborener Pulnu uaistenose
bisweilen erst spater deutlich zum Ausdruck kommt, ta sogar
völlig fehlen kann. Sehr auffällig muss es dagegen bei der
Annahme eines angeborenen Leidens erscheinen, dass d.e
Leistungsfähigkeit des Patienten eine durchaus normale ge¬
wesen ist, so dass er als Fabrikarbeiter Aerweikhmg irden
konnte. Die Angaben des kranken sind in dieser M.t'suht a'.s
ganz einwandsfrei zu betrachten. Da er ne l ufallrenten-
anspriiclie geltend gemacht bat. lag für ihn gar kein tirur.d vor.
seine Leistungsfähigkeit vor dem Unfälle in besonders gaum
Licht erscheinen zu lassen.
Auch schon das von unserem Kranken erre.Jite Lebens¬
alter spricht in gewisser Hn.suht gegen die Annahme e.res
kongenitalen Herzfehlers. Ereduli ist mir bekannt, dass man
mit angeborener Pulmonalsfennse roJi aller als nu:n Pat ent
(22 Jahre) werden kann, aber es ist das d*uh jedem.F s n.Jit
das gewöhnliche. Yierordt*) gibt als durchschnittliche
Lebensdauer Jahre au.
Schliesslich ist aiuh das Fehlen aller sonstigen B.ldui gs-
anomalieti am Herzen gegen da 1 Annahme eines angeborenen
Leidens ins Feld zu fuhren. Denn wenn a.afi re me Stenosen
des Pulmona lost nims als angeborenes Lei den beobachte t w erde n.
so sind doch in den meisten Fallen muh andere* Storungen,
wie Septumdefekte, ollencs lü.r.imeit ovale. (Mknbailan des
Ductus arteriosus und dergleichen, nuchzuw eisen, \er.iu-
derungen, ehe. wie ehe Sektion ergab, bei unserem Patamun.
eben nicht bestanden.
Fassen wir noch einmal kurz alles zusammen: Fm 15 i.thr.
Mensch, der bis dahin völlig gesund m d arhutM.tfcg gewesen
ist, erleidet ein schweres Trauma, welche den Ilmrav tr.a;t.
Nach '« Jahren werden zum ernten Male Her/veian-
derimgen testgestellt, die sah im Laufe der r.uhsteu Jahre zu
dem typischen Bilde der Pulmonalstetit-ue ausb.ldeii. Im Alter
von 22 Jahren gellt der Kranke an einer hm/utre terdett Lungen¬
tuberkulose zu Grunde. Bei der Sektion findet suh eme hoch¬
gradige Stenose des Piilmonalostmms ohne sonstige Bi'.dargs.
anomalieii am Herzen. Bei dieser Sachlage Kami man meines
Erachtens nicht umhin, den Her/klappeuiehier mit grösster
Wahrscheinlichkeit als durch den Unfall bvd.r gl an/usdten.
Bei der Seltenheit des Falles Schien nur nankt.t.uh in Hmbl.ck
auf Unsere Uniullgeset/gebiing eme kurze Mitteilung an¬
gebracht.
Ueber Messung und Dosierung der Röntgenstrahlen in
absoluten Einheiten. Röntgenolyse.
Von Er. K I i n g e 1 f u s s in Base!.
Die Di-siciung tJe r RvitFge i'spai n wurde Iwh«. r di;Ji \<.r-
vrleic lisr e.ik ti* >n. eieren t rtvpen ehe l'smukr \ . n II • ■ ; / k n e c h
Saboiirauel und N o i r e. Kien hock. > chwur/ u. j sa !.
ausgefuhrt. Die go-sse /.i!i] \..n Xolosrtiua '' V [ , a „ a ,,
diesen Standards zeigt altem, wie go.es das \ gen r.uh cm er
zuverlässigen Mess\«uru htimg ist.
Die Messung m jps.dukrn Masse, ajgjphch wie de Mi^Mi'g des
elektrischen Mnmies uiis/ur.dif el». Svbcikrte an de m t dass,
eme der in Betracht kommenden t imssen bisher tuJ.t g*. ’*n c%n wer¬
den konnte. Fs ist das die-ein ge >i'amuit:g. d:e beim Ir* '•js* 1 - uw
herrscht und v on der das I *■ te::t.a g*. ,e der k.it JestM'. ui a -
*) Nothnagel: Steiö'e P.u' ’• g.e um! lie'.i; e p.d J
5. s.t.
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21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1537
hängt. Zu dieser Spannung steht weder die Spannung des Primär-
stromes, wie Beobachtungen von Angerer 1 ) ergeben haben, noch
die Spannung des Funkenpotentials in direkter Beziehung. Das
rührt daher, dass, wie den Physikern längst bekannt ist, die Span¬
nung des Funkenpotentials ganz erheblich herabsinkt, in dem
Momente, wo der Funke den Widerstand (die Funkenstrecke, oder
im speziellen Falle, die Röntgenröhre) durchschlägt. Da aber nicht
das Funkenpotential, sondern die Spannung beim Funkenübergang als
massgebende Grösse in Betracht kommt, letztere aber bis anhin aus
bestimmten Gründen nicht gemessen werden konnte, so scheiterte
hieran auch die Möglichkeit einer vergleichenden Messung der elek¬
trischen mit der Röntgenstrahlenenergie.
Durch eine einfache Ueberlegung ist es mir nun gelungen, ein In-
duktorium so zu bauen, dass man in dessen Sekundärstromkreis einen
Spannungsmesser einschalten kann, der die Spannung beim Strom¬
fluss, nicht aber das Funkenpotential misst.
Dabei hat es sich ergeben, dass die Spannung beim Stromfluss
8—10 mal niedriger ist als das Funkenpotential 2 ).
Misst man die elektrische Energie, d. h. die Spannung beim
Stromfluss im Sekundärkreise und die Stromstärke, die einer Rönt¬
genröhre zugeführt wird, so findet man die überraschende Tatsache,
dass die durch die Röntgenstrahlenenergie hervorgerufene Reaktion
auf der photographischen Platte direkt proportional ist dem Produkte
obiger beiden Grössen und der Expositionsdauer. C = V J t, wo
C die Reaktion, V die Spannung beim Stromfluss in der Sekundär¬
spule, J die Stromstärke und t die Zeit ist. Das sind aber die gleichen
Grössen, nach denen die Arbeit bei der Elektrolyse ermittelt wird,
d. h. die Menge des ausgeschiedenen Wasserstoffes oder der nieder¬
geschlagenen Metallmenge ist direkt proportional der Spannung, mal
der Stromstärke, mal der Zeit. Ich schlage deshalb vor, in analoger
Weise die Therapie mit Röntgenstrahlen, sobald sie in absoluten Ein¬
heiten gemessen wird, Röntgenolyse zu nennen.
Von zahlreichen Kontrollversuchen, die ich gemacht habe,, sei die
Fig. 1 hier reproduziert 3 ); sie zeigt, mit wie grosser Genauigkeit
die Röntgenolyse ausgeführt werden kann. Die Messung ist absolut
frei von subjektiver Beeinflussung und lässt sich jederzeit unabhängig
und einwandfrei wiederholen. Sind einmal für gewisse Bestrahlungen
durch die Röntgenolyse konstante Normen geschaffen, so lassen sich
die Konstanten jederzeit kopieren. Es sei z. B. durch die Bestrahlung
'‘iner krankhaften, oberflächlich gelagerten Stelle mit einer Röhre
v 0 n 60 Härteeinheiten V (die Zahl bezieht sich auf die Skala des
Spannungsmessers, der 150 Skalenteile für die Härten bis 8 Benoist
besitzt) und mit einer Stromintensität von 1 Milliampere in 10 Minu¬
ten eine ganz bestimmte, vom Arzte zu definierende Reaktion ein¬
getreten- die Konstante hierfür beträgt also 60 X 10 X I = 600;
diese Dosierung soll von einem anderen Arzte in einem ähnlichen
Fa'le ebenfalls zum gleichen Zwecke angewendet werden. Seine
Röhre zeige die Härte 65 (eine Differenz gegen die erste Röhre
von 60 H die an der Benoistskala wegen der Unempfindlichkeit der¬
selben unmöglich zu ermitteln ist); dann gebe sein Instrumentarium
die ^tromintensität 0,8 Milliampere. Um die gleiche Bestrahlungs¬
intensität durch die Röntgenolyse wie im vorigen Falle zu erhalten,
muss der zweite Arzt eine Expositionszeit von öj . &5 = H ’ 5 Minu ‘
en anwenden. Man ersieht aus diesem einen Beispiel, wie einfach
-id sicher sich die Dosierung auf diese Weise gestaltet. Die Emp-
J )E Angerer; Ann. d. Phys., 21, p. 116, 1906.
*) Fr. Klingelfuss: Ann. d. Phys., 5, pag. 853, 1901.
3 ) _ _
Streifen
1 | 2
3
1 4
5 6 |
H=V . --
i . . . . • ■ •
t . . - . • • *
1
92 | 83 '
1,8 1,5 1
0,5 1 0,661
80
1,35
0,77
73 1
! 1,0!
1,14
68 63 |
0,7 I 0,4
1,74 3,3 |
Härte der Röhre
Milliamperes
Minuten
t . . . .
No. 29
findlichkeit verschiedener Patienten wird ja nicht immer die gleiche
sein, aber aus dem absolut sicheren Masse bei der Röntgenolyse,
mittels der man eine ganz bestimmte, genau definierbare Strahlen¬
menge appliziert, lässt sich rückschliessend diese Empfindlichkeit
beurteilen und ein sich so ansammelndes Erfahrungsmaterial nutz¬
bar verwerten.
Der Spannungsmesser für den fliessenden Strom im Stromkreis
der Sekundärspule und Röntgenröhre ist aber zugleich ein ausser¬
ordentlich empfindlicher Härtegradmesser für die Röntgen¬
röhre. Wie gross diese Empfindlichkeit ist, zeigt der Umstand, dass
für die Härtegrade 2—8 Benoist eine Skala von 30—150 Graden be¬
nützt werden kann, so dass Bruchteile der Härte mit Leichtigkeit
abgelesen werden können. Ausserdem zeigt das Instrument jede
Aenderung der Härte einer Röhre während der Einschaltung der¬
selben an.
Die Instrumente — Härten und Strommesser — können auf der
Schalttafel in beliebiger Entfernung von der Röntgenröhre angebracht
werden, so dass man den Zustand der Röhre aus den Ablesungen an
den beiden Instrumenten genau beurteilen kann, ohne die Röhre
selbst vor Augen zu haben. Durch diese Einrichtung ist es dem Arzte
ermöglicht, die Röntgenolyse fortgesetzt ausüben zu können, ohne
sich selbst im geringsten irgendwie den Röntgenstrahlen aussetzen
zu müssen.
Da die Instrumente mit einer Klemme geerdet werden, können
dieselben gefahrlos berührt werden. Ich mache ausdrücklich darauf
aufmerksam, dass trotz dieser Erdung beide Pole des Induktors nicht
an Erde gelegt sind, also die maximale Wirksamkeit des Induk-
toriums durchaus nicht beeinflusst ist.
Das Instrumentarium für die Ausübung der Röntgenolyse mit
absoluter Messvorrichtung unterscheidet sich von den bekannten
Instrumentarien äusserlich unwesentlich, hauptsächlich darin, dass ein
dafür hergestelltes Induktorium angewendet werden muss, dessen
Preis derselbe ist desjenigen gewöhnlicher Bauart.
Eine neue Anwendung der Röntgenstrahlen.
Bemerkung zu der Mitteilung von Ingenieur Fr. Dessauer
in No. 24 dieser Wochenschrift.
Von Dozent Dr. G. Holzknecht in Wien.
Herr Dessauer glaubt, in meinem am letzten Röntgenkon¬
gress in Berlin gehaltenen Vortrag über die Lösung des Problems, in
der Tiefe gleich viel Röntgenlicht zu applizieren wie an der Ober¬
fläche, wesentliche Punkte einer Demonstration wiederzufinden, die
er mir in seiner Fabrik abhielt, als ich ihn dieses von ihm bereits
publizistisch bearbeiteten Gegenstandes wegen aufsuchte. Dem¬
gegenüber konstatiere ich, dass alles Theoretische, das ich dort zu
hören bekam, alt und unvollständig, und alles Technische unbrauch¬
bar war, so dass ich meinen Weg weiter gehen musste, so, als ob
der Besuch nicht gewesen wäre. Erst die Heranziehung des Herrn
Ing. Heinz Bauer hat die technischen Fragen des Gegenstandes
zu lösen vermocht. Herr Bauer hat von den Absichten Des¬
sauers nichts erfahren und einen völlig neuen Weg betreten.
Herr Dessauer will nun die Auseinandersetzung mit Herrn Ing.
Bauer auf dem Umwege über mich führen. Habeat! Ich habe
den Ausführungen Herrn Dessauers gegenüber, deren Fort¬
setzung am Röntgenkongress in Berlin vom gesamten Auditorium mit
Entrüstung zurückgewiesen worden ist, folgendes festzustellen, und
das kann zugleich als Grundriss der Geschichte dieses neuen Ge¬
bietes dienen.
Die Bestrebung, wirksame Röntgenlichtmengen in die Tiefe der
Körper zu bringen, hat folgende effektive Schritte gemacht:
1. Perthes hat die Mittel angegeben, die Tiefenwirkung zu
verbessern (Mehrseitenbestrahlung, grosse Röhrendistanz, harte
Röhren, Filtration). Niemand hat ein weiteres Mittel hinzugefügt.
2. I c h habe gezeigt, dass das Ideal in dieser Richtung, nämlich
gleiche Lichtabsorption in der Tiefe wie auch Oberfläche bis zu
einer Körperstärke von 20 cm Durchmesser erreicht werden kann,
wenn man die Perthes sehen Mittel folgendermassen dimensio¬
niert: 4 Seitenbestrahlung, 2 m Röhrendistanz, Röhrenhärte Wal¬
ter 7, Fensterglasfilter.
3) Heinz Bauer hat auf dem völlig neuen Prinzip, die
Röntgenröhren nicht wie bisher mit Sekundärströmen eines Induktors,
sondern mit elektrischen Schwingungen zu betreiben, ein Instrumen¬
tarium konstruiert, mit welchem die unter 2. angeführte, ihrer Natur
nach intensitätsverschwenderische Applikationsart in nicht allzu¬
langen Bestrahlungszeiten durchführbar ist.
Soweit reichen die wirklich fördernden Schritte auf diesem Ge¬
biet, alles übrige hat keinen allgemeinen Nutzen gezeitigt.
Zwischen Perthes und mir hat nämlich Dessauer das
Thema aufgegriffen und in einem sprachlich vollendeten Artikel, in
dem er Stück für Stück die Perthesschen Mittel zur Verbesse¬
rung der Tiefenwirkung bespricht und trotz sonstiger breitester Aus¬
führung die Arbeit von Perthes mit keinem Worte erwähnt. Erst
über diese, meine Konstatierung am Röntgenkongress entschuldigt
sich Dessauer damit, dass er die Perthessche Mitteilung,
.3
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1538
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29.
welche in dem grössten Organ der medizinischen Röntgenologie, den
Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen erschienen ist,
nicht gekannt habe.
Das einzige Novum, welches dieser Dessau ersehe Artikel
enthält ist das Wort Homogenität der Röntgenstrahlung, als Be¬
zeichnung für jene erwünschte Eigenschaften, Bestrahlungstechnik,
vermöge deren in der Tiefe gleichviel Licht absorbiert wird, wie an
der Oberfläche.
Ferner hat D e s s a u e r, zugleich als er jenen Artikel publizierte,
ein Instrumentarium konstruiert, welches diesen besonderen Zwecken
dienen sollte, das ich zu prüfen Gelegenheit hatte; als ich, wie Des¬
sauer hervorhebt, im Interesse eines Kranken die Fabrik in
Aschaffenburg besuchte, sah ich dort sein Instrumentarium, das übri¬
gens auf dem alten Prinzip des Röntgenbetriebes mittels des Sekun¬
därstroms eines Induktors beruht. Bald darauf hatte ich Gelegenheit
mit seinem Instrumentarium zu arbeiten. Die mit Herrn Dessauer
gemeinsam angestellten Messungen ergaben
1. „keine räumliche Homogenität“, sondern die gewöhnliche Ab¬
nahme der Intensität ungefähr im Quadrat der Entfernung, und
2. eine so geringe Lichtintensität, dass ich, um eine Hoffnung
ärmer, von der praktischen Verwendung abstehen musste und mit
Dessauers Zustimmung besser tat, das Dessauer sehe Instru¬
ment als unbrauchbar zur Seite zu stellen und bei'dem gewöhnlichen
alten Röntgeninstrumentarium zu bleiben. Später erst konnte dafür
das Bauer sehe treten.
Bei diesem Tatbestand kann natürlich von einer widerrecht¬
lichen Benützung einer „vertraulichen Mitteilung“ nicht die Rede
sein. Es gibt keine vertrauliche Mitteilung einer längst publizierten
Arbeit und die vertrauliche Mitteilung einer unbrauchbaren Methode
ist kein Hindernis für die Publikation einer brauchbaren Methode und
hätte auch im Fall der Verständigung kein Recht zur Verhinderung
derselben gegeben.
Ich muss noch erwähnen, dass meine auf pag. 1286 zitierte Be¬
hauptung nur durch Weglassung der Worte: „von einer Seite her“
nach dem Worte „Durchstrahlung“ fehlerhaft erscheint. Von einem
Fokus her kann tatsächlich gleichmässige Durchstrahlung nur bei
unendlicher Penetrationskraft erreicht werden, und dann ist die Ab¬
sorption gleich Null, und der Zweck der Sache vereitelt. Herr Des-
sauer, der in seinen bisherigen Arbeiten und in seinem Instrumen¬
tarium, das 2 Röhren nebeneinander stellt, auf die von Perthes
vorgeschlagene Bestrahlung von mehreren Seiten her verzichtet hat,
hat, seit ich am letzten Röntgenkongress bewiesen hatte, dass die
Homogenität ohne Mehrseitenbestrahlung unmöglich ist, diese seinem
Arbeitsplan eingefügt, an anderer Stelle aber doch wieder ihre Ueber-
flüssigkeit ausgesprochen. Praktisch hat er dieselbe nicht verwendet,
und daher gebührt ihm auch nicht das Verdienst, „physikalisch und
technisch das Problem der Tiefenbestrahlung erstmalig realisiert“
zu haben, wenn er damit Homogenbestrahlung meint.
Ich fasse zusammen:
1. Dessauer hat nicht zuerst eine Homogenbestrahlung durch¬
geführt, weil diese anders als von mehreren Seiten nicht möglich ist.
2. Dessauers Apparat liefert kein räumlich homogenes Licht.
3. Dessauers Apparat liefert nach seinen eigenen Messungen
und nach den im Einverständnis mit ihm gemachten Publikationen
verschwindend kleine Lichtmengen.
4. Dessauers Arbeiten enthalten keine meritorisch neuen
Dinge zur Lösung des Problems der Homogenbestrahlung.
5. Die von ihm angewendete Applikationsart ist von Perthes
vorher erdacht worden.
6. Ich habe die Dessauer sehen Mitteilungen nicht gebraucht,
weil sie nicht zu verwenden waren.
7. Dessauers Verdienst an der Sache ist das Wort Homogen¬
bestrahlung.
8. Ing. Heinz Bauer hat völlig unabhängig von Dessauer
einen völlig anderen Weg als Dessauer beschritten.
Ich weise den ganz allgemein und ohne Detaillierung ge¬
machten Vorwurf des Plagiates zurück und konstatiere, dass ich
bloss dem gleichen Ziele aber mit mehr Glück nachgegangen bin als
D c s s a u e r.
Zur Frage der akuten Herzüberanstrengung.
Von Prof. Dr. Sc h o 11 in Nauheim.
Die von Moritz in No. 25 dieser Wochenschrift erschienene
Arbeit veranlasst mich zu folgender Erwiderung:
An meiner orthodiagraphischen Nachprüfung meiner früheren
Experimente über akute Herzüberanstrengung habe ich absichtlich
andere teilnehmen lassen. Obgleich ich mich mit Röntgenunter¬
suchungen viel befasst habe — die von mir seinerzeit in die Röntgen¬
technik eingeführte Markierung der Mammillae durch Bleiplättchen
sowie das kleine Hilfsmittel der Anbringung von Gelatinepapier auf
dem Durchleuchtungsschirm finden noch heute vielfach Verwendung
— habe ich die Feststellung der Herzgrenzen durch den medizinischen
Leiter des röntgenologischen Institutes des St. Marienkrankenhauses
zu Frankfurt a. M. und neben diesem noch von einem Nichtmediziner
ausführen lassen, welch Letzteres mir von Moritz zum Vorwurf
gemacht wird. Dieser Nichtmediziner nun ist Herr Dessauer, der
Direktor der vereinigten elektrotechnischen Institute Frankfurt a. M.-
Aschaffenburg, der an den beiden genannten Plätzen seit Jahren die
Röntgenkurse für Aerzte abhält, sich aber auch eines allge¬
mein wissenschaftlichen Rufes auf diesem Gebiete erfreut. Somit war
neben der Beherrschung der Technik gewiss auch vollständige Ob¬
jektivität gewährleistet.
Die Gründe, weshalb ich bei tiefstem Zwerchfellstand die Herz¬
grenzen aufzeichne, habe ich bereits früher klargelegt.
Die von mir demonstrierten Baldes sehen Bilder sind genau
nach Moritz’ Angaben aufgenommen, und doch bestätigen auch
sie, wie dies Baldes ebenfalls fand, die Richtigkeit meiner Ein¬
wände.
Die Auszüge aus Veröffentlichungen von Moritz und seinen
Assistenten in seinem vorliegenden Aufsatze bieten nichts Neues
mehr. Jene Arbeiten sind bereits in No. 18 dieser Zeitschrift ausführ¬
lich von mir besprochen worden.
Was die Wiedergabe der Bilder bei meinen Experimenten an¬
langt, so sind die Grössenverhältnisse bei jedem einzelnen Experi¬
mente, also immer nur die z w e i zu einer Figur gehörigen Aufnahmen
miteinander zu vergleichen und zwar aus Gründen, die ich bereits
angegeben habe, und die mit den von G u 11 m a n n erwähnten An¬
schauungen übereinstimmen.
Den grössten Teil meiner Arbeit sowie vor allem meine Argu¬
mentationen, welche das Bestehen einer akuten Herzausdehnung nach
Ueberanstrengung beweisen, lässt Moritz ganz unerörtert. Ich
fasse nun nochmals kurz das Folgende zusammen:
Die Tatsache, dass chronische Herzüberanstrengungen
Herzausdehnungen verursachen, stand fest. Ich habe des
Näheren auseinandergesetzt, dass hierbei eine Dilatation das Primäre,
die Hypertrophie das Sekundäre ist. Diese Ausdehnungen können
nach dem Verlauf des Entstehens nur durch Summierung einzelner,
akuter Ausdehnungen entstanden sein. Dieser Umstand veran-
lasste mich zu meinen Experimenten. Mit Hilfe der gewöhnlich
geübten Perkussion, solcher mit seitlicher Abdämpfung und später
auch durch Röntgenstrahlen, konnte ich feststellen, dass bei a b s o 1 u t
gesunden Personen, wenn eine Ueberanstrengung so lange fort¬
gesetzt wird, bis Herzklopfen und vor allem Dyspnoe erfolgt,
eine Herzausdehnung hervorgerufen werden kann. Die kli¬
nischen Beobachtungen, insbesondere die bei übertriebenem Sport ge¬
machten, sowie auch physiologische Untersuchungen stimmten mit
den von mir gefundenen Tatsachen überein. Erst die orthodiagra¬
phischen Untersuchungen schienen andere Resultate zu ergeben und
zwar erst gar keine Veränderung, in der letzten Zeit sogar Herz¬
verkleinerung nach Ueberanstrengung.
Es galt deshalb die Nachprüfung meiner Experimente mittelst
dieser Methode, und da stellte sich denn heraus, dass auch diese
nicht frei von Fehlerquellen ist, welche den Röntgenuntersuchungen
des sich bewegenden Herzens anhaften, nämlich, dass nicht nur jede
veränderte Position der Versuchsperson, sondern auch vor allem die
rasche Aenderung des Breiten- oder Längsdurchmessers des Herzens
zu falschen Schlüssen führen kann. Ich habe dies nicht nur an den
beiden Herzsilhouetten in der d e 1 a C a m p sehen Arbeit nachweisen
können, sondern auch die von Schmidt, Dessauer sowie vor
allem die von Baldes bereits erwähnten Bilder zeigen dies aufs
deutlichste; und in Wien, wo ich auch die Bilder des Letztgenannten
demonstrierte, konnte ich darauf hinweisen, dass je nach dem durch
Bewegungen und Drehungen des überangestrengten Herzens verur¬
sachten Wechsel des Durchmessers Verkleinerungen in toto, Ver-
grösserungen des rechten Ventrikels bei Verkleinerungen des linken,
oder auch das Umgekehrte zur Beobachtung gelangen können.
Nachdem es mir durch Anwendung der beschriebenen Vorsichts-
massregeln gelungen war, diese Fehlerquellen tunlichst einzu¬
schränken, kam ich wieder zu meinem alten Resultate: Herzaus¬
dehnung nach akuter Ueberanstrengung bei gesunden Menschen.
Und mit den von mir gefundenen Tatsachen stimmen auch die
erwähnten Tierexperimente überein. Unter diesen interessiert für
unsere Frage ganz besonders dasjenige, welches uns zeigt, dass ein
Hundeherz einer enormen (sechsfachen) Ausdehnung ausgesetzt wer¬
den kann, ohne damif schon seine Kontraktionsfähigkeit einzubüssen.
Die schönen Untersuchungen von K ü 1 b s sprechen ganz in dem von
mir ausgesprochenen Sinne, und die an vorher gesunden Menschen
gemachten Beobachtungen von Beck, Zuntz und Schumburg.
S t a e h e 1 i n und vielen anderen, sie alle zeigen, dass durch Ueber¬
anstrengung das Herz sich ausdehnt. Alle diese Tat¬
sachen umgeht Moritz in seiner letzten Arbeit. Für ihn existiert
nur noch eine Verkleinerung des Herzens nach Ueberanstrengung.
Wie aber eine solche Verkleinerung schliesslich zur Herzvergrösse-
rung zu führen vermag, das wird nicht nur mir, sondern wohl auch
den meisten anderen unerklärlich sein. Und wie Moritz, der sich
auf die von ihm gefundene Verkleinerung des Herzens nach Ueber¬
anstrengung so fest verlässt, dazu kommt, am Schlüsse seiner Arbeit
folgendes zu sagen:
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1530
„Ich hebe zum Schlüsse hervor, dass ich mit der Möglich¬
keit des Eintrittes einer akuten Merzdilatation nach übermässiger
Anstrengung, wie die meisten Aerzte, nach alledem noch rechne,“
auch dafür fehlt jegliche Erklärung.
So lange nicht die Ergebnisse neuer Forschungen uns zu an¬
deren Schlüssen zwingen, muss ich bei der von mir vertretenen An¬
sicht bleiben.
Bemerkung zu den obenstehenden Ausführungen.
Von F. Moritz.
Ich glaube davon absehen zu können, nochmals auf den in Rede
stehenden Gegenstand einzugehen und bitte nur den Leser, der sich
iür die Frage interessiert, aufmerksam die Arbeit von Prof. Schott
in No. 18 dieses Jahrgangs dieser Wochenschrift und dann meinen
Artikel in No. 25 zu lesen. Ebenso wenig, wie ich es in diesem
Artikel tat, kann ich übrigens hier mich auf eine Berichtigung der
unzutreffenden Anschauungen Schotts über die Fehlerquellen und
Fehlerbreiten der Orthodiagraphie einlassen. Wer sich hierüber
unterrichten will, den verweise ich auf meine bezüglichen Arbeiten
(Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 81, H. 1 und Bd. 82, H. 1. sowie
Zeitsohr. f. klin. Med., Bd. 59, H. 1).
Eugen Albrecht f.
Media morte in vita sumus.
In dem lichtdurchfluteten Sektionssaale des von Eugen
Albrecht erbauten und eben vollendeten Dr. Sencken-
berg sehen pathologischen Instituts in Frankfurt a. M. stehen
in grossen Lettern diese Worte; er, der sie setzen liess, ist
tot; er, der wie kaum ein anderer aus dem Tode, aus der Be¬
obachtung am Leichentische, neues Wissen über die Grund¬
form des Lebens geschöpft hat.
Media vita in morte sumus: Neugestärkt kehrte Al¬
brecht vor wenigen Wochen nach Frankfurt, der ihm so
lieb gewordenen zweiten Heimat zurück, voll der Pläne für
künftige Arbeit, voll der Freude über die neue herrliche
Arbeitsstätte, die ihm frohes, ruhiges Schaffen für die kom¬
mende Zeit verhiess, als mit rauher Hand der Tod rasch ein
Leben zerstörte, das reich in des Wortes wahrster Be¬
deutung genannt werden darf.
Mit ihm verlor die Welt einen der genialsten und viel¬
seitigsten Gelehrten unserer Zeit, seine Freunde den treuesten
aufopfernden Freund, sein Arbeitsgebiet, die allgemeine nor¬
male und pathologische Biologie, einen seiner geistreichsten
Vertreter, dessen Gedanken noch auf Jahre hinaus befruchtend
und fördernd wirken werden.
Eugen Albrechts Lebensgang ist rasch berichtet:
tr war geboren am 21. Juni 1872 als Sohn des jetzigen Direk¬
tors der K. Tierärztlichen Hochschule in München, Hofrat Prof.
Dr. Albrecht; nach glänzendem Durcheilen des Gym¬
nasiums wandte er sich nach einigem Zögern, ob er nicht doch
sich der Philologie widmen sollte — besass er doch ein un¬
gewöhnliches Sprachentalent, er beherrschte später 12 Sprachen
— dem Studium der Medizin an der Universität München zu,
das ihm, der Fleissigsten einem, noch Zeit genug liess, neben
der Beschäftigung mit den schönen Künsten — Musik, bildende
Kunst, Literatur — sich intensiv mit philosophisch-psycho¬
logischen Studien unter Stumpf und L i p p s zu beschäftigen.
Von seinen medizinischen Lehrern gewann den grössten Einfluss
auf ihn der geniale Münchener Embryologe Carl v. K u pf f e r,
dem er bis zu dessen Tode nahestand; ihm widmete er als
Zeichen seiner Verehrung sein Werk: „Vorfragen der Bio¬
logie“. Später trat er in besonders freundschaftliches Ver¬
hältnis zu Hans Schmaus, als er in dem v. Bollinger-
schen pathologischen Institut in München als Koassistent tätig
war; der Einfluss von Schmaus war es grossenteils, der
ihn bewog, sich ganz der Pathologie zuzuwenden. Der Zu¬
sammenarbeit von Lehrer und Schüler entstammen mehrere
grundlegende Arbeiten aus jener Zeit, so die „über Karyor-
rhexis“, „über die käsige Nekrose tuberkulösen Gewebes“, die
vorzüglichen Referate in den Lubarsch-Ostertagsehen
Ergebnissen! der Pathologie „über Nekrose und Nekrobiose“,und
das erste Referat über die „Pathologie der Zelle“, die weit den
Rahmen gewöhnlicher Zusammenstellungen überschritten, viel¬
mehr in monographischer Form neben dem bisher Bekannten
eine Fülle neuer Beobachtungen bei kritischster Sichtung des
Alten brachten. Er promovierte 1895 mit einer Dissertation
über „den Untergang der Kerne der Erythroblasten der Säuge¬
tiere“ und erhielt die ärztliche Approbation mit der ersten
Note 1896.
Nach dem Staatsexamen war er ein Jahr als Assistent bei
dem Gründer der Errtwicklungsmechanik, R o u x in Halle, tätig,
der einen gewaltigen Einfluss auf Albrechts künftige For¬
schungen, am meisten vielleicht auf seine Arbeiten über die
Geschwülste, ausübte. Ein 5 monatlicher Aufenthalt an der
zoologischen Station in Neapel diente ihm dazu, sich Zell¬
studien hinzugeben, die zu der Entdeckung der flüssigen Natur
zuerst des Seeigeleies, dann der aller tierischen Zellen über¬
haupt führten. Diese Entdeckung allein und ihre Begründung
würden genügen, Albrechts Namen unsterblich zu machen.
Nach einjähriger Tätigkeit an der biologischen Station des
zoologischen Institutes in München unter Professor Hofer —
mit diesem gemeinsam entdeckte er damals den Bazillus der
Krebspest — kehrte er als Assistent v. B o 11 i n g e r s an das
pathologische Institut der Universität München, an die Aus¬
gangsstätte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, zurück, um
noch im gleichen Jahre die Leitung der Prosektur des Kranken¬
hauses München r/I. zu übernehmen; hier hatte er sein ausser-
gewöhnliches Organisationstalent bald bei der Erbauung des
Prosekturgebäudes zu zeigen, des ersten in Deutschland, das
die Forderungen moderner Reinlichkeit, ja moderner Asepsis
auf der Arbeitsstätte des Pathologen erfüllen sollte.
• Am 1. Dezember 1904 verliess er München und folgte dem
ehrenvollen Rufe Frankfurts, als Direktor an die Spitze der
durch Carl Weigerts Tod verwaisten Dr. Sencken-
b e r g sehen Anatomie zu treten. Es waren glückliche Jahre
voll intensivster freudigster Arbeit, die für ihn kamen. Das
grosse freie Wirkungsfeld, das sich ihm bot, der innige Ver¬
kehr, in den er mit den Vertretern der praktischen Medizin
in Frankfurt treten konnte, die Verehrung, die Frankfurts Aerzte
ihm entgegenbrachten, die Zahl der Schüler aus allen Ländern,
die stetig wuchs — dies alles erfüllte ihn mit tiefer Genugtuung
und freudig schlug er Berufungen an Universitäten aus, hatte er
doch gerade in Frankfurt ein Wirkungsfeld und einen Kreis
von Freunden, an denen er mit allen Fasern seines Herzens
hing.
In den letzten Jahren leitete er den Neubau der Dr.
S e n c k e wb e r g sehen Anatomie, des vielleicht schönsten
pathologischen Institutes Deutschlands, das Zeugnis seines
genialen Erbauers ablegt.
Ende April zog er in das neue Haus ein zu neuem Wirken.
Der Termin der feierlichen Einweihung war festgesetzt, als
ihn plötzlich ein Blutsturz dahinraffte. Seit 1906 rang er mit
einer schleichenden Erkrankung seiner Lungen; als er vor
wenigen Wochen neugestärkt aus dem Süden zurückkehrte,
da hoffte er, endlich die tückische Krankheit besiegt zu haben;
blühend aussehend, wie Jahre vorher nie, mit neuer Lebens¬
lust und Schaffensfreude, betrat er die in seiner Abwesenheit
vollendete neue Arbeitsstätte; für kurze Zeit: ein gütiges Ge¬
schick bewahrte ihn vor dem furchtbarsten, was ihm hätte be-
schieden sein können: vor Siechtum und Verdammung zur
Untätigkeit.
Er war ein seltener Mensch; mit ungewöhnlichen Geistes¬
gaben ausgestattet arbeitete er mühelos; zu kritischstem Ver¬
stände trat raschestes Erfassen und ein glänzendes Gedächtnis
stand ihm treu zur Seite. Einige Beispiele hiefür: nicht nur,
dass er bei irgend einer eben aufgeworfenen Frage die ver¬
schiedensten Autoren wörtlich zitieren konnte, er konnte viel¬
fach selbst die Seitenzahl angeben, auf der sich diese oder jene
Ansicht des Autors wiedergegeben findet. — Vor Jahren hielt
er in öffentlicher Sitzung der Münchener psychologischen Ge¬
sellschaft einen glänzenden, 4 Stunden langen Vortrag über
„Gehirn und Seele“. Er hatte hiezu nie ein Manuskript be¬
sessen, sondern sprach völlig aus dem Stegreife vor den
Hunderten der bewundernden Zuhörer. —
Er sprach überaus leicht, äusserst rasch, so dass es oft
schwer war, seinen Ausführungen zu folgen, oft in grossen
Satzperioden. Und trotzdem war es stets ein Genuss, ihm
zuhören zu können, und wenn Eugen Albrecht sprach,
dann wusste man im Voraus, dass neue Gedanken und eine
Fülle von Anregungen geboten werden.
Persönlich war er der liebenswürdigste, geistreichste Ge¬
sellschafter, den man sich denken konnte, ein vorzüglicher
3 *
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1540
Musiker, der meisterhaft Klavier und Cello spielte, ein feiner
Kenner der schönen Literatur; er war weit entfernt von dem
stillen Stubengelehrten, als den ihn sich ihm Lernerstehende so
oft vorstellten. Alb recht war auch nie theoretischer
Mediziner allein; er war der geborene Arzt und in München
hatte er eine sich stets mehrende (iemeinde dankbarer Pa¬
tienten, und manche ülanzkur glückte ihm; lange Zeit, ehe er
sich ganz dem Studium der pathologischen Anatomie hingab,
war er im Zweifel, ob er nicht doch in die Praxis gehen sollte,
so mächtig zog ihn die wirkende Medizin an und seine be¬
sondere Freude war es in München sowohl, wie später in
Prankfurt, in so engem Konnex mit befreundeten Klinikern
stehen zu können und so (ielegenheit zu haben, die Beob-
achtungen am Sektionstische mit denen am Krankenbette ver¬
gleichen zu können.
Die Förderung des engen Kontaktes zwischen patho¬
logischer Anatomie und der praktischen Medizin w ar auch eines
der Hauptziele, die er der voriges Jahr von ihm gegründeten
Frankfurter Zeitschrift für Pathologie setzte: die innige Zu¬
sammenarbeit von Theorie und Praxis schien ihm notig, sollte
nicht die zentrale Stellung der Pathologie in der Reihe der
medizinischen Wissenschaften verloren gehen, sollte sie sich
nicht selbst zerstören und erstarren in unfruchtbarer reiner
Morphologie.
Die Arbeiten A 1 b r e c h t s bew egen sich fast ausschliess¬
lich auf dem Gebiete der allgemeinen Pathologie; ihre Resultate
sind noch nicht Gemeingut aller, noch ist vieles im Fluss und
im Werden; Alb recht starb viel zu früh für seine Wissen¬
schaft. Aber was er getan, das wird und muss den Ausgangs¬
punkt einer neuen glänzenden Fntwicklung seines Spezial-
faches bilden, wird für alle künftige biologische Forschung
allezeit ein wichtiger Grundstein sein. Vor allem sind es seine
Studien über die Zelle, die von fundamentaler Bedeutung sind
und noch für Jahre hinaus Richtlinien jeglicher Zellforschung
bleiben werden.
Seine ersten Arbeiten über die Zelle fallen noch in seine
Studentenzeit: so behandelte seine Dissertation bereits ein rein
zelluläres Thema: den Untergang der Kerne der Frythroblasten
der Säugetiere. Es gelang ihm, einwandsfrei den lückenlosen
Beweis dafür zu erbringen, dass die Rindfleisch sehe Be¬
hauptung, der Kern der roten Blutkörperchen gehe durch Aus-
stossung verloren, löse sich nicht, wie K ö 1 I i k e r und N e u -
mann behaupteten, in der Blutzelle auf, völlig richtig sei.
Es mag für den Wert dieser Arbeit allein sprechen, dass
Alb recht selbst in einem Vorwort zu dieser erst 7 Jahre
später in Druck erscheinenden Arbeit sagt, sie erscheine ihm
auch in der ursprünglichen vor Jahren gegebenen Form noch
genügend aktuell, da vine definitive Einigung in dieser Frage
in der Zwischenzeit noch nicht erzielt worden wäre.
Zu den Arbeiten der späteren Jahre über die physikalische
Organisation der Zelle führen die mit Sch ma us gemeinsam
ausgeführten Arbeiten über Karyorrhexis über, die die
Tatsache festste Ilten, dass der Kernschwund im nekrobiotischeii
Gewebe nach Ausdehnung und Schnelligkeit in augenfälliger
Beziehung zur Intensität der Durchströmung mit Plasma stelle,
dass der Kernschwund vom Chromatinschwund wohl zu
trennen sei, dass letzterer eine mehr akzessorische Rolle spiele.
Schon bei diesen Untersuchungen wurde sich A 1 b r e c h t
darüber klar, dass die Zelle unmöglich aus festweicher Sub¬
stanz bestehen könne, dass sie grösstenteils flüssiger Natur sein
müsse; denn beim Zelltod liess sich vielfach echte Gerinnung
Nachweisen. Diese Anschauungen, die sich dann in der wieder
gemeinsam mit Schmaus gefertigten Arbeit über ,,Koagu¬
lationsnekrose“ verdichteten, inaugurieren die grosse Zahl der
späteren Arbeiten über den Aggregatzustand der Zelle, deren
erste, die Untersuchungen über das Seeigelei, in ihrer Präzision
und in ihrer strikten Beweisführung geradezu klassisch genannt
werden darf.
Ehe w ir hierauf eingchen, mögen ein paar Worte über den
Stand der Physiologie der Zelle am Ende des vorigen Jahr¬
hunderts gestattet sein. Die Mehrzahl aller Arbeiten über den
Aufbau der Zelle basierte auf gut fixierten und schon gefärbten
Präparaten „Zelleichenbildern“, wie sie Alb recht nannte. !
Als Axiom galt und gilt auch jetzt vielfach noch der Satz, dass
das Leben an feste Struktur gebunden sei; sprach doch noch
vor kurzer Zeit Reinke den Satz aus, dass die Bedeutung
No. *>.
der F 1 e m m i u g sehen < ie i ustR hre des Protoplasmas dann
liege, dass sie unumstossädi leststdie, also kirne llucr.e,
sondern eine Tatsache sei, mit der man s;di eben a'tu.den
müsse. Durch seine Deduklaui sdum konnte A 1 b r c v li t be¬
weisen, d iss derartige Anschauungen weder phwkansJi.
noch chemisch irgendwie b. g ftp; de t m .ei:; umgt. s*.nss<. n w tirden
sie durch die expermiente de Bew e>!ahru:;g.
Fs ergaben die Lntersu diwugen am See igele: zur Lv .den/,
dass Zelteib, Ke rn und ken.korpi rdiu: banger Natur s.ud
lind absolut den phv s;ka!isdicn Gesetzen der 1 k.ss K se;:en
unterliegen. Bereits einfache PressverMidie am Fi des Id:.’ ::s
tmcrotubeTv.ulatns ergaben die v.-.l.ge /.ersprengba: seit \"ii
Kern und k ernkorperdie n m ieU'Ue IrutJ.e::; dt P< 1\-
morplne, die Nukleus und «Nuklei Jus bei c.rken :n Drucke ar-
iialimeii, ähnlich wie enge presste W a »m r t r< mfl#. um bei
Nachlassen des Druckes sofort wieder k uge.!' rm .11 / ,:■ e !:.::e n,
die Randw u;ke !ste !!tilig des aus der Ze .le lierausge sprengten
Kernes zum Zelle ib. wie dies nur an der Grenze zweier n.dr.
mit einander mischbaren Tropfen Vorkommen könne; d.es ai.es
waren wichtige Beweisgründe, und /ulet/t gelang es ihm. zwei
oder drei der Furchungskerne aus ihren /ersfefV: gteu, Zeiie beru
aneinander zu bringen lind sie wieder zu tut ein einheitlichen
sich abmildernden Impfen zusammenlLesscn zu lasst
Damit war der Beweis des flüssigen Aggre gat/ustae Je s
von Kern und Kerukorperdien gegeben. wahrend er inr da.s
Protoplasma sdmn früher als w ahrsdiemi.di galt; den Beweis
hiefur erbrachte audi AI brecht durdi ve.ee Fntdeckm g
..der tropfigen Entmisc him.g der Zeller:“: es ze:g‘c s:di r.ami.dt
am Seeigele i, dann bei allen weiterh.u daran! untersuchter:
Zellen und Zellt ropien bei Liriw irkui’.g d.bereuter Massigkeiten,
selbst der indifferentesten unter ihnen, der physa.ä•g.sdtet:
Kochsalzlösung, ein Auftreten feinster I roptduu. gleichv.el. *>b
das untersuchte (iebiide frühe r Struktur!« >s w ar. ode r Net/- ode r
Stabdic nstmktur Zeigte. Dass h.er wirklich I r> ■pichen ge¬
bildet wurden, nicht eine Sdiaumsjruktur entstand, hew.es
wieder der Versuch. denn bei Drink auf de ei'trm-sdite r Ze* on
schwammen die w nhlge lnide ten Tmpidun weg. D.e Mr-
klarimg für dieses Phänomen der Futons,hb.:’ke :t de r /e e n
fehlte liodi; erst spater gelang es A 1 b r e c h t. a’s ihre l r-
saclie das F'reiw erden greiser Mengen ft ttartige r >;ibst.ir r.
in der Zelte nadi/uw eisen; d.ese fettart.gen >ubst.»r/en fn.der:
den Ueberzug der feinsten Lntimsdiueg^troptdR
Diese Beobachtung musste audi gegen d e so geistvolle
B ii t s c li 1 i - (.) u i n c k e sdie Tlu^kc vom wab.geu Auhmn
des Protoplasmus, w eiagsters m der Ailgem.e mlu :t. d e ihr :hre
Autoren gaben, sprechen; A I b r c s h t erkannte s.e als /;al-
fall der Flussigkeitssttiiktur. die er k derzeit arten/. eil herv or-
rufen konnte. Der Nachweis der ietthalt gen >;:bs*mven m
der Zelle zeigte des weiteren, dass audi d e moderne Kollo; J-
phaseiilehre die Strukturv'erat.de ru:\t n des !■ be: eie u Fi-
weisses trotz aller Aeliu’.ic h,k e :!. r.dit .rn.ln/r: kure. d. s ss
eile einfache Fi;tims v liueg nadi den Regeln der Ko'lo.dphasem-
lehre absolut unzulänglich sei, w alirsdiem'.di überhaupt iuli;
in Betracht komme.
Fs w urde zu w eit fuhren.
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’e d e /a!: :e..
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E u g e n A 1 h r e e h t s. die v.
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logiscliefl Betraditung der Ze
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trachtung. In der Fntmisdibarke :t der Zelle. :n d.m Auftrete
sichtbarer feinster Impubeu mit ?•. •’lialn.o r ( > ■ , - * -.die bei de r
Fiinw irkung sdbsl dei: Korpt r\..s*gke •. u > -
Einigkeiten. war eine h-'dist brauchbare >*• gef ir de-*
um die Aufspeicherung de r versdue Je nstt a > m\m/e:i. derer*
\ orhandcnsein man ia in der Zelle v< .rar>^ t/v u ws, 7.1 ver-
. stehen. Die Tmpjdien warne J.-rm als Kor de ■ 're u auf-
zu fassen, ihre durmen. fetthalt.ge rt Hulle-n mussten elek* vc*os-
motisdie Wirkungen der von ihnen em.gesdiiusser.en F.uss-*-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1541
keiten, wobei besonders fermentative Tätigkeiten im*Zelleben
in Betracht kommen müssen, ermöglichen.
Die von A1 b r e c h t auf experimentellem Wege entdeckte
Zellstruktur stimmt nun auffallenderweise nahezu genau über¬
ein mit dem von Hofmeister auf Grund chemischer Vor¬
aussetzungen aufgestellten Postulat einer Schaumstruktur der
Zelle, deren trennende Wände allein dies Nebeneinander der
vielen fermentativen Stoffe, die die Zelle beherbergt, ohne
gegenseitige Störung dem Verständnis näher bringen könne.
Auf Grund derartiger Betrachtungsweisen, die seine Ent¬
deckungen ermöglichten, konnte A1 b r e c h t mit Recht den
Ausspruch tun: „Die Zeit ist vorüber, in welcher das Studium
kunstvoll konservierter und hergerichteter Zellkadaver die
letzten Fragen der Zellenlehre zu entscheiden sich vermass, in
welcher „das Protoplasma“, die „lebende Zelle“ wie höchste
Gottheiten des Lebens geheimnissvolle Verehrung bean¬
spruchen durften.
Die neue, siegend voranschreitende Lehre von der zellu¬
lären Biophysik und Biochemie wird in Albrecht immer
einen ihrer ersten Gründer und vielleicht den kritischsten ihrer
Vorkämpfer verehren.
Die letzten Jahre beschäftigten ihn hauptsächlich die Pro¬
bleme der Geschwulstlehre; auch hier schlug er neue
Wege ein, die neue Ausblicke eröffneten, die geeignet waren,
gerade zu einer Zeit, als die parasitären Theorien besonders
energisch verfochten wurden, als es schien, als ob die In¬
angriffnahme der Krebsstudien von klinischer Seite allein Auf¬
klärung über die letzten Ursachen der Tumorentstehung ver¬
sprechen könnte, die Geschwulstlehre wieder der allgemeinen
Pathologie, besonders der Entwicklungsmechanik zurückzu¬
gewinnen. Er befreite sich von vorneherein von der Anschau¬
ung, dass die Frage der Geschwulstlehre eine rein zelluläre
Frage sein müsse, sondern griff auf die biologische Stellung der
Geschwülste zurück. Das Aufwerfen dieses Gesichtspunktes
musste von vorneherein mit vielen der alten, auf kaum einem
Gebiete als gerade dem der Geschwulstlehre so üppig
wuchernden, von Jahr zu Jahr durch alle Geschwulstwerke und
Lehrbücher fortgeschleppten Sätzen, die fast dogmatische
Kraft erlangt hatten, auf räumen: hierher gehört die alte Lüge
des unbegrenzten Wachstums der Geschwülste als einer ihrer
charakteristischsten Eigenschaften, die Lehre der selbständigen
Zellwucherung, deren Begründung meist in nichts anderem als
in ein paar mehr oder minder guten Schlagworten liegt. Vom
entwicklungsmechanischen Standpunkte aus gab es für Al¬
brecht nur eine Lösung der Frage; er fand sie in der Auf¬
fassung der Tumoren als organartige Fehlbildungen, fasste also
den Begriff wesentlich weiter, als die Cohnheim-
R i b b e r t sehe Theorie, die nur in der Absprengung ein¬
zelner Zellen aus dem Verbände der Schwesterzellen die erste
Ursache der Geschwulstentstehung sah. Von Interesse mag es
hier sein, dass Albrecht mit dieser Auffassung sich wieder
der fast unbewussten und ursprünglichen Theorie der ersten
Geschwulstforscher, so z. B. Johannes Müller, näherte.-
Nach Albrecht sind die Geschwülste nichts dem Körper
Fremdes, ausserhalb der Gesetze des Körpers Stehendes, son¬
dern in ihrer Entstehung nur an der Hand der Entwickelung
der Organe selbst, in denen sie entstehen, oder von denen sie
ihren Ausgang nehmen, zu verstehen; sie müssen als teils
früher, teils später entstandene Schwesterbildungen der Organe
angesehen werden. Das Wesentliche der Zellwucherung sieht
Albrecht nicht in Momenten, die ausserhalb der Zelle
liegen, sondern in den der Zelle immanenten Eigenschaften; wie
die organbildende Zelle, so ist auch die Tumorzelle „Träger
der Organidee“, „der Repräsentant des in ihr inkorporierten,
erst im Laufe der weiteren Zellgenerationen sich evolvierenden
Bildungsmaterials, sie schliesst wie jene die Gewebs- oder
Organbildungspotenz ein, nur dass sie durch Aberration von
der Entwickelung der normalen Zelle — Stehenbleiben der Zell¬
differenzierung auf einem Durchgangsstadium, veränderte Be¬
einflussung des ihr zugeordneten Binde- und Gefässgewebes
_zu anderen Resultaten kommt als die normale Zelle.
A I b r ec h t s Frage an die Geschwülste war, wie sie sich
zu dem Organ verhielten, aus dem sie hervorwuchsen, bei
dessen Entstehung sich ihre Ausgangszeilen hätten beteiligen
sollen, wie gross der Grad ihrer Abweichung von der Norm
war, um daraus Schlüsse auf Grund der Abweichung von der
Norm zu ziehen.
So kam es zu einer neuen Einteilung der Geschwülste auf
rein entwicklungsmechanischer Grundlage, die sich zwar noch
nicht allgemeiner Anerkennung erfreut, in ihrer allgemeinen An¬
erkennung auch auf grosse Schwierigkeiten stossen wird, die
aber gerade wegen des ihr zu gründe liegenden Prinzips
zweifellos die verständlichste aller Geschwulsteinteilungen ist,
lehrt doch gerade sie den engen biologischen Zusammenhang
zwischen Geschwulst und Organ.
Die Frage der Malignität der Geschwulstzellen war ihm
der Hauptsache nach ein chemisches Problem der Zelle selbst,
nicht eine Eigenschaft, die ihr von aussen beigebracht wurde,
auf Grund seiner Deduktionen kam er zu Schlüssen, die fast
völlig mit den von Ehrlich auf experimentellem Wege ge¬
wonnenen Anschauungen über die Avidität der Geschwulst¬
zellen gegenüber den Körpersäften übereinstimmten, wenn
auch Ehrlich mehr eine Aviditätsverminderung der übrigen
Körperzellen gegenüber der der Geschwulstzelle eigenen
Aviditätsvermehrung im Sinne Albrechts annahm. Dass
bei solchen Anschauungen kein Enthusiasmus für die parasitäre
Theorie der Geschwülste bestand, ist selbstverständlich;
A 1 b r e c h t hat derartige Anschauungen auch immer aufs ent¬
schiedenste bekämpft.
Die Arbeiten Albrechts über die Geschwülste bedürfen
intensiven Studiums. Der aber, der sich mit ihnen beschäftigt,
wird vielleicht hier noch mehr als auf dem Gebiete der Zell¬
struktur bei der Fülle der Anregungen, der neuen Gesichts¬
punkte, die Seite für Seite dem Leser entgegentreten, Al¬
brechts überragender Bedeutung erst recht bewusst.
Die kleineren* Arbeiten Albrechts sind mehr kritischer
Natur, bieten aber deshalb nicht weniger des bedeutenden In¬
halts. In der Tuberkulosefrage, für die er vielleicht in einer
Vorahnung des ihm drohenden Geschickes besonderes Inter¬
esse hatte — sezierte er doch jahrelang jede Phthisikerleiche,
die doch sonst sehr als quantitö negligeable betrachtet werden,
selbst — bekämpfte er als einer der ersten die B e h r i n g sehen
Thesen über die Tuberkuloseinfektion, die ihm vom patho¬
logischen Standpunkte aus teils ungenügend begründet, teils
direkt falsch erschienen. In der Frage der Aetiologie der
Atheromatose vertrat er den rein mechanischen Standpunkt:
Das Primäre der Gefässerkrankung war ihm die mechanische
Schädigung der Wand. T h o m a entgegen stellte er fest, dass
Gefässerweiterung oder -Verengerung allein eine Wand¬
schädigung nicht bedingen könne.
In einer Studie über den Wurmfortsatz, die besonderes
Interesse wegen des Rückgreifens auf die vergleichende
Anatomie, die ihm ja absolut geläufig war, bietet, kommt er zu
dem originellen Schlüsse, dass die Bedeutung des Wurmes vor
allem darin liege, am Eingang des Dickdarms noch einmal
ebenso wie vorher die Peyersehen Plaques des Dünndarms
ein grösseres Lymphozytenlager darzustellen, das Antikörper
in flüssiger und organisierter Form zu liefern imstande sei.
Den Wurm, besonders den jugendlichen follikelreichen,
sah er demnach als ausgedehnte Immunisierungsstätte für die
Bakterienflora des täglichen Lebens an.
Weniger bekannt als diese Arbeiten, von denen ich nur
wenige herausgegriffen habe, sind seine erkenntnistheoretischen
Schriften, die aber am allerbesten seine ausserordentliche
philosophische Bildung, sein scharfes Urteil, seine glänzende
Logik bewundern lassen. In seinen „Vorfragen der Biologie“
bekämpft er mit aller Entschiedenheit die vitalistische Lebens¬
auffassung und bekennt sich als überzeugten Anhänger der
mechanistischen Richtung, wenn er auch „eine Ueberspannung
der mechanistischen Auffassung, die die Welt voll und ganz zu
erklären hoffte“, als völlig unberechtigt ansah. Trotz aller
vitalistischer und mechanistischer Spekulationen bleibt, so
schliesst er, das Problem der Form als ungelöstes und unlös¬
bares Rätsel. Vor ihr muss alle Spekulation Halt machen, soll
nicht Gefahr bestehen, in mystische Träumereien mecha¬
nistischer oder teleologischer Art über den letzten Grund des
Lebens zu verfallen.
Eugen Albrecht, der grosse Forscher und Denker,
ist tot. Wie ein leuchtendes Meteor tauchte er aus dem Strome
des Lebens auf — um ein Bild aus seinem Vortrage über
Gehirn und Seele zu gebrauchen —, Klarheit und hellen Glanz
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1542
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N .
verbreitend, um zu früh wieder hinabzutauchen in die Nacht
des Nichtseins. Sein Werk aber lebt und wird leben bleiben.
*Exegit monunientum aere perennius.“
Oberndorfer - München.
Aerztliche Verhältnisse In Australien.
Von Dr. Edward Schütt.
Als ich im Anfänge dieses Jahres meine Praxis in S\ dncy
(N.S.W.) aufgab, um nach Kuropa zurückzukehren, sagte mir bei
meinem Abschiedsbesuch der deutsche (ieneralkonsul. dass hüuiig An¬
fragen von Aerzten aus Deutschland an ihn gerichtet winden über
die Aussichten, die sie bei einer Niederlassung in Australien hatten,
und bat mich, ihn doch in grossen Umrissen zu informieren, was er
auf fernere Kragen am besten antworte. Da sich dies nicht mit zwei
Worten erledigen liess, versprach ich ihm. nach meiner Rückkehr
durch Veröffentlichung meiner Krfahrungen in dem verbreitetsten
Kachblatte für genügende Aufklärung der etwa interessierten Kol¬
legen zu sorgen. Diesem Versprechen möchte ich hiermit nacli-
kommen.
Australien ist eine britische Kolonie, und deshalb ist das erste
Erfordernis Beherrschung der englischen Umgangssprache. Kennt¬
nis der typisch englischen Sitten und Gebräuche wird den Zti/iehen-
den vor manchem Anstoss bewahren; der Arzt insbesondere tut gut.
sich mit der englischen Rezeptur (British Pharmacopoea) mul den
mittelalterlichen Gewichtseinheiten (Unzen, Drachmen, Skrupel mul
Uran) etwas vertraut zu machen.
Die behördliche Zulassung zur Ausübung der Praxis in Austra¬
lien unterliegt den gesetzlichen Sonderbestimmungen der einzelnen
Staaten. Bis zum 5. Eebruar 1907 wurden sämtliche Inhaber von
Diplomen oder Approbationen, gleichgültig welcher Nationalltat an¬
gehörig, als „Medical practitioners“ registriert, sofern nur der Nach¬
weis erbracht war, dass sie einen ordnungsmassigen l'iinfiahr-Kurs
auf einer britischen oder ausländischen Universität absolviert und die
jeweils vorgeschfiebenen Schlussexamina, die zur Zulassung in dem
betreffenden Lande verlangt wurden, bestanden hatten. Kur die
Staaten West-Australien, Süd-Australien, Ncu-Siid-Walcs und
Queensland gelten diese Bestimmungen noch heute, während der
Staat Victoria mit der wichtigen Hauptstadt Melbourne seit oben¬
genanntem Datum die Registrierung ausländischer Aerzte ganz be¬
deutend eingeschränkt hat. Hier ging man bei der Neuregelung des
„Medical Act" vom Grundsätze der „reciprocity“. der Gegenseitig¬
keit, aus und fixierte als Basis, dass in Victoria nur die Inhaber von
Diplomen solcher Länder registriert werden sollen, die auch ihrer¬
seits die auf australischen Universitäten erworbenen Diplome an¬
erkennen und deren Besitzer zur Praxis zulassen. Das trifft fur
Deutschland natürlich nicht zu; das trifft nicht einmal zu fnr die
britische Kolonie Canada, so da<s also ein englischer Untertan, der
auf einer canadischcn Universität seine Examina gemacht hat. in der
(nominell wenigstens) britischen Kolonie Victoria keine Praxis aus¬
üben darf.
Charakteristisch für die Art und Weise, wie in Australien Ge¬
setze gemacht werden und in Kraft treten, ist gerade dieser neue
Act. Am 2K. Dezember 1906 wurde die Vorlage ins Parlament ge¬
bracht und am 5. Eebruar 1907 trat das Gesetz bereits in Kraft,
also zu einer Zeit, in der ein am 2 *. Dezember 19tH> von Australien
nach Europa abgeschicktcr Brief gerade eben seinen Bestimmungs¬
ort erreicht haben konnte. So kam cs, dass ein deutscher Arzt, der
sich in Melbourne bereits vorher einen sehr guten Boden zum An¬
fängen geebnet hatte und Anfang Januar von Genua abgefahren war.
bei seiner Ankunft am 15. Eebruar fest verschlossene Türen fand und
trotz aller Konnexionen, die er in Anspruch nahm, nicht registriert
wurde. Man w'olltc allerdings unter diesen besonderen Umstän¬
den, da der Betreffende vor seiner Abreise ja noch nicht einmal
Kenntnis von der beabsichtigten Gesetzesvorlage in Europa
hatte haben können, eine Ausnahme machen und von einem noch¬
maligen fünfjährigen Studium auf australischen Universitäten ab-
schcn, den Herrn also gleich zum nächsten Termin in das — Physi¬
kum (!) hineinsteigen lassen und nach Bestehen dieses Vorexamens
ihm die Zulassung zu den Schlusspriifungen gewähren! Die selbst¬
bewusste medizinische Kakultät in Melbourne musste sich gefallen
lassen, ob ihrer Gnade ausgelacht zu werden mit dem Hinw eis dar¬
auf, dass selbst in London von ausländischen approbierten Aerzten
nur eine Prüfung in den klinischen Köchern — also ohne Anatomie
und Physiologie — zwecks Zulassung verlangt werde. Das Gesetz
erregte unter den zahlreichen Deutschen in Victoria begreiflichen
Widerspruch, da mau mit Recht eine Spitze gegen Deutschland darin
fand, doch wurde stets beschwichtigt, man wolle nur den Zuzug
amerikanischer „Sechswochenärzte“ und der berüchtigten „Doctores
Philadelphiae" verhindern. Als Kuriosum will ich noch erwähnen,
dass ein Melbourner Kollege mir gegenüber sich riihmeud den
„Vater dieses Gesetzes“ nannte, und dieser Herr ist — d e u t s c h e r
Abstammung!
In den anderen Staaten ist, wie bereits erwähnt, die Zulassung
weniger beschränkt; doch ist zu erwarten, dass über kurz oder
lang die ganze „Commonwealth" sich dun \ <>r gehen \ ub-Mas an-
schliesseri w ird. Zur Erlangung des Ze rtr.sates a.s praktischer
Arzt meldet man suh bei dem ..Meihw.il B.<.ird" unter \--r.age des
Approbationssdiemes und der Abgangszeugnisse v.»n den l mur\i-
täten, aus denen ein mindestens tunt ah; ue> Studium n.idia\niH!i
werden muss. Darauf erfolgt die ReGerung in der midisten
Sitzung ohne weiteres und der neue Doktor kann daraut, -s praeb-
zieren.
Vorher empfiehlt sich iedoeh ii'sli eines für ihn: der j-uw,'
Anschluss au die „British Medical \sMi v j,:tn<n". Diese Staudesvct-
tretung sämtlicher Aerzte in 1 ugdmd ir*d alien seinen K ■ - - n, w n ist
geradezu mustergültig und konnte vmbi .bull tur uns sein. Warnung
der Stuildcsehie und \ertietung der w tsdiat! uhcti bte’ess-n de'
Aerzte besorgt sie in gleich v « a ne Ime • und muhd uk über Meise
Die Aufnahme erioigt durch B.i !■ de me ■ 1 1 muh \-asd ..g dmd: zwei
Mitglieder der Gesellschaft. Per l.dut sbe it> a* f’eV.> K ! 2 <ia.-u.ts
M2 Mark). Datur wird elas .. British Melu.b hirea * 1 - .t« it» m
die „Aiistrali.in Medical * lazette" gratis und p s;? ei ge ;ete:t. I"
monatlichen \ er Sammlungen werden w .sseföu fi.it: c ’e \" r t'age r :t
Demonstrationen gehalten und M.uidesi:.uui e: te't; i oc r e .d-
llaltlge Bibliothek stellt den Mitgliedern zur \e't Ci'g Pu \ss -
ciatiolf normiert die Mimmalta xen bir ar/tuhe I e 'timaii und ! e-
gutaditet die \ erlüge mit den k r anse nsass^ n. Wer vd; ihr ind!
ausehhesst mul mit geringeren MopiuT.tr sai/ert a'be tet » de r b- \ -
kottierte Kassen ubenimmit. gilt bei vle n k .egen as ..< »ats !
audi beim Publikum nur tur einen bessern k ir ptus. !u r. lebe- du
Hohe der M orioraie Werde ich später sprechet
Zunächst sieht sich als., der Vu.mger muh einem ..< >;u m; d
fur seine Praxis um. Da entsteht denn d.e I *age . Stadl- «der 1 a:
Praxis? 1 nlsdieidet er mJi tur letztere, s.. ist de N .iJe' reat.v
einiadi. I r w emlet suh an eine Xgeiilur um! '.isst s.di einen z*..r
Nieder lassung geeigneten Urt n.idiv e’ven. T.b't U". metet e ne W d -
mmg und bringt sein Messingsdmd an. Aul den entegenen
tiotis”. in den t ioidteider u. den Mi neu um! k'h. ..isfiMeii r-.Ut e’
aueli sofort sein Auskommen, dem» die Aeszte s.t.uu d r t ot; S Me e u
weit auseinander und ehe ganze khentei les lutes, m dein ei ai" ••
mul dessen midister l mgebting tadf dem V : r g s t -d zu V e-
dliigs entbehrt ilas leben im „Loiint r \ " u dwe Ur Xrmehml.c bke .t.
Wohnung mul \erpilegung vtul ausse-st p-mm.v. d e k<nper uhull
Anstrengungen verlangen einen gestdi'uu k r;u r Muss d>di de*
Arzt mitunter den ganzen lag im >a!tei sit/en und a.;t seinem P.-m \
rtieilenw eit im l rnkreis ehe Patienten besudun Dal .r ist a'ur das
finanzielle Ergebnis redit gut. man kann rechnen, dass s.di de r
Anfänger im ersten Jahre bereits „’di | '"■> M.rk aut d..e Pa
tragen kann. Ist er cm tuchtiger Chirurg. s-. kann er leicht se.-.c
Einnahmen bedeutend er Indie n.
Ganz anders liegen ehe \ erha'tlftss,.- jp eb. n < r• ,ssst ; !te n H e'-
bei muss idi zumuhst bemerken, .lass m der ^ta.lt s t ''M. der ..C:t\
nur ehe „Gifiwcs“ sich befühlen, u dodi keine f a" e ”w h-iru e
Jedermann wohnt ausserhalb ekr Litv. in den < tt •Mim !e n .t B.P \
oder Boot entfernten \oroiten. Dadurch k-mmt es. ,:.»ss das Gel¬
der Aerzte denn Aer/tem.» ngel ist in den .i.sfaisduu .den
durchaus nullt in zwei l agci gete.lt ist. s. d.e, v. e nur ..v^. ti-
sulting-Practlcc" < >pr ec hstimde npr a\;si ausi'un ti*u' s db. de e!c-
isiting-Practice" mubgehem l ur eien \nt.*nger ist cs rats.u*,.
letzterem Modus zu beginne n.
Hierzu wendet er suh g'eu ht.d's an eine Xgentur imd s«, lv : t.
wenn er kapitalkr attig ist. eine beieits \ <. r ii.nuiime k le’.te! zu kaute m
D er Kauf und \erkauf der Praxis ist du'c'aus ea M g und g.d' t u- d
widerspricht weder der M.oukse hre n< «c ii den Be stimmmue n der
Assoziation. Verfugt vier k'dege ud.-di Muht d ir e n t 1 as a s Ka¬
pital zw isclu u d*"o und 1 «»•»•*i M.,« k. s.. „isst er si, h u e :igsj v us e rt *i
Norort nachweisem m elem Modi ein geei K m.!es f e .i! zu bd .uun ist.
bevorzugt also als I »eutsdier etwa »he lus.-t !e r s v.n l'eii'vhe’i
bewohnten \ofoitc und lasst sidi aut gut i i. ,d niedev Ibedei b. ( *
er bessere Chane en. hodizukomme n. .t's Ivm B» cm mit der „C* o-
sultmg-Practiee". Diese wird v.ui Ver/ftn ausge ' t. die K’e |, s e'r- t «
Namen und Ruf haben. Se Ibstv erst.m !.:dt geh mi a e "pe/ia s*e-,
zu dieser < iruppe. Eine eng isd'e f ge'i!^": ui'keit im gari’eti E'-
xv erbslebetl ist es. elass ehe k 'nkurfinz suh mdit a"gst i^h aus de -u
Wege geht, sondern im tugenteil suli in einer v !'.isse ,'i:vu”":e n-
setzt. >o haben audi die \ t r z t e v..n Rut s.,m: idi m-e «m.c «o
einer Strasse, mitunter elrei oder vier m e.:um Hause mit gerne.'“-
scliaftlic hem Wartezimmer. Die Spr-ed^rm ‘env t „ke;! geht ru - st c •• v
von <) 1 Uhr mul 2 -J Uhr n.khn.gl.igs. n and e \e'/fe baten au^h
noch eine A)»endsp f e-c hstimde zweiten “ m ! \ !-r, baiud -
sachlich fur ehe Kassenpatienten. 1 wr vle n \f’.."ger ist dies g e .c r -
falls anzuraten. besmulcrs audi. dass er suh. u”. K’.r k-.ukassen Ue. -
wirbt. E.s gibt mdit viele kass^n <J . gcs'. sie ’a' en ,i'v
weil ihre Tarife der < krd.m.uiirg ilurdi vbe ,.M V • .c •' Vss.u iat, • r;
unter hegt n.
Die Von der Stande sv t r »* etling te st^e se t/te . ataxe T r
är/tlidie l.eistungen bei P' i^’pa* e • d r> t •• ^ ' e imuea. e!. s
Hl Mark d' Pieiimge! »iew or.v.uli !••• ud .1« r \-,-t t r die er v c
Konsultation 1 <imnea J1 M . f r u f dei- e * <!•:'• .,.» |o
di Pi. Besuche irn Maime w e • ’t u •• <r eaur »imua I - t j.. -1 v -t. ati^.
waituge \ im teil muh vier Ve.m.d • 1 e V.e l.»> km.>. pr .
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21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1543
Meile 1 Guinea. Wenn also, was nicht selten ist, ein Sprechstunden¬
praxis treibender Arzt zu einem Konsilium in einen Vorort gerufen
wird, der 5 Meilen (8 km) entfernt ist, so liquidiert er dafür 5 Guineas
(105 M.) und bekommt es bezahlt. Operative Leistungen erzielen
Liebhaberpreise, für ein einfaches Curettement z. B. rechnet man
100 bis 200 M. Diesen hohen Honoraren stehen aber leider sehr
entsprechende Ausgaben gegenüber. Der Consulting-practitioner hat
doppelte Wohnungsmiete zu zahlen, denn in der „Aerztestrasse“
findet er nur unmöblierte Räume für sein Sprechzimmer und keine
Privatwohnung. Für ein gut gelegenes, unmöbliertes Sprechzimmer
mit Benutzung des möblierten, gemeinschaftlichen Warteraumes sind
wöchentlich 3 Guineas = 63 M. Miete zu zahlen!
Die Ausgaben für Privatwohnung sind entsprechend den indivi¬
duellen Ansprüchen sehr verschieden. Am billigsten kommt der un¬
verheiratete Arzt durch, wenn er im Klub wohnt und speist. Die
deutschen Klubs verlangen ein Eintrittsgeld von 5 Pfd. St. = 100 M.
und einen Jahresbeitrag in der gleichen Höhe. Die vornehmen
englischen Klubs: Union-Club in Sydney, Australian-Club in Mel¬
bourne, fordern 40 Guineas — 840 M. Eintrittsgeld und 10—20 Pfd. St.
Jahresbeitrag. Aufnahme nach Vorschlag durch zwei, Patenstelle
vertretende Mitglieder mittels Ballotage. In einem deutschen Klub
kostet ein Zimmer mit erstem Frühstück 3 M„ Lunch und Dinner je
1 M. 50 Pf. Ein Glas Bier, 0,3 Liter, 50 Pf., Vs Liter 75 Pf. Zigarren
nicht unter 50, Zigaretten nicht unter 8 Pf. das Stück. Demnach
würden sich die laufenden, notwendigsten Ausgaben für einen An¬
fänger pro Woche etwa stellen: „Office“-Miete 63 M., Kost und
Logis im Klub etwa 50 M., Summa 113 M. Das sind im Monat etwa
480 M„ dabei ist angenommen, dass der Betreffende Nichtraucher ist
und bloss 1 M. pro Tag für Getränke ausgibt. Dazu kommen dann
noch Telephongebühren mit 100 M. jährlich, Klubbeitrag, Feuer- und
Unfallversicherung etc. Die Möblierung des Sprechzimmers ist auch
recht teuer, die Fussböden sind nicht einmal gestrichen, der Mieter
hat sich Linoleum oder Teppich selbst anzuschaffen. Die Einrich¬
tungskosten eines einfach ausgestatteten Sprechzimmers ohne Instru¬
mentarium belaufen sich auf etwa 1000 M. Im ersten Jahre kann
der Anfänger nur damit rechnen, alle oben nicht aufgeführten Aus¬
gaben — also Bekleidung und kleine Bedürfnisse — aus den Ein¬
nahmen der Praxis zu bestreiten, für die laufenden Ausgaben muss
er das Kapital für mindestens 2 Jahre, also etwa 12 000 M. mit¬
bringen!
Für den verheirateten Arzt gestaltet sich das Budget wesent¬
lich ungünstiger. Er muss ausser der „Office“ ein Häuschen in einem
Vorort mieten — der Engländer kennt keine Mietswohnungen, son¬
dern hat das System der Einfamilienhäuser — und doppelte Haushal¬
tung führen; denn seinen Lunch muss er aus Zeitmangel doch im
Klub einnehmen und kommt erst abends zum Dinner nach Hause.
Dazu kommen die hohen Dienstbotenlöhne. Eine Köchin erhält 20 M.,
ein Dienstmädchen 15 M. pro Woche! Näher auf diese Verhältnisse
hier einzugehen, verbietet mir der Raum, doch genügen wohl die ge¬
gebenen Daten, um zu zeigen, wie grundverschieden von heimat¬
lichen Verhältnissen die Bilanz sich gestaltet, und wie eindringlich
man warnen muss, auf ein Vermögen hin, das zu Hause gestatten
würde, 2 Jahre „standesgemäss“ zu leben, in irgend ein fremdes
Land hinauszugehen.
Noch ein Wort über die gesellschaftlichen Beziehungen. Austra¬
lien ist ein Land „for making money“ in jedem Berufe. Für ästhe¬
tische Bedürfnisse ist wenig gesorgt; natürlich gibt es Theater und
Konzerte in den Städten, jedoch stehen diese Veranstaltungen bei
äusserlich glänzender, unsere Ansprüche weit übertreffender Aus¬
stattung inhaltlich auf einem sehr, sehr niedrigen Standpunkte. Das
Erholungsbedürfnis der Massen wird durch die Sports, vor allem den
Rennsport, befriedigt. Ueber wissenschaftliche Leistungen und die
Universitäten spreche ich gelegentlich an anderer Stelle. Nichts
Langweiligeres gibt’s als eine englische Dinner-party oder Garden¬
party. Die Leute kommen, um sich fürchterlich anzuöden und ver¬
sichern beim Abschied dem Gastgeber, wie unendlich reizend die
Veranstaltung gewesen sei. Höflich ist der Engländer und auch der
Australier, auch dem Deutschen gegenüber, der gefürchtet und ge¬
hasst ist, ist der Kollege von bestrickender Liebenswürdigkeit.
Aeusserlich!
Sydney hat — wenn ich mich recht erinnere — ca. 50 000
Deutsche, und noch hat es kein deutscher Arzt auf die Dauer aus¬
gehalten. Ich war der einzige deutsche Arzt dort zu meiner Zeit
und konnte mich nicht über mangelndes Entgegenkommen weder der
Deutschen noch der Engländer beklagen und dennoch fällt einem
der Stumpfsinn in dem grossartig zivilisierten, doch recht wenig
kultivierten Lande so sehr auf die Nerven, dass man von Bord des
heimwärts fahrenden Dampfers erleichtert ruft:
„Good bye, Australia. never see vou again!“
Referate und BQcheranzeigen.
H. Boruttau- Berlin: Lehrbuch der medizinischen
Physik für Studierende und Aerzte zur Ergänzung jedes Lehr¬
buchs der Experimentalphysik. 282 Seiten mit 127 Abbildungen
im Text. Verlag von J. A. Ba r th, Leipzig, 1908. Preis 8 M.
Das vorliegende Buch ist, wie im Titel angedeutet, als Er¬
gänzungsband zu jedem Physikbuch gedacht, es nimmt aber
doch speziellen Bezug auf das im gleichen Verlage erschienene
Lehrbuch der Experimentalphysik von L o m m e 1 und will
die Tatsachen und Lehrsätze der Physik, soweit sie zur Ge¬
samtheit der Heilkunde Beziehung haben, insbesondere die
täglich zahlreicher werdenden Spezialfälle ihrer Anwendung
in der Medizin in durchaus elementarer Weise kurz be¬
sprechen. Einen Vorläufer hat das Buch in Adolf F i c k s
berühmter „Medizinischer Physik“, die vor mehr als 20 Jahren
in dritter und letzter Auflage erschienen ist.
In acht Kapiteln, betitelt: Einleitung — Mechanik der festen
Körper — Mechanik der flüssigen Körper — Mechanik der gas¬
förmigen Körper — Schall — Wärmelehre und Thermodynamik
— Magnetismus und Elektrizität — Optik, wird der vielfältige
Stoff zugleich unter Hinweis auf die Literatur bewältigt. Ein
Autoren- und Sachregister ist dem Buche noch beigefügt.
Nach einleitenden Bemerkungen wird im ersten Kapitel
über Mess- und Zählmeihodeu, ihre Fehler und Genauigkeit,
über graphische Aufzeichnungen und über die gebräuchlichen
Massysteme berichtet. Im zweiten Kapitel werden die Gesetze
der Mechanik besprochen und auf Knochen, Knorpel, Sehnen,
Gefässe, Nerven und insbesondere auf die Muskeln im allge¬
meinen und speziellen (Lokomotion) angewendet. Nach diesem
Hinweis auf die Eigenschaften der Flüssigkeiten geht der Ver¬
fasser im dritten Kapitel auf die Flüssigkeitsströmung mit Rück¬
sicht auf den Blutkreislauf ein, wobei er auch die Theorie und
Praxis der hierhergehörigen Messapparate in Betracht zieht.
Oberflächenspannung, Viskosität, Filtration, Diffusion, Osmose,
allgemeine physikalisch-chemische Gesetze im lebenden Or¬
ganismus und speziell-medizinische Anwendungen der physi¬
kalischen Chemie sind weitere Themata in diesem Abschnitt.
Das vierte Kapitel befasst sich zunächst mit den allgemeinen
Eigenschaften der Gase und mit ihrer Absorption und chemi¬
schen Bindung in Flüssigkeiten, dann mit der Gasanalyse, der
Aerotonometrie und den physikalischen Erscheinungen bei der
Atmung.
In dem fünften Kapitel vom Schall wendet sich der Ver¬
fasser nach einem Hinweis auf die Hörgrenzen zu den zu¬
sammengesetzten Schwingungen, deren Analyse er lehrt, zur
Schallregistrierung, zu den Hörtheorien, zum Perkussions¬
schall, zu den Atemgeräuschen und Herztönen und schliesslich
zur Stimme und Sprache. Thermometrie und Kalorimetrie,
Wärmehaushalt im tierischen Körper, Verbrennungswärme der
Nahrungsmittel, daran anschliessend physiologische Thermo¬
chemie und Thermodynamik, insbesondere des Muskels,
werden im sechsten Kapitel behandelt. Dazu kommen im
siebenten Kapitel elektrostatische Eigenschaften des Körpers,
Kataphorese, bioelektrische Erscheinungen, Elektrotonus,
Zuckungsgesetz und elektromedizinische Apparate. Mit dem
achten Kapitel über Optik schliesst das Buch, in welchem
Kapitel über einfachere und kompliziertere dioptrische Sy¬
steme, über das Auge als dioptrischer Apparat, über Seh¬
prüfung und Brillenbestimmimg, über das Mikroskop und
seine Anwendung, über Ultramikroskopie, Mikrophotographie,
Polarimetrie, Spektroskopie, Spektrophotometrie, Kalorimetrie,
Endoskopie und über Theorie und Praxis des Augenspiegels
berichtet wird.
Das gut ausgestattete Buch, das man sich allerdings nicht
recht als Ergänzungsband zu einem Lehrbuch der Physik
denken kann, denn es setzt physiologische Kenntnisse voraus,
über die, abgesehen von den Medizinern, die gewöhnlich
Physik Studierenden nicht verfügen, wird w ohl besser als ein
Lehrbuch der Biophysik bezeichnet. Als solches kann cs dem
Mediziner wesentliche Dienste leisten, dem jüngeren, indem
es ihn in die physikalischen Probleme der Physiologie einleitet,
dem älteren, indem cs ihm zur raschen Orientierung in einer
speziellen biophysikalischen Frage dienen kann und ihn so
der Mühe enthebt, in den weitläufigeren physiologischen Lelir-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1544
MUENCHFNFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N<». * 1 .
biichern das Gewünschte erst zu suchen. Durch letzteren Um-
stand und dadurch, dass das Buch auf die Bedürfnisse der
Klinik eingeht, empfiehlt es sich auch insbesondere dem
wissenschaftlich arbeitenden Arzte.
K. B ü r k e r - Tübingen.
Leser: Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen. Ver¬
lag von Gustav Fischer. Jena 1908. 8. Auflage. 1279 S.
Preis br. 24 M.
Die spezielle Chirurgie ist von Leser in einem, aller¬
dings stattlichen Band zusammengefasst. In den ausgezeich¬
neten Lehr- und Handbüchern, welche die deutsche Literatur
aufweist, ist das grosse Gebiet meist eingehend bearbeitet.
Das L e s e r sehe Buch soll jedoch nach dem Vorwort zur
1. Auflage hauptsächlich dem Studierenden zur Ergänzung des
Kollegs dienen, nachdem die Chirurgie nur durch praktische
Uebungen, durch fortgesetztes Studium in Klinik und Poli¬
klinik zu erlernen sei. Dieser Zweck erscheint mir von L eser
erreicht. Freilich dürfte der Verfasser in der speziellen, wie
in seiner allgemeinen Chirurgie dem Studierenden vielfach
bessere, nach der Natur aufgenommene Bilder an Stelle sche¬
matischer oder schlechter, aus alten Lehrbüchern über¬
nommener Zeichnungen bringen. Die Röntgenbilder lassen
fast alle sehr zu wünschen übrig. Die Anschauung darf auch
in einem kompendiösen Lehrbuch nicht zu kurz kommen. Man
vergleiche hiezu die vorbildlichen Illustrationen des Lex er¬
sehen, Bergmann -Bruns-Mikulicz sehen, K o c h e r-
schen Werkes und anderer Lehrbücher. Die mikroskopischen
Bilder haben im L e s e r sehen Buch zumeist eine gute Dar¬
stellung erfahren. Als neuen Abschnitt hat Leser in der
8. Auflage seiner speziellen Chirurgie eine ganz kurze Zu¬
sammenfassung der Ureterenchirurgie eingefügt. Auch ist die
Orientierung dadurch erleichtert, dass den einzelnen Ab¬
schnitten des Buches besondere Ueberschriftcn vorgesetzt
wurden. G e b e I e - München.
Graefe-Saemlsch: Handbuch der gesamten Augen¬
heilkunde. Leipzig 1908. W. E n g e I in a n n. 2. Auflage.
In der 130. bis 134. Lieferung behandelt Prof. W a ge¬
rn a n n - Jena die Verletzungen des Auges mit Berücksichti¬
gung der Unfallversicherung. Preis dieser 5 Lieferungen
15 M., für Subskribenten 10 M. Der allgemeine Teil beginnt
mit der Einteilung und Statistik der Augenverletzungen und
als wesentlicher Neuheit: der Erhöhung der Verletzungs¬
gefahren und Folgen durch vorher bestandene krankhafte
Veränderungen der Augen. Dann bespricht Vcrf. die Prophy¬
laxe der Augenverletzungen und die Wundinfektion nach den¬
selben, sowie den Einfluss von Trachom und von konstitutio¬
nellen auf Infektion beruhenden allgemeinen Krankheiten, be¬
sonders Tuberkulose und Lues, ferner die Bedeutung des
Trauma für die Entstehung von Tumoren des Sehorgans. Im
Anschluss werden die traumatischen Iriszysten inkl. Therapie
sehr eingehend behandelt. Es folgen die interessanten Kapitel
der traumatischen Hysterie und Neurasthenie, ferner die Psy¬
chosen, Epilepsie und Neuralgien nach Augenverletzungen.
Ein grosser Abschnitt ist der Unfallversicherung und Ab¬
schätzung der Erwerbsunfähigkeit gewidmet. Die reiche da¬
rüber vorhandene Literatur wird kritisch gesichtet und an der
Hand der gesetzlichen Bestimmungen wohl begründete und
durch Erfahrung erprobte Richtpunkte für die gutachtliche Ent¬
scheidung gegeben.
Am Schluss der Lieferung beginnt mit den Kontusions-
Verletzungen der spezielle Teil, der nicht minder belehrend j
und gut orientierend zif werden verspricht, als der allgemeine I
led. Seggcl. ,
Physikalische Therapie in Einzeldarstellungen, heraus- I
gegeben vor Dr. J. Marcuse und Dozent Dr. Strasser. |
10. Heft. Sittmann: Erkrankungen des Herzens und der
Gefässe. Stuttgart 1907. F. E n k e. 92 S. Preis 2.2<> M. j
Das genannte Buch macht den Leser mit den Indikationen, '
Wirkungsweisen und Anwendungsformen der physikalischen
Iherapie bei Herz- und Gefässkrankheiten vertraut. Be¬
sonders eingehend wird die Anwendung der COr-Bäder be¬
sprochen. Erwähnt sei auch noch, dass Verf. warm für die
Verwendung von Sauerstoff bei dyspnoischen Herzkranken
I eint ritt. Dem praktischen Arzte wird die Darstellung eine Will¬
kommene Gabe sein, weil er neben den alten bewahrten Me¬
thoden auch die Ergebnisse der neuesten Forsdimtg verwer.de!
, finden w ird. * Ren n e r.
i Franz Eulenburg: Der akademische Nachwuchs.
I e n b n e r, Leipzig-Berlin l'X's. Preis M. 2. s,t .
Pas 155 Seiten umiasser.de Puchlun wurde \<>n dem.
Sozialw issenschaftler E u 1 e n b u r g vertagt. nachdem er 7i:
einem Referat auf dem ersten Salzburger Hodisdmlldircrtag
das Material von 22 «hi von Extraordinären und Pn\ atdozerteu
, ausgefullten Persnnalkarten gesammelt hatte. Das Budi ist
| den ..deutsehen Kollegen“ gewidmet und enthalt eine l’r.tcr-
i suchung über die Lage und die Aufgaben der Extraordinarien
| und Privatdozenten der deutschen u* d Österreich.s,hi n l n:-
| xersitäten. Die sc hw eizens dien Hoc hsdiule n sowie d.e Poly¬
techniken konnten mdit berücksichtigt werden. Unter dem
| ..akademischen Nachwuchs" ist nicht der Nachwuchs im stren-
I geren Sinne gemeint, nicht diciemgen längerer. Prix atiozenteil
1 tmd Extraordmarii allein, die Anwartsdiait aui ein (»rd.nariat
| besitzen, sondern es ist darunter der ganze, nicht m der
Fakultät vertretene inoffizielle Teil des Unix ersit.itslihrkorpers
begriffen. So kommt es. dass naturgem.iss sehr verschieden¬
artige Elemente nutberiicksic hligt x\ erden mussten. vvJic. de
den eigentlichen Nachwuchs darstellen. s«»|dic. d.e nur im
Nebenamt akademische Iatigkeit aiiMihen nr J solche. d;e rtadi
der Art des x«>n ihnen xertrefriien <\ k / algeb.etes e r: \ui-
I rücken in ein Ordinariat gar nicht erwarten. Wenn aadi m
| den einzelnen Bundesstaaten in x leien Punkten: \ erle.hurg
i des Professortitels. Schaffung von Extraordinär;aten etc. sehr
grosse Unterschiede bestehen, und xvenn andi d.e em/eiuer
Fakultäten Schwer miteinander auf gleiche Stufe gestellt
x\ erden können, so ergibt sich dodi aus der re.n obe ktix er: 1 >a r -
stellung der Sachlage manches gemeinsame, so das Eu e. dass
der inoffizielle Teil des Lehrkörpers gegenüber der eigent¬
lichen Fakultät allgemein im Wadiscn begr.tten ist. dass in
allen Gebieten wichtige und notwendige Jene des Unterrichtes
nicht von den Eakultalsmitglivdcrn. sondern x*m den Prixat-
dozenten und Extraordinarien übernommen sind, dass das
durchschnittliche Lebensalter, in dem der E.r /dre suh Iiab.l;-
tiert, zum Extraordinarius ernannt worden ist. oder e.n (>rdi-
nariat zu erxx arten hat, immer weiter hinaus: u v kt. Im ersten
Kapitel, das die äussere Zusammensetzung des Lehrkörpers
enthalt, wird über die Entwicklung des Lehrkörpers, d e so/;a:e
Herkunft, über besondere Verhältnisse e.n/elner Fakultäten
Z. B. über geringen Nachwuchs bei den Juristen. l eberurge N >:
bei den Medizinern, über die Unterschiede pretisvsJicr un.J der
übrigen deutschen sowie der österreichischen Universitäten,
über die verschiedenartige Zusammensetzung des Lehrkörpers
grosser und kleiner Unix ersitaten. sdil.esvi.di u * H r die tj c _
biitigkeit der Universitätslehrer berichtet.
Im zweiten Kapitel sind die l mx’ersitatslehrer mit neben¬
amtlicher Stellung, die ..freien Lehrer“ und die ..regulären
Dozenten“ besprochen. Es xxird die Yoriesargst.t'igkei!. d.e
Assistenz und die Tätigkeit als V olkshodmdmllehrer. Leder
besonderer Spezialkurse u. dcrgl.. sdihesshdi das Altcrsxer-
baltnis auf (irund der Fragebogen dargeiegt.
Das dritte Kapitel enthalt statische Angaben über die
Dauer der Prix atdo/entur. die Vorbildung. u\r de I .n-
nalimen, über die verschiedenen Charaktere der Lehrauftrage
und über die ausscrakadetmsdie Tätigkeit.
Das Buch ist eine w issensdiaftlidi s-.p,st.sd:e Arbt :t. ohne
tendenziöse Nebeiiabsidite n ; es wird gethssert-.di x ertnaden .
so weit es irgend aiigdit. \ erhessermtgsx «»rvdTage zu nadien.
doch soll und w ird das Budl bei dem a’lgeme n are"kannten Be -
diirfnis nach grosserer materieller und idte.br Sidk rs*e"ur: g
des inoffiziellen Tehrkorpers von grundlegender Bedeutung
werden. Man kann nicht geling bewundern, nur w* ’dier Sadi-
keimtms Eulen bürg ;uk h die- k' -mpl. zierte n \ edi.dr.sce
der medizinischen Fakultäten erkannt hat m d \e :e Scharf¬
sinnig er aus dem Statistik fü r Mate r.al Gerne uiMinus m;j
Trennendes sichtet. Viele E.r/e Ihe :ter. so das. w .j c er über
die Vorbildung der Med;/.: er. ider ihre 'Iu*:.;ke:t als k'.rGr-
liausa SMS teil teil, Pros* k'ofe i: etc. ber,d:'i t. ot auwerorde t t’idi
lehrreich, dodi kann auf d e s c Pu* kte U- r rid.t *;ng-. gang"::
werden; allen, die s.di f..r de V e :''ov mugsG strdumgen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1545
unserer Universitäten interessieren, sei das ausgezeichnete
Buch wärmstens empfohlen. Erich Meyer -München.
Neueste Journalliteratur.
Zentralblatt für innere Medizin. 1908. No. 27 u. 28.
Lommel- Jena: lieber Blutstillung mittels Serum bei Hämo¬
philie.
4 jähriger Knabe, der von der Mutter die Hämophiliedisposition
ererbt hatte. Der Knabe blutete bei Keuchhustenanfälleri wiederholt
in bedrohlicher Weise aus der Nase. L. brachte deshalb dem Kinde
tierisches Serum, das die dem Kranken fehlenden Qerinnungsstoffe
enthält, subkutan bei. Zweimalige subkutane Anwendung von Anti¬
streptokokkenserum (20 ccm und 10 ccm), ferner Einführung von mit
Serum getränkten Wattebäuschchen in die Nase brachten Erfolg. Die
Dauer der Nachwirkung ist begrenzt.
No. 28. H. L ü d k e: Klinische und experimentelle Beiträge zur
Konjunktivalreaktion. (Aus der med. Klinik in Würzburg.)
Ein positiver Ausfall der Augenreaktion spricht meistens für
Tuberkulose, während ein negativer nicht mit absoluter Sicherheit
gegen Tuberkulose spricht. W. Zinn- Berlin.
Klinische« Jahrbuch. 19. Band, Heft 1.
Klaus Schilling: Bericht über eine Studienreise nach West¬
afrika.
Die Reise sollte vornehmlich den Abschluss von Versuchen über
die Bekämpfung der Tsetse-Krankheit bringen, die schon anderweitig
publiziert sind. Hier werden vornehmlich ausführliche kritische Be¬
obachtungen über die hygienischen Verhältnisse in den einzelnen
Kolonien und die Bekämpfung der Tropenkrankheiten, vor allem der
Schlafkrankheit, mitgeteilt. Gerade von letzterer Krankheit ist
Kamerun an der Südostecke bedroht. Sch. empfiehlt daher dringend
die Errichtung von wissenschaftlichen Untersuchungsstationen.
Die folgenden 4 Arbeiten bringen Untersuchungen über das Ver¬
fahren von N e 1 s s e r und Sachs zur forensischen Unterscheidung
von Menschen- und Tierblut (Komplementablenkung).
Löffler und Uhlenhuth äussern sich dahin, dass das Ver¬
fahren nicht geeignet ist, an Stelle der Präzipitinreaktion zu treten,
so elegant der Nachweis kleiner Blutmengen damit ist. Wasser¬
mann kommt zum Schluss, dass das Verfahren als empfindlichste
aller Reaktionen der Uhlenhuth sehen Reaktion überlegen ist,
wenn es auch sehr kompliziert ist.
Schulz und Max halten die Methode vornehmlich für von
wissenschaftlichem Interesse. Sie kann für das andere Verfahren nur
ergänzend eintreten.
N e i s s e r und Sachs äussern sich auf diese 3 Berichte dahin,
dass zwar die Technik des Verfahrens schwieriger ist als die
Präzipitinreaktion, die Beurteilung des Ergebnisses aber eine leichtere
ist Der praktische Wert kann nur nach den Erfahrungen der Praxis
beurteilt werden.
A. Oroth berichtet aus der bayer. Zentralimpfanstalt über
Versuche zur Einführung frischer Vakzinestämme, wie sie durch er¬
folgreiche Uebertragung echter Pockenstoffe auf Kälber zustande
kommt.
Der Verfasser spricht sich am Schluss dahin aus, dass alle
den Grenzen des Reiches benachbarten Impfanstalten beauftragt wer¬
den sollten, die Züchtung von Variolavakzine ins Auge zu fassen.
Klausen berichtet über Untersuchungen von Material der
Köaigsberger Augenklinik bezüglich der Entstehung und Entwicklung
des Trachoms.
Er fand mit Giemsafärbung in allen Fällen für das Trachom
spezifische und differentialdiagnostisch verwertbare Gebilde, wie
auch ein Impfversuch ergab. Die Natur der Gebilde, ob Bakterien
oder Protisten, ist noch nicht entschieden.
Finger: Die Wasserversorgung ln den Marschen des Re¬
gierungsbezirkes Stade.
Monographische Darstellung der sehr ungünstigen Wasserver¬
hältnisse in dem alluvialen Marschengürtel, der die Geest mit ihren
Mooren von Fluss und See scheidet. Die Untersuchungen wurden
mit Hilfe der einzelnen Kreisärzte angestellt.
Bis jetzt ist die Hoffnung auf Besserung noch recht gering.
R. S e g g e 1 - Geestemünde.
Zeotralblatt für Gynäkologie. No. 27. 1908.
G. Leopold -Dresden: Ueber die Behandlung des Karzinoms
mittels Fulguration durch Dr. de Keating Hart.
L. berichtet über einen Besuch bei de Keating Hart in
Marseille, dessen Verfahren er an Ort und Stelle studiert hat. L. hat
daraus den Eindruck gewonnen, dass die Fulguration für einzelne
vorgeschrittene Krebsfälle ganz hervorragende, z. T. einzig da¬
stehende Erfolge zu verzeichnen hat. De K. H. erwartet selbst
keine Heilung von seiner Methode, aber eine örtliche Besserung, vor
a'lem Auftiören der Jauchung und zeitw^eises Aufhören der Schmer¬
zen Rezidive können Vorkommen und müssen wieder fulguriert
werden. Ueber L.s eigene Versuche will er später berichten.
E. Kaufmann - Frankfurt a. M.: Zur Extraktion nach Müller.
Bericht über einen Fall bei einer 32 jährigen III. Para mit mässig
allgemein verengtem Becken. Kopf im Beckeneingang, in rechtem,
schrägem Durchmesser. Wendung und Extraktion nach Müller,
Rumpf, Schulter und Arme folgten dem Zuge leicht, der Kopf blieb
aber in ausgesprochener Deflexionssteliung eingekeilt und musste
schliesslich perforiert werden.
K. Eisenstein -Szeged: Zwei Fälle spontaner Uterusruptur.
Uterusruptur bei tiefstehendem Stelss. Wiederholte Uterusruptur.
Der 1. Fall betraf eine 27 jähr. II. Para, wo die Ruptur in dem
Moment auftrat, als die Frau bei sichtbarem Steiss auf das Querbett
gelegt wurde. Extraktion und Drainage der Bauchhöhle. Wochen¬
bett völlig fieberfrei.
E. nimmt an, dass bei der ersten Geburt eine partielle Usur der
vorderen Zervixwand entstand, welche dann vernarbte. In der Narbe
kam es dann zur Ruptur, die also rein hysterogen war.
Der 2. Fall betraf eine 31 jähr. IV. Para, bei welcher während
der 2. und 4. Geburt Spontanrupturen auftraten, welche beide Male
konservativ behandelt wurden und heilten. Die 2. Ruptur entstand
in der Narbe der früheren, vor 4 Jahren bestandenen.
K. T a n t z s c h e r - Riga: Ein Fall von extramembranöser Gra¬
vidität.
Man unterscheidet neuerdings bekanntlich 2 Formen der Hy-
drorrhoea gravidarum, die H. d e t i d u a 1 i s und a m n i a 1 i s. Bei
letzterer kommt es zur Ruptur der Eihäute und die Frucht tritt aus
der Eihöhle in das Uteruskavum, wo sie zunächst weiter wachsen
kann. So entsteht die extramembranöse oder extraovu-
1 ä r e Schwangerschaft. Ein klinisch wichtiges Symptom zur Unter¬
scheidung derselben von der dezidualen Form ist der Abgang von
reinem Blut oder blutiger Beimischung zum Fruchtwasser, wodurch
auch Placenta praevia vorgetäuscht werden kann.
Den von Pfeilsticker veröffentlichten 25 Fällen aus der
Literatur fügt T. eine neue eigene Beobachtung hinzu.
J af f 6-Hamburg.
Gynäkologische Rundschau. Jahrgang II. Heft 12.
F. Heinsius-Schöneberg-Berlin: Zur Frage der Rezidive
der Pseudomuzinkystome. (Aus der Privat-Frauenklinik von
Dr. F. Heinsius.)
19 jährige Patientin wurde im Februar 1903 wegen eines grossen
polyzystischen rechtsseitigen Pseudomuzinkystoms operiert. Im
Januar 1906 Relaparotomie, bei welcher ein apfelgrosser Tumor der
Flexura sigmoidea gefunden wurde, die linken Adnexe waren bis auf
ein durch sprungreife Follikel vergrössertes Ovarium gesund: Re¬
sektion des Dickdarms in der Länge von 13—14 cm. Durch die
mikroskopische Untersuchung wurde festgestellt, dass der Darmtumor
eine Metastase von dem bei der ersten Operation entfernten Pseudo¬
muzinkystom war. Verf. erklärt die Entstehung des Rezidivs damit,
dass bei der ersten Operation die Flexura sigmoidea von dem
Tumor abgelöst wurde und hierbei ein minimales Geschwulstteilchen
am Mesenterium hängen blieb, welches langsam weiter wuchs.
Alb. Müller- Magdeburg-Sudenburg: Zwei Fälle von Schei¬
denverletzung sub coltu. (Aus der gynäkol. Abteilung der Kranken¬
anstalt Magdeburg-Sudenburg.)
Verf. berichtet über 2 Fälle von Koitusverletzungen, Risse im
hinteren Scheidengewölbe, bei einem 21 jährigen Mädchen (Nullipara)
und 72 jährigen Greisin (VII. Para). Die Heilung erfolgte in beiden
Fällen ohne Naht unter antiseptischer Behandlung. Im Anschluss
hieran wdrd die Aetiologie dieser Verletzungen sowohl im all¬
gemeinen als im besonderen in den berichteten Fällen besprochen.
A. Rieländer - Marburg.
Monatsschrift für Kinderheilkunde. Band VII. No. 3.
(Juni 1908.)
1) W. Birk: Ueber Ernährungsversucbe mit homogenisierter
Milch. (Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Breslau.)
Nach den Untersuchungen B.s leistet die homogenisierte Milch
(d. h. Milch, in der das Fett durch maschinelle Gewalt zur aller¬
feinsten Emulsion gebracht wurde) bei gesunden Kindern im besten
Falle nicht mehr als gewöhnliche Milch. Auch bei kranken Kindern
— hier war besonders interessant der Versuch am Kind, das durch
Milchnährschaden erkrankt war — genügt diese Milch den Indika¬
tionen, welche zu ihrer Verwendung veranlassen könnten, nicht.
Für die Säuglingsernährung bietet sie demnach gar keine Vorteile.
2) August Berkholz -Riga: Kasuistische Mitteilung zur
Appendizitisfrage im Säuglingsalter.
Beschreibung eines Falles von ulzeröser Appendizitis.
3) Arnold Orgler: Beiträge zur Lehre vom Stickstoffwechsel
Im Säuglingsalter. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Breslau.)
Es kann nicht nur die absolute Stickstoffretention bei richtiger
künstlicher Ernährung besser sein als bei natürlicher, auch der
Nutzungswert des Nahrungsstickstoffes, d. h. das Verhältnis des an¬
gesetzten zum eingefiihrten Stickstoff kann bei künstlicher Ernährung
innerhalb der Grenzen, die sich für die gesunden Brustkinder ergeben,
liegen und sogar fast ebenso hohe Werte erreichen wie bei den
Brustkindern. Dies gilt nur für den Gesamtstickstoff. Die Form.
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1546
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N... _N.
in welcher der Stickstoff angesetzt wird, scheint hei natürlicher Er¬
nährung anders zu sein als bei künstlicher. — Bei den Versuchen von
Ernährung mit Frauenmilch, wobei die Stickstoffzufuhr eine geringere
zu sein pflegt als bei künstlicher Ernährung, erscheint die Stickstofi-
resorption deshalb ungünstiger, weil hier der aus den Verdauungs¬
säften und den Darmbakterien stammende Kotstickstoff eine viel be¬
deutendere Rolle spielt, als wenn eine reichliche Stickstoffzuiuhr statt¬
gehabt hat. — Fettzugabe zur (künstlichen) Säuglingsnahrung scheint
den Stickstoffansatz gar nicht oder nur in geringem Masse zu be¬
günstigen.
4) Referate, Vereinsberichte, Buchbesprechungen, Ergänzende
Literaturtibersicht. Albert Uffenhcimcr - München.
Jahrbuch für Kiudarhenkuiide. Bd. 67, Heft 5.
19) Axel Johannessen in Christiania: Untersuchungen über
den Einfluss der verschiedenen Todesursachen auf die gesamte
Säuglingssterblichkeit Norwegens.
Mühevolle aber dankenswerte statistische Bearbeitung des ein¬
schlägigen Materials, welche erkennen lässt, dass die geringe sterb-
lichkeit der Säuglinge in Norwegen in erster Linie durch Verminde¬
rung der Sterbefälle an Ernährungsstörungen gegenüber anderen
Ländern, z. B. Preussen, zu Stande kommt. Eime Vergleichsstatistik
zwischen den verschiedenen Ländern Europas ist nach .1. sehr
schwierig und gibt Verf. dem berechtigten W unsche Ausdruck, dass
die europäischen Länder ihre Säuglingsstatistik in Bezug auf Todes¬
ursachen nach mehr gemeinschaftlichen Prinzipien bearbeiten sollten.
Zahlreiche Tabellen und übersichtliche graphische Darstellungen im
Text.
20) Max Ka sso witz: Die Ursachen des grösseren StoH-
verbrauches im Kindesalter.
Lesenswerte Studie von allgemeinem biologischen Interesse
teils recht polemisch — dafür aber geistreich. Zu kurzem Referate
nicht geeignet. Vergleiche die Originalabhandlung.
21) Julius Peiser: Ueber Lungenatclcktase. (Aus der Uni¬
versitätsklinik zu Breslau.)
Pathologisch-anatomische Untersuchung an neun Fällen teils an¬
geborener, teils erworbener Atelektase, welche durch die verbesserte
Untersuchungstechnik ((] re gor sehe Injektionsmethode mit ' For¬
malin) einige ältere pathologisch-anatomische Angaben richtig stellen
konnte. Zwei farbige Tafeln mit 6 Abbildungen. Literatur.
Verelnsberlchte. Literaturbericht zusammengestellt von L.
Langstein. Buchbesprechungen. 0. R o m m e I - München.
Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1908. 34. Bd.
5. u. 6. Heft.
Pfeifer* Halle: Cysticercus cerebrl unter dem klinischen Bilde
eines Hirntumors mit sensorlsch-aphasischen und apraktlscben Sym¬
ptomen durch Hirnpunktion diagnostiziert lind operiert.
Nach einem auf der I. Versammlung der Gesellschaft deutscher
Nervenärzte in Dresden gehaltenen Vortrage. Vergl. die Referate
dieser Wochenschrift 1907, No. 43, pag. 2157.
Mauss- Berlin: Klinische Beiträge zur Diagnostik bulbärer
Herderkrankungen.
Es werden 2 Fälle von bulbären Hcrderkrankungeii beschrieben,
deren bis ins einzelne differenzierter Svmptomenkomplcx eine ge¬
naue anatomische Umgrenzung des Herdes ermöglicht.
K o 11 a r i t s - Budapest : Weitere Beiträge zur Kenntnis der
Heredodegeneration.
Ein Pall von atypischer F r i e d r e i c h scher Ataxie, kombiniert
mit Muskeldystrophie, bietet dem Verf. Gelegenheit, die Auffassung
Jendrassiks zu stützen, „laut welcher die Muskeldvstrophie. die
hereditäre spastische Spinalparalyse, die F r i e d r e i c h sehe Krank¬
heit, Maries Kleinhirnataxie usw. keine selbständigen Krankheiten,
sondern voneinander nicht trennbare, ohne Grenzen ineinander über¬
gehende Formen der familiären Heredodegeneration sind“. In diesem
Sinne sprechen auch weitere Beobachtungen: Kombination von
F r i e d r e i c h scher Ataxie mit Intelligenzstürungeu und clioreaälm-
lichen Bewegungen, ferner familiär vorkommende Svmptomuikom-
plexe von Schwachsinn, Mikrozephalie. Muskckh strophicn. Knoehen-
deformationen und Reflexanomalien. In allen Fällen handelt es sieh
um ausgesprochen degenerierte Familien, deren Mitglieder die be¬
schriebenen oder auch andere Degenerationszcichen aufzuweisen
hatten, während die Eltern meist in nächster verwandtschaftlicher
Beziehung gestanden hatten.
Stursberg- Bonn: Beitrag zur Kenntnis der Nachkrankheiten
nach Kohlenoxydvergiitung.
Nach schweren Kohlenoxydvergiitungen entwickeln sieh zuweilen
an multiple Sklerose erinnernde Krankheitsbilder. Sic dürfen iedoeli
keineswegs mit dieser identifiziert werden, sondern unter ■scheiden
sich, wie namentlich der erste der hier mitgeteilten Falle beweist,
prinzipiell von ihr und scheinen auf multiplen cnzcphalitischcn Herder
zu beruhen. Von Wichtigkeit ist, dass durch diese Beobachtungen
der Beweis geliefert wird, dass eine einmalige, schwere toxische
Schädigung V eränderungen innerhalb des Nervensystems hervor 01 -
rufen vermag, die zu einem auch nach Aiithbrcn der Giftwirkimg noch
lauge Zeit hindurch fortschreitenden Verfall fuhren können.
R c n n e r - Augsburg : Leber einen Fall von syphilitischer Spi¬
nalparalyse.
Mitteilung eines Falles von s\ phihtisvjier Spnialp.tr a'\ sc, ikssui
anatomische Grundlage eine kombinierte >tr augcU guuratn-n u: P\-
ramidcn.seitciibalmcn und B u r d a c h sehen Nmi^c da*sic i’.c. w.d-
rend im klinischen Bilde Pupilienstar re. t >ptik us.ttr< .phie. Ataxu m
den oberen und spastisch-par rtis Jie I i 'v !u mimgcn m den unteren
Extremitäten nebst Reflexsteigerimgeii und B.asuisp>:ungen hc.xoi-
t raten.
S e h w a r / - Riga: Ueber akute Ataxie.
V ortrag, gehalten auf der E .Liltf es\ers.iuuräung der tust .-
schalt deutscher Nerx enar/te m Dresden. Vergl. d;e Rcter.ite cusc
W oclienschritl, l‘X»7. No. 4d .p.tg. 2157.
V o s s - Grciisw ald: Zur Frage der erworbenen M>ot»nivn und
Ihrer Kombination mit der progressiven Muskelatrophie und ange¬
borenem Muskeldefekt.
Neben einer t\pisjicn spinalen Muskel.itrophic I.o de’i s.J; f L .
eitlem -!<> i.|||:f igeti Manne mx otoms,. hc I r s^ huntii’g* tt und «.nt par¬
tieller Deli kt aller Baue htnijskeai iiuks. hun V ert. c: *u .d v.u
Schluss gcrcchtlerligt. dass es mJi nuht um zum . k e k • 1 s,/ ,.t ■»/.
sondern um einen Ausdtiick einer mangt hatten k c.m.ri ypg'' * u'
iJii/ut eichender Vitalität des neuiottiijsku.at en \ppara:cs I. -.ruu t
Kleinere Mitteilungen.
B i 11 o r i - Breslau: Leber angeborene Brustmuskeldclcktc.
Verf. fuhr t zur Ergänzung innerer M;tU mm v t n 2 1 c x «m .m-
geborenetn l’ektora'bsdeiekt mit \ onige r Aplas;e der g i.d v.r ».u
Mamma an. Beide Bckicbtungeti sprechen dat-r. knv doc k
region schon m sehr Indiern Einbrx mia eben m.m s talt u: ge¬
legt war.
A I r u t /- Upsala: Lin neues Algcsimcter zum klinischen (ic-
brauche.
Besclueibung und (kbr.iuchs.mxv usung
R i n im - Vug : >bu’
Vircbows Archiv. Ld. EM. 2 .
11) J. Er d h e i m: Leber Knochen- und ßindcgcvkebseinschlusse
in Krebsperlcn. tl’atholog. Instirut zu Wan*
Die F insGilnssc landen sich bu einem kar/umm. d.*s auf dem
Boden einer ostcoin\elitis^ heu t ist e I cntst.iu len war.
12) Heim. > c h r i d d e : Leber die I pithelprolilerationen in der
embryonalen menschlichen Speiseröhre. «I’at!.■ g. Institut zu I re -
buig i. Br.)
I Me x or einiger Zeit aulgcste ate Hx p< tt;e se. dass d.t aai '<■ t *u o
Dai iiiatresien aul epitheliale, eint-i \. »na ,e \"tvm / in m k .* u! n • t ■ i
seien. x\ ir d als Innfaihg er x\ lesen. I s gibt n.i r: .» s :m i \ «>::.• t ;
Darmiolire einen tluicli l pitlu ' r - 1 1 e ratmn bid'Oui x . ^ e m \ r-
schluss. Wohl treten bes«*ndeis un < k s.f!:.i^ us und i: n I 'u. mt muri in
den erstell Fotalw oelieii diucli h-ka'e I pitlu .pr<tt ’atu n i ntst.oi./.e v
Irpilhelbiueken. die sich ipicr durch das l.iutun spamuM. aut >u so;,:
iedoeli xoliig bedetitungsi.is und können aut kurntit Wt*.t md d.t 1
angeborenen \trcsic in irgendwelche IU Ziehung ge b*;u*;t xe e * '■>
Der angeborene I *.n mx er sch.uss entsteht aus unbekannter l ■ v.k : e
13) R. T In» ma: Ueber die netzförmige Anordnung der quer¬
gestreiften Muskelfasern.
14) N. W ater m a n n . Einige Bemerkungen zur Frage: Arterio-
Sklerose nach Adrenalinlnfektioncn. < B -erhaax e-l a' r.«t- ; mm • u
Leiden.)
Die beim Kaninchen durch \.Irena ui her x.<i ge • ii\ ;u n * itd.
x ei anderungcn sind nicht aut die Idutdr iu ke r hobt mk Wrkimg ,ts
Adrenalins, sondern aut die ehe’tnsclic Schädigung zur :ukz«n * t i.
Die Intimaw liehet ungeii sind teds .,‘s k- m pen^at« u is v lu. te..s x
hx perplastische aulzuiasse n.
15 1 \. Ben necke: Studien über (ielasserkrankungen durch
Güte.
In dem ersten Idle kr umfangr eu hi n \i!uit xxtrdtn u-vj. —
bisherigen Kenntnisse über das un I itel gt d unztulnulc «u’ut r* >:
ausführlichen Literatui angal'en .•tisammci :este-it. Ik r zw ule V’ -
Schnitt umfasst die eigenen l ntersuchangen dt s V e* lasse*s. d e r: :
Chlorbarx um. Hxdiastm. M\vir astmin. unitr mit L h • l\dVum
Spermm und Mxdrastinm - >peimm lu: kamtuiun angtste t x\ u - -
den. Makroskopische V er andci nn gt n der V •' T .i lai.lt n sdi I v ,
Chlorbarx um in so l’roz. bei M'drastm m ; s l'r../. \ K M\p-,iv;r ; ••
in 55 Dro/.. bu Chlor bat \ tun Muimm in 5u 1 *:■•/. iik! *ui ILd'.i
st i mii • spermm in 17 Lr-*z. Bu den ^ l • r,
sueluuigen faml sic h uu entspr t c hi ml l.oheru l v r*./t n:>a*z x n < u -
fassx eranileriingui. Betrefs tk r I .n/t .hüten su auf das < »•
X erwiesen, dem umfassende Fiter aturx e'zt ubmsse e.r.ge: - gt s j
ln) I. Orth: Die Verkalkung der Media der I xtreniitaten-
arterien.
Mistoriseh-kiitische Ik mu km.^. I',t m tlt r x ■ •• stt 1 c;ul u n, .
nuten Abhandlung ged muhte Bt/tdm:-,; M <• iic k t t c r g s^ - -
Mediaei k rankung ist historisch uir u :. t; c. da du ser l’r ,uss tu-re .: x
von V i r e h o w und < > r t h I ts, ;• u'-en isr
17) M. I o\ osumi: Intimatuherkel in den kleinen I ungcri.
arterien. Beitrag zur Kenntnis iihcr die i ntstehimg der miliaren
Tuberkel der Lunge. (Bat;: c F s*. :.;t zu B - e )
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
2 1. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1547
Bei einem Falle von Miliartuberkulose der Lungen, bei dem in
den Unterlappen eben sichtbare Knötchen vorhanden waren, konnte
T. nachweisen, dass die Tuberkel in ihrer weitaus überwiegenden
Menge mit Intimaprozessen und Thrombosen in den kleinsten Ar¬
terienverzweigungen beginnen, während die Kapillaren fast völlig frei
waren. Schridde - Freiburg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 28. 1908.
1) H. Oppenheim: Zur Gehirnchirurgie.
In Form eines offenen Briefes und an der Hand einiger kurz
skizzierter Fälle setzt Verf. auseinander, aus welchen Gründen bei
hallen von Hirntumoren die Diagnose, besonders die topische, für das
chirurgische Eingreifen öfter nicht ausreichend gestellt werden kann.
Er weist besonders darauf hin, dass es für die Diagnose häufig aus¬
schlaggebend ist, über die Reihenfolge, in welcher die Erscheinungen
auitreten. möglichst genau unterrichtet zu sein und betont die Not¬
wendigkeit zuverlässiger Krankengeschichten. O. bekennt sich als
hreund der Ne iss ersehen Hirnpunktionen.
2 ) J. Wohlgemuth -Berlin: Zur Kenntnis des Im mensch¬
lichen Pankreassaft enthaltenen Hämolysins.
Aus den neuen Versuchen, welche mitgeteilt werden, ergab sich,
dass inaktiver menschlicher Pankreassaft keine Hämolyse macht,
trotzdem er starke lipolytische Eigenschaften besitzt. Aktiviert man
ihn durch Zusatz von Enterokinase oder Kalziumchlorid oder durch
längeres Stehenlassen, so nimmt der Saft gleichzeitig die Fähigkeit an,
mte Blutkörperchen unter bestimmten Bedingungen zu lösen. Ver¬
setzt man inaktiven Saft mit Lezithin allein, so genügt dies bereits,
um ihn hämolytisch wirksam zu machen, ohne dass er dabei tryptische
Eigenschaften angenommen hat. Hier dürfte der Eintritt der Hä¬
molyse auf die von Verf. schon früher beobachtete Lezithidbildung
zurückzuführen sein.
3) C. H a r t - Schönebcrg-Berlin: Die Mesoperiarteriitis (Peri¬
arteriitis nodosa).
Bei einer 19 jährigen Arbeiterin entwickelte sich nach Scharlach
eine schwere Herzerkrankung, welcher die Patientin erlag. Die
Sektion ergab das Vorhandensein der sogen. Periarteriitis nodosa,
deren anatomisches Bild vom Verf. an der Hand seiner Beobachtung
eingehend beschrieben wird. Verf. gewinnt von diesem Prozesse die
Vorstellung, dass es sich dabei um eine Affektion kleinerer muskulärer
Arterien handelt, welche in erster Linie in einer primären herd¬
förmigen Nekrose der Media besteht. Gleichzeitig mag es hier und
da auch zur Erkrankung der Adventitia kommen. Bemerkenswert
in vorliegendem Falle war auch, dass es zu keinerlei Aneurysmen¬
bildung gekommen war.
4) W. W e i 1 a n d - Frankfurt a. M.: Kochsalz- und Zuckerlnfu-
sioaen beim Säugling.
Gegenüber den Angaben von Schaps haben die vom Verf.
neu angestellten 50 Untersuchungen, bei welchen isotonische Koch¬
salz-, Rohr- oder Milehzuckerlösungen injiziert wurden, ergeben, dass
in keinem Falle eine fieberhafte Temperatursteigerung dadurch her¬
vorgerufen wurde. Auch wurden keinerlei lokale Reizerscheinungen
beobachtet.
5) S. Cohn-Berlin: Uebcr komplementbindende Tuberkulose¬
antikörper und ihre Beziehungen zur Tuberkulinreaktion.
Aus seinen Untersuchungen, bezüglich welcher wir auf das Ori¬
ginal verweisen, gelangt Verf. zu dem Schlüsse, dass die Natur und
die Bedeutung der durch die Bordet-Wassermann-Bruck-
sche Versuchsanordnung nachweisbaren Tuberkuloseantikörper uns
noch völlig unbekannt sind. Ihre einzige uns bekannte Eigenschaft
ist, dass sie mit Tuberkulin Komplement binden.
6) K. V o h s e n - Frankfurt a. M.: Methodik der Durchleuchtung
von Oberkiefer- und Stirnhöhlen.
Beschreibung der vom Verf. bei diesen Durchleuchtungen ange¬
wendeten technischen Details. Als wichtigste Fehlerquelle bezeichnet
Verf. die Tatsache, dass eine grosse Zahl von Nebenhöhlenerkran¬
kungen eine geringere Durchleuchtungsfähigkeit hinterlässt, nachdem
die Erkrankung längst abgelaufen ist. Die feineren Einzelheiten bei
der Durchleuchtung erlauben zum Teil auch prognostische Schlüsse.
7) F e d e r m a n n - Berlin: Ueber die Beurteilung und Behand¬
lung der akuten Peritonitis.
Verf. bespricht auf Grund seiner eigenen langjährigen Erfah¬
rungen die pathologische Anatomie, die Einzelheiten der Sympto¬
matologie und Behandlung der akuten Peritonitis. Für die Diagnose
legt er grossen Wert auf die Untersuchung des Blutes, bezw. die
Verhältnisse der Leukozyten, ferner auch das Vorhandensein der
reflektorischen Bauchdeckenspannung. Bezüglich der Behandlung
vertritt Verf. natürlich ebenfalls eine möglichst frühzeitige Operation,
besonders bei allen wirklich perforativen Formen von Peritonitis,
wenn hier auch sehr häufig auch eine möglichst frühe Operation schon
zu spät kommt. Verf. entwickelt dann noch seine Grundsätze für die
operative Behandlung der Appendizitis.
9) S. Alexander - Berlin: Seuchen und Rettungswesen.
Schluss folgt.
9) B a g i n s k y - Berlin: Die jüngste Diphtherieepidemie und die
Serumtberaple.
Vergleiche den Bericht über die Sitzung der Berliner medizini¬
schen Gesellschaft vom 17. Juni 1908, Seite 1363 der Münchener
medizinischen Wochenschrift 1908.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. No. 27, 1908.
1) Wieting-Pa*scha - Konstantinopel: Die anglosklerotische
Gangrän und ihre operative Behandlung durch arteriovenöse Intu¬
bation.
| Bei einem Manne, dem schon ein Bein wegen angiosklerotischer
Gangrän amputiert worden war, zeigten sich auch am anderen Bein
die Vorboten des Leidens. Verf. intubierte die hoch oben freigelegte
A. femoralis in die Vene, worauf die Zirkulation sich wiederherstellte.
Die Indikationen stellt Verf. noch mit äusserster Vorsicht.
2) F. D i 11 h o r n und Werner Schultz- Charlottenburg:
Ueber Kutanreaktionen mit Elsenfällungsprodukten von Tuberkel¬
bazillensubstanzen.
Mit den nach angegebenem Rezept hergestellten ..Eisentuber¬
kulinen“ fiel die Zahl der positiven Reaktionen bei klinisch Unver¬
dächtigen erheblich kleiner aus als mit 25 proz. Alttuberkulin, ohne
dass bei den klinisch wichtigen Fällen des Anfangs- und Mittelstadiums
der Tuberkulose die Zahl positiver Ausschläge entsprechend ver¬
ringert erschien.
3) H. C o n r a d i - Neunkirchen: Ein einfaches klinisches Ver¬
fahren zur Züchtung der Meningokokken.
Statt Aszites- oder HydrozelenfHissigkeit verwendet Verf. die
bei der Lumbalpunktion erhaltene Spinalflüssigkeit zur Herstellung
des Nährbodens.
4) Joh. L e w i n s k i - Greifswald: Ungewöhnlich ausgedehnte
Sympathikusbeteiligung bei Klumpkescher Lähmung infolge von
Lues cerebrospinalis.
Der Fall zeigte die Beteiligung des Sympathikus in besonders
reiner Form. Klinische und pathologisch-anatomische Analyse des
Falles.
5) H. P. T. Oerum -Kopenhagen: Ueber die Hämoglobinbe-
sthnmung und den „funktionellen Wert“ des Hämoglobins.
Bei Berner Rekruten ergab sich mit dem Sahli sehen Standard¬
rohr 80,7 Proz. als Durchschnittszahl, bei Kopenhagener Studenten
99.6 Proz. Schon die geringe Höhendifferenz beider Orte (500 m)
scheint daran schuld zu sein. Bestimmungen mit dem F1 e i s c h e 1 -
Mieschersche Hämometer ergaben keine Unterschiede. Verf. weist
auf die Bedeutung der Bestimmung des funktionellen Wertes des
Hämochroms hin. d. h. des Verhältnisses von Hämochrom zu Hämatin.
6) R. Stich- Bonn: Ueber die Erfolge der operativen Behand¬
lung der Fussgelenkstuberkulose.
Die G a r r ö sehe Klinik hat mit der typischen Resektion des
Sprunggelenkes viel bessere Resultate erzielt als mit konservativen
Methoden, namentlich bei Kindern: bei diesen wird sogar der Ver¬
lust des Talus durch die Nachbarknochen im weiteren Wachstum
wieder ausgeglichen. Bei 77 Proz. der konservativ behandelten
Kranken musste später doch noch ooeriert werden: konservative Be¬
handlung empfiehlt sich nur bei frischen Fällen ohne Fisteln bei gutem
Allgemeinbefinden und jugendlichem Alter des Kranken, wenn das
Röntgenbild keine ausgedehnteren Knochenzerstörungen aufweist i -
nur e i n Gelenk erkrankt ist.
7) G. Muskat- Berlin: Ein Beitrag zur Behandlung des Genu
valgum.
Verf. ist der Ansicht, dass das X-Bein behandelt werden muss.
Neben gymnastischen Uebungen und Plattfusseinlagen empfiehlt er
einfache Lagerungsapparate für die Nacht und beschreibt ein solches,
leicht herzustellendes Modell.
8) H. G a n s - Königsberg i. Pr.: Spontane Uterusruptur im Be¬
ginne der Geburt.
Der den ganzen Uteruskörper durchsetzende Riss entstand auf
dem Boden einer Narbe, herrührend von Perforation bei Abortkiirette-
ment. Bei der Laparotomie fand sich das Kind nebst Eihäuten und
Plazenta in die freie Bauchhöhle ausgetreten. Amputation des Uterus
in der Höhe des Orif. int. Glatte Heilung.
9) R. S e e f e 1 d e r - Leipzig: Ueber fötale Augenentztindungen.
Sämtliche Abschnitte des Auges sind im Fötalleben einer Ent¬
zündung zugänglich. Vofi Missbildungen sind die Veränderungen
beim Neugeborenen nicht immer zu unterscheiden, doch lassen sich
gröbere Irrtümer bei sorgfältiger Untersuchung vermeiden.
10) F1 ü g g e - Berlin: Rechtsfragen für die ärztliche Praxis.
Fortsetzung. R. Grashey - München.
Oesterrelchische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 28. R. Kraus-Wien: Ueber Beziehungen des Antltoxin-
gehaltes antitoxischer Sera zu deren Heilwert.
Schlussätze: 1. Zwischen Antitoxinmenge und Heilwert des
Diphtherieserum müssen keine fixen Beziehungen bestehen.
2. Dem hochwertigen (300-, 600 fachen) Diohtherieserum kommt
in der Regel eine geringere Heilwirkung zu als dem weniger wertigen
(100-, 150 fach).
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1548 MUENCHKNKR MEDIZIN ISC11H WOCHENSCHRIFT. No. >9.
3. Der Heilwert, d. i. Avidität eines Serums, scheint von der
Zu- und Abnahme der Antitoxinmenge unabhängig zu sein.
- 4. Die Avidität der antitoxischen Sera ist eine prinzipielle Eigen¬
schaft des Antitoxins und soll bei der Wcrthemcssimg berücksichtigt
werden.
5. Die bisherige Wertbemessung nach Ehrlich zeigt in vor¬
züglicher Weise die Menge der Antitoxine an, berücksichtigt aber
nicht den Heilwert des Serums.
R. Kraus und R. D o e r r - Wien : lieber Bakterienanaphylaxie.
Die Versuche lassen sich in Kürze nicht wiedergeben. „Man
muss im Bakterienleibe unabhängig von den (iiften, gegen welche
sich Antitoxine gewinnen lassen, noch andere Antigene annehmen,
die aber im Organismus ähnlich dem artfremden Eiweiss die Bildung
spezifischer „anaphylaktischer Reaktionskbrpcr“ auslosen.“
H. K a n i t z - Klausenburg: Untersuchungen über die perkutane
Tuberkulinreaktion nach Moro.
K. hat in 350 Fällen die M o r o sehe Salbenprobe vorgenannten
und folgendes gefunden. Spezifisch in dem Sinne, dass sie nur bei
Tuberkulose und bei dieser konstant zutrifft, ist die Probe nicht.
Der positive Ausfall beweist nicht sicher die Tuberkulose, der nega¬
tive nicht das Fehlen der Tuberkulose. Die diagnostische Verwertung
ist daher vorerst nur mit grosser Vorsicht möglich.
R. P o 11 a n d - Graz: Die Gefahren der Ophthalmoreaktion.
P. beschreibt 3 Fälle von sehr unerwünschten Begleiterscheinungen
der Reaktion. Einmal entstand eine lang anhaltende Konjunktivitis,
zweimal (je ein Fall von Lupus der Wangen und von Lymplulruscn-
schwellungen) kam es zu Hornhautgeschwüren, deren eines zentral
gelegen eine dauernde beträchtliche Einbusse des Sehvermögens
nach sich zog. Inwieweit das Höchster Präparat (3 Tropfen), das in
anderen Fällen reizlos vertragen wurde, aber von dem auch ander¬
wärts schwere Folgeerscheinungen gesehen wurden, verantwortlich
ist, steht dahin. Jedenfalls soll die Probe unterlassen werden bei
feststehender Diagnose und ist nur berechtigt, wenn von der sicheren
Diagnose viel abhängt und dieselbe auf anderem Wege nicht zu
stellen ist.
W. S p a e t: Ueber die modernen Methoden der Typhusdiagnose.
Die neueren diagnostischen Verfahren: die Ophthalmoreaktion,
die Kutanreaktion, die Komplementablenkung und der Bakteriotrnpin-
nachweis sind sämtlich zurzeit noch nicht entsprechend ausgebildet
und bewährt, um für den praktischen Arzt in Betracht zu kommen.
R. Latzei-Wien: Ein Fall von Morbus Bamberger.
Krankengeschichte. Bemerkenswert ist der wiederholte Nach¬
weis Gram-positiver Diplokokken im Sputum, einmaliger Nachweis
derselben in der Aszitesflüssigkeit. Kultur- und Tierversuche negativ.
V. B 1 u m - Wien: Ein neues einfaches Instrumentarium für endo-
vesikale Operationen.
Beschreibung eines Instrumentes, das je nach dem Bedarf mit
einer Schmirschlinge, Hakenpinzette oder scharfer Loffelpinzettc zu
verbinden ist.
E. P o 11 a k - Wien: Endoveslkale Auflösung von Fremdkörpern.
Zur Entfernung eines in die Blase geratenen Wachskerzchens
machte P. zweimal eine Injektion von 20 ccm Benzin, welches, ohne
Beschwerden zu machen. 10 bezw. 30 Minuten in der Blase blieb.
Nach Auflösung des Wachses wurde der 20 ein lange Docht mit dem
Urin ausgeschieden. Aehnliche erfolgreiche Auflösungen von Wachs
in der Blase wurden von L o h n s t e i n und von Hoch e n c g g aus¬
geführt.
F. Obermaycr und H. Popper- W km : Ueber den Bili¬
rubingehalt des pneumonischen Sputums.
Die Verfasser bestätigen nach eigenen Untersuchungen das von
Pollak in der vorigen Nummer berichtete regelmässige Vor¬
kommen von Gallenfarbstoff im gefärbten Sputum der kruppösen
Pneumonie. Die Intensität der Farbe entspricht durchaus nicht dem
Gehalt an Bilirubin, zum grossen Teil muss sie noch von anderen
Farbstoffen herrühren.
Prager medizinische Wochenschrift.
No. 22. L. Fi sc hl: Kurzer Beitrag zum Kapitel der Motilität
des Magens.
Zw'ei Beobachtungen. In dem einen füll (Hyperazidität) wurde
wiederholt gefunden, dass, nachdem die anderen Speisen lauge dun
Magen verlassen, Spinat in grösseren Mengen noch nach 30 bis
48 Stunden im Magen geblieben war. In dem zweiten lall, wo es
sieh um motorische Störungen mit Schmerzen und Erbrechen handelte,
ergab sich in 4 Partien des durch Expression erhaltenen Magen¬
inhaltes (je 250 g) eine Abnahme der Totala/idität (7". Oi. 5 h. 55) und
der freien Salzsäure (öd, 5ir, 4i>. 35). Demnach ist der Speisebrei im
Magen in gewissen Fällen keine einheitliche Mischung, sondern ge¬
schichtet. wobei die obersten Mengen die säurereiehsteii sind.
No. 23. W. An ton-Prag: Ueber Störungen der psychischen
Funktionen bei einseitiger Behinderung der Nasenatmung.
Heilung eines Halles von rascher Abnahme der geistigen I ci-
stimgsfähigkcit (Studierender) durch Entfernung eines Naseiipok peil
und Heilung von Schlaflosigkeit mit Somnambulismus durch Operation
der knöchernen Atresie einer Naseuliäiite.
No. 25. E. E r e u n d - Karbit/: Ein Fall von Schwangerschafts¬
myelitis.
Beginn w ährend des 7. Schw aiigcrsUiaitxmojiats v-die Ent¬
wicklung nach der t ieburt, muh dem i \ imis emer dissmr.micrtcn.
aszeudlerendeii M> ehlis. fle.amg unter .1* ä.va igeb'aUwh. Lues sehr
iiii w ahrsehein 1 ich. Actiol« .gisch ist \\ .«hi eine Nimm t'-x.kat. n an./u-
nehmeri. Von einer kimMiuhen lnterh'cU'.ung der >Jiw.i"e::v.i:!
lasst sich nicht viel vci sprechen.
No. 2o. E. A r n st c i n - T epl.tz: Beitrag zur Porrooperatlon.
i 2 f alle. a) Scptmchc litiktam des I te'ns bei md / ertem
Kaiserschnitt. < Ycr sUileppte Uwe: .i^e. I n hr \. t :: e n. t /.r.uk-
| bleiben des Schaden •
b I Rigidität und \trcs.c der /e'x.x IL mefiie• e ngm»mg.
| A. Hauser- Iepl.iz: Zur Perkussion des her/ens und der
I Lungenspitzen.
| Nach eingellenden I rorte?tii gui sp: Dd s.di \e:f. d.mm aus.
i dass für den Prakt.scr vl e Best. um ;;i.g der a) s .'aten Me: /...m.pt.r g
deieii Imker Rand rr:t dem der reat.xen I Fimptur.g fast Wvirv.c^
I fallt, die sicher ste m.d uusreu I. ei.de Mv ti. -de Der rechte Rar: J
der wahren ller/grosxe w kJ am Festen n.u h der Met* de \ <>n
I Moritz bestimmt, de I >amp: l m g s: gar des < K tasst* ans ,.s Ja.'vh
Sehw ellenw eMsper knss.MU, de zur /e.t w ->1:1 :n der Praxis I, e'.ra!
beschrankt werden muss. | ar d..e Per miss., m der laiagoM t/en ;st
de Metln-de \mi K rollig d.is Feste :;n. .1 l-eetien sie \ er ID ' ci.
welches bei rmtte ’auter und sehr Urner lU'kuss.n d.mUhcn Res .1-
tatc wie die pi aktjsJi sUiw.er.gc Met*, de G <> 1 d s t h e : d c r s
liefert.
A. K o hier -Teiditz: Zur Therapie des Llcui xentrlcull und der
Hyperazidität des Magensaftes mittels der Capsul. ol. olixar. asept.
Die VultaUi bew ahrte Oe !’ er.»me xerweuDf am 1-estt n
(ielatiiiekapseln ä 3 g. <» |o >tuk des Iagcs. VD t zu u te'-
schat/en ist der Nahrwe r t des tie.is urd der (iDat *;c. Fe: e'/te'e'
auch die liafiinst.it n^: er Vmtkimg. NaUi lUd.rt karm dem < »cl aaU:
Magnes,a usta oder Mmmut hn/uges^t/t werden
K. P o I a t s c h e k - T ep Jtz : Beitrag zur Knochenimplantation.
Doppelter k"mp;/ie f te r l rtc* vS ’ 5 i Fr uD:. Fe. dem c n >tus
aus der I .h:a m.t I ihaltun.g di S l“e: > Co al gern skii wa'.c Der
Versuch, ein w ;cdc:!m't ausgek* Jdes st.uk emer I !m a. x m e e'
Leiche herruhrend, e.n/uhe .eil, gede.g um;!. Immer: n wa'de e rte
so lebhafte KiioclicnF.l Jimg x.«m Per:- st aus cm.ge i Jet, dass e re
volle Heilung erzielt wurde.
F. \\ i s s li a u p t - I ep ';!/: Ein Fall \on H>pcrtrophlc der
Brustdrüse in der Gravidität.
Bei der Kranken trat m der zweten Grax. dt.it eme st.rkc
H\ ; p-rtroph:e der Brüste cm. K ir.C D e Er U gOurt xx egen de: zu¬
nehmenden SUiwaUie. I Fi r a ui xc’k e.ni rtm s Dl de Brüste Fe-
tiaUit'uh. um xv .ihr end der dr tten (rax.dt.it vx/ess \ amu-
Scb'Welierr. Die bedeutende >d>w.id c Xi Mii'.isvtr zur NU-agtmg der
Biuste in 2 Sitzungen; deren ( iew :U t bering m* 1 und b ; • • g
B e r g e a t - Mm . h. n
Italienische Literatur.
De M a r c li i s bringt aus dem Institut für demmist-atix c Patho¬
logie S c h ir p f e r s m I mrenz einen Beitrag zu Blut/xsten der Milz.
Der eine Fall war durch Malaria, der amienc dar Di I r.r.m a xer-
anlasst; die letztere NetmDgie spu't bei der I ••tstiha-g divse'
Z\ steil eme Hauptrolle. ik Z!...lkh der Dmm ent:.i ma .. :r sc or
Z\stell mul limmrcn der lim. mi Nurc mt J.c \' i R <■ F e r t s, d.tss.
das K<i|t.n ilie letzteren iil'tfiluM. nrt 1 DmU; amh s ; u k • m n i::t-
i»eileckt xuifi K<p||n an der AFd.-nmu xv arul u-km
Dem Blutbefund ist immer Nurrru • ks.ovkt >t zu w idmcm in !t «.kui
ist tlabei zu bei ik ksu iitou n. Fiss aiuli er n.D't <. ;e s !k : me D”e-
rentialdiagm >se zwischen v miaD'er i:.t:n.at.s v !u-r /’m’e imd luir’ '-
kokknszx sie heg rundet L ha r a V te' mt :s v F : ■: r Ip.rci mt miDi dmi
neueren Intersiu liungi n eine I • -s.rn u . de >‘es B uu s R<.sse
(I rnguax ) iand in 3'> l.i"mi \ | k 1 n a . k m: v. x-m xv r D-, n 2 de
Milz betraten, m a'len I a en c -sm. e 1 ca /\ tct. a'-er m sm -
w i\ liselnder /ahl und s v hw erd zw % v *u r. 1.5 u--.f s.5 P». z .
w alireml ander e \ut< «r eil e inen < u ; ;a t x < n 7,2" I ’■ • z -\ 1 r
vier beiden x «»n De M. ht s k h* u !u tu n f e zc.te '•.'■1 1 1 .• e-«v n.*-
plnle /eilen.
I >as einzig zux v r lässige d ,M mi m.a .dregr - ' st vd f K• • t. • •” :
die Punktion des /' Mmis.uks. w e'm e. - -ge» mm b. •? FiCdm
imteniommeii. keine 5uh w u r rD < it ur ! i :m Urne!
Die Behand’img kann nur eme d'.':;’. .cF 1 s-
degli osjM-d. loos. No. Jo )
M i c li e 1 a z z i beruht« t aus der k • l’ s.is • ’ . r Appendix¬
symptome im Laufe von Pleuritis dinphragmatica. '<i..//m: 4 , j.— ;
osped. 1 oiis, N". 17)
Fs kann bei I m ins /u i -o m Um p sU mt m/’ m* '•mm-^
kommen. we’Uie zusanm en :« t d-, • g- p n R. .*.•«' c- j, -
spezifisUieri k lims k !u u >x r-ipt* -m«- >. • • w . «. .i • • • e N • . • * s \ ■ • - -
tauscht. Diese s I aktum gv ?:• •* t m d.c Rm'.e .b r nmmsmi R. •\ \ -
erse h' immg' m
I cd eh beobachtete den gFiUen Sx ••••:-»...» ._ \ ja . -
Falle x on P!eur<-pneiim ;:u tm : s, ; .-.«m : s • ■ s, • . •/-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1549
hafte Empfindung, welche von einem krankhaften Organe kommt,
zu dem Medullasegment geführt wird, welches den Ursprung seiner
sensiblen Fasern darstellt. Sie setzt sich dort in intime Verbindung
mit den Fasern von Hautnerven, welche ihren Ursprung von dem
gleichen Segment der viszeralen Fasern nehmen.
Die schmerzhaften Ektopien mit abdominaler Lokalisation im
Laufe von Krankheiten der Thoraxorgane stellen nichts anderes dar,
als Algien, welche den Appendixschmerz simulieren in Folge einer
exzentrischen sensitiven Projektion, welche sich entlang der Haut¬
nerven fortpflanzt in deszendierendem Sinne.
B a c c e 11 i: Ueber die hypertrophische Lebersklerose arthri-
tischen Ursprungs. (Gazzetta degli ospedali 1908, No. 23.)
Diese Krankheitsform ist selten und bisher gar nicht beschrieben.
Man hat sich zu denken, dass harnsaure Salze bei ihrer Ablagerung
im Organismus der Gichtiker anstatt der gewöhnlichen Prädilektions¬
stellen auch einmal das in gewisser Beziehung ähnliche Gewebe der
Capsula Glissonii wählen können.
Der Krankheitsprozess kann ohne Gefahr für das Leben lange
dauern; es kommt zu einer brettharten Geschwulst der Leber, welche
gleichmässig rundlich, nicht höckrig den Rippenrand überragt, sich
auch besonders auf den linken Leberlappen erstreckt, spontan wenig
und nur bei der Palpation lebhafter schmerzhaft ist, nie zu Aszites
und Ikterus führt.
Die Differentialdiagnose zwischen Fettdegeneration und dieser
arthritischen Form ist leicht, wegen der viel weicheren Konsistenz
des Organs im ersten Falle, schwieriger dagegen kann die Diffe¬
rentialdiagnose zwischen arthritischer Sklerose und amyloider De¬
generation werden.
Bezüglich der antiarthritischen Therapie betont B. Sauerstoff¬
inhalationen und den Gebrauch der abführend und diuretisch wirken¬
den Wässer der Thermen von Montecatini.
S i c u r i a n i: Ueber den semiotischen Wert und über die Ge¬
nese des Uroxanthlns und der Uroxanthinurie. (Rif. med. 1908, No. 44.)
S. hat an einer grossen Anzahl verschiedener Urine festgestellt,
dass das Uroxanthin sich vermehrt zeigt in all den Krankheiten, bei
welchen es sich um Zerstörung und Verlust von Phosphorsubstanzen
handelt oder in solchen, welche direkt und indirekt Veränderungen
im Gasstoffwechsel im Sinne einer verringerten Blutbildung herbei¬
führen.
Die innige Beziehung zwischen Uebererzeugung von Uroxanthin
und Fehlen des Sauerstoffes lässt den Autor annehmen, dass das Uro¬
xanthin ein Körper sein muss, der noch weiterer Reduktionen fähig
ist, und dass sein Ueberschuss für eine Anomalie der biochemischen
Prozesse der organischen Oxydation spricht.
Weiter hat der auffallende Parallelismus des Phosphorverlustes
und des Ueberschusses von Uroxanthin einerseits und die Beziehung
zwischen Uroxanthinüberschuss und zerebrospinalen Krankheiten
andererseits den Autor veranlasst, eine neue Reihe von Unter¬
suchungen einzuleiten, um zu sehen, ob auf diesem Wege etwas Kon¬
kretes über die dunkle Genese dieses Pigmentes zu eruieren sei. Er
studierte zu dem Zweck die Alloxurkörper nach der Methode von
D 6 n i g e s und konnte konstatieren, dass mit der Vermehrung der
Alloxurkörper das Uroxanthin sich vermehrt. Er glaubt, dass das
Uroxanthinpigment ein Teil der sog. Alloxurkörper sei und findet
die Ursache der überschüssigen Alloxurkörper wie des Uroxanthins
in dem mangelhaften Einfluss des Sauerstoffs. Die Sauerstofftherapie
ist imstande die biochemischen Oxydationsprozesse zu erhöhen und
somit der überschüssigen Entstehung von Alloxurkörpern wie von
Uroxanthin entgegenzuwirken, sowie auch der Zerstörung und dem
Verlust von Phosphorsubstanzen im Organismus.
B e n a s s i berichtet aus der Abteilung für Syphilis und Haut¬
krankheiten der Universität Bologna über die Wirkung des Saiodin
bei Lues. (Gazzetta degli osped. 1908, No. 26.)
Das Mittel wurde in 50 Fällen angewandt, in 22 Fällen konnte
die Wirkung klinisch genau verfolgt werden und B. kommt zu dem
Schluss, dass Sajodin ein vorzügliches Surrogat des Jodkali ist; seine
Wirkung ist in keiner Beziehung geringer, dagegen die Toleranz
gegen dasselbe erheblich grösser, namentlich auch bei gastrischen
Störungen. Die Resorption erfolgt sehr schnell: binnen 15—20 Minu¬
ten nach der Einfuhr ist das Jod im Speichel nachzuweisen. Erschei¬
nungen von Jodismus erfolgten nie.
Die Dosis beträgt 2—3 g pro die in Pulvern oder Tabletten;
die Wirkung ist gleich prompt bei sekundärer wie tertiärer Syphi¬
lis; es wird am bestep zugleich mit der Mahlzeit oder unmittelbar
nachher verabreicht.
Tondi: Ueber reine Aortenstenose. (Gazzetta degli osped.
1908, No. 23.)
T. beschreibt 2 Fälle von Aortenstenose, aus welchen er den
Schluss zieht, dass es einen besonderen Typus von reiner, einfacher,
genuiner, angeborener Aortenstenose gibt ohne besondere ätio¬
logische Momente. Diese Stenosen können lange latent bleiben und
pflegen sich erst in der Periode des Wachstums zu offenbaren.
Trevisanello beschreibt die Anwendung des Neuriprins
eines opotherapeutischen Präparats der Genueser Schule bei Neur¬
asthenie und Zerebrasthenie. (Gazzetta degli osped. 1908, No. 25.)
Ein 27 jähriger Bankbeamter litt seit 2 Jahren an wechselnden
neurasthenischen Störungen, sich zeitweise steigernd bis zu klo¬
nischen Muskelkrämpfen, Gedächtnisschwäche, Platzangst, Halluzi¬
nationen. ln der anfallsfreien Zeit war dauernder Kopfschmerz,
Ueberreizbarkeit, Schlaflosigkeit vorhanden; der Allgemeinzustand
erheblich reduziert.
Der längere Gebrauch des Präparats war von sichtlicher Wir¬
kung auf alle Symptome. 3 Esslöffel des flüssigen Präparats hoben
das Allgemeinbefinden: in den Anfällen wurde die Gabe gesteigert
bis auf 10 Eslöffel pro Tag. Nach drei Monaten schien die Besserung
eine vollständige, so dass der Kranke dauernd seinen Beruf wieder
aufnehmen konnte.
P e n d o 1 a berichtet aus dem Bürgerhospital in Genua über
Heilung zweier Fälle von genuiner Epilepsie durch ein opothera-
peutisches Präparat des Genueser organtherapeutischen Institutes.
Dieses Präparat, Neuriprin, in dieser Zeitung beschrieben, stellt ein
durch Bromverbindung konserviertes Gehirnextrakt dar. Es ist dem
Verderben nicht ausgesetzt, wird innerlich gegeben und wird im
Institut geprüft in Bezug auf seine antikonvulsivische Eigenschaft
als ein antagonistisches Mittel gegen Strychnin.
Weitere Erfolge bleiben abzuwarten. (Ref.) (Gazzetta degli
osped. 1908, No. 17.)
B u s s i: Ueber Paraganglln V a s s a 1 e in der Therapie des
praktischen und Hospitalsarztes. (Gazzetta degli osped., 1908, No. 29.)
B. hat in der Privatpraxis und als Chefarzt des Stadthospitals
zu Alfonsine innerhalb zweier Jahre 96 Fälle von gastrointestinaler
Atonie mit glücklichem Erfolg mit Paraganglin behandelt. Ferner
14 Fälle von depressiver Neurasthenie, verbunden mit gestörter
Darmfunktion, von welchen 2 Fälle sich lange Zeit hindurch rebellisch
gegen jede Behandlung erwiesen hatten. Ferner behandelte er mit
Paraganglin erfolgreich 8 Fälle von Rektumprolaps bei Kindern, bei
welchen der günstige Erfolg ein dauernder war. In 13 Fällen von
Gastroektasie erwies sich Paraganglin als wirksames Adjuvans der
Magenausspülung in der diätetischen und elektrischen Behandlung.
Er spricht die Ueberzeugung aus, dass wenn die Aerzte zu diesem,
auf rationellem Wege gefundenen opotherapeutischen Präparat Vas¬
sales ihre Zuflucht nehmen, sie vorzügliche Resultate zu ver¬
zeichnen haben werden in vielen Fällen, welche jeder bisherigen
Behandlung trotzten. Hager- Magdeburg.
Inauguraldissertationen.
Universität Tübingen. Mai 1908. Nichts erschienen.
Juni 1908.
Clausnitzer Ad. Heinrich: Zur Kenntnis der Superazidität und
Supersekretion.
Hermann Hugo: Ueber die Indikation der Enukleation des sym¬
pathisierenden Auges bei sympathischer Ophthalmie.
Henschen Karl: Die Extensionsbehandlung der Ober- und Unter¬
schenkelbrüche auf physiologisch-mechanischer Grundlage (Ex¬
tension bei Muskelentspannung). (Habilitationsschrift.)
Im nachstehenden werden die nichtmedizinischen Dis¬
sertationen des letzten Universitätsjahres, soweit sie für den Me¬
diziner Wissenswertes behandeln, zusammengestellt.
Erlangen.
Feldgen Ludwig: Ueber die städtische Arbeiterwohnungsfrage in
Deutschland und ihre Lösungsversuche in ihren wichtigsten Er¬
scheinungsformen.
Grawinkel Kurt Julius: Zähne und Zahnbehandlung der alten
Aegypter, Hebräer, Inder, Babylonier, Assyrer, Griechen und
Römer.
L o h m ü 11 e r Albert: Sterblichkeitsuntersuchungen auf Grund des
Materials der Stuttgarter Lebensversicherungsbank a. G. (Alte
Stuttgarter). 1854—1901.
Schwenzer Paul: Zum Nachweis von Flussverunreinigungen.
W i e s m a t h Friedrich: Der Gedanke der Vererbung in der modernen
Ethik.
F r e i b u r g i. Br.
Landsberg Hans: Die Grenzen der Abdrucksfreiheit im Zeitungs¬
wesen unter besonderer Berücksichtigung der internationalen
Rechtsbeziehungen.
Mönckeberg Adolf: Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers
gegenüber einem invalide gewordenen Arbeiter wegen unter¬
lassener Markenverwendung.
Giessen.
S i e g e r t Rudolf: Die Wohnungsfürsorge im Grossherzogtum Hessen.
Q ö 11 i n g e n.
Baade Walter: Experimentelle und kritische Beiträge zur Frage
.nach den sekundären Wirkungen des Unterrichtes auf die Emp¬
fänglichkeit des Schülers.
Marten Ludwig: Die Altersverhältnisse der Mutter der ehelich
und unehelich neugeborenen Kinder.
Greifswald.
Güldenpenning Walter: Der nationale Schutz des Roten Kreuzes
gegen Missbrauch im Frieden.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1550
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2'K
Halle.
Grünspecht David: Die Entlastung der offentliehen Armenpflege
durch die Arbeiter Versicherung.
Liebe Karl: Der Ar/t im Elisabethanischen Drama.
Heidelberg.
Gans Richard Otto: Das ärztliche Berufsgeheimnis des $ ,*ou
R.Str.G.B.
Neugebauer Hans: Die Eleischversorgung der Stadt Magdeburg.
Jena.
Bosse Alwin: Die Förderung des Arbeiterwohnungswesens durch
die Landesversicherungsanstalteu.
Thalhoter Franz Xaver: Die sexuelle Pädagogik bei den Phi¬
lanthropen.
Stoekigt Willi: lieber den Einfluss der Lage auf die Temperatur¬
entwicklung der Sommermonate und die Luftfeuchtigkeit an
heissen Tagen im Schwarzwaldgebiet mit besonderer Berücksich¬
tigung der für die Hygiene wichtigsten Temperatur- und Eeuch-
tigkeitsverhältnisse.
Auswärtige Briefe.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Eine Denkschrift der Aerzte an die Minister. — Aus dem
österreichischen Abgeordnetenhause. —• Jubiläumsspital der
Gemeinde Wien. — Obligatorische Haftpflichtversicherung der
Spitalsärzte.
Das Präsidium des Reiehsverbandes österreichischer
Aerzteorganisationen hat Ende des Vormonats dem Minister¬
präsidenten und dem Minister des Innern eine Denkschrift
überreicht, in welcher abermals die dringendsten Wünsche der
Aerzte hinsichtlich der (iesetzcsvorlage zur Abänderung des
bestehenden Arbeiterkrankenkassengesetzes niedergeigt wur¬
den. Im Arbeitsbeirate des Handelministerimns waren seiner¬
zeit auch Aerzte als Experten zu den Beratungen zugezogen
worden; die von diesen Aerzten vorgebrachten Forderungen,
Wünsche und Bitten wurden jedoch vom Arbeitsheirate einer
Berücksichtigung nicht gewürdigt, in der Denkschrift wird
nun die fortschreitende Proletarisierung und damit auch tiefe
Verbitterung des ärztlichen Standes durch die immer stärker
zunehmende Errichtung registrierter Hilfskassen geschildert,
auf die grössere Ausdehnung der zivilrechtlichen Verantwort¬
lichkeit des Arztes hingewiesen, es werden auch die Schaden
betont, welche den kranken Kassemnitglicdcrii selbst er¬
wachsen, die bei gehetzten, überarbeiteten, verbitterten Aerzten
Hilfe suchen müssen. „2 Kronen M Heller beträgt in Oester¬
reich das „Honorar“ des Kassenarztes im Durchschnitt pro
Kopf und Jahr. Es ist aber diese beschämend niedere Ziffer
noch viel zu hoch gegriffen, da in derselben auch die Bezahlung
der n i c h t - ä r z 11 i c h e n K r a n k e n k o n t r o 11 e enthalten
ist. Je grösser der Rayon des Kassenarztes ist, je nach dein
Umstande, ob es sieh um Stadt oder Land handelt, wechselt
auch die Ziffer. „Honorare“ von e i n e r K r o n e pro Mitglied
und Jahr sind keine Seltenheiten . . . Die neue (iesetzesv or-
lage erschwert die Existenzmöglichkeit der Aerzte dadurch,
dass sie die obligatorische Kassenangehörigkeit auf weitere Be¬
völkerungsschichten ausdehnt (in Ziffern von 2'# Millionen auf
6 Millionen), die Leistungen der Kassen erw eitert, die Beiträge
verringert, dazu die registrierten Hilfskassen in unein¬
geschränkter Weise, wie obligatorische Krankenkassen gegen
die Aerzte schalten lässt.“ Die Aerzteschatt Oesterreichs ver¬
langt die Behebung der empfindlich gefühlten Mängel der ge¬
genwärtigen Kassengesetzgebung, sic wird im Verweigerungs¬
falle den Weg der Selbsthilfe einzusehlagen gezwungen
sein, welcher einen Kampf bedeutet, der wohl den Aerzten
die grösste Selbstverleugnung auferlegen wird, aber mit dem
schliesslichen Siege der ärztlichen gerechten Sache enden
muss.
Der derzeitige Leiter und Vizepräsident des Reichsver¬
bandes österreichischer Aerzteorganisationen, Dr. Adoli
Oruss, hielt bei diesem Anlasse an die Minister eine längere
Ansprache, in welcher er die einzelnen Bestimmungen der
neuen (lesetzcsvorlagcn zur Abänderung und Ausgestaltung
der Arbeiterkrankenversichenmg amührtc, welche den Ruin
des ärztlichen Standes besiegeln würden. Zumal zw ei Be¬
stimmungen seien es: die Beseitigung der Möglich¬
keit der Emiiihrimg der freien Arztwahl bei den oh! .a-
torischen Krankenkassen und die grenzenlose Erhöhung Jet
Einkommeiigreii/e für die Zugehörigkeit zu ui:er obli¬
gatorischen Krankenkasse \ <*n Jen iiubet gepiarun
JÜMi Kronen auf 5 inni Kroiun (!) .Eihi eseaikomÜR n welche
Bestimmungen die Aerzte veranlassen wurden, sidi zumi
\ e r z w e i f I u n g s k a m p f e zu rüsten, da sie. die bisher
auf streng gesetzlichem Wege gestanden smJ. damit gar mdu*
erreicht haben. Herr Dr. O r n ss sagte auch folgendes: ..Man
sagt, in Oesterreich könne, wenn s;di eine Organ.s./aon redit
geräuschvoll m Szene zu setzen versteht, eher ein l muh:,
als auf gesetzlichem Wege das primitivste kkdit erringen
werden". Hierauf he zuguehmeiid antw miete der Minister¬
präsident, er betrachte diese Auisserung als eine rhetorische
Phrase, denn andernfalls konnte er sic nullt .»nneiimeii. Ausser¬
dem erklärte der Ministerpräsident, w le Dr. Oruss m seiner
„Aerztl. Retormzeituug" berichtet, die Bereitwilligkeit. J.e
Wünsche der Aerzte zu prüfen und sie unter der Ikdmguig
zu fordern, dass die Aerzte schalt a ui g e s e t z i i c h e m
W ege hell.irre. Herr Dr. (i r u s s wird für Jen .Minister Jes
Innern nochmals eine PenksJiriii verfassen, m vu'dieT de
Hauptforderungen der Aerzte formuliert und eingehend be¬
gründet smJ. l ud der Minister erklärte siJi bereit, eine sokhc
I Denkschrift entgegenzunehmen.
Das Präsidium des Reichsverbandes oste rreidi.sdic r
Aerzteorgamsatmuen war bei diesen Audienzen von 7 \b-
geordneten aller Parteien mit Ausnahme d» r si.ziakk ino-
krausche n Partei begleitet und einer dieser \hgeor die tc n.
Dr. M i c h I. hielt tags darnach eine Rede im V\iordnetcn-
lianse, m welcher er sagte: „Oestern war eine Dl piü.y.tiou dm
Reichsorganis.itimi der Aerzte Oesterreichs bei >r. Evzc ’k r. >
dem Ministerpräsidenten und dem Minister des bau ru und da
hatte der Führer der Deputation du kleine* Kühnheit, >r. Ex¬
zellenz. zu sagen, dass die Aerzte sJhhi der Vimdit sind, es
nutze nicht mehr viel, auf ruhigem Wege zu erwarten, dass
eine Besserung im ärztlichen Stande e intrete, elass ihm u viel¬
mehr, nach und nach belehrt durch andere Be'spiele, kein,
anderer Weg als der der Organisation. des /usamnie r.s v hlussi s
und energischen Auftretens ubtig bieibe. Se. I vzelieiz der
Herr Ministerpräsident hat diesen Worten gegenüber den mir
begreiflichen Standpunkt eingenommen, dass er a’s nlu rsu r
Unter des Gesetzes nicht in der Lage su. d.eseti Worten das
notwendige Verständnis entgege nzubi mge n. n.de m er nur an
Rahmen eines gesetzlichen Vorgehens etwas zu gewahren m
der Lage sei." Er aber Dr. M ; c h I erkläre, dass de
Aerzte bereit seien, wenn ihren Forderungen nicht intsjvuJtui
wird, in den Streik zu treten, da viele Erfahrungen sie belehrt
haben, dass dies der einzige Weg mi, um zum Ziele zu
kommen.
In seiner Rede empfahl der Abgemdiutv Dr. M i c h I a”en
Parteien des Hauses, sie- mögen den m nidtt allzu langer Ze ,t
dein Hause vorziile getulen Vorlagen, vor allem den Vorlage::
betreffend che Schaffung einer Aer/tcorJmmg. ein.es kV,dis -
samtats- und Rudisseudungc se Uc s. s\mpatlnsv. h gegeuuhcr-
steheil. Speziell ersuchte I'r. M i c h 1 die so/ialdeitiukratisJu-
Partei, in diesen Fragen darauf IkdaJit zu nehmen, dass wir
Aerzte als Arbeiter auigetasst werden wollen, dass wir
dasselbe Reclit, v\ elches die sozialelemokratmhe Partei ie Je tn
Arbeiter konzediere, d e n Schutz vor \ n s b e u t u u. g.
auch für uns beanspruchen.
Auch andere Abgeordnete nahmen wahrend der grosser,
Budgetdebatte Anlass, das Oebat der niie ntiidu n Oesur.d-
heitspflege eingehend zu besprechen. Wir vom'Iui ms r-Oi
mit 2 Rednern beschäftigen. Der Abgc «»rduvte Dr. Oold er¬
innerte an die vorjährige Blatte nie p\k m.e in Wien ui'2 mhrte-
aus. dass wir in Oesterreich Fmdl Renen legalen Impt'/war g.
ia - im Oegensatz zu allen curopa'sdie n kirlmrstaaten r<»ch
immer kein Reichssciidn. ngesetz zur Ilint.mhaltui g m J D>e-
Kämpfuug menschlicher Seudien bcst/c-i. w.ilr-rj /um
Schutze für das liehe Vieh sdum vor 2'» lahnn de- W-.g r
Reichsgesetzgebung betreten m:J ein iie-n'idk: ge ¬
schaffen wurde. Dr. OoIJ spradi ferner f..r e.ue ve:: :: gg
Schul-, VV ohnungs- m:J Nahrungm. :: L üme :/ge hm g mul
t ilgte den .Mangel an Sdmla rzten. Iki i,i;s muss J,c >^ht:lc
une Brutanstalt für Sdiwädila ge und Ne^as-h,.. XX erde; .
statt, wie in England, eine Bildm o'-tatte zu sc n für (ient in J
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21 Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1551
Körper. Es müsse eine Zentralstelle für alle öffentlichen
Sanitätsfragen geschaffen werden, eine mit allen modernen
Hilfsmitteln ausgestattete Zentralstelle, an deren Spitze ein
Arzt und nicht ein Jurist stehe. Schliesslich seien auch die
Stützen der ganzen Organisation, die Sanitätsbeamten, besser
als bisher zu entlohnen.
Der Abgeordnete Dr. D i e t z i u s sprach als Obmann des
Sanitätsausschusses über die ungenügende Ausgestaltung der
Provinzhochschulen, insbesondere der medizinischen Fakul¬
täten in Galizien, sodann eingehend über die soziale und
materielle der k. k. Bezirks- und der Bahnärzte. Die Amts¬
ärzte stehen in ihrer Rangstellung allen anderen akademisch
gebildeten Beamten wesentlich nach, sie haben überall nur eine
konsultative, beratende Stimme, obwohl ihnen in Sanitäts¬
angelegenheiten als Fachmännern ein mehr entscheidender
Einfluss eingeräumt werden sollte. Die Stellung der Bahnärzte
spotte jedem Gerechtigkeitssinne und jeder Gerechtigkeits-
pilicht. Miserable Entlohnung -- die meisten müssen 10 bis
15 Jahre oder noch länger dienen, ehe sie 1400 Kronen jähr¬
lichen Gehaltes beziehen, — Nachzahlung von einigen hundert
Kronen Altersüberschreibungstaxe bei Aufnahme in den Pro¬
visionsfond, Stellung eines Vertreters aus eigenen Mitteln und
auf eigene Verantwortung in Krankheitsfälle oder bei Antritt
eines Erholungsurlaubs, dreimonatliche Kündigung ohne Ver¬
schulden und ohne Angabe der Gründe etc. etc. Auch Dr.
D i e t z i u s plaidierte für eine einheitliche Leitung unseres
Sanitätswesens, für eine Reorganisation des obersten Sanitäts¬
rates, speziell für eine Vermehrung der Delegierten aus
Oalizien und Entsendung von praktischen Aerzten in den
Obersten Sanitätsrat. Zum Schlüsse beantrage der Redner
die Annahme zweier Resolutionen, in welchen die Regierung
aufgefordert wird, ein Ministerium für Sanitätsangelegenheiten
in möglichst kürzester Zeit zu schaffen und eine durchgreifende
Reorganisation des Sanitätswesens durchzuführen, w r obei die
oben erwähnten Gesichtspunkte zu berücksichtigen wären.
Die Gemeinde Wien hat aus Anlass des 60 jährigen
Regierungsjubiläums unseres Kaisers 10 Millionen gespendet,
welche zum Bau und zur Einrichtung eines grossen öffent¬
lichen Krankenhauses (Jubiläumsspital der Gemeinde Wien)
dienen sollen. Weit weg vom Zentrum, in der Nähe des
Lainzer Tiergartens, umgeben von Wäldern und Gärten soll
sich eine öffentliche Krankenanstalt mit 850 Betten, daran
anschliessend ein „Sanatorium für den Mittelstand“ mit 150
Betten erheben und daneben sind grosse Gartenanlagen, ein
separates Gebäude für Genesende, eine Fernheizanlage etc.
geplant. Es soll eine interne Abteilung mit 300 Betten geben,
dann Abteilungen für Lungenkranke, Hautkranke, chirurgische
(gynäkologische und Augenabteilung) mit je 150 Betten, dann
noch kleinere Abteilungen (Ohren, Kehlkopf, Blase) und wie
oben erwähnt, ein Sanatorium, in welchem es sogar 2 sog.
Luxuszimmer mit eigenem Baderaum und einem kleinen Raum
für die Pflegerin, sonst aber Zimmer I. und II. Klasse geben
wird. Dieses Sanatorium ist zw ar nicht auf Gewinn berechnet,
cs soll sich aber selbst erhalten und auch amortisieren. Mit
dem Bau des Spitals, durch dessen Belagraum der grossen
Not an Spitalsbetten in etwas abgeholfen wmrde, soll noch im
Herbste lfd. Jrs. begonnen werden. Auch für den 21. Bezirk
ist der Bau eines neuen grossen öffentlichen Krankenhauses in
Aussicht genommen.
Im Obersten Sanitätsrate berichtete, wie mitgeteilt wird.
Hofrat Prof. v. Eiseisberg über die H a f t Pflicht¬
versicherung und über Vorschläge zur Verbesserung
der zivilrechtlichen Verhältnisse der Aerzte der Wiener staat¬
lichen Krankenanstalten. „Der auf einigen Kliniken eingeführte
..Revers“, den zu Operierende, resp. die Angehörigen von
Minderjährigen unterschreiben müssen, und der häufig nur aus
einem „Ja“ und der Unterschrift im Krankenprotokolle besteht,
hat sich nicht bewährt. Da Patienten wiederholt Ent¬
schädigungsansprüche an die Leiter der Kliniken und Ab¬
teilungen resp. an die Assistenten und Sekundärärzte stellen,
müssen diese — natürlich mit Ausnahme der Fälle, in w elchen
ärztliche Kunstfehler vorliegen — geschützt werden. In den
meisten Fällen werden derartige Entschädigungsansprüche
vom Gerichte abgewiesen; es kann aber Vorkommen, dass ein
Assistent oder Sekundärarzt, der keine eigentliche Gage, son¬
dern ein sehr bescheidenes Studiumstipendium erhält, zur
Zahlung einer für ihn unerschwinglichen Summe verurteilt
wird; gegen 1 derartige Katastrophen soll in den Fällen, in
welchen kein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, die obliga*
torische Haftpflichtversicherung aller Spi¬
tal sä rzte schützen.“ Wir wollen- darauf zurückkommen
w r enn die näheren Details dieses Vorschlages vorliegen werden.
Brief aus England.
Chirurg contra Operateur. — Praktische Aerzte und Kon-
silarärzte. — Die Ambulatorien der Krankenhäuser. — Die Ver¬
mögen der Geheimmittelfabrikanten.
In einer Versammlung eines Zweigvereins der British
medical Association stellte vor kurzem Dr. C. Hamilton
W h i t e f o r d - Plymouth die Behauptung auf, dass der Be¬
griff Operateur und Chirurg Verschiedenes bedeute. Der
Chirurg solle operieren können, aber er solle ebenso gut auch
wissen, w'ann er nicht zu operieren habe. Heutzutage sei d e r
Chirurg der gesuchteste, der keine Gelegenheit zu operieren
vorübergehen lasse. Es sei förmlich Mode, sich operieren zu
lassen*. Die Operation- der Entfernung des Wurmfortsatzes
wird nach Dr. W h i t e f o r d oft ganz unnötigerweise gemacht
und auch gesunde Fortsätze würden entfernt. Oft ereilt die
Nemesis einen solchen Operateur, denn die Patienten fahren
fort an ihren Anfällen von Appendizitis zu leiden, obwohl die
Appendix exstirpiert wurde. Manche Operateure entfernen
die Appendix bei jeder Eröffnung der Bauchhöhle. Logischer-
w'eise, sagt Dr. W h i t e i o r d, müssten solche Aerzte auch die
Mandeln entfernen, so oft sie einen Patienten den Mund öffnen
lassen. Auch die Operation der Wanderniere wird häufig
ganz ungerechtfertigterw'eise ausgeführt. Solche Bemerkungen
eines Arztes von dem Ansehen Dr. W h i t e f o r d s verdienen
Beachtung und wir könnten nur wünschen, dass gewisse
britische Chirurgen sie beherzigen möchten. Manche von
diesen besitzen einen furor operativus, der für das allzu leicht¬
gläubige Publikum geradezu eine Gefahr bildet.
In der Lancet w ird seit einiger Zeit die Frage der Teilung
des Operationshonorars zwischen dem Operateur und dem
Hausarzt, dessen Patient operiert w r urde, erörtert (die sog.
Dichotomie der Franzosen). In der Regel ist das Honorar des
Hausarztes ein rein nominelles, verglichen mit dem Honorar,
dass der hinzugezogene Chirurg für die Operation beansprucht.
Die Lancet schlägt vor, dass das ganze Honorar von dem
Patienten direkt an den Hausarzt bezahlt werden soll, dieser
soll es entsprechend mit dem Operateur und dem Leiter der
Narkose teilen. Auf jeden Fall müsse der Patient wissen, dass
eine Teilung des Honorars stattfindet. Der Hausarzt sei in der
Regel in der Lage, die Höhe des Honorars zu bestimmen, die
einerseits den Vermögensverhältnissen des Patienten ange¬
messen sei und andererseits genüge, um die bei der Operation
und der Nachbehandlung Beteiligten zu befriedigen.
Der ausserordentliche Missbrauch, der von den mit den
englischen Krankenhäusern verbundenen Ambulatorien ge¬
macht wird, hat die Aerzte endlich veranlasst auf Abwehrmass-
regeln gegen diese Schädigung ihres Einkommens zu sinnen.
Es wurde der Vorschlag gemacht, dass in einem der grossen
Hospitäler in London jeder Kranke, der das Ambulatorium zum
ersten Male aufsucht, ein Zeugnis von einem praktischen Arzt
beibringen soll. Dieses Zeugnis soll bestätigen, dass der
Kranke nicht in der Lage sei für seine Behandlung zu bezahlen
und dass der Fall für die Behandlung im Ambulatorium ge¬
eignet sei. Dabei soll Vorkehrung getroffen werden, dass
schwierige und interessante Fälle vom Arzt zur Untersuchung
und Meinungsäusserung überwiesen werden können, wenn die
Kosten eines Konsiliums nicht getragen werden können. Beim
2. Konsilium muss jeder Patient das Zeugnis des Arztes vor¬
weisen. Ob dieser wichtige Vorschlag von dem fraglichen
Hospital angenommen werden wird, lässt sich zurzeit nicht
sagen. Wenn es der Fall wäre, so wäre damit ein grosser
Schritt getan zur Beseitigung eines Missstandes, der den ärzt¬
lichen Stand in England zu ruinieren droht.
Aerzte sterben nie reich, die Fabrikanten von Geheim¬
mitteln dagegen sehr häufig. Dass solche bei ihrem Tode ein
Vermögen von mehr wie 2 Millionen Mark hinterlassen, ist
durchaus nicht selten. So sehen wir, dass während der Arzt
bei ehrlicher Arbeit verhältnismässig arm bleibt, die Kur-
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1552
MLFNCHFNFR MEDIZINISCHE \\ ()CHFNSCHR1FT.
No. 20.
pfuscher Vermögen erwerben, die im umgekehrten Verhältnis
stehen zu den Verdiensten dieser Leute. So lange das Publikum
so leichtgläubig bleibt, so lange müssen w ir erwarten, in den
Reihen unseres edlen Standes Armut, und Wohlstand in den j
Palästen der Geheimmittelkrümer zu finden, die sieh an der !
Dummheit der Menschen aller Gesellschaftsklassen bereichern.
So war es immer und so wird es bleiben, bis das Parlament
uns zu Hilfe kommt und die Fabrikation von < ieheimmitteln
ganz verbietet. Nur dadurch könnte die schwindelhafte Aus¬
beutung des unwissenden Publikums wirksam verhindert
werden.
Vereins- und Kongressberichte.
17. Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft
zu Heidelberg am 6. und 7. Juni 19t>8.
Die XVII. Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft
fand am 6. und 7. Juni 1908 unter dem Vorsitz von Denker-be¬
langen in Heidelberg statt. Die Teilnehmerliste wies 165 Namen auf.
Vor dem offiziellen Beginn der Verhandlungen wurden einige
Klassen der speziell für Kinder mit Hörresten eingerichteten Heidel¬
berger Taubstummenkurse vom Leiter der Anstalt, Herrn J. Holler,
und einigen Lehrern vorgeführt: die ausgezeichneten Untcrrichts-
resultate, besonders in Bezug auf Sprach- und Ablesefertigkeit, fanden
allgemeine Anerkennung.
Ein Festessen, ein gemeinsames Mittagsmahl mit nachfolgendem
Ausflug in die schöne Umgebung vereinigten die Teilnehmer noch
ausserhalb der Sitzungen.
Nach Begriissungsansprachcn des Bürgermeisters von Heidelberg
und des Leiters der Heidelberger Ohrcnkltnik wurden die Namen
der 46 neu aufgenommenen Mitglieder verlesen. Zwei Mitglieder,
Prof. Kessel-Jena und Stabsarzt 0 e h s e - Berlin, hat die Gesell¬
schaft durch den Tod verloren; der Vorsitzende widmete ihnen einen
ehrenden Nachruf. 4 Mitglieder sind ausgeschieden, so dass die Ge¬
sellschaft zurzeit 417 Mitglieder zählt. Der Vorsitzende berichtet
dann über die feierliche Uebcrgabe der Büste des Begründers der
deutschen Ohrenheilkunde, A. v. T r ö I t s c h. welche die Gesellschaft
gestiftet, an den Vorsteher der Würzburger Ohrenkimik, Prof. K i r c h-
n e r. ln dessen Auditorium, an der W irkungsstätte des Verstorbenen,
hat die Büste ihre vorläufige Aufstellung gefunden. Weiter berichtet
der Vorsitzende über das neue Heft der von der Gesellschaft heraus¬
gegebenen „Anatomie der Taubstummheit". In der Geschäitssit/img
vom 7. VI. wurden an Stelle der drei ausscheidenden Vorstandsmit¬
glieder Körner, Kretschmarin und Passow die Herren
Zarniko, Röpke und Hinsheru gewählt. Als Ort der nächsten
Versammlung wurde Basel gewählt, während eine erhebliche
Miniorität für Leipzig war; als Zeitpunkt der Freitag und Sonnabend
vor Pfingsten.
Weiterhin sprach Passow unter ausführlicher Begründung für
die Vereinigung der Laryngologie, Rhinologic und Otologic in einer
Hand an den Universitäten. In seinem Sinne sprachen sich mehrere
Redner aus, gegen die Vereinigung namentlich B 1 o c h und .1 uras z.
Im ganzen neigte die Versammlung zu der Ansicht, dass man die Dinge
sich möglichst ohne künstliche Beeinflussung entwickeln lassen müsse.
Weiter wird ein Antrag Hartmann angenommen, den Gemeinden
mit mehr als 10 000 Einw'olmern folgende Resolution zur Kenntnis zu
bringen: „Die Deutsche otologischc Gesellschaft hält die Anstellung
von Schulohrenärzten an allen Volks- und höheren Schulen für er¬
forderlich. Durch viele Untersuchungen ist festgestellt, dass bei etwa
der Hälfte der schwerhörigen Schulkinder die dauernde Schwerhörig¬
keit durch frühzeitige Behandlung hätte vermieden werden können.
Da der Erfolg des Unterrichts vom Grade der Schwerhörigkeit ab¬
hängig ist, liegt die Verhütung und die Beseitigung der Schwei hörig-
keit sowohl im Interesse der Schule, als auch dem der betroffenen
Kinder.“
Bericht über die w i s s c n s c h a f 11 i c h e n V e r h a n d -
I u n g e n.
1. Herr O. K ö r n e r - Rostock: Ueher die konservative Behand¬
lung der chronischen Mlttelohreiterungen. (Referat.)
Von einer „konservativen“ Behandlung der chronischen Mittel-
ohreiterungen spricht man erst seit Einführung der Totalaufmcisselung
der Mittelohrräume, der als einer „radikalen“ Methode jedes
schonendere Verfahren als „konservativ" gegenübergestellt wurde.
Es fällt also unter den Begriff der konservativen Behandlung die
Gesamtheit aller therapeutischen Bemühungen, die von den piäfor-
mierten Wegen, also vom Gehorgauge und von der Tube her. aus¬
führbar sind, selbst wenn sie chirurgische Eingriffe darstellen, wie
z. B. die Entfernung kranker Gehörknöchelchen.
Heutzutage gilt nicht mehr jede chronische Mittelohreiterung für
gefährlich; die „radikale“ Totalaufmeissdung hat uns als Autopsia in
vivo die gefährlichen von den ungefährlichen Fällen besser als früher
zu unterscheiden gelehrt. Deshalb haben wir die rein prophylaktische
Indikation für die Totalaufmeissdung fallen lassen und operieren nur •
bei erkanntem gcfahfhGicm Charakter der E.te'Ung Pc Zv.dx:..
welche auf einen geiahtüJitn Charakter iinwt.scu. werden austuh.r-
lieh angegeben; wo sie leinen, bedarf d.c E.&Jiung nur der lk:.a:d-
Imig \un den praformicrtcn Wegen aus.
Im einzelnen weiden die f .teruiuen im 11\Me'-"- und E;\-
tviripanurn, sowie im \ntrum bespi'V eii und d e \< m kt!e:erteil /u
ihier Behandlung verwendeten Methoden ,r gert. Im \--'de'-
g Mi-nde stellt die legelma^ge Re n . mg vier i hitikcüh.-h e, de am
ginn Jliehsteri und se In nie ndMe n mit der Mir .t/e le/w. dem
liolileiirolire heil erreicht wird. Au! a: :.se pt.s w :.c / imat/c /um >t i ’:t/-
wasser wnd nur geringer Wert ge eg:, am nie steil .st 11.i b /;»
empfehlen wegen seiner medial. sGi re n.gt r:de n W.rMing. B rvtii'e
in Pulverform ist bei keinen PerMi$i.--t:cn :s..t \ • ■ r s.: w **:! i ' hesse":
nur unter ai/thJier l eie: w duhuiig » ari/uw e n.deii. Pt M lenste.u-
ii U vl die .\ k< *hi dbeh.indlung w.rken gut I e; staker >*h e mhaut-
s v liw eilung. P.e l.ntlei innig kranker tmd dauh I'ein ung ihrer \cr-
b.mlungen w erth»s gewordener (leüol mu»G:c vheii gestatt t d.c kom¬
plizierten M Ule ä dir i aume e.nt.idk'i und macht sie den tierape uf .s w h,en
l'hngr.ften /uganghelicr. Gr-.sscr Wert w.id auf ehe Best t. N .r:g \--n.
Nasen- und Raeheneiter ringen ge'egt. Weil d .esc "ft /u t'ir.ttn ln-
iekfioiien der Paukerihou e li.lifen. Mark betont w.rd d.c N- twcr.dg-
keit, bei elenden. Seh.eeht genährten Kranken, besonders be. hasse”.,
an Prusensehw eilung ie.vlenden Kindern neben der E"ka nehand arg
den Kraltezustand zu heben; MdhaJer und na me nt teil der Autcn.tha.t
am Meere” mit und ohne >echadcr wirken her oft Wunder.
2. Herr Scheibe - Mmnlan: Was müssen wir von der konser¬
vativen Behandlung chronischer Mlttelohreiterungen erwarten?
Nach Peiimtion des Ausdrucks „vh.ron.sehe M ttel- h'c terueg"
kommt Scheibe auf Grind e.r.gc hender stat v! s w h c r l nter-
suehungeri. auf die er im (iegens.it/ /u dem Referenten g'-.ssen W e't
legt, zu dem helilusse, dass mi \ erlaufe der Gir -n.svhen M tte'- h'-
eiterimg mit Milte* der B e / o 1 d sGicn Borsatrcbeiand .mg. insbe¬
sondere bei ine tlrod.se her Anwendung des Antrumrch'cjiens. das Aut
treten von Kompilationen des War/en?e;s oder des Gch.rrs m t
Sicherheit Sieh verhüten lasst.
Dieses ungewöhnlich gunst.ge. v--n den Angaben der irc.Mr
I chrbiicher abweichende Resultat w ird auGi du*wh d.e pers. •, . l c ,.
reichen Erfahrungen Bezolds se bst und dumh S . e b c n :r. a n n
vollkommen best.it.gt. Per bisher a gerne.n anerkannte und auch v. n
Korner nur für die zentralen im t icgens.it/e zu den rundN-:.ir J.gv.
- Perforationen bestrittene W rldesch.c bat/ \"n der l nhercchtr.-
barkeit der Mlttelohreiterungen ver' ert dadurch seine G.ilt.gse t.
Nur wenn trotz konsequent !< rtgeset/ter Sjvhgeu .isser duckte-
Injektion und Insufflation durch das Antrum-ohrche» der Euvr des
Sekretes Si-.li naht beseiligeii hisst dies war nur m 1 ; Pro/. uc'
75'» chronischen Mittelohre.ter urigen der Ea ! —. ist de ()pe’af.-
und zwar die TotalaufmeiSse-ung. Kd-Ji ohne Extrakt <-n der Geho--
knocheicheii. ange/eigt. Per letztere E.ng'ff wurde au sh v--m (ic¬
horgange aus in keinem e.n/.gen sc ner Ea.lc ansgetuhrt. we.l er
nicht ungefährlich und meist unnötig :\t.
Durch die mitgeteilte, von se.nem Sch.aler v. Ruppert ange¬
fertigte Statistik (vergleiche diese W -> «.heffS* hr :ft, 1' >. V J1 » is*
zum ersten Male cm Massstab geschalte n. an d«.m di: Wrl un.dc'tr
konservativer Behandlungsmethoden ge messt n w erden kann
D i s k u s s i o n /u N«>. 1 und 2: Herr T h i e s - Ee :v g emphe' :
die Entfernung der lateralen Kuppelraumw and rmt oder i-irc Er-
haltung der GehorknoGicIGicn resp. des Tr«■:?;:?*.c te"s je na^h Aas.
de!inung und Eage des E.rkrankur.gsherdeS m Ea .er. chr-m sch. er
Mittelohreitcriing mit Affekt;>>n des Ktippe'raumes und Ant*ums. u.e
trotz längerer rem koiiserx atn er Bilian : ,r g nullt zur Aushebung gt -
langen, l alle mit ausseren >\ rnpt--me:i dt i W ar/enf-afsal/t rkr.mknii g
sind ausgeschlossen. Per Emgr.tf w;d ausgefih't mi ucscnt'.J’ar.
nach den Angaben N e u n: .1 lins- W .itt ;n l • kalar.asfM-vc v -*r.
ausseren Gehorgauge aus. Eventuell vud aljsv:: .essi :• Je le.'c vle"
Inneren Gehör g.mgsw and mit zu entfm en. f.E s das \nt:urn sic'i
statker erkrankt zeigt.
Weite: hm spuulun m der pskiiss-.n n J- 1 : R«. ::e': Pe B> --
säiirebeharullung. d.e S.urgther ap.e. ! e A k- h ir d so: ge rr.ed -
kafMeiitose Behandlung, die Anwendung der I uttJnsP-e Jaule:; aus¬
giebige Besprechung.
ä. Herr H e g e n e r - Heule ! erg : Vorschläge zur Bestimmung:
der oberen Hörgrenze.
Pie Annahme der p!i\s .u. g s J eu "‘'e'cn H--'g'tn/e v t
ea. 5i< oon \. d. (Sehwendt, Edel m a r. u • >t un* vl.: g; s e legt
bei 2« 11 h h i v. d. < M v e r s. f . \. S e hu I z e. Hege ne r i Per B' t• •:
wurde dadurch herbe; gefidir t. dass bt :n A'i! ..oer: m t < ii.mn. ! al J c
Galtonpfeife eine Reihe von 'I'«-nen g ' t, deren t.e’ste' 1 2 Oktav
unter dem mit K u n d t s^her R -h-'e gewesse-rien < rurdt n der I’*e :e
liegt. Diese Tone (>e!me:-.le ntoiu. I ,'en a:uh !e de' I a: - g
dei Einsehränkmig der "bereu Prg'er/e zu l"t 'n. \-d‘ as-.
mit konstantem Pnuk hegt gm. t c' i e: e:r p'a*'^ w . en >.:w c:. g -
keit e ll. I Ei Pc i Sto r t sta'kes Bbrnt ger a \y d d e M *.e t v! . -
Täuschung durch Reduingst.-ne. Pa!'er ist d-C (ia t •• -*e *e zu ver¬
werfen. Bei der eingehender, kr.tis.'en I • ’e • s.i. ■ .m g der s r.st / -
Verfügung stellenden r-.n-mt \r. e's.'- c nt , ; ..s v- r E. \ Schulz e
neuerdings konstruierte M- no t h-»rd. dessen 'I • -r e r Zeugung auf L- r -
gitudinalsehw ingimgcn gespannter Säten he'ui.t. f.«r de P'ax s h e -
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1553
sonders geeignet. Zu seiner Ergänzung sind eventuell Stimmgabeln
oder M e 1 d e s Stimmplatten zuzuziehen.
4 . Herr ff ege ne r- Heidelberg: Methode zur Bestimmung der
Schwingungszahl leiser hoher Töne. (Mit Demonstrationen.)
Zweck der Methode ist Erreichung einer wesentlich höheren
Empfindlichkeit, als sie die bis jetzt meist benutzte Kundtsche Röhre,
sowie auch die anderen Methoden bieten. Prinzip: Vermeidung des
Kraftverlustes bei festem Indikator, Benutzung eines gasförmigen.
Erreicht wird das Ziel durch eine Seebecksche Röhre, bei der
an Stelle des Ohres eine empfindliche Starkdruckflamme tritt. Durch
die entstehende Resonanz wird die Empfindlichkeit auch der Methode
von Lord R a y 1 e i g h gegenüber wesentlich gesteigert, die Fehler
derselben, die in der Flammengrösse und Lufterhitzung liegen, sind
vermieden. Die Genauigkeit ist eine sehr grosse. Die Methode ge¬
hört zu den rein objektiven im Sinne M e 1 d e s.
Diskussion zu No. 3 und 4: Herren K. L. Schaefer, Bön-
ninghaus, Denker, Siebenmann und H e g e n e r.
5. Herr Biräny- Wien: Lärmapparat fcum Nachweis der ein¬
seitigen Taubheit.
Vortragender demonstriert den von F. R e i n e r & Co. in Wien
nach seinen Angaben konstruierten, patentamtlich geschützten Lärm¬
apparat Mittels eines Uhrwerkes wird ein Hammer in Bewegung
gesetzt, welcher auf eine Membrane schlägt. Der dadurch erzeugte
Lärm wird mittels eines Ohrtrichters dem Ohre direkt zugeleitet.
Der Zweck dieses Apparates ist folgender: Die Feststellung der
einseitigen Taubheit ist trotz der ausgezeichneten Untersuchungen
B e z o 1 d s noch immer keine absolut sichere, in jedem Falle aber
eine recht zeitraubende. Vortragender hatte nun den Gedanken, das
gesunde Ohr dadurch auszuschliessen, dass er den Gehörgang nicht
Moss verschloss, sondern auch im Gehörgange einen derartigen Lärm
erzeugte, dass dieses Ohr für jeden weiteren Schallreiz taub gemacht
wird. Nun kann man das zu untersuchende Ohr auf seine Hörfähig¬
keit prüfen.
Ein theoretisches Bedenken gegen diese Untersuchung lag nur
Irsofern vor, als es möglich wäre, dass durch den im gesunden Ohre
erzeugten Lärm eine geringe Hörfähigkeit des kranken Ohres auf-
cehoben werden würde. Nach den Untersuchungen Bäränys ist
dies jedoch nicht der Fall. Auch ganz geringe Hörreste können nach-
<ewiesen werden. Man kann die totale einseitige Taubheit auf diese
Weise von dem Vokalgehör differenzieren. Die Beeinträchtigung des
zu prüfenden, noch hörenden Ohres zeigt sich nur darin, dass der
Intersucher mit etwas stärkerer Stimme sprechen muss. Ein beider¬
seitig normal Hörender hört Konversationssprache mehrere Meter,
rlüstersprache wenigstens einen Meter weit. Ist jemand auf dem
zu untersuchenden Ohre total taub, so hört er auch die lauteste
Sprache und die .lautesten Geräusche nicht, 2 derartige Lärmapparate
e nem Gesunden in je ein Ohr gesteckt, machen ihn total taub. Auch
die lauteste Sprache, die lautesten Geräusche werden nicht perzipiert.
Gegen über dem früheren, von Dr. Robert B ä r ä n y angegebenen
Lärmapparate ist dieser neue Apparat insofern von beträchtlichem
Vorteil, als er sehr handlich ist und ausserdem das Geräusch immer
in gleicher Stärke produziert.
Mittels dieses Apparates kann die so wichtige Feststellung der
einseitigen Taubheit in wenigen Sekunden mit absoluter Sicherheit
eriolgen.
Gegenwärtig ist Dr. D i 11 o n an unserer Klinik damit beschäftigt,
diese Methode an einem grossen Materiale auszuwerten.
Diskussion: Herren Scheibe, Voss, Bäräny, Scheibe.
6. Herren Karl LSchaefer und H.Sessous: lieber die Be¬
deutung des Mittelohrapparates für das Hören, namentlich der tiefsten
Töne.
Die Verfasser haben an 17 doppelseitig radikal operierten, also
an 34 Gehörorganen, die untere Hörgrenze mit Edelmann sehen
Gabeln bestimmt.. Sie erwies sich, von ein paar Ausnahmen abge-
>ihen, als in der grossen resp. in der Kontra-Oktave gelegen. Da
bereits feststeht, dass mittlere, hohe und höchste Töne von Radikal-
nerierten gehört werden, so ergibt sich also im ganzen, dass in
palliativer Beziehung das Tongehör relativ sehr wenig durch das
Fehlen des Mittelohrapparates geschädigt wird. Anders ist es in
Quantitativer Hinsicht, wie aus der allgemeinen Erfahrung und
-rn entlieh aus früheren Versuchen von F. Wagner hervorgeht.
B; Mangel des Trommelfells und der Knöchelchenkette ist die Hor¬
cher für die einzelnen Töne um so mehr verkürzt, je tiefer die
Igne sind.
Diskussion: Herren O. Wolf, Bönnighaus, Sieben-
zann, Herzog, Bloch, Vohsen, Scheibe, O. Wolf,
> c h a e f e r.
7. Herr W a nner- München: Funktionsprüfungen bei kongeni-
zpo 1 d hat in seiner Studie „Die Taubstummheit auf Grund
irenärztlicher Beobachtung“ unter 233 Fällen von erworbener
SauVtummheit 13 mal (5,6 Proz.) als ätiologisches Moment kongeni-
ä e Lues feststellen können. Nach seinen Untersuchungen wird die
uhwerhörigkeit entweder zwischen dem 7. und S. oder 11. und 12.
Lebensjahre manifest. Alle Erkrankten bis auf einen hatten Zeichen
vrn überstandenen Augenerkrankungen; auch das dritte Glied der
Trias, die H u t c h i n s o n sehen Zähne, konnte bei vielen Patienten
festgesitellt werden.
Im Laufe der Jahre hat Verfasser 15 weitere Fälle, welche auf
Grund der B e z o 1 d sehen Zusammenstellung als auf kongenitaler
Lues beruhend erkannt wurden, eingehend funktionell mit der Be-
z o 1 d --E d e 1 m a n n sehen Tonreihe untersucht.
5 dieser Fälle wurden mehrmals vor und nach einer antiluetischen
Kur geprüft; bei dreien waren durch dieselbe günstige Erfolge zu
verzeichnen, während bei den beiden anderen nach einer vorüber¬
gehenden Besserung eine wesentliche Verschlechterung eintrat.
Die verschiedenen Prüfungsergebnisse wurden an graphischen
Darstellungen (Hörreliefs) demonstriert. Die Untersuchungen er¬
gaben ein scharf umschriebenes Bild der Affektionen des inneren
Ohres bei kongenitaler Lues.
Weitaus die Mehrzahl der Erkrankten trifft auf das weibliche
Geschlecht, nämlich 2 männliche auf 5 weibliche. Das Ueberwiegen
wird noch auffälliger, wenn man bedenkt, dass unter den Ohren¬
kranken überhaupt auf 6 männliche 4 weibliche treffen, während bei
dieser Erkrankungsform auf 6 männliche 15 weibliche Patienten
entfallen.
Der Eintritt der Schwerhörigkeit erfolgt meist ziemlich plötzlich
im Verlauf einiger Wochen und Monate im späteren Kindesalter,
besonders häufig zwischen dem 7. und 9., ferner zwischen dem 11. und
13. Lebensjahre; aber auch bis zum 20. Jahre ist die Möglichkeit der
Erkrankung infolge von Lues hereditaria nicht ausgeschlossen.
Als prodromale Erscheinung tritt fast ausnahmslos mehrere
Jahre, meist 3—4, vor der Erkrankung der Ohren eine solche der
Augen auf, von welcher die Residuen, gewöhnlich Hornhauttrübungen,
leicht nachweisbar sind; manchmal wurden mit dem Eintritt der
Ohrerkrankung Rezidive der Augenerkrankungen beobachtet.
In ungefähr 50 Proz. der Fälle sind sicher oder doch in An¬
deutung Hutchinson sehe Zähne vorhanden.
Verhältnismässig selten setzt die Ohrerkrankung neben der
Schwerhörigkeit mit Sausen und Schwindel ein.
Eine wichtige Stütze der Diagnose hat die allerdings häufig
mangelhafte Anamnese zu bilden; hier ist besonders auf Erkrankung
der Eltern, Früh- oder Totgeburten, sowie auf krankhafte Erschei¬
nungen bei oder bald nach der Geburt Bedacht zu nehmen.
Die otoskopische Untersuchung ergibt sehr häufig das Bild des
Tubenverschlusses, wodurch sicher öfters Fehldiagnosen bedingt sind,
namentlich wenn eine genauere Prüfung der Hörweite mit Flüster¬
sprache unterlassen wird. Während beim unkomplizierten Tuben¬
verschluss die Zahl 9 sehr häufig am schlechtesten perzipiert wird,
sind es hier die Zahlen 4, 6, 7; die nach Politzers Verfahren sonst
zur Norm zurückkehrende Hörweite bessert sich in diesen Fällen
nur wenig.
Die funktionelle Prüfung bietet regelmässig das Bild der Er¬
krankung des inneren Ohres; normale, in diesen Fällen oft auch ein¬
geengte untere Tongrenze; positiver Ausfall des Rinneschen Ver¬
suches. Bei der qualitativen Prüfung finden sich gerade bei dieser
Erkrankung nicht so selten ein- oder mehrfache Lücken im Ton¬
bereiche.
Die Prognose ist im allgemeinen dubiös zu stellen.
Die Therapie ist nicht sehr ermutigend; auf alle Fälle‘ist mög¬
lichst rasch eine energische antiluetische Kur — am besten Schmier¬
kur und Jodkali — einzuleiten.
Das wichtigste aber ist, auf die Erhaltung der Sprache bedacht
zu sein. Dieselbe geht in unverhältnismässig kurzer Zeit verloren;
selbst im 15. bis 18. Lebensjahre ist ohne geeignete Nachhilfe die
Sprache bald kaum mehr zu verstehen'. Da die Kinder aus der Zeit
vor der Erkrankung den vollständigen Sprachschatz besitzen, ist
derselbe nur zu erhalten; um das zu erreichen, müssen die Kinder
baldmöglichst in den Hörklassen der Taubstummenanstalten unter¬
gebracht werden.
Diskussion: Herren Bänäny, Rudloff, Wanne r,
R. Nager, Nadoleczny, Hartmann, Fr. Müller, Mann,
Ehrenfried, Wagenhäuser.
8. Herr D e n k e r - Erlangen: Demonstration von 3 neuen
Ohrmodellen.
Vortragender demonstriert 3 neue Ohrmodelle, die auf Wunsch
der bayerischen Regierung von Prof. B e z o 1 d mit Unterstützung
des Münchener Bildhauers Hammer hergestellt wurden und in dem
neuen Deutschen Museum Aufstellung gefunden haben.
In dem ersten, das ganze Gehörorgan darstellenden Modelle
wird durch einen Schnitt, der vertikal zunächst von aussen nach innen
läuft, die komplizierte Gestalt des äusseren Gehörganges demon¬
striert, dann wendet sich der Schnitt, das Trommelfell intakt lassend,
nach vorn innen entlang der Längsachse der Tuba. Der ganze Mittel-
ohrtraktus mit den Gehörknöchelchen liegt gut sichtbar vor. Vom
inneren Ohre erblickt man die eröffnete Schnecke in ihrer Lage zur
medialen Paukenhöhlenwand, das Vestibulum, die Bogengänge und
den Meatus auditor. internus mit dem Nervus acusticofacialis.
Das zweite Modell gibt in einem 7fach vergrösserten
Korrosionspräparate die Form und Gestalt der Hohlräume des ganzen
Gehörorganes in ausgezeichneter Weise wieder.
Das dritte Modell bringt die Paukenhöhle für sich in
stärkerer (20facher) Vergrösscrung zur Darstellung; dasselbe ist
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1554
MUKNCHTNKR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N". 29.
auseinanderklappbar, so dass man die Verhältnisse an der äusseren
und an der inneren Wand sehr gut studieren kann.
Denker bezeichnet die Modelle als eine sehr erfreuliche und
wesentliche Bereicherung unseygr Unterrichtsmittel und empfiehlt
dieselben besonders für den Unterricht in den Universitätsinstituten
aufs wärmste.
9. Herr Schönemann -Bern: Demonstration von 5 Platten¬
modellen des menschlichen Gehörorganes.
Vortragender demonstriert 5 Plattenmodclle des menschlichen
Gehörorganes, welche bei In facher linearer Vergrbsserung alle prak¬
tisch wichtigen Teile des Gehörorganes in absolut richtiger Orien¬
tierung wiedergeben.
Diskussion zu 8 und 9.: Tri. K ö b e 1 e.
10. Herr Po111 z e r - Wien: lieber das anatomische Verhalten
der Stapesplatte bei der Otosklerose.
Politzer demonstriert eine Anzahl histologischer Präparate
von in vivo beobachteten f ällen von Otosklerose, an denen das
Uebergreifen der Knochenerkrankung von der Labvrinthkapscl auf
den Stapes in den verschiednyn Stadien des Prozesses ersichtlich ist.
Manche Schnitte durch Labyrinthkapsel und Stapesplatte konnten zur
Annahme verleiten, dass die otosklerotischen Veränderungen in der
Stapesplatte selbst sich primär entwickeln. SeriensOmitte desselben
Präparates zeigen indes stets den unmittelbaren Zusammenhang der
Knochenvcränderung mit der in der Labvrinthkapsel. Die Präparate
Politzers zeigen ferner, dass es sich bei der Otosklerose nicht
um eine Umwandlung des normalen Knochengewebes in der Labv¬
rinthkapsel, sondern um wirkliche Neubildung handelt, welche das
normale Knochengewebe verdrängt und oft über das Niveau der
Labyrinthkapsel hervnrwuchert. Besonders starke Dimensionen
nimmt diese Knochenwucherung beim Uebergreiien auf die Status-
platte an, welche, wie die demonstrierten Präparate zeigen, oft durch
eine Knochenmasse ersetzt wird, die das Vielfache der normalen
Stapesplatte beträgt.
Pol i t z e r zeigt ferner Präparate, welche imw iderlediglich be¬
weisen, dass es sich bei der klinisch-typischen Otosklerose entgegen
den Angaben Haber m a n n s. der die Knochenveränderung als einen
von der Periostlage der Schleimhaut ausgehenden Prozess ei klärt,
um eine primäre Erkrankung der Laln rmthkapsel handelt. Ms
Gründe führt Politzer an: erstens, dass in keinem Talle, bei dem
der Sitz der Erkrankung die Promontorialwand war. das l'ort-
schreiten des Prozesses von den der Periostlage nahergelegeiien
Teilen gegen die tieferen Schichten gesellen wurde, die Knochen¬
erkrankung vielmehr dort, wo sie nicht als zirkumskripte Insel in der
Labyrinthkapsel vorkommt, sich auf die ganze Dicke der Protnon-
torialwand erstreckt. Zweitens weil von Politzer. Jörgen.
Möller und Lin dt zirkumskripte, scharfhcgreuzte. iieiigebildete
Knochenherde in der Labyrinthkapsel gefunden wurden, zwischen
denen und dem Periost eine normale KnochcnJage bestand, und auch
Ma nasse in einem Talle beiderseits einen isolierten neiigebikletcn
Knochenherd im inneren Gehörgange fand. Endlich fand Politzer
hei der histologischen Untersuchung der t v n i s c li e n T o r m e n
nicht die geringsten Veränderungen in der Mittelohrschleimliaut und
in deren Periostlage.
Diskussion. Herr G. B r ii h I - Berlin: Mikroskopische
Demonstration zur Otosklerose.
Brühl zeigt Präparate,-die von ft! jähriger hochgradig schwer¬
höriger Trau stammen. Ts fand sich bei sonst normalem Mittelohr
eine Tixation des Steigbügels durch einen Spongiosaherd in der
Prnnmtorialwand; ein zweiter Herd fand sich in der Wand des
inneren Gehörganges.
Vereinigung westdeutscher Hals- und Ohrenärzte.
XXI. Sitzung vom 17. November zu Köln.
Herr P. S c h m 11H u 1 se n - Aachen: Die Behandlung der
Larynxstenose durch verbesserte Bolzen und Elektrolyse.
Trotz der grossen Tortschritte in unserer Disziplin begegnet man
in den einschlägigen Krankengeschichten, auch neueren Datums, nicht
allzuselten der kurzen Schlussbcmcrkung: „wurde mit der Kamilc
entlassen“. Chirurgen und Halsärzte wetteifern mit einander, aber
zu einer einigenden Methode ist es noch nicht gekommen, lim ieder
findet an den vorhandenen Instrumenten etwas auszusetzen und ver¬
bessert für seinen Ta 11. So ist es auch mir gegangen. < ilucklicher-
weise hielt die Schwierigkeit der an mich gestellten Aufgaben gleichen
Schritt mit meiner zunehmenden Erfahrung. Von den beiden Zu¬
gängen wählte ich von vornherein die Trachealoitiiung und bin dabei
geblieben.
Die Vorteile der Methode sind:
1. Man ist der Striktur näher und man kann ihr besser bei¬
kommen.
2. Sie ist angenehmer für den Patienten. Schmerzen und Schluck-
beschwerden treten gar nicht, oder nur in minimaler Weise auf.
ö. Sie bietet viel günstigere Aussichten für die Stimmbildung,
da der obere bewegliche Teil des Lnrynvmueren, der in manchen
I äl’eu einzig zur Sprachbildung in Betracht kommt, nicht glatt bei
Seite gedruckt wird, sondern nheihu'b der Bolzen si^ti zu Sp*aU -
letzen entwickelt.
-b Sie ermöglicht bei larvgw ici igen T.t’ltn. indem iimii d.iul-
lücherte Bolzen anwendet, fruh/e l:g die s<< ei^v'u te >;*rjche um!
mehr oder weniger Muiidatumug.
Mein Material erstreikt vd, auf erneu Zc.tr.; um \<ui I « Li! ■ en
und betrifft II lalle: 5 Kuuk i muh l ftpftjbcr.v. f» l:\\.u‘iw: i. J mm,
Typhus und .! nach S\ phrliv
Zwei Arten von Bolzen haben vji mir bew. lut:
1. der gewöhnliche konnche IV ‘/in ohne < r.Ü.
2 . der zweiteilige Bolzen na* tu n.
Trsterer hat am unteien d.ckeren I nde zwei "h de lila de n e ••
dritter l aden geilt durch d e Mutze. Das d.Aett I de wad ai i
Trachea mich unten so weit vo* ge* Ji.-ma.. I s Cer H • hu u senkn ft :
stellt, mul dann an den zwei unteien I a ieii. d e am n der l age
festgelialten haben, m die Hohe ui de st ihture'te Me ft giz
Mit einer Sonde wird, wenn tio! g, \ oi unten r.ukge J: :ukt und ftm-
die Kanäle dal unter gesetzt. Ihe laden h.i'.^eti zu he den H
der Kanüle heraus. Der B-'l/in reutet auf der käme. s v S% e s t s » a
den Bewegungen des Halw.v an. in.idi! gar kme M > cVft n im.:
kann Tage lang hegen bleiben. Bern IIim;i\"i' tiii / c 1 : n m di
unteren jaden an. der Bolzen g Tatet m de I nuN .1 um! w 'd .y-
oberen jaden her ausgezogen. Neu bei J yr NU:m-..e ist de He-
nutzuiig tles unteren Tuu lieai'üüfbens bei der l'mtftmag efts |’. • s
I bei gute Seidenfaderi s.r.d herbe.t gemig, um e r: M m! '-
fallen des Bolzens unmoglnh zu in.u heu.
Der zweiteilige Bolzen, dt u uh in d< n ft t/ft lahm I >■ -
strmerte, setzt steh zusammen aus ite ri egen: d"en B /tu m t *r ’
lind Gern l'ntersatz mit Gr.ft.
Der Bolzen bat die untere fftftn n.uh -'cn tu.! : !e :• .1
schrägt, so dass er sich ft- ftit e.n- und aus* :‘-- t n < • 1 . 1 n ••
unteren vorderen Pand der j r.u heah • !?: uug zu /•"ei Iftr l Mm-
sat/ füllt die I.tuke des Bolzens r.u h <du 1* aus uml >• .*•* de r m-uft •:
I laclte so aus ge holet, das er s.^fet der K'||.i vtat 'ft r k.»: . e .r -
schmiegt, diese selbst iil'er r ngend. t t’i.r ü t er dm '1 "'rr: ! • *»
Punkt über tler Biegung di r Kar..: e aus. s.. dass e »•. *: .fti gm.mm
Kanal von Kanüle und Bo'/en geft ..ft t wad m tmMftu um! >;> -
l'ildung weiden dm dl d gse I m m des l : lia.il/tA \e:n..cden.
I Me gewohnhehe K.uri'e kann trau Imutn”. ma muss au •
oberen I* arte eme P nie zur Viim.yn'e dis M.md.m "es e 'gm ■
werden. I he Betftstnm.g de r li riu-rk.im ft .st au: aute'en Je ' dm
1 Balte anzubr mgen.
In all me nen lalftu musste die I • aftea • .a g e'Wctmt Wi ¬
llen. um limn-ishi-nden Zu gar g für dm B- hur- zu sd'i.ri n. NU"’,
genügten dickere Kainiftn. Na* - "Ihm: \ w ir de \ • r „e gangeft. wi¬
es sich zw ccktr.asseg /i.gte. he; zu tute m ^d. e <ft mutig :■ .
muh oben, und hei zu hohem >:tz ttu ‘a r.u ii U"!i v, zu \ er .egen. \\
der Bolzen nullt oder 11 dit t.i'd: ge uug zurr / •. 1 t:!e. wurdi ;
j.lektroft se zu U.l'e ge"ouar.en. e.r.t'sti ’s zur I ’\u ^huiig* um! \ a
losurrg des Na 1 beuge w 1 a 1 ft'i'sefs -.an ' e-.cn *e N.r 1 ’: -'fn". ■.
nach der IV? iphcne zu sitzui. de d t\ in, ua o «iiwile e iv 1 e
und so das | timen erwete'ii. Ihisi ftt/ti'iu w ken w e dir .r:-
gezogeiie laden bean |hste*n der 1‘teuft ; :.ia'ma! r at/e.
In einem lalle, bei 111 \ t. s 5 *>. s ; 11, • r' dm \ ’ \ k ■’ ja! n.uh T\ p v i;s
auf d -4 mm. war mit der B" zi u ; i : a: .! a-'g ke n k\ su ! li zu t * -
zielen. De elast.sci.e n Minaua.iuler ^aieu w hl alau.i*: c h de o
dicksten Bol/en muh. a‘*er n.uh er- g. u 'lagen fat de ade \i -
eugei uug wieder ein. Nun sitzte .di hrue-e N'ade'u \ ■ m
Tr aclH-a'off uiing aus an die Bas s de- >!'’:•! .edef durch de g.i*- c
.Muskulatur des Bodetis des Sinis M'-rg ig-i um .'u Irst bis .m • ••
Scln'-.lknoj pel. \ :er Be h.md uiui n ge r um nun mehr rmt fte -v
Bol/en dauernde < ft ftutirg zu v'i.iVa'. mde *m de ''tamr.b.ituli r d. a » ’
die seitiuhell Narben fystgeha teil wn'dm. De >t rimte wuule .*• m
die falschen dtmimb.mde r ge’ .hht. >e u! etw.is * t ih. aber lau* . -
deutluh. Patie nt hat n.uh gi s» ii . >sn • i - I r.u 'a a’■ **nr:ug si au >:. L
als Iftdarbeiter w e ler auigi in rtmu n.
Bei einer anderen Stenose r.uli Iftr 5 -s. \i . ’ e: das rechte
band beweglich geh -i lft-n. alur in si • ! xm-'s ■•a u nuht e-g e
genug war, um neben dun etwas ftm * d e M *te";n.c gehigv ♦ : 1
Stimmband genügend l.utt zu gebm aus t eer nusnn vm
glottrsfclien 1 1 J1.traI:<»i* I1.1t ft n s.»h in s ’• t s v ft. '»t: »* e v orn V r \ k .*• - c.
abgestossen - fixierte uh auf ibesi'be \\ t sc das bnke Maurnl 1
durch Llektroft se etwas zur '■m de ur.d e * z' 4 , *e gm'iger’d l i'..U:c\v 1 •
Patient ist ohne Kauule und li.it si an Be-sU-.ift di' g a s M.ilft-r kr - c v
w ieder aufge in um e n.
Von den dt ei Patienten n. t c’"\u:e-: s\ j* 1 -.’ t edier Metiosc s
2 geheilt, ein dritter geilt der Me :mg mtge^e tr.
In dem ersten l'a'ft* Le. e ’u 2 ' .i*'-’gi n T' .i ift u, u .» . 1
Sehr (» t t c r sehe« Bolzen Wege r. Se u er /' a" . 1 •. : um! S» ti». g
lieseliw erden vom \ erst..rbe nm K ■ ’mi n ^ c I; .1 : t e r m Brenn n ■
gegeben w erden mussten, und e a e \ * ' s'.md 3 \ e* w ag-su- g K \%,
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21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1555
sie 2 Stunden vorzulesen imstande war. Sie führte sich selbst die
durchlöcherten Bolzen ein paar Jahre lang ein, setzte eine grosse
Brosche vor die Kanüle, so dass äusserlich nichts zu bemerken war.
Sie war so zufrieden mit diesem Instrument, dass sie mir auf wieder¬
holtes energisches Zureden sich dazu verstand, Kanüle und Bolzen
zu entfernen und sich die Trachealöffnung schliessen zu lassen.
Stimme und Oeffnung haben sich tadellos gehalten.
Im zweiten luetischen Falle sass die Stenose hauptsächlich unter¬
halb der Stimmbänder. Das unförmlich dicke rechte Stimmband
ragte über die Mittellinie hinaus, das linke verstümmelt und hatte
nur geringe Bewegung nach aussen. Fibromatöse Auswüchse an der
hinteren Wand sowie an der linken Larynxwand füllten das Lumen
fast aus. Patient, ein Amerikaner, trug die Kanüle schon drei Jahre.
Alle bisherigen Bemühungen waren vergeblich gewesen. Oberhalb
der Kanüle war die Oeffnung, bis auf einen kleinen für die Sonde
durchgängigem Kanal im hinteren Teile, ganz zugewachsen. Für diese
Narbenmasse zeigte sich die Keilbeinzange als das geeignetste Instru¬
ment Von hinten nach vorne wurde der Narbenstrang exzidiert.
Nun konnte mit einer kleinen Nummer des zweiteiligen Bolzens be¬
gonnen werden. Mit Zuhilfenahme von Elektrolysie und Galvano¬
kaustik gelang es, unter gleichzeitiger operativer Entfernung der
Geschwülste vom Munde aus, in zwei Monaten die nötige Oeffnung
herzustellen. Zur Vorsicht wurde die Trachealöffnung für die Heim¬
reise über den Ozean nicht geschlossert sondern durch einen Silber¬
bolzen offen gehalten.
Einen froheren Menschen, als diesen Amerikaner, am ersten
Tage, wo er wieder durch Mund und Nase atmen konnte, habe ich
lange nicht gesehen. Er tanzte durch das Zimmer unä schrie be¬
ständig „I am so happy“.
Der letzte Patient, ein Schweizer, bot die schwierigsten Ver¬
hältnisse. Das ganze bewegliche Gerüst des Kehlkopfes war zu¬
sammengefallen. Keine Stimmbänder, Nekrose im unteren Teil der
Aryknorpel, Abstossung von grossen membranösen Fetzen linker¬
seits, Erweichung der oberen« Trachealringe, Glottiserweiterer ausser
Funktion. Beim Versuche einzuatmen, schliessen sich die Schleim¬
häute nur fester aneinander.
Die Falte des rechten Aryknorpels umfasste weit die etwas tiefer
liegende lüike. Noch vor Ausheilung der Ulzera wurde mit der
Bolzenbehandlung begonnen bei gleichzeitigem Kurgebrauch. Bei
dieser Behandlung wurde hauptsächlich der zweiteilige Bolzen er¬
probt, und er hat sich gut bewährt, besonders auch für die unteren
erschlafften Teile um die Kanüle herum. Mit Zuhilfenahme von
Elektrolyse und Galvanokaustik ist es gelungen, ein grosses Lumen
zu schaffen und zu erhalten.
Patient trägt noch durchlöcherte Bolzen, die er sich selbst ein-
iiihrt. Die Stimme wird auch in diesem Falle von den obersten
Lefzen der Taschenbänder gebildet. Er bewegte sich zu Hause und
in der Gesellschaft wie ein Gesunder. Vollständige Heilung steht,
wenn auch nach Monaten, zu erwarten.
Auch Ln «den Fällen, wo ein operativer Eingriff mit Laryngo-
fissur angebracht ist, sind meine Bolzen, sowohl der einfache, als der
zweiteilige, zur Vollendung und Sicherung der Heilung bequem zu
verwenden.
Fester Wille und Ausdauer von Arzt und Patient führen auch
in anscheinend verzweifelten Fällen zum Ziele.
Die Instrumente sind zu haben bei Herrn M a 1 m e d i e r.
Aachen, Ottostr. 88—90.
Herr Marx -Witten: Ohrverletzungen bei der Explosion der
Wittener Roburitfabrik.
M. H Die grosse Anzahl gleichartiger Trommelfellverletzungen,
die ich nach der Explosion der Wittener Roburitfabrik zu beob¬
achten Gelegenheit hatte, gibt mir den Anlass, Ihnen hierüber einen
kurzen Bericht zu erstatten. — Um den Mechanismus des Zustande¬
kommens der Verletzungen zu erklären, muss ich ganz kurz den Her¬
gang und die Oertlichkeit der Katastrophe schildern. — Die Fabrik
lag ca. 2 km von der eigentlichen Stadt entfernt in einem ver¬
lassenen Steinbruch. Sie war daher nach zwei Seiten durch mehrere
Meter hohe steile, Abhänge begrenzt, die von Süden und Osten her
leicht zugänglich waren. Nach Westen bildete die Grenze eine dicke
Mauer aus Bruchsteinen, nördlich von der Fabrik war offenes Ge¬
lände. etwa 1 km entfernt nördlich liegt das Dorf Annen.
Als am 28. November vor. Jrs. abends zuerst der Mischraum der
Fabrik mit heftigem Knall explodierte, wobei ein benachbartes, zur
Fabrik gehöriges Wohnhaus zerstört wurde, eilten neben der Feuer¬
wehr und den Polizeimannschaften viele Hunderte von Neugierigen
herbei, um den Brand in der Nähe zu sehen. Die grössere Anzahl
nahm an den eben erwähnten steilen Abhängen Aufstellung, an der
nördlichen (Annener) Seite der Fabrik befanden sich weniger Zu¬
schauer, weil die Annener Feuerwehr sofort sämtliche Ausgänge des
Ortes gesperrt hatte. Durch diese Art der Aufstellung der Zu¬
schauer kann ich mir das Vorwiegen der Verletzung des rechten
Ohres erklären. Als nämlich etwa 40 Minuten nach der ersten
Explosion die ungeheuren Vorräte von Trinitro-Toluol, die in der
Fabrik aufgespeichert waren, in die Luft flogen, wandte sich bei der
ersten grellen Lichterscheinung die Mehrzahl der Zuschauer nach
links, weil das die gegebene Fluchtrichtung war. Nun entstand da-
\
durch, dass die in die Höhe geschleuderten Explosionsgase grosse
Mengen Luft mitrissen, im nächsten Augenblick ein ungeheurer nega¬
tiver Druck, der auf alle in der Nähe befindlichen lufthaltigen Räume
einwirkte und also auch eine plötzliche Ausdehnung der Luft in den
Paukenhöhlen veranlasste. Das dem Explosionsherd zugekehrte
Ohr war aus dem eben erwähnten Grunde in der Mehrzahl der Fälle
das rechte, so dass in den von mir beobachteten 109 Fällen einseitiger
Trommelfellverletzung 64 (= 59 Proz.) das rechte, 45 (= 41 Proz.)
das linke Ohr betrafen. Mein Bericht erstreckt sich nur auf eine
Gesamtzahl von 150 Fällen, die im Verlauf der ersten drei Monate
nach der Explosion zur Behandlung kamen. Noch in der allerjüngsten
Zeit sind weitere Fälle, meist wegen Eiterung, in meine Behandlung
gekommen. Infolge früherer Beobachtungen liess ich am Morgen
nach der Explosion durch Vermittelung der Ortspolizeibehörde an
sämtliche in Witten erscheinenden Zeitungen eine Notiz gehen, die
folgenden Wortlaut hatte: „Vorsicht bei Trommelfellverletzungen.
Bei frischen Trommelfellverletzungen ist jedes Ausspritzen der
Ohren lebensgefährlich. Wer nach der Explosion Hörstörungen be¬
merkt, verschliesse sein Ohr mit Watte und gehe zum Arzt“.
Diese Warnung erwies sich als sehr zweckdienlich, und veran¬
lasste auch vor allen Dingen die praktischen Aerzte, der Therapie
der Trommelfell Verletzungen Beachtung zu schenken. Die Klagen der
Verletzten waren fast immer die gleichen. Mehr oder weniger
heftige Schmerzen, besonders beim Schlucken, Taubheit, Ohren¬
sausen, vereinzelt (in 2 Fällen) auch starke Blutung aus dem Gehör-
gang und in den Rachen. — Schwindel wurde nur einmal angegeben,
und zwar mehrere Monate nach der Verletzung. Bei dem be¬
treffenden Patienten Iiessen sich durch die gebräuchlichen Prüfungen
objektiv keine Schwindelsymptome feststellen. (Nachtr.: Der
Schwindel ist nicht wieder eingetreten, nachdem eine habituelle
Obstipation behoben ist.) —
Die Art der zur Beobachtung gekommenen Trommelfell Ver¬
letzungen richtete sich augenscheinlich danach, ob mehr die äussere
— radiäre oder die innere — zirkuläre Faserschicht die Membrana
propria des Trommelfelles beteiligt war. — Diejenigen Fälle, in
denen sich nur Blutaustritte auf dem Trommelfell befanden, ohne dass
eine Perforation bestand, habe ich in dieser Aufstellung nicht be¬
rücksichtigt, es sei kurz erwähnt, dass diese alle mit gutem Hörver¬
mögen heilten: einige Fälle erst, nachdem eine etwa dem Trommel¬
fell noch anhaftende Blutkruste fortgenommen war. — die Fälle, in
denen nur, bezw. vorwiegend Zirkulärfasern des Trommelfells ge¬
rissen waren, so dass ein radiäres Auseinanderklaffen des Trommel¬
fells entstand, waren an Zahl 64. Der Riss ging von dem Schnitt¬
punkt des Trommelfelläquators und des Hammers aus und verbreiterte
sich nach der Peripherie. Die häufigste Richtung des Risses ging
in diesen Fällen nach vorn unten (23 Fälle) oder vor oder hinter dem
Hammergriff steil nach oben (25 Fälle). Der Riss der Radiärfasern
des Trommelfells erwies sich als weniger häufig. Er charakterisierte
sich meistens als Trommelfellablösung (57 Fälle, davon 26 vorn. 13
unten. 18 hinten-). In einem Falle war das Trommelfell am Rande
total abgelöst, während der Zusammenhang mit dem Hammergriff
erhalten geblieben war. so dass das otoskopische Bild scheinbar einen
frei in die Paukenhöhle hängenden blutigen Klumpen zeigte. (Der
Fall ging in vollständige Heilung über, mit gutem Hörvermögen.) In
zwei Fällen erwiesen sich die Radiärfasern in ihrer Mitte durch¬
trennt. — Totaler Verlust des Trommelfells, immer mit Erhalten¬
bleiben des Hammergriffs (sogen, nierenförmiger Defekt), wurde in
32 Fällen beobachtet.
Nur in fünf Fällen schien sich der Verlauf des Risses nicht nach
dem Faserverlauf des Trommelfells zu richten, hier bestand ein
Querriss durch die untere Trommelfellhälfte, unterhalb des Umbo.
Mit runder Perforation, die nicht den Charakter eines Risses
hatten, kamen 17 Fälle in Behandlung, die sämtlich schon mehrere
Wochen vorbehandelt waren und eiterten.
Eine Fraktur des Hammergriffes wurde nie beobachtet, so dass
man also annehmen kann, dass diese Verletzung nur durch direkte
Gewalt entsteht. — Perforation der S h r a p n e 11 sehen Membran
konnte ich ebenfalls nie mit Sicherheit nachweisen. In einem beob¬
achteten Falle ist Grund zur Annahme, dass sie schon vor der Er-
plosion bestanden hat Hyperämie oder Blutung fand sich dagegen in
der S h r a p n e 11 sehen Membran bei allen Verletzten, die frisch zur
Beobachtung kamen. Dass die S h r a p n e 11 sehe Membran nicht
Perforiert wurde, erkärt sich daraus, dass die normal hinter ihr be¬
findliche Luftmenge zu klein ist, um derartige Verletzungen selbst
bei plötzlicher stärkster Ausdehnung hervorzurufen.
Die relative Heilungsdauer erwies sich am günstigsten bei den
radiär verlaufenden Rissen, in der Zeit, in denen von diesen 54%
Proz. geheilt waren, waren von den Trommelfellablösungen 33‘/a
Proz., von den nierenförmigen Defekten 22 Proz. zur Heilung ge¬
kommen. —
Meine Therapie beschränkte sich darauf, dass ich den frisch
Verletzten absolute körperliche und geistige Ruhe und Alkohol¬
abstinenz anriet.
Der Gehörgang wurde leicht mit Xeroformgaze tamponiert.
Etwaige Eiterungen wurden nach den bekannten Prinzipien be¬
handelt, — sämtliche ohne Spülungen.
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No. 29.
Von den beobachteten vollständigen Heilungen des verletzten
Trommelfelles waren 32 mit, 32 ohne Eiterung vieheilt. Von den
32 mit Eiterung geheilten ballen hatten nur 25 ein vintes Hörvermögen
behalten, und von diesen klagten zwei über quälende Olirgeräuselie.
Von den 32 ohne Eiterung Geheilten blieben bei einem balle sub¬
jektive Geräusche zurück, bei zwei ballen eine massige Schwer¬
hörigkeit.
Von den beiden letztgenannten ballen ist in einem mit ziemlicher
Sicherheit das absolute Nichtbeachtcn der Vorschrift betr. geistiger
und körperlicher Ruhe etc. als Grund des schlechten Resultats an-
zuschuldigen.
Lehrreich sind 15 balle, die von einem auswärtigen Arzte mit
Ohrtropfen, vermutlich Karbolwasser, behandelt wurden. Hei allen
diesen kam es zu schweren biterungen, die iedocli alle heilten.
11 balle mit vollständiger Regeneration des ’l rommelfells, aber nur
zwei mit gutem Hörvermögen und ohne sonstige Storungen.
In einer grossen Anzahl von ballen habe ich den Versuch ge¬
macht, Perforationen, die mehrere Wochen bestanden, ohne lenden/
kleiner zu werden, nach () k u n e f f mit Tricliloressigsäure zu be¬
handeln. Diese Aetzungen unternahm ich nur dann, wenn ich fest-
stcllen konnte, dass durch binlegen eines \\ attepfropfcliens m die
Perforation das Gehör wesentlich gebessert wurde. Zu einer voll¬
ständigen Heilung konnte ich auf diese Weise S Perforationen billigen,
hiervon 5 bei denen Eiterung, 3 bei denen keine Eiterung bestanden
hatte.
Von gewissem Interesse sind die aufgenommenen Stimmgabel¬
befunde. Geprüft wurde gewöhnlich mit der Stimmgabel Ci. nur
wenn diese keine einwandsireien Resultate ergab, wurde zu höheren
oder tieferen Stimmgabeln gegriffen.
Hierbei zeigte sich, dass die Stimmgabel nach der verletzten
Seite 31 mal, nach der gesunden Seite 7 mal lateralisiert wurde und
9 mal überhaupt nicht lateralisiert w urde. Von den 31 erstgenannten
konnten 21 später nachuntersucht werden, diese zeigten sämtlich eine
Gehörverbesserung. Von den 7 folgenden ballen trat bei b ballen
Hörverbesserung ein, in einem balle keine Besserung. Von den
9 letzten konnten später 7 wieder untersucht werden, sämtliche mit
Besserung des Gehörs.
Der R i n n c sehe Versuch fiel positiv aus bei 51 verletzten
Ohren. Eine Hörverbesserung wurde bei 3N bälleu, keine Besserung
bei 2 Fällen später festgestelit. Bei 11 Fällen blieb der weitere V er¬
lauf unbekannt.
Der R i n n c sehe Versuch fiel negativ aus bei 3* verletzten
Ohren. 23 von diesen wurden weiter beobachtet und zeigten Hör¬
verbesserung.
Einmal wurde die Stimmgabel von beiden VVarzeiifortsätzen
nach der gesunden, einmal von beiden VVarzeiifortsätzen nach der
kranken Seite lateralisiert. In beiden ballen trat Besserung des Ge¬
hörs ein.
Hiernach kann also den Stimmgabelbefunden kein prognostischer
Wert beigemessen w erden.
Hervorheben möchte ich dagegen, dass fast durchweg das Hör¬
vermögen sich im gleichen Tempo besserte, wie die Trommelfell¬
perforation sich verkleinerte.
Von den mit Eiterung zur Behandlung gekommenen Verletzten
musste bei zweien die Aufmeisselung des VVar/enfortsatzes gemacht
werden, einer heilte mit gutem Gehör, der andere verzog hei i.ist
vollendeter Heilung nach ausserhalb.
M. H.! Die Angaben, die ich Ihnen machen konnte, bestätigen
im wesentlichen nur bekannte Beobachtungen. Ich glaubte sie Ihnen
trotzdem nicht vorenthalten zu dürfen, weil die grosse Menge der
beobachteten Fälle schon eine gewisse statistische Ausnützung zu¬
lässt.
D i s k u s s i o n: Die Herren R ö p k e, B u s s, Z u m b r o i c h.
Herr H an sbe rg - Dortmund: lieber Laryngotomie bei Säug¬
lingen.
Es ist bekannt, dass die Eröffnung der Trachea bei Kindern unter
einem Jahre eine sehr schlechte Prognose gibt; nach der vorliegenden
Statistik muss damit gerechnet werden, dass nur ein sehr geringer
Prozentsatz der traclieotomierten Kinder den Eingriff überstellt.
Bo k a i verlor z. B. 93 Proz. der unter einem Jahre operierten
Kinder.
Was für die Tracheotomie gilt, ist natürlich auch für die Larvngo-
tomie massgebend, die bei Säuglingen wohl immer an die erstcre
angeschlossen wird, nachdem die Tracheotomie aus Gründen der
Indicatio vitalis bereits vorgenommen ist. In nicht dringlichen
Fällen wird man eben warten, bis die Kinder älter sind, um die Er¬
öffnung der Luftröhre, resp. des Kehlkopfes zu einer weniger gefähr¬
lichen Operation zu machen. Es können aber Verhältnisse ein treten,
in denen ein Eingriff auch bei Säuglingen unbedingt geboten ist. und
das sind, wenn ich von der Diphtherie absehe, in erster Linie solche,
in denen eine angeborene Missbildung im Kehlkopf vorliegt oder aber
Papillome, die bekanntlich auch angeboren Vorkommen können. In
einzelnen Fällen kann die Asphyxie bei diesen Zuständen eine so hoch¬
gradige werden, dass nur schnelles Eingreifen den baldigen Exitus
verhüten kann. In folgendem Falle gelang es. bei einem -4 Monate
alten Kinde wegen angeborener Membranbildung d-eselbe durch
Laryngotomie zu entfernen und e.ne Dnue r be dm :g zu erzielen, nach¬
dem die Tracheotomie M Tage \ <»r *: e r st.it ! gi t m.dt n bitte.
Das im übrigen normal eritw icke'tc K.ad ze.gtc na di der Gc'urA
keine Stimme und war audi w eiterh.n st.mmOv >t kr b.i'd sttd .Ten
sich auch Atembeschw erden e n. de de b 's;».: n und 1 \sp ||
betrafen und aümahhdi so sta: k w irdt n, da-s mir e.ne '>«.!.re ! \**r-
genommene Ti at he» m *m;e lebims: et!« nd w.rkeii k"!mte. I' ese ‘ e
wurde bei dem r.Jit ganz -4 M 11.»te a'ttti kmdc m extrem.s v»» r -
genommen. sehr gut ubt" standet» imd 14 'läge s tut er de t- t.de
Eary ngotorme angesv.iE«>ss t n. Im keh.k» fand s.Ji e.ne der: e Mem-
b ra n. die in der \ orderen komm 'Mir entsprang. dt m rechten >: trmi-
barixl mi vorder sti n lt;l a;-,.e'"tet war um! dann, adman .dl Tamtr
Werdend. schlag iUx.li b.r »eil «•Een \e i tf. um etwa m dt: Gtgtod
des hmte'eri Teiles des I asd’etd .irxlo s.Ji ii der Sddemhaut dt x
Ar\kri' ; 4 pt 's zu \ti itieii. I *<e Mtiidran wurde n ..t Jer P.n/iltc ge¬
fasst ii ml imt der sd.erc tun ! tus abgetragen, w de. de >p t. c dt s
Ar\kiorpeis miteutfenit winde.
Be de E.ngi.iie wutvltu v < *n dt tu k.rde gut id erstan.lt n. ins¬
besondere war nach vier E.r \ n.g- t n..e das \'.,ndtW'i,.. K i:i ,:i
keiner Weise gestört, es trat nur \ • *: ehe•: gehem! I empe:.iU'e’ m.hai g
ein. Die kanue konnte lud! ii.ix.hhe: t<.;; s i .isseii w er dt ti. d.e Vtmaiig
war frei und audi vbe St r-n.fr e w urde aut umd deat v h. war a:-e r
etwas heiser. Die IE düng bat b.s ut/t äuge!.alten, das k.uJ hat s d;
körperlich \ortrefi.. Ji entw ,x.ke t, d e st.um.c .st mm.er l is'er gt-
W o| elf 11.
Diskussion; lltrreii R o e p k e. P r e \ s i n g, S e li m i l -
h u i s <• n.
Herr llanshe'g hat t!;e I imimtme U. Sa4.d ugt n und
kleinen Km.lein im a a^t "e:i n.dit tar .nd./a't ui.J w d s.e aal
solche Iahe bes». litaakt w .ss,-n, m deru n. w t ai m nt m lall, d zd:
einen äfixltren 1 .ngt .fl r.dits zu e’re.dvii And: 1 e. nr ' a i
V erengei ungi n wrd man \<-m Munde » vier \ mi der I ;.i v !.v.i -
Wjfiiung aus n'n' I loltnuiig dts kt!: v: tes he. kamt::: /we.ku.asxg
eine I »daut-m \ ersiix. !it n. d.e m \dti l.idtn /am /de t.nrt. m
manchen I aden ist mau a "erd m.s ge/w .im gt n. das na*;».ge »uwt't
zu e\ Zither eil. e.ne I ule ei-Mian "..er aal aude *em W ege c e
VV levlerVerengerung zu wrlmteu. II. st mm: Ht "ir Sth :r. ; t -
Ii u i s e n zu. dass d;c starr wand ge I-kam.e ui v.t.tn laltn r.d :
zu empfehlen ist.
Herr Matte: Eine neue Methode /ur Behandlung der Er¬
krankungen der Tuha Eustachli. Mt Dtm ntrat. n. i VV :J aud.er-
w eilig veroffeiillieht.) Moses-k
Gesellschaft fOr Natur- und Heilkunde au Dresden.
(Ofii/icücs Protokoll.»
XXL Sitzung vom 21. Marz P* , '\
Vorsitzender: lltrr Sch iimrl.
Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Lhrlich cmui Id»d
von Lichen syphiliticus.
Tagesordnung:
Herr v. Mangold!: Chirurgische Demonstrationen mit Kran-
kcnvorstellungen.
1. Ausgedehnte Sehnen- und Ner\en\crlet/ung durdi tmui I . t :
in eine Glassdicibe an der Bt ua du iie didit i.l t r dtm r. MaiuL-t..t :'s
bei einem u uhr igeii k naben. I 'u? Jis v h.m.fti n wäret! a t I t \- r t u dt r
Eiliger, der Vu \ us uhians und mt d.amis. de Af.toa uataris. e:h.i tci
wann mm ihr t Itwr carpi r.ixi:.» is. Nt-rvuv ra»::.i is und Vti-ia
radiahs. Sofortige >tb:itn- und Ser \ erm.dit ri"x.h am Abend »: t r
Verletzung bei l.mbt. V\ im.lv t r dm: am s | du; Ji I ft- n t: 1 1 : im g
\ or nber v'.t hfiul gestört. IU nu r kt nsu t r t mi. d.iw d.iv t lelnh.sx er-
uiogeii im l 'Inaris- und Mt diauus^t! 1 1 n.»Ji J4 Mtmdt n \<>raber-
gtlieiivl w iederkelir te. irr den n.ijivlx n lagvn w ;t dt r \v ,ii;d und
sitli vlanii erst nach \blaut eines Vielt ,ii; r s i.in.v.im wk.lvr em-
stellte. Irocktue Abst.issung s,i-*,tk!:tr lernt’:.. v tl n.»^h 5 bis
fi Monaten. Nach f> Monateü Wu-'enb v!.. s t >z\e:m.,g< -'s der
Eiliger, nach 7 Monaten \ ei Öhm !;te Patant t! e 11.-ml w it dt r zum
Seht eiben /\\ benutzen.
Der vor gestellte knabe ziigt zioz.tit n.u h \' dmi \..n 1 l.deiii
seit tler Verletzung \o!!e 1 ufdti'.ntn x!tr ri.'.t. n 11.n, 1. mir dv*r itste
Schluss vier I mgi r zur laust ist iioj, p-u v'»i ( i. u:\tv tu * .ec st t/t.
2. Iin ix. lö nber 2 opt r ,»ii\ In‘ .e t te I .■ t v ■ m Kund/cllcn-
sarkom am Inneren oberen Augenwinkel.
Der I. lall betont eint n 27 e»ht igelt Inge m« ur. dtm im Eilrn.ir
1 ‘>f»7 von Herrn > c h a n z eine E* h-'ei g" vsv i :« sj-\x u'v» exstr p»t M
worden war. VV egt n rasch eiidH tt •’ am Pt/ i\ts \t ;e \-n rn.r
am 3u. April pw'7 ein hastdmissgr .ssi». we v^tr. s;. u ; t lann r
entfernt, vier wahisjum mli vom Pem M dt r I .«•• :m p.:f \ M.ta aus¬
ging. Per kranke ist seit einem l.dr e rez: h\ fei.
11er 2. I all betr :f:t tmei l> .,c»i krmbtU, ' \ r s Ed ’en
angeblieli am linken mnere n ' ucenv. mkt! \u.ei I i;-* ’s , pe'tert
w urde. Erneut emti t teiidt < it sJ.ih'-d . ämg sc t Ht f! st E*'7. V or¬
übergehend I «ule des I.ÖTrs p t l\‘ >. nsf a* t n bt 5 ' a”de't v? ’>
Herrn Hartung, tlaim ausser 1h har. de g gt ! t"ei. B«. i dt: Auf¬
nahme ins Carolaliaus am 22. lt l :uar !‘>"s ;,.-m t;!1 ^-,,ss t r
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21 Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Tumor, der den inneren Augenwinkel und das obere Augenlid völlig
einnahm und das linke Auge nach aussen und unten stark vor¬
drängte, wie aus der angefertigten Photographie ersichtlich ist. Das
Sehvermögen war erhalten, der Augenspiegelbefund ergab nur
Stauung.
Interessant war, dass die exstirpierte Geschwulst in den vor¬
deren Abschnitten härter erschien, als in den tiefer gelegenen Teilen,
und deutet dies auf Einwirkung der Röntgenstrahlen hin, welche
nur bis zu einer gewissen Tiefe einwirken, dann aber ihre Wirksam¬
keit verlieren. Mikroskopisch wurde in der vorderen härteren wie
hinteren überaus weichen Geschwulst Rundzellensarkom festgestellt,
und beruhte die grössere Resistenz der vorderen Geschwulst auf Ver¬
mehrung des Bindegewebes. Eine Vernichtung der Geschwulst durch
Röntgenstrahlenbehandlung war nicht zu bemerken. Das geheilte
Kind wird vorgestellt, und zeigt sich das Auge nach Entfernung der
Geschwulst, die zum Teil retrobulbär lag, wieder in normaler Stel¬
lung allseits beweglich und wohlerhalten.
Diskussion: Herr F. Schanz hat bei 3 Sarkomen des
oberen inneren Augenwinkels nie den Ausgangspunkt einwandfrei
feststellen können, auf keinen Fall stehen sie mit dem Periost der
ürbita in Beziehung, da sie im Anfang frei verschieblich sind und
sich glatt ausschälen lassen.
Herr Hartung hat den letzten der vorgestellten Fälle vor der
Operation mit Röntgenstrahlen behandelt; 2 mal wöchentlich im Ab¬
stand von 30—40 cm 8—10 Minuten mit möglichst bester Röhre.
Schon nach der 3. Bestrahlung begann der gute Erfolg sich zu zeigen.
Nach 13 Sitzungen trat Konjunktivitis auf, der Tumor war fast ver¬
schwunden. Der Patient blieb gegen den ärztlichen Rat aus, kam
nach einigen Wochen mit rasch gewachsenem Rezidiv wieder. Herr
H. schliesst daraus auf das verschiedene Verhalten der Karzinome
und Sarkome gegen Röntgenstrahlen.
Herr Krüger hat einen ähnlichen Fall gesehen, bei dem der
Bulbus schon zerstört und der Tumor schon in die Stirn- und High¬
morshöhle eingedrungen war. Nach Röntgenbestrahlung Besserung,
später Tod 'an Lungenmetastase.
Fälle von Sehnenzerreissung hat er bei der Nachbehandlung
mit gutem Erfolge der Bier sehen Stauung ausgesetzt.
Herr v. M a n g o 1 d t hat ebenfalls in seinem Falle anfangs
Bi er sehe Stauung versucht, sich dann aber doch zur Wunderöffnung
und Drainage entschlossen.
Herr v. M a n g o I d t: 3. Schussverletzung des Schädels bei
einem 20 jährigen Mädchen.
Das 6-mm-Geschoss hatte, von der rechten Schläfe aus ein¬
dringend, schräg nach oben und hinten beide Grosshirnhemisphären
durchschlagen und war durch die Röntgenaufnahme in der linken
Hemisphäre etwa 3—4 cm unter dem Tuber parietale nachweisbar.
Der Schuss war aus einer Entfernung von ca. 6—10 m abgegeben
bis nahe an die Schädelbasis gesenkt, ohne Lokal- oder Allgemein¬
worden. Trotz 8 wöchentlicher Bettruhe hat die Kugel sich langsam
erscheinungen zu machen. Dies wurde durch eine zweite Röntgenauf¬
nahme in der 10. Woche der Behandlung festgcstellt. Das Gehirn
zeigt also keine Tendenz zur Einkapselung eines schweren Fremd¬
körpers, und macht uns diese Erfahrung zur Pflicht, vor jedem not¬
wendig werdenden operativen Eingriff zur Entfernung eines Pro¬
jektils unmittelbar vorher den Sitz desselben durch eine Röntgen¬
aufnahme festzustellen. Vorstellung der geheilten Kranken.
Diskussion: Herr Huck hat einen ähnlichen Fall behandelt,
der ebenfalls ohne Operation geheilt ist.
Herr H. H a e n e 1 fragt, woher es gekommen sein mag, dass die
Kugel nicht der Schwere nach, sondern mehr oder weniger hori¬
zontal gewandert ist.
Herr v. Mangoldt erklärt dies aus der trotz Bettruhe doch
wechselnden Haltung des Kopfes.
Herr v. Mangoldt: 4. Zwei Fälle von Milzexstirpation wegen
Geschwulstblldung.
Eine 52 jährige Frau litt seit Ostern 1907 an Schmerzen in der
Ünken Oberbauchgegend, Beklemmung, Appetitverlust, zunehmender
Abmagerung, Unvermögen länger zu gehen und zu sitzen infolge einer
rasch wachsenden Geschwulst im Unterleib. Die Geschwulst liess
sich mit Sicherheit als der Milz angehörend feststellen, und zwar als
eine enorme Milzzyste, die den ganzen Bauch einnahm und deutliche
Fluktuation zeigte. Die Blutuntersuchung ergab einen Hämoglobin¬
sehalt von 45 Proz. d. N., Leukozyten 3800, rote Blutkörperchen
3724 000. Bei der Laparotomie erwies sich der Tumor als Milz¬
zyste, die zwar vorn und medial stellenweis unverwachsen, sonst
aber nach aussen, oben und unten, besonders hinten durch dicke
fibröse Verwachsungen an der Bauchwand und an den benachbarten
Organen fixiert war. Daher sehr mühsame Lösung nach Ablassen
v v n 6 Litern einer schwarzbraunen Flüssigkeit. Colon transversum
und Magen erfordern besonders mühsame Lösung. Vorübergehend
wird wegen heftiger parenchymatöser Blutung die Operation als
aussichtslos angesehen, da das Milzgewebe, das oben wie unten in
c-er Zysten wand versprengt liegt, öfters bei der Lösung einreisst.
In der tiefen Zwerchfellkuppel Ausschälung mit der Hand wie bei
Plazenta. Eine wesentliche Vergrösserung der Milzhilusgefässe findet
sich nicht. Das Ende des Pankreas wird bei der Geschwulstexstir¬
pation mit fortgenommen. Die Milzzyste zeigt eine sanduhrförmige
Abschnürung rechts unterhalb des Nabels von doppelt Faustgrösse.
Bei der Entfernung reisst die Einschnürung ein, und entleert sich
eine gehirnbreiähnliche Masse untermischt mit zahlreichen zarten,
winzigen und bis über kirschgrossen, dünnwandigen, wasserklaren
Zysten, die von der Wand der Hauptzyste ausgehen und zum Teil
daran festsitzen. Die eigenartig breiigen Gewebsmassen erwecken
Verdacht auf Hypernephrom, das vielleicht durch die Milz hindurch¬
wächst. Die linke Niere wird auch gefunden, muss blossgelegt
werden bis an ihre Kapsel, um die Hinterwand der grossen Ge¬
schwulst bezw. Zyste loszubekommen, ist aber selbst intakt. Neben¬
niere nicht gesehen. Die grosse Höhle im linken Hypochondrium
wird mit einem kopfgrossen Tampon ausgefüllt. Glatter Wund ver¬
lauf. Makroskopisch ist die Milz durch die Zystengeschwulst in zwei
Hälften zersprengt, so dass die eine, noch teilweise erhaltene Milz¬
hälfte dem oberen Teil der Geschwulst, die andere dem unteren
Teil als Pole anhaften. Die mikroskopische Untersuchung der
Zystenwandung der grossen Zyste zeigt diese gebildet aus zellarmem
Bindegewebe ohne Epithel, während in den kleineren Zysten sich die
Wandung bedeckt findet mit hohem pallisadenartigen Zylinderepithel.
Das schwammige markige Gewebe ist zum Teil nekrotisch und finden
sich darin ausgedehnte papilläre Wucherungen, die mit Zylinder- -
epithel besetzt sind. Die Diagnose wird dementsprechend auf
Cystoma papilliforme multiloculare gestellt. Der mitentfernte Pan¬
kreasteil zeigt Drucknekrose neben sonst normalem Pankreasgewebe.
Es bleibt unklar, woher diese Zystengeschwulst ihren Ausgang ge¬
nommen hat. Möglicherweise handelt es sich um einen fötalen Ein¬
schluss in die Milz. Auch an Metastase ist zu denken, obwohl die
Milz bekanntermassen nicht zu Metastasen neigt. Sie wird bei aus¬
gedehnten Geschwulstbildungen in anderen Organen meist frei davon
gefunden. Hier wäre am ehesten an eine Metastase von den Ovarien
aus zu denken. Nach der gynäkologischen Untersuchung (v. Holst)
liegt der Uterus total retroflektiert. Im Fundus findet sich ein inter¬
stitielles Myom von Kleinfaustgrösse. Linkes Ovarium fühlbar
atrophisch, rechtes Ovarium nicht tastbar, wohl hinter das Myom
verlagert. Eine Erkrankung des rechten Ovariums erscheint aber
unwahrscheinlich, da sich auch in der Folge keine Geschwulstbildung
im Ovarium nachweisen liess, und die Frau seit der Operation am
27. Mai 1907 über 40 Pfd. an Körpergewicht zugenommen hat. Eigen¬
tümlich war, dass Patientin ein Vierteljahr nach der Operation
mehrere Monate an dem Unvermögen litt, die Finger zur Faust zu
schliessen. Dieser Zustand verlor sich erst langsam nach Massage,
Bädern und Darreichung von Milzpräparaten (5 Schachteln ä 50 Stück
zu 0,3, Firma Merck). Die jetzt blühend aussehende Frau wird der
Gesellschaft vorgestellt.
2. F a 11. 51 jährige Frau, die angeblich vor 2 Jahren leichte
Malaria durchgemacht hat. Seit Sommer 1907 kränklich, ohne bett¬
lägerig zu sein. Beginn der eigentlichen Erkrankung vor 8 Wochen
mit Druckgefühl im Leib, Uebelkeit, Neigung zum Brechen und Ab¬
magerung. Auftreten einer rasch wachsenden Geschwulst in der
Milzgegend, die Patientin viel Schmerzen macht und auf Arsenik nicht
zurückgeht. Bei der Aufnahme am 21. Februar fand sich eine
enorme Milzgeschwulst, die median bis über die Nabelgegend, nach
abwärts bis zur Symphyse herabreichte. Ihre Oberfläche war glatt,
die Geschwulst war mit der Atmung verschieblich. Blutbefund:
75 Proz. Hämoglobin, 6200 weisse Blutkörperchen, 4 275 000 rote Blut¬
körperchen, mässige Poikilozytose, aber keine kernhaltigen roten Blut¬
körperchen, keine Veränderung der weissen Blutkörperchen. Bei der
Operation am 24. II. 08 wurde eine 2800 g schwere Milz, die keinerlei
Verwachsung mit ihrer Umgebung zeigte, entfernt. Die Hilusgefässe
zeigten sich stark erweitert. Mikroskopische Untersuchung der
Milz durch Herrn Schmor 1: Die Milz bietet die Zeichen einer
myeloiden Umwandlung; eigentliches Milzgewebe ist nur noch in
Resten vorhanden, die Follikel fehlen vollständig. Das Milzgewebe
wird ersetzt durch ein dem Knochenmark analoges Gewebe, in
welchem verhältnismässig reichlich entwickeltes Bindegewebe vor¬
handen ist. In den Bindegewebsmaschen liegen reichlich Myelo¬
zyten und Knochenmarksriesenzellen. Malariaerreger konnte Herr
S c h m o r 1 nicht nachweisen, ebensowenig Syphilisspirochäten im
frischen Ausstrichpräparat. Hervorzuheben ist, dass die Frau keine
Lymphdrüsenschwellung, keinen Aszites und keine Leberverände¬
rung darbot und nur an Anämie litt. Nach der Operation am 27. II.
war der Blutbefund 70 Proz. Hämoglobin, 7200 w r eisse, 3 460 000 rote
Blutkörperchen. Es finden sich vereinzelte kernhaltige rote Blut¬
körperchen und vereinzelte Qigantobiasten.
Glatte Heilung. Möglicherweise handelt es sich um einen Fall
Bantischer Krankheit im ersten Stadium, wo es noch zu keiner
Leberveränderung gekommen ist, das Bindegewebe der Milz aber
sich vermehrt und die M a 1 p i g h i sehen Körperchen zugrunde
gehen. Eine gewöhnliche Hyperplasie liegt hier keinesfalls vor,
ebensowenig eine typische Neubildung.
Diskussion: Herr Schmorl: Der von Herrn v. Man¬
goldt demonstrierte, in der Milz sitzende Tumor von papilloma-
tösem bezw. adenomatösem Bau dürfte kaum als primäre Milz¬
geschwulst zu deuten sein, dagegen spricht sowohl die mikroskopische
Struktur als auch das Verhalten, wie es sich bei der makroskopischen
Untersuchung zeigt. Dieses weist darauf hin, dass die Neubildung
wahrscheinlich erst sekundär mit der Milz in Verbindung getreten
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1558
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *).
und von aussen in sie hineingewuchert ist. Von wo sie ausgegangcn
ist, lässt sich freilich nicht sagen, vielleicht handelt es sich um eine
Pankreaszyste oder ein Enterokystom. Diese Entwände berühren
nicht die chirurgische Bedeutung des Falles. Bei dem zweiten de¬
monstrierten Milztumor liegt eine enorme Hyperplasie des Organs
vor, von eigentlichem Milzgewebe sind nur noch spärliche Reste vor¬
handen, an seine Stelle ist ein dem Knochenmark sehr ähnliches <ie-
webe getreten, denn es besteht grösstenteils aus teils neutro-, teils
eosinophil gekörnten Myelozyten, daneben finden sich ziemlich reich¬
lich Riesenzellen, wie sie fiir das Knochenmark charakteristisch sind,
an manchen Stellen findet sich eine ziemlich starke Bindegcwebs-
entwicklung. Da bei der Blutuntersiiclumg abgesehen von anämi¬
schen Veränderungen keine Abnormitäten in der Zusammensetzung
des Blutes gefunden wurden, kann man eine Leukämie ausschhcsscn.
Interessant ist, dass nach der Milzexstirpation ziemlich reichlich
Normoblasten im Blut nachgewiesen werden konnten, die vor der
Operation nicht vorhanden waren. Ls erinnert dies an eine ähnliche
Beobachtung von Nauwerck bei einem Lall von atypischer Leu¬
kämie, bei dein durch die Sektion eine Osteosklerose nachgewiesen
wurde. Ls wäre interessant, zu erfahren, ob vielleicht bei der Pa¬
tientin des Herrn Vortragenden ähnliche Veränderungen am Knöchel!-
System vorhanden sind, deren Nachweis, vorausgesetzt, dass die
Osteosklerose nicht allzu geringfügig ist, mittels der Rontgenphoto-
graphie zu ermöglichen sein müsste. Herr Sehmorl hat in der
am Vormittag stattgefundenen Demonstration einen ähnlich grossen
Milztumor von fast gleicher mikroskopischer Struktur vorgelegt, der
von einer älteren Frau stammte, die nach einer Herniotomie an einer
schweren Blutung in die Bauchhöhle gestorben war. Leider war
intra vitarn bei der allerdings schwer kranken Frau keine Blutunter¬
suchung vorgenommen worden. Die Untersuchung des Leichen-
blutes ergab 2 IHM) (KM) rote und 425 (MH) weisse Blutkörperchen, von
denen die Mehrzahl den Myelozyten angehörten. Bei der Unter¬
suchung der Knochen fand sich eine enorme Sklerose der spongmseit
Knochen; so erschienen die Wirbelkörper fast völlig kompakt, das das
Mark substituierende Knochengewebc war von blassrotlichem Aus¬
sehen und feinporig, ebenso das der Rippen, des Beckens und des
Sternums, ln den Röhrenknochen war die Osteosklerose weniger
ausgesprochen und beschränkte sich im wesentlichen auf die Lpi-
physen, in der Diaphyse war die Markhöhle nur wenig verengt und
enthielt grösstenteils blassrötlich gefärbtes Lettmark, nur hier und
da W'aren dunkelrote erbsengrosse Herde vorhanden, in deren Be¬
reich sich reichlichere Knochenbälkchen als in der Norm fanden,
die sich bei der mikroskopischen Untersuchung als neugebildet er¬
wiesen. In den Wirbeln und den Rippen fand sich zwischen den
sehr dicht stehenden neugebildeten Knochenbalken grösstenteils
fibröses Mark, in dem kleine Herde von Myelozyten eingebettet
waren. In der Leber wurden Blutbildungsherde nachgewiesen. Ls
handelt sich demnach um einen Lall von osteosklerotischer Leukämie.
Herr v. Mangoldt: 5. Demonstration von drei operativ ge¬
wonnenen Präparaten von Ileozoekaltuberkulose.
Das erste Präparat entstammt einer 42 jährigen Lrau. Sie litt
seit Jahren an Verstopfung und hatte oft über Luftansammlung in
der rechten Unterbauchgegend, über Kollern und ziehende Schmer¬
zen daselbst zu klagen.
Sie wurde unter den Erscheinungen eines vorübergehenden Ileus
in das Carolahaus aufgenommen. In der Ileozoekalgegend fand sich
lokaler Metcorismus und bei tiefer Palpation eine von der Lossa
iliaca abzugrenzende, hühnereigrosse, massig verschiebliche (ie-
schwulst. Bei der Laparotomie mussten wegen ausgedehnter In¬
filtration der Darmwand 20 cm lleum, das Zoekum samt Colon ascen-
dens und der Anfangsteil des Colon transversum mit Mesenterium
und zugehörigen Drüsen entfernt werden. Parallelstellung der ge¬
schlossenen Darmstümpfe und seitliche Lnteroanastomose. Opera¬
tionsdauer 4Vs Stunden. Glatte Heilung. Seit 4 Jahren Wohlbefinden.
Das Präparat zeigt das lleum im unteren Teil bedeutend er¬
weitert, seine Wand stark hypertrophisch, Zoekum stark dilatiert.
In dem Winkel zwischen Zoekum und lleum findet sich eine wal¬
nussgrosse steinharte Drüse mit verkalktem, offenbar früher tuberku¬
lösem Inhalt. Die schwersten Krankheitszeichen finden sich am Be¬
ginn des Colon asccndens, das sehr verengt ist und mehrere ring¬
förmige Ulzerationen aufweist, deren eine bis in das Colon trans¬
versum hineinreicht. Im weiteren Verlauf des Colon transversum
findet sich keine Striktur mehr.
Das zweite Präparat entstammt einem 43 jährigen Arbeiter, der
bereits seit 1904 an Lungenschwindsucht litt.
Auch hier wurde ein Stück lleum, das Zoekum, Coh.n asceu-
dens und die Llexura coli dextr. entfernt und mit Erfolg die seitliche
Lnteroanastomose zwischen lleum und Colon transversum gemacht.
3 Jahre geheilt geblieben, dann Tod an Lungentuberkulose.
Das dritte Präparat gehört einem 27 jährigen Arbeiter an. der
erst vor kurzem wegen chronischer Blinddarmentzündung auf-
genomrnen wurde. Im Anschluss an diese vor 5 Wochen iiber-
standene Blinddarmentzündung w'ar in der Ileozoekalgegend eine
ausgedehnte Härte zurückgeblieben. Bei der Operation fand sich das
Zoekum hart und dick, doch keine wesentliche Trichterbiklung an
der Mündung des Ileums. Resektion des Ileums 10 12 cm obei halb
■Lt Mündung, des Zoekums, Colon ascendens bis zum Colon trans¬
versum und Aiiastomosis tcr;.\n;< »- ( ater aus zwischen Li um und L 1 -,- n
transversum. Der geheilte Patient wird \nraMtM.
Die Ileo/dckaUuberkuiovt i) geben im a!'gemeinen günstige ••pcM-
tive Chancen, wenn das Leiden nicht bereits zu weit v «ftgesc L-.tu«
ist. Ls sind meist mühselige < »perati--ru n v--n mehrst >nd:ger P.o:e r .
da es oft schwer failt. den an der Hinter wand und Us.weise an vUm
Peritoneum parietale Verwachsenen 1 uiior \nr die Batu hw urde zu
bekommen. Aut die Sorgialtige Mitentlerming der Mesetiteria.Jr umm
ist Gewicht zu legen.
Kombinationen zwischen Karzinom und TuberkuL.se vnj .uu!i
Von nur m vereinzelten I aiien bc-.Lachtet werden. so sch uh ein
ausgedehntes Karzinom der lieoz-ukaigc getbl un i land dal ei d.e zu¬
gehörigen Drusen daneben tuberkulös.
<>. Vorstellung einer 34 jährigen Frau mit geheilter Ocsophago-
Trachealiistel.
Die Kranke musste wegen ausgedehnter luetischer Ze r s*. .mi’ 1 ge u
im t i'-luet der Nase, des Rachens und des Kch.k-.ptes \--r 4 J.»::: tu
trachei »tomiert w e i den.
In der L'olge t k antm ndrtu k | >! l kam es zu '.mein liodiw :
zwischen Trachea und t »esophagus in vier fl- he des Jugu u-s. \y I
war die Kranke ausser stände, Speisen, ohne dass .d.e sc m de I '.u'.oi
■gelangten, himmtei zubr ingen. Is war ihr dcsh.oP eme
angelegt Worden, durch die sie sich seit 2 la.hiui t:ii ilirlv.
Der Kranken wurde am üi. |\. nt» die Trachea ijuer imter 4\"'
Rmgknorpel gespalten. v<»m Ocs.-phagus bis zur listi.v: t e i::i ht*
giilum abgelost und hier m die Haut emgen. l t Daran! gv'at.g es,
die Oenmmg in der \orderwaitd der >pl i>efohre n.u b Amr ,s % hu-g
analog der |*\ $Nrop!ustik ijuer zu vernähen. In die >pe :s<. r.-nre w u:
ein >c hl'Midrohr ringe lect mui blieb dass*, he f* W.-chen u M mh.
blochen liegen, alsdann Lutte r iiung des R -hus und t ,Ji 2 ma ge
Bougierung, die Patientin bald selbst erlernte- um! n--vh ln u’c
setzt. Aut W lederilurchgaugigmawhung des 1 a:\nx, vier »et/t n.;.h
Lmnali'ing der I'aJiea im Jt.gu.um ausgesc ha'tct ist. musste
zu lltet w et'elen. du sich be i euum du vhe/ugeuhe n \e »Miv ;, e he* aus.
stellte, elass durch Zerstörung der ipig-utis urui s v hwere Narbcn-
verainlerimgen eles laivnv vier >diiukakt derart geschädigt \\a f .
dass alsdann ehe Speisen durch den keh k-.p! wieder in d;e I.ntt-
rohre gelangten. Die Kranke vermag seitdem wieder thissige w e
ieste Kost auf normalem Wege zu sidi zti nehmen.
7 ) Das Endschicksal de« Implantierten Rippenknorpcl«.
Der \ ortrag wurde bereits aut vier Natur p-rC* he r \ eo samm’tr■«..
September 1 ‘x»7. m Dresden gehadeii und ersdiemt m extenso
Archiv tur khnisdie Chirurgie.
Aerztlicher Verein in Frankfurt a. M.
(Offizielles Protokoll.)
Nachtrag zur Sitzung vom 3. F e b mar
Herr Ph. F. Becker: Einige lichttherapeutische Friahrungcn
mit Demonstration von Patienten.
Yortr. weist auf die Sich oft direkt w derspredre ndeu Wcrtimgc r
e!er üchttherapeutisdien Massnahme n, besonders der X-Mrah'e ?:-
Behandlung seitens anerkannter Annuitäten li.n. w.-cufd» d.e ek-r
Lu littlicrapic Fernstehenden i’atur ge n .iss zu eure' gewissen /unus-
liaitmig veranlasst werden. De I-dgetiden Aust-ihr imgen mul l » t -
monstrationeii sollen einige mit der I.iddthe-rapu creuhbarc I iir, kV
auf dem Gebiete der Hautkrankheiten und via 1 Getah' ■ S c.se t d.cs,. s
Vorgehens bei Vorsicht gcr Ma:ni::a’-uug urd Be ‘".et:sDiar-g vte ’
Technik veranschaulichen. Insbesondere ge-de -des tur d.e Röntgen¬
behandlung. vor der gerade bei Acr/len iiuiit sr teil eine ubert» idw • t
und unberechtigte f urcht herrsche. \<>r:r. bet- gt ehe v.-n Riede r
zuletzt vor etwa 1 • Jahre warm emp ; - Idene Methode. de K-katmt v ••
darin besteht, elass m iiroSHUii Zertabst.irden kurz dauc-ndc Be¬
strahlungen mit Rohren m.ttleren H.tde grades app •/ ert w erden.
Der \Ortrageiule berichtet zunad’.sf u'ht 22 Patenten, vl.e e-
wegen cliromsdien HaiHek/ems v ersdr.e de Her Pr->\e; erz in de •*.
letzten 2' .- Jahren mit X-straliie n f'eMrulelt hat. fs > ->d zunu
Veialtete falle. Lilien voi geil M.sse-;i<-lg hat B. nur Lei eine-*!
Patienten Ithv lotifornies | kzern der \-»lae man.» gesdiui. 3 P.itur.ten
haben keine Nachricht gegeben. Bei e rn :n Pat er teil w ar der f •- g
mir ein teiiweiser. wahrend bei 17 V"'’ge, zum Je 1 u 1 :.# über
2 Jahre bestehende He: ung erz e’t w u- le. \"n vi elen 17 P.i' e''te m
werden 3 Voigefuhrt: De erste Pate 1 ! n w :rd w eg eh der leu’te-r
Brauniärbimg gezeigt ( AbscVnss der Be-Iiaru; ung v--r 1' M-matc?’
die spurlos w leiler verschw rrnlet. w re der f<* ge ”de Patient ze gen ^
Der 3. Patient war über 2 Jahre wegen semes Hautek/vrrs er s,
mul jetzt seit 1 .• Jahr wieder w .e fr ■•'•er a's I bu 1 ' a*er :.«• g. \ >.
folgen 4. eine ITau mit Perr r-nes rmd 5. ein Pat ent m.t I * s : * v
barbae, die auf dieselbe Weise K’utr !e't W'-'deu waren, ir d d e.
nirgends eine >ch.id,gitMg der Haut e - kennen lass, n Der f* Pa: e* t
wird denionstrlert. we! er tt t \-M*a l eil v - ri e-'e" I'e'ttratt.s
piüaris capillitii befreit wod-.i: -um we’c’e \”e^;.-.n m.an
keine andere W eise mit mir renne-swerteilt Prf - ge v--r/uge'-.c-t
vermag.
\ ortr. gellt nimme-hr zur Be ha' 1 l'rmg -r : t Ra.! : um u‘‘er tr d ’e ^ t
einen Patienten mit moperab'em Kankr-.J des unteren Augen' des.
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21 JuU 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1559
das zurzeit fast narbenlos verheilt ist, ausserdem noch die Bilder von
zwei weiteren mit Radium erfolgreich behandelten Epitheliomen.
Sodann berichtet B. über seine Erfahrungen mit der Uviollampe,
die ihm bei nässenden Ekzemen, bei Akne und Psoriasis Befriedi¬
gendes geleistet hat. Auch ein Fall von sehr ausgedehnten spitzen
Kondylomen wurde mit diesem Lichte einer zwar langsamen, aber
scheren und nicht beschwerlichen Heilung zugeführt, lieber die
Uuarzlampe hat sich Vortr. an 57 Patienten ein Urteil zu bilden
gesucht und ermunternde Erfolge bei Lupus vulg., Psoriasis,
Pityriasis rosea und areata gesehen; dagegen sah er sich bei mehreren
Fällen von oberflächlicher Trichophytie und wiederholt bei chro¬
nischem Handekzem im Stich gelassen. Sodann'weist er kurz auf die
.ndividuel-1 und regionär variierende Empfindlichkeit der Haut gegen
die ultravioletten Strahlen hin und erläutert dies an einem Patienten,
der wegen Psoriasis gerade in X-Strahlenbehandlung steht. Z. B.
zeigt die Ellenbogenspitze, obwohl Mittelpunkt des gewählten Be¬
strahlungsfeldes, keine Alteration, während die angrenzenden Partien
des Unter- und Oberarmes erythematös sind. Auch trotz fehlender
sichtbarer Entzündung (vor deren grösserer Intensität bei Psoriasis
zu warnen ist) hat Untersucher wiederholt Heilung der Psoriasis-
piaques gesehen. Der vorgestellfce Patient wird an den verschiedenen
Kürperregionen verschieden behandelt (zum Teil mit Röntgen, zum
Teil mit Radium und zum Teil mit der Quarzlampe fBlaulichtfilter]).
Vortr. erläutert mit einigen Worten die Gesichtspunkte, die aus¬
schlaggebend werden können, wenn man es für zweckmässig findet,
einmal einen Psoriatiker nur mit Lichtstrahlen zu behandeln (be¬
haarte Körperpartieu, Grösse, Dicke, Verhornungsstadium, Distanz
der Plaques). Zum Schluss zeigt Vortr. noch eine Patientin, die
wegen Oesichtslupus mit der Quarzlampe, der Finsen-Reyn-Lampe
und an zwei Stellen mit der molekularen Zertrümmerung (Hoch¬
frequenz) behandelt worden ist. Jede Geschwürs- oder gar Nekrosen¬
bildung an den mit der Quarz- oder der Finsenilampe bestrahlten
Stellen ist aufs sorgfältigste vermieden worden, wodurch das kos¬
metisch ausgezeichnete Resultat seinen Grund findet.
Ordentliche Sitzung vom 17. Februar 1908
abends 7 Uhr im Hörsaal des Dr. Senckenbergischen
Bibliotheksgebäudes.
Vorsitzender; Herr Edinge r.
Schriftführer: Herr Cahen-Brach.
Herr Goldschmid: Demonstrationen.
Sodann spricht Höhne über die Serumdiagnose der Syphilis.
Zunächst wird das hämolytische System genau besprochen, die Zu¬
sammensetzung desselben demonstriert und gezeigt, dass beim Weg-
iassen eines der Bestandteile des hämolytischen Systems eine Hämo-
iyse nicht eintreten kann. Alsdann wird an Versuchen gezeigt, dass
die Verbindung von Antigen mit seinem spezifischen Antikörper be¬
fähigt ist, Komplement zu absorbieren und dadurch die Hämolyse zu
hemmen. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei Syphilis. Es wird
demonstriert, dass nur beim Zusammentreffen von syphilitischem
Leberextrakt und Syphiiitikerserum eine Absorption des Komple¬
ments und infolgedessen Hemmung der Hämolyse eintritt. Die Wich¬
tigkeit der Kontrolle für eine sichere Diagnosenstellung wird genau
erörtert und praktisch gezeigt. Es sind vom Vortr. die Sera von
Syphilitischen und von 21 Normalen untersucht. Von den nor¬
malen Seris ergab kein einziges einen positiven Ausfall der Reaktion,
von den syphilitischen 24, d. h. 62,3 Proz. Es beweist mithin ein
negativer Ausfall nichts, d. h. er berechtigt nicht dazu, Syphilis aus-
zuschliessen. Ein positiver Ausfall der Reaktion mit genauer Be¬
achtung aller Kontrollen berechtigt zu der Annahme, dass der Be¬
treffende einmal Syphilis gehabt hat. Zum Schluss deutet Vortragen¬
der an, dass die Annahme von syphilitischem Leberextrakt = Anti¬
gen nach den letzten Versuchen sehr unwahrscheinlich sei, mithin
auch das Syphilitikerserum als Antikörper nicht mehr in Frage
kommen kann. Der praktische Wert der Reaktion wird durch diese
Auffassung nicht beeinträchtigt.
Diskussion: Herr Richartz fragt den Vortragenden, ob
ihm die von amerikanischen Autoren gemeldete Beobachtung auf-
gestossen ist, dass das Serum von Luetikern, die vor kurzem eine
antisyphilitische Kur durchgemacht hatten, negative Reaktion gibt.
Herr H. Sachs weist darauf hin, dass nach neueren Unter¬
suchungen die in den Organextrakten vorhandenen Stoffe, welche
die Syphilisreaktion bedingen, alkohollöslich sind und durch Lezithin
oder gallensaure Salze ersetzt wurden. Ihm selbst ist es in gemein¬
schaftlich mit Dr. Karl A11 m a n n ausgeführten Untersuchungen ge¬
lungen, statt des Leberextraktes erfolgreich Seifenlösungen (olein¬
saures Natrium zu verwenden.) Die Ausflockung des Syphilitiker¬
serums durch Lezithin (Porges-Wassermann) wurde be¬
stätigt. gleichzeitig festgestellt, dass sich auch Seifenlösung für die
Ausflockung eignet. Auch Unterschiede im Verhalten der Sera gegen¬
über dem Wasser wurden in Bestätigung der Angaben Klausners
beobachtet. Man kann die Wasserfällung durch Zusatz von Alkohol,
Ammonsulfat und anderen Eiweissfällungsmitteln verstärken. Jedoch
scheint Spezifität in bezug auf Syphilis nur bei Einhaltung gewisser
quantitativer Verhältnisse zu bestehen.
Herr N e i s s e r weist auf den interessanten Gang der For¬
schung hin. Der Gedankengang Wassermanns führte ihn zu der
wichtigen Unterscheidung von Syphilisserum und Normalserum. Die
dadurch inaugurierte weitere Forschung hat gezeigt, dass dieser
Unterschied auf ganz einfache Weise zu zeigen ist, und dass er
jedenfalls nicht von dem Gesichtspunkte aus zu erklären ist, der
den Ausgangspunkt gebildet hat.
Herr Julius Friedländer teilt 6 Fälle von Hyperhldrosls
unllateralls mit und unterzieht an der Hand dieser und 60 älterer,
aus der Literatur zusammengestellter Fälle die seltene und inter¬
essante Affektion einer eingehenden Besprechung. Das Resümee
seiner Darlegungen ist folgendes: Die H. u. ist eine Sekretionsano¬
malie in Gestalt einer halbseitig beschränkten Störung der sekre¬
toralen Innervation. Je nachdem diese Störung im Gebiete des
kortiko-kutanen Schweissnervenapparates lokalisiert werden kann,
hat man zwischen einer zentralen und einer peripheren Form der
H. u. zu unterscheiden. Beide Formen kommen isoliert oder akziden¬
tell, bei Gesunden und Kranken vor und haben einen exquisit chro¬
nischen, aber durchaus benignen Charakter.
Diskussion: Herr Hanau: Ich wollte mir erlauben, darauf
aufmerksam zu machen, dass bei Männern mit einseitigem Kopf-
schweiss das Hutfutter auf der schwitzenden Seite ganz verbraucht,
auf der nichtschwitzenden dagegen rein erscheint. Aus diesem
ausserordentlich auffallenden Aussehen des Hutfutters lässt sich ohne
weiteres die Diagnose des Leidens stellen.
Herr v. Wild erwähnt einen Fall von Aortenaneurysma mit
profusen linksseitigen, besonders nächtlichen Schweissen. Morphium
und Agaricin waren hier von gutem Erfolg.
Ordentliche Sitzung vom 2. März 1908, abends
7 Uhr, im Hörsaal des Dr. Senckenberg sehen Bibliotheks¬
gebäudes.
Vorsitzender: Herr E d i n g e r.
Schriftführer: Herr Cahen-Brach.
Demonstration des Herrn Mlnkel: Exostosls cartilag. mul¬
tiplex.
Herr Scheffen: Heilung eines Urethraldefektes (mit Demon¬
stration).
Herr Jacobsthal: Demonstrationen aus * dem pathologischen
Institut.
Herr Aug. Knoblauch: Das Wesen der Myasthenie und
die Bedeutung der „hellen“ Muskelfasern für die menschliche
Pathologie. (Siehe das Referat über die Sitzung der wissen¬
schaftlichen Vereinigung am städtischen- Krankenhaus vom
7. Januar in dieser Nummer.)
Wissenschaftliche Vereinigung am städt Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 5. November 1907.
Vorsitzender: Herr Ehrlich.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr K. Herxheim er und Herr N e 1 s s e r: Demonstrationen.
Herr Embden: lieber den Abbau der Fette. (Publiziert in
Hofmeisters Beiträgen zur chemischen Physiologie und Patho¬
logie.)
Sitzung vom 3. Dezember 1907.
Vorsitzender: Herr Rehn.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr Michaud: Ueber die Einwirkung von Formaldehyd auf
diabetischen Urin .
Herr Voss: Demonstrationen.
Herr H. Vogt: Ueber Idiotie und einige anatomische Frage¬
stellungen zu ihrer Erforschung.
Sitzung vom 7. Januar 1908.
Vorsitzender: Herr Ehrlich.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr Hübner: Demonstration lebender Spirochäten mittels
eines neuen Dunkelfeldkondensors.
Der Vortragende empfiehlt den erst kürzlich in den Handel ge¬
brachten Dunkelfeldkondensor der Firma E. L e i t z - Wetzlar, der
die Anwendung von Oelimmersionsobjektiven erlaubt. Mit diesem
Apparat ist in jedem syphilitischen Sekrete die Spirochaete pallida
mühelos lebend zu sehen. Die Differentialdiagnose zwischen ihr und
anderen Spirochätenarten ist auch bei dieser Art der Untersuchung
möglich: Alle von Schaudinn bereits gefundenen Charakteristika
der Form und der Bewegung treten auf das schönste hervor. Die
neue Methode der Dunkelfeldbeleuchtung dürfte interessante Auf¬
schlüsse über die Fortpflanzungs- und sonstigen biologischen Ver¬
hältnisse der Spirochäten bringen.
Original ffom
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1560
MUKNCHKN m MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *>.
Herr BI n g e 1: Klinisches über Paratyphus.
Der Vortragende schildert auf (iruiid vmi Beobachtungen an
40 Fälle von Paratyphus, von denen 27 einer Massenei krank um:
angehörten, das klinische Bild dieser Erkrankung. Die krankheits¬
bilder unterschieden sich durchaus von dem Bilde des klassischen
Abdominaltyphus, indem sie die Hauptsympti»me dieser Erkrankung
wie Bronchitis, Roseolen, Milzschw ellimg, Diazorcaktion. Leukopenie
vermissen Hessen oder nur ganz rudimentär zeigten, sie glichen viel¬
mehr dem Bilde der akuten Gastroenteritis. Der Vortragende ist
daher der Ansicht, dass man, wie das auch in der neueren Literatur
immer mehr geschieht, die meisten Balle von Paratyphus nicht als
eine Unterart des Typhus zu betrachten hat. sondern als eine Gastro-
enteritis mit einem besonderen wohlcharaktensierteii Bakterium als
Erreger. Entsprechend dieser Ansicht halt er auch den an I \ plins
erinnernden Namen „Paratyphus“ liir nicht besonder s gluck lieh ge¬
wählt.
Diskussion: Herren N e i s s e r, Lüthje, S c h m i e d i c k e.
Herr A. Knoblauch: Das Wesen der Myasthenie und die
Bedeutung der „hellen * 4 Muskelfasern lür die menschliche Patho¬
logie.
Auf Grund einer vergleichend-biologischen Betrachtung über die
Ortsbewegung der Wirbeltiere und von Experimenten an „Hinken"
und „trägen" Muskeln, deren Ergebnisse zum Teil schon m der
Literatur der Ml er und 7ll er Jahre des vorigen Jahrhunderts nieder¬
gelegt sind, ist Knoblauch zu der Anschauung gelangt, dass sich
auch an der quergestreiften Muskulatur, deren funktionelle Leistung
seither als eine einheitliche aufgefasst worden ist, das biologi¬
sche (i r u n d g e setz der A r b e i t s t e i I u n g zeigt. I >ie flinke
Muskulatur leitet die Bewegung lediglich ein; die tiagc Muskulatur
setzt die eingeleitete Bewegung ausdauernd fort.
Die Angabe über flinke (helle) Lasern in der Muskulatur des
Menschen, fast ausschliesslich von physiologischer Seite hergebracht,
sind recht spärlich. Voraussichtlich finden sich normalerweise in
sämtlichen menschlichen Skelcttmuskeln helle Lasern, die anschei¬
nend innig gemischt zw ischen den trägen (roten) Lasern v*_*i Linien.
In einer Arbeit „über das Vorkommen heller Muskeln beim Menschen'’
aus dem Jahre IKNfi schildert .1. Arnold einen Lad, in dem die
Skelettmuskulatur schon für das blosse Auge das Kolorit der weissen
Kaninchenmuskeln zeigte. Auch bei der mikroskopischen Betrach¬
tung trugen die untersuchten Muskelstiickcheii die Stniknimeeutum-
lichkeiten, die nach Ran vier fiir die helle Muskulatur des Ka¬
ninchens charakteristisch sind, nämlich auffällig deutliche Gner-
streitung und spärliche Zahl (im Mittel 2 ) ausschliesslich rundst.nuhger
Muskelkerne. Ausserdem fand sich in einzelnen Schnitten im Peri¬
mysium internum eine Anhäufung von RundzcHcii, wie sie neuer¬
dings in Ballen von Myasthenie beschrieben worden ist. I'er
Lall Arnolds betraf eine junge, kräftige Bäuerin, bei der sieh trotz
blühenden Aussehens nach längerer Feldarbeit ein eigenartiges Er¬
lahmen der Hände bemerkbar machte, so dass sie ihre Arbeit öfters
unterbrechen und sich ausruhen musste, ehe sie weiter arbeiten
konnte. In den nächsten Monaten trat zu dieser unerklärlichen Mü¬
digkeit Doppeltsehen hinzu und zwar nur in den Abendstunden, wenn
die Kranke längere Zeit gelesen hatte. Der Arzt stellte eine Lnter-
leibsgeschwulst fest, die bis dahin keine direkten Erscheinungen ge¬
macht hatte, und führte alle Beschwerden der Kranken auf die Ge-
schwulst zurück. Bei der Operation fand sich ein Cvstadciioma
ovarii. Nach völlig normalem Wuiulverlauf stand die Patientin am
16. Tage zum ersten Male auf, verstarb aber am folgenden Tage ganz
plötzlich, ohne dass sich bei der Obduktion eine greifbare Todes¬
ursache auffinden Hess.
Ein Vergleich der Präparate Arnolds mit Muskelpräparaten
in zwei Fällen von Myasthenie, in denen intra vitam ausgeschnittene
Muskelstiickchcn mikroskopisch untersucht werden konnten, ergab,
dass die Muskelfasern bei der Myasthenie die gleichen histologischen
Charaktere tragen wie die „hellen" Muskeln in A rimlds l all, und
dies führte K n o b I a u c li zu der Vermutung, dass der M vast h e -
nie ein pathologisches IJ e b c r w i e g e n d e r „li eile n"
Muskelfasern zu li n g u n s t e n d er „rot e n" zu g r u n d e
liegt. Diese Annahme gibt nach unserer Kenntnis von dem philo¬
logischen Verhalten der beiden Easerarten und ihrer Verbreitung ui
der Muskulatur der Säugetiere nicht nur den Schliissel zur Patho¬
genese der Myasthenie, sondern erklärt auch, weshalb das klinische
Bild des Leidens häufig von Poppcltsehen. Ptosis, Schwäche der Kuu-
muskulatur und Erschwerung der Zungenbewegungen und des
Sehlingens beherrscht wird. Auch das gelegentlich beobachtete Vor¬
kommen der „myasthenischen Reaktion“, die im wesentlichen die
„Reaktion der flinken Muskulatur" ist, bei apoplcktischen Lähmungen,
Poliomyelitis usw. wird bei dieser Annahme verständlich.
Eine pathologische Verminderung der hellen Muskelfasern liegt
vermutlich der Tho nisensdicn Krankheit zu gründe, deren
klinisches Bild in einem markanten Gegensatz zu dem der Myasthenie
steht.
Durch Projektion zahlreicher Mikrophotogrnmme von Muskel-
Präparaten, die von Myastheniefällen stammen, werden die Aus¬
führungen Knoblauchs erläutert. Sie mögen dazu anregen, in
Zukunft dem normalen Vorkommen von hellen Lasern in der Skelett¬
muskulatur des Menschen eine grössere Aufmerksamkeit als bisher
zu widmen; denn, wie es Schont, spielt in der mc nse h u he n !*.*:• . -
logie die helle Muskulatur eine Rohe, die bis jet/t m-ch muht er¬
wogen w ui den ist. ( \ut<if elef at.)
Diskussion; die I lenen E d i n g e r. K ii<>M,t in h. I h r -
1 i c h.
Her Hochnc ste.lt vor:
1 . Einen Patienten smi iS I.thrcu. der .t:n lo. \i! <o f; it «.1
Diagnose Karzinom der linken Ohrmuschel in das k ; unket - 1 .um
sehickt wurde. Die I r Kränkung Bestand seit ä Lünen. 1 *,e 11. .te
der linken ( Hu niiisc he! war Zerstört, der Mumpt mit tu :gtuP. "d-, *\
Seltner lg belegten. k.irzm<>m.itose n lusdiw men Bedeckt. Patt:!
\ei weigerte Oie (»pefatmu und w urde ekshab der R.mtge rt:;c m; e
unter wor len. I r ist bi stier -lnul kur/e /eit mit einer ueurm R *:* e
bestrahlt Worden mit dein Lrhdg. dass e!er grösste led der in -
Schwure epithelrsiert IM, so dass ehe H'ü’ming bereubt gt crs v bt :•**..
elass Patient d.kIi Weiteren Wenigen Bestraf; ungvfl v •*. .st.i n. g ge¬
heut werden wird.
2. I inen Ball \<<n zirkumskripter Sklerodermie (Morphaea). I' e
Erkrankung begann \or 7 s Jahren mit heiligem Brennen i:* d
Knebeln auf der linken Mluhtcr im d mit bettigeu K<>ptsc i.mv r / eil. o.e
besonders in beiden M Inaie nge K e r de n h-Kaisicrt waren. Ln V:-
Sc 1 11 u ss daran entwickelte sich eine autta ictiJ w e iss'.utic \ crt.i* Bu: g
eler Hallt in der linken M h'atcngcgci;d. in denn Be reu h die Haan
austieieu. Etwas spater bildete sun me ahmuhc M< g aut v.*
linken Mhnltcr. im Laute der Zeit eniwukcdeu suh mO'i mei n e
Plaques am Körper. Ais Patientin bei uns \..r einigen \\ -slu n H n
suchte, bestand eine 1‘iaque aul der linke n Mhu ter. die* suti v ■ m c.e *
linken N.u kciihaar grenze über ehe linke M hu te r b.s /ur M.tte co s
linken Mhuitvr hiattes eistnnkte. Die Grenze gegin die* gesur. c
Haut war sch.ut abgesetzt und Hess einen mehrere M .muter bre te’ 1
lilalar benen Ring L.nl.ie ring") erkennen. Die e'grmcne Partie w es
ileckweise- kühl braiimiclie I ’ignieiitie fung aut und war s.. u v( :
eler l nterlage angc bette t, dass es unm.*g,ich war. sie in einer 1 a te
ab/uhebeii. I me kleinere, liamiti hergmssc l’.aquc \ oft a! ii.uin".
Heiuiul fand sich unterhalb des linken >v hu. te r batte s, 2 etwa it.a's-
st lick grosse Medien in der linke m I.ende nge ge r.d. emc * mar ks?.u k-
gmsse Partie in der reJiteu H.usge ^e ihL In der in.ken \i. .de";-
gegen el dokumentierte sich der I n-/<.ss in einem etwa L:n b*e te u
und .Sem lang n v oss^.iu/eii.Mi, a! r * • p 1: ;s w t: e :i. haar h .s. % n Ma.t-
Mi eilen. In der rechten >d.,i!i ruegiml war der Pr-zcsv mir a* v c-
deiitet. Hier fand sidi eine etwa pu nmggmssc. w e issg ,.o*ze ; - i .
atrophische, haar l< <sc llautpa: lie. Die Irkransung spm.t smli
sadilieh am Biiidege-w ed e ab <e • n l’r.iparat Ze;gte Vtr-pd c em
Lpidernus, Degetier atu ui des l'mde .,e w e t es i:.; t K .a/in. ein ande'es
einen deutlichen >cliwui;d der e.*s;isghen lasernb Die 1 fe. *.e :
ul'er das Primäre iler I rkraukung i Ner\ eit. < le lasst. \ ub int- \ ;sa t.
wurden kurz gestmtt.
A. Linen Lall \on Mscosis fungoides. D e r-o ^ln,:e Dat e* *. *.
erkrankte im I min.ihr L>"7 mit -\iits v !; ;i ssen \->n r«teii f .ecke rt n.
der linken Achsel, aus denen suh a.m.di uh k m • de na: t. v e. r.tget.i-t m
(ieschw niste entwickelten. •\..matih Ji bed.eckte s.dff e.n gr.-ssc :
‘ I eil des Körpers mit aimiult.il < le ln de n. Bei eler \;;f.i *e .1 * *;
7. XI. I>7 zeigte* sich de l ganze K- 'per a! w.ots \. m goi Augen¬
brauen zum gnisscu I eil bedeckt mit mt dcl.en. er b.a! e ne *i. unre ^ .-
massig ge hu uiteri l’ia.nie s, ehe z. 1. .umiiar und se*rp ^.:*--s arge -
ordnet waren. Me trugen W e iss v ;,tuze tide . b .lite r te i K a: t. K e >^hup;*e r.
bei deien Abkratzern keine ptniLfi« >r im g t B utw'g emtt.it. Mo s v ••
2 l lautste-Hell berührten. S.. unter ile n B: ..'•te n. Hl ek ll \ JiSe c :t.
K me-, Llienb. .ge n- und In K mn.i. . ’e uge n. he st .u* d N.tsscn. Die edne *. e
Prognose* eler I [Kränkung ist bcs.-mters aioti v.uroi ei e an m s t • t •
Klinik energisch geübte. D-mioncr te \ r s^ p. R. gentbe * a p .e w e '.e : t-
licli gebessert Wurden. I s ist uns in den .et/ten Lnnen u iin^e**.
mehl eie* Patienten all! eilest Welse \. . star-ct.g uml datle : l*.d /a
hellen. Patientin wurde eile sed k« •nibmie* te U \ : se n • R. nt ^ c : t ie ' a ; ■. c
unter w or len mit ek rn I :i"ig. el.iss a..t I um . > c u n.tw li w e n. a a : .e ::
mit bräunlicher I hgmentie rung abge he :.t wa'eii. \ r s l.uerr t*.,:
ein Rezidiv auf Brust. B.nich und \ni.eii aut. D;e ne in n I ü -'es.
/enzeii sind aber unter vier inzwischen w e de r aut^e r*. .tr.m.e *;e n R : t-
genbestrahiiing bereits m der Ruckb; .".-g beg* .r*e n. I ui r*.-* -
skopisclies Prap.ir.it Zeigte, dass vier :* *. ^-.trs^o v | mior \<-ii c.v*
Klltis ausgellt. Die“ \ er Sc h le de na: ti ge A mmvirg dieser I ' k'a*‘ . ** g
((iranulationsge Sc hw ulst. Ausdrink ek r I e se* i\:: püade n..p;e. : -
kniii, I. \ 1:1 pli* *s.i r k* »rn etc.) wurde kurz gestredt.
Verein der Aerzte in Halle a. S.
( Bericht des Vereins.)
6. n r d e n t 1 i c li e Sitzung \o in M a i
Vorsitze ttcler: Ile rr \ e i t.
S.lir iTtfirhre r: I1-. r r M c r s g li c I.
Herr Sticda bcnldet über e:mri I a'l \ • m akuter Appen¬
dizitis, bei dein es sn h um das ur:,.i.::i;s** ;svg sede ve \ • -rk->t:iT*:e. n
eines w i r k I i e h e n b r e m o k o r p e r s i”i 1 >e. \ e nr.is h'e -
| nioustratioii des Präparates* har .etc, irr. i r. gei.satz zu eiert » • *:
I beobachteten, gekgetndvk durch Aussehen Ererrt-k mper iw
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21. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1561
Bohnen, Apfelsinenkerne u. dergl.) vortäuschenden Kotsteinen, die
sich in ca. 50 Proz. der Fälle vorfaiiden.
Auch Darmparasiten (Oxyurus vermicularis) kamen nur in ein¬
zelnen Fällen vor.
Unter 550 Fällen von Appendizitis, die der Vortragende in den
letzten 7Vz Jahren an der v. B r am ann sehen Klinik mitbeobachten
konnte, fand sich nur zweimal ein wirklicher Fremdkörper im Pro-
zessus. Vor mehreren Jahren einmal ein Traubenkern und in dem
vorliegenden Falle ein Stückchen Blei von der Grösse eines Schrot¬
kornes.
Es handelte sich um ein junges Mädchen von 20 Jahren, das
erstmalig unter allen Anzeichen einer akuten Appendizitis
IS Stunden nach Einsetzen des Anfalles in die Klinik eingeliefert und
operiert wurde. Der Prozessus zeigte nur verhältnismässig geringe
Veränderungen an der Schleimhaut, sowie in seiner Lichtung nahe
der Basis ein deformiertes Schrotkorn und dahinter einige feste Kot¬
bröckel. Auffallend war noch das besonders weite Lumen der Appen¬
dix an deren Abgangsstelle, wodurch vielleicht das Hineingleiten
des Fremdkörpers in den Wurmfortsatz erleichtert worden war.
Die Patientin war übrigens das dritte Familienmitglied, das an
Appendizitis erkrankte.
Die Heilung erfolgte prompt.
Herr Kn eise: Vorstellung einer Kranken mit einer totalen
Atresie der Schelde.
M. H.! Sie gestatten mir ganz wenige Worte. Ich würde bei
der Kürze der Zeit Ihnen den Fall nicht vorstellen, wenn ich nicht
glaubte, dass für Sie alle eine Qeburtsverletzung, die eine solch
i»igenschwere Erkrankung nach sich gezogen hat, doch von einem
gewissen Interesse ist. Ich darf Ihnen nachher, nach diesen wenigen
erklärenden Worten eine junge Patientin von 25 Jahren vorstellen,
die eine totale Atresie der Scheide zeigt, welche dicht hinter der
Melle, wo sonst der Hymenalring zu sitzen pflegt, sich befindet. Die
Patientin ist vor 5 Jahren zum ersten Male entbunden. Sie hat
;m ganzen vom Sonnabend bis zum Mittwoch der nächsten Woche
sekreisst. Der zugezogene Arzt hat in der Zeit zunächst einmal einen
Zangen versuch gemacht, der nicht zum Ziele führte, so dass er die
Zange wieder abnahm, hat dann am folgenden Tage einen zweiten
längenversuch unternommen, der ihm ebenfalls misslang, und hat
dann, weil, wie er angab, „das Becken zu eng sei", von weiteren
lintbindungsversuchen Abstand genommen. Schliesslich wurde das
Kind am Mittwoch spontan geboren. Die Frau machte, wie das
nicht anders zu erwarten war, ein schwer fieberhaftes Wochen¬
bett durch, das besonders in einer schweren gangräneszierenden Ent¬
zündung der Scheide bestand, die seitens des Arztes mit Spülungen
behandelt wurde. Nach Monaten genas die Patientin, litt aber an
außerordentlichen Beschwerden zur Zeit ihrer Periode. Nach nicht
langer Zeit hatte sie überhaupt keine Blutungen mehr, und der
wiederum zugezogene Arzt konstatierte eine Verwachsung der
Scheide. Er ging anscheinend mit einem katheterartigen Instrumente
durch die Verwachsungen hindurch und entleerte den Hämatokolpos.
ln der Folgezeit scheint dann die Patientin, etwas genaueres lässt sich
aus ihren Angaben nicht eruieren, von Zeit zu Zeit einen spontanen
Durchbruch des sich immer wieder bildenden Hämatokolpos gehabt
zu haben, bis allmählich auch diese Durchbrüche vollkommen auf¬
hörten und die Beschwerden der Patientin sich ausserordentlich
steigerten, weswegen der Arzt sie hierher verwies. Ich fand bei der
Untersuchung einen vollkommenen Verschluss der Scheide, den ich
Ihnen nachher demonstrieren will. Bei der Untersuchung vom Rek¬
tum aus konnte ich einen grossen Tumor konstatieren, der bei dem
Druck der bimanuellen Untersuchung durch eine anscheinend haar¬
feine Fistelöffnung in der Verschlussmembran eine aashaft stinkende
Flüssigkeit austreten liess, so dass ich jetzt die Diagnose auf eine
totale Atresie mit einem grossen Pyokolpos stellen kann.
Folgt Vorstellung des interessanten Krankheitsfalles.
Herr Mohr: Ueber einige Fragen des Stoffwechsels und
der Ernährung. (Erscheint ausführlich in den Therap. Monats¬
heften.)
Nach einem Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der
Ernährungslehre beim gesunden Menschen, wobei die Frage
der Eiweissmast und des Vegetarismus erörtert wird, geht der
Vortragende zunächst auf die quantitativen Störungen des
Stoffwechsels unter bestimmten pathologischen Bedingungen
ein. Nach dem heutigen Stande des Wissens kann es keinem
Zw eitel unterliegen, dass es krankhafte Zustände gibt, wo sich
der Mensch dauernd im Zustand der chemischen
Wärmeregulation befindet. Bekannt ist seit langem
die Steigerung der Wärmebildung beim Morbus Basedowii,
tm Fieber. Neu ist die Tatsache, dass, wie der Vortragende
rachgewiesen hat, auch im Diabetes der pankreaslosen Hunde
der Stoffverbrauch unter Umständen stark erhöht ist. Auch bei
manchen Diabetikern hat man einen vermehrten Sauerstoff¬
verbrauch und vermehrte Kohlensäureausscheidung feststellen
können. Es ist möglich, dass die Methode der Messung der
0:-Zehrung zur Differenzierung des Pankreasdiabetes von
Diabetesformen anderen Ursprungs sich verwerten lässt.
Ausser den genannten Zuständen gibt es noch andere mit pri¬
märer Steigerung der Wärmebildung, z. B. gewisse Formen
von Psychosen und Nervenkrankheiten. In allen diesen Fällen
ist der Umsatz der Eiweissstoffe gesteigert, jedoch nicht in
der Weise, dass sie allein die Kosten der Verbrennung tragen,
sondern es sind alle Nährstoffe an der vermehrten Wärme¬
bildung beteiligt.
Die Konsequenzen, welche sich aus dieser Erfahrung für
die praktische Ernährung ziehen lassen, bestehen nun nicht
einfach darin, dass man um die Einschmelzung von Körper¬
substanzen* zu verhindern, mehr an Nahrung zuführen muss.
Es ist zwar sicher, dass sich der pathologische Zerfall von
Körpereiweiss durch vermehrte Zufuhr von Eiweiss in den
meisten derartigen Fällen verhindern lässt — mit Ausnahme
des Fiebers, wo meist ein Rest von mehr zersetztem Eiweiss
auch durch erhöhte Zufuhr nicht gedeckt werden kann —; man
muss aber berücksichtigen, dass mit der gesteigerten Zufuhr
an und für sich auch die Wärmebildung und Wärmeabgabe
steigen, so dass schliesslich doch das bestehende Missver¬
hältnis zwischen Mehrbildting von Wärme und Abgabe von
Wärme bestehen bleibt. Die praktische Erfahrung lehrt auch,
dass wir vielfach bei den genannten Krankheiten nicht in der
Lage sind, durch erzwungene Mehraufnahme von Nahrung die
* Abmagerung hintanzuhalten, es sei denn, dass unser thera-
! peutisches Eingreifen in die Zeit fällt, wo die der vermehrten
Wärmebildung zu Grunde liegende Störung (wahrscheinlich
der nervösen Regulationsapparate) im Abklingen ist.
Neben der quantitativen hat es der Arzt noch mit quali-
i tativen Störungen im Stoffwechsel zu tun. Es gibt Zustände,
wo die Eiweissverbrennung im Organismus nicht wie in der
Norm vor sich geht, z. B. die Zystinurie, die Alkaptonurie;
ferner solche, wo der Umsatz bestimmter Eiweissubstanzen,
der Nukleine, gestört ist, solche, wo die Fette und solche, wo
der Zucker nicht wie in der Norm verbrannt werden. Nach
unseren heutigen Vorstellungen handelt es sich unter den ge¬
nannten Umständen um Störungen der Fermenttätigkeit, welche
spezifisch für die einzelnen Körper ist. Vortragender geht
speziell darauf ein, wie im Diabetes die Störung des Zucker¬
stoffwechsels zu stände kommt. Nach seiner Ansicht, die sich
auf eigene Versuche gründet, handelt es sich im Diabetes um
eine verlangsamte Verbrennung des Zuckermole¬
küls. Dadurch kommt es zu Hyperglykämie und zur Aus¬
scheidung des Zuckers im Harn. Die Störung ist ähnlich der.
wie sie neuerdings für den verlangsamten Umsatz der Nukleine
bei der Gicht wahrscheinlich gemacht ist. Aus dieser eigen¬
artigen Störung des Zuckerstoffwechsels lassen sich unge¬
zwungen aller Erscheinungen der diabetischen Glykcsurie,
der Glykogenverarmung der Organe etc. erklären.
Biologische Abteilung des ärztlichen Vereins in Hamburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 7. April 1908.
Vorsitzender: Herr Fraenkel.
Schriftführer: Herr Wohiwi 11.
^ €rr ^ enc ** e bespricht im Anschluss an einen auf der inneren
Abteilung des Eppendorfer Krankenhauses beobachteten Fall von
LysolvergiftunK das klinische Bild und den pathologisch-anatomischen
Befund bei der Autopsie unter Vorzeigung von Präparaten. Zum
Schluss bespricht er die chemischen Vorgänge in der Galle bei der
Lysolvergiftung. (Autoreferat.)
Herr S i tn m o n d s: Ueber Geschwülste der Bursa omen-
Primäre Geschwülste des Bauchfells sind im ganzen selten.
Eine GrupDe derselben, die vorn Netz ausgehenden Fibrome. Endo-
thelionie. Sarkome. Karzinome habe ich Ihnen im letzten Jahr vor¬
gelegt. Eine zweite GruoDe bilden die flächenhaft von der gesamten
Peritonealserosa ausgehenden Karzinome und Endotheliome. Wesent¬
lich seltener ist wohl eine dritte Gruppe, das sind Sarkome, die
von der Bursa o mentalis ihren Ausgang nehmen und
sich auf diese im wesentlichen beschränken. Ich kenne nur eine der¬
artigen Fall, beschrieben von Frankel und Kaufmann (Arch.
f. Gyn. 26 399). Ueber drei weitere eigene Beobachtungen will ich
kurz berichten:
1. 37jähr. Mann. Kindskopfgrosses Sarkom zwischen Kolon,
Magen und PanVreas. verwachsen mit diesen Organen. Perforation
in Magen und Ko'on. Verjauchung des Innern. Eiterige Pylephlebitis
subphrenischer Abszess, Peritonitis.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1562
MUENCHKNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
2. 6djähr. Mann. Mannskopfgrosses Sarkom an gleicher
Stelle, vielfach zerfallen und durchblutet. Verein/elt traubeniormigc
Metastasen des Peritoneum und erbsengrosse Mibmukose Knötchen
im Magen. Sehr langsamer Verlauf.
3. 65 jälir. Prau. Kindskopfgrosses M y x o s a r k <> m an gleicher
Stelle. Zystenwand von 3 cm dicker Cieschw ulstlage gebildet, die
sich scharf gegen Magen, Uucrkolon und Pankreas abset/t. mit
diesen allen aber fest verwachsen ist, und an zwei Stellen Peit'o-
rationen in den Magen zeigt. Jauchiger Inhalt. Metastasen mir in
dem angrenzenden 'Peil des Netzes. Langsamer Verlaut; oiter
Magenblutungcn.
Die Diagnose ist eine schwierige. Meist w ird wold ein Magen¬
tumor angenommen werden, zumal bei öfter amtretenden Mama-
temesen. Anatomisch handelt es sich um langsam wachsende Sar¬
kom« oder Myxosarkome, die wenig Neigung zu Metastasierung
zeigen und oft in Magen und (Juerkolon durchbrechen. I Autorcierat.)
Diskussion. Herr Preiser fragt, ob die Hohle als Yer-
dauungscffekt aufzufassen sei infolge der Perforation der Magenw and.
Herr Sirnmonds: Die Hohle ist wohl zum Teil ptannuliert
gewesen. Zerfall des Gewebes unter Einwirkung; des euulringen-
den Mageninhaltes hat sicher zur Vergrösserung des Lumens gefuhrt.
Herr Dräseke demonstriert einige Wirbel des im Hamburger
Zoologischen (iarten verstorbenen Elmmiten „Anton“, der äö .Iahte
in der Gefangenschaft gelebt hat. Von besonderen Erkrankungen des
Tieres ist nichts bekannt, nur beobachtete man, dass das Tier mit
einer gewissen Vorsicht sich hinlegte und wieder aufstand. Der
19.— 22. Wirbel zeigen weitgehende Verwachsungen der Wirbel¬
gelenke, die wohl als primäre anzusehen sind, sekundär sind dann i
die Proc. spinosi zu einer festen Knochenplatte mit einander ver¬
wachsen. An detti Wirbelkörper als solchem nimmt man nichts Ab¬
weichendes wahr. Auch der 2.k W irbel ist an den < jelenkfiachen.
mit denen er mit dem 22 . artikuliert, stark verandeit. \ ei w achsen
ist dann mit einander in gleicher Weise wie die bereits genannten
Wirbel der 26. und 27. Alle Wirbel sind an (iewicht etwas leichter
wie normal, wenn auch die Knocheusubstanz üusserst fest ist. Inter¬
essant ist, wie auf den Bildern, die der Vot tragende vom lebenden
Tier vorlegte, an der Riickenlinie des Tieres die Stelle deutlich zu
sehen ist, die den vier zusammengewachsenen Wirbeln entspricht.
Erst ein genaueres Studium aller Knochen und Gelenke wird wohl
Aufschluss über die vorliegenden Knochenveränderungen geben.
(Autoreferat.)
Diskussion: Herr Sirnmonds: Die Deutung der Befunde
an den vorgelegten Wirbeln ist eine schwierige, da die Belastungs¬
verhältnisse, die in der Aetiologie der Spondylitis deformnns des
Menschen eine so wichtige Rolle spielen, beim Elefanten andersartige
sind. Im übrigen ist auch im Tierreich die Spondylitis deformans
keine Seltenheit; sie lässt sich z. B. bei Pferden öfters nachw eisen.
Herr Eracnkel bittet, noch die übrigen (ielenke. namentlich
das Sternoklavikulargelenk zu untersuchen. Nach Analogie mit dem
Menschen könnten die (ielenkVeränderungen das Primäre sein, der
deformierende Prozess sekundär.
Herr Lorey demonstriert 1. das Herz eines 2jährigen Kindes
mit hochgradiger angeborener Pulmonalstenose. Die Pulmonalis war
durch einen kaum über stricknadeldicken Strang repräsentiert. Der
Ductus Botalli war nicht durchgängig, dagegen bestand ein Defekt
der Pars membranacea der Ventrikelscheidewand, sowie eine starke
Hypertrophie des rechten Ventrikels. Klinisch fanden sich bei dem
Kinde, welches wegen Masern und schwerer Lungenentzündung auf
die Masernabteilung des Eppendorfer Krankenhauses (Oberarzt Dr.
Schot t m ti 1 1 e r) aufgciiommcn w urde, eine hochgradige Zxauose
des (iesichts, Zyanose der Emgerspitzeu und der Eusse. sowie
Trommelschlägelfinger. Die Herztone hatten einen gleichmassig
fötalen Rhythmus, ein Geräusch war an der normalen Auskultations-
Stelle des Herzens niemals zu hören, nur vorübergehend an einem
Tage, als eine dichte pneumonische Infiltration der linken Lunge be¬
stand, hörte das am Rücken angelegte Ohr ein lautes s\stolisch-
diastolisehes, der Herzaktion synchrones, schabendes Geräusch. Das
Kind ging am 5. Krankheitstag an Herzschwäche zu Grunde. — Er¬
klärung des Zustandekommens dieser Missbildungen des Herzens an
der Hand der Entwicklungsgeschichte. Bemerkungen über Prognose
und klinische Erscheinungen.
2. einen Fall von umschriebener mykotischer Nekrose des Oeso¬
phagus, der sich als zufälliger Nebenbefund bei der Autopsie eines
an Lungen- und Drüsentuberkulose gestorbenen Säuglings fand. Das
2 cm lange und 1 cm breite, mit unterminierten Rändern und un¬
regelmässigem Grund versehene Geschwür hatte seinen Sitz in Hohe
der Bifurkation. Entsprechend demselben gewahrte man au der
Aussenseite des Oesophagus eine verkäste tuberkulöse Druse,
dass man den Eindruck hatte, es handele sich um ein infolge Durch¬
bruchs der tuberkulösen Drüse entstandenes spezifisches Geschwür.
Die histologische Untersuchung stellte jedoch eine bis auf die
Muskelschicht reichende mykotische Nekrose fest. Dem Geschwurs-
giuu-d hafteten noch teilweise nekrotische Massen au. in denen sich
bei den mit polychromem Methylenblau gefärbten Schnitten
schon bei schwacher Vergrösserung intensiv blau gefärbte
Kokkenhäutcif 1 faiffleir', besonders ’ifntcr deif stark iibci hängenden
'bindern. Die nekrotischen Massen lagen unmittelbar dem intakten
■ 1 -Ix; auf. Eine /.eilige Infiltration war nicht zu erkennen. Aus
No. 2<).
dem I. eichenblute wurden Er\sipeiMrt pp.k- -kken gezüchtet. It. v ;
ist nicht anzunehmen, dass das l loh am l.amut- er nem Wj.ce ent¬
standen ist, vielmehr sin.uh vier h.sP-Kg.scbc Bifmd da!.;?. dass , w
Mikroor ganismen vom l.iinjen vlc r M»e;si rfjfpe aus tri ! c S.it:sjm ♦. ••
ein ge di Wägen waren und za euer \*us dir (>' e-*..u' i e m de I m.
fortselireiten.len realen Gew ebsiii"! t.kkaf--ti getarnt hat;-.-’ H e-
w eis auf analoge Befinde t. I r a e n k e i s bei >J:ar!.un <\ s
Arch., ILI. I f >7. 1 '2 k K iisJi hatte il.e Nikr-se Kl .ne I :s v *.*. .
nungeii herx orgei UP M. I Vuinrelerat.»
Diskussion: Herr Mm iihui Js fragt, was jm Hakte*'vi
dabei m Betracht kamen.
Herr E o r e \ : I kis liess suh am Sv hintt[*:.tparat nullt i ’t-
Sclieivleii.
Herr E raenktb Nek r - • :.* t - er !e D’-./isse h.im-barg s,• «. *
Natur werden bei verschiedenen I i kra: mp u i ; :i vier ganzen I
iles < >es« iphagus he-d».u htet. I. hat d.i^u Betuud ma nt.. e|» ’i
Diabetes erlu»ben; d e \e! <-;> g e ist x- r ler Harj jj’ k ar.
Herr Reunert dim-mM-a-t en \>m rechten hauptbronchus
ausgehendes Karzinom, das n.uh dem Mitte, appin vier ri\iian I true
dm vb.fw Uv b.ert war und sie I ::t w .v k urig i ns st miim.i -1 n B*
elnalvli iisfiitumors \euinl. os| hatte. Dird d » v c Ec Ten »usc'w s-,
| und ci.hebiiv.h x er grösst i te auth: ak< »t s c ,ke Br au h a Ir :isj n war cs
e.uer Konzession der \ ena ca\a v:p. g*. k"!i:*r'<-n. w^miiv vD: C.
in dem letzten Mad.UM vier I rkr.inkm g K < »b.u ntctc n 1 'sm.i naru-, •.
( g'eu !imass;gc s k hw ••"m:g uni /.\a: < se vks ganzen (ics s: ts.
massiger I \opht’;.ilmus mul Pup;. en\t r en ger ir g K.dc* M-.:\» e* -
klarten. Der oTukt-we Befand war \<ane' t u \< g liig.it U' gi-
I wesen, geringe iLutuugcn. weiche der 72 ah: .ge Patt;! .uishuso .
hatten den \ erdacht einer Nt ub. d;;-g t: \uv!. der d.fch d e R t-
gemlurvhieuchtung bestallt Winde. Da ent t: ahe'e s\ ? sc s :e b -
fektaUl suhtTgesk'lt war. w Wtdc Vets^bw e m t ne sm.\\ v h<. Bi -
haiul img emgt e tet und d d\;ü c< -, c ul’t : Kry lU'sriü s ‘ »» rew c u-
zunalm.e um 5 kg. Auf in *ren der llaimm: v. s : .d o:\ev W 1 ! t tmm •
erzielt. Mit Auttreteu der Manu? gse'Svke -äugt n U'-sdncdM«. *k
suh tler Zustand und der Exitus Kat n.uh kurzer em. < \ut •
rm<Tn» )
Herr Rehm: Ergebnisse der rytalogischen Untersuchung
der Zerebrospinalflüssigkeit und deren Aussichten.
(Der Vortrag erscheint in extensu m der M i:ub. ttuJ.
\\ ( cliensclir.)
Münchener Gesellschaft für Kinderheilkunde.
(Eigener Bericht.)
S i t 7 u n g v o m Ek .1 u n i *s.
Herr U ffcnhelmer dctnorrstricrt oun >. I tu l:ng ?! ;♦ w all i;w-
grossem Mongolenflcck am Kreuzbein. Iltmn u;. K a; *sJ-.c ludtri
Eerner d« rrionst r imt L. vite I ungcn ums -(m.-natgtn
Kindes, das an imiiaier I nl'e r k uä-sg x t ut-n bt n . m vier tu: n Im.gt
ausgebreitete, im Innern ztrlalenc \trkasung. D'imath.itd: B'.-n-
chiaklr usen. Im Darme käme ( ns^liw iipiuii. kmd m.i ? stvts t ’ -
nähr ungsgcMiiul. seit I ude des ersten I.e be nsm. m.tts tx tvxche r
clnaldi uscnhiistcn.
Herr Morn: Ksrottcnsuppe bei t^ruahrungsstöninßcn des Säug¬
lings. (Erscheint austuhriuh m dieser W "v htttsv h? dt. >
Diskussion: Herr Mcnnachcr fragt muh der \v r -
abr eu hungvl.nu r bei akuten Mo? urigen.
Herr Hecker \et weist auf die x "ii T r ii in r p s v »vn \ ■ •:
2' .- Jalin n mit < iemusesuppeii bei thfoiiuv.hell mol akuten I i-
iiahningsstor migt n erzielten 1 rt' lgf.
Herr Oppenheimer glaubt, v!;e g%ulu« E't'-Ue mit K.i 1 -
ileisehsupik- eneuht zu lialu n, und ii.i.rl d.e Oe w ub.ts/.iiiiahme a d
den Koch salz gi halt zuriuk.
Herr Ivornmel Der u htet \»>ri vier Vnwf’bmg \ .»n l'u:;, ni-
suppen in einer Reihe akuter urtvl s.fi?..ris v !?t r I rivdiMingsst-omut •:
im bauglmgsheime ; die I r P-<gt wann s;h z;t i bei akuten ^t' >’ iiü g i n
jüngerer bauglmge nullt so timli utige. Ihi dr-dp. mler Exsikk.»: • :i
bietet die KaroUtiiMippc eine Komme Art der W asvgra'iu u lu nr
wie man sie aiuh mit K-ulisa /i-'Mfig erzie .t. Die Nahrung in k i
einen den Darm schngjl passieren di n. we-’g ausgi nutzten Ba a>t
und erzeugt ein momentanes >at!:gungsge t R. gibt »i:e \ e * -
alu eu hungsw eise bei chn»uis w »K n t ri ah* u:: N ssp •• niegyn an. bei w i -
eilen er in der ZeHuKse ein »iami.inr egt mit. s NVumnt e'l'nkt ip- i
bittet um Erklärung der lei I mah* lieg Mal k ar-.tk usuppe mu! I.un-
minosori mul Kaka»* be<‘b.u k’i U n \‘.a..t*img ge Inn l l v":i"tis
Herr Piaundlcr h.ot vbe ( um ist fr v!m g?o>.sten t * • r t -
schritt diätetischer Ihe'.ipie im baug'mgs.i'tcr. -b s-e a's Nalrm^
im engeren Mime oder a’s funkti'-ns. on gimd w r ke. Di ?r k'iifscio. n
Erfolg hat die Kar ntu nsuppe mit di • W .iwi? - > a r ^uppi m!;at gi ;m
ist dieser aber nber k gen für w - -chef .rge /m >2'rb'St »ml di:mb
die offenkundige >att;gungs' <_:• p. .i.g-.mg. Df e*--*te't G't nta’ s ,! v
Bedeutung der Zellui- -se bei \ :r:.i 5 ;* u" s "’ •• rgp: dir h.i;igr;\i
unter Hmweix auf iloe Anw emhmg ••? | '.m *<cs
Herr lleib;i nun b.ru'nt i * \ t • s-i. 5 i. vbe Kar- xü ?'s”’'H
als \ ehrkeI für Nährst-me. a.s I ki*fx v ”.‘‘i * :mg urxu fklin.
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21 Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1563
Herr Hecker berichtet von dem befriedigenden Gewichts-
erfolge der Ernährung eines ausgewachsenen Kaninchens, also vege¬
tarischen Tieres, ohne Zellulose, nur mit Milch durch 2 Monate.
Herr T r u m p p wendet seit 3Va Jahren Karotten- und Spinat-
auikochungen neben Fruchtsäften bei Säuglingen an, die nach akuten
Verdauungsstörungen darniederliegen, bei chronischen Verdauungs¬
störungen und bei exsudativer Diathese. Gibt sein Regime für akute
Mutungen älterer Säuglinge an. Er erblickt in den Vegetabilien
ein geeignetes Umstimmungsmittel der Darmflora und ein Stimulans
üureh ihre Salze; verwendet die bekannten Bi rch ersehen Breie
als Diät.
Herr S e i t z hat die Gemüsesuppen in einer Reihe chronischer
Ernährungsstörungen erfolgreich, bei akuten ohne sichtbaren Nutzen
angewendet.
Herr Moro (Schlusswort): An Gemüsestühlen ist kein Anstoss
zu nehmen. Nach Fleischbrühediät von 3—4 Tagen dürfte kaum
.Milchtoleranz eintreten. Das subikterische Kolorit bei Karottenfütte¬
rung beruht auf Ablagerung des Karotins nur mit Hilfe gleichzeitig
zirkulierenden Fettes (Milchverabreichung).
Herr Adam stellt einen Fall von Intermittierendem Oedem
bei einem ca. 7 jährigen Mädchen vor.
Herr Hecker berichtet anschliessend an seinen Vortrag vom
Januar über periodische Azetonämle von an 5 seiner Fälle angestell-
ten Blutuntersuchungen. Die Fälle zeigten zur Anfallszeit
starke Leukopenie; die Annäherung an den Säuglingstypus ist
auch in der anfallsfreien Zeit festzustellen und bestätigt die Anschau¬
ung, dass es sich bei der periodischen Azetonämie um Entwicklungs¬
hemmung (hier Blutbildung, dort Fettabbau) handelt. — Ferner be¬
richtet Herr Hecker über einen Fall von epidemischer Zerebro-
sptaalmenlagitls (Meningokokken), erfolgreich behandelt mit Blut-
egeln^
Herr Katzenstein: Zur Behandlung der Anämie des frühe¬
sten Kindesalters, spricht übeT die durch zu lange anhaltende Laktation
ixler Milchernährung eintretende Eisenverarmung des Säuglings, die
Literatur dieser Frage und seine Erfahrungen mit frühzeitig ein¬
setzender gemischter Ernährung (Gemüse, Eidotter, Suppen etc.).
Er wünscht fortlaufende vielseitigere Hämoglobinbestimmungen im
Säuglingsalter zur Festlegung des Termins des Eintritts von Blut¬
mangel und der Indikation zur gemischten Kost.
In der Diskussion bemerkt Pfaundler, dass Hämoglobin¬
bestimmung kein Kriterium liefern würde, solange nicht die Ge-
wmtblutmenge zu bestimmen sei, wofür noch geeignete Methoden
fehlen. Eidotter sei keine zur frühzeitigen Verabreichung an Säug¬
linge geeignete Nahrurig.
Herr Katzenstein glaubt, dass letztere Besorgnis praktisch
nicht so stark begründet sei. Spiegelberg.
Rostocker Aerzteverein.
Sitzung vom 6. Juni 1908.
Herr W. Müller weist kurz auf die neuen Bestrebungen hin,
Knochen und Gelenktelle zu transplantieren. M. hat in 2 Fällen kon¬
genitaler Missbildung das Verfahren in folgender Weise angewandt:
a) Fall von doppelseitiger radialer Klumphand infolge Total¬
defektes des Radius (rechts fehlt der Daumen, links ist er rudimentär
entwickelt). Statt des fehlenden Radius wurde ein entsprechendes
Stück der gleichseitigen Tibia nebst Periost, Gelenk- und Epiphysen¬
knorpel transplantiert, der rudimentäre Daumen wurde amputiert,
Korrektur der Klumphandstellung.
b) Fall von kongenitalem Defekt des unteren Ulnardrittels bei
entsprechend zu langem Radius. Hier wurde das fehlende untere
llnarstiick durch ein entsprechendes aus dem oberen Teil des Radius
ersetzt, welches ebenfalls Periost, Epiphysen- und Gelenkknorpel
enthielt.
ln beiden Fällen ist die primäre Einheilung erfolgt. Röntgeno-
icramme illustrieren den nächsten Erfolg der Osteoplastik. M. glaubt
nach seinen Erfahrungen mit Osteoplastik annehmen zu dürfen, dass
die Knochen und auch die beiden Knorpelsegmente sich erhalten und
weiter wachsen werden in Dicke wie in der Länge und erwartet
eventuell Vorzüge dieses Vorgehens vor der von Bardenheuer
empfohlenen Gabelung des Nachbarknochens.
Medizinisch-Naturwissenschaftlicher Verein Tübingen.
(Medizinische Abteilung.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 11. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr G a u p p.
Schriftführer: Herr M. v. Brunn.
Herr G a u p p stellt einen Fall von moralischem Schwachsinn
vor.
Der 24 jährige Bursche, der bei mittlerer intellektueller Be¬
jahung seit früher Kindheit verbrecherische Handlungen (Diebstähle,
Betrügereien, Unterschlagungen, Brandstiftungen, Raub) it). rascher
folge beging, so dass er seit seinem L6. Lebensjahr fast andauernd
in der Strafanstalt sass,, wurde im Frühjahr 1907 wegen Raubs und
Einbruchdiebstahls zu langer Zuchthausstrafe verurteilt. Im Straf¬
vollzug benahm er sich sehr ungeberdig, zerstörte was ihm unter die
Finger kam, machte Selbstmordversuche, ass Qlas, Sand, suchte sich
auf jede Weise selbst zu schädigen. Er entwickelte Verfolgungsideen
gegen Staat und Strafanstalt, schwelgte in blutdürstigen anarchisti¬
schen Reden und Schriften, drohte nach seiner Entlassung alle Macht¬
haber und „Qesetzmacher“ in einer von ihm angestifteten Revolution
zu vernichten. Sich selbst nannte er einen Märtyrer für die Sache
des Volkes; er wolle alles Elend aus der Welt schaffen, die Mensch¬
heit durch Abschaffung der ganzen Kultur und Zivilisation erlösen.
Nur durch die Rückkehr in den Naturzustand können die durch die
Kultur verdorbenen Menschen wieder gut und brüderlich werden.
Zu dieser Erkenntnis sei sein „heller Geist“ in der Strafanstalt ge¬
kommen. Das ganze Gebahren des jungen Burschen war so unsinnig
und gewalttätig, seine Selbstüberschätzung so masslos und absurd,
dass er für geisteskrank und mit Grössenwahn behaftet erklärt wurde.
Die von ärztlicher Seite geäusserte Annahme, dass er bei Begehung
seiner Verbrechen schon geisteskrank gewesen sei, führte zu einer
Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Vortr. legt dar, dass es sich
bei dem „Verfolgungs- und Grössenwahn“ des Verbrechers nicht um
eine paranoische Erkrankung mit starrem Wahnsystem handelt, son¬
dern um die Reaktion eines degenerierten, leicht Schwachsinnigen auf
die lange Inhaftierung, um ein autosuggestiv entstandenes Fantasie¬
produkt, das mit eitler Selbstgefälligkeit vorgetragen und zweifellos
schwinden wird, sobald die Freiheitsstrafe ihr Ende erreicht hat. Der
Sträfling war bei Ausführung seiner Verbrechen nicht geisteskrank im
Sinne des § 51 des Str.G.B., da, wie aus Reichsgerichtsentschei¬
dungen unzweifelhaft hervorgeht, der geborene Verbrecher nach den
Rechtsanschauungen des Volkes nicht als ein Geisteskranker im Sinne
des Gesetzes anzusehen ist. Der Vortr. betont die Wirkungslosigkeit
jeder Strafe bei solchen Naturen, ihre enorme Gefährlichkeit und die
Notwendigkeit, dass sie dauernd versorgt werden.
Herr Merzbacher berichtet: 1
1. Ueber ein einfaches Verfahren, das die Darstellung der fa¬
serigen und der protoplasmatlschen Gila gestattet. Eine ausführ¬
lichere Mitteilung erfolgt demnächst im Zentralblatt für Nervenheil¬
kunde und Psychiatrie.
2. Ueber einen Fall von Karzinomatose des Gehirns. Es han¬
delte sich um ein primäres Lungenkarzinom mit multipler Metastasen¬
bildung im Gehirne, Nieren und Nebennieren. Die Tumoren im Ge¬
hirne zeichnen sich durch ihre Grösse, ihre eigenartige Beziehung
zur Umgebung und durch ihr verschiedenartiges von einander ab¬
weichendes Aussehen aus. Eine nähere Mitteilung soll später er¬
folgen.
3. Ueber einen Fall von Cysticercus racemosus des Gehirns.
Die Basis des Gehirns von der Medulla angefangen bis zu dem
Tractus nervi optici ist dicht besät mit einer Unzahl von kleineren
und grösseren Blasen. Der Kranke starb plötzlich, nachdem er
wochenlang nur über sehr heftige anfallsweise einsetzende Kopf¬
schmerzen geklagt hatte. Es bestand Stauungspapille. Das klinische
Symptomenbild erinnerte am meisten an eine Okzipitalneuralgie.
Sämtliche Mitteilungen werden durch eine Serie von Lichtbildern
illustriert.
Berliner medizinische Gesellschaft
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 15. Juli 1908.
Demonstrationen:
Herr K. Mendel und Herr Adler: Kurze Demonstration zur
Rückenmarkschirurgie (Meningitis spinalls serosa).
Die Redner stellen einen Fall vor, bei dem die Differentialdia-
gnose zwischen tuberkulöser Spondylitis und Tumor der Wirbelsäule
schwankte. Infolge Fehlens der Ophthalmoreaktion wurde ein Tumor
angenommen, was die Operation, wenigstens in bezug auf Fehlen von
Tuberkulose bestätigte.
Die Laminektomie ergab nämlich eine Meningitis s p i -
nalis serosa. Der Heilungsverlauf war ein glatter, die Besse¬
rung eine langsame, aber fortschreitende.
Herr G. Zuelzer: Demonstration von Herzkurven unter dem
Einfluss eines neuen Herzmittels (Ergotin styntlca).
An Tierversuchen zeigt sich, dass die Ergotin Wirkung
der Digitaliswirkung sehr nahe kommt. Besonders in Fällen von
Alternanspuls, welcher auf eine Uebererregbarkeit des Herzens zu¬
rückzuführen ist, bietet Ergotin vor Digitalis grosse Vorzüge.
Herr Hofimann demonstriert einen Affen, bei dem durch
Impfung in den Hoden sekundäre Hauterscheinungen in besonders
deutlicher Form aufgetreten sind.
Herr Ehrtnann berichtet über Versuche der Beeinflussung
der Darmresektion durch Darreichung von Salzsäure.
Die Salzsäure ist geeignet, die Sekretion der Bauchspeichel¬
drüse sehr erheblich herabzusetzen.
Tagesordnung;:
( . Hgrr Geprg L e y i n s o h n: Zur Enistelmng des Qlaukoms.
Für die Kenntnis der Glaukomentstehung fehlt
anatomisches Material der Anfangsstadien. In einem Falle
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1564
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *).
konnte er als Ursache des Glaukoms eine Hypertrophie des
Ziliarmuskels nachweisen; es findet sich dieser Befund kon¬
stant, doch bildet sich die Hypertrophie im weiteren Verlauf
des Glaukoms w ieder zurück.
Die Pigmentinfiltration des Lig. pectinatum ist heim
Glaukom ein häufiger Befund, das Pigment ist nicht häma¬
togenen Ursprungs. Es sammeln sich an diesen Stellen Leuko¬
zyten an, welche das Pigment in den Kreislauf transportieren.
Das Glaukom, sowohl das primäre wie das sekundäre
w ird- durch Verlegung der Abschlusswege bedingt.
Herr Dietrich: Die Bedeutung der Dunkelfeldbe¬
leuchtung für Blutuntersuchungen mit Demonstrationen am
Epidiaskop.
Die Dunkelfeldbeleuchtung ist schon früher von
Engländern angewandt worden. Seit Sieden topf hat die
Methode eine ungeahnte Verbreitung erlangt: als Spiegel-
kondensor (Reichert) und als Paraboloidkondensor von
Siedentopf. Es werden im Dunkelfeld Teilchen leuch¬
tend, welche gegenüber dem Medium, in dem sie sich befinden,
geringe Brechungsdifferenzen aufweisen.
Er demonstriert am Projektionsapparat Diapositive (Mo¬
mentaufnahmen) von' verschiedenen B I u t p r ä p a r a t e n. be¬
sonders interessante über die morphologischen Vorgänge bei
der Hämolyse im Immunserum und m destilliertem Wasser. I he
Momentaufnahmen sind durch die Benützung intensivster Be¬
leuchtungsquellen möglich geworden.
Diskussion: Herr 11 II mann polemisiert sehr temperament¬
voll gegen die diagnostische Bedeutung, man könne mit der Methode
nichts Neues sehen, was man mit anderen Methoden nicht sclnm
längst gesehen habe.
Herr Stephan (Phvsikrr hei Z e i s s) a. (1. weist mathe¬
matisch nach, dass man mit der Puiikclfcldbcleiichtung wohl Dinge
und ü. a. auch Strukturen sichtbar machen könne, die vorher un¬
bekannt waren und zeigt an dem Beispiel der Sonnenstäubchen die
Bedeutung der Kontrastwirkung.
Die weitere Diskussion über den Vortrag der Herren C. Pos¬
tier und Dietrich: Die Verwendbarkeit de*r Dunkelieldbeleuch-
tung für die klinische Mikroskopie, wird in Anbetracht der Bedeutung
der zur Diskussion stehenden Frage vertagt!
W o I f t - E i s n e r.
Aus Ärztlichen Standesvereinen.
36. Deutscher Aerztetag.
zu Danzig vom 26.- 27. Juni 1908.
(Eigener Bericht.)
Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung Ihrer wirt¬
schaftlichen Interessen.
8. Ordentliche Hauptversammlung zu Danzig,
am 25. Juni 1908, vormittags 10 I hr.
Der Vorsitzende H a r t m a n n - Leipzig stellt in seiner Er¬
öffnungsansprache mit (ienugthuung die weitere Zunahme der Mit¬
glieder fest. Zu Ehren der verstorbenen Mitglieder mul Obmänner
sowie des jüngst verstorbenen Eührers de*r österreichischen Aerzte-
organisation .1 a n e c z e k erhebt sich die Versammlung. Ibis ab¬
gelaufene Geschäftsjahr war erfolgreich: in 15.1 Streitfällen hat der Ver¬
band mit Erfolg eingegriffen, 120 schweben noch. Der Abschluss
eines Tarifvertrages mit den kaufmännischen Krankenkassen bedeutet
eine grosse friedliche Errungenschaft. Die Konferenz im Reichsamt
des Innern am 11.'12. Juni hätte gewiss nicht stattgefundeii, wenn
die Aerzte nicht seit Jahren gezeigt, dass sic auch den Elltnboeeu
zu gebrauchen wissen. Ucbcr diese Konferenz sind viele unwahre
Angaben in die Öffentlichkeit gelangt. Mit der Aussicht auf eine
gesetzliche Festlegung der freien Arztwahl ist cs jedenfalls auf lange
Zeit vorbei. Die E o r d e r u n g, die frei c Arzt w a li I z n e r-
z w i n g e n, soll n i c h t m e h r der Z a u k a p f e 1 unter d e n
A erzt e n sei n. W i r \v o I I e n e i n m a s s v n I 1 e s V o r g c li e n
mit Berücksichtig u n g d er best e h e u d e n V erhält-
nisse und gegenseitiger Duldsamkeit; mit ii n v e r -
b r ii e h I i c h c m E e s t h a I t e n an den D i r e k t i v e n d e r
J a Ii r e 1903. 1904 u n d 1907 w e r d e u wir s t e t i g v o r ss ä r t s
k o m m en und einig b I c i b e n. Uners c h ii t t e r 1 i c h aber
w ollen w i r zu s a m m e n s t e Ii e n, w e n n i r g e u d w o die
bestehende freie Arztwahl w i e d c r a b g e s c Ii a f f t
werden soll! Deshalb stellen wir alle hinter Köln mul sind
aus allen Gegenden die Svmpatliiebcweise cingelauteii. Die Kölner
Aerzte müssen einig bleiben, bis der Siee errungen ist.
I. Diskussion über den gedruckt vorliegenden Geschäftsbericht.
T o r n w a I d t - Danzig erörtert mit bezug auf eine Bemerkung
des (ieschäftsbcricbts die l mstimmigkeiteu zwischen deni f boviner
Staudesverein und der Ortsgruppe des E. V.. w..bei es vidi hauplvuh-
hch um das Verhältnis zu den ausserhalb eks >tande s\ er eins ste'ari-
den. aber der Ortsgruppe aiigehnrend.cn Aer zu ii und um das K\d:!
der Ortsgruppe, eigene V crs.miiniuugi n zu ha.teil. handelt.
Nach Bemerkungen der Herren Harth und Magnussen-
Daiizig wird die Angelegenheit dem \ "rstatul des Verbandes zur Eci-
legung liberlassen.
Den vorgebrachten \\ uns*, heit zum Kalender ut’J zur >u '\n-
vermittlung sagt der (ieneralse Kfet.ir iü'giuhste Befuksiy ntigung zu
V o g e I - Heppenheim ssimsdit dringend die AuJsti dimg eu-g?
scliw arzen Eiste der Mreikhredmr ti:r die Vertrauensmänner.
M ii I I e r - Zittau besprüht die wenig w-di.u -dö n.le H.i'tu-.g d.s
Reforuiblattes fnr Arbeiters ersidier ung.
M e I I p a c h - Karlsruhe: Daran ist zum leii die rr.arge ndc M.t-
arbeit von Aerzten. wekhe der freien Arztw ahi an!:.eigen, sj.is .!.
wahrend aus dem gegnerischen Lager zahlreiche Vrtikc cm..raten
Dieser Airtordcr urig zur Mitad eit stimmen M a g e ii - I <..;>/ g
und < i o c t z - Leipzig zu.
R o s e n b e r g - Leipzig w unsjit eine rfefg’uTst leVhattc IV pa-
ganda für ireiw iltigc Beitrage, u a. audi die I mm u h r u n g \. n
Virba n dsiiurki'ii. welch letztere \.«n der V ersari-m.ang » c-
sclilossrn wird.
VV e i k a r d-Neuulrn: Vielen ist eler BedVag \<m _>n M /., h.. ^ .
namentlich solchen, welche keinen dir e k teil \atzeti \"Ui I.. V. haben
Vielleicht iiesse sich iler Beitrag hi * abset/en oder s!.r*e n
K r a f t - Ooi her sdort w idyi sprüht dem .ml das ö‘da!U.VU.
20 M. ist das Minimum. Er beantragt, dass seitens des Vcö am «s an
alle Mitglieder eine I ini.ulimg xerscliukt Werde. sich trenu ,g zu
höheren Beitragen zu s erpthe hteii.
Mas er-lurth betont. dass nicht liberal! m Basem der >i.r .d-
punkt W e i k a r d s geteilt w erde.
VV i n k e I m a n u - Barmen wimsjit angesichts der *
Stehenden Kample die V ei doppe'ung des Beitrages t;;r ein fahr.
VV ird abgeiehnt.
I. o e w e ii s t e Ml - liier leid S‘ unsc'ht die I rh duing dis \U \
träges a"f -fu 5o M.
11 a r t Ul a n u - 1 eipziv: empfiehlt. eh rt Beitrag ms e: ander t zu
lassen.
Der A n t r a g K r a t t ss i r d a n g e u •• m rn e n
B e s s e 1 m a n n - Muric hen-ibadd'.n Ii regt b.dduc a’..e:«e
statistische 1 rhebiingeil ul'er ehe K .ismip er dnisse bei T sie'tMr:
Arztss steril und freier Arztss aljl dm c Ii die >ehti< neu an und p! ;<• et
auf (iruud eines |»e milchen Vorkommnisses em \ Mf\,d:t:ge«e s Vor-
gehen be/ugliJi der Kasetelalel < Vuimdune in ilusibc u;:d M*ei-
eliuiig).
< icneralsekretar Kuhns sagt das /\\ nrnl erkört den N tuen¬
den l all ilurcll Misss erstandms e ines VertMiKüs'!'.i"iH s
M a g e ll - I cipzig ist bereits mit der VnUMiguug enr Mat.stiV
im Auftrag des Xrr/tes cmns>mnde-s K s dnittigt. ss m-sd:!. ehrns v '.as
einl.iuieiule Material Hiebt zersplittert werde und de m Vo'sj.rJ Pi s
E. V. als Material dienen soll.
Munter* Beilm sersseisf auf e!as se ge usre idie /iis.iii.'ihm-
ss ir keil iler freien Arztss alil mit der Kasse tu de m Schss ereil Mam er¬
streik m Berlin, svo eile Kasse sidi um Ratschlage an ehe \e'/te
ssaiulte ui ul nach gliicklidi aber s\ linde ucr Krise em I biuksc hrciht «
au die Aerzte s.uielte.
B c s s e I m a n n - Minidk n-< da Ih.ich Sersseist iiodi auf d.e
Wichtigkeit, sic Ii 1 ii r eile Mafhstik amtliches Material smi eler Re¬
gierung zu s er s t hatten.
B e c k ll - Number g her iditigt die' >te ’.ie ele s < ie sd.ntivK ' id f e s.
sso son eler erl'dgteii Ahsdiat’utig eler Karenzzeit m M nd* vif d . e-
KVele ist. In Mundien bestellt sie indi. in V. r ribc r g ist Me .»*>.
geschaht.
B a u e r - Miinchen: Die VorMati dsdtatt eler Vgedung i :r De *
Arztwahl in Miinchen habe wiederholt m de n letztem fahren -i
Antrag auf Abschattung der Karenzzeit -gestedr. I e , !e r h.d e s
in der Mitglieder s et s.iuin hing nicht d:e Mntorit.it cM’in.ien. eias ietz’e
Mal fehlten nur ss eilige Minimen. Ibe V . u s;.,:] v Sd.a!t ss e r de in di* e v.
Benin Im ngen for tfaliren.
Generalsekretär Kuhns: Da ein Ortsk r auk.eirkasse V .ndun
die Abschaffung iler Karen/zert besch "smii Ind'e. sei er der Me.: w r ,g
gessesell. dass die Ver ztesdiaft NV.Ucfiens audi n.d.ts n;di- c‘a-
gegeii haben svurdc.
Pr S' s e r - Berlin besp» i s !it das Verb ötms Mt Tagt sM^^gve. V t
Wichtigkeit guter persmiiidie r Beza hmi-gt n und ktrzer sad;.:d'e r
Mitteilungen an die /e it uneen. Ihr Vo-wiri Per \e* z!e te :t:dsc
gegen R. M o s s e se i unhe gr au’M. n an s. s.di rm. i:t in i '■
(iegner sdiait Imieiiireilen. Der zs'isdkn de« Ve'.’* den V» * -
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Krattigung beitragen.
V (di s e n - I rankiurt a. M. sv ::sd'f e ’e rege M !.«'* eö der
Aerzte in den p*4iiisvben Parteien giekbs-.e' sse dur lö
K r a I t - Oorbe rsdor j; l ;;ve r e < Je gr« r .r •' -k 'e r e " >n de »•
Zeitungen, ssir niussem diesem etwas a ; :e r es l.et-mi. D-e^s» ^-
! sionen bilden, die sieh zu te-nr VusMi- rt in ö cuiadin m.d
1 zmisdieii Tagesfragen zur V«-* f.gnr.g ste 'km.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
h. Mi im.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1565
Müller- Hagen wünscht nach der allseitigen Begeisterung über
den Abschluss des Tarifvertrages die Aufstellung eines Normalver-
trages für alle Krankenkassen mit höheren Sätzen als bisher.
Schmitz- Dortmund fragt an, ob die Standesvereine oder nur
die Sektionen des L. V. zum Abschluss des Tarifvertrages berechtigt
seien und ob die Mitglieder der Standesvereine, welche nicht dem
L. V. angehören, von dem Vertrag ausgeschlossen seien.
W i e b e 1 - Leipzig: Jede Art der örtlichen Organisation ist zum
Vertragsabschluss berechtigt, wenn sie die Verpflichtungen der §§ 8
und 9 übernimmt, in erster Linie die Organe des L. V. Vorläufig von
1 all zu Fall werden auch Mitglieder der Standesvereine zugelassen,
umgekehrt auch die Mitglieder des L. V. wenn sie dem abschliessen¬
den Standesverein nicht angehören.
Auf weitere Anfragen teilt
W i e b e 1 noch mit, dass die Vereine es möglichst zu verhindern
hätten, dass sich Aerzte nur an einem Teil der Kassenpraxis beteiligen
und dass eine Karenzzeit bei dem Tarifvertrag nicht gelten solle.
Der Vorsitzende: Der Frage der Tarifverträge mit den
Ortskrankenkassen werde bereits nachgegangen. Zur Zeit sei die
Spannung mit den Kassen noch zu gross und jedenfalls müssten viele
lokale Verhältnisse berücksichtigt werden.
Nach einer kurzen Diskussion über den auf der Tagesordnung des
Aerztetages stehenden Antrag Leipzig-Land betr. die 2000 M.-Grenze
für die Krankenversicherung (Hesselbarth - Berlin, M u g d a n -
Berlin, Q o e t z - Leipzig, D i p p e - Leipzig) tritt eine Mittagspause
ein.
II. Kassenbericht.
Kassier Hirschfeld -Leipzig: Die Vermögensverhältnisse des
Verbandes haben eine wesentliche Festigung erfahren, die Einnahmen
und der Eingang der Beiträge waren viel befriedigender als in den
Vorjahren, auch der Rückfluss der Darlehen ist normal.
L i n d m a n n - Mannheim bestätigt als Mitglied des Aufsichts¬
rats den guten Stand der Kassenführung.
Kraft- öoerbersdorf wünscht, dass höhere Abschreibungen auf
das Darlehenskonto vorgenommen werden, um ein zuverlässigeres
Bild des Reinvermögens zu erhalten.
Franz- Schleiz fragt über den Stand der Dinge in Köln an.
Der Vorsitzende glaubt, trotzdem ja die Entscheidung erst
im Februar bevorsteht, eine günstige Prognose stellen zu können,
ist von dem Siege der Aerzte überzeugt. Die Kasse wird schwer¬
lich die nötige Zahl von Aerzten erhalten, aber die Kölner Aerzte-
schaft muss auf der Hut sein.
Dem Kassier wird Entlastung erteilt und ihm für seine ausser¬
ordentlich eifrigen Bemühungen einstimmig eine Gratifikation von
#»00 M. bewilligt.
III. Bericht über die Witwengabe.
H a r t m a n n - Leipzig: Die Spenden haben sich erfreulich ver¬
mehrt, betrugen über 20000 M. und es steht auch eine namhafte
Erbschaft aus dem Nachlass eines Kollegen in Aussicht. Die Kollegen
werden ersucht, nicht den Hamburger Zentralanzeiger zu unter¬
stützen, sondern den Witwenfonds des Verbandes.
IV. Vorschlag des Vorstandes, mit dem Allgemeinen Versiche¬
rungsverein In Stuttgart einen Rabattvertrag für die Haftpflichtver¬
sicherung abzuschliessen.
Wiebel - Leipzig gibt eine kurze Begründung des Vorschlages.
Schönheimer -Berlin: Solche Versicherung ist wichtig, es
wäre aber gut noch zu warten, vielleicht wären im nächsten Jahr,
die Kündigung des Kartells der Gesellschaften bevorstetit, bessere
Bedingungen zu erreichen. Ein derartiger Empfehlungsvertrag ist
von grossem Wert für eine Gesellschaft. Die betr. Gesellschaft ist
einwandfrei, aber der vorliegende Entwurf ist nicht sehr günstig,
kann höchstens für kleine Vereine passen. Mindestens müsste der
Zwang zur Aufnahme jedes Mitgliedes erreicht werden und könne
keine Verpflichtung, nicht mit anderen Versicherungen abzuschliessen,
eingegangen werden.
Der Antrag des Redners auf Uebergang zur Tagesordnung wird
angenommen.
V. Bericht der Krankenhauskommisslon.
Leitsätze:
A. Leitende Aerzte.
I. Dienstliche Stellung.
1. Für den Arzt ist die einheitliche, nicht nur ärztliche Ober¬
leitung im Krankenhause mit voller Selbstständigkeit zu fordern.
Er wird durch schriftlichen Vertrag angestellt,
»st nur dem Besitzer gegenüber verantwortlich und hat nach aussen
hin als der offizielle Repräsentant der von ihm geleiteten Anstalt zu
selten.
2. Für die Verwaltung sollen zwei Möglichkeiten gelten:
a) Der Verwaltungs- und Wirtschaftsbetrieb wird von dem diri¬
gierenden Arzte selber geleitet; nichtärztliche Verwaltungsdirek¬
toren usw. sind ihm im Range untergeordnet.
b) Es besteht eine korporative Verwaltungsinstanz (Kuratorium,
städtische Deputation, Ausschuss u. dgl.).
Für diesen Fall gelten die folgenden Forderungen:
1) Der Arzt hat den Vorsitz, zum mindesten aber Sitz und
Stimme in solchen Korporationen.
2) Unabhängig und selbständig entscheidet er unter allen Um¬
ständen über Aufnahme, Verteilung und Entlassung der Kran¬
ken, den Krankenpflegedienst, den ärztlichen Teil der Kor¬
respondenz, die hygienischen, sanitären und sonstigen ärzt¬
lichen Massnahmen im Wirtschaftsbetriebe, über Beschaffung
der Heilmittel, des Instrumentariums und des Krankenpflege¬
inventars innerhalb des Etats.
Er ist Vorgesetzter des gesamten Personals und hat
das Recht zu vollem Einblicke in den Verwaltungs- und
Wirtschaftsbetrieb und zur Mitentscheidung bei Anstellung
des Personals, Vergebung von Lieferungen, bei baulichen
Anlagen, Aufstellung der Etatpositionen usw.
3. Der leitende Arzt hat Anspruch auf ein ausreichendes Hilfs¬
personal im Dienste, insbesondere darauf, dass ihm zu ärztlichen
Leistungen (Narkose, Assistenz, Vertretung usw.) die nötigen ärzt¬
lichen Hilfskräfte zur Verfügung gestellt werden.
4. Nicht zulässig ist die Unterstellung des Arztes unter einen
Laien, das unmittelbare Eingreifen von Laien und Laienkommissionen,
Oberinnen usw. in die Verwaltung unabhängig neben dem Arzte, und
die Anstellung des Arztes im Hauptamte auf Kün¬
digung.
II. Anstellung und Gehalt.
Der Arzt erhält ein angemessenes, festes Gehalt, das pensions¬
fähig ist und mit dem Dienstalter steigt. Er ist berechtigt zu Ho¬
norarforderung tunlichst bei allen Selbstzahlern (Fortfall der Ver¬
pflichtung zu unentgeltlicher Behandlung bemittelter Patienten).
Diese Leitsätze gelten in erster Linie für solche Krankenhaus¬
ärzte, welche die Stellung im Hauptberufe innehaben, und sind sinn¬
gemäss auf andere Verhältnisse anzuwenden.
Bestehende Verhältnisse werden davon nur berührt:
1. Auf Wunsch der derzeitigen Inhaber der Stellen;
2. bei eintretender Neubesetzung.
B. Assistenzärzte.
Als Norm ist zu fordern:
. 1. Anstellung durch Vertrag, ausschliesslich unter Vermittlung
und mit Zustimmung des leitenden Arztes.
2. Anfangsgehalt von 1200 M. jährlich neben freier Station.
3. Steigerung des Gehaltes um jährlich 200 M.
4. Anrechnung auswärtiger Dienstzeit.
5. Recht auf Urlaub.
6. Dienstliche Unterstellung nur unter den leitenden Arzt.
7. Unfallversicherung seitens der Anstalt.
D u m a s - Leipzig erläutert die Leitsätze auf Grund des reich¬
lich eingegangenen Materiales, das bereits im Frühjahr ds. Js. zu
einer Besprechung in Berlin gedient hat. Die Forderungen sind
vielfach nicht erfüllt, sehr häufig fehlt jeder Anstellungsvertrag, die
Anstellung auf Kündigung ist die Regel; die Oberleitung ist oft in den
Händen von Laien. Beispiele von willkürlicher Behandlung, un¬
motivierter Entlassung, schlechten Gehältern sind sehr häufig. Die
Verleihung des Beamtencharakters für Aerzte der öffentlichen An¬
stalten ist nicht erwünscht. Die Krankenhäuser mittlerer Grosse sind
für die Chefs und Assistenten durchschnittlich die schlechtesten, zumal
auch die konfessionellen Anstalten, bei ihnen wird oft am meisten an
den Aerzten gespart. Freie Arztwahl für die Krankenhäuser ist nicht
zu verlangen und bei den grossen Krankenhäusern nicht durchzu¬
führen. In diesen muss einer der Herr sein. Vorbildlich in allem sind
die Hamburger Krankenhäuser.
Bi sch oft-Lichtenberg: Sehr viel zu wünschen übrig lassen
die Verhältnisse in den Berliner Irrenanstalten. Zumal die Ver¬
tragsverhältnisse der Assistenzärzte sind unwürdig. Die Wohnungs¬
verhältnisse sind schlecht, die Gelegenheit zur wissenschaftlichen
Ausbildung ist nicht vorhanden, die Arbeitslast sehr gross, die Ge¬
hälter gering, die Dienstanweisung, welche den Assistenten als un¬
mündig behandelt, geradezu unerfüllbar, die Urlaubsverhältnisse
schlecht. Daher entsteht der grosse Mangel an Aerzten. An anderen
Anstalten ist es ähnlich. Eine Kommission von Irrenärzten hat kürz¬
lich einen Minimaltarif ausgearbeitet. Es handelt sich um ca. 1000
Kollegen. Es wäre die Zuziehung eines Irrenarztes in die Kranken¬
hauskommission erwünscht.
Kraft- Goerbersdorf weist auf die besonderen gesetzlichen
Verhältnisse, namentlich die Haftpflicht der Aerzte hin, welche als
Geschäftsführer an Krankenhäusern wirken, die einer G. m. b. H.
gehören. Für diese ist die Forderung 4 nicht zulässig.
L e n n h o f f - Berlin: Die pensionsfähige Anstellung ist nicht
vorteilhaft, wo die Aerzte nur einige Jahre bleiben. Hier empfiehlt
sich vielmehr eine Lebensversicherung mit Zuschussleistung der An¬
stalten. Ein Verein der Heilstättenärzte hat z. B. sehr vorteilhafte
Verträge auf Lebensversicherung ohne ärztliche Untersuchung mit
der „Viktoria“ abgeschlossen bis zum Betrage von 50 000 M.
Dumas- Leipzig ist überrascht durch die ungünstigen Angaben
über die Irrenanstalten. Ein Irrenarzt ist in der Kommission nur
willkommen. Vielleicht empfiehlt sich eine Versammlung der
deutschen Krankenhausärzte einzuberufen.
Die Leitsätze werden angenommen, die Kom¬
mission soll denGegenstand weiter bearbeiten und
eventuell s. Z. einen Antrag an den Acrztevercin*-
bund vorbereiten.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1566
MUHNCHFNF.R MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn.
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VI. Die Stellung der Aerztc zu den akademischen Kranken¬
kassen.
Leitsätze:
Die akademischen Krankenkassen in ihrer jetzigen Gestaltung
genügen den Anforderungen an eine ausreichende Kraukcnfiirsorge
nicht; sie sind nach der Seite der Krankeniiirsorge und -Vorsorge
eines Ausbaues bedürftig.
Das Verhältnis der Aerzte zu ihnen bedarf iin Interesse der
Mitglieder wie der Aerzte einer zeitgemässen l hngcstaltuiig; für die
ärztliche Versorgung ist die freie Arztwahl zu erstreben, die Hono¬
rierung muss durch die Kassen auf C irund einer den örtlichen Verhält¬
nissen entsprechenden Mitteltaxe nach der Ein/.clleistnng erfolgen:
Wenn diese Forderungen erfüllt sind, liegt die Existenz akademi¬
scher Krankenkassen im sanitären Interesse der Mitglieder und im
wirtschaftlichen Interesse der Aerzte.
Sardcmann - Marburg als Referent gibt einen l 'eher blick
über die derzeitigen ziemlich verschiedenen Verhältnisse in den ein¬
zelnen Universitäten. Prinzipiell gehören die Studenten zum Mittel¬
stand und sind als Privatpatienten zu behandeln, daher soll die
Neugründung solcher Kassen nicht stattfinden. Hei den bestehenden
Kassen, deren Abschaffung nicht tunlich ist. muss eine Hessernug
erzielt werden. Heute sollen die Kassen keine W ohltatigkeitseinrich-
tung mehr sein, sondern Rechts- und Pfhchtkasseu; es sollen auch
überall die praktischen Aerzte zur Behandlung zugclasscii sein und
die Professoren ihres nobile officium nicht nur gegen die Studenten,
sondern auch gegen die Aerzte gedenken. Das ärztliche Honorar
Soll nicht die Mindesttaxe betragen, sondern dem Durchschnitt der
Vermögensverhältnisse angepasst sein und durch die Kassen zur
Auszahlung gelangen.
S c h o 11 - München: Die Sektion München steht den akademi¬
schen Kassen als Mittelstandskassen ablehnend gegenüber. Sie schä¬
digen die Aerzte, besonders auch die Spezialärzte, \\ as in grossen
Städten, z. B. München mit mindestens lnoon Studenten empfind¬
lich ist.
S t r c f f e r - Leipzig stimmt dem Vorredner bei. Die jetzige
Organisation der Kassen ist falsch, die gegenwärtigen Beiträge können
nur zur Behandlung der b e d ii r 11 i g e n Studenten gelingen. Achn-
lich wie bei dem ärztlichen Unterstützungswesen soll der Anspruch
von der Bedürftigkeit abhiingeu. Mögen die akademischen Lehrer
und Studenten für die bedürftigen Studenten wirken, die Aerzte aber
aus dem Spiel bleiben. Redner beantragt nur den I. Leitsatz, auf¬
recht zu halten, die ganze Angelegenheit ein anderes Mal weiter zu
besprechen.
Im Einverständnis mit dem Referenten wird der Vorsitzende
die Sache vor die nächste Vertraucnsmännerversanmilimg bringen.
VII. Die wirtschaftliche Seite der Schularztfrage.
Leitsätze:
1. Unter Schulärzten im heutigen Sinne sind nur solche
Aerzte zu verstehen, die nicht bloss die hygienischen Zustände der
Schulgebäude, sondern auch die der Schulkinder fortlaufend zu über¬
wachen haben.
2. Die Honorierung der Schulärzte kann als Einzelbezah¬
lung pro Kopf des Schulkindes oder als Pauschale pro Schule
oder Klasse erfolgen. Der Hohe der Pauschalzahlung ist jedoch die
Zahl der zu überwachenden Kinder zu gründe zu legen, Jede Ho¬
norierung, die unter 0,50 M. pro Kind und .lalir heruntergeht, ist als
ungenügend zu bezeichnen.
3. Die Untersuchung der E I e in e n t a r i s t e n ist gesondert zu
honorieren und nicht unter 0,75 M. für das Kind zu berechnen.
K o r m a ii n - Leipzig gibt ein kurzes Reierat über eine im V or¬
jahre veranstaltete Umfrage, welche die grosse Verschiedenheit in
der Honorierung der schulärztlichen Leistungen ergeben hat, so dass
es angezeigt erscheint, bei Neuerrichtimg von Schular/tstellen gewisse
Normen zu gründe zu legen.
Die Leitsätze werden an g e n o m m c n.
Mit der Wiederwahl des Vorstandes und des Aufsichtsrntes ist
die Tagesordnung erschöpft.
Um 6 Uhr schliesst der Vorsitzende mit dem Ausdruck des
Dankes die Versammlung.
B e r g e a t.
Zu unserem Bericht über den 36. Deutschen Aerztetag in
Danzig in No. 24 dieser Wochenschrift, p. 1518. schreibt uns Herr
Dr. J a k s - Thüngen, dass sein Antrag, w elcher die unselbständigen
Landarbeiter der Krankenversicherung unterworfen, die selbständi¬
gen Landwirte dagegen ohne Rücksicht auf die 2oon M.-Lmkommcu-
steuergrenze von der Krankenversicherung prinzipiell ausgeschlossen
wissen will, nicht als soIcIkt abgelehnt, sondern die V e r h a n d -
1 u n g des Antrages wegen Zeitmangels abgelehnt wurde. Der
36. Aerztetag hat also zu dem Antrag nicht Stellung genommen.
Verschiedenes.
In den englischen Krankenhäusern ist eine deutliche und sehr
bedeutende Abnahme im Alkoholverbrauch zu konstatieren. Wahrend
im Jahre 1887 in 35 der grössten Provinzkrankenliäuser die durch¬
schnittliche Ausgabe für alkoholische Getränke für je ein belegtes
Bett 1 Pid. St. I s. In d. uai. war vk i DuulisJ mit itn Jahre 1*1
1(> s. 7 1 d.. d. h. genau ein Drittel weniger Die k"steti ti.r Ver¬
pflegung. Medikamente. Behandlung und Verwaltung dagegen su 5
in den letzten Jahren in den englischen K ranke nh.uiser n bedeutend
gestiegen. (The Med. Tcmpcraime Review, Bd. XI, N<>. 5b
Frequenz, der deutschen med. Fakultäten. Sommersemester lWs. 1 »
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den des Kauer-Wnhi-lm lnililut».
Galerie hervorragender Ver/tc und Naturforscher
Der heutigen Nummer liegt das 2 >o. B.att du Uaiuic bei: l ugin
A Ihre c h t. Vcrgl. den Nekrolog >. 15 W dieser Nummer.
Therapeutische Notizen.
I Bis (iiit der Eklampsie stammt muh den rtuic'cn l uu-
suchungeii, wie Liepmann i I her. M* uaisli. 4. <-> m einem Ver¬
trage hervorhebt, zw cik h>*s aus vier Plazenta. M.t du vvr Vuitassu^
kann man alle Iahe \<m t k.ati$tfMc. aiuh d;e im V\ .hv nK :t. er¬
klären. Aus ihr ergibt suh .null die De ^ I e lhe’a['ie. die v t-rtue l rvt*
bnnlimg der I ran. I me Zus.irmncnMt .ha*g uo B u tu m v, hen Ma¬
terials eigab bei abwarUmicr I lurapie 2- 5o Pr<-z. M r\i tat. bei
soiortiger L.iitbnulung J. s L s IVz. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
M u n e It c n. 2»». Juli f
Auf (irmul v >11 V ere ml'.n irngeii /w ivhe n de n beteiligten
Bundesregierungen ist eine ..Anweisung aber d a s prak¬
tische Jahr el e r Mediziner“ e ntstamiui. de >e t/t hi\li I r-
Iass des pt eusisc iie n Mevlizma iimmste r s von, 7 v's M'.s. uf’.t
Wird. Duiv.li dieselbe w erden genaue I k Mim.niüue n ge ir-dten ober
ehe Anstalten, in denen bis pras tis v lie lahr abge .e mtet w ir el und
insbest uielei e über eile Le v h.tttigimg und Nus; ,..a;pg ep.r Kandidaten.
Wir wer eien ehe Anweisung demnächst /em Vodiuk hrnuem
Der Regtet ungspr aside nt in I rier hat eine Ve't.gung er¬
lassen, w < ui.iv Ii den K i e is.it / teil v*>it a je n gerichtlichen und
polizeilichen Bestrafungen von M e d i z i n a ! p e r s o -
Ilen Mitteilung zu machen ist. Der YuNvOUck . Me .h/m.i pc’ >. ntn'
ist ela bei im weitesten Sinn zu fassen und d.r u::M picht a.ekt die
Aerzte. Zahnärzte. Apotheker. Heb.Hpb.en und smlM ge in vite Ile n-
persttuen. soiulern aiuh elas ködere He i pe r s. r;a . wie Hei ge io h n.
Masseure. Krankenwärter. De viiiie st< • : e n und I e ic he ns doou * zu K-
greifen. Auch von ei e r Link düng im.l eie m \us v a:ue v-n M'.itver-
fahren ge gen Kurpiiiseher s»'4t.ic g. gen \.bur\v: -ifo s v r id
eleu Kreisärzten seitens der !’• -Iize b e•: deu re K e .r: aw.g M'tte i rmg
zu machen. (Dieser zwe\k;iMssgf | • ..ss w ndc sich /ur a .ge¬
meinen Dur diiuhr ung sehr empiee ü.■
Im v er eln-nstv »vile-s l nie r i e r,m< n w ; : d v v « -:n Ibe¬
rischen K iiltusniimster mm vm bef^de t. m.m..c h vbe He ernte s
Ges a m t k a t a I <• g s a i| e r v «• n e! e ii g t <. s s e r e u. uu it m
reinem Priv atbesitz beünd'idit n B i b ' i •• t h e k c ti v! e s 1 a im! e s
gehaltenen Z e i t s e h r i t t e n. I'iig'i d a sui < Je samtkata'-,g
w i rel ermoglulit werden, ohne M ' e K d.'imo . \n, ,,|> e.i’e gesuchte
Zeitschrift in einer bav erisdie u I d :• :i.ek idw • h.mpt v.-'han feil ist.
bezw . aus w e Idier anderen l'dn-theK e.n 1 .am.! event. bez -gen wer¬
den kann, w enn er in der i iki! aus^e .ie'hen ist. f -,r ,re medi¬
zinischen Bibaothcken W.iulicr.s wird e.n S'-kher Kataa-g be¬
reits seit einer Ruhe von Jahren vAcr/.t..when V e'e:n Map.dien
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
1\. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1567
bearbeitet. Durch die Ausdehnung auf alle Wissenschaften und auf
das ganze Land wird die Brauchbarkeit eines solchen Verzeichnisses
noch sehr erhöht.
— Die an anderer Stelle dieser Nummer veröffentlichte Ueber-
sicht über die Frequenz der deutschen medizinischen
Fakultäten im laufenden Semester lässt eine weitere erhebliche
Zunahme der Zahl der Medizinstudierenden erkennen. Die Frequenz
überschreitet jetzt wieder 8000; seit dem Jahre 1892 ist eine so hohe
Frequenzziffer wie in diesem Semester nicht mehr vorgekommen.
München hat den Vorsprung, den es als von Medizinern am meisten
frequentierte Fakultät voraus hat, noch vergrössert (wobei zu be¬
rücksichtigen ist, dass in unserer Liste die Studierenden des Kaiser-
\\ iihelm-Instituts in Berlin nicht inbegriffen sind). Bemerkenswert
ist die starke Zunahme der Frequenz in Freiburg. Würzburg, früher
eine der besuchtesten medizinischen Fakultäten Deutschlands, steht
jetzt an 6. Stelle, trotz der Ansicht verschiedener Redner in der
bayerischen Abgeordnetenkammer zweifellos eine Folge seiner un-
—idernen klinischen Einrichtungen.
_ Wie gewisse „wissenschaftliche Arbeiten“, durch welche Heil¬
mittel und Nährpräparate empfohlen werden, zustande kommen,
nahen wir vor einiger Zeit durch Bekanntgabe eines, Briefes des
Herrn Dr. Hans Fischer an eine chemische Firma gezeigt. Ein
weiteres Beispiel finden wir in No. 3 des „Gesundheitslehrer“.
Diesem wurde folgendes Schreiben zur Verfügung gestellt:
Herr. in N
Fiume, den .. 1908.
Ich will Ihr Mittel, von welchem ich sehr viel Gutes gehört
habe, erproben. Sollten meine Erfolge — wie ich hoffe — gut
ausfallen. so bin ich gern bereit, meine Beobachtungen in Form
einer wissenschaftlichen Abhandlung zu besprechen und in einem
Fachblatte zu publizieren. Bitte Ihre werte Antwort, ob Sie die
diesbezüglichen Spesen, welche 120—130 M. ausmachen, decken
würden. Im bejahenden Falle bitte mir die Hälfte des Betrages
ä conto einzusenden. Der Restbetrag ist sodann fällig nach Er¬
scheinen der Abhandlung.
Hochachtend
Dr. Schweitzer, Hafen-, Schularzt etc.
Es ist wünschenswert, dass den Kollegen die Namen solcher
Autoren, die geschäftsmässig die Empfehlung von Heilmitteln be-
::jiben, möglichst bekannt werden, damit sie den Wert der von
nnen stammenden Arbeiten zu beurteilen vermögen.
_ Am Internationalen Tuberkulosekongress im
btntember in Washington wird als Führer der Delegierten für das
he ch der Geheime Obermedizinalrat und Vortragende Rat im Kultus¬
ministerium, Prof. Dr. Kirchner, teilnehmen. Um eine Verstän-
: einig zwischen den deutschen Teilnehmern am Kongress herbei-
. 'j uhren, ist es wünschenswert, dass alle, die nach Washington gehen
vollen, ihre Adresse dem Schriftführer des Deutschen National-
Komitees, Prof. Dr. Nietner, Berlin W. 9, Eichhornstr. 9, mit¬
te ien.
— Einer aussergewöhnlich niedrigen Sterblichkeits-
Ziffer erfreuten sich im abgelaufenen 2. Vierteljahr 1908 die
englischen Städte. Die durchschnittliche Sterblichkeit von
7b grossen englischen Städten mit einer Gesamteinwohnerzahl von
]r, Millionen betrug im genannten .Zeitraum (auf das Jahr und
>n Einwohner berechnet) 13,8, gegenüber 15,0 in der gleichen
Ptnr.de der 5 vorausgehenden Jahre. An dem Rückgang ist wesent-
. th beteiligt die Sterblichkeit an Infektionskrankheiten und die Kinder¬
sterblichkeit. Nicht ganz so günstig war die Sterblichkeit in 8 grossen
schottischen (16,4) und in 22 irischen Städten (20,1). In London be¬
trug die Sterblichkeit 13,3, in Edinburg 15,5 und in Dublin 20,1. Mit
de' berichteten Mortalität der englischen können sich unsere deutschen
Stiidte leider noch lange nicht messen.
— Den 50. Jahrestag des ersten Vortrags Darwins über
K re Theorie der natürlichen Auswahl der Arten beging die Linne-
d'.-Seilschaft in London am 1. ds. durch eine Festsitzung. In ihr
vj den sieben Medaillen an Forscher, die sich um Darwins Lehre
Inders verdient gemacht haben, verteilt. Es erhielten sie von
rutschen Gelehrten: Ernst Haeckel, Eduard Strasburger
j -d August W e i s m a n n, ferner die Engländer Dr. Alfred Rus¬
sell W a 11 a c e, Sir Josef D a 11 o n - H o o k e r, Dr. Francis Gal-
i 'nundE. Ray Lankester.
- Der Jahresbericht des Deutschen Kranken¬
hauses in Neapel für 1907,08 zeigt ein erfreuliches Blühen und
Sachsen dieser gemeinnützigen Anstalt, in der im Berichtsjahre
Kranke an 4940 Verpflegungstagen (Zunahme 15,7 bezw.
212 Proz) verpflegt wurden, während 807 (+ 11,2 Proz.) ambulant
.--handelt’wurden. Nur 58 (18,7 Proz.) der 309 Verpflegten waren in
Stapel ansässig, die übrigen (81,3 Proz.) kamen von auswärts —
^t'gnügungsreisende, Marinemannschaften, Handwerksburschen;
212 waren Deutsche, 35 Schweizer. Weniger erfreulich zeigte sich
, e Finanzlage der Anstalt, die zum grössten Teil von der ohnehin
-jruer belasteten Deutsch-Evangelischen Gemeinde zu Neapel unter-
njiten werden muss. Während die Selbstkosten für jeden Kranken
'—9 L täglich betragen, sind die Verpflegssätze sehr niedrig:
10 —15 l, je nach dem Zimmer, in de'r I. Klasse, 6 L. in der II.,
2.50 L. in der III. Klasse. Da nun die Zahl der Pflegetage in der
I. Klasse um 7,6 Proz., in der II. Klasse um 6,6 Proz. zurückgingen,
dagegen in der III. Klasse von 13,6 Proz. und in der Gratisklasse
(Unbemittelte der an das Krankenhaus einen Beitrag leistenden
Staaten) um 0,6 Proz. stiegen, während gleichzeitig die stärkere
Belegung auch Mehrausgaben für Wohnungsmiete etc. veranlasst,
ist die notwendige Folge ein Defizit, dessen Deckung der Gemeinde
zur Last fällt. Unter den Zuschüssen von auswärts sind zu er¬
wähnen 200 L. von S. K. H. dem Prinzregenten Luitpold, je 1000 M.
vom Auswärtigen Amt und vom Nordd. Lloyd, 600 L. von der Schwei¬
zer Eidgenossenschaft etc.
— Dr. Bandelier, bisher Chefarzt der Heilstätte Kottbus, ist
einem Ruf nach Görbersdorf als II. Arzt in Dr. W c i c k e r s Lungen¬
heilanstalten gefolgt.
— Auf dem IV. Internationalen Kongress für
Thalassotherapie in Abbazia, 28. bis 30. September 1908,
werden folgende Referate erstattet werden: 1. Die Anzeigen und
Gegenanzeigen der Seebadekur bei der Behandlung von Fällen der
Chlorose und Anämie. Referenten: Dr. B a r b i e r - Paris und
Dr. H ä b e r 1 i n - Wyk. 2. Die Anzeigen und Gegenanzeigen der
Seebadekur bei der Behandlung von Frauenkrankheiten. Referenten:
Dr. Lavergne - Biarritz und Dr. Sadoveanu - Costanza.
3. Die während einer Seebadekur notwendigen diätetischen und
hygienischen Massnahmen. Referent: Dr. Karl Gmelin-Föhr.
4. Vergleichende Analyse des Wassers verschiedener Meere; über
die Elemente dieses Wassers, welche in der Luft schweben und
deren therapeutischen Wert. Referent: Sanitätsrat Dr. Hennig-
Königsberg. 5. Ueber die verschiedenen Meeresklimate und die Be¬
dingungen ihrer Wirksamkeit. Referent: Prof. Julius Glax. —
Vorsitzender des Organisationskomitees ist Prof. Glax- Abbazia.
— Der nächste Zyklus der Ferienkurse der Berliner
Dozentenvereinigung beginnt am 1. Oktober 1908 uritl
dauert bis zum 28. Oktober 1908 und die unentgeltliche Zusendung
des Lektionsverzeichnisses erfolgt durch Herrn M e 1 z e r, Ziegel¬
strasse 10/11 (Langenbeck-Haus), welcher auch sonst hierüber jede
Auskunft erteilt.
— Am K. zahnärztlichen Institut der Universi¬
tät München hält der I. Assistent Zahnarzt Cieszynski
vom 9. September bis 17. Oktober drei Ferienkurse ab, und
zwar Klinik für Zahn- und Mundkrankheiten, Kursus der lokalen und
Leitungsanästhesie und Kursus der zahnärztlichen Röntgenologie.
Näheres durch den Kursleiter.
— Nach einem von Herrn Prof. F. Hofmeister in Strass¬
burg i. E. angeregten Uebereinkommen verschmelzen die bisher von
ihm herausgegebenen, im Verlag von Fr. V i e w e g & S o h n. Braun¬
schweig, erschienenen „Beiträge zur chemischen Physiologie und
Pathologie“ nach Abschluss des XI. Bandes (Anfang Juli) mit der
„Biochemischen Zeitschrift“. Die „Biochemische Zeit¬
schrift“ beendet gleichzeitig ihren XI. Band, so dass in der Bandzahl
der Journale keine Unterbrechung eintritt. Herr Prof. F. Hof¬
meister tritt in das Herausgeberkollegium der „Biochemischen
Zeitschrift ein, die weiter von C. Neuberg -Berlin redigiert und
von Julius Springer, Berlin, verlegt wird. Die bisherigen Mit¬
arbeiter der „Beiträge“ haben grösstenteils ihre Mitwirkung der
„Biochem. Zeitschr.“ zugesichert.
— Zur Feier des 25 jährigen Doktorjubiläums H. J. Ham¬
burgers gibt die „Biochemische Zeitschrift“ einen
448 Seiten starken Festband heraus, der durch eine Biographie
Hamburgers von Ernst Cohen eingeleitet wird und dem das
Porträt des Jubilars in Heliogravüre beigefügt ist.
— Von der 4. Auflage von Eulenburgs Realenzyklo¬
pädie der gesamten Heilkunde liegt jetzt bereits der
4. Band vor (Diphtherie—Fibrom). Der Fortgang des Werkes ist
also ein sehr flotter. Von grösseren Artikeln des Bandes erwähnen
wir Diphtherie, bearbeitet von B a g i n s k i, Disposition von v. Han-
s e m a n n, Dysmenorrhöe von K r ö n i g, Eierstock von Martin-
J u n g, Elektrodiagnostik und -therapie von R e m a k. Endokarditis,
früher von O. Rosenbach bearbeitet, ist jetzt von Kraus be¬
handelt; Entzündung, bisher die bekannte klassische Abhandlung
W e i g e r t s, ist von R i b b e r t neu bearbeitet. Dem Band sind
neben vielen Abbildungen im Text 8 meist farbige Tafeln beigegeben.
Cholera. Britisch-Ostindien. In Kalkutta starben vom 3t.
Mai bis 6. Juni 52 Personen an der Cholera. — Philippinen. Vom
3.—30. Mai ist in Manila nur noch 1 tödlich verlaufener Cholerafall
vorgekommen. Dagegen sind aus den Provinzen 734 Fälle, von denen
526 einen tödlichen Ausgang nahmen, gemeldet worden.
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 21.—27. Juni 13 Per¬
sonen an der Pest erkrankt (und 6 gestorben einschliesslich 2 tot
aufgefundener), seit dem 7. Mai insgesamt 68 (36). — Aegypten.
Vom 20.—27. Juni sind 30 Personen an der Pest erkrankt (und
13 gestorben). — Britisch-Ostindien. Während der Woche vom 31.
Mai bis 6. Juni sind in ganz Indien, ausschliesslich des Staates
Mysore, für welchen Nachrichten noch nicht vorliegen, 1400 Erkran¬
kungen und 1198 Todesfälle an der Pest zur Anzeige gelangt. — China.
Laut Mitteilung vom 9. Juni hat die Seuche in Amoy seit einigen
Tagen eine epidemische Verbreitung gewonnen. Einer Mitteilung
vom gleichen Tage zufolge haben letzthin täglich etwa 8—12 in
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1568
MUENCHfiNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
SY*, *>.
Hongkong an der Pest erkrankte Kantonesen mit den regelmässigen ,
Dampfern die Rückreise in ihre Heimat angetreteii; etwa 75 Pro/,
von ihnen konnten nur als Leichen in Kanton gelandet werden. Die
Zahl der durch Dschunken zurückbeförderten Kranken ist nicht be¬
kannt. In Kanton selbst hat die Pest bisher sehr geringe Opfer
gefordert und cs besteht daher die Hoffnung, dass dort der dies¬
jährige Seuchenausbruch milde sein wird. — Japan, ln und bei
Osaka sind vom 10. Mai bis (>. Juni IN Personen an der Pest er¬
krankt und 17 gestorben.
— ln der 27. Jahreswoche, vom 2S. Juni bis 4. Juli Ions, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Linwohner die grösste Sterblich¬
keit Beuthen mit 35,4. die geringste Duisburg mit 5.N Todesfällen
pro Jahr und 1000 Linwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gc-
storbenen starb an Scharlach in Beuthen, an Masern und Rollen m
Essen, Elensburg, Heilbronn, Kaiserslautern. Koiiigshutte. an Keuch¬
husten in Buer, Elberfeld, Oberhausen. V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Zum ordentlichen Honorarprofessor in der hiesigen
medizinischen Fakultät wurde der a. o. Professor für innere Mcdi/m
daselbst, dirigierender Arzt am Augustalmspital, (ich. Med. -Rat Dr.
Anton E\v a I d, ernannt.
Giessen. Habilitiert: Dr. med. Anton Sitzcnirev. Assi¬
stenzarzt an der Frauenklinik für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Güttingen. Dr. Bornstein, Assistent am Stoiiw cchsel-
laboratorium der Klinik für psych. und Nervenkrankheiten hat suh
mit einer Probevorlesung über die Respiration der Geisteskranken i
für Neurologie und Psychiatrie habilitiert.
Heidelberg. Habilitiert hat sieh Dr. med. Otto Ranke mit
einer Probevorlesung „lieber den heutigen Stand der Histopathologie
der Hirnrinde“.
Marburg. Der Abteilungsvorstand am Institut für Mvgicnc
und experimentelle Therapie der Universität Marburg. Prix. -Do/.
Prof. Dr. Paul Römer, wurde zum ausserordentlichen Professor
ernannt.
M ii n c h c n. Zum Rector magnificus für das Jahr l'flis no w urdc
Obermedizinalrat Prof. Dr. v. Bollinger gewählt.
S t r a s s b u r g. Prof. Extraord. Dr. Bayer wurde von der
medizinischen Fakultät zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt.
Cambridge (U. S. Muss). Dr. Fr. S. N e w eil w in de /um
Adjunktprofessor der Geburtshilfe und Gynäkologie au der Harvard¬
universität ernannt.
Charkow. Der ausserordentliche Professor der Kinderheil¬
kunde, Dr. J. V. Troitsky, wurde zum ordentlichen Professor
ernannt.
Neapel. Dr. G. D’E n i c o habilitierte sich als Privatdo/cnt
für experimentelle Physiologie.
Sassari. Der ausserordentliche Professor der Physiologie.
Dr. Gr. M a n c a. wurde zum ordentlichen Professor ernannt.
Berichtigung, ln No. 2s, S. 1513 ist statt Herr .1. C i t r o n
zu lesen: Herr J. C i t r o n und Herr K. Reicher.
Zur Ehrung des Andenkens ihres am 8. XII. 07 zu Danzig ver¬
storbenen Bruders, des Augenarztes Dr. Rudolf Stofe r haben
dessen drei Schwestern, Fräulein Marie. Wilhelmine und Johanna
S t ö f e r, unter dem Namen „Stoferstiftung“ für die Witwenkasse
der Versicherungskasse f ii r die Aerzte Deutschlands 2imhio M. ge¬
schenkt. W'ir danken den hochherzigen Stifterinnen iur diese Gabe
aufs herzlichste und werden, sobald die Stoferstiftung die Königliche
Genehmigung erhalten hat, über deren Zweck und Verwendung wei¬
ter berichten.
Das Direktorium der Vcrsicheriingskasse f ii r di e
Aerzte Deutschlands a. G. zu Berlin.
Berlin, 9. VII. 08. Bensch, Obmann.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Verzogen. Dr. E. W e i n b r e n n e r, Assistenzarzt an der
Privatheilanstalt Herzoghöhe zu Bayreuth, seit 1. Juli IW Assistenz¬
arzt an der Kgl. wiirtt. Heilanstalt Schusscnricd.
Ernannt. Der einjährig-freiwillige Ar/t Dr. Eduard Mo-
litor des 7. Fcld-Art.-Reg. zum Unterarzt im 2. Cliev.-Reg. und
mit Wahrnehmung einer offenen Assistenzarztstelle beauftragt.
Gestorben: Dr. Johann Merkel, K. Hof rat in Nürnberg.
72 Jahre alt. — Dr. Hugo Mott, K. Bezirksarzt zu Nabburg.
59 Jahre alt.
Korrespondenz.
Schwestern als Zutrelberlnnen für ein Speziallaboratorium fiir stuhl-
analytische Aufgaben.
In einer unter diesem Titel in No. 25 d. W’. erschienenen Zu¬
schrift war ein Artikel der offiziellen Mitteilungen der Berufsorgani¬
sation der Krankenpflegerinnen Deutschlands „Unterm l.a/aruskrcu/“
beleuchtet, in dem von der Verlegenheit die Rede war, in welche nach
der Erfahrung der Schwestern \ r z t und Pia ge geraten. Wei'tt t. s vJi
um genaue Intel suehung des Stuh'cs m.igciui.u mk: atike r P.r.a k:;
handelt, und s<d Jic Patienten, die I te; n \oii >atJg m ge u et* at.:.,e-
forelert wurden, Muh.anaix se n durch das >pe/u. .ab..rat a um m
Kot/sehciibroda-Urcsdcii austuhten zu lassen. Mit BtJfcg aut t‘o 'e
Zusehrift schreibt uns Herr Dr. I halw it/cr m K T/v ht: nr-
. Dass die Pflegenn se Ibst.nielig ehe \oru.ihmc \*»n >tui af.ä’.'. -e -i
anoi einen oder bei den I ‘tle glingeW \ ->n sah aus p’*»\$«$it. s
ist w eeler meine \bsivht. mali bei tun «»r^ar.js den P. t.et‘"e ;
w alir scheiiüv h. noeh liegt es mtu r {(ab der Onr N.it'c lit; ".s | . • -
ratoriums. Im Oe geiiu n! Wir ;r beiten g r u n il s a t / i i c ii irr :
Aet/teii. I nsere Aii.iin se :uut.u liten geben wir g r u n d s .t t z ’. : „ h
nur an Aerzte oder \oii dusen au*, ege! e ne \d r e ss t u!"
Wir geben \oit eilest m \ ••dst.oi.iig k ■> r * e k 1 1 n **!.indfsg'*k! g-
Kenntnis, betonen abei. elass der tpi. Vfiikcl su h naht ge < n .s
stuhhiiuK tis*. he I .ab iratormm. v*iu!ct n gegen o.ts seine l*w«*:.g" - se
n be - r s^ hf eilende Grg.m e!er K r anke np:\ ge r ir.ru n I V $§*>«. s
richte te.
Generalkrankenrapport Ober die K. Bayer. Armee
ftir den Monat Mai l‘*>s.
Iststärke des Heeres:
723s2 Mann, 1 <>2 Kaelctten, 147 Untcrofti/icrsvorschulcr.
Mm
Kadetten
Unteroinf ■
vondräler
1. Bestand waren
'
am 3o. April 1908:
\3st*
-
f»
im Lazarett:
1312
)
3
2. Zugang:
im Revier:
l.*vV.
5
—
in Summa:
2n98
7
3
1m ganzen sind behandelt: I
42M
7
9
°/*o
der Iststärke:
59.2
43,2
M2
dienstfähig:
°/t»der Erkrankten:
2719 ’
7
t>
KU.7
11 • BM 1
600.7
gestorben:
1«»
—
—
w /«oder Erkrankten:
dienstunbrauchbar:
2.3
—
mit Versorgung:
5n
—
—
3. Abgang:
ohne
Auf Orand vor der
FJnflrilang in dm MUHAr-
dirmt vorhandm iwrm-
ner Lddm ilt dimtin-
braadibAr erkannt and
mtUtten:
♦t
_
anderweitig:
135
—
—
in Summa:
2**4n
7
c»
4. Bestand
bleiben
31. Mai 1908:
in Summa:
°/oo der Iststärke:
l.kVi
18.5
3
2«‘.4
davon im Lazarett:
davon im Revier:
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3
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Ziffer 3 ;mfcriidirteil Gts'.abtiu
n ! ,t , u
Bliiuld.il mciit/muimig 2. >*. plö .eine
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2. Mi: ii'i.tw:
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tuberkulöse 1 mul k "ptkno v henbr iu !i
1. -\uvv t -rl ;
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Behandlung cmlt tt n 4 durah >■ d <a 2 tli
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ha Wc T' ;
F r hängen». Del
r < it v.cntN t-riii^t tief
Atuue dur,
.h 1 ■d 1
a !r ug 2, •
mich im Moii.it
M.u 14 M.iim.
Ueberelcbt der SterbeflUle In München
während der 27. Jahreswoche vom 2v Juni bis 4. Juli F*){v.
Bevölkerungszahl 55oonO.
Todesursachen: Angeborene Lcbcnsschw. (1. Leb -M l o .12 ,
Altcrsschw. <üb. (n) J.) 5 <3t, Kmdbcttficbcr 1 t , and. Folgen der
Geburt 1 (H Scharlach 2 ( ), Masern u. Röteln I i2 , Diphth. u.
Krupp 1 ( —). Keuchhusten - (D, Typhus 1 ( ). ubertragb. Tierkrankh.
— Rose (Erysipel) 1 (I), and. W'undinfcktionskr. ttinschl. Blut-
U. Eitervergift.) — (4», Tubcrkui. d. Lungen 25 *2o. Tubcrkul. and.
Org. 4'bO. Miliartubcrkul. - (- \ Lungcncntzünd (Pncurn *n.) 12 1 1
Influenza — (--', and. Übertrag!). Krankh. 4 p*. Entzünd d. Atmungs¬
organe 1 (4 1 . sonst. Krankh. dcrsclb. < D, organ. Hcrzleid. 15 <l"),
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg, (cinschl. Herzschlag» 5 «n, Gehirnschlag
5 ((>), Geistcskrankh. — ( ), Fraisen, Eklamps. d. Kinder — <3), anJ.
Krankh. d. Nervensystems 5 (41, Magen- u. Darrn.-Kat.. Brechdurchfall
(einschl. Abzehrung^ 3s (2'0, KranKh. d. Leber 3 i2». Krankh. d-s
Bauchfells 2(11, and. Krankh. d. Verdauungsorg. 7 <4i, Krankh. d
Harn- u. Qcschlcchtsorg. 0(3», Krebs (Karzinom, Kankroid) 1" (1 ).
and. Neubildg. (einschl. Sarkom>3 i.o, Selbstmord 5 Tod durch
fremde Hand 1 (—). Unglucksfalle f» «2». alle übrig. Krankh. 4 (2)
Die Gesamtzahl der Stcrbcfaiie l*G (1^4). Verhaitmszahl auf das
Jahr und linx» Einwohner im allgemeinen 17.1 (17.2), für die über
dem 1. Lebensjahre stehende BevciKcrung 12.2 (12,1).
•) Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Fälle der Vorwoche
Verlag von J. F. Celnn am* in M<tiu i*«-*i - Orurfc *nn f Muhuhiicr» Poch- um) K»i-»ui* u, kr?ri A ü . M sn*
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tte Mfincfaener MwfizfnJsche Wochenschrift erscheint wöchentlich
ta umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nummer 8Q-J. * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
6.—. * Übrige Bezugsbedingungen siehe auf dem Umschlag.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressieren: Für die Redaktion Anraff*
Strasse 26. Bureauzeit der Redaktion von 8 1 /,—1 Uhr. • Für
Abonnement an J. F. Lehmann. Paul Heysestrasse 15a. • Für
• Inserate und Beilagen an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. •
Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
CUMüf, l.T.Sillinger, fl.Corscbian, HJellerieh, V.r.Leabe,6.r.Rerkel,J.r.licliel, F.PenziIdl, fl.r.Ranks, B.Spatz. F.r.Vinekil,
München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Ehenadi. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 30. 28. Juli 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet)
Originalien.
Aus der medizinischen Klinik in Strassburg.
Ueber Entfettung durch reine Milchkuren.
Von F. Moritz.
Seit einem halben Jahre wende ich zur Entfettung aus¬
schliesslich Milchkuren an. Das Vorgehen ist folgendes: Je nach
der Körpergrösse des Kranken kommen im allgemeinen 2A bis
1 y* Liter Milch täglich zur Aufnahme. Ueber die nähere Be¬
stimmung, mit wie viel Milch man beginnen soll, verweise ich auf
die unten folgenden Ausführungen. Findet man den Gewichts¬
verlust zu rasch — das Gewicht des Kranken muss fortlaufend
kontrolliert werden, der Kranke muss sich besonders im An¬
fang alle paar Tage dem Arzt vorstellen — so erhöht man etwas
das Milchquantum, oder aber man erniedrigt es entsprechend
im umgekehrten Falle. Oft kann man während der ganzen
Kur bei der anfangs gewählten Milchmenge bleiben. Die Milch
wird in der Regel in 5 Portionen getrunken, bei 2 Liter Auf¬
nahme z. B. Vi 8 Uhr A Liter, 10 Uhr % Liter, 1 Uhr X A Liter,
4 Uhr K Liter, 7 Uhr l A Liter. Die eine oder andere Portion
kann auch als saure Milch genossen werden. Bei guter Milch¬
quelle und erwachsenen Personen erlaube ich auch rohe Milch,
im allgemeinen ist gekochte vorzuziehen. Die Milch wird kalt
oder warm, je nach dem Geschmack des Kranken, getrunken.
Besteht bei den kleinen Milchquantitäten, VA bis VA Liter,
noch Durst, so lasse ich noch bis zu % resp. X A Liter Wasser
trinken, resp. die Milch mit diesen Mengen verdünnen, so dass
im ganzen die Flüssigkeitsaufnahme auf 2 Liter kommt. Ausser
der Milch mit eventuellem Wasserzusatz wird nichts
anderes gestattet.
Die Erfolge dieses Vorgehens stehe ich nicht an, als aus¬
gezeichnete zu bezeichnen. Der Gewichtsverlust ist meist ein
sehr beträchtlicher, ohne dass die Kranken Durst zu leiden
brauchen öder, trotz bedeutender Unterernährung, von be¬
sonderem Hunger gequält werden. Es ist ja bekannt, dass der
Milch die Eigenschaft stark zu „sättigen“ zukommt.
Dass das beschriebene Vorgehen das Gegenteil von einer
Durstkur ist, halte ich für einen wesentlichen Vorzug. Ich bin
der Ueberzeugung und habe dahingehende Erfahrungen*, dass
gerade durch rigorosen Eliissigkeitsentzug manche Fettleibige
geschädigt und an der Durchführung einer Entziehungskur ge¬
hindert werden. Eine die Fettzersetzung anfachende Wirkung
von Durstkuren ist in keiner Weise erwiesen. Im Gegenteil
wird neuerdings von ernsthafter Seite auf eine die Zersetzungen
steigernde Wirkung gerade von abundanter Wasserzufuhr hin¬
gewiesen *).
Abgesehen von der Promptheit des Erfolges sehe ich
weitere besondere Vorteile solcher Entfettungsmilchkuren in
folgendem:
Sie sind ausserordentlich einfach für den» Arzt, wie für den
Kranken. Eine der komplizierteren Diätvorschriften, wie sie
für Entfettungskuren üblich sind, dem Kranken vorzuschreiben,
ist auch dem in der kalorischen Betrachtungsweise der Nahrung
erfahrenen Arzte gewöhnlich eine nicht ganz leichte Aufgabe.
Von Aerzten, die in diätetischen Dingen weniger erfahren sind,
wird sie häufig nicht richtig gelöst.
Nicht minder lästig und schwierig pflegt es dem Patienten
zu sein, die quantitativen Vorschriften bezüglich einer gc-
’) Heilner: Zeitsclir. i. Biol., Bd. 49, S. 373, 1907.
No. 30
mischten Kost richtig zu befolgen. Die appetitanregende Wir¬
kung zubereiteter Speisen lässt ihm überdies den Hunger, auf
den alle Enitfettungsdiätkuren hinauslaufen, besonders fühlbar
werden.
Weitere Vorzüge der Milchentfettungskur sind in ihrer vor¬
züglichen Anwendbarkeit auf herzschwache und herzkranke,
sowie nierenkranke Individuen gelegen.
Die Abneigung, die manche Menschen gegen Milch haben,
bietet nach meiner Erfahrung praktisch nur ganz selten ein
Hindernis. Der rasche Erfalg der Kur macht auch anfänglich
widerstrebende Individuen in der Regel ihrer Fortführung ge-
geneigt. Der Arzt, der sich erst einmal von den Vorzügen
der Milchkur überzeugt hat, wird übrigens seine Zuversicht¬
lichkeit und Entschiedenheit auch auf den Patienten übertragen
können.
Das Tempo, in- dem man die Entfettung vor sich gehen
lässt, richtet sich nach dem Befinden des Kranken. Die Ge¬
wichtsverluste der ersten Tage sind nicht massgebend. Sie
beruhen trotz der nicht unbeträchtlichen eingeführten Wasser¬
mengein hauptsächlich auf Ausscheidung im Körper retiniert
gewesenen Wassers. Es geht dies unzweifelhaft aus ihrer
Grösse hervor, die ein Kilogramm täglich und mehr betragen
kann. Auf Fettzerfall bezogen würde sich aus ihnen ein ganz
unmöglicher Kalorienverbrauch ergeben.
Nach kurzer Zeit stellt sich aber dann der tägliche Ge¬
wichtsverlust auf eine geringere Grösse ein, die dann während
langer Zeiten annähernd gleich bleiben kann und nun durch
Einschmelzung entsprechender Mengen von Körpergewebe be¬
dingt ist.
Nicht jeder Fettsüchtige erträgt eine Entfettung gleich gut.
Ich betone aber, dass die Mehrzahl meiner Erfahrungen zeigt,
dass die betreffenden Individuen sich bei der auf die beschrie¬
bene Weise vorgenommenen Entfettung wohl fühlten- und ihrem
zum Teil anstrengenden Berufe nachgehen konnten. Im ganzen
habe ich ihnen den Rat gegeben, sich während der Entfettung
körperlich ruhig zu verhalten.
Eine Unbequemlichkeit ist die bei ausschliesslichem Milch¬
genuss in der Mehrzahl der Fälle auftretende Stuhlverstopfung.
Man muss ihr mit Einläufen oder leichten Abführmitteln be¬
gegnen.
Ein Teil der Patienten klagt im Anfang über leichte Kopf¬
schmerzen-, im weiteren Verlauf werden manchmal Rücken¬
schmerzen, auch eine gewisse Mattigkeit angegeben.
Vorteilhaft ist es, dass der Patient mit der Milchkur ein
einfaches Mittel in die Hand bekommt, um sich nach ent¬
sprechender Gewichtsabnahme auf dem erreichten niedrigeren
Gewicht zu halten. Er muss sein Gewicht von Zeit zu Zeit
kontrollieren und, wenn Zunahme zu bemerken ist, durch ge¬
legentlich eingeschobene Milchtage wieder entsprechend redu¬
zieren.
Reine Milchkuren sind bekanntlich von K a r e 11 für Herz¬
kranke und zwar besonders zur Beseitigung von Oedemen
empfohlen worden 3 ). Ihre vorzügliche Verwendbarkeit auch
zur Einleitung von Entfettungskuren ist kürzlich von Jacob
aus der Lenhartzsehen Abteilung des Eppendorfer Kran¬
kenhauses hervorgehoben worden 3 ). Schon vor längerer Zeit
hat der Belgier Tarnier reine Milchkuren als Entfettungs-
J ) Archivcs generales de m6decine 1868.
*) Münch, med. Wochenschr. 1908, No. 16. Der Beginn meiner
Beobachtungen über Milchentfettungskuren liegt einige Monate vor
dieser Publikation.
Difitized b 1
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1570
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3".
kuren angewendet*). Die Milehmengcn, welche diese Autoren
verordnen, sind aber noch wesentlich geringer, als die von
mir in Anwendung gebrachten, so dass jene Kuren sich nicht
für eine durch längere Zeit hindurch fortzusetzende Entziehung
eignen dürften. Auf keinen Fall ist die besondere Eignung von
Milchkuren speziell zur Bekämpfung der Fettleibigkeit irgend¬
wie allgemeiner bekannt. Und ich lege aus den angegebenen
Gründen Wert auf die „reine“ Milchkur auch im weiteren Ver¬
laufe, nicht bloss als Einleitung zu einer anderen Entfettungs-
diät. Ip modernen Monographien über Fettsucht (z. B.
v. Noorden, in Nothnagels Handbuch der spez. Pathol.)
ist die Milchkur als solche überhaupt nicht erwähnt. Zu meiner
ersten, mich geradezu frappierenden bezüglichen Erfahrung bin
ich denn auch auf Grund theoretischer Ueberlegungen ge¬
kommen.
Es handelt sich um einen 133,5 k« schweren Herrn (s. Tabelle 1.
Eall 1, G. Th. f und Tabelle 2), der schon als ganz junger Mensch
sehr fettleibig, im ganzen aber immer sehr rüstig und leistungsfähig
gewesen war. Vor ca. 5* Jahren Influenzapneumonie mit lang¬
samer Rekonvaleszenz. Von da ab ausgesprochenere Herzbeschu er¬
den, die zu Digitalisanwendung veran'assten. Eine Entfettungskur (ge¬
mischte Kost) mit Eliissigkeitsreduktion bekam ihm schlecht,
Die Herzbeschwerden (Dyspnoe beim Gehen, Mattigkeit usw.) wur¬
den erst recht deutlich. Schon früher waren I ntiettungskiiieil
schlecht bekommen. Es hatten sich im Anschluss an dieselben An-
itille von paroxysmaler Tachykardie eingestellt, die von da ab wah¬
rend einiger Jahre in verschieden grossen Intervallen auftraten.
Anfang Januar 1908 war die Situation recht bedenklich geworden.
Schon geringe Anstrengung führte zu Dyspnoe und Ermüdung, stau¬
ungshusten, besonders abends im Bette. Unruhiger gestörter Schlaf.
Seit Monaten, während welcher Zeit wiederholt ohne nachhaltigen
Erfolg Digitalis gebraucht war, geringe Albuminurie, hyaline Z\ lin¬
der. Blutdruck 160 bis 170 mm Hg (R i v a - R o c c i). Buls tu Ruhe
84 bis 96, im Stehen und nach geringer Bewegung meist über lim.
Herztöne leise und undeutlich, ausgesprochener üalopprhvtlmms.
Mehrmals in der Nacht Urinieren, die Nachtmengen des Harns sind
grösser als die Tagesmengen (Nykturie). Diese bedrohliche Situation
änderte sich überraschend rasch, nachdem vom 25. 1. o<s ab unter
Weglassung jedes Medikamentes täglich 2 Liter Milch als alleinige
Nahrungs- und Bliissigkeitsaufnahme zugeführt wurden. Unter
raschem Rückgang des Körpergewichts beruhigte sich der Puls, sank
der Blutdruck, verschwand das Eiweiss, die absolute Herzdämpfung,
die nach rechts bis zum rechten Sternalrand gereicht hatte, ging
bis zum linken zurück, das nächtliche Urinieren wurde seltenei. all¬
mählich begannen die Tagesurinmengen die nächtlichen zu über¬
wiegen, der Stauungshusten verschwand, der Schlaf wurde tuhig,
die Dyspnoe ging zurück, das Allgemeinbefinden wurde vortrefflich.
Vom 25. I. bis zum 15. IV., in 81 Tagen erfolgte eine Reduktion des
Körpergewichts um rund 21 kg. Der Kranke ist während seiner
Kur ohne Unterbrechung mit ständig wachsendem Kraitgeiiihl seinen
umfangreichen Geschäften als Leiter eines industriellen Etablisse¬
ments nachgekommen.
Ich lasse die Hauptdaten dieses Falles und einiger anderer,
die ich als Beispiele aus der wesentlich grosseren Reihe der
von mir überhaupt beobachteten Fülle herausgreife, tabellarisch
folgen. Es werden sich aus dieser Zusammenstellung eine
Reihe von Gesichtspunkten ergeben, die noch erörtert werden
sollen.
(Tabelle I siche nächste Seite.)
Als Annäherungswert für das „Normalgewicht“ eines
Individuums habe ich in dieser Tabelle so viel Kilogramm an¬
genommen, als die Körperlänge Zentimeter über 1(mi beträgt.
Einem Mann von 170 cm Körperläuge würde hiernach ein
Normalgewicht von 70 kg zukommeii. Dieses „Normal-
gewicht“ kann man - wieder natürlich nur in Annäherung
als ein bequemes Mass fiir die an den Zersetzungen sich eigent¬
lich beteiligenden Körpermnsse benutzen, während man den
unter dieses Normalgewicht hiiiausgeheitden Fettiibersclniss
als an den Umsetzungen sich nicht beteiligenden Ballast be¬
trachtet. Eine solche Betrachtungsweise ist jedenfalls richtiger,
als wenn man das ganze Körpergewicht eines Fettleibigen in
gleichem Masse wie das einer Normalperson an den Um¬
setzungen beteiligt ansieht. Der Gewiclitsiiberschuss über das
Normalgewicht ist im einzelnen Falle sowohl absolut als auch
relativ angegeben. & )
0 S. Eulenburgs Realenzyklopädie, Artikel über Fettsucht.
5 ) Die hier gemachte Annahme führt eher zu etw as hohen Wer¬
ten fiir das ..Normalgewicht“ (s. v. Noorden: Kapitel Fettsucht in
Nothnagels Handbuch.'S. 3 u. 4), was aber für die vorliegende Be-
” ichtimg nur vorteilhaft ist.
Man bekommt besonders durch d.e letztere Zahl ein redn
anschauliches Urteil über das relative Mass der Felde.bigkeit
eines Individuums. Denn ein relativer < iew ichtMiberschuss \ * *n
Z. B. 40 Pro/, bedeutet für jedes Individuum dasselbe, audi
wenn er durJi ganz verschiedene absolute Gewichte datge-
stellt wird. Die m der Milch dem Organismus angeborene«
Kaloriennieugeii sa J in der Tabelle sowohl auf das tatsäch¬
liche als auf dtis Y*r:na!gcw iclit des u./elian Ii.d.v idmims
verrechnet. Es erg.bt s;di dabei selbstv erstand!.ch. dass m
bezug auf das Kilogramm Normalgvvv idit das ka!<»riei:a::gcb<»:
teilweise sehr erheblich hdicr ist, als aut das Kilogramm tat¬
sächliches (iew ich:. Für J e u Voraussicht!! c h e II
Effekt der Entfettungskur ist das Kalorien-
a n gebot per Kling r a m m Nor m a ! g e w i c h t aus.
s c h ! a g g e b e n d.
Das hiervon unter Umstanden sehr abweichende KaorufU
angelmt pro Kilogramm ta'.s.u hudies Gewühl ist weit wen.ger
wichtig. (In dun vorher skizzierte i: lade war das Kadr.u:-
augebot pro Kilo tatsächliches Gewicht lo.o. pm Kilo Noruui-
gew icht aber 17,'s Kalorien.) Fis zeigt stdi nun bei Durchsicht
der Tabelle, dass ein kralliger Ende ttungsefik kt fast durch¬
gängig zu verzeichnen ist, wenn das k ab Tiergebot pro Kd«*
Normalgewicht H> 17 Kalorien betragt. Annähernd d:«.s L
Kalorierimenge, nämlich 1(>.2 Kalorien, sind m 25 cun M;!di
enthalten, wenn der Durchschmtisgehalt der Milch an Kalorien
(>5n pro Liter angenommen wird.
Diese Annahme ist bei einer guten \<d!:mldi zutreffend.
Man erhalt also die v orausidithdi im im/eluen Fade zu
energischer Entfettung passende taghelle Mi'dmuu gt ) m
Kubikzentimetern, indem man den ZcutmietuubusJuss der
Korperlange über 1 <hi mit 25 ,,H 'i multipliziert. Busp.G:
Fan Mensch ist lsn cm gross. Man begann bei ihm zur Ent¬
fettung mit 4 2»hni ccm Milch; oder ein Mensch ist
IGS cm gross. Man beginnt bei ihm mit 4 ’ 17"" cun
Milch. Will man nicht mit 1<>.2 Ka!<*ikn pro Kd«*. wie es .mf
diese Weise geschieht, sondern in niederer meist audi ge¬
nügender Weise mit ungefähr 17 oder l s Kai* r:eu Ikgmn.ei:.
so legt man 110 J 1 Dh» resp. 2 ihi cun Mildi zu. Das wurde tu:
diese Beispiele em Beginn mit 21"" oder 2d"> resp. jsim b.s
EX Hl Milch bedeuten.
Man wird um so eher von vornherein m:t d.eser Zulage
beginnen, wenn man es mit einem rüstigen Ii.d.v ;Juu:n zu tun
hat, das sich Bewegung machen kamt und zu m.iJuii genügt
ist. Im Allgemeinen trillt dies mein bei Männern ,ds Ku Frauen
ZU. Bei der anfangs gewählten Menge hiebt m.m. wei.u sie
sich dauernd bewahrt, oder man geht ie nachdem etwas aul-
oder abwärts. Der durchs», hn.ttiic he t.»gliche Gewichtsver¬
lust, den man bei längeren Kuren so erhalt, ist von Fall zu Fall
nicht gleich. Fr betragt in de n arge fi.lu teil Be.spuk n 1-i" b.s
2(>" g. Da wo siJi wesentlich fuhue |agujie < ie w tgk'sver-
Inste- herausstellteii (Fall 3, 5, (>) handelte es s;di um kurz¬
dauernde Kuren, bei denen der W assgrv erlust sehr stark ms
(iew iclit fallt. Das Dominieren des W asse rver lusies m dtn
ersten lagen einer M.iclk nttettungskur zeigt s,di sehr deut¬
lich. wVun man die Gewichtsverluste m der. e rsti n mit dei en
der folgenden läge-, z. B. m eie:, hauen 5, 4. 5. 7. s v ergle iclit.
Der tägliche (iew k Im s\ er hist der ersten läge kann über 1 kg
betragen (Fall 3, 5, "). I mg-, kehrt könne;; bei R.ickkelir von
der Milchkost zu gemischter Nahrung :u w engen lagen a-ndi
wieder Gewichtszunahmen von mehreren k »l« m statt-
finden, die auch mir auf Wasser bezogen wer du: k *• een.
Eine beweisende bezügliche De« duu litimg liefe: te mm Fall 1.
Der Kr.mke, der bei regeln.iss-.;«.-*- \m•:,*rimiv \ - ui 2 I ter M,\ h
f'-rtw .ihr eiul mul ziemlich gVi Jim.iss g an <uv. :d!( ,p : r hs\? 4
die Km wegen einer gcsdi.it: iJati Reise a.n *> I.m nute rb-ida n
I r ass und trank in diesen Ja K eJf sidi l'e-s n..ee Iw s v
klingen ani/ner legen lind iialun m U:cHt k.r/e* /el i;n: 3,5 k s / n
Linen lag nadi Ahsdnuss Jet K\ ue, a"i 5 •. II’.. nc ’t ..g s e ui » il -
wicht ll\5 kg. Givtcll nadi lh-.r i gu* . .ie' Re.se, .»::, ju |||.,
hatte er wieeier mit 2 Litern Midi Ft g nun n: d Jas \ -r da an
wieeler fortgesetzt. \ui 31. III lern ’.s w < ,er e -i Gek :du \ • n
1 b*.5 kg. aisn 2 kg i iewrd;ts\ e: inst vui m. aut e:e:i 31. III und
") I s empfiehlt ssdi in den Midien, wem r gei’.d moghdi. f e-
S*ijulers gute Milch ans evta r U*»stiutgsta ngen V'. - >.•. • ci /n den'
Milchkuren zu \ e; w enden. \;if dei. lande ist der | A ;:g giUcr
Mi Ich ja leichter.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1571
T a b e 1 1 e I.
—
Ä
Ueber-
Kalorienzufuhr
_
..
-- fs*
Geschlecht,
Da-
c
o
£
gewicht über
das Normal-
Milch-
pro Tag
Kur-
uewichts-
:CÖ
menge
abnah me
z
Name,
tum
fe 5
gewicht
pro
Tag
pro Kg
ries
tage
Bemerkungen
Alter
1908
absol.
absol.
o
■O
Proz.
ccm
tatsächl.
Normal-
pro
&
j Gewicht
gewicht
kg
Tag
t
Herr Q. Th.
25. I.
173
133,5
60,5
83
Fabrikdirektor, leitet in der Kurzeit sein
46 J.
15. IV.
112,5
39,5
54
2000
1300
10,6
17,8
81
21
0,26
Geschärt weiter, wenig körperliche Be-
wegung, Herzschwäche.
2
Herr H. S.
178
107,6
29,5
38
Universitätslehrer. Während der Kurzeit
33 J.
94,0
16,0
20
2000
1300
13
17
56
13,5
0,23
seinen Beruf ausübend, mässig viel Be-
wegung. Gesund.
3
Herr Str.
15. VI.
182
100,2
18,2
22
Bahnbeamter im äusseren Dienst be-
31 J.
18. VI.
96,6
—
—
2000
1300
13,4
16
3
3,6
1,2
schäftigt, muss viel gehen. Wohlbefinden
22. VI.
95.7
92.7
—
—
2500
1625
17,0
20
4
0,9
1,22
während der Kur. Nur am Schluss etwas
30. VI.
7,5
9
2500
1625
17,3
20
8
3.0
0,37
matt und leichte Rückenschmerzen. Vor
15
7,5
0,26
der Kur Herzbeschwerden, die sich wäh-
rend der Kur verlieren.
4
Herr W.
16. V.
176
108
32
42
Offizier, wegen Herzschwäche krank ge-
40 J.
19. V.
106,6
2000
1300
12
17
3
1,4
0,46
meldet, macht sich während der Kur Be-
25. V.
105,6
29,6
39
2000
1300
12
17
6
1,0
0,17
wegung.
9
2,4
0,26
5
Herr v. M.
16. V.
178
93,7
89,2
15,7
20
Sänger, Herzbeschwerden nach Influenza
37 J.
20. V.
$
2000
1300
14,6
17
4
4,5
1,1
mvocarditis. Während der Kurzeit seinen
22. V.
88,3
10,3
13
2000
1300
14,6
17
2
0,9
0,45
Beruf nicht ausübend, mässig viel Be¬
6
5,4
0,9
wegung.
b
Frau K.
4. VI.
168
77^7
75,6
9,7
14
Macht sich während der Kurzeit mittlere
40 J.
6. VI.
1500
975
12,8
14,3
2
2,1
1,05
Bewegung. Herzbeschwerden.
12. VI.
73,6
5,6
i 8
1750
1140
15,5
17
6
2,0
0,33
8
_4,JJ
0,5
7
Frau A. W.
9. III.
165
9475
92,4
29,5
r- 45 -i
Macht sich während der Kurzeit mittlere
44 J.
12. III.
2000
1300
13,6
20
3
2,1
0,7
Bewegung. Gesund.
23. III.
91,6
2000
1300
14,0
20
11
0,8
0,07
24. III.
91,2
i
1800
1170
12,8
18
1
0,4
0,4
27. III.
90,9
1750
1140
12,5
18
3
0,3
0,1
7. IV.
89,0
1500
925
10,8
15
11
1,9
0,17
8. IV.
88,7
1250
812
9,1
13
1
0,3
0,3
21. IV.
85,2
20,2
31
1500
975
11,2
15
13
3,5
0,13
1
43
9,3
\ 0,21
ü'
^ Frau R.
16 .VT
155
87,7
32,7
; 60
Ausgesprochene Herzschwäche, Klappen¬
58 J.
19. V.
86,5
2000
1300
15,0
23,6
3
1,2
0,4
fehler. Während der Kurzeit ‘fast keine
23. V.
85,4
|
2000
1300
15,0
23,6
4
1,1
0,27
Bewegung Sehr wesentliche Besserung
27. V.
85,6
2000
1300.
15,0
23,6
4
+ 0,2
+ 0,02
inbezug auf das Herz.
31. V.
85,4
!
1750
1140
13,1
20
4
0,2
0,05
2. VI.
84,4
1500
975
11,5
17,7
2
1,0
0,50
12. VI.
83,8
1500
975
11,5
17,7
10
0,6
0,06
22. VI.
82,6
27,6
50
1250
812
9,8
15
10
1,2
0,12
[
37
5,1
0,14
\orn 31. III. auf den 1. IV. abermals 1,5 kg Abnahme. Dass es sich
hierbei nur um Wasseraufnahme und -abgabe handeln konnte (NB. nie
sichtbare Oedeme, auch nicht in den schlechtesten Zeiten, geschweige
denn in diesen guten) liegt auf der Hand.
Man wird kaum fehl gehen, wenn man in der grösseren
Salzaufnahme bei gemischter Kost die Ursache für diese Ten¬
denz zur Wasseraufspeicherung sucht und umgekehrt die
Eignung der Milch zur Entwässerung im ihrer Salzarmut für
begründet hält.
Bei Entfettungskuren pflegt man bekanntlich dem Ver¬
halten der Stickstoffbilanz Wichtigkeit beizulegen, indem man in
grösseren Stickstoffverlusten vom Körper die Ursache für das
Eintreten von Schwächezuständen bei der Entfettungskur
sucht. , , ,
Diese Annahme kann indessen nicht als bewiesen gelten
und man wird sie keineswegs von vornherein als Kriterium für
die Zweckmässigkeit oder Zulässigkeit einer Entfettungskur
benützen, dürfen. Was die hier mitgeteilten Fälle anlangt, so
habe ich schon hervorgehoben, dass sie die Kur gut, ja zu¬
meist mit steigendem Wohlbefinden vertragen und dass das
gerade auch für die Fälle zutrifft, die ausgesprochene Herz¬
schwäche zeigten (Fall 1 und Fall 8).
Herzbeschwerden, wenn auch ohne besondere Herz¬
schwäche, zeigten auch die Fälle 3, 4, 5, 6. In allen Fällen war
während und nach der Kur das Verhalten des Herzens ein
besseres, zumeist wurde auch die Pulszahl deutlich langsamer.
Ich hebe das hier hervor, weil ich Qrund habe anzunehmen,
das» in meinen Fällen Stickstoffverluste vom Körper nicht ver¬
mieden wurden. Fest steht dies für den ausgezeichnet be-
! einflussten Fall 1, von dem mir durch lange Zeiten hindurch
| tägliche Stickstoffbestimmungen im Harn und stichproben-
j weise solche in der Milch vorliegen 7 ) (s. Tab. 2). Der Stick¬
stoffverlust war hier ein nicht unerheblicher. Er betrug in 48
Tagen reiner Milchdiät 8 ) 88,9 g, d. i. pro Tag 1,8 g. Und
trotzdem spricht gerade in diesem Falle der Erfolg besonders
deutlich für die Kur.
(TabelleJI siehe nächste^-Seite.)
Von D a p p e r und v. Noorden ist hervorgehoben
worden"), dass man bei Entziehungskuren einen Eiweissver¬
lust vom Körper in der Regel vermeiden könne, wenn man das
Eiweiss in der Kost relativ vorwalten lasse. Aus den Zahlen
der D a p p e r sehen Arbeit (1. c.) lässt sich berechnen, dass
dies gewöhnlich der Fall ist, wenn das Eiweiss zwischen 30
und 40 Proz. der gesamten in der Nahrung enthaltenem Kalo¬
rienmenge deckt. In der Milch ist das Eiweiss nun nur mit
ca. 20 Proz. an dem Kaloriengehalt beteiligt. Ich habe daher
versuchsweise an 5 Tagen (10.—14. II., Tabelle 2) den Ei¬
weissgehalt der Milchkost durch Zulage von je 30 g Nutrose
7 ) Da sich fast alle meine Beobachtungen auf Fälle der privaten
Praxis beziehen, so Messen sich Stoffwechseluntersuchungen nicht
bei allen ermöglichen.
8 ) Die in Betracht gezogenen Tage sind in der Tabelle mit *
bezeichnet. Zur Berechnung des Stickstoffverlustes wurde von dem
eingeführten Milch-N noch 11 Proz. als Verlust mit dem Kot in Ab¬
zug gebracht.
fl ) Ueber Entfettungskuren. Archiv f. Verdauungskrankh. 18^7,
Bd. 3, H. 1.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1572
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .vi.
Tabelle 11. (Fall I.)
Datum
Körper¬
gewicht
kg
Pulsfrequenz
in Min.
Harn¬
menge
Milch
ccm
Stickstoff
gr
im Harn
Stickstoff¬
aufnahme
abzüglich
des Kot¬
stickstoffs
(11 Proz.)
Stickstoff-
hilanz
H c in c r k u n g c n
abends
morgens
von 24 St.
2. II.
127,5
87
84
1380
2<MX)
13 329
9,12
— 4 2!
3. II.*
127,0
72
84
1140
10 S22
V
— 1.7o
4. 11.*
126,5
73
81
910
91 i9<;
-f 1
5. II.*
126,0
75
88
1520
12 22o
- 3.10
6. II.*
125,5
76
86
1287
4 047
— 1.93
7. II.*
125,0
76
78
736
8 770
9,32
4-0.55
8. II.*
124,75
74
83
1140
10 619
- 1.30
9. 11 *
124,5
85
76
1150
10 123
— 0 SO
10. II.
124,0
76
85
980
11 032
12.oo
4-1 >7
.io g Nutr«»se.
11. II.
123,75
86
84
1030
13 670
12/* >
— o,77
.*o g Nutrose.
12. II.
123,5
76
81
945
15 334
— 2,43
•Io g Nutrose.
13. II.
123,5
84
86
1030
17 775
9
— 4*7
.1" g Nutrose.
14. II.
123,5
75
78
1010
13 559
9
— 0.t>0
Jo g Nutrosc.
15. II.
123,0
84
80
—
—
—
—
16. II.
—
_
—
_
—
—
17. II*
123,0
76
84
_
2000
12 322
9.32
— 3,oo
18. II.*
122,5
73
86
1130
13 246
- 4.92
19. II.*
122,25
73
86
1125
13 025
— 3.70
20. II.*
122,75
76
79
1105
8 590
4-0.73
21. II.*
121,25
69
73
925
11 715
— 2.30
22. II.*
121,0
69
82
870
10 00
— 1.28
23. II.*
120,75
68
74
1345
11 9*7
- 2,M>
24. II*
120,5
66
72
1375
10 303
— 11,0s
25. 11.*
120,25
66
72
1020
10 12.3
- ustl
26. II.*
120,0
62
70
1405
12 271
— 2.05
27. II.*
119,75
66
66
965
9 HM
— o,5o
28. 11.
119,5
62
65
1030
—
—
—
Wahrscheinlich nebenbei gemischte
29. II.
119,0
65
70
—
—
—
—
Kost.
2.. III.
119,0
62
64
1425
2000
15 5**9
9,13
— 0.40
3 III.*
119,0
64
70
1300
m
11 355
- 2.22
4- III.*
118,5
61
68
1.360
11 572
- 2.44
5- III.*
118,25
64
61
920
9 507
- 0,40
6. III.
118,00
64
64
920
_
—
7. III.
119,00
70
68
1225
9
15 220
9,13
— 0,1 rf)
Nebenbei gemischte K« st.
8. III.*
118,5
64
64
1010
•
11 8o9
— 2 .OM
9. III.*
118,5
64
<xS
1100
*
11 037
1.01
10. III *
118,0
64
68
1175
•
10 213
1.08
11. III.*
117,5
58
67
1205
11 290
— 2.K»
12. III.*
117,25
56
64
1490
•
13.341
— 4,21
13. III.*
117,00
61
63
990
•
10.342
1.21
14. III.*
116,75
61
64
1490
•
12 4**8
3.14
15. III.*
116,25
57
63
1260
9 476
0.34
16. III;*
116,00
54
61
935
i 10 478
— 1,34
17. III.*
115,5
58
61
890
! 11 552
- 2.42
18. III.*
115,5
68
62
930
|0 *16
— 1,00
19. III.*
115,5
57
62
92(1
7 «X>5
4- F17
20. III.*
115,0
56
62
1030
10 141
- l.ol
21. III.
115,0
—
—
_
—
-
—
—
\ om 22.11. bis Js. 111 in kl. gernisv 1: te
30. III.
118,5
k'»st, \ on da .3» w k der nur 2 1 Mikh.
31. III.
116,5
64
72
2425
io
—
_
—
1. IV.*
115,75
65
64
1515
12 no5
9.13
- 2.03
2. IV.*
115,25
64
67
1600
12 176
- 3,o4
3. IV.*
114,5
59
68
1625
12 594
- 3.4o
4. IV*
114,0
68
68
1315
•
11 480
- - 2.35
5. IV *
6. IV.*
113,75
113,37
52
60
65
1275
1680
*
9014
11 (»25
4- 0.12
2,40
7. IV.*
113,25
60
67
1140
9
10 047
1.52
8. IV.*
113,00
67
56
1120
m
10 5M
1.45
9. IV.
113,12
58
60
1010
9
12 304
- 3.Jo
Abends FkiS-Jl gegessen.
10. IV.*
113,5
62
68
850
9
10 880
1.75
11. IV.*
113,0
60
62
i880
9
10 9O0
- I.mo
12. IV.*
112,5
62
60
i450
9
11 u>
- 1.03
13. IV.*
112,25
58
63
i380
9
11 (X*
- 1.03
14. IV.*
112,10
54
60
925
9
12 43
•
- 3.30
15. IV.*
112,5
61
60
925
n
9
12 43
•
— 3.3o
*) Die mit einem * bezcichnetcn Tage wurden bei der Aufstellung der Stickstnfibilanz berücksichtigt.
pro Tag uni ca. 35 Proz. gesteigert, so dass nun das Einwciss
mit ca. 26 Proz. an dem Kaloriengehalt der Nahrung partizi¬
pierte. Trotzdem war der Eiweissverlust in diesen Tagen
nicht kleiner sondern grösser. Er betrug auf den Tag be¬
rechnet 2,44 g. Da ausserdem in diesen Tagen die Gewichts¬
abnahme sistierte (Wasserretention infolge Einführung von
Natron mit der Nutrose?) so nahm ich von der Nutrosezulage
Abstand.
Ebenso wie sie für die praktische Handhabung die ein¬
fachsten sind, so sind .Milchkuren auch tur eine eingehende' c
Feststellung der M"fiw cchseiverhaitmsse K* der FcttMkht
von hervorragender Hcberskhutehkeit.
Hm eine approximative Einsicht zu bekommen, genügt so¬
gar schon die Feststellung der SlkkMoit'hilauz. Mal man. w ;e
ui dem eben erörterten Fade, lnr eine gewisse Zeit den >:.k-
stonverlust vom Körper bestimmt, so kann man diesen in i.b-
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28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1573
lieber Weise auf die entsprechende Menge Muskelfleisch um¬
rechnen und» letzteren- Wert von dem gesamten Gewichts¬
verlust der betreffenden Zeit abziehen. Man erhält so in dem
Rest die Menge des Fettgewebes, die der Körper verloren
hat 10 ). Wenn man von dieser wieder die in ihr enthaltene
v Wassermenge in Abzug bringt, 11 ) so erhält man das reine,
kalorisch in Betracht kommende Fett, das der Körper zur
Zersetzung brachte. Hiermit hat man dann alle Daten, welche
zur Beerchnung des Kalorienverbandes bei dem betreffenden
Falle nötig sind.
In unserem Fall 1 durchgeführt ergibt die Rechnung in
dieser Hinsicht:
Stickstoffverlust in 48 Tagen, wie schon erwähnt, 88,9 g.
Auf Eiweiss umgerechnet gibt dies 555,6 g, auf Fleisch um¬
gerechnet 2920 g. Der gesamte Gewichtsverlust in den 48
Tagen betrug 12 500 g. Davon ab die 2920 g Fleisch, bleiben
9580 g, -die als Fettgewebe zu rechnen sind. Den Wasser¬
gehalt derselben = 20 Proz. gerechnet, ergeben sich 7664 g,
und den Wassergehalt = 30 Proz. gerechnet 6706 g reines Fett.
Auf den Tag sind dies 159 resp. 140 g Fett = 1479, resp. 1302
Kalorien. %w diesem Kalorienverbrauch aus zersetztem Körper¬
fett kommen noch 46 Kalorien aus dem vom Körper zersetzten
Eiweiss (1,8 g N-Verlust = 11,25 g Eiweiss = 46 Kalorien)
und 1300 Kalorien aus der aufgenommenen Milch. Der ge¬
samte Kalorienverbrauch pro Tag betrug also im Durchschnitt
der 48 Tage 2825 Kalorien, resp. 2648 Kalorien. Auf das Kilo¬
gramm tatsächliches Körpergewicht gerechnet (mittleres Ge¬
wicht in den 48 Tagen = 120 kg) ist das ein Kalorienverbrauch
von 23,5 Kalorien resp. 22 Kalorien und auf das Kilogramm
, JMormalgerwicht“ (73 kg) gerechnet ein Verbrauch von 38,7 resp.
36,2 Kalorien. Selbstverständlich hat eine solche Rechnung
nur ganz approximativen Wert. Ihre Unsicherheit liegt darin,
dass der Gewichtsverlust ohne weiteres gleich Verlust an Fett¬
gewebe plus Muskelfleisch gesetzt, ein besonderer Wasserver¬
lust aber ausgeschlossen wird, sowie ferner darin, dass der
Wassergehalt des „Fettgewebes“ und übrigens auch des als
„Muskelfleisch“ bezeichneten N-haltigen Gewebes, das vom
Körper verloren ging (das sicher nicht ausschliesslich, vielleicht
nicht einmal vorwiegend wirklich Muskelfleisch ist) nicht genau
bekannt ist. Immerhin aber wird diese Unsicherheit dadurch,
dass eine grosse Reihe von Tagen, herangezogen wurde und
die unsichersten ersten Tage 12 ) unberücksichtigt blieben,
verringert und es dürfte für unseren Fall so viel aus der
Rechnung hervorgehen, dass eine wesentliche Verlangsamung
des Stoffwechsels für ihn nicht bestand (normaler Kalorien¬
bedarf ausser Bett aber ohne körperliche Arbeit auf das Kilo¬
gramm Normalgewicht bezogen = 34 bis 40 Kalorien.) Um
genaue und sichere Einblicke in den Stoffwechsel der Fett¬
leibigen zu bekommen, sind selbstverständlich Respirations¬
versuche nötig, wie sie bislang noch nicht in genügender Zahl
vorliegen. Auch für solche Versuche werden die einfachen
Verhältnisse der Milchkur eine wesentliche Erleichterung
bieten.
Nehmen wir einen Kalorienverbrauch bei einem Fett¬
süchtigen von ca. 34—40 Kalorien pro Kilogramm seines Nor¬
malgewichtes an, was einem normalen Umsatz entsprechen
würde, so deckt die oben für die Milchentfettungskur normierte
Zufuhr von 16—18 Kalorien, pro Kilogramm Normalgewicht an¬
nähernd die Hälfte des Bedarfs. Es wären also bei Menschen
von 60—80 kg Normalgewicht (= 160—180 cm Körperlänge)
noch ca. 1000—1300 Kalorien pro Tag aus der Körpersubstanz
,0 ) Die ersten Tage der Entfettungskur darf man für diese Be¬
rechnung nicht mit heranziehen, da in ihnen der Stickstoffzerfall noch
zu sehr von der vorausgegangenen Ernährungsweise beeinflusst und
der Gewichtsverlust überwiegend durch Wasserabgabe bedingt ist.
11 ) Gorup-Besanez bestimmte als Wassergehalt mensch¬
lichen Fettgewebes 29,9 Proz., Volkmann 15 Proz. (s. Vier-
ordt: Anatomische, physiologische und physikalische Tabellen,
2 . Auf!., 1893, S. 251). C. v. V o i t nimmt als Wassergehalt des Fett¬
gewebes 30 Proz. an (s. v. Noorden: Die Fettsucht, in Nothnagels
Handb. d. spez. Pathol. u. Therapie S. 2). Analysen zweier mensch¬
licher Lipome ergaben 20 und 22 Proz. Wasser (Zeitschr. f. Biol.,
Bd. 31, S. 101 und Pflügers Archiv, Bd. 55, S. 231). Es erscheint
hiernach der Wassergehalt des Fettgewebes nicht immer gleich zu
sein. Man wird mit 20 bis 30 Proz. rechnen müssen.
**) s. oben Anmerkung.
beizusteuern. Um diese nur aus Fett zu bestreiten, wären
! 107 bis 140 g reines Fett oder ca. 142—186 g Fettgewebe, dieses
j als zu 25 Proz. wasserhaltig angenommen, nötig. Berücksichtigt
main nun, dass die vom Organismus gelieferten Kalorien nicht
ausschliesslich aus Fett, sondern auch aus stickstoffhaltiger
Leibessubstanz stammen, die kalorisch weniger hochwertig als
Fett ist, so ergibt sich, dass man einen täglichen Gewichts¬
verlust von etwas mehr als 140—190 g bei einer solchen Ent¬
fettungskur erwarten kann. Die ersten, infolge reichlicher
Wasserabgabe mit unverhältnismässig grossen Gewichtsver¬
lusten einhergehenden Tage sind natürlich dabei ausgenommen.
Ich fasse mein Urteil und meine Erfahrungen über die
Milchentfettungskur nochmals kurz zusammen: Die Kur ist
die einfachste und bequemste, zugleich auch
billigste unter den bisher üblichen. Sie er¬
möglicht dem Arzt auf leichteste Weise eine
quantitative Individualisierung je nach dem
zu behandelnden Patienten und stellt an die
Anstelligkeit der Patienten in Bezug auf Be¬
folgung der Vorschriften die geringsten An¬
forderungen. Quälender Hunger pflegt bei
der Milchkur trotz dem geringen Nahrungs¬
angebot nicht aufzutreten. Durstgefühlfehlt
überhaupt. Besondersgeeignetist die Milch¬
kur bei Komplikationen von seiten des
Herzens und der Nieren. Herzbeschwerden
pflegen bald nachzulassen, erhöhte Puls¬
spannung wird meist geringer, vermehrte
Pulsfrequenz geht häufig, zurück. Als uner¬
wünschte Nebenerscheinungen werden beobachtet Stuhlver¬
stopfung (seltener auch Durchfall), hie und da Kopfweh und
auch Rückenweh, bei zu rascher Abnahme auch Mattigkeit.
Dass alles, was ich angeführt habe, nicht absolut starr und
schablonenmässig angewandt werden darf, dass hier wie
überall trotz der gegebenen Regel der Arzt von Fall zu Fall
beobachten und Erfahrung sammeln muss, dass es Fälle geben
wird, die sich gegen die Milchkur ablehnend verhalten oder
denen sie aus dem oder jenem Grund nicht bekommt, das ist
natürlich. Ich glaube aber sagen zu dürfen, dass das Aus¬
nahmen sein werden.
Aus Dr. W e i c k e r s Lungenheilanstalten in Görbersdorf
(Chefarzt: Dr. Hans W e i c k e r).
Ueber Kollapsinduration der rechten Lungenspitze bei
chronisch behinderter Nasenatmung und ihre DifFerential-
diagnose gegen Tuberkulose der Lunge.
Von Dr. Karl Blümel in Dresden.
Vor fast einem Jahre machte mich mein bisheriger Chef,
Dr. Weicker, auf Grund einer mündlichen Mitteilung von
G. K r ö n i g - Berlin auf einen Symptomenkomplex bei
Lungenerkrankungen aufmerksam, den Krönig schon seit
längerer Zeit beobachtet hatte: auf die (von ihm so genannte)
einfache, nichttuberkulöse Kollapsinduration der rechten
Lungenspitze bei chronisch behinderter Nasenatmung. Wir
haben seitdem diesem Krankheitsbild unsere besondere Auf¬
merksamkeit zugewandt, und geben, nachdem nunmehr
K r ö n i g seine eigenen Erfahrungen veröffentlicht hat 0, auch
die unsrigen bekannt.
Krönig erhebt folgenden typischen Befund: anamne¬
stisch: seit längerer Zeit, meist seit frühester Kindheit, be¬
hinderte Nasenatmung; objektiv: Physiognomie der Mund-
atmer, Thorax gut entwickelt, rechte Spitze eingezogen, bleibt
bei der Atmung der linken gegenüber zurück. Perkussorisch
ergibt sich Dämpfung rechts vorn und hinten oben, mit Ein¬
engung der „Schallfelder“ (Krönig); auskultatorisch ein
manchmal bis zu bronchovesikulär verändertes Atemgeräusch,
bisweilen von wenigen Rasselgeräuschen begleitet. Die
unteren Lungengrenzen sind normal, ihre respiratorische Ver¬
schieblichkeit, auch rechts, nicht vermindert. Die Unter¬
suchung des Nasenrachenraumes ergibt gewöhnlich adenoide
Vegetationen, teilweise verbunden mit Hypertrophien der
hinteren Enden der unteren Muscheln.
‘) Q. Krönig: Deutsche Klinik, Band XI, S. 634.
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1574
MUENCHENER MEDIZINISCHE- WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Differentialdiagnostisch Kegen Tuberkulose verwertet
Krönig: 1. die anamnestische Angabe über die chronisch
behinderte Nasenatmung und den entsprechenden objektiven
Befund, 2. die gute Ausdehnung der basalen Lungenpartien,
3. die isolierte Erkrankung der rechten Lungenspitze, 4. das
Fehlen aller für einen tuberkulösen Prozess sprechenden Be¬
gleiterscheinungen (Fieberbewegung, Abmagerung, sonstige
Zeichen von Giftwirkung).
Wir können Krönigs Beobachtungen nach den Er¬
fahrungen an unserem Krankenmaterial voll und ganz be¬
stätigen. Wie wichtig es ist, dass dies Krankheitsbild bekannt
und die Erkrankung als nichttuberkulös erkannt wird, lehrt
uns die tägliche Erfahrung der Heilstätte. Es ist durchaus nicht
selten, dass seitens der Aerzte solche Nichttuberkulose als
Phthisiker den Heilanstalten überwiesen werden. Meistens
entspringt die falsche Diagnose dem Bestreben, eine Erkran¬
kung an Lungentuberkulose in ihren Anfängen zu diagnosti¬
zieren und die Kranken möglichst schnell einer zweckmässigen
Behandlung zuzuführen. Bei uns sind im letzten J a h r
bei einem Krankenmaterial von rund 17(M> Patienten zirka
5 Proz. N i c h 11 u b e r k u I ö s e 85 auf die auswärts,
zumeist von mehreren Aerzten, gestellte Diagnose Lungen¬
tuberkulose hin zur Aufnahme g e k o tu tu e n, von denen
wieder zirka ein Drittel 2* in die von Krönig
beschriebene Kategorie gehören; bei den übrigen
handelt es sich um Emphysematiker, Bronchiektatiker etc. oder
des öfteren um lungengesunde Individuen, bei denen falsche
Bewertung anatomisch-physiologischer Verhältnisse zu der
Diagnose Lungentuberkulose geführt hatte (Perkussions- und
Auskultationsuntcrschiede infolge leichter Skoliose von
Hals- und Brustwirbelsäule, einseitigen Muskelhypertrophien, !
Hängen des rechten Schultergürtels, Verschiedenheiten in Ycr- i
lauf und Verzweigung der Spitzenbronchen |Seufier-
h e I d ’)]).
Ich habe auf meiner Abteilung allein 17 Fälle von nicht¬
tuberkulöser Kollapsinduration der rechten Lungenspitze bei
chronisch behinderter Nasenatmung beobachtet. Das Krank¬
heitsbild im allgemeinen war folgendes; Es handelte
sich zumeist um Kranke im Alter von 18 bis 30 Jahren;
Heredität in Bezug auf Lungentuberkulose war in keinem Falle
vorhanden. Betreffend Wachstum und Entwickelung be¬
gegnete man des öfteren der Angabe: als Kind schwächlich ge¬
wiesen. Der Beginn der „Lungenerkrankung“ wird von einem
halben bis zu 10 Jahren zurückverlegt. Als Krankheitszeichen
werden angegeben: Mattigkeit, Husten, auch Bluthusten, be¬
sonders morgens, Auswurf, Herzklopfen, geringe Kurzatmig¬
keit bei Anstrengungen, Brustschmerzen, unruhiger Schlaf,
Nachtschweisse. Diese Beschwerden bestehen zum Teil schon
jahrelang. Unter „vorausgegangenen oder gleichzeitig be¬
stehenden Krankheiten“ finden wir regelmässig eine oder
einige der folgenden Angaben: wenig oder keine Luft durch
die Nase, viel Schleim aus derselben und aus dem Rachen,
Kratzen, Hustenreiz, Trockenheitsgefühl im Halse, Neigung zu
Husten und Schnupfen, häufige Luftröhrenkatarrhe, öftere
Mandelentzündungen.
Gearbeitet hatte die Mehrzahl der Kranken bis zu ihrer
Einweisung in die Heilstätte, meist ununterbrochen, wenn sie
nicht auf den Rat des Arztes, manchmal wegen scheinbar be¬
drohlicher Symptome (Blutspucken s. u.) die Arbeit nieder¬
gelegt hatten.
Unter diesen ana m n e s t i s c h e n D a teil fin¬
den wir kein e, d e n c n w i r nicht a u ch b e i
Lungentuberkulose begegnen. Es sind dieselben
Störungen des Allgemeinbefindens, dieselben Erscheinungen
seitens der Atmungsorgane und des Herzens. Dagegen fällt
uns immerhin auf: das gleichmässige Fehlen der Heredität,
die im Verhältnis zu der langen Dauer der Erkrankung ge¬
ringen Beschwerden, das Fehlen der Abnahme an Körper¬
gewicht und die stets gleichzeitigen Klagen über die Behinde¬
rung der Nasenatmung. Gerade diese letzte Klage bringen
die Kranken vielfach oder zumeist mehr als Nebensache vor,
sie stellen den Husten und Auswurf und die Störungen des
*) S e u f f c r h c I d: Heber den Unterschied im physikalischen
\ erhalten beider Lungenspitzen. Brauers Beiträge zur kkmk der
Tuberkulose, Band VII, lieft 1 .
Allgemeinbefindens ganz in den \ ordergrund. da sie mJi an
die Mundatmung im Laufe der Jahre gewohnt haben. So
kommt cs. dass auch der Arzt den Erkrankungen der Nase
und des Nasenrachenraums kaum Beachtung schenkt; d.e Er¬
wägung, dass im Kindesalter adenoide Vegetationen z. B. einen
schlechten Kräfte- und Allgemein/iistar.J veranlagen a's
Folge der gestörten Nachtruhe und der m.m K eIkaiten Er¬
nährung, dass hier Husten und Aiiswuri eine Folge der Katarrhe
der obersten Luftwege sind, dass Blutungen bei Entzimdm gs-
vorgängen mit (iranulationsbildung im Radien tmd Kehlkopf
gar nicht selten Vorkommen, hegt ihm beim Erwachsenen
ferner.
Der objektive Befund bei d* r K«*!!apvr. Jura tarn ist
meist folgender: Ernährungszustand nuttd bis mass.g. Habnus
nicht phtlnsisch, Knochenbau und Muskulatur nnttcl. Der < ic-
sichtsausdruck weist zumeist die typische Ph\sj<»-
g n o m i e d e r M u n d ;i t m e r auf: ( bienstchcn Jcs Mündts.
Herabhangen der Unterlippe, YerstnJicnscai der NasM'.abia!-
falten. Mangel an Beweglichkeit und VusdriuksLsh.gkcB d^
Mienenspiels, was alles dem Gesicht den bekannten müden und
schläfrigen, ia manchmal blöden Ausdruck \er!e,ht (/arn;k<* : ).
Die Sprache ist meist nasal. vielfach d.e tvpisdie ..tote"
Sprache. Im Wesen der Kranken fallt eine gew.ss C Schüch¬
ternheit und Aengstlklikeit auf. ein Mangel an Intel:,gen/ und
Energie, den man als nervöse Schwache hezeidmet unj h.er
speziell mit dem Namen „Aproseve“ belegt hat.
Der I hora \ ist gut gewölbt, seine Ausdehnung < Vte In¬
differenz) meist eine mittlere. Bei der hisptklm n lallt der
I lefstaud der rechten Spitze und Jic Eu.se n.kur.g der rechten
Bossa supracla\icularis und über der B'nssu supraspu ata aut;
bei der Atmung bleibt die rechte Spitze gegenüber der linken,
manchmal sehr ausgesprochen, zurück. Die unteren, l.ur.gcn-
grenzen sind normal, die respiratorische \ersduKichlu:!
beider Lungen nicht vermindert.
Die Palpation ergibt zumeist eine deuthdi vermehrte
Resistenz über der rechten Spitze.
P e r k u s s i o n s h e f u n d; Lichte V erkürzung Ins mas¬
sige Dämpfung über der rechten Spitze, vom meist bis zur
I., öfter II. Rippe gehend, hinten bis oberhalb Kzagl. Sp.na
scapulae. Die Schallfelder (K ronig) zeugen sidi itnmet
etwas, manchmal bedeutend eingeengt <\ ersjimalert). D.e
rechte Spitze wurde bis zu 2 ein tiefer stehend getänden a's
die linke.
A u s k u I t a t i o n s b e i u n d; Alle Mod.ukat.oneii des
Atemgeräusches bis zu \ esikobror.chia’cm Atmen. am häu¬
figsten verschärftes und vesikobroudnalcs mit \ e: hmgertem
Exspirium; Nebengeräusche horten wir in über der Hälfte der
Fälle; sie waren immer trocken, meist krackend und wurden
vielfach erst bei tiefem Inspinum und bei Hustens!, »ssem wahr¬
genommen. Die Elusterstimme ist zumeist bedeutend ver¬
stärkt iiber der erkrankten Lur.genpatMe.
Die Untersucliung der o b e r e u L u I t w eg e ergibt eme
teilweise Behinderung der Nasenatmung. d.e sidi ; t uf oii
völliges oder teilweises V erlegtsun der Nase selbst ( der des
Nasenrachenraums gründet. Die häutigsten Befunde waren,
wie auch bei K ronig. adenoide Vegetationen. Mehrmals be¬
standen chronische Empyeme der Kieferhöhlen m:t sekundäre :i
Muschelhypertrophien und P< Tv■{Umbildung, in en .gen Baken
hochgradige Verbiegungen der Nasetrscheidew and m;t Domen
und Leisten und h ypertroplus Juni unteren NV u sc li e! n . Daneben
fanden sich des öfteren In pertrophis v he JonsTen. D:e
Schleimhäute von Nase. Radien und Kehlkopf waren ment im
Zustande des fenditen hvpertfophivK n Katarrhs, also mehr
oder weniger iniiziert. und mit gesell w o’kmen I c'.ke'n besetzt.
Die Stimmbänder w aren von leichter Rötung md \ Tebemhe::
des freien Randes bis zu sdimutzig-roter Earburg tmd walzen¬
förmiger V\ tiIstung v erändert .
Das S p u t ü tu war, wo es vorhanden war und das
betraf ca. ‘ <j cr Fälle von zäher, gu;rs:ger. te.ls w asser g-
d!inller Beschaffenheit, mit viel Speichel n::*e runs^ ht. und i.ess
schon auf den ersten Blick nrv fimkmt't aus den ohemn
Luftw egen vermuten; öfter s.ihen w ;r a idi graublaue B.*“e%
wie sie für pneiimokonmtisdie Erkr.okmgen tvp.sdi vr*d.
3 ) Zar Miko; Die' Krankheiten d- Voe un ! -äs
raumes. S. Karger, l‘«h.
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28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1575
Tuberkelbazillen fanden sich (natürlich!) niemals, Kokken in
wechselnder Menge; zahlreich waren stets Epithelien der
oberen Luftwege vorhanden.
Es ist ohne weiteres klar, dass das hier eben entwickelte
Bild, was den Lungenbefund anbetrifft, mit einer beginnenden
Phthise manche Aehnlichkeit hat. Es bestehen Differenzen in
dem Verhalten beider Lungenspitzen, es bestehen perkus-
sorische und auskultatorische Veränderungen, die gleicher¬
weise einen tuberkulösen Prozess vermuten lassen können.
Und selbstverständlich können die pathologischen Verhältnisse
der oberen Luftwege ebensogut ein hervorragend ätiologisches
oder besser disponierendes Moment für eine Lungentuber¬
kulose gebildet haben, wie sie auch lediglich eine zufällige
augenblickliche Komplikation derselben (Nebenhöhlenempyem!)
sein können . Es darf auch nicht übersehen werden, dass aus
der somatischen Disposition infolge des geschilderten Sym-
ptomenkomplexes auch eine geistige Minderwertigkeit resul¬
tiert, welche den Kranken wirtschaftlich nicht prosperieren
lässt. Dass aber wirtschaftlicher Notstand zur Tuberkulose
disponiert, ist ein soziales Axiom.
Trotz der eben erwähnten Aehnlichkeit des Krankheits¬
bildes der Kollapsinduration mit Lungentuberkulose finden sich
aber doch sehr viele Einzelheiten, die die Differential-
d i a g n o s e nicht nur ermöglichen, sondern die Kollaps¬
induration als ein festumgrenztes typisches Krankheitsbild er¬
kennen lassen. So vermissen wir der Phthise gegenüber den
Habitus phthisikus, den Thorax paralyticus, eine Verringerung
der respiratorischen Verschieblichkeit der basalen Lungen¬
partien (vergl. Krönig), eine Miterkrankung oder überhaupt
eine Erkrankung der linken Lunge, eine weitere Ausdehnung
des Krankheitsprozesses über einen grösseren Lungenbezirk;
wir finden keine Symptome ulzeröser Prozesse, keine anderen
als trockene und knackende Nebengeräusche. Der Sputum¬
befund ist gleichmäsig negativ in Bezug auf Tuberkelbazillen.,
Wir sehen, auch wenn keine besondere Behandlung eintritt,
keine wesentliche Verschlimmerung des Zustandes, keine
akuten Exazerbationen, kein Fieber, keine Lungen¬
blutungen und keine marastischen Zustände. Wir finden
auch keine Dyspnoe, sobald der Mund statt der Nase zur
Atmung gebraucht wird.
Dagegen finden wir: einen nicht wesentlich reduzierten
Allgemeinzustand, einen gutentwickelten Thorax, eine normale
Exkursionsbreite der unteren Lungenpartien, ein vollkommenes
Beschränktsein des Krankheitsprozesses auf die rechte Lunge
und hier immer auf die Spitze, immer die gleichen physi¬
kalischen Erscheinungen, stets das Bild der bindegewebigen
Induration mit kollaptiver Schrumpfung, das den oberen Luft¬
wegen entstammende Sputum, einen wenig aktiven Krank¬
heitsprozess, ein Verschwinden der Dyspnoe bei Qebrauch
der Mundatmung und einen typischen Befund in Nase oder
Nasenrachenraum.
(Krönig hat in seiner Arbeit [I. c.] Typen von Mundatmern
mit Einzeichnung des Perkussionsbefundes abgebildet; die Bilder sind
so instruktiv, dass schon durch einen Blick eine Orientierung möglich
ist Wir verzichten daher darauf, unsere eigenen Photogramme zu
publizieren. Es gelang, bei dergleichen Individuen die Wahrschein¬
lichkeitsdiagnose schon gelegentlich der Adspektion zu stellen.)
Selbstverständlich kann auch eine bazilläre Tuberkulose
den eben beschriebenen Symptomenkomplex darbieten und
unter ähnlichen Erscheinungen anfänglich verlaufen, wie das
oben bereits gesagt ist. Und w r ir wissen ja aus hundertfacher
Erfahrung, dass gerade die initialen Tuberkulosen die ange¬
führten Symptome der spezifischen Erkrankung wenig aus¬
gesprochen haben, ja sie häufig genug fast ganz vermissen
lassen. Und doch sind es unzweifelhaft Tuberkulosen, wie
der weitere Verlauf lehrt. Wir wollen aber durchaus nicht
etwa hier empfehlen, erst die Probe aufs Exempel zu machen
und abzuwarten, bis alle Symptome der Lungentuberkulose
klinisch vorhanden sind und die Zeit zum Handeln vielleicht
vorbei ist. Es ist eben, wo der Symptomenkomplex der
Kollapsinduration nicht vollständig ausgebildct ist, nur eine
relative Umgrenzung des Krankheitsbildes möglich, wenn der
objektive Befund allein zur Diagnose herangezogen wird.
Man hat dann zu versuchen, die Diagnose noch anderweitig zu
stützen. Die erste und entscheidendste Stütze
für die Diagnose liegt hier in dem Erfolge
derTherapie. Es gilt hier wie selten anderswo: cessante
causa cessat effectus. Die Kranken sind nach einem sach-
gemässen chirurgischen Eingriff wie umgewandelt. Die
Besserung tritt sofort nach der Operation mit dem Eintreten
der freien Nasenatmung ein; alle subjektiven Beschwerden
verschwinden, der Allgemeinzustand hebt sich in geradezu auf¬
fallendem Masse. Husten und Auswurf lassen nach, blutig
gefärbter Auswurf wird nicht mehr expektoriert, Kurzatmigkeit
und Herzklopfen, sowie die lästigen Katarrhe der oberen Luft¬
wege sind bald verschwunden. Die nervösen Erscheinungen
(Aprosexie) gehen schnell zurück, die Sprache verliert ihren
nasalen Charakter.
Der objektive Befund über den Lungen bleibt meist
stationär, nur dass die Nebengeräusche in manchen Fällen ver¬
schwinden'. Dieser Zustand ist aber auch dann ein stationärer,
wenn der operative Eingriff unterblieb, wie uns die Beob¬
achtung einzelner Kranker lehrte, die, aus äusseren Gründen
nicht operiert, sich bis zu 3 Monaten in der Anstalt auf¬
hielten. Hier hatte aber das hygienisch-diätetische Heil¬
verfahren bezüglich der subjektiven Beschwerden auch nicht
im Entferntesten den Erfolg, den in den andern Fällen die
rhinologische Behandlung hatte. Jedenfalls empfiehlt es sich,
gleichgültig, ob nun bazilläre Tuberkulose oder Kollaps¬
induration vorliegt, stets eine operative Behandlung der event.
Erkrankungen der Nase oder des Nasenrachenraums der Heil¬
stättenkur vorangehen zu lassen, wenn eine diesbezügliche
Behandlung in der Heilstätte nicht geübt wird-; denn der Er¬
folg der Kur wird dadurch ausserordentlich günstig be¬
einflusst.
Ueber die Therapie selbst hier nur wenige Worte:
Für die Entfernung der Rachenmandel kommt das Ring- oder
Fenstermesser oder weit besser die Glühschlinge unter An¬
wendung des Gaumenhakens in Betracht. Diese Methode der
Operation hat jedenfalls der meist geübten Kürettage gegenüber
erhebliche Vorteile. Das Septum wird submukös zu rese¬
zieren, die Polypen und hypertrophischen Enden der Muscheln
mit der Schlinge abzutragen und die Nebenhöhleneiterung
durch Punktion mit nachfolgender Spülung, event. durch
Operation zu beseitigen sein.
Wir haben in unserer Anstalt auch bei Tuberkulösen die
operative Behandlung der Komplikationen der Nase und des
Nasenrachenraums seit Jahren geübt. Auch die so behandelten
Kranken haben zum Teil eine sehr wesentliche Besserung ge¬
zeigt, aber nie ein sofortiges Aufhören sämtlicher Beschwerden,
wie es die reinen Fälle von Kollapsinduration erkennen Hessen.
Die Anzeichen der tuberkulösen Erkrankung bestanden eben
für Arzt und Patienten doch noch fort.
In allen auch jetzt noch zweifelhaften Fällen — es wird
sich nur immer um verschwindende Ausnahmen handeln —
empfehlen wir die Anwendung des Tuberkulins zu
diagnostischen Zwecken und zwar der kon-
junktivalen, Haut- und subkutanen Methode.
Krönig nimmt nur zu letzterer Stellung, weil zur Zeit der
Abfassung seiner Arbeit die anderen Methoden noch nicht ver¬
öffentlicht waren. Wir stimmen mit Krönig darin voll¬
kommen überein, das die probatorische Tuberkulininjektion nur
bei gleichzeitiger sachgemässer klinischer Untersuchung für
die Diagnose heranzuziehen ist und verwerfen gleichfalls eine
schematische oder kritiklose Anwendung derselben. Wir
unterschätzen gleichfalls nicht, dass das Tuberkulin ein ausser¬
ordentlich feines, aber empfindliches Reagens ist, welches auch
inaktive Herde anzeigen kann. Das darf uns aber nicht hin¬
dern, in zweifelhaften Fällen nach eingehender
Untersuchung auch das Tuberkulin mit ent¬
scheiden zu lassen. Es hat sich uns gerade
bei der Kollapsinduration ausgezeichnet be¬
währt. W i r h a b e n, um jedem Einwand bezüglich unseres
Materials zu begegnen, in a 1 i e n, auch den ganz typischen,
Fällen, die probatorische Tuberkulininjek-
tion nach Koch vorgenommen und nicht ein ein¬
ziges Mal eine Reaktion erzielt. Jedenfalls
halten w irden negativen Ausfall derReaktion
für absolut beweisend; daran kann auch ein einmal
zwischen Hunderten von Reaktionen vorkortimendes Versagen
nichts ändern. Was den positiven Ausfall der Reaktion bei
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1576
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .Vk
angeblich öesunden anbetrifft, für den auch Krönig wieder
den so oft in diesem Sinne zitierten Franz 4 ) antiihrt, so
haben uns jahrelange Erfahrungen, ebenso wie andere Unter¬
sucher, auch anders belehrt. An der W e i c k e r sehen Anstalt
ist das Tuberkulin therapeutisch wie diagnostisch seit seinem
ersten Bekanntwerden dauernd benutzt worden, und dass wir
ihm immer gleichmässig treu geblieben sind, beweist genug.
Krönig erkennt im übrigen durchaus den ausserordentlichen
Wert des Tuberkulins an, nur hält er den Befund bei der Kol¬
lapsinduration für so typisch, dass es ihm hier entbehrlich er¬
scheint. Gewiss, einem so ausgezeichneten Kliniker wie
Krönig gegenüber würden auch wir auf die Diagnose mittels
Tuberkulin wohl verzichten, aber im allgemeinen müssen wir
an unserem Standpunkt festhalten. Wir haben auch die Kon-
jirnktivalreaktion bei K o 11 a p s i n d u r a t i o n ver¬
wertet und ebenso zuverlässige Resultate
wie mit der s u b k u t a n e n Met h o de erziel t, w i c
die Kontrolle mit letzterer ergab'). W ir halten,
solange die neuen Methoden der Tuberkulindiagnostik noch
nicht genügend erprobt sind, die vergleichende Anwendung der
verschiedenen Arten für sehr zweckmässig und erachten einen
übereinstimmenden Ausfall derselben für viel beweisender als
manche einfache Versuchsreihe (vergl. auch J u n k e r“). W ir
warnen auch dringend davor, so sehr weitgehende Schlüsse
bezügl. der Prognose aus dem Ausfall der Reaktion zu ziehen,
w ie z. B. Wolf-Ei sn er es tut. 7 )
Das schadet der Methode. Im übrigen herrscht zur Zeit
ja bezüglich der Dosierung der Tuberkulinlösungen bei den
neueren Methoden dieselbe Zersplitterung, die noch heute, nach
so vielen Jahren, bezüglich der Anwendung der subkutanen
Methode herrscht (vergl. Bandelier und R ö p ke ") . Es
würde zu weit führen, liier im Einzelnen das Fiir und W ider
der verschiedenen vorgeschlagencn Modifikationen der Haut-
und Konjunktivalreaktion zu erwägen; ich mochte mich dar¬
auf beschränken zu erwähnen, dass die bei uns geübte An¬
wendung der betr. Methoden, die sich schon Ende 1 ( >07 auf
über 500 Fälle stützte, 4?fidiese sind inzwischen noch ganz er¬
heblich vermehrt worden uns ausgezeichnete Resultate er¬
geben hat. Ich möchte das „u u s“ hier besonders betonen,
denn von anderer Seite ist vielfach über fatale Schädigungen
oder über unzuverlässige Ergebnisse berichtet worden, bei
angeblich gleicher Methodik. W i r ha b e n ernster e
Schädigungen nicht gesehen und, wie schon oben
erwähnt, in vielen Fälle n, es w a r e n ii her H »n
die eine Methode du rch die beiden andi m ode r
jedenfalls durch eine von beiden nachkon¬
trolliert und mit einer Ausnahme g e f u n d e n,
dass sich die Resultate v o 11 k o m m e n deckt e n.
W 7 ir können nicht umhin, der Vermutung Raum zu geben, dass
technische Mängel oder die Verwendung stark reizender Prä¬
parate und Lösungen oder eine abweichende Auffassung des
Begriffs der Reaktion andere Forscher zu einer anderen An¬
sicht von dem Wert der neueren Methoden kommen Hessen.
Gerade die feste Umgrenzung des Begriffs der Reaktion ist
etwas unbedingt Notwendiges, um, wie Junker (I. c.) sagt,
vergleichbare Unterlagen für die verschiedenen Untersucher
zu schaffen (das Nähere ist an Ort und Stelle (I. c.) nach¬
zulesen).
Nach dieser Abschweifung über die Tubcrkuliudiagnostik,
die aus Rücksicht auf ihren grossen Wert für den Praktiker
etwas breiter abgehandelt worden ist, mochten wir noch ein¬
mal die Anzeichen der K o 11 a p s i n d ii r a t i o n der
rechten Lungenspitze bei Mundatmung zu¬
sammenfassen. Wir finden: 1. auamnestisch: keine Heredität,
geringe Beschwerden im Verhältnis zu der Dauer der Er¬
krankung, keine auffällige Gewichtsabnahme, seit Jahren be-
'*) F ranz: Die Bedeutung des Tuberkulins für die Enilkliaguose
der Tuberkulose und die erste Anwendung desselben in der Armee.
Wiener medizinische Wochenschrift,
: ') B I ii m e I und Clarus: Medizinische Klinik. |un7. 5n.
,l ) .1 u n ker: Untersuchungen über die v. P i r i| u e t sehe Tuber-
knlinreaktion bei Erwachsenen. Münch, mcd. Wnchciischr., Wus. 5.
7 ) \V o I f f - E i s n e r: Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und
Berl. kiin. W'ochenschr., lüus.
s ) B a n d e I i e r und Röpke: Lehrbuch der s c dn , p. •< I i •-
gnostik und Therapie der Tuberkulose. A. Stübers \eil.u; i' i \
stellende Behinderung der Naseriatmurg; 2. obiektiv: mitt¬
leren Kräfte- und Ernährungszustand, km.m Habitus phtlnsi-
eus, die typischen An/nclien der Mundatmung (Physaigpnm.e.
Aprosexie, Rhinolalie) gute respiratorische \ i rsJue bhjiki .t
der unteren Limgengrmzen. isolierte Erkra: kui.g der rechten
S|>itze, und zwar fibröse Induration mit k««llaptiv er Schrump¬
fung, eitlen ziemlich inaktiven, die Symptome progred.i: "er
Phthise vermissen lassenden k rar.kheitspri./ess und ein de
Naseiuitmuiig hemmendes Hindernis m N.oe- "der N.;-en-
racheiiraum. In zweifelhaften Fallen hat du. Iherap:e und d e
diagnostische Anwendung \ "ti I übet kühn zu eutsJkjdv n.
(Die RotitgeiimilersuJmng last uns hier, was d.e Stil'ung dm
Diiferentialduigiiose anbetrifft, im SnJi.)
Wir kommen nun zur Pathogenese dimer Eorm der
Kollapsindiiration dir Lunge. Warum erkranken dum gerade
die Lungenspitzen zuerst und weshalb besonders die richte?
K r o n i g hat in seiner Arbeit die Grunde im ein/einen an¬
geführt. teils aut Lrfabningin anderer, ti i's auf wfee i .getieii
und die seiner Mitarbeiter gestutzt. Wir mojiteu h.er nur
j kurz referieren, dass d.iuaJi die Lungi nspit/i n suh. abge-
I silien von pathologischen \ eiandi rungi m am >ki'mt. vln'i;
j aiiatoifiisch-pliN siologfsdi anders \erlialtiu a's J;e nbngi n
Lungenpartieii. Infolge ihrer extratbor.tkalen 1 age und vier
j Art der Ah/w eigung der >pit/enbrondun vom 1 iauptbron Jms
I resultiert eine Elrh<«Innig di s Insprf ationmugs und e.ne \ i r-
| mmderuiig des Fxspnationsjriicks in diu lungmspi:7iti. H;ir
| werden deshalb mit der Inspiration slutl auigermmmi tie korpus¬
kulare Elemente zuerst abgelagert, wie durJi Inbaiatn *nsv er-
i suche und durch Sektiousheiun Je bei pneutnokon.a*tis J u.fi E.r-
| Kränkungen bestätigt worJeti ist ls. Krönig). Dir ge¬
steigerte liispiratmn^/ug ist es auJi. der d;e Pravalei./ der
rechten Spitze bedingt; er bat seinen Grund in dir grosseren
Weite des rechten ^pit/i-uhron Juis ui.J m muht umfang¬
reicheren Ver/w eigung. w ie das B i rc h - 11 i r i v h i e I J
S e u f t e r h e 1 il (I. c.) und nach K r o n i g auch H e 1 m naJi-
gew lesen haben.
Wodurch entsteht mm die Kollapsindiiration ' J Durch
Staubinhalation infolge behinderter Nasenatmung. Ihme >:•»-
rillig der Naseiiatunmg bestellt Lei allen Kranken längere Zi,:.
bei denen mit Ra chenm.mde !b\perpume n und Septmmer-
biegungiTi. wenn diese mJit träum.'.tis v her Natur sind. si-t
frühester Kindheit. Die ganze lvi sp-rationsluft oder k Jeufalls
ihr allergr«»sster Teil, nimmt dm Wtg statt durJi die Nase
direkt durch den Mund. So fehlt die in vier Nase sonst s;mt-
liabende Vnrw ärmntig. Anteile htnng ii: d Runigaug der In-
spirationsluft. die sensorischen und ri :L kt«nm Jieu Funkt.oumi
vom N. trigemmus und N. oüuktorms sn:J auvgi s Jialtet. Die
Luft gelangt also schlecht vorgevvannt un.il vor allem mangel¬
haft filtriert, beladen mit dm m ihr suspendierten k«n puskwhreti
Elementen (vor allem Staub) in Pharynx. 1 arvnx. Trachea m'd
Bronchen und ruft liter chronische KY'/ziiMarJe hervor, d.e in
Katarrhen derSchleimhäute der oberen Luit vvi ge bi Milien. I hi se
katarrhalischen/ustaikli werden, abgelebtn v««n di n S J:ad‘: Ji -
keiten der Inspirationslnft mich durJi aus dem N asenraJU r-
raum heraHlicssende Sekrete unter halten; den” d.e 1 : tkrnung
der Sekrete auf dem sonst ublijien Wege ii.uti aussm hin ge¬
lingt bei den patlnJogis Ju n /ustaudii: des Nan nr.u henraams
nur unvollkommen. \« n den gro^smm lti««i:dkii gnift der
Katarrh auf die kleinerer., von da auf d.e Alveole: ubir. Dmn
kommt ns zur H\ per plane dis mteistitkHin Luugeugi w e'vs,
ilas sich allmählich zu festem Narl e i gevv i be \md;Jrm (binde¬
gewebige liiduratkfff). Infolge der \ erd-J.uug dir >Jkidi-
w finde lind des Druckes des Gewebes vwrdm d.e erkrankter
Partien Initiier und verfaüm der k««ID ptAirr Sc linruptur g.
Der \ orgaug ist ganz analog d< tu v<n vier ..Pnenm« k« i n h’-
her bekannten. Die ..KollapsieJ ump • ii * Kr««nigs m vlc’m.uh
j eine besondere Eorm dir hr«uns.heb fibrös*;;, , **v*;t.J!m
i Bronchitis, wie wir sie /. B. auJi ln; v e ru.' rbti r luhmkäse.
| bei abgehobener Pneumonie etc. mIiui.
1 Nach dem < iesagten nässte d.e K• »11.:::r J':r.i:.« n m dm
Praxis des Laryng---R!;;i:ob get: f\ s. .b m g \ :k< m.mm:.
1 Dass die Erkrankung von du>ei*i >:«h ”• Jtt lksclnebtO
I-
j ") B i r c h - fl 1 i s « i i : l , ; ‘i r ' ■ ' " : 1 •:-• ' .
niiMfii I uiiciTitid'*. • 1 1 1: .se. I '■ ■ • , 1 • v '■ ^ , ■ ■ ■ ^ ^ v„,
I |ViS.
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Qri^iJiöl from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
23. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1377
worden ist, ist darauf zurückzuführen, dass der Rhinologe nicht
auf die Lungenveränderungen aufmerksam geworden ist, weil j
die sofort in Angriff genommene operative Therapie schnell
alle Beschwerden des Patienten beseitigte. 1
Zusammenfassung: Es gibt eine typische Erkran- j
kungsform der Lunge bei Individuen mit chronisch behinderter
Nasenatmung, die zuerst von K r ö n i g als solche beschrieben
worden ist; sie besteht in fibröser Induration mit kollaptiver
Schrumpfung der rechten Lungenspitze und last sich zumeist
gut gegen Tuberkulose abgrenzen infolge anamnestischer,
klinischer und bakteriologischer Verschiedenheiten; event. ist
die operative Therapie und das Tuberkulin zur Sicherung der
Diagnose heranzuziehen. Der negative Ausfall der proba-
torischen Tuberkulineinverleibung (Konjunktival-, Haut- oder
subkutane Reaktion) ist als beweisend anzusehen, um Tuber¬
kulose ausschliessen zu können. Der Krankheitszustand ent¬
steht durch Staubinhalation; vorausgehen Katarrhe des Pha¬
rynx, Larynx, der Trachea und Bronchen, die infolge der Aus¬
schaltung der Nase als Schutzapparat des Respirationstraktus
entstehen. Die Lungenspitzen erkranken eher als andere
Lungenpartien, die rechte eher als die linke infolge anatomisch-
physiologischer Verschiedenheiten. Die Erkrankung ist eine
Form der chronischen fibrösen interstitiellen Bronchitis.
lieber das Vorkommen und die Bedeutung des retro¬
graden Lymphtransportes im Bereich desAngulus venosus
sinister.
Von Dr. C a r I H a r t, Prosektor am Auguste Viktoria Kranken¬
haus in Schöneberg-Berlin.
Die bekanntlich sehr umstrittene Frage des Vorkommens
eines retrograden Lymphtransportes hat durch meine Versuche
an jungen Katzen 1 ) eine eigenartige Beleuchtung erfahren.
Indem sich bei Injektion einer Tuscheaufreibung unter das
Schwanzfell und in die Peritonealhöhle mit grosser Konstanz
neben der Schwarzfärbung des unmittelbaren Transportweges
(eingeschaltete Drüsen) eine einzelne Lymphdrüse oder eine
kleine Drüsengruppe im linken Angulus venosus an der Mün¬
dungsstelle des Ductus thoracicus mit dem Farbstoff füllte,
ergab sich die Feststellung, dass eine offenbare Verbindung der
Lymphbahnen der unteren Körperhälfte mit dieser Drüse oder
Drirsengruppe im linken Angulus venosus bestand. Bei dieser
Erscheinung kann es sich um gar nichts anderes als einen
retrograden Lymphtransport aus dem unmittelbaren Strom¬
gebiet des Ductus thoracicus handeln, welchen man sich, da
die in Betracht kommenden Drüsen in der Einflusszone der
oberen Thoraxapertur gelegen sind, mit aller Wahrscheinlich¬
keit aus den durch die Atembewegungen des Thorax verur¬
sachten Druckschwankungen erklären muss. Allerdings sind
diese Druckschwankungen, welche eine Art Saugwirkung aus¬
üben, zunächst in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen, denn
der im Lymphstrom enthaltene Farbstoff wird unter ihrem
Einfluss nicht über die Angulusdrüse hinausgeführt . Nur dann,
wenn die im Angulus venosus gelegene Lymphdrüse völlig
verlegt ist, findet ein weiterer retrograder Transport des Farb¬
stoffes auf dem Lymphwege statt infolge der Erweiterung und
Klappeninsuffizienz der entsprechenden Vasa afferentia. In
dieser Hinsicht treffen alle jene Ausführungen zu, welche
Lubarsch und Beitzke bezüglich der tuberkulösen In¬
fektion der Bronchiallymphdrüsen von den unteren tiefen Hals-
lymphdrüsen aus gemacht haben.
Der, retrograde Lymphtransport aus dem Ductus thora¬
cicus in die Lymphdrüse im Angulus venosus vollzieht sich,
nach der Konstanz der Versuchsergebnisse zu urteilen, mit
einer Regelmässigkeit, dass ich geradezu von einem physio¬
logischen Vorgang sprechen zu dürfen glaube. Dazu be¬
rechtigt mich auch die Versuchsanordnung selbst, welche dem
Tuschetransport den nach Möglichkeit weitesten Weg vor¬
schrieb, also den Druck der Injektionsspritze sicher aus¬
schaltete und den Farbstofftransport in einer der normalen
Lebensäusserung entsprechenden Weise sich vollziehen liess.
Ist die den regelmässigen Atembewegungen des Thorax bei-
*) Karl Hart: Zur Frage der Genese der tuberkulösen Lungen-
phthise. Deutsche medizinische Wochenschrift, 1907, No. 43.
No 30
gemessene Bedeutung richtig, so liegt in diesem physio¬
logischen Vorgang des Weiteren die Berechtigung,'auch den
retrograden Lymphtransport im Bereich des linken Angulus
venosus als physiologisch anzusehen.
Es kam mir nun sehr darauf an, das zunächst recht über¬
raschende Ergebnis des vitalen Tierexperimentes auf die Ver¬
hältnisse beim Menschen übertragen zu können. Ich hatte kein
Bedenken genommen, aus meinen Versuchsresultaten die ent¬
sprechenden Schlüsse für die Pathologie des Menschen zu
ziehen, da die gleichen anatomischen Verhältnisse vorliegen.
Die massgebenden Feststellungen Beitzkes habe ich in
jeder Hinsicht bestätigt gefunden. Die im linken Angulus
venosus gelegene Lymphdrüse liegt unmittelbar vor der Mün¬
dung des Ductus thoracicus in die tracheobronchialen Vasa
efferentia eingeschaltet, deren letztes Filter sie somit bildet. In
nicht allzuseltenen Fällen vermittelt die Lymphdrüse eine Kom¬
munikation zwischen diesen aus dem Thorax aufsteigenden
Abflussbahnen und den Vasa efferentia der tiefen Halslymph-
drüsen, ohne dass sich aber nach der Natur der so vereinigten
Lymphbahnen eine Zufuhr der Lymphe unmittelbar aus einem
Stromgebiet in das andere ergäbe.
Die Injektionsversuche, welche ich an kindlichen Leichen
in grosser Zahl vorgenommen habe, ergaben ein sehr ein¬
deutiges Resultat. Als Injektionsflüssigkeit wurde wieder eine
Tuscheaufreibung verwendet, die Injektion erfolgte ipiter einem
möglichst geringen Drucke, nachdem vorher die venösen Qe-
fässe abgeklemmt worden waren. Die Abklemmung wurde
später zum Teil unterlassen, nachdem sie sich in Bestätigung
einer persönlichen Mitteilung des Herrn Dr. B e i t z k e als un¬
nötig erwiesen hatte. Bei einer Anzahl von Versuchen blieb
die obere Thoraxapertur erhalten und wurde während der
Injektion entsprechend ihrer respiratorischen Bewegung ge¬
hoben und gesenkt.
Die Resultate nun dieser in situ vorgenommenen Injek¬
tionsversuche entsprechen durchaus den von mir bei meinen
Katzenversuchen erhobenen Befunden. Es füllen sich mit
Farbstoff vom Ductus thoracicus aus. und zwar noch ehe dieser
bei Venenabklemmung ein pralle Ausdehnung zeigt, fast kon¬
stant einige Drüsengruppen, welche paarig zu beiden Seiten
des Duktus gelegen, von mir in den Protokollen kurz para¬
aortale Drüsen genannt wurden, im Bauchteil lumbale Drüsen,
ferner eine oder auch zwei kleine Lymphdrüsen im Angulus
venosus 3 ). Das die Zufuhr des Farbstoffes vermittelnde Vas
efferens lässt sich besonders auch im Angulus venosus leicht
erkennen. Die Versuchsergebnisse sind keine ganz regel¬
mässigen, es fiel mir auf, dass die Füllung der Lymphdrüse
im Angulus, je älter das Individuum (das älteste war 21 Jahre
alt) war, um so weniger sicher eintrat, woraus ich gewisse,
allerdings zunächst noch unbewiesene Schlüsse zog.
Abgesehen von anderen interessanten Feststellungen,
namentlich der eines in recht weitgehendem Masse möglichen
retrograden Lymphtransportes aus dem Ductus thoracicus
selbst ergab sich jedenfalls für mich die Tatsache, dass beim
Menschen ganz in gleicher Weise, wie es meine Katzenver¬
suche zeigten, ein retrograder Lymphtransport aus dem Ductus
thoracicus in eine im Angulus venosus gelegene Lymphdrüse
oder Lymphdrüsengruppe möglich ist. Ich glaube, dass auch
beim Menschen dieser retrograde Strom geradezu physio¬
logisch zu nennen ist, wenigstens für das Kindesalter. Bei
Kindern steht, je jünger sie sind, die obere Thoraxapertur um
so weniger geneigt zur Horizontalebene und namentlich bis
zum zweiten Lebensjahre ist die geringe Neigung der Apertur
eine sehr auffallende. Entsprechend diesen anatomischen Ver¬
hältnissen liegt der Angulus venosus bei Kindern in aus¬
gesprochener Weise in der Einflusszone der oberen Thorax¬
apertur. Da nun mit zunehmendem Alter die Apertur sich
immer steiler gegen die Horizontale einstellt, so liegt es
nahe, den Wert des Einflusses der respiratorischen Bewegung
des obersten Rippenringes auf den retrograden Lymphtrans¬
port im Bereich des Angulus venosus immer geringer zu ver¬
anschlagen, obwohl er nie völlig gleich null sein wird. Viel¬
leicht erklären sich so meine Beobachtungen.
2 ) Dass die Bronchialdrüsen frei bleiben, ist selbstverständlich
nach*den vielen Arbeiten, welche Weleminskis Lehre von der
Bedeutung dieser Drüsen als Lymphherz widerlegt haben.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1578
MUENCHENRR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Was die Versuche selbst anbelangt, so hat B c i t z k e ganz
die gleichen Beobachtungen gemacht und darüber auch kurz
auf der letzten Tagung der Deutschen pathologischen Gesell-
schaft berichtet. Ich habe seine Präparate persönlich in Augen¬
schein genommen und fand mich mit ihm in vollem Rinklang
der Auffassung.
Die Bestätigung meiner Katzenversuche für den Menschen
ergibt sich nun aber nicht allein aus meinen neuen Injektionsver¬
suchen an Leichen, sondern auch aus Vorgängen, welche sich
zu Lebzeiten des Menschen abspielen. In erster Linie ist hier
an die bekannte Beobachtung zu erinnern, dass bei Magen¬
karzinom nicht selten schon frühzeitig die linksseitigen Supra-
klavikulardriiscn, d. h. die Lymphdriisen im Bereich des
Angulus venosus krebsige Infiltration erfahren. Ls handelt sich
in diesen Fällen, wie ich sicher glaube annehmen zu dürfen,
im wesentlichen um einen retrograden Lymphtransport ver¬
schleppter Krebszellen aus dem Ductus thoracicus in die
Angulusdrüse, wenngleich damit ein anderer Transportweg,
z. B. durch die Vasa niammaria interna nicht völlig ausge¬
schlossen sein soll. Die Annahme des retrograden Transportes
scheint mir durch zwei Feststellungen begründet. Finmal er¬
kranken so gut wie stets gerade die linksseitigen, also die der
Mündung des Ductus thoracicus entsprechenden Lymphdriisen,
dann aber ist zweitens die Beobachtung sehr ins Gewicht
fallend, dass bei abnormer Mündung des Ductus thoracicus in
den rechten Angulus venosus nun diese rechtsseitigen und
nicht die linksseitigen Lymphdriisen krebsig infiltriert werden.
Ich selbst habe eine derartige interessante Beobachtung
machen können und durch Präparation sichergestellt, es
handelt sich aber um eine schon mehrfach festgestellte Fr-
scheinung 3 ), auf die ich deshalb auch nicht näher einzugehen
brauche.
Fs gibt mir aber diese Beobachtung Veranlassung, noch
einige wenige Worte über Anomalien des Verlaufes des Ductus
thoracicus zu sagen. Solche habe ich, abgesehen von der Fest¬
stellung der rechtsseitigen Rinmündung in den Angulus venosus
zweimal gemacht. Das eine Mal fand ich eine Verdoppelung
des Ductus thoracicus bei normaler anatomischer Lage beider
Oefässe vom Zwerchfell an mit einer entsprechenden dop¬
pelten Einmündung in den linken und den rechten Angulus
venosus. Das zweite Mal mündete der Ductus thoracicus
überhaupt nicht in einen Angulus venosus ein, seine Mündung
konnte aber nicht festgestellt werden, da bei der Präparation
das Gewebe mit Tusche verunreinigt w urde und Fehler unter¬
liefen. Aber ich wollte ]a auch nur auf derartige Anomalien
hinweisen.
Einen sehr schönen Beweis einer, wie ich meine, retro¬
graden Erkrankung der linken Angulusdrüse erbrachte mir die
Sektion einer an primärer Darmtuberkulose leidenden Frau.
Ausser schweren tuberkulösen Veränderungen des Darmes
und der Mesenteriallymphdriisen fanden sich ganz frische
metastatische Lungenherde und eine schwere Verkäsung der
linken Angulusdrüse, deren Infektion sicher weiter zu rück lag
als die der Lungen. Die tracheobronchialen Lymphdriisen
waren auch mikroskopisch gesund, es fanden sich auch sonst
nirgends tuberkulöse Herde im Körper, aber in der untersten
linken Halslymphdrüse, wenig oberhalb der verkästen An¬
gulusdrüse, lag ein kleiner tuberkulöser Herd mit beginnender
Verkäsung, während die übrigen sorgfältig untersuchten Hals-
lymphdriisen gesund waren.
Das ist doch eine recht bezeichnende Beobachtung, die
von neuem bezüglich der Tuberkulosefrage, für welche die vor¬
liegenden Untersuchungen ja in erster Linie wichtig sind, zeigt,
wie zweideutig manche anscheinend so klaren Befunde sind.
Fine retrograde Erkrankung der Angulusdrüse zu bezweifeln,
lag für mich nach allen meinen Untersuchungen und nach dem
Sektionsbefund kein Anlass vor. Bedeutsam erscheint mir
aber, die tuberkulöse Erkrankung der Halslymphdrüse ober¬
halb der Angulusdrüse, denn damit zeigt sich, dass von
einer r etr o g r a d t u b e r k uIös erkrankten A n-
g u 1 u s d r ii s e a u s unter g e w r i s s e u Beding u n g e n
w e i t e r h i n nicht nur t r a c h e o b r o n c h i a 1 e, son¬
dern auch zervikale Ly m p h d r ii s e n retr o g r a d
J ) Vere r l. z. B. Ho sch: Mitteil. a. d. (ircn/geh, d. Med. u. Uiir.,
'■d. IN, H. 3, 1907.
No.
t u b e r k u 1 ö s werden k ö n n e n. Eine von L u -
barsch betonte völlige Verlegung der Ursprung!:*. Ii er¬
krankten Drüse bleibt deshalb \ orbedmgung. weil nur Lymph-
stauung und Klappenmsuiii/ienz der \asa eticrentia einen retro¬
graden Transport der Tuberke IbaziIIe n e rklären. Im übrigen
aber wird aus den von B e i t 7 k e. Most, mir sehst u. a.
festgestellten anatomischen Verhältnissen alles verständlich.
Die Bedeutung der retrograden Zemkuldruseiierkrai.kling
hegt klar auf der Hand. Ulme Kenntnis und genügende* Er¬
klärung dieses Vorganges musste man. wenn man eine primäre
Infektion der Lungen leugnet, an eine lu\usion der Iuberkel-
bazilleii im W urzelgebiet (besonders orale Injektion) der Zer¬
vikaldrüsen denken mit Intaktlassen der Eintrittspforte und
Durchwandern mehrerer Lymphdriisen. Man wird künftighin
derartige Beobachtungen, welche zugleich mit Darm- «»der
häufiger Lungentuberkulose resp. Tuberkulose der BmnUi .il-
lymphdriisen gemacht werden und dann natürlich \<>n den
Anhängern der intestinalen (im weitesten Sinne) Genese der
Lungenerkrankiing zur Stutze ihrer Anschauungen heran¬
gezogen werden, einer sehr sorgfältige n Untersuchung unter¬
werfen und mit einer neuen Möglichkeit rechnen müssen.
Ich will ehe vielumstrittene Frage nach dein Infektionsweg
der Lungentuberkulose nicht von neuem aufrolieii, denn das ist
nicht der Zw eck dieser kurzen Mitteilung. Mit e nur Sc h, uss.
folgerung will ich mich begnügen. F s braucht eine
t u b e r k uIöse Erkrankung der unteren Hals-
lymphdriisen . als unterste kann man oft die Angaltis-
druse auffassen — bei gleichzeitiger Lunge n -
tuberkulös e u n d o h ne eine s o l c h e, n i c In et n
Beweis f ii r eine Infektion im W u r z c I g e b i e t
der II a I s 1 y m p h h a h n e n zu sei n, sondern sic
k a n n s o w o h I a u i d e m W e g e u b er d i e 1. u n g e n,
und B r o n c h i a 11 y m p h d r u s e n als a u c h v o n
irgend eine m (.) u e 1 I g e b i e t des Ductus t h <* r a c l -
cus aus erfolgen. Es konnte s.mm audi eine Ha/:!!«,n-
einscliw emmung \ om Darm aus m Frage kämmen. Praktisch
aber am wichtigsten, tatsächlichen Ere.gnissen aller Wahr¬
scheinlichkeit nadi am besten und am häufigsten entsprechend
bleibt noch immer die Infektum \ on der Lunge und den
Broncliiallyinphdrusen aus. kh wuss nicht, ob kh mdit d«»di
zu weit zu geben geneigt bin. aber idi will eine Beobachtung
erw filmen, welche mir sehr auftulug war. Bei einem alt«, reit
Knaben fand sich neben einer fast totalen Verkreidung der
Hilnsdriisen eine schwere käsige 'Tuberkulose der linken Hals*
lymphdriisen. deren oberste zwar geschw ollen, aber ebenso
wie die Tonsille nicht sichtbar tuhe ikulos waren. Idi dachte
an eine retrograde Erkrankung dieser Drusen von den last aus-
geheillen Brondnaldiuseti aus, c»b mit Recht, Hube dalur.-
ge stellt.
Aus der kgl. Uuiversitats-Augenklinik zu Mundieii (Vorstand:
Prot. I )r. (). F vers b u s c b).
Ueber Behandlung der Blennorrhoea neonatorum mit
Rinderserum.
Von Dr. \\. Gilbert, I. Assistenzarzt der Kumk.
\'<>n zwei Seiten ward vor kurzem filier neue Ges.Jits-
punkte bei der Behandlung eitriger Prozesse berichtet.
M ii I I e r und Peiser 1 ) suchten durdi küitvdkhe Annierment-
Zufuhr Resorption und proieolvtis J;e (iew ebseiusc hmel/uug
beim heissen Fiter zu verhindern. Sie K nutzten h.er/u
menschliches Blutserum und bestimmte Punk:u»nsflussfgke:ten
aus Brust- und Baudiliolile. Etir den E'rfoig dieser Behandlung
bei allen Prozessen, wo das Serum mit dun Eiter absnndern-
den Gewebe in direkte Benui/img k'-mmt. machen d e Autoren
unter anderm auch ..eine Masseuw irkimg fast aber i e t e r
Sclintzkrfifte, mit denen sidt der Organismus gegen d.e In¬
fektion verteidigt“ verantwortlich.
Dieses letztere Moment führte M o r o und M a n d e I -
bäum unabhängig von Müller und Peiser und gleich¬
zeitig mit diesen Autoren dazu. Inches Rmders C rum bu der
I lierapie eitriger Prozesse in Anwendung zu bringen. Ihre
H Müller und Peiser: üue Wp*>s \, t;
S. syl. ’ ’
Diqitiz ed b v Ga gle
Original frnm
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUfiNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1579
ersten Versuche erstreckten sich auf die Behandlung eitriger
Kolizystitiden bei Mädchen mit Einläufen von frischem, unver¬
dünntem Rinderserum in die Blase. Ueber die günstigen Er¬
folge dieser neuen Therapie berichteten M o r o und Mandel-
baum in No. 18 dieser Wochenschrift. Die Autoren fühlten
sich jedoch angesichts des geringen Materials vorläufig noch
nicht berechtigt, ein abschliessendes Urteil über diese Be¬
handlungsweise zu sprechen.
Eine Uebertragung dieser Therapie auf eitrige Augen¬
erkrankungen schien uns deshalb aussichtsreich, weil das Er¬
krankungsgebiet ja hier besonders leicht der direkten Be¬
rührung mit dem Serum zugängig ist, sodann aber weil die
Volksmedizin ähnliche Mittel längst schon angewandt hat. Es
sei nur daran erinnert, dass die hippokratische
Schule 2 ) Frauenmilch bei Eiterfluss aus Nase und Ohr ver¬
wandte, und dass C e 1 s u s 2 ) sich der Frauenmilch bei heftigen
Augenentzündungen bediente. Wird doch auch heute noch
hier und da bei Augenblenn-orhöe Milch in den Konjunktival-
sack eingeträufelt.
Das eigentliche Feld für diese Behandlung gibt dem
Ophthalmologen die Blennorrhoe der Konjunktiva ab. Nach
dem Vorgänge Moros und Mandelbaums verwandten
wir tierisches Serum und zwar. das stets leicht aus dem
Schlachthaus zu beziehende Rinderserum.
Bisher wurden 8 Fälle von Qonoblennorrhoea neonatorum
teils ambulant, teils klinisch mit dem Serum behandelt, wobei
sich folgendes ergeben hat:
Nach Bespülung des vom Eiter befreiten Konjunktival-
sackes findet zunächst eine vorübergehende Exazerbation der
Eiterung statt, die nach 1 bis spätestens 2 Tagen einer spär¬
licheren dünnen, eitrigen Absonderung weicht. Wird die Be¬
handlung in der Klinik durchgeführt, regelmässig tags und
nachts alle 2 Stunden gespült, so gelingt es, selbst schwerste
Gonoblennorrhöen in 2—3 Wochen fast ohne jede Anwendung
von Silberpräparaten zu heilen und die abnorm sezernierende
Membran allmählich wieder zur Norm zurückzuführen. Tritt
ein Stillstand in der Besserung ein, d. h. geht die Eiterung nach
8—14 Tagen nicht ganz zurück, so vermag bei Fortsetzung
der Serumbehandlung eine nunmehrige 1—2 malige Applikation
einer 1 proz. Arg. nitr.-Lösung die Behandlung abzukürzen,
doch ist sie nicht stets unbedingt notwendig.
Bei ambulanter Behandlung wurde dem Pflegepersonal das
immer auf Eis vorrätig gehaltene Serum zur Spülung statt
der sonst üblichen Borlösung mitgegeben. Bei der Mehrzahl
dieser 6 Kinder Hess innerhalb 8 Tagen die Eiterung erheblich
nach, verschwand aber nicht ganz. Kombination der Serum¬
spülung mit mehrmals wiederholter Arg. nitr.-Anwendung
führte dann den Prozess innerhalb kürzester Zeit zum gün¬
stigen Ende.
Der Erfolg der Serumspülung kann im mikroskopischen
Präparat an dem Phänomen der Phagozytose kontrolliert
werden. Hierüber gibt folgende Tabelle Aufschluss, der die
Präparate eines Falles von sehr schwerer Gonoblennorrhoe
zu Grunde liegen:
Vor der
Spülung
20 Minuten
nach der
Spülung
40 Minuten
nach der
Spülung
1 —P/zStdn.
nach der
Spülung
2 und mehr
Stunden
nach der
Spülung
Reichlich
Erheblich
Leukozyten
dicht zu Haufen
Wie nach
Die Phago-
Gonokokken,
zahlreichere
40 Minuten. |
zytose
aber viele
intrazellu-
zusammenge-
Höhepunkt
nimmt all-
extrazellulär
läre Lage-
ballt; nur ganz
der
mählich
rung der
Gonokokken
vereinzelte
extrazelluläre
Phagozytose
wieder ab;
man sieht
Gonokokken
wieder reich¬
Mehrfach sehr
lich extra-
grosse geblähte
zelluläre
Zellen mit zu¬
Gonokokken.
grundegehen¬
dem Kern, voll¬
gestopft von
massenhaften
l
Gonokokken
*) Vgl. Hovorka und Kronfe 1 d: Vergleichende Volks¬
medizin, Bd. 1, 1908, S. 160.
Die erhöhte phagozytäre Tätigkeit der Leukozyten setzt
also alsbald nach der Spülung ein, erreicht nach etwa einer
Stunde ihren Höhepunkt und nimmt nach Verlauf von VA bis
2 Stunden langsam, aber stetig wieder ab. Das Rinderserum
besitzt somit reichlich Opsonine gegen die Gonokokken.
Nun* besteht ja kein unmittelbares Bedürfnis, von der gegen
die Gonoblennorrhoe so wirksamen Silbertherapie abzugehen.
Auch hat die bisherige Behandlungsweise durch die von
Adam für die Blennorrhoea adultorum empfohlene Blenoleni-
zetsalbe eine wirksame Bereicherung erfahren. Denn auf
Grund der Behandlung zahlreicher Fälle mit Blenolenizetsalbe
konnten wir uns von der Wirksamkeit der Adam sehen
Therapie auch bei Blennorrhoe der Neugeborenen unter gleich¬
zeitiger sparsamer Anwendung von Arg. nitricum überzeugen.
Unser Vorschlag geht denn auch keineswegs dahin, die
Bespülung mit Rinderserum an Stelle der Behandlung mit
Silberpräparaten und eventuell Blenolenizetsalbe einzuführen.
Die Möglichkeit der völligen Heilung selbst schwerer Er¬
krankungsfälle durch Serumbespülung bei sorgfältigster
klinischer Ueberwachung der Therapie ist zwar er¬
wiesen. Man wird aber bei einer so gefährlichen Erkrankung
keineswegs auf die bisher als wirksam erprobte Therapie ganz
verzichten wollen, zum wenigsten ambulant nicht, und es
andererseits doch freudig begrüssen dürfen, wenn die Wissen¬
schaft ein* weiteres gutes, harmloses Mittel an die Hand gibt,
welches auch den Anforderungen einer kausalen Therapie ge¬
nügt und welches die Behandlungsdauer abzukürzen vermag.
Wir empfehlen daher, statt de r bisher viel¬
fach üblichen Spülungen mit leichten anti-
septischen Lösungen, die vorwiegend symptomatisch
zur Beseitigung des allzu reichlich angesammelten Eiters
dienen, das Serum dem Pflegepersonal zur alle
2 Stunden zu wiederholenden Spülung mitzu¬
geben (auf Eis gehalten, bleibt es mindestens 24 Stunden
völlig wirksam). Es gelingt alsdann, die Keime zwar nicht
völlig abzutöten, aber sie aus dem parasitären in einen sapro-
phytischen Zustand überzuführen, klinisch das schwere Krank¬
heitsbild in ein leichteres umzuwandeln. Hierdurch wird der
folgenden Silbertherapie 3 ) der Boden vorbereitet, durch die
kombinierte Behandlung die völlige Heilung schneller als
früher herbeigeführt.
Bewährt sich diese Methode — sie würde
den Vorzug einer nicht unerheblichen Ab¬
kürzung der B e h a n d 1 u n g s z e i t besitzen — so
würde es gleichwohl einstweilen noch ge¬
wagt erscheinen, die Behandlung der Oph¬
thalmoblennorrhoe lediglich und allein mit der
beschriebenen Serumspülung zu Ende führen
zu wollen. Dies dürfte nach unseren bis¬
herigen Erfahrungen nur unter klinischer
Kontrolleundauchdannnichtimmergelingen.
Blennor/höen, bei denen der Gonokokkenbefund ein
negativer war, und andere eitrige Augenerkrankungen konnten
dieser Therapie noch nicht in genügender Anzahl unterworfen
werden . Es wäre verfrüht, aus den spärlichen hierbei ge¬
machten nicht ungünstigen Erfahrungen weitgehende Schlüsse
ziehen zu wollen.
Aus dem physikalisch-therapeutischen Institut des Kranken¬
hauses München 1. I. (Vorstand: Prof. Dr. H. R i e d e r).
Ueber Sarasonsche Ozetbäder.
Von Stabsarzt Dr. E. Müller.
Bereits im Jahre 1904 hat L. Sarason in einer vor¬
läufigen Mitteilung in der Deutschen med. Wochenschr. Nr. 45
über Versuche zur Herstellung von moussierenden Sauerstoff¬
bädern berichtet, die er als Ersatz oder wenigstens als Er¬
gänzung der Kohlensäurebäder, der bis dahin einzigen mous¬
sierenden Gasbadeform, in die Therapie einführen wollte.
Doch gelang es erst nach vielen vergeblichen Versuchen
2 Jahre später, diese Sauerstoffbäder — oder Ozetbäder, wie
sie Sarason benannte — in einer Form herzustellen, die
allen Anforderungen hinsichtlich einfachster Bereitungsweise,
Haltbarkeit und möglichst reicher und gleichmässiger Sauer-
3 ) Wir benutzten bei diesen Versuchen stets eine 1 proz. Lösung
voh Arg. nitricum. 1
V
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Stoffentwicklung entsprach und ebenso für die Verwendung in j
Anstalten wie im Hause gleich geeignet war.
Seit dieser Zeit wurden diese Ozetbädcr in verschiedenen
wissenschaftlichen Instituten vorwiegend bezüglich ihrer kli- ^
nischen Wirksamkeit eingehender und bei den verschiedensten
Erkrankungen, die die Indikation für arzneiliche Bäder zw -
Hessen, geprüft. Die dabei gewonnenem Resultate Hessen ein
weiteres Studium dieser Bäderform als dringend wünschens¬
wert erscheinen, insbesondere auch nach der Richtung einer
im Vergleich zu Kohlensäurebädern erheblich erweiterten Indi¬
kation ihrer Verwendung.
Herr Dr. L. Sarason wandte sich deshalb zu Beginn
dieses Jahres auch an unser Institut mit dem Ersuchen, die von
ihm hergestellten Ozetbädcr einer eingehenden Prüfung zu
unterziehen und stellte uns, nachdem Herr Prof. Dr. Rieder
mir die Ausführung der Arbeit übertragen hatte, das hiezu
nötige Material — für je 1 Bad in 1 Blechbüchse verpackt — in
beliebiger Anzahl zur Verfügung. — Er war bei seinen Ver¬
suchen von Anfang an von der Anschauung ausgegangen, dass
die wohl unbestrittene Wirksamkeit der Kohlensäurebäder nicht
oder nur zum allergeringsten Teil eine chemische, sondern eine
rein mechanische sein müsse, und zwar dadurch, dass die im
Kohlensäurcbade sich in zahlreichen Bläschen dem Körper des
Patienten auflagernde Kohlensäure eine mehr oder weniger
intensive Reizung der Endverzweigungen der sensiblen Haut¬
nerven mit den hieraus folgenden reflektorischen Wirkungen
auf das ganze Gefässystem bezw. die Tätigkeit des Herzens
selbst bilden. Bei der Tatsache aber, dass in dem moussieren¬
den Kohlensäurebade die einzelnen Bläschen verhältnismässig
gross sind und deshalb die Körperoberfläche des Badenden
von entsprechend weniger Reizpunkten getroffen w ird, musste
die Wirkung dieser mechanischen Hautreizung -- Frottierung
oder Gasbürste nach Sarason — um so grösser sein, wenn
es gelang, bei den Ozetbädern die Entwicklung des Sauerstoffes
in so reichlichem Masse zu ermöglichen, dass in einem Bade
die an sich etwa um das Fünffache kleineren Saucrstoffbläschen
dem ganzen Körper gleich einer feinen Decke oder einem feinen
Schleier sich auflagern und so zahlreiche Reizpunktc der Haut¬
oberfläche entstehen. - Aber auch abgesehen von einer Stei¬
gerung dieser Wirkung muss das Bestreben nach einem Ersatz
bezw. einer Erweiterung unserer medikamentösen Bäder¬
therapie gerade auf dem Gebiete der moussierenden Gasbäder,
deren einziger Vertreter, wie erwähnt, bisher das Kohlensäure¬
bad war, um deswillen» auf das lebhafteste begrüsst werden,
weil eben bei aller Anerkennung der guten Wirkung eines
Kohlensäürebades bei einzelnen Erkrankungen die demselben
* anhaftenden und durchaus nicht so sehr seltenen unangenehmen
Nebenerscheinungen infolge Einatmung der dem Bade ent¬
weichenden Kohlensäure -- Kopfschmerz, Schwindel, Er¬
brechen, Herzklopfen — die Indikation nicht unwesentlich ein-
schränken.
Dabei soll natürlich keineswegs ausgesprochen sein, dass
es sich bei der Herstellung des Sarason scheu Ozetbades
etwa ausschliesslich um die Ersetzung der Kohlensäurebäder
durch die Ozetbädcr handeln sollte; dies wäre schon bei der
grossen Verschiedenheit der beiden Gasarten an sich und nach
der Art ihrer Mischung mit dem Badew asser nicht zu erw arten,
insoferne die Wirkung des Sauerstoffes in nascendo im Sara-
son sehen Bade mit seiner kräftigen Oxydationsfähigkeit und
stark desinfizierenden Eigenschaft eine wesentlich verschiedene
sein muss von der dem Badewasser auf dem Wege zur Bade¬
wanne aus Stahlbehältern (Bomben) zugefiihrten Kohlensäure,
trotz der anscheinend identischen Beschaffenheit der beiden
Bäder.
Die Versuche der Bereitung und der therapeutischen Ver¬
wendung von Sauerstoffbädern sind ja an sich nicht neu. Doch
bestanden alle diese Versuche in der einfachen Zuführung be¬
reits fertigen, atmosphärischen Sauerstoffes aus eigenen Be¬
hältern zum Badewasser. Eine nachweisbare Wirkung konnte
jedoch diese Art von Sauerstoffbädern aus verschiedenen
Gründen nicht haben, vor allem deshalb nicht, weil infolge des
geringen Lösungsvermögens des Wassers für Sauerstoff der
Gehalt an Sauerstoff bei w eitem nicht hinreichend war für die
gewollte Wirkung. Und da ferner die Reaktionsfähigkeit des
aktiven, erst im Badewasscr selbst und während des Bades
entwickelten Sauerstoffes eine sehr erheblich grössere ist und
bei quantitativ genügender Menge dieser Sauerstoiientw kKc-
lung zugleich ein kräftiges Moussieren bewirkt wird, so war
der Weg für die Herstellung moussierender Sauerst*»ifbaJer nn
allgemeinen vorgezeichnet. Im einzelnen waren freiliJi hin¬
sichtlich der schon eingangs erwähnten Anforderungen n*»Ji
viele Schwierigkeiten zu überwinden.
Das uns min vorliegende, /ur Verwendung fertige baraso n -
sehe Ozethad bestellt ans en. am g .Vitiinmpcrh.-rat ein
w eisses, trockenes, kristallinisches >ai/ und ca. P." g Maugan-'.-r .it
- ein gelhlich-w eisses Pulver als Kataivsator. Die he. den Prä¬
parate befinden sieh (ersteres in Papier, letzteres in einem Svli.i v btc j-
eilen geSondett gepackt) m einer gut \ ei selm-ssenen Hkdihachse unJ
sind unbegrenzt haltbar, was als ein atisseo»r Jeutache r V.-i/ug be¬
trachtet werden muss.
Zur Herstellung eines Ozetbades wird in die gelabte Hu.kwjunc
zuerst das Natmimperborat gleidmiussig über die ganze Wasser-*
Oberfläche gestreut und darauf in der gleichen Weise das M.mgan-
horat, woraui der Patient sich viort ms Had begibt. bei» u navli
etwa 1 Minute beginnt eine ungemein reiche 1 nt w ick.img \ -n ai\-
1 1 \ ein bauerstoffgas m der hum zahlloser kleinster MlasJun, die ic‘i
bei meinen Versuchen tatsächlich viel intensiver tatid. ais ich nadi
den bisherigen V eroüeiithc hungc» angelt-- mmen hatte. Das Aut-
selnesseii dieser kleinsten Hki-sdren war haung e\pl -si<.n\.rtig - -
bei den meisten verabreichten Hadern derart krallig, dass das Mous¬
sieren des Wassers wie cm tormhdies Hrauseti im ganzen HaJe-
rauinc deutlich hörbar war. Die bauerst--neutw ickiung ist an a..e:i
Stellen des Hades eine völlig gkichniassige. t ueidi/cilg nimmt dal ».i
das Wasser zunächst eine milchige Irubung an. me a.sl-.nd in eine
tieibramie l arbung ubeigehl durdi die l mwand.ung des gedmd*-
weissen Katalysators in kleine braune f iockdum v-n M.o gansuju'-
o\\d iniolgc der l inwirkung des naszierenden baue:st- nes. last
immer setzen sich solche braune f'iockdteti au dl aut der Maut 'o
Patienten ab, sie sind aber nadi dein Hade um dein Hade(u,t;t u.di;
wieder zu cntlenien. l.benso hiiJel sich bei »edem ti/t'oaJe em
feiner Niederschlag von Mangansuperow J am Hoden und de n Wan¬
den der Hadewaune. Im liegeiisatze zu den bisi.c r cUi Ver-Uciit-
liehungen hierüber war jedodi die l'.iitfernung dieses bdi.air-mes bei
unseren Versuchen mittels emtadien Abspu.cns ■ audi mit luisscm
Wasser - nicht so ganz, leidn. wovon idi midi pers.noh Wieder¬
holt nberzeiigte. mit Verwendung eines m \vlol getauchten l «Pi -
cliens konnte aber die He v eitigung des bdi ammes leidit und gr.nid-
lidi ermöglicht werden. I »ic Menge des Hadewassers wurde aus¬
schliesslich so gewählt, dass der Patient bis /um Hase \on Wasser
bedeckt war. Die ungemein Zahlreichen kleinen bauerst, ul'.asdieii
setzen sieh dann wie ein Perlensdileier an der ganzen korper- ier-
tlachedneder. Die (iesamtmenge dei bauerst--ttentw ick UUg m einem
solchen Sarason sehen O/etb.ule betragt ungel.dir .•U» l iter akpvem
baiierstoffes lind dauert ca. d» JS Minuten in völlig gleidimassiger
VV eise au.
Die Temperatur der verabreichten Hader schwankte 'wivlun
dJ ” und dr» " L. Die Dauer der Heobaditung im H.ole betrug .'*• Mi¬
nuten nach erfolgtem Hcgmn der bauerst--nentw ick.ung; das Ver¬
halten nach dem Hade wurde meist auf dem Pulte bette nach
5 Minuten Ruhe geprüft. Die Heob.uhtimg erstreckte su!i v--r,
wahrend lind nach dem Hade auf Hiutdrsuk, Pulszahl und i.bia -tat
und Körpertemperatur leilweise fand eine vveiteie He•-bactiturig
durch den btatioiisar zt. ebenfalls in de r angegebenen Richtung, statt
Zur Anw eiulung gelangten ehe Ozelh.okr bei I <-usii --t--mie r te n. Ne -
plintis chronica mit ll\pci lo-phia oudis, \t te ri"sk.cr "se imt \«>:te:i-
steiiose. hochgraeliger Neivosit.it und ! ; rethismus c.-rdis. h«dtgfad;ge r
Mvsterie. schwerer Neurasthenie und \ r te r i< sk k r - >se k-nip /;e’t mit
Nephritis elmoiiica sowie als Kouffoüb.ider bei normalen Per¬
sonen.
In der Hauptsache erstreckte sidi unsere Beobachtung
auf die reine Wirkung der SauerstnfibaJer O/ethader; nur
tun die Reaktion des einzelnen, der Prüfung unterstellten
Patienten auf Bader überhaupt und speziell auf den O/etbadcm
verwandte Bader zu k< mrolhe rcn. wurden audi einzelne
Kuhlen Säurebäder Hege heil.
I 'eher die subjektiven Empfindungen, dm bei den unend¬
lich wechselnden Bedingungen und den individuell so d.ffe-
renteii Verhältnissen der einzelnen Kranken audi hei uns nuhr
oder weniger voneinander ahwidicii. kann idi gleich de n
Ergebnissen anderer Prüfungen - vorweg bestätigen. dass
s ä m t I i c h c Patienten die Ozetb a d e r u n g e ui e i i:
g e r n e g e n o m m e n u n d ausnahmslos s e li r a n g e -
ii i h m empfunden haben, fön Ted der Kranken war
von der Wirkung der Bäder ganz ent/iukt. so dass es mir
wiederholt begegnete, dass selbst tut cm/dres anderes Bad
- - Siissw asser oder Kohlensäure-had nur unge rn ge: "Minien,
ich vielmehr gebeten wurde, audi hierfür eh-df lieber todi e.u
Ozethad zu geben. Ibis intensive Prickeln der Baut - eigen¬
tümlicherweise audi bei uns vorwiegend des Ru.kei s und der
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1581
Beine —, das durch das starke Moussieren bewirkt wurde,
kann ich auf Grund eigener Empfindung in einem Ozetbade als
ausserordentlich angenehm bezeichnen. — Ebenso war die
Haut nach dem Verlassen des Ozetbades stets völlig unver¬
ändert, im Gegensatz zur nahezu krebsroten Färbung nach
einem Kohlensäurebade. — Ferner ist eine dritte Wirkung der
Ozetbäder bei allen Patienten stets in gleicher Weise zu ver¬
zeichnen gewesen, nämlich eine auffallende Beruhigung und
insbesondere bei den meisten Kranken eine ungemein günstige
Beeinflussung des Schlafes. Letzteres war namentlich nach
den ersten Bädern der Fall. Einzelne ^amen nach dem ersten
Ozetbade mit der Versicherung wieder, schon seit längerer
Zeit nicht mehr so gut geschlafen zu haben, wie nach diesem
Bade. Eine innerliche oder sonstige Medikation, die die Be¬
obachtung der Wirkung der Ozetbäder in den bezeichneten
Richtungen hätte beeinträchtigen können, erhielten die Pa¬
tienten während der Verabreichung der Bäder nicht.
Hinsichtlich der Tageszeit wurden die Bäder sowohl vor¬
mittags wie nachmittags verabreicht, und zwar entsprechend
der allgemeinen Betriebseinteilung im Institut für Männer am
Vormittage, für weibliche Patienten am Nachmittage. — Die
Beobachtungen deckten sich jedoch vollkommen, ein Unter¬
schied in der Reaktion konnte nicht festgestellt werden.
Bevor ich nun die Ergebnisse einiger Versuchsreihen der
angewandten Ozetbäder nach der Reihenfolge ihrer Verab¬
reichung folgen lasse, möchte ich nur noch anfügen, dass ich
zu den Messungen des Blutdruckes einerseits aus Gründen des
vorliegenden Zweckes, anderseits wegen der einfachen und
bequemen Handlichkeit des Instrumentes das Gärtner sehe
Tonometer benützte. Stets kontrollierte ich aber die erhaltenen
Gärtner sehen Werte durch wiederholte Kontrollmessungen
mit dem Riva-Roccisehen Apparat, wobei ich mich über¬
zeugte, dass — unter Berücksichtigung der feststehenden
Differenz der Normalwerte der beiden Messinstrumente —
die gefundenen Gärtner sehen Werte denen des Riva-
Rocci genau entsprachen.
Wegen Raummangels, sowie insbesondere wegen der
nahezu völligen Gleichartigkeit der Ergebnisse auch aller üb¬
rigen Versuchsreihen — 36 Bäder bei weiteren 5 Patienten —
glaube ich es mit folgenden Tabellen genügen lassen zu
dürfen:
Datum
des
Bades
Art
und Temperatur
des Bades
| Blutdruck |
vor
dem
Bade
im Bade nach
10 M.
nach
dem
Bade
5
Min.
10 | 20
Min. Min.
Puls
vor
im Bade nach |
dem
5
10 | 20
Bade
!
Min.
Min. | Min.
10 M.
nach
dem
Bade
Körper¬
temperatur
vor | nach
dem Bade
Bemerkun
gen
12. II. 08
13. II.
14. II.
15. II.
17.11.
18. II.
19. II.
20 . 11 .
21 . 11 .
22. II.
I. Martin E., 52 J., Maurer. (Nephritis chronic, mit sekundärer Herzhypertrophie.)
O-Bad 33® C.
100
95
95
95
80
100
100
96
92
100
37,3
37,4
» *
106
102
98
100
96
92
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88
88
92
36,9
37,1
W 1»
104
70
70
60
105
96
92
80
88
92
36,7
36,6
. 34® C.
130
115
110
110
107
116
100
100
96
96
38,0
37,9
n „
120
115
110
110
120
104
96
96
94
100
36,9
37,2
. 33 J C.
125
105
120
115
120
120
104
116
108
108
36,0
36,1
CO a -Bad 32° C.
110
128
130
126
100
120
116
104
104
114
36,6
36,2
» >»
105
115
117
115
110
120
100
100
96
116
37,0
36,5
Süsswasserbad
30° C.
125
127
120
120
124
136
120
120
120
128
36,1
36,0
O-Bad 33° C.
126
100
90
98
106
124
104
96
96
108
37,3
37,5
Vormittagsbäder.
Oespannter, unregelmässiger Puls und er¬
hebliche Dyspnoe vor den Bildern. Im
Bad Atmung viel freier und Pulsver-
hiitnisse nach Zahl und Qualität bedeutend
gebessert. Nach den Beobachtungen der
Station hielt Blutdruckminderung bis nach¬
mittags an. Subjektiv wie objektiv sehr
günstige Wirkung der O-Bäder.
II. Elise Sch., 47 J., Schneiderin. (Hochgradige Hysterie.)
19. II. 08
O-Bad 330 C .
100
94
85
80
95
92
80
80
82
82
37,5
37,5
20.11.
9
9
104
80
85
100
95
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37,5
37,6
21.11.
9
9
96
88
75
75
85
88
80
84
76
92
37,3
37,5
22.11.
9
100
76
75
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88
92
80
82
88
94
37,4
37,1
24. II.
100
77
72
75
70
92
88
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84
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37,1
25. II.
104
96
92
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90
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84
80
84
86
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37,5
26.11.
CO a -Bad 32° C.
94
70
85
75
95
92
84
92
84
88
37,1
37,0
27.11.
O-Bad 33° C.
90
75
80
76
89
88
72
76
72
80
37,2
36,9
28.11.
.
.
94
74
78
72
92
88
88
84
80
84
37,5
37,2
Nachmittagsbäder.
Pat war in hohem Grade entzückt von der
Wirkung der O-Bäder. Dem lebhaften
Prickeln der Haut folgte bald behagliche
Wärme. Nach dem Bade einigemale
leichte Oänsehaut ohne Frostgefühl.
24. II. 08
25. II
26. II.
27. II.
28. II.
29. II.
l.III.
III. Anna R., 55 Jahre alt, Zugeherin. (Arteriosklerose und Nephritis chronica.)
O-Bad 33° C. 1
106
94
85
84
9
150
145
142
135
9
155
Gärtner
125
123
135
»
9
155
Gärtner
155
145
140
9
156
145
135
130
_
154
145
132
135
Süsswasser |
155
153
156
156
80
88
74
68
78
82
36,0
36,2
140
72
64
64
72
72
36,1
36,2
155
72
64
78
68
72
36,5
36,6
140
68
64
64
64
60
36,0
36,2
130
76
72
60
68
64
37,0
37,2
130
78
72
68
68
! 60
37,0
37,2
150
76
68
70
68
64
36,2
36,5
Nachmittagsbäder.
Pat. — von ziemlich indolentem Naturell —
hatte angeblich keine besondere Empfin¬
dung im Bade, war aber hochbefriedigt,
weil sie seit Jahren nicht so gut geschlafen
habe wie nach Oebrauch der O-Bäder.
Was nun die objektiv nachweisbare Wirkung der Ozet¬
bäder anlangt, so geht zunächst hinsichtlich des Verhaltens
des Blutdruckes auch aus unseren Untersuchungser¬
gebnissen bezw. Tabellen die unbedingte Bestätigung hervor,
dass der Blutdruck im Ozetbade sinkt, und zwar
nahezu ausnahmslos; die Verminderung des Druckes beträgt
zuweilen erhebliche Grade, teilweise ist sie auch nicht be¬
deutend. Es ist auch deutlich erkennbar, dass der Blutdruck
nach Beendigung des Bades wieder zu steigen beginnt und etwa
X A — Stunde nach dem Bade seine frühere Höhe erreicht,
eine Feststellung, die in gleicher Weise von nahezu allen bis¬
herigen Autoren beobachtet wurde. Um so mehr verdient her¬
vorgehoben zu werden, dass bei dem Patienten E. chronische
Nephritis nach den Untersuchungen des Stationsarztes noch
am späten Nachmittag, also nach mehreren Stunden, eine deut¬
liche Verminderung des morgens vor dem Bade gemessenen
Blutdruckes nachgewiesen werden konnte. — Im allgemeinen
betrug b^i unseren Verglichen die .Blutdruckminderung 5 mm
bis 40 mm, wobei ich ausser Betracht lasse, dass der Zeitpunkt
der grössten Abnahme des Druckes im Bade teils schon nach
10 Minuten, zum Teil auch nach 20 Minuten mit der Be¬
endigung des Bades erreicht wurde.
Viel weniger konstant war die Wirkung auf den Blutdruck
im Kohlensäurebad. In einzelnen Fällen sank auch hier der
Druck während des Bades, doch nicht in dem erheblichen
Gerade wie bei den Ozetbädern. Dagegen ist es vielleicht nicht
ganz unwichtig, darauf himzuweisen, dass gerade bei Fällen
mit chronischer Nephritis und Arteriosklerose der Blutdruck
im Kohlensäurebad stieg, und zwar nicht ganz unbedeutend,
während derselbe im Ozetbad auch bei diesen Krankheiten
fiel, allerdings auch hier nicht so stark wie in anderen Fällen
— eine Wahrnehmung, die sich dem Ergebnis der Unter¬
suchung von T o r n a i an der II. medizinischen Klinik in
Budapest nähert, der bei einem Arteriosklerotiker in vorge¬
schrittenem Stadium im Ozetbade überhaupt keine Beein¬
flussung, weder des Blutdruckes, noch des Pulses, fand.
In fast ganz gleicher Weise wie auf den Blutdruck
äusserte sich die Wirkung der Ozetbäder auch auf den P u 1 «v
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1582
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3n.
Derselbe wurde in nahezu sämtlichen Fällen hinsichtlich der
Zahl vermindert, teils sehr erheblich, teilweise weniger be¬
deutend. Jedoch nicht hierin allein liegt der erfreuliche Ein¬
fluss des Ozetbades, sondern besonders auch darin, dass gleich¬
zeitig mit der zahlenmässigen Abnahme die Dualität des Pulses
in sehr vorteilhafter Weise sich ändert. Fs war vielfach über¬
raschend, wie gerade bei beschleunigter und erregter Herz¬
aktion, sowie bei Arythmie und Irregularität des Pulses schon
nach kurzem Aufenthalt im Ozetbade eine unverkennbare, an¬
haltende Beruhigung und Regelmässigkeit eintrat. Wir können
uns deshalb dem Urteil, das bisher nur vereinzelt gefällt wurde,
nur anschliessen, dass Dyspnoe keine (iegenindikation bezüg¬
lich Verabreichung von Ozetbädern bildet.
Die Abnahme der Pulszahl differierte bei unseren Ver¬
suchen zwischen einigen wenigen und M) Schlägen in der
Minute. Dabei fand auch das Ergebnis von Winternitz
eine Bestätigung, dass der Einfluss auf die Pulszahl in geradem
Verhältnisse steht zur Frequenz vor dem Bade, dass also die
Pulsverminderung um so erheblicher war, je grösser die Fre¬
quenz vor dem Bade gewesen ist.
Für eine Beeinflussung der Körpertemperatur durch Ozet-
bäder konnte ich verlässige Anhaltspunkte nicht feststellen,
vor allem nicht für einen Einfluss in einer bestimmten Richtung.
Die Temperatur stieg oder fiel in und nach dem Bade um
einige Zehntel, ein Effekt, der kaum speziell mit der Sauer¬
stoffwirkung in Zusammenhang zu bringen ist; für Verschie¬
bungen der Körperwärme so geringer Art bildet wohl das Bad
an und für sich die ursächliche Veranlassung.
Nach der vorstehenden Erörterung der festgestellten Wir¬
kung der Ozetbäder auf den Organismus wäre freilich noch
von ganz besonderem Interesse die Art und Weise oder der
Weg, auf dem eine solche Wirkung des Sauerstoffes zustande
kommt.
Die Veröffentlichungen hierüber und die darin ausge¬
sprochenen Meinungen sind ja bis jetzt noch wenig zahlreich.
Trotzdem gewinnt allmählich doch die Anschauung mehr und
mehr Boden, dass tatsächlich die rein mechanische Wirkung
der zahllosen auf der Haut des Badenden wie eine Decke an¬
gelegten Sauerstoffbläschen auf die sensiblen Nervenendi¬
gungen der Haut im Vordergründe steht und dass hiegegen ein
etwa thermischer oder chemischer Einfluss kaum in Betracht
kommen kann.
Von anderen Wegen, auf denen eine so ergiebige Wirkung
auf Blutdruck und Puls sich entfalten könnte, wurde die Auf¬
nahme von reinem Sauerstoff durch die Haut aus dem mit
Sauerstoff gesättigten Badewasser in Betracht gezogen. Auf
Grund der Untersuchungen von Z u e 1 z e r und S a 1 o in o n ist
jedoch auf das bestimmteste zu verneinen, dass — besonders
in Würdigung der physikalischen Gesetze der (iasdiffusion,
wonach durch die Haut erheblich mehr Kohlensäure ausge¬
schieden als Sauerstoff eingenommen wird die Menge des
auf diese Weise dem Organismus zugeführten Sauerstoffes, die
kaum 5 Proz. des Gesamtbedarfes beträgt —- als wirksames
Agens in Frage kommen könnte.
Es ist ja richtig, dass z. B. bei künstlichen Kohleusäure-
bädern trotz prophylaktischer Abdeckung der Badewanne
immerhin so viel eingeatmet wird von der dem Badewasser
rasch entweichenden Kohlensäure, dass hierdurch unange¬
nehme und üble Folgen entstehen können.
Den gleichen Vorgang auf reinen Sauerstoff übertragen,
würde die hierbei inhalierte Sauerstoffmenge zwar als recht
nützlich anzusehen sein; ihr aber die nachgewiesene Wirkung
auf Blutdruck und Puls allein zuzuschreiben, erschiene doch
nicht haltbar.
Für die rein mechanische Wirkung des naszierenden
Sauerstoffes auf die Nervenendigungen der Haut spricht aber
noch eine weitere Beobachtung und die derselben, namentlich
von W i n t c r n i t z, gegebene äusserst plausible und unge¬
zwungene Erklärung. Auch ich habe ausnahmslos konstatieren
können, dass die Haut der Patienten nach dem Verlassen des
Ozetbades — auch bei 35° C — von der gleichen Färbung
war wie beim Besteigen des Bades, dass also eine Hyperämie,
eine Rötung der Haut niemals zu sehen war. Dies kann aber
allein nur dadurch bedingt sein, dass infolge der mechanischen
Reizung der sensiblen Nervenendigungen die Hautgefässe sich
zusammenziehen. Die Richtigkeit dieser Annahme wird da-
Digitized bf£ Google
durch gestützt, dass des öfteren - teilweise muh bei meinen
Versuchen -- ein anhaltendes Bestellen \ on Gänsehaut muh
dem Verlassen des O/elbades, aber ohne jedes Frnstgeiab!,
beobachtet w urde.
Einer kräftigen und anhaltenden Kontraktion der Haut-
kapillaren der KorperuberflaJie wurde aber \ lei eher eilte
Steigerung des Blutdruckes, statt einer \ erimnde rur.g
desselben entsprechen; da aber letztere trotzdem durch das
Ozetbad bewirkt wird, so muss ein Ausgleich für die Folgen
der kontrahierten Haiitgeiasse geschaffen werden, und das ge¬
schieht nach 1. u d w ig in der Art. dass suh bei Zus.mmcri-
Ziehung der Haiitgeiasse gleichzeitig d.e Muskelgeiasse er¬
weitern, ein Umstand, der das Sinken des Blutdruckes bei
unseren Untersuchungen m natürlichster Weise erklärt und als
wichtiger Faktor der W arniereguiierung allgemein aner¬
kannt ist.
Endlich hat W i n t e r n i t z in seiner Abhai.dlur.g : ..l’eber
Ozetbäder dem von allen Kranken so mvgeme.n an¬
genehm empfundenen Prickeln der Haut im Ozettv.de e.ne
ebenso interessante wie zweite Mos zutreffende Erklärung ge¬
geben; er betrachtet das erwähnte Prickeln u: d die gleich¬
zeitig ohne eigentliches Erostgeiuhl beobachtete Oansehaut als
durch den Reiz der Sauerstofiblaschen bewirkte rh\thm.sche
Kontraktion der oherffeuhöchsten Hautmuskeln. Es handle
sich nicht um eine spastische. sondern um eine klon.sJie Za-
sammen/iehung dieser Muskeln, die de Empfindung des
Prickelns auslosen und als ,,K lopfe n des H u t c h l n s o n sc heu
Hauiher/eiis" zu bezeichnen sind.
Nach meinen Untersn Jiungsergebuissen moch'e uh
schliessliJi iiiun Urteil über den Wert und die Wirkung der
S a r a s o u sJieu Ozetbäder dahin abgeben, dass dieselben
eine willkommene Ergänzung unserer bah eo-therapeut.sche n
Hilfmittel darstellen und als moussierende liasb.ider e.ne
erheblich erweiterte Anwendung zulassen als de bezüglich
der Indikation immerhin beschrankten K< hie ns.iureba.le r. Denn
es ist kein Zweifel, dass von zwei \erwa:dteii und in ihrer
Wirkung ähnlichen Bade formen der Ersatz der beim künst¬
lichen Kohleiisaurebael uber der W assebobertl.iche hegenden
Kohleusäureatmospliare durch eine saiu rstoftreuhe I.utt über
dem Ozetbade das letztere nur empfehlen kann. Dazu kommen
als weitere Vorzüge die denkbar einfachste Bete .tuu.gsw e;se.
die kaum 1 Minute in Anspruch nimmt, unbegrenzte Ma tb.ir-
keit. Fortfall iedweder giftiger h gredienzien und sehr Ruhte
1 ransporti.ihigkeit in der gewah.ten. nur sehr wen.g Raum
beanspruchende u \ erp.ukling.
Nach den bisherigen Pi ufur gs<ogebmsst n erscheint d.e
Anweiielung des moussie rende n Saru rstoübade s angeze.gt bei
allen mit Blutdriickste lgerunge ii \ erblinde ue ii Erkrankm.gen,
insbesondere des Herzens, aber aiuh bei Nephrit.s und \rter.o-
sklerose. Die snbieklive Wirkung tir.J der s\mptonutische
Erfolg, insbe sonders in der Art eines ungeme in gwr.M.ge n E.n-
flusses auf den Schlaf, den die Ozetbäder gerade bei schwer
nervösen, hysterischen und neurastliemscheil Personen be-
wiesen haben. lassen ihre therapeutische Nerwendfmg bei
diesen Erkrankungsformen in besonderem Grade be recht.gt er¬
scheinen. Ich glaube bestimmt, da^s d’e Sarasun sdun
Sauerstoffbäder sich bald allgemeiner Anwendung in der An¬
stalt wie im Hause erfreuen werden, namet’tu.h u.ulukm
der bisher etwas hohe Preis e.ee genüge rde Reduktion er¬
fahren hat.
Aus der II. inneren Abteilung des stadt. K rarke’T.mse s nn
Friedrichshain zu Berlin (Ihrig. Arzt: Prof. I »r. Rro»iig).
Ueber künstliche Schwefelbäder.
\on Dr. F. Klopstock, Asvstit.zarzt.
Seit einer Reihe von Jahren ist e.n neues Sch\se fUp'apa r at
in die 'l'herapie eilige fuhrt worden, d.is 1 b,o!. das t me
Verbindung von Schwefel und athe.mjten Na.de J,,r-
stellt und zur Herstellung künstlicher SJiw e fe Ib.ide r empföhle n
wird. \ on einer Reelle von De rmatoh.g. n (Rosenbach.
F r i e d 1 ä n d e r. Hollst e-jfi. II e u b a c h. Nagel-
s c h m i ei t. B ä u m e r) liegen anetkermerdc Be rulfe übe r das
Präparat vor; insbesondere ist seine poauj-v W ,'kung bei
Skabies und Psoriasis her\orgefh -be u Wordvit. D i e s i r, g |;r
weiterhin in einer grosseren Re.be \*m I er\emiJieii von
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1583
ihm Gebrauch gemacht und hat durch Anwendung von-
Thiopinolbädern mit Trypanosoma Brucei und Piroplasma canis
infizierte Hunde 7—11 Tage länger am Leben erhalten können
als seine Kontrollhunde; seine Versuche geben ihm die Grund¬
lage für die Empfehlung der Kombination der Quecksilberkur
mit Thiopinolbädern in der Behandlung der Syphilis. Ferner
sind aus der hiesigen Universitäts-Frauenklinik von Horst
günstige Resultate bei einer ganzen Reihe von Frauenkrank¬
heiten mitgeteilt worden, die nicht nur als eine lokale Wirkung
des Mittels, sondern auch als eine allgemeine Beeinflussung
des Körpers durch Resorption aufgefasst wurden. Alle diese
Erfahrungen gaben Herrn Prof. K r ö n ig Anlass, das Präparat,
das uns bereitwilligst von der Firma in grösseren Mengen zur
Verfügung gestellt wurde, in umfangreicher Weise zur An¬
wendung zu bringen und mich mit dem Berichte hierüber zu
betrauen.
Thiopinol ist eine klare braune Flüssigkeit, der ein intensiver Ge¬
ruch nach Fichtenölen entströmt, von schwach alkalischer Reaktion.
Eine 125-g-Flasche enthält nach der Analyse vereideter Gerichts¬
chemiker
83,5 g Alkohol,
18,875 g ätherische Nadelholzöle,
14,3375 g Schwefelsulfid,
0,0625 g Schwefelsulfat,
4,375 g Glyzerin.
Die genaue chemische Konstitution ist nicht bekannt. Bei Zu¬
satz von Wasser zu Thiopinol entsteht eine milchig-weisse emulsions¬
artige Flüssigkeit, in der sich in der Tat, wie die mikroskopische
Betrachtung lehrt, feinste Tröpfchen aufgeschwemmt finden. Nach
Angabe des Erfinders fällt ein Teil der Polysulfide in wässriger
Lösung aus, während Hyposulfite und der Rest der Sulfide in Lösung
bleiben und mit den ätherischen Nadelholzölen eine Art Emulsion
bilden. Gegen Hitze und Alkali erscheint Thiopinol ausserordentlich
beständig; Zusatz von Salzsäure ruft dagegen seine Zersetzung her¬
vor; es entsteht ein gelblichweisser Niederschlag, das ätherische Oel
setzt sich ab und Schwefelwasserstoff entweicht.
Die Anwendung derartiger organischer Schwefelpräparate
in der Therapie ist nicht neu. Ich erinnere an den Schwefel¬
balsam, eine braune sirupartige Flüssigkeit, die man durch
Zusatz von einem Teile vollkommen trockenen, fein ge¬
pulverten Stangenschwefels zu bis zur Siedehitze er¬
hitzten 12 Teilen Leinöls erhält. Es ist eine in Terpentinöl
vollkommen lösliche Flüssigkeit und war in dieser Lösung
bei rheumatischen Erkrankungen vielfach in Gebrauch. Eine
ganze Reihe Geheimmittel, die für rheumatische Erkrankungen
und parasitäre Haut- und Haarleiden im Handel waren, stellten
nichts anderes dar als Oleum Therebintinae sulfuratum unter
Zusatz wechselnder Odorantia.
Ein Vollbad von 200 Liter Wasser enthält also nach Zu¬
satz einer 125 ccm Flasche Thiopinol 0,072 Schwefelalkali¬
verbindungen in 1 Liter Wasser; es entströmt ihm ein starker
Geruch nach Fichtennadelölen, ein geringer nach Schwefel¬
wasserstoff. Das Verhalten eines solchen künstlichen Schwe¬
felbades zu den natürlichen Schwefelwässern zeigt folgende
Tabelle. 4 )
Temp.
Na2S
H«S im
Wasser
absorb.
100 ccm aus dem
Wasser auf steigen¬
de Oase enthalten
1 Andere wichtige
Bestandteile
Aachen
55*
0,013
_
0.31
_
Buchscheid
74®
0,0007
—
—
—
Baden b. Wien
27,6° —
34,5®
-
4,3—8,3
-
—
Kreuth
11®
—
6,6
—
Ca(Mg) SO* = 2,3
Lenk
8,7®
—
44,5
—
Ca SO* = 1,67
Pistyan
64° — 60°
0,0046
14,8
—
—
Herkulesbad
48,2®
—
16,91
—
—
Thiopinolbad
nach
Belieben
Schwefelalkaliverbindungen teils gelöst, teils
an Terpene gekettet 0,072.
Wesentlicher Unterschied gegenüber den natürlichen
Schwefelquellen ist also, dass, während dort Schwefelwasser¬
stoff absorbiert ist, oder gasförmig über dem Wasser steht,
oder Alkali- oder Erdalkalisulfide gelöst sind, sich hier Sulfide
teils in einer uns noch unbekannten Verbindung mit Terpenen,
teils in Emulsionsform gelöst befinden.
*) Vergl. Ö 1 a x: Balneotherapie.
Von derartigen Thiopinolbädern haben wir einmal bei
dem Gelenkrheumatismus Gebrauch gemacht. Und zwar
erstens bei den Folgezuständen des akuten fieberhaften Ge¬
lenkrheumatismus d. h. in jener Zeit, in der Fieber nicht
mehr besteht und Schmerzhaftigkeit und Schwellung der be¬
troffenen Gelenke schon wesentlich herabgesetzt sind, aber
noch geringe Infiltrationen des Gelenkapparates, Empfindlich¬
keit, Gefühl der Steifigkeit und leichte Funktionshemmung
bestehen; — dann in jenen Fällen, die von vornherein mehr
subakut oder subchronisch einsetzen, bei denen ohne wesent¬
liche Störung des Allgemeinbefindens leichte Schwellungen
und Schmerzen in Gelenken bestehen; — schliesslich in be¬
sonders ausgedehntem Masse bei dem gonorrhoischen Ge¬
lenkrheumatismus, auch hier in dem der Fieberperiode folgen¬
den, häufig so äusserst langwierigen Stadium, in dem Ver¬
dickung der Gelenkkapsel und des gesamten umliegenden
Bandapparates, Gelenkerguss und eine mehr oder weniger aus¬
gesprochene Funktionshemmung vorhanden sind.
Im allgemeinen sahen wir unter dem Einflüsse der Bäder
Infiltrationen des Gelenkapparats, Gelenkerguss, die noch
bestehende Schmerzhaftigkeit und Funktionshemmung rascher
schwinden als ohne sie; insbesondere war bei einigen Fällen
von gonorrhoischem Gelenkrheumatismus, bei denen wir be¬
reits von Heissluft- und Sandbädern, warmen Bädern und
lokaler Anwendung feuchter Wärme neben medikomecha-
nischen Uebungen Gebrauch gemacht hatten, ein Erfolg zu ver¬
zeichnen.
Wir wandten weiterhin Thiopinolbäder an bei Muskel¬
rheumatismus, sowohl Fällen mit nachweisbarer Infiltration
der schmerzempfindlichen Partien, wie solchen ohne objektiven
Befund. Auch hier wurde der Krankheitsprozess nach An¬
gaben der Patienten selbst günstig beeinflusst.
Schliesslich haben wir Thiopinolbäder einer Reihe Pa¬
tienten mit Nervenleiden gegeben (Ischias, alkohol. Poly¬
neuritis, Tabes dorsalis, multipler Sklerose, luetischen Früh¬
apoplexien mit ihren Folgezuständen) und haben im allgemeinen
sich ihre Beschwerden unter ihrem Gebrauche vermindern
sehen.
Ein therapeutischer Effekt der Bäder ist also vorhanden;
es gilt nun, ihn zu erklären und die Wirkungsweise des
Thiopinolbades darzulegen. Da ist nun ein therapeutischer
Faktor sicherlich das warme Bad an sich, das ja bei allen rheu¬
matischen Affektionen und einigen Nervenkrankheiten an¬
genehm empfunden wird; ein zweiter der allgemeine Haut¬
reiz, der insbesondere durch den Thiopinolgehalt ausgelöst
wird, mit allen seinen wohltätigen Folgen; Hyperämie der
Haut, Erhöhung der Schweissekretion, Erregung der vaso¬
motorischen Zentralorgane und der Zentren für Atmung und
Herz. Die Haut dessen, der ein Thiopinolbad genommen hat,
ist stark gerötet, die Schweissekretion auch noch einige Zeit
nach dem Bade wesentlich gesteigert.
Es handelt sich nun aber weiter darum, ob dem Gehalt
an Schwefel irgend eine Rolle zukommt, d. h. ob durch Re¬
sorption der Schwefelverbindungen von der Haut aus irgend
ein Heilerfolg der Bäder erzielt wird. Die für die natürlichen
Schwefelwässer geltende Erfahrung, dass eine geringe Re¬
sorption von Schwefelwasserstoff von der Haut aus stattfindet
und sich infolge rascher Oxydation in einer vermehrten
Schwefelsäureausscheidung im Urin ausprägt, ist ja nicht ohne
weiteres auf die Thiopinolbäder übertragbar, bei denen sich
ja, wie betont, Sulfide und Polysulfide teils in Emulsionsform
gelöst, teils an Terpene gekettet finden. Der Erfinder nimmt
nun an, dass die Sulfide von der Haut resorbiert, in der Haut
bereits zersetzt wurden und Schwefelwasserstoff in kleinsten
Mengen in die Blutbahn gelange. Er führt als Beweis hierfür
den deutlichen Geruch nach Schwefelwasserstoff an, der von
demjenigen, der ein Bad genommen, auch noch einige Zeit
nach dem Bade ausgeht, ferner ebenfalls die gesteigerte
Schwefelsäureauscheidung nach dem Bade und die Steigerung
des Verhältnisses der freien Schwefelsäure zur gepaarten. Die
in der Berliner Finsenklinik (Dr. Nagelschmidt) ange-
stellten Untersuchungen haben die Vermehrung der Schwefel¬
säureausscheidung nach den Bädern bestätigt;
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1584
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .*»
Datum
Namen
Urin¬
menge
Medic.
Aus¬
scheidung
in 100 ccm
Oesamt-
Aus-
scheidg.
15. VIII. 07.
Sty.
1300
_
0,3200
4,1600
16. VIII.
1300
—
0,3310
4,3030
17. VIII.
1420
1 Bad Thio.
0,2250
3,2400
18. VIII.
1280
1 .
0,4148
5,3094
20. VIII.
1250
1 .
0,3848
4,8102
21. VIII.
1290
1 .
0,371*8
4,7833
22. VIII.
1300
0,3784
4,9192
23. VIII.
1250
—
0,2418
3.0225
24. VIII.
1210
—
0,2800
3,3880
j direkt vor dem Bade
0,2644
—
25. VIII.
\ P/t Stunden nach dem Bade
0,3302
—
26. VIII.
| direkt vor dem Bade
0,2721
—
I P/a Stunden nach dem Bade
0,3465
—
28. VIII.
Sty.
1300
—
0,2950
3,735o
29. VIII.
1250
—
0,321 Ml
4,oooo
30. VIII.
1600
—
0,2770
3,9520
31. VIII.
1200
—
0,302u
3,6240
1. IX. 07.
1350
1 Bad Thio.
0,3120
4,2120
2. IX.
1375
1 » „
0,4620
6,3525
3. IX.
1350
1
0,4800
6,4800
4. IX.
1400
*
0,4570
6.39M l
5. IX.
*
1350
1 SS #
0,5275
7,1212
6. IX.
1350
—
0,4%o
6,6960
7. IX.
1400
_
0,3210
4,4940
8. IX.
1425
—
0,3230
4.6100
Jedoch konnte in 3 Fällen bei 3 verschiedenen Patienten,
bei denen Herr Prof. Boruttau auf unsere Bitte die
Schwcfclsäureausseheidung in dein vor und 4 Stunden nach
dem Bade gelassenen Urine bestimmte, irgend eine wesentliche
Steigerung der Schwefelsäureausscheidung nicht konstatiert
werden:
Versuch I. Pat. Q., Lues III.
Uriumenge vor dem Bade 170 ccm, Dichte 1 ,<>21
. nach „ . 100 , „ 1.033
OesamtschwefelsAureausscheidung vor dem Bade 0,2892 Pro/.
. nach . . 0,27%
Qesamtschwefelausscheidung (nicht oxvd. und oxydierter)
vor dem Bade 0,3133 Proz.
nach „ . 0,3205 „
In diesem Falle ist also eine geringe Vermehrung des nicht oxy¬
dierten Schwefels vorhanden, die aber, zumal der Urin II eine
grössere Dichte hat, innerhalb der Fehlergrenze liegt.
Versuch II. Pat. Sp., multiple Sklerose.
Urinmenge vor dem Bade 400 ccm, Dichte 1.012
, nach , . 300 , „ 1.023
Urin 1: Trockensubstanz 2,596 Proz. = 10,384 g
.11: . 4,891 „ — 14,673 g
Urin I: Qesamtschwefel (n. Schulz) 0,1352 Proz. = 0,5408 g
.11: . . 0,1817 . = o,545l K .
Nach dem Bade ist also eine sehr geringe Vermehrung der
Qesamtschwefelausscheidung zu konstatieren, obwohl (iesamtmenge
der ausgeschiedenen gelösten Harnbestandteile sich wesentlich ver¬
mehrt hatte.
Versuch III. Pat. D., Polyarthritis.
Urinmenge vor dem Bade 200 ccm, Dichte 1,021
. nach . . 150 . . I,o2o
Urin I: Trockensubstanz 3,884 Proz. = 7,7#»« g
• II: , 5,023 . = 7,5435 g
Urin I: Qesamtschwefel (n. Schulz) 0,1101 Proz. — 0,22o2 g
• II. , 0,1177 . = 0.1765 g.
Bei gleichen Mengen gelöster Bestandteile ist in dem nach dem
Bade gelassenen Urin weniger Schwefel nachweisbar.
Herrn Prof. Boruttau möchte ich auch au dieser Stelle meinen
ergebensten Dank fiir die Untersuchungen aussprechen.
Ich will nach diesen 3 an 3 verschiedenen Patienten an-
gestellten Versuchen, die ja eben nur die Schwefelausschcidung
vor dem Bade und 4 Stunden nach dem Bade berücksichtigen,
nun nicht etwa behaupten, dass eine Schwefelresorption über¬
haupt nicht stattfindet . Sicher ist jedoch bei den bekannten
Resorptionsverhältnissen der Haut und bei einem nur 2i) Mi¬
nuten währenden Aufenthalte in einem Bade, das in einem
Liter 0,072 Sulfide teils in Fmulsionsform gelost, teils an Ter¬
pene gekettet enthält, dass sic sich in sehr engen (irenzen
halten muss, und nur Mengen in den Körperkreislauf gelangen
können, von denen wir eine wesentliche Beeinflussung des
Organismus nicht erwarten dürfen. Oiinstige Allgemein¬
wirkungen der Bäder, wie Diesing sic in seinen Experi¬
menten und Horst und wir sie bei unseren Patienten ge¬
sehen haben, sind nicht ohne weiteres als SJiw efelw irkung
anzusehen.
W ie dem auch sein möge, die künstlichen SJiw eielbaJer
waren uns eine angenehme Ergänzung unserer therapeiit.^chcii
Massnahmen bei den genannten Leiden. Auch lur d.e natür¬
lichen Schwefelbäder, die ja zahllosen Kranken ll.Üe gebracht
haben, hat sich mit Recht bei einer grossen An/.»hl \<»n
Klinikern und Baineologen die l’cber/cugung gebildet, ei.iss
ihrem Schwefelgehalte für ihre günstigen Wirkungen mJit ei.c
ausschlaggebende Rolle zukommt.
Zur Operation und Nachbehandlung des Bruetkrebses.
Von Pr. Heile in W ieshaden.
Es ist in No. 38 dieser Zeitschrift vom vorigen l.ihre \«»n
Ebner aus der Le versehen Klinik in Königsberg darauf
hingewiesen worden, dass man bei der Nachbehandlung der
Mammaamputationen bessere Bew eghJike.t der Arme im
Sehiiltergelenk erzielen kann, wenn vom ersten läge an der
Arm der operierten Seite m Evteiision respekt. Siopeup^oii
nach oben gehalten wird.
Ich habe bei einer Reibe von Brustamputatimien in einer
etwas anderen Weise dasselbe Resultat zu erzielen versucht
und sehe einen Vorteil meines Norgehens darin. dass der
Kranke gleich am Tage nach der Operation autsteheii kann und
muss, und dass durch die gleich zu beschreiben Je Art. den
Mlisciilus pectorahs iiuuor auf ehe blossgelegten AJ>e !ge fasse
zu transplantieren, sicherer verhindert wird, dass im Laute der
Nachbehandlung durch Schrumpfung der Narbe ek. sdi
Stauungen und Schwellungen im Arm ausbilden.
Zuerst sei betont, dass selbstredend bei der Opcr.it.« »r. kc.uc
Rücksicht darauf genommen werden kam. wie viel man
schonen mochte. Alles auf Karzinom NcrdaJitige muss ohne
Rücksicht entfernt werden. Hierdurch wird es m ethJier.
Fallen nicht möglich se in, den mitange griffe neu IVctoraüs nun *r
zu schonen. Anders ist es aber bei der bei weitem grössten
Zahl von Mammaamputationen. I'urJiwcg ist Jus Kar/mmn
ja höchstens mit der bas/ic des Pedoral s muior verwachsen
etc., die Achseldrusen, vielleicht audi sch«»n die sjipjuklav ;ku-
lären Drüsen, sind befallen. Hier habe ich d:c Brust mit dem
K o c h e r sehen Hautschnitt
entfernt. Per Schnitt endet
bekanntlich vor der vor¬
deren Achselfalte. Auf diese
Weise kommt dann spater
Haut und subkutane Narbe
nicht auf die blossgelegte
Achsel zu liegen und es lasst
sich andererseits audi der
Schnitt leicht über die K1 a-
vikula verlängern zur Ex¬
stirpation der siipraklav iku-
Uirem Priisen. Prinzipiell
entferne ich audi bei gut
verschieblichem Br u stk rebs
den Peetoralis mainr mit der
aufliegemlen Priise, und
halte midi z. B. heim w eite¬
ren Frei präparieren der
Aclme Igetusse* an ehe v<
i*ll K O C ll e r a! ge ge N
l Ue‘ Me linde .
Pen Pectorahs mim
r elagegen
l<-se k ll w«
•In an st .reift
Rippenunsatz, lasse ihm
aber sein
e Ifse r !n »n .
l!1l pr< e seile
coracmdems. Lh rem ege
eien Muskel an der 10
kkst.le sorg.
faltig von allem Leit etc. Nndkkm fdl die Ausräumung der
Achselhöhle und eventuell der suptak!u\ ik u'art u I mibe be¬
endet habe, gebe ich dem PeOorulis mmor aust^f se.ner adelt
Insertion an den Rippen eine neue* \i:p:i m/urg. vmd /war der¬
art, dass er breitfadie rfornng d.e bl««ssg t -\ g?*, n \ Jtse’g; fasse
bedeckt, lüi ihm diese Lage zu suhern. w *rd e r dn r di k a’gu*-
nälite eimnal am Kukullaris und e:rn;.i! am >e"raüis ang-. heik
Zum Schluss v.ird die M mtbedv v < dk« 'mvu n p-:mar vo-
schlossen, so des die Nahtlme e; ! .ge i. l uege f breit median
von den Achselgefassen zu Ingen k«umn:. und muhe r .m extra
am tiefsten Punkt der W un .Ih-TT er tT> K nominell der
Haut, durch da.s iJi ep> Prall i • u ugg. des .ri er’ b.s /ur
Il< »he des äuge nähten PenPoahs •».. !• f .•r r e ■ J:\ I Pr.h
tfigltizeti by
Gocgle
Qrigiral frcrri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1585
den in dieser Art erhaltenen Pectoraiis minor wird auch noch
in geringem Masse die Einsenkung des Operationsgebietes in¬
folge Fortnahme der Muskeln verhindert. Beim Verband lasse
ich jetzt den Arm an der operierten Seite vollkommen frei
ausserhalb des Verbandes, lege nur einen zirkulären, leicht
komprimierenden Thoraxverband für die Wunde an. Vom
ersten Tage nach der Operation an veranlasse ich die Kranken,
systematische Gymnastik zu treiben, derart z. B., dass ich die
Frauen auffordere, möglichst schon am ersten oder zweiten
Tag einen Versuch zu machen, ihre Haare mit dem kranken
Arm zu ordnen etc. Kurz, ich halte die Kranken an, möglichst
alles mit dem Arm zu tun, was sie früher zu tun gewohnt
waren. Auf diese Weise habe ich in den bislang so operierten
Fällen immer erreicht, dass beim zweiten Verbandwechsel und
der Nahtentfernung (beim ersten Verbandwechsel nach 2 bis
3 Tagen wird das Drain entfernt) die Patienten mit der Hand
der kranken Seite sich die Haare machen konnten und dass
in keinem der Fälle, auch nach Monaten und Jahren, sich eine
Stauung an den betreffenden Armen gezeigt hat. Der trans¬
plantierte Muskel wird ja wohl im Laufe der Zeit atrophieren,
er verhindert aber, dass gerade während der Wundheilung
eine Verwachsung der Achselgefässe mit der bedeckenden
Haut eintritt, wodurch eine mehr oder weniger grosse Be- I
hinderung der Lymphzirkulation eintreten, die zur Entstehung
von Stauungen führen kann. Das tägliche Bewegen des Armes
von der Operation an verhindert, dass der Arm im Schulter¬
gelenk steif wird, und es genügt das, um dasselbe Resultat
nach 8 Tagen zu erzielen, was Lexer mit der Extension er¬
reicht.
Zur Physiologie der Akklimatisierung.
Von Oscar Loew, vormals Professor der physiologischen
und landwirtschaftlichen Chemie in Tokio.
Der Tierkörper, welcher durch Atmungstätigkeit sich
einerseits die Wärme verschafft, welche es ihm ermöglicht, den
Wärmeverlust nach aussen sofort wieder zu decken, anderer¬
seits hiedurch die zu einer Reihe von Vorgängen nötige che¬
mische und mechanische Energie gewinnt, sieht sich bei der
Wanderung aus der gemässigten Zone in die Tropenzone plötz¬
lich vor das Problem gestellt, die bisherige Wärmeregulierung
zu modifizieren, da nun der Wärmeverlust nach aussen nur
minimal, ja oft genug = 0 ist. Vor allem müssen hier jedoch
die Effekte eines feucht-heissen und eines trocken¬
heissen Klimas auseinander gehalten werden. In letzterem
kann durch eine sehr gesteigerte Wasserverdunstung von der
Haut die Temperatur des Körpers auch dann leicht reguliert
werden, wenn die Temperatur der Luft nicht unbeträchtlich
über die normale Temperatur des Tierkörpers steigt, wie es
oft in den Wüsten der heissen Zone der Fall ist. Deshalb ist
auch die Akklimatisierung an ein trocken-heisses Klima weit
leichter, als die an ein feucht-heisses, wie ich aus eigener Er¬
fahrung weiss; denn im Jahre 1875 hatte ich Gelegenheit, das
trockene Klima der heissen Wüsteneien des südöstlichen Kali¬
forniens kennen zu lernen, während im verflossenen Herbste
ich das feucht-heisse Klima der westindischen Insel
Portorico zu kosten bekam.
Ueber meine damaligen Erfahrungen habe ich seinerzeit
bereits berichtet 1 ) und will hier nur einige zum Vergleich
nötige Sätze aus meiner Mitteilung anführen: Ich sagte damals
unter anderm: „Anfangs wirkte diese mörderische Hitze
äusserst deprimierend, der Appetit Hess nach, der Durst machte
sich in peinlichster Weise fühlbar und auch nur inässige An¬
strengungen hatten beträchtliche Ermüdung zur Folge. Schon
nach etwa 12 Tagen indes war eine Aenderung in unserer Be¬
urteilung der Wärme so weit eingetreten, dass wir es für an¬
genehm kühl erklärten, als die Temperatur von acht Graden
über der Bluttemperatur auf drei Grade unter dieselbe ge¬
sunken war.“ „Die Menge des in 24 Stunden ausgeschiedenen
Harnes betrug nach wiederholten Bestimmungen durchschnitt¬
lich nur 7—8 Proz. des getrunkenen Wassers. Da aber Wasser
*) Sitzungsbericht der Physiol.-Morphol. Gesellsch. München.
Mai 1877. Ferner ausführlicher im „Annual Report upon the Geo-
gräphical Surveys west of the 100. Meridian“, Washington 1876.
No. 30.
auch in den Speisen genossen wird und sich Wasser auch durch
Oxydation des Wasserstoffs der Nährmittel bildet, so kann
man wohl sagen, dass von dem getrunkenen Wasser fast
n i c h t s in den Harn überging. In der Ruhe reichten wir wohl
mit 2—2% Liter Wasser in 24 Stunden aus, bei der Arbeit oder
Bergsteigen waren aber wenigstens 3—4 Liter nötig, bei einer
relativen Luftfeuchtigkeit von 15—20. Nehmen wir als Mini- »
mum des von Haut und Lunge abdunstenden Wassers 2 Liter
pro Tag an, so würde der Kühlungseffekt pro Tagesstunde
1,38° betragen.“ Die mittlere Temperatur des Coloradotales
bei Fort Morhave im südlichen Kalifornien beträgt 34,2° im
Sommer, die von Shimmedru in der Sahara nach Rolfs 35°.
Der Schweiss verdampft in jener trockenen Luft so rasch,
dass er sich auf der Haut kaum bemerklich macht. Wenn die
Tageshitze 44° C erreichte, stieg die Körpertemperatur bis¬
weilen auf 37,4°; nur einmal beobachtete ich sogar 37,7°.
Damals fand ich auch, dass dieselbe Höhe der Temperatur in
grösserer Seehöhe leichter ertragen wird, als in niederer.
Die Nahrungsaufnahme war bedeutend vermindert, genossenes
Fett schwitzte — wenigstens teilweise — durch die Haut
wieder aus.
Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse im feucht¬
heissen Klima kleiner tropischer Inselländer *). Die mit Wasser
nahezu gesättigte Luft erlaubt kein rasches Verdunsten des
Schweisses, dieser bleibt am Körper, er trieft von der Stirne,
man greift immer wieder nach dem Tuche, um sich abzu¬
wischen. Das schafft eine ärgerliche Stimmung und vermin¬
dert Lust und Liebe zur Arbeit. Alltägliche Bäder sind natür¬
lich unerlässlich. Jene feuchte Hitze schafft Qualen, von denen
man sich selbst bei heissen Sommern in der gemässigten Zone
keinen richtigen Begriff machen kann.
Die Tageshitze 3 ) beginnt in Portorico schon früh am Tage
und dauert bis gegen 5 Uhr, sie steigt noch kn Oktober und
November oft auf 33—35° C, eine Temperatur, welche dort
weit lästiger empfunden wird, als eine von 44 0 in der trockenen
Luft der Wüste.
Die zur Akklimatisation nötige Zeit, d. h. die Zeit, nach
welcher man weniger schwitzt als anfangs und mässige Arbeit
nicht sofortigen Schweissausbruch zur Folge hat, auch sonstige
Störungen des Wohlbefindens ausbleiben, wird nach meiner
Umfrage auf 1—2 Jahre geschätzt 4 ). Leute mit relativ ge¬
ringem Fleisch- und Fettansatz akklimatisieren sich indessen
viel rascher als Leute von kräftiger Konstitution. Als Kurio¬
sum will ich erwähnen, dass ein in Portorico angesiedelter
Deutscher auf meine Klage, dass ich mich nicht akklimatisieren
könnte, mir riet: „Trinken Sie alltäglich eine tüchtige Dosis
Rum, das wird sicher helfen!“
Wer einmal akklimatisiert ist, friert schon, wenn die Tem¬
peratur nach heftigen Gewittern um 5—6 Grade unter die
durchschnittliche Tagestemperatur herabgeht; er muss sich
ferner nachts mit wollenen Decken schützen, während der An¬
kömmling ein Stück Leinwand vorzieht 5 ); es ist ferner charak¬
teristisch, dass Leute, die sich gut akklimatisiert haben, dann
in nördlichen Ländern oft nicht mehr wohnen mögen. Ich traf
einmal einen Deutschen, der seit 20 Jahren in Portorico lebte
und beim Versuch, sich wieder in Deutschland anzusiedeln.
2 ) Ueber das Verhalten des menschlichen Körpers in den Tropen
ist schon vieles geschrieben worden, allein in den meisten Fällen
handelt es sich dann nicht um Inseln, sondern um Festländer und
deren Küsten, wie Indien, West-Afrika etc. Hier liegen aber die
Verhältnisse wegen der Landwinde günstiger wie auf Inseln. Nach
P1 e h n (Studien zur Klimatologie, Physiologie und Pathologie in
den Tropen, Berlin 1898) weht in Kamerun nur des Tags der West¬
wind, des Nachts aber der Ost- oder Landwind, der natürlich viel
trockener sein wird als der Westwind.
3 ) In manchen Teilen der Insel sinkt während der Nacht die
Temperatur so weit, dass man gut schlafen kann, was auf der Nähe
von Gebirgen und Stärke und Richtung von Winden beruht; in
anderen Teilen dagegen erschweren die zu warmen Nächte den
Schlaf.
*) Hehn beobachtete kurz nach seiner Ankunft in Kamerun
eine Steigerung der Körpertemperatur bis auf 37,6; diese Steigerung
war nach der Akklimatisierung nicht mehr zu bemerken.
5 ) Ich sah akklimatisierte Leute, welche froren, während ich
schwitzte.
3
Digitized b’
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ,1(1.
wieder Heimweh nach der tropischen Sonne am ersten kühlen
Herbsttage bekam und nach Portorico zurückkehrte.
Der Neuling, der aus nördlichen Ländern auf den tro¬
pischen Inseln ankommt, nimmt häufig in den ersten Monaten
an Gewicht ab, nimmt grosse Mengen Wassers zu sich, leidet
oft an Diarrhöen, verliert seine rote Gesichtsfarbe'') und wird
so blass wie die Eingeborenen, sieht seine geistige Energie
allmählig erschlaffen 7 ) und muss auf jede gesunde Bewegung
verzichten, da jeder Spaziergang oder turnerische Hebung
einem gesteigerten Schwitzbad gleichzusctzcn wäre. Selbst
der eingeborene Arbeiter 8 ) kann alle seine Arbeit nur langsam
verrichten!
Der Weg von meinem Institut zum Hotel, in dem ich
wohnte, betrug kaum 15 Minuten, selbst diese kleine Strecke
musste ich aber zu Wagen zuriicklegen, wenn ich zum Mittag¬
essen kommen wollte. Herr Direktor Dr. Dafert in Wien,
welcher lange Zeit in Brasilien lebte, schrieb mir unter an¬
derem: „nach meinen Erfahrungen nimmt die Widerstands¬
fähigkeit mit der Dauer des Aufenthaltes eher ab als zu, bei
denen, die sich schwer an die Tropen akklimatisieren“. Im
Innern von Brasilien dürfte jedoch das Klima noch weniger
feucht und weniger lästig sein, als auf den von grossen Meeres¬
flächen umgebenen kleinen Inseln Westindiens. Ein Ameri¬
kaner sagte mir, dass ihm die Akklimatisierung auf den west¬
indischen Inseln so schwer geworden sei, dass er fürchtete
eher zu gründe zu gehen, als sich an das Klima gewöhnen zu
können. Es sind ihrer nicht Wenige, welche nach einigen Mo¬
naten w ieder umkehren.
Da eine gesundheitsdienliche körperliche Bewegung, wie
Spazierengehen oder Turnen vom Klima versagt wird, so be¬
hilft man sich mit Schaukelstühlen. Geht man des Abends,
wenn die Tageshitze nachgelassen hat, durch die Strassen
einer Ortschaft, so sieht man in jedem Zimmer Schaukel-
Stühle 9 ) um den Tisch im Zentrum des Zimmers gruppiert
und die Insassen sich fleissig schaukeln, wodurch wenigstens
die inneren Organe etwas gerüttelt werden. Weisse Kleidung
ist allgemein verbreitet, Leute mit dunkler Kleidung sind in
der Regel Ankömmlinge.
Worin besteht nun das Wesen der Akklimatisation an ein
feuchthcisses Klima? Unser Nahruugsmass ist offenbar dem
Bedürfnis für Erzeugung von Wärme und chemischer Energie
für ein gemässigtes Klima angepasst, auch die Haiitfimkti.wi
hat sich darauf eingestellt, sowie die Konzentration der Kör¬
persäfte. W'ird nun die äussere Temperatur erheblich über das
gewöhnliche Mass gesteigert, so müsste bei rein dynamischer
Auffassung mehr Wärme für mechanische Arbeit disponibel
werden. Aber in Wirklichkeit zeigt sich, dass eine geringere
Menge Wärme in Arbeit umgesetzt werden kann als vorher,
infolge der eingetretenen physiologischen Störungen. Zudem
erhöht ja jede Muskelarbeit wieder Verbrennung und Wärme¬
produktion, W'as in einem solchen Klima äusserst unangenehm
empfunden wird. Jede weitere Temperatursteigerung ruft eine
nervöse Gegenaktion hervor, um die normale Temperatur zu
erhalten.
Vor allem wird eine Abänderung der Diät und Verminde¬
rung der Nahrungsaufnahme notig“’); allein manche Reisende
®) In seltenen Fällen bleibt die rote Gesichtsfarbe in Portorico
erhalten. — Die Gewichtsabnahme kann in 3 Monaten 5 <» kg be¬
tragen.
T ) Während meiner Wirksamkeit in Japan erhielt ich einmal den
Besuch eines holländischen Chemikers, der 5 Jahre auf Java zu¬
gebracht hatte. Derselbe klagte, dass das feuchte Tropenklima ihm
nahezu den Verstand geraubt hätte, er hätte zuletzt nicht mehr rich¬
tig addieren können. Das stimmt mit Erfahrungen Hortons iiber-
eiti, welcher klagte, dass nach seiner Uebcrsicdlung nach West-Afrika
er nur 6 Stunden täglich geistig tätig sein könnte, wahrend er es in
England 15 Stunden sein könnte. Ermüdung und sogar Kopfschmerz,
stellten sich bei längerer geistiger Arbeit ein, was auch ich be¬
obachtete.
") Unter diesen ist ein grosser Prozentsatz Neger.
H ) Glasfenster gibt es in Portorico nicht, sondern nur Jalousie¬
läden, und diese werden des Abends w eit geöffnet, so dass man das
Innere der Wohnzimmer überschauen kann. Bemerkenswert ist die
grosse Verbreitung der Pianos, doch hört man nur selten klassische
Stücke spielen.
10 ) Nach Wulppert ist die Trinksitte ein die Akklimatisation
erschwerender Faktor; dieser kam aber bei mir nicht in Betracht.
Google
behaupteten, d iss sic im heissen Klima ebensoviel Nahrung
bedurften als im gemässigten. Diese Behauptung durfte aber
nur auf dem Gefühl des \olisemx des Magens beruhen: so lange
dieser nicht v< II ist, haben Manche Hungergefühl. Es bliebe
noch festzustellen, ob bei der iruheren reichlicheren Ernährung,
wenn sie in den Tropen f< rtgesetzt wird, die Nahrung audi so
gut ausgeniitzt wird wie früher. Wegen vermehrten Wasser-
genusses werden natürlich alle Körpers.ute. u!m> auJi die V«. r-
dauungssäite vorübergehend verdünnt und manches wird dir.
Körper unverdaut verlassen.
Die häufigen Diarrhoen erscheinen fast wie eine Kor¬
rektur fur ein l’ebermass von aufgi pommerer Nahrung.
Dieser Zustand wieder fuhrt viele zum ubeUrubereu Ge-
miss von alkoholischen Getränken, von deiun vielleicht ein
Minimum hmgereiJit Hatte, J:e \ et J.itring'tuOgkeit etwas zu
stimulieren. Lh fur meinen I eil habe im I ropenküma weit
weniger Nahrung als früher aufgenomitien und besonders Fett
soweit als möglich vermieden.
Dass in den ‘Tropen aiuli weniger Proteins;« .ff notig ist.
als im gemässigten Klima, Scheint daraus hervor/ugehen, d iss
heim Eortgciiuss der früheren Ration ein überaus starker Hu.tr-
w uclis am ganzen Körper aultntt, was emerseitx auf Stei¬
gerung der Hanttätigkeit beruht, andererseits audt uN eine Ab-
stossung überschüssig auigcuommenen Proteins*«.ffes aufge¬
fasst werden kann. Audi bei pmieinreidicr Kost nimmt der
Fleischansatz ab, sonst wäre d e Abmagerung der Fingew än¬
derten und der magere Zustand auch der s;di reichlich näh¬
renden Eingeborenen kaum begreiflich. Die niederen Schichten
der Eingeborenen gemessen freilich eine weit protemärmere
Nahrung als die frisdi Eilige w änderten.
Der feiiditheisse Zustand, vielleicht verbunden imt der
gesteigerten W asserauinaliuie, bedingt manchmal pathd >g.sdie
Venenanschwellung an den Beinen, namentlich bet Leuten, d e
in höherem Alter einw andern; audi e;n Bull von >diwd\mg
der ganzen Beine gelangte zu niemer Kenntnis. Dass J e B.ut-
bildimg in einem solchen Klima leidet, durfte aus dem anämi¬
schen Aussehen der Eingeborenen erhellen. Mandic Rc.sende
berichten aus Tropcnlaiidern darauf Bezug;. Jus. So beob¬
achtete S c h e I I i n g eine \ crimndcnmg der roten B!u:ko r pcr-
chcn, sowie der Puls- und \temtr eipien/. G logier und
Dä übler eine Verminderung des ll.imngloh.nge’ulies.
Solche krankhuitc Erscheinungen sind im lr<uken-bösen
Klima nicht, oder mir in ganz untergeordnetem Gr ide w.thr-
Zimehmeii. Am sJilimmsun tmd unangenehmsten sind de
klimatischen Wirkungen aut k'cmen Inseln m der 1 mpen/one.
Die Karelische Milchkur und die Unterernährung bei
Kompensationsstörungen.
\ on Felix H i r s c h f c 1 J.
Vor kur/ein v\ urde von L. .1 a c ob') auf Grur.J einer Reihe
von Krankenbeoba Jitiingeii im Eppuidorier K rattkenhaus die
Karelische Milchkur zur Bekämpfung ernster Kreislauf¬
störungen, wie sie suh bei sinkend, r llir/kratt em/uste’lin
pflegen, uls eine in Deutschland wenig bekannte Methode
dringend empfohlen.
Der Kranke erhalt nach diesen \ \ Jeutlen als a.'.einige Nahrung
5 7 Jage lang 4 mal täglich je J«**» cum a»’gek«* w htvr «.lir rJier
Milch von beliebiger, seinem Geschmack entsprechender I emperatur.
In den darautfolguulen 2 <» lagen gestattet man ausser Jer M'yh
einige Zusätze, zunächst mir 1 l'i und etwas Zwieback, dann 2 he'
und etwas Schwarz- oder Weissbrot und <ien.se. sn dass etw a
12 I a g e nach B e g i n n d e r Kur der l e b e r g a n g z u
voller gemischter Kost erfolgt, bei dir dann m diu
meisten ballen die Milch möglichst betbehaitcn < ■ ! e r !e u e:se dürJi
'I ec ersetzt wird, ohne dass in den uddenden 14 J ,t g «M ins 4 \\"Jicn
die < iesamtmenge der I mss^keit son um ubersu .c'
Jacob bemerkt dann weiter, ob die dm'et.sJu- Wirkung
dieser Kur auf einem unmittelbaren Einfluss auf de Nieren
oder auf der Zufuhr einer sehr kochsalzarmen N J;m:g beruhe,
wie R o m b e r g vermute, oder ob das Wese; t.;Jtc die äus-
*) L. Jacob, Assistenzarzt: l ‘eher die Bedeut’.:-g. der Kare kur
bei der Beseitigung schwerer Kreislaufstörungen u” * dt - B? ' ung
der b'ettsucht. ( Aus der I Mrt* !• •-•.a'abteiiung des Eppcu h-ru-r K um-
kenhauses in Hamburg. PrJ. Dr. EenhartzJ. M u?uh. rt.td.
Wochenschr. 19ut\ No. 16 u. 17.
Ori gina l frorri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1587
serste Reduktion der Merzkraft sei, die eine Erholung des
Herzens ermögliche, was Lenhartz für die Hauptsache
halte, möge dahingestellt bleiben.
Aus der gesamten Darstellung gewinnt man jedoch wohl die
Ueberzeugung, dass Jacob sich den letzteren Anschauungen an-
schliesst. Er betont auch, dass Lenhartz dieKarellsehe Milch¬
kur schon seit 15 Jahren häufig anwende und bei Bronchitis und Em¬
physem sowie Erkrankungen des Herzens mit Stauungszuständen
nicht selten überraschende Erfolge erzielt habe.
„Ebenso erkannte e r“, so fährt Jacob fort, „wohl als
erster, welch ein wertvolles Hilfsmittel die Kur
bei denjenigen Herzschwächezuständen dar¬
stellt, die als Folge der Fettsucht auftreten.
In der Einleitung ist nur kurz erwähnt, dass H i r s c h f e 1 d auf
Grund seiner klinischen Versuche über verminderte Nahrungszufuhr I
bei Herzkranken diese Kur für gewisse Fälle von Kompensations¬
störungen sehr empfiehlt, ohne jedoch eine Darstellung seiner Fälle
im einzelnen zu geben.
Diese Behauptung ist irrig. Vor 16 Jahren, also 1 Jahr bevor
Lenhartz diese Methode anwandte, habe ich zuerst, ausgehend
von Beobachtungen an Entfettungskuren, zeitweilig eine Unter¬
ernährung für Herzkranke empfohlen, die Karelische Milchkur
als einen Beweis für die Richtigkeit meiner theoretischen Erwägungen
erwähnt und dann in einer weiteren Arbeit günstige Erfahrungen an
3 Kranken unter Mitteilung der Krankengeschichten veröffent¬
licht.
Erst die dritte Arbeit aus dem Jahre 1896 wird von L. Jacob
erwähnt. In diesem vor der Berliner medizinischen Gesellschaft ge¬
haltenen Vortrag*) sind allerdings keine einzelnen Krankengeschich¬
ten mitgeteilt, sondern es ist selbstverständlich unter genauer Be¬
ziehung auf die früheren Arbeiten eine Zusammenfassung der Re¬
sultate auf diesem Gebiete auf Grund von etwa 20 Versuchen ge¬
geben. Ich hob auch hervor, dass eine Verringerung der Flüssigkeits¬
zufuhr das gewünschte Ziel nicht erreichen lasse, denn Kranke mit
Kompensationsstörungen wiesen alsdann die feste Nahrung zum
grossen Teil ebenfalls zurück; es würden also die Folgen der Unter¬
ernährung eintreten.
In der sich hieran anschliessenden Diskussion äusserte sich
Senator zustimmend und dehnte die Anwendung einer kurz
wiederholten Unterernährung auch auf Nieren- und Leber¬
kranke aus.
Wz Jahr später entwickelte ich dann in einem Vortrage 3 ) im
Verein für innere Medizin im Anschluss an die theoretische Auf¬
fassung über Beziehungen zwischen Unterernährung und Kreislauf,
in welcher Weise der Einfluss der Muskeltätigkeit bei Kompensations¬
störungen aufzufassen sei. Insbesondere wies ich darauf hin,
dass die Anwendung gesteigerter Muskeltätigkeit
zugleich mit einer Unterernährung oder Entfet¬
tungskur bei vielen Herzkranken eigentlich einen
Widerspruch in sich trage. In der sich hieran anschliessenden Dis¬
kussion wurde von den hervorragendsten Klinikern (v. Leyden,
A. Frankel und Ewald) die Unterernährung bei Herzkranken
in so schroffer Weise abgelehnt 4 ), dass ich es dem zuschreiben
*) F. Hirschfeld: Berl. klin. Wochenschr. 1892, No. 11 u. 35;
ebenda 1896, No. 33; Verhandlungen der Berl. med. Gesellsch. vom
13. V. 1896.
*) F. Hirschfeld: D. med. Wochenschr. 1897, No. 7; Sitzung
des Vereins f. innere Med. in Berlin vom 21. XII. 1896, 11. I. 1897 und
18. I. 1897. Auf diese Methode kam ich ferner noch zurück in den
Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin 1899, in der Mono¬
graphie „Die Ueberernährung und die Unterernährung“, Frankfurt
1897 und „Nahrungsmittel und Ernährung“, Berlin 1900.
4 ) So äusserte v. Leyden: „Wenn das Herz schwach ist, so
braucht es eine kräftige Ernährung, das kann wohl nicht zweifelhaft
sein“, und weiter: „Der Herzmuskel ist ein sehr tätiger, der kräftir
arbeiten muss, und gerade bei den Zuständen, die ich als Herz¬
schwäche bezeichnete, würde ich eine Unterernährung für ent¬
schieden bedenklich halten.“ Die Wirkung der K a r e 11 sehen Milch¬
kur führte v. Leyden nicht auf Entziehung, sondern darauf zurück,
dass der Kranke eine flüssige und zweckmässige Nahrung erhalte.
„Wenn K a r e 11 mit kleinen Dosen anfängt, so halte ich das
einerseits für übertrieben, andererseits aus der richtigen Erfahrung
hervorgegangen, dass man im Anfang nicht zu viel Nahrung geben
und den Patienten erst an Milch gewöhnen soll. Die absolute Milch¬
kur, die noch jetzt in Russland geübt wird, ist sehr bedenklich, denn
auf die Dauer erhalten die Patienten nicht genug Nahrung.“
Vergebens wandte ich im Schlusswort hiergegen noch ein, dass
eine theoretische Erklärung, weshalb die Unterernährung sich vor¬
teilhaft bei Kompensationsstörungen erweise, gegeben sei und dass
meine klinischen Erfahrungen mit der Anwendung der Unterernäh¬
rung und die Beobachtungen K a r e 11 s über den Nutzen der Milch¬
diät hiermit im Einklang ständen. In den meisten Fällen von Kom¬
pensationsstörungen sei die Unterernährung schon spontan durch das
Sinken der Esslust eingetreten. In solchen Fällen könne man aber
deutlich die Kompensationsstörungen steigern.
möchte, wenn gegenwärtig, wie dies auch Jacob hervorhebt, in
Deutschland eine Entziehungskur oder die K a r e 11 sehe Milchkur
kaum noch zur Anwendung kommt. Eine etwas genauere Prüfung
der Literatur hätte ihn aber über die Ursachen belehrt. Ich will
gern anerkennen, dass er jetzt an einem grossen klinischen Material
zusammen mit Lenhartz den Nutzen der Entziehungskur wiederum
bewiesen und damit dieser Methode hoffentlich dauernden Eingang
in die Klinik verschafft hat, möchte mich aber nicht in dieser Weise
bei Seite schieben lassen.
Für einen grossen Nachteil halte ich es, dass weder Jacob
noch Lenhartz der Frage näher getreten sind, ob denn das
Festhalten an der Milchdiät durchaus notwendig ist. Besonders aus
diesem Grunde scheint es mir von Interesse, meine Beobachtungen
auf diesem Gebiete mitzuteilen.
Es muss doch das Streben der klinischen Forschung sein,
die Wirkungsweise eines jeden Faktors zu analysieren, damit
der Arzt entsprechend den verschiedenen Individualitäten ver¬
schieden handeln kann. Die Durchführung einer bestimmten
Kur wie der K a r e 11 sehen Milchkur nach einem festgesetzten
Schema schiene mir nur dann gerechtfertigt, wenn die kli¬
nischen Erfahrungen lehren, dass auf keine andere Weise ein
Erfolg möglich ist. Dem ist aber nicht so. Wird die theo¬
retische Frage nicht geklärt, so ergibt sich der Widerspruch,
dass von einzelnen Klinikern eine Entziehungskur zur Be¬
seitigung von Kompensationsstörungen empfohlen« wird,
während gleichzeitig andere 5 ) die Unterernährung als die Ur¬
sache des gleichen Leidens ansehen.
Die ursprüngliche Karelische Milchkur bestand in Ver¬
abreichung von abgesahnter Milch. Eine solche Er¬
nährungsweise widerspricht der Geschmacksrichtung in
Deutschland aber so sehr, dass man ihrer allgemeinen Durch¬
führung kaum das Wort reden wird; ausserdem sind in 800ccm
entsahnter Milch im ganzen nur etwa 25 g Eiweiss, 35 g Kohle¬
hydrate und 10 g Fett, also etwa 350 Kalorien enthalten, d. h.
V? oder Vs der Erhaltungsdiät.
Die Verordnung von Vollmilch nach Jacob er¬
höht den Nährwert und kann wohl eher auf Zustim¬
mung rechnen; indessen hat auch diese Kur ihre Schwierig¬
keiten. Täglich im ganzen nur 800 ccm Milch zu erhalten,
empfindet ein Kranker oder seine Umgebung zumeist als eine
Hungerkur.
Nur bei schweren Nephritiden könnte man viel¬
leicht an Milch als ausschliessliche Nahrung denken, weil
hier der geringe Salzgehalt noch einen weiteren Vorzug
darstellt. Von französischen Autoren wird auch bei L e b er¬
leiden der verschiedensten Art der Milchdiät ein grosser
Nutzen nachgerühmt. Bei akuten Endokarditiden
beschränkte ich mich ebenfalls auf Milchdarreichung. In
solchen Fällen wurden oft nur täglich 200—400 ccm Milch ge¬
nossen, während ausserdem etwa 600—1200 ccm Flüssigkeit
erlaubt werden mussten. Für die meisten anderen Kranken mit
Kompensationsstörungen würde ich aber weder die Karell-
sehe Kur mit abgerahmter Milch, noch die ausschliessliche Ver¬
abreichung von Vollmilch empfehlen. Das Bestehen eines
schweren Magendarmkatarrhs scheint mir nach meinen
Erfahrungen entgegen den Anschauungen von L. Jacob
weniger häufig ein berechtigter Grund, weil alsdann infolge
der schweren Appetitlosigkeit schon Unterernährung als eine
Art Selbstregulation eingetreten ist, und eine weitere Be¬
schränkung der Nahrungszufuhr dann doch häufig keinen ent¬
scheidenden Nutzen mehr bringt. Die gemischte Diät scheint
mir vor der reinen Milchdiät auch den Vorzug zu haben, dass
die feste Nahrung selbst schon im Magen eine anregende Wir¬
kung ausübt. Wir können häufig bei gesunden Personen, die
lange gehungert haben, sehen, wie das Verzehren eines Zwie¬
backs sie kräftigt, bevor noch ein nennenswerter Bruchteil der
genossenen Stoffe in den Kreislauf übergetreten sein kann.
Bei sehr schweren Kompensationsstörungen
bleibt allerdings diese anregende Wirkung der Nährung aus;
hier wird jeder Bissen fester Nahrung quälend empfunden. In
wenn man durch sorgfältige Regelung- der Diät
eine reichlichere Ernährung herbeiführe. Schliess¬
lich sei die Unterernährung vielfach schon angewandt worden, aber
unter einer falschen Flagge, nämlich der der „massigen
Lebensweis e“.
5 ) Hans Epp in ge r: Med. Klinik 1908, No. 14. Auf diese
Ansicht komme ich noch zurück.
3*
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Original fro-rn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1588
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn.
sulchen Fällen wird die M i 1 c h k u r, wie überhaupt die flüs¬
sige Diät, besser vertragen; sie vermag aber auch, wie oben
gesagt wurde, keine entscheidende Besserung herbeizuführen.
Ein Festhalten an der ausschliesslichen Milchnahrung ist wegen
deren Monotonie eine unnütze Belästigung des Kranken; die
flüssige Kost kann aus Milch, Suppen, Eiern, Wein usw. be¬
stellen.
Die Diät, die sich mir bewährte, hat folgende Zusammen¬
stellung:
E r ü h: 150 eeni Kaffee mit 15 ccm Milch (dazu eveiit. Saccharin).
20 g Weissbrot.
Vormittags: 150 ccm Bouillon.
Mittags: 150 g Schleimsuppe. 200 g mageres Heisch (ruh
gewogen) als Schabefleisch oder in W asser gekocht, ungefähr 100 g
Spargel oder Blumenkohl mit etwas Sauce.
Nachmittags: 150 ccm Kaffee mit 15 ccm Milch, event.
Saccharin.
A bends: 100 g Heisch, 20 g Semmel.
Ich betone jedoch ausdrücklich, dass man sowohl in
quantitativer wie qualitativer Beziehung hier\ on
sich mehr oder minder weit entfernen darf. .1 e sc h w e re r
die Kompensationsstöruns; in jedem einzol n e n
Falle liegt, mit desto weniger Nahrung wird
man a u s k o m m e n.
Bei dieser Diät werden ungefähr 7(M> Kalorien in dem
Organismus erzeugt, was dem Nährwert von etwa 1100 ccm
Milch entsprechen würde. Selbstverständlich darf eine solche
niedrige Ernährung nur bei andauernder Bettruhe
verabreicht werden; alsdann ist man vor Zwischenfällen, wie
Ohnmächten, einem grossen Schw ächegeiiihl iisw. sicher. Die
Flüssigkeitsmenge betrug hierbei ungefähr (>oo ccm. Nur selten
war es noch notwendig, 2 400 ccm kohlensaures Wasser
ausserdem zu gestatten; meist genügte ein Ausspülen des
Mundes, um das Durstgefühl zu bekämpfen. Der Hunger ist.
wie auch Jacob hervorhebt, in schweren Fällen von Kompen¬
sationsstörungen meist so gering, dass die Kranken mit der
herabgesetzten Ernährung sich begnügen, ja sie erklären oft auch
mit weniger auskommen zu können. Je rascher in der Regel
die Esslust wächst, desto rascher pflegt zumeist auch die Kom¬
pensationsstörung zurückzugehen und desto deutlicher w ird die
Erstarkung der Herztätigkeit. Wenn aber nach länger als einer
Woche keine Zunahme des Appetits erfolgt, so halte ich dies
für ein sehr schlechtes prognostisches Zeichen. Meist gibt
sich die Hoffnungslosigkeit dieser Fälle dann in dun Versagen
der üblichen Herzmittel auch zu erkennen.
Die Dauer dieser Kur beschränke ich zumeist auf weniger
als eine Woche. Je nach den individuellen Neigungen ge¬
statte ich Zulagen, im ganzen aber langsam. Nament¬
lich suche ich zu verhindern, dass die Kranken nach einigen
Wochen bedeutend mehr essen, als ihr Stoffbedarf erfordert
und dementsprechend rasch an (iewicht zunehmen. Die Be¬
obachtung der Pulsfrequenz und der Urinmeiige gibt hierbei
wertvolle Fingerzeige. In meinen erstmitgetulten Kranken¬
geschichten habe ich zeigen können, dass alsdann sehr rasch
wieder Kompensationsstörungen aultreten. Das Verlassen des
Bettes darf man erst erlauben, wenn die Ernährung schon
reichlicher geworden ist und etwa 1500 2000 Kalorien beträgt,
also nicht vor 2 2 Wochen, wenn die strenge Unterernährung
etwa eine Woche dauerte. Au anderer Stelle habe ich schon
ausführlich auseinandergesetzt, dass die M u s k e I r u h e
ebenso wichtig ist, wie die Beschränkung der Diät. Man darf
die Muskeltätigkeit nur ganz allmählich steigern und zwar nur
unter steter Beobachtung der Leistungsfähigkeit des Herzens
in jedem einzelnen Falle. Sonst an und für sich leichte An¬
strengungen, wie z. B. das mehrere Minuten lange Stehen bei
dem Waschen, können den Kranken sehr anstrengen und den
(ievvinn wieder autheben, der durch die Schonung des Herzens
infolge der Unterernährung und der Bettruhe zu¬
erst erzielt war. Auf diesem (iebiete habe ich schon die
schmerzlichsten Erfahrungen gemacht und ich halte es iiir
leicht möglich, dass durch die 12 Wochen lang anhaltende
Unterernährung entweder die Blutmenge beträchtlich ver¬
ringert (»der das Herz oder das (iefässnervensystem in einen be¬
sonders labilen Zustand versetzt wird. Wahrscheinlich ist die
Blutmenge gerade genügend,um den Kreislauf bei Ruhe aufrecht
’ erhalten; wenn aber einzelne Organe arbeiten und sich
Hsprechcnd ihre Arterien erweitern, ergibt sich ein Miss¬
verhältnis, das zu Blutleere des (ielurns oder anderer
wichtiger Organe fuhrt. So mochte uh auch die Anschauung
; von Eppinger erklären, der in der l nterern.ihrung des¬
halb die Ursache der Kompensatioiisstoruug erblickte, w e u
das hypertrophische Herz eines hungernden I leres nicht im¬
stande ist, grossere Widerslande, wie 7. B. das Absperre n
der Brustaorta, dauernd zu bewa’tigeii. Dieses Experiment be*-
stättigt nur die klinische Erfahrung, dass wahrend einer l i:te r-
ernährung an das Herz keine grosseren Ansprache geste: i
werden dürfen.
Fast regelmässig stellt sich bei dieser Kur eine hart¬
näckige S t u h 1 v e r s t o p f u n g ein und dies ist audi zu
erwarten, da die genossene Nahrung an M e n ge so g e r i n g
ist und aus wenig Schlacken b i I d e n d e n Stoffen be¬
stellt. Aus diesem Uruude wird man in den meisten Lallen
sich begnügen können, wenn alle 2 läge auf Abführmittel, w ie
Rhabarber, Karlsbader Salz in kalter kohlen.saurehalticcr Lo¬
sung oder Klysmata und (ilyzerinzapfcheii Mahlgang erzeugt
w ird.
Die Anwendungsweise der Unterernährung ist wohl ziem¬
lich klar. Ueberall da. wo dem Herzen zeitweilig d.e Arbc.t
erleichtert werden soll, wird man von ihr Debraiich machen
dürfen. Wenn der Nutzen aber auch bei K omptiisationsst, »r tu: g
mit Oedemen durch die Besserung der Diurese am deutlichsten
nachweisbar ist, wird man auch dort sie emptchle n. wo sich
Storungen der Herztätigkeit in Anfällen \oii Mer/kr.mipten
oder Atemnot bemerkbar machen. Eis handelt siJi hierbei bis¬
weilen um Personen zwischen du und -40 Jahren. zumeist aller¬
dings um ältere Personen, die einem massigen Alkoholgettnsx
ergeben sind, sehr blutreich aussOien und das eige etl.che Bild
der Plethora der alten Medizin darbicten. D.ts l eiden wird bei
■ jüngeren Personen meist als tlcrzuciirosc anfgetasst, wahrend
; bei etwas alteren Personell wolt! meist an Arteriosklerose ge-
| elaeht wird. Die Forschung der letzten Jahre hat gelehrt, die
| höchsten < irade dieses Zustandes als eine besondere Erkran¬
kung anziise he ii. die P«»I\ z\tliarme oder Plethora \ era. Eine
sichere Entscheidung, ob dieser pathologische Zustand seinem
Wesen nadl \on der so hantig \ or kommenden Plethora VeT-
| schieden ist, oder nur den ausse ren tiipie Ipm.kl me hrerer m
; verschiedenen Stufen vorhandenen Steigerungen dar stellt.
, lasst sieh jetzt nicht treffen.
| (ierade bei solchen Personen, die siJi wenig Bewegung
machen, ist man meist geneigt, nadl dem (> e r t e I sehen \or-
| schritten eine El n t f e t t u n g s k u r, also eine Unter-
e r n ä h r n n g zugleich mit r e i c h I i c li c r Muskel-
tätigkeit zu empfehlen. Dies habe 1 J 1 sjmn sehr aus¬
führlich bekampit und kIi treue mich, dass n tzt I. e ii •
hart z dafür cmtritl, dass man zur Einleitung einer Ent¬
fettungskur die Karelische Milchkur, also Unteren.aliruug
und Bettruhe, auw enden soll. Bettmlie wird allerd ngs 1 h;
vielen wohl nicht notwendig, es genügt mir eine Eli tha'mng
vor stärkeren Anstrengungen m der ersten Zeit. Wem dutm
das Körpergewicht um 4 oder 5 Pfund gefallen ist. körnen,
bei nacligew leseuer Leistungsfähigkeit de s Mer/et> körperliche
Anstrengungen und abführende Kuren bei fettleibigen Patienten
den Erfolg noch steigern.
Sehr wertvoll erwies mJi mir die Unteren.ahm:.g bei der
1 lerzsc liw adle der (ireise. Eis sind ent w e de r hartnäckig e
Bronchitiden mit starker K urzatmigke it oder Magen -
b e s c Ii w erden, die nadl nu ii:ui 1 rf.-.hm,:gnn am häufig¬
sten das beginnende El t lahmen der Me r/k * alt bei (in iscii an-
zeigen. Solche Eaile werde n s t hr liautig verkamt. Be¬
sonders m Erinnenir.g ist nur ein Lall von liar;nackigen Mageu-
hescliw erden bei einem fast m i lahr.ge n Arzt, der e benso w n
sein Sohn, ein erfahrener Kliniker, st-in Ec.den aN beginnende".
Magenkrebs auffassen wollte, weil eil nsuts d e s.r^t.öfgstc
diätetische und medikamentöse P.e li.mdl.mg md,: ha : ! und d,c
körperliche Rüstigkeit de in hoben Alter e utspMdi. Die E ss.
Inst war wenig verringert. E.me spunge nie H r w o v hcr.t'n he
Ruliekiir. wobei wegen der Detalir der H\{»’s:.jc t ii imturoh
nicht Bettruhe verordnet wurde, und virie gle idize t.ge Me rab-
set/img der Ernährung besserte de Be sjiw e rdeu. so dass für
mehrere Monate eine- volle Erholung emtn.t. Erst s Mmm'c
spater erfolgte der I od.
Deshalb hat sich a11cli Marierhud b.ei der Kiozatrm^ke.:
der (ireise in manchen Lallen so wmv li L r w cht.. % • -fern d e
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
2 8. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1589
gerade dort so häufigen Uebertreibungen vermieden werden.
Noch mehr wie bei den Herzneurosen wird man darauf achten
müssen, dass besonders in der ersten Zeit die körperlichen An¬
strengungen gering sind; denn nicht die Unterernährung
in Marienbad, sondern die körperlichen Anstren¬
gungen sind für ein schonungsbedürftiges Herz gefährlich.
Ist erst durch die Unterernährung und die Anwendung des ab¬
führenden Brunnen eine Entlastung erzielt worden, so kann
inan wiederum das Mass von Körpertätigkeit vorsichtig
steigern.
Die Ergebnisse dieser und meiner früheren Arbeiten möchte
ich dahin zusammenfassen:
Die von Kare 11 zur Beseitigung von Kompensations¬
störungen empfohlene Milchkur ist eine Unterernährung; eine
aus leicht verdaulichen Nahrungsmitteln zusammengestellte
gemischte Entziehungsdiät kann die gleichen günstigen
Wirkungen entfalten. Die Erklärung liegt in der Tatsache,
dass die Ernährung ebenso wie jede auch nur
leichte Muskeltätigkeit eine zeitweilige Verstärkung
der Herzarbeit bedeutet. Eine Besserung ist vor allem dann zu
erwarten, wenn die Ernährung vorher reichlich war, weniger
wenn die Esslust sich schon vorher spontan beträchtlich ver¬
ringert hatte.
Die Menge der Nahrung muss je nach dem einzelnen Fall
verschieden sein; je schwerer die Kompensationsstörung' ist,
mit desto weniger Nahrung wird zumeist der Kranke aus-
kommen. Je rascher die Esslust wächst, desto günstiger ge¬
staltet sich im allgemeinen die Prognose.
Nachdem ich schon vor mehreren Jahren in einer Reihe
von Arbeiten diese Frage ausführlich erörtert irnd auch dies
beweisende Krankengeschichten mitgeteilt habe, ist jetzt der
Wert der Karelischen Milchkur durch Mitteilung neuer
Krankengeschichten von Jacob bestätigt worden. Damit
wird hoffentlich der Widerstand gebrochen werden, der der
Anwendung der Unterernährung bei Kompensationsstörungen
seinerzeit von so vielen Seiten entgegengesetzt wurde.
Aus der II. med. Klinik in Wien (Hofrat Prof. E. v. N e u s s e r).
Wachstumsfähigkeit von B oa s - K auf m a n n sehen Bazillen
im Mageninhalt.
Erwiderung auf die Arbeit von Dr. Georg Sandberg:
„Uebcr den Nachweis der langen Bazillen in den Fäzes und
dessen klinische Bedeutung“ in No. 22 d. W.
Von Dr. R o b e r t L a t z e 1, Aspirant der Klinik.
Durch eine Publikation Sandbergs aus der Breslauer medi¬
zinischen Klinik *) sehe ich mich gezwungen über Untersuchungen,
die ich noch nicht als abgeschlossen betrachte, eine kurze Mitteilung
zu machen.
Seit ca. einem Jahre befasse ich mich mit der Züchtung Boas-
Kaufmann scher Milchsäurebazillen in sterilisiertem Magensaft an
Carcinoma ventriculi erkrankter Patienten. Die Endziele meiner
Untersuchungen waren jedoch nicht die Aufstellung eines neuen Nähr¬
bodens für die genannten Mikroorganismen, weshalb ich mit einer
Publikation bisher noch zuriickgehalten habe. Das Verfahren der
Anreicherung von Milchsäurebazillen im Magensaft bietet an und für
sich gegenüber dem Anreicherungsverfahren in Essigsäurebouillon,
wie es Rodelia 9 ) auf unserer Klinik seit ungefähr Jahresfrist aus-
fiihrte. keinen wesentlichen Vorteil. Als Anreicherungsmedium ver¬
wendete ich nun nicht allein Mageninhalt Karzinomatöser, sondern
untersuchte seit einigen Monaten auch die Wachstumsfähigkeit der
besprochenen Bazillen im Magensaft bei Patienten, die an anderen
Magendarmerkrankungen litten. Dementsprechend möchte ich meine
Untersuchungen in zwei Gruppen trennen.
A. Züchtung im Karzinommagensaft.
Es ist allgemein bekannt, dass wir im bakteriologischen und
chemischen Befund des Karzinommagens mancherlei Varianten zu
finden gewohnt sind. Ich möchte da drei Typen, die einem wohl
am öftesten Unterkommen, und die mir speziell für meine Unter¬
suchungen wichtig erscheinen, aufstellen.
1. Bei subazidem Magensaft ist freie Salzsäure negativ, Pepsin
nur spärlich oder gar nicht nachweisbar, Milchsäure ist positiv,
bakteriologisch finden sich reichlich Milchsäurebazillen.
*) Sandberg: Ueber den Nachweis der langen Bazillen in
den Fäzes und deren Bedeutung. Münch, med. Wochenschr., 1908,
Heft 22.
*) Nicht publiziert.
2. Bei abermals subazidem Magensaft finden wir freie Salzsäure
und Pepsin negativ, ebenso aber auch Milchsäure negativ. Bak¬
teriologisch finden sich Milchsäurebazillen oder sie können auch
fehlen, meist sind sie, wenn überhaupt, nur spärlich nachzuweisen.
3. Wir finden oft normale Aziditätswerte, freie Salzsäure noch
positiv, Milchsäure negativ, Pepsinprobe meist positiv, einen Befund
wie wir ihn bei Ulcus carcinomatosum manchmal zu Gesicht be¬
kommen, aber auch sonst im Anfang einer karzinomatösen Neubildung
des Magens, besonders beim Sitz derselben an der grossen oder
kleinen Kurvatur finden können. Bakteriologisch finden wir ab und
zu Sarcina, jedoch keine Milchsäurebazillen.
Mir gelang es nun in den ersten zwei Fällen regelmässig im
sterilisierten MageiVaft Milchsäurebazillen aus irgend einem solche
enthaltenden Material zu züchten, und komme nun mit einigen
Worten auf die Beziehung der Milchsäure zum Wachstum der Ba¬
zillen zu sprechen. Ich glaube nicht, dass die milchsaure Gärung
selbst das Wachstum der Bazillen direkt fördert und möchte das
schon aus dem Grund behaupten, dass Milchsäurebazillen im stark
milchsauren Magensaft degenerieren, was mir dadurch aufgefallen ist,
dass die Färbung nach Gram und die Kultur bei starker milchsaurer
Gärung negativ ausfällt. Es dürfte vielleicht noch am richtigsten
sein, wenn wir annehmen, dass ein gewisser Grad milchsaurer
Gärung den Wachstumsbedingungen der in Rede stehenden Bazillen
nicht widerspricht, ja diese sogar begünstigt, insofern sie andere
Saprophytenarten vernichtet, dass aber ein höherer Gehalt an Milch¬
säure die Bazillen auch im Magen zur Degeneration bringt. Dem
entspräche auch am ehesten die Tatsache, dass man bei ein und
demselben Falle heute bei stark milchsaurer Gärung des Magen¬
inhaltes die reichlich vorhandenen Bazillen nicht kultivieren kann,
in einigen Tagen bei geringem Milchsäuregehalt eine Kultur keine
Schwierigkeiten macht. Im zweiten Falle, in dem wir keine prä-
formierte Milchsäure im Mageninhalt fanden, konnte solche nach
24 stündigem Bebrüten der mit bazillenhaltigem Material geimpften
Röhrchen immer nachgewiesen werden.
Im dritten Falle fiel ein Züchtungs- resp. • Anreicherungsversuch
immer negativ aus.
Was die Frage anlangt, ob man Brut- oder Zimmertemperatur
verwenden soll, möchte ich mich dahin aussprechen, dass man Zim¬
mertemperatur am besten verwendet, wenn man ohne Mühe Rein¬
kulturen erzielen will, Bruttemperatur stets, wenn man die Methode
als Anreicherungsverfahren im strengen Sinn dest Wortes verwendet. <da
Miilchsäurebazillen die unter irgend schlechten Wachstumsbedingungen
gestanden, bei Zimmertemperatur nicht angehen, während der kleine
Nachteil des Mitwucherns von Hefe, Streptokokken und einigen
Stäbchen sich bei sorgfältiger Plattenkultur bald wett machen lässt.
B. Züchtungsversuch im Magensaft Nichtkarzino-
m a t ö s e r.
Bei diesen Versuchen verwendete ich bisher Fälle von Ulcus
ventriculi, Achylia gastrica, Hypochlorhydrie und Dispepsie der Phthi¬
siker und Fälle von heftigem agonalen Erbrechen. Hier gelang es
mir nur im letzten Falle ein positives Resultat zu erzielen und zwar
von vier untersuchten Fällen 3 mal. Es ist ja bekannt, dass der
unter ganz abnormen Gärungsverhältnissen stehende Magen in der
Agone oft reichlich, wie ich mich einmal überzeugen konnte, sogar
massenhaft Milchsäurebazillen enthalten kann.
In den Fällen von Hyperchlorhydrie, Achylie und Hypochlor¬
hydrie gelang es mir jedoch bis heute nicht, eine Anreicherung von
Milchsäurebazillen zu erzielen, was mich umsomehr wunderte, als
man in Grampräparaten aus solchem Mageninhalt meist milchsäure¬
bazillenähnliche Stäbchen findet, die allerdings kulturell meist nicht
nachweisbar sind, weshalb mir oft Bedenken gekommen sind,
ob es sich hier nicht um degenerierte Leptothrixarten aus der Mund¬
höhle handle. Die negative Jodreaktion ist bei den meist degene¬
rierten Stäbchen nicht zu verwerten. Nie habe ich in allen hieher-
gehörigen Fällen eine Milchsäurebazillenflora beobachtet, wie sie der
bei Carcinoma ventriculi nur ähnlich wäre.
Zuletzt möchte ich mich nur noch gegen einen Satz wenden.
Sandberg behauptet nämlich: „Die Anwesenheit der lan¬
gen Bazillen im Stuhl ist ein Beweis für das Vor¬
handensein derselben im Mageninhalt“. Damit geht
der Autor entschieden zu weit. Es braucht, wie jede andere Bak¬
terienflora auch die Milchsäurebazillenvegetation ihre Infektion, aber
dass dieselbe im ganzen dazu befähigten Digestionstrakt erfolgen und
gleich lang andauern muss, dürfte der Erfahrung nicht entsprechen.
So finden wir bei Stenosen des Dünndarms (Lymphosarkom, Tuber¬
kulose etc.) oft reichlich Milchsäurebazillen im Stuhl, während im
Mageninhalt, der oft auch chemisch nicht die richtige Eignung hätte,
keine derartigen Stäbchen auffindbar sind.
Verweisen möchte ich auf einen Fall von Lymphosarkom des
Jejunums, welchen R. Schmidt 5 ) in der Gesellschaft für innere
Medizin vorgestellt hat. Es fanden sich bei diesem Falle im Stuhl
eine Reinkultur von Milchsäurebazillen, während man im Mageninhalt
nur wenige verdächtige Stäbchen finden konnte. Es wurde intra
vitam von R. Schmidt die Diagnose auf Lymphosarkom des
3 ) Mitteilungen der Gesellschaft für innere Medizin und Kinder¬
heilkunde in Wien. VI. Jahrg., No. 7.
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J59U
MUENCHFNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.
Dünndarms gestellt und bei der Autopsie tatsächlich eine lympho-
sarkomatöse Infiltration im obersten Anteile des Jeiunums ge¬
funden, wodurch es zu einer kindskoplgrossen Erweiterung des
betroffenen Dannlumens gekommen war. in welcher die Milch-
säurebazillen die denkbar günstigsten Wachstumsbedingungeii ge¬
funden haben. Ich selbst habe bei einem balle, bei dem es
sich um zeitweise Stenosierung des Dünndarms durch einen
grossen Milztumor handelte, aus dem Stuhl mit der Anreicherungs¬
methode Rodel las durch Tage hindurch stets Milchsäureba/illen
nachweiscn können, wie sie auch im (irampräparat stets das Bild be¬
herrschten. Im Ausgeheberten wie im Erbrochenen konnten solche
nie nachgewiesen werden, hingegen war freie Salzsäure stets deut¬
lich positiv, wie auch später ausgeführte Proben mit Pesmoidpillcn
in diesem Sinne ausfielen.
Schliesslich fand ich noch bei akuten Enteritiden im diarrlioi-
schen Dünndarmstuhl sowie bei Tuberculosis intestini oft reichlich
Milchsäurebazillen, die ich in vielen Eällen auch kulturell nachweiscn
konnte, was mich wohl zur Annahme berechtigt, dass sich im Dünn¬
darm, speziell in seinem obersten Anteile selbständig eine Milchsäure¬
bazillenflora entwickeln kann, jedesfalls aber das Vorkommen der
Bazillen im Stuhl einen sicheren Rückschluss aui das Vor¬
handensein derselben im Magen nicht zulässt.
Kurzsichtigkeit und ihre Verhütung.
Von Prof. Dr. Best in Dresden.
(Schluss.)
Es wäre nun sehr einseitig, wollte ich nicht auch die
anderen M y o p i e t h e o r i e n hier kurz referieren.
I. Theorien, dieci ne V e r m e h r u n g d e s intra¬
okularen Druckes durch N a li e a r b e i t an-
nehmen. Gegen alle diese Theorien spricht, abgesehen von
den einleitend hervorgehobenen allgemein biologischen Momen¬
ten, die Tatsache, dass der hintere Pol des Auges nicht der¬
jenige Teil ist, der durch Druck am leichtesten gedehnt wird.
Langsame Druckerhöhung in dem wachsenden Auge des Kindes
erzeugt allgemeine Ektasie (Hydrophthalmus) mit vorw iegen¬
der Beteiligung des vorderen Bulbusabschnittes (Cornea glo-
bosa; der hintere Augenabschnitt ist durch den Orbitaldruck
relativ gegenüber dem vorderen entlastet) und glaukomatöser
Sehnervenektasie. Im späteren Alter bewirkt Druckerhöhung
ebenfalls zu allererst Sehnervenektasie. Damit sind diese
Drucktheorien alle sehr unwahrscheinlich.
1. Druckerhöhung durch Akkommodation.
Findet nach Hess nicht statt.
2. Durch Konvergenz. Fs ist nicht nachgcw iesen.
dass der Druck bei Konvergenz höher ist als bei Seitenbewe¬
gungen, und sogar unwahrscheinlich.
3. Durch den Druck sämtlicher dabei beteiligten Muskeln
b e i K o n v e r g e n z u n d g c n c i g t e m Blick. I lass hier¬
bei mehr Augenmuskeln in Aktion treten als bei Ausgang von
der Primärstdlimg and einfacher Seitenbewegung wie dies
näher durch Sattler in der Bowmanlecture 1907 ausgefiihrt
ist — muss zugegeben werden. Aber wenn wir z. IT über die
Strasse gehen und uns umselien, so gehen wir doch auch im
allgemeinen nicht von der Primärstellung aus, sondern blicken
meistens mit leicht gesenkter (iesiclits!inie um uns. Bei dem
andauernden Wechsel des Fixationsobjektes sind voraussicht¬
lich alle Augenmuskeln wechselnd teils in aktiver Kontraktion,
teils in relativer Erschlaffung mit leichter Kontraktion zur Züge¬
lung des Antagonisten. Der Druck w ird also dauernd auf dem
Auge beim Umherblicken lasten, und es ist wohl kaum wahr¬
scheinlich, dass bei Verfolgung eines naheliegenden Obiektes
der intraokulare Druck irgendwie anders sein sollte als bei
fernen.
4. Stillings Theorie. Stilling schuldigt das
Wachstum des Auges unter Muskeldruck an; besonderen Nach¬
druck legt er dabei auf das Verhalten des M. ohliquus su-
perior. Insoweit es sich allgemein um den Muskeldruck bei
Nahearbeit handelt, fällt seine Theorie unter die bisher erörter¬
ten Einwände. Dass der Druck und Zug des kleinsten aller
Augenmuskeln, des Obi. sup., besonders hervorgehoben wird,
ist St i 1 I i n g s Eigentümlichkeit. Ich vermag mm nicht cin-
zusehen, dass der Obi. sup. besonders bei geneigtem Blick einen
Druck auf das Auge ausüben soll. Gerade in der oberen Blick¬
feldhälfte liegt seine Sehne in grosser Ausdehnung der \”gen-
M and an, und beim Umherscliauen in der oberen Blickfeld?
Jjfg itizegj a-GOOgk
hälfte müsste sein Druck ganz besonders wirken (immer bei
den Bewegungen natürlich, wobei der Blick m der ol^ren
Blickfeldhälfte gesenkt wird). Abgesehen davon ist d.c druck- -
erhöhende Wirkung der bei Konvergenz und Neigung des
Blicks ausserdem beteiligten Muskeln eine \ sei höhere als Jis
kleinen Obliqims. In einem Punkte ist Stilling digegcii
zweifellos im Recht, insofern er die Bedeutung des \\.ij!s;:i:i s
ffir die Arbeitsmyopie hervorhebt. Nach seiner AusJi iu:r g ist
die Gestaltsveränderung des Auges nicht unmittelbar durji Jeti
Muskeldruck bedingt; erst durJi seinen lammenden Ei: h:ms
auf das Wachstum des Auges k< mmt es in der R.chtaag des
geringsten Wachstumshindernisses, das von Stilling tu
die Längsachse des Auges verlegt wird, za vermehrtem
Wachstum. Aber auch bei dieser Formulierung w;rJ damit
gerechnet, dass bei Nahearbeit der äussere Muskel Jr;u k
grosser ist als bei wechselndem t ’mherschaüeii in Ferne ur.J
Nähe im gewöhnlichen Gebrauch des Auges; w is nicht er¬
wiesen ist. Die allgemeinen Grunde, d.e gegu* \ erkmuptarg
von Wachstum und MuskelJruck sprechen, wurden oben sjm*i
in der Hauptsache erörtert.
Diejenigen Theorien, welche dm Nahearbeit durch Er¬
höhung des intraokularen Drucks wirken lassen, nehmen zum
Teil als anatomischen Ausdruck der Disposition e:ne
a b u o r m geringe Dicke der Skier a am hinteren P« i
an, so vor allem Heine. Ui habe im Vorhergehenden den
Veränderungen an der AJerhatit und Gla.slamelle d e primäre
Bedeutung zu gesell neben.
Stillings Theorie sieht die Disposition m dem
w e e hseIn d eu Ansatz der Sehne des (> b ! i qu u s
Superior. Nun variieren die anderen Augenmuskeln aber
auch, und der Druck dieses Muskelcheiis ist der vJitt.idMc
von allen (cf. Sclmurfurchen der Rekti bei phthiSisJun Augen').
Die von Stilling angesjmld gte wechselnde H he der
Augenhöhle, die wieder durch Vermut:’ng des Obbqaus wir¬
ken soll, ist nicht allgemein bestätigt. iusotYn: sie eine konstante
Beziehung zur Myopie haben soll.
Ga Iltis nimmt an. dass der myopisjie Palhns tiefer
in d e r () r b i t a z u r u c k b I e i b t. w js w olil d< »Ji u:Jit all*
gemein zutreflen durfte, da man gerade hochgradig Mvcpis^he
oft an den vorstehenden Augen erkennen Kami. Audi g.'.t für
diese wie andere Orbitaltheorien der sji<*n \nn Schmidt-
Rimpler betonte und bereits eo*rterte » iegenemw and. dass
sich das Wachstum der Orbit* vermut;. Ji muh dem des Auges
richten dürfte, nicht umgekehrt.
II. T h e o r i e ri, d i e e i n e Zerr u u g a m S e li nerv
durch N a h e a r b e i t a n n e b m e n.
1. Weiss glaubte eine solche Zerrung durch zu
kurzen Sch nerv feststellen zu können, was widerlegt mt.
2. T h o r n e r sagt, dass bei jeder B e w e g u n g des
A li g e s der S e h n e r v e i n e lei c h t e Zerr u n g a n
der Sklera des hinteren Pols bewirkt, da der
Sehnerv infolge des natürlichen Peharrungs\ erm<-gens erst
sekundär in die Augenbew egttfig m:t e:nbe/ogi n wird. Kurze,
schnell aufeinander folgende Angenm:iskelkont r akt.o”eu wer¬
den also besonders zerrend wirken können. D e^e fmdeu nun
beim Lesen ganz besonders statt; I borner findet he.m
schnellen I.esen in der Sekunde etwa 7. beuti Schreiben etwa
1 Blickbew egupg. vvälirend angeb'uh beim gew mWc hen Sehen
das Fixationsobjekt immer erst muh mehreren >Oa:de’| ge¬
wechselt wird. Kontinuierliche Bewegungen s ; J nicht m-
schädlich. Durch Summation der Reize k.m:; e s .m w ,i Jisen-
den Auge wohl zu einer VisJehmung am h r.ten r« IM kmemem
Thorners Theorie ist durdiuns beiuhtevsw efl, wed s.e
wieder einen neuen <
i(.danken in d
e s..;»st (.ft re Jlt UM* O ’lt-
bare Myopiedcbattc
hmcinbrrngt.
Zw ,*r >t J e Ik.!. :tung
schnell w e Joelnder I
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ln u v »n C o 1> u u • d > t : i -
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schuld an de- V'hcarhcitsmvomc.
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Original from _
UINIVERSITY OF MINNE^Ü^
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1591
tionsobjekt zu wechseln, sondern etwas intensiver sich um-
schaut, der ist dann auch eher in Gefahr, kurzsichtig zu wer¬
den, ganz ohne Nahearbeit, worüber nichts bekannt ist. Dass
die kleinen schnellen Bewegungen beim Lesen mehr zerren, als
seltenere, aber um so ausgiebigere beim gewöhnlichen Sehen,
ist flicht wahrscheinlich. Leute mit Nystagmus, angeborenem
una erworbenem, die andauernd mit ihren Augen kleine
Sprünge machen, würden ganz kolossal myopiebelastet sein,
denn bei denen hat die Skleralzerrung nur während des Schla¬
fes ein Ende. Wer viel Eisenbahn oder Auto fährt, der müsste
ebenfalls erhöht der Myopiegefahr ausgesetzt sein, da das
schnelle Vorbeisausen der Gegend zu schnellen Blickbewe¬
gungen zwängt (Eisenbahnnystagmus). Wer von rechts nach
links liest, zerrt seine Sklera am hinteren Pol horizontal und
bekommt wohl dementsprechend einen wesentlich temporalen
Konus; wer aber von unten nach oben liest, bei dem findet in
horizontaler Richtung gar keine Zerrung an der hinteren Sklera
statt, und es müsste doch wohl (selbst bei Berücksichtigung der
angeborenen Disposition zu temporalem bezw. nasalem Konus)
bei Japanern und Chinesen, die auch zahlreich kurzsichtig wer¬
den, eine gewisse stärkere Dehnung im vertikalen Meridian
nachzuweisen sein. Das sind einige wesentlichere Gegen-
gründe, die Thorners Theorie schwer überwinden wird.
III. Hyperämie der Makulagegend durch Nahe¬
arbeit wird von W i d m a r k u. a. als ätiologisches Moment der
Kurzsichtigkeit betrachtet. In der Tat wird den peripheren
optischen Bildern beim Lesen viel weniger Aufmerksamkeit
geschenkt als beim ungezwungenen Sehen; auch ist es durch¬
aus wahrscheinlich, dass dabei nicht allein das Gehirn, sondern
auch die Netzhautmitte stärker in Anspruch genommen wird,
und das Bestehen einer gewissen Arbeitshyperämie ist damit
wahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar. Immerhin kann
man bei langem angestrengtem Lesen hyperämische Symptome
sogar in Nachbargefässgebieten bekommen (rote „Augen“,
bezw. Lidränder). Insofern eine derartige Theorie den Wachs¬
tumsreiz in stark vaskularisierte Augenteile legt, ähnlich wie
auch die von mir entwickelte Akkommodationstheorie, hat sie
eine gewisse Wahrscheinlichkeit, ist aber kaum zu widerlegen
oder zu beweisen. Dass die Hyperämie beim Bücken,
Hinirberbeugen über die Bücher, durch Druckerhöhung oder
sonstwie Entstehen der Myopie begünstigt, ist sehr unwahr¬
scheinlich, da sie Orbita wie ganzes Auge unter gleiche hyper¬
ämische Bedingungen setzt; müsste doch sonst jede Störung,
die den Rücklauf des Blutes vom Gesichte hemmt, also selbst
Herzfehler, zur Myopie disponieren.
Damit wären die wesentlichsten Theorien erwähnt; natür¬
lich zum Teil bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit
viel zu rasch abgetan. Wer sich für ein etwas ausführlicheres
Referat, allerdings von anderem Standpunkt, interessiert, sei
auf dasjenige von S c h i e c k in den Ergebnissen d. allg. Path.
von Lubarsch-Ostertag 1906 verwiesen.
Welches sind die praktischen Konsequen¬
zen aus der damit gewonnenen Einsicht in die
Ursachen der Kurzsichtigkeit?
Die eine der Ursachen, die individuelle Disposition,
ist als ererbter Zustand nicht gut zu bekämpfen. Höchstens
dass belastete Kinder besonders vor den Gefahren der Nahe¬
arbeit behütet werden sollen. Ferner dass Heiraten
Kurzsichtiger, besonders hochgradig Kurzsichtiger unter¬
einander augenärztlicherseits als unerwünscht bezeichnet wer¬
den müssen. Einige Autoren empfehlen Heiraten Kurzsichtiger
und Uebersichtiger. Mathematisch ist das recht gut gedacht,
da + und _ 0 gibt, vorausgesetzt, dass nicht etwa die
Mendel sehen Vererbungsgesetze dabei gelten; praktisch
ist die Sache so, dass damit zwei Leute zusammen kommen,
die beide einen von der Norm abweichenden Bau haben
und sehr wahrscheinlich die Neigung zu fehlerhaften Augen
potenziert an ihre Nachkommen abgeben. Man muss doch
immer bedenken, dass hochgradig Kurzsichtige wie Ueber-
sichtige erheblichen Grades in höherem Prozentsatz Astig¬
matismus und allerlei kleine angeborene Augenanomalien
haben (wie Papillenanomalien oder Pupillenmembranreste
usw.) und der Refraktionsfehler, je höher er ist, um so sicherer,
der Ausdruck einer gewissen Augenverbikhmg ist, die nur
durch Kreuzung mit Normalen wieder eliminiert werden kann.
Was nun den zweiten Faktor, die Nahearbeit,
angeht, so wird die theoretische Vorstellung, die man sich über
die Art und Weise ihrer Wirkung macht, weniger für die Schul¬
hygiene von Bedeutung sein, als für die individuelle Therapie
zur Verhütung des Fortschreitens einer be¬
stehenden Myopie. Nimmt man an, dass die physi¬
ologische Beanspruchung der Akkommodation das Auge
während des Wachstums bei normaler Refraktion erhält, so
wird man jede Myopie in der Jugend durch Gläser
voll korrigieren. Hat jemand z. B. durch Nahearbeit
eine Kurzsichtigkeit von 3 D erworben, so wird er im allge¬
meinen bei weiterer Nahearbeit ohne Glas je nach individueller
Gewöhnung dauernd um 1—2 D akkommodieren, dagegen im
übrigen seine Akkommodation nur schwächlich ausnützen und
als Nahearbeiter seine Ferneinstellung von 33 cm selten ver¬
wenden. Zumal sie ihm doch keine scharfen Bilder der wirk¬
lichen Ferne liefert. Verordnen wir ihm dauernd —3,0 D zum
Tragen, so wird er genötigt, vorübergehend zur Nahearbeit
energisch zu akkommodieren, dagegen in der Zwischenzeit
seine Akkommodation für Ferne völlig zu erschlaffen. Letztere
Art der Inanspruchnahme der Akkommodation ist die physio¬
logische und wird am ehesten die Erhaltung der normalen
bezw. künstlich durch Gläser normal gemachten Refraktion
garantieren, soweit nicht die einmal hervorgerufene Richtung
zum Längenwachstum die Ueberhand behält. Aehnliche
Gründe, wie sie für Vollkorrektion sprechen, sind gegen die
Atropinkur (mindestens in den meisten Fällen) anzuführen.
Zwar wird dadurch die Akkommodation gelähmt, aber auch die
das Gegengewicht haltende Aderhautelastizität weniger in An¬
spruch genommen, und von deren guter Ausbildung hängt doch
nach der Akkommodationstheorie die Länge des Auges zum
Teil ab. — Die Muskeldrucktheorien haben zur Tenotomie von
Augenmuskeln und zur Verordnung von Prismen zur Ver¬
hütung der angeblich schädlichen Konvergenz geführt, natürlich
ohne Erfolg.
Unabhängig von der Theorie ist eine hygienische Forde¬
rung aus der Entstehungsursache der Kurzsichtigkeit: die
Einschränkung der Nahearbeit. Wir betreten da¬
mit das Gebiet der Schulhygiene. Wenn man auch die
Schulkurzsichtigkeit als ganz harmlose Sache ansieht, da sie
in der Regel nicht zu den schweren Folgen der deletären
Myopie (Makulaerkrankung, Glaskörpertrübung, Netzhaut¬
ablösung usw.) führt, so Ist doch kein Zweifel, dass sie nach
Möglichkeit eingeschränkt werden sollte, v. Hippel hat
den Satz ausgesprochen, Bildung und Kenntnisse lassen
sich nun einmal nicht erwerben ohne eine gewisse Schädigung
des Körpers. Das ist natürlich bis zu einem gewissen Grade
richtig, und wenn der Satz in vollem Umfange zuträfe, so
müsste man lieber die vermehrte Bildung wählen und die
Kurzsichtigkeit, selbst in hohem Prozentsatz, in Kauf nehmen.
Bei allen Vorschlägen zur Einschränkung der Nahearbeit
stossen wir auf den teilweise durchaus berechtigten Wider¬
stand massgebender Faktoren.
Solche Erwägungen haben dazu geführt, dass die schul¬
hygienischen Vorschläge von Cohn u. a. weniger die Nahe¬
arbeit als solche betrafen, als die Vermeidung von Nahearbeit
bei schlechter Beleuchtung, schlechter Hal¬
tung. In weiten Kreisen ist wohl heutzutage die Meinung
verbreitet, dass die Sorge für gute Beleuchtung in den Schulen
das Wesentlichste sei, auch zur Vermeidung der Kurzsichtig¬
keit. Ich will nicht verkennen, dass die Forderungen Cohns,
die also wesentlich gutes Licht, gut passende Bänke, guten
Bücherdruck, Geradsitzen der Kinder u. a. betrafen, ihre volle
Berechtigung auch hjeute noch haben. Sie sind ja grossenteils
erfüllt. Unsere Kinder arbeiten heute unter wesentlich bes¬
seren hygienischen Verhältnissen, enorme Fortschritte hat die
Beleuchtungstechnik gemacht — aber der Erfolg für die Schul¬
kurzsichtigkeit ist fast Null. Es muss vielmehr in das
Bewusstsein der Lehrer und Aerzte über¬
gehen, dass die Nahearbeit selbst es ist, die
kurzsichtig macht, wollen wir Erfolge e r -
Digitized by Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1592
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N...
reichen, und das ist zugleich der Hauptzweck meiner Ar¬
beit. Ob man bei schlechter Beleuchtung liest
oder bei guteristbeigleicherAn näher ung des
Buches gleichgültig; nur wenn die Beleuch¬
tung so minderwertig ist, dass sie direkt zum
Näherhalten zwingt, was wohl nur bei Dämmerung
und kleinstem Druck nötig ist, i s t s i e s c h ä d 1 i c h. C o h n
und seine Zeitgenossen konnten wohl der Ansicht sein, dass cs
genüge, die mancherlei Nebenumstände zu beseitigen, die die
Nahearbeit begünstigen; wir, die wir auf die Erfahrung der
letzten Jahrzehnte zurückblicken, müssen die Einschrän¬
kung der Nahcarbeit selbst fordern.
Was können wir nun darin erreichen? Und welche spe¬
ziellen Einschränkungen sind vorzuschlagen und durchführbar?
Offenbar müssen sie je nach Schule verschieden sein.
Wenn von den Volksschülern nur ca. 6 Proz. die Schule kurz¬
sichtig verlassen, und von 1500 (jestellungspflichtigen nur 2
wegen der Höhe ihrer Kurzsichtigkeit untauglich sind, so sind
diese Zahlen nicht so hoch, dass sie grosse Einschränkungen
veranlassen können. Wenn aber die Hälfte aller Studierenden
durch die erworbene Bildung kurzsichtig gemacht wird, so
haben wir doch wohl die Pflicht, hier intensiver einzugreiieii,
damit nicht die herrschende Oberschicht des Volkes allzu kurz¬
sichtig ausfällt.
Von den gemachten Vorschlägen geht vielleicht am wei¬
testen der von Qrunert, der Lesen und Schreibe n
erst in das 9. Jahr verlegen will. Ich glaube, dass das
nicht gut durchzusetzen sein wird, und ausserdem kommt die
grosse Menge der Kurzsichtigen erst später zu ihrem Augen¬
fehler. Der Vorschlag würde endlich nur die Volksschulen am
intensivsten treffen, w ährend die Reform für die (iynmasien am
wünschenswertesten ist.
Für die Volksschulen würde eine geringe
Verminderung der Nahearbeit genügen. Meiner
Ansicht nach könnte sie in Folgendem bestehen. Wozu plagen
wir unsere Kinder mit Alphabeten? Das ist vollkommen
sinn- und zwecklos, wenn zur Verständigung 4 ausreichen.
Wenn aber 4 ausfallen, so ist es klar, dass dies nur die 4
sogenannten deutschen („Fraktur“) und nicht die lateinischen
sein müssten. Die deutschen haben nur einen angeblichen
Vorzug, dass sie eben nur in Deutschland geschrieben wer¬
den. Aber der Patriotismus kann doch eigentlich nicht darin
bestehen, dass man das Schlechtere dem Outen vorzieht. Die
deutschen Buchstaben sind als Mönchsschrift im Mittelalter
unter dem Einfluss der Gotik entstanden, w ie auch noch in
England die Uebcrschriften zum Teil gotisch gedruckt wer¬
den, was bei unseren Vettern sicher nicht aus Liebe zu Deutsch¬
land geschieht, sondern als konservativer Rest sich erhalten
hat. Die deutsche Schrift ist nur insoweit „deutsch“, als wir
sie seit 5 Jahrhunderten neben der Lateinschrift, aus der sie
sich entwickelt hat. vorwiegend benutzen. Importiert sind sie
beide. Lateinische Buchstaben sind einfacher als die stark
verzierten deutschen und deshalb auf weitere Entfernung les¬
bar. Bei gleicher Grösse hängt die Erkennbarkeit eines Buch¬
staben nicht nur von dem Gesichtswinkel des ganzen, sondern
auch von dem seiner einzelnen Teilstriche und deren gegen¬
seitiger Distanz tmd Form ab; die grossen deutschen Druck-
Buchstaben z. B. sind erst auf 2 Drache Entfernung der ent¬
sprechenden lateinischen bei Verwendung als Sehprobenbuch¬
staben und gleicher Grösse zu erkennen. Nebeneinandergestellt
sind ÖfcH033U £(SlLI3($.'pl£ ©UCS.fr mit grösster
Mühe zu entziffern. Unsere deutsche Druckschrift erschwert
dem Ausländer die Kenntnis unserer Sprache und Literatur,
deren Erzeugnisse somit in der Welt eine geringere Bedeutung
haben, während umgekehrt unser Volk ausländische Ware in
jedem Falle gerne einführt. Alle Vernunftgründe, auch unser
vaterländischer Sinn, sprechen für Einführung nur des lateini¬
schen Alphabetes, vollständige Abschaffung des deutschen. Die
dahingehende Bewegung wird leider von oben immer unter¬
drückt; sonst würde sie längst grössere Fortschritte gemacht
haben. Alle Aufschriften auf Läden, alle Bekanntmachungen
auf der Strasse und in öffentlichen Verkehrsorten sind längst
lateinisch, alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Zeit-
Triften ebenso. Ich halte es direkt für die Pflicht der
Augenärzte und überhaupt der S c h u I h y g i c n e.
f ii r d i c A b s c h a f f u n g d e r g o t i s c h tu B u c h \ t a b c n
zu w i r k e n; ganzlnre c h t hat d a s A u s I a n d nicht,
d a s ii n s e r e d e u t s c h eu B u c h s t a b e n a n d c r k urz-
Nichtigkeit der Deutschen schuld sein lasst;
schädlich wirken sie allerdings nur durch unnütze \crmebrung
der Nahearbeit. Ausgezeichnet orientiert über d;c Vorzüge der
lateinischen Alphabete die Schrift von S n ii c v k t n 1^1:
Das deutsche Schriitwesen und die Notw enJ.gkeit seiner Re¬
form. Bonn.
Damit sind mindestens wöchentlich 2 StiuiJen fre.c Ze:t
für die Kinder gewonnen, die zweckmässig zu Uebungen t:n
Freien. Turnen. Spiel und Spurt verwendet werden konnten.
Für die h 0 h e r e n S c h u I e n w u r dc eine der »r t.gc
Vereinfachung allerdings mdit genügen. Wühl ist in Jen \ <>r-
schulklassen damit etwas erreicht, aber die M.i.ipöw! j^tnog
durch Nahearbeit kommt erst noch, liier sind iolgende Ver¬
schlage beachtenswert, und. so viel ich sehe, ohne Gefahr tut
die Bildung des Kindes durch!.ihrbar.
Erstens ist der Unterricht m den n e u e reu S p r a c h e n.
wie er zurzeit betrieben wird, zum Teil immer nodi za sehr
schriftlich, zu wenig mundheh. Wer die >dra!e \ erlass!. is*
kaum je imstande französisch ('der englisch zu sprcdicn:
bestenfalls kann er fremdsprachige Padier lesen. läng«. kehr t
sollte die Sache sein. Unterhaltung sollte mehr in >teec Jo
Lesens in fremder Sprache treten.
Zweitens: Es gibt Fächer, die ' :el Lese- unJ Sdre.b-
arbeit erfordern Latein und Griechisch besonders. Andere,
und erfreuhcherw eise gerade die N a t u r w isvuisch a f -
teil, können so betrieben werden, dass sie mehr Ansdi mang
f( rdern, aber wenig zu Lesen unJ >ditc ,v 'en An! «s N gdme.
Sie sind also unbedingt zu bevorzugen. Auf Anregung der
Unterrichtskommisinn der Gesellschaft duitsdier Naturforscher
und Aerzte sind in Preiissens hohen n SdiuYn letzt uadd
2 biologische Stunden m den höheren Ki.issui emgetuiirt
worden leider aut Kosten \« »n Mathem.it. k und Eugusdi. de
vom Standpunkt des Augenarztes als li.rrndes bezeichn«, t
werden müssen. Aber immerhin ist dieser Fortschritt zu be-
g Hissen.
Drittens: Kein hollerer Lehrer hat eine Ahnung vmi sdm'-
hygienisclien Forderungen: die Ynlkssdiu’ldirer sind Jr. 1
besser orientiert. Bestenfalls w eiss ein (i\ umasialprofess. u .
dass schlechte Beleuchtung der Schu'piatze mdits taugt. Ab,:
dass Nahearbeit, dass das viele Lesen in J Schreiben im I ante
der Jahre das kindliche Auge kurzsichtig maJit. w eiss b«.malle
keiner. Unnutze Strafarbeiten. Ahsdireibe.u. Schreiben mJ
Lesen von Dingen, die sidi ebetis -gut mumhid’ mitte.!eri ! i'Vi:,
sind überall au der Tagesordnung. t' n b e d i n g t ist eine
gewisse A u s b i I d u n g in der H \ g i e :i e. a u c h i :n
s o n s t i g e n 1 n t e r e s s e d e r S c h u ! c. f a r Jen 1. e h r e r
zu verl a n g e n.
Viertens: Schweden ist ein Land, d ts uns m bezug auf
Einschränkung der Schulkurzsichtigkeit vo bddbdi vn k mu.
Wahrend von l>7<> 1 ^'M etwa 5" Pföz. aber SdiaYr dm
obersten Klassen kur/siditig war. almhdi wie nodi iet/t m
Deutschland, sind es lono etwa 25 Proz. WoJurdi ist dis
erreicht? Nur durch Erziehung der lugend zum Sport, dem J.e
Nachmittage, die sclmltrei sind, gew iduiet w erden. Nicht al'ein
wegen der Knr/sichtigkeit. sondern audi .ms G r uude:i der
allgemeinen Körperpflege, habe ich die Pflege des Sp rtes. audi
des Turnens, fiir ungeheuer widrig. W r kmuaien da’ei um
zögernd v(»ran. Die Sadie hat i.t audi eint a k'-mei IDkeu.
dass sie nicht ohne Einflüsse au Untern;,htssvmden d :idi-
gefiihrt w erden kann, und keiner der Eadi\ ertr. ter w .1! etw ts
hergeben. Idi meine, bei so widit gen Ginn len muss es mög¬
lich sein den l ’nterridit auf 5 \ orm ttagsstmden zus r./n-
drängen und 4 N a c h mittag e ‘2 s:nd im.) offiziell tut
S p i e I u n d Sp.ort z u r e s e r \ i e t e n: * 'di nur 2 - *:f;/ «. "oi
Spietfiudmiitt agen konme mau sidi zur N t schon z aVed.d
geben.
Eiinfteils und letztens: D e S,b :'e >! n dir au .dem sdiu'J.
Wer zu Hanse gerne Raube! gesd’ di'eti ’ m J wer kr •mm
Sinn für b’auüen/eii in der Ire •, :i Natur b it. s»-v K.MJ d e W dt
lieber aus Büchern. wia r h'e.n Be*' h*e" .m ’- mr M-. osdmn im- r
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1593
dk Wirklichkeit, kennen lernt, dem ist nicht zu helfen. Manches
können verständige Eltern bessern, worin einstweilen die
Schule nicht genügt, besonders in der Körperkultur also.
Damit bin ich am Schluss. Selbstverständlich sind die
praktischen Forderungen schon vielfach von anderen formu¬
liert. Wilhelm II. hat in seiner bekannten Rede 1891 schon
darauf hingewiesen, dass trotz bester Beleuchtung und son¬
stiger guter hygienischer Bedingungen in seiner Gymnasial¬
klasse in Kassel die Mehrzahl der Schüler kurzsichtig wurde
und die eigenen guten Augen sehr richtig der Pflege des Sports
zugeschrieben, auch eine Verminderung des Lernstoffes infolge¬
dessen gefordert. Trotz dieser allerhöchsten Kundgebung ist
es nicht gelungen den Einfluss des schulkonservativen Geistes
in Deutschland zu brechen. Gewiss ist es wahr, dass Deutsch¬
lands Grösse zum Teil auf seiner gründlichen Schulbildung
ruht; man muss sich hüten dieses Fundament zu sehr zu ver¬
ändern, weil man nicht weiss, wohin Experimente führen. Ge¬
rade deshalb sind obige Forderungen auf solche beschränkt,
die ohne wesentliche Aenderungen durchführbar sind.
Die Quintessenz des praktischen Teiles dieser Abhandlung
ist die: Nur die Nahearbeit, Lesen und Schreiben und teil¬
weise Handarbeit, macht das wachsende Auge unserer Kinder
kurzsichtig. Viel wesentlicher als die Sorge für
gute Beleuchtung ist die Einschränkung des
LesensundSchreibens (Abschaffungdesdeut¬
schen Alphabetes) und die Verbreitung diesex
Kenntnis in allen Bevölkerungskreisen.
Aus der kgl. Universitätsklinik und Poliklinik für psychische
und Nervenkrankheiten in Göttingen.
Psychiatrische Wünsche zur Strafrechtsreform.
Von A. Cramer in Göttingen.
(Schluss.)
Ich wende mich jetzt zum Strafgesetzbuch und will zu¬
nächst die Frage der Zurechnungsfähigkeit erörtern.
Vom rein medizinischen Standpunkte aus würde das Ideal eine
Gesetzgebung in deterministischem Sinne sein. Denn das medi¬
zinische, naturwissenschaftliche Denken und also auch die rein medi¬
zinische Naturerkenntnis sieht in allem, was in der organischen Natur
und dementsprechend auch durch den menschlichen Organismus, ge¬
schieht, lediglich einen Kausalitätszusammenhang zwischen Ursache
und Wirkung.
Wie werden sich nun die Dinge gestalten, wenn wir uns bei
eiper lex ferenda streng auf den Boden des Determinismus stellen?
Der Begriff, dass der Mensch für seine Handlungen bis zu einem
gewissen Grade verantwortlich ist, wird fallen müssen. Strafe und
Vergeltung können nicht mehr in Betracht kommen. Die Allgemein¬
heit wird andere Mittel und Wege suchen müssen, um sich vor
unsozialen Handlungen einzelner Menschen, seien sie welcher Art
sie wollen, zu schützen. Das kann nur so geschehen, dass sie Mittel
und Wege ergreift, um Menschen mit solchen Neigungen unschädlich
zu machen. Es müssen also derartige Individuen verwahrt werden.
Unter diesen Menschen wird man immer zum mindesten drei Gruppen
unterscheiden müssen. 1. Solche, welche wir heute als Geistes¬
kranke bezeichnen, 2. solche, welche an einem der Grenzzustände
leiden und 3. solche, bei welchen weder das eine noch das andere
nachweisbar ist. Alle drei Gruppen werden eine gesonderte Art
der Verwahrung verlangen, immer aber eine Verwahrung, welche der
Sonderart der 'einzelnen Gruppe, so lange der Zustand andauert,
Rechnung trägt. Es würde also im grossen und ganzen,
was die äussere Art der Unterbringung betrifft,
wenig geändert sein. Das heisst also ohne zucht¬
hausartige und gefängnisartige Einrichtungen
werden wir auch unter der Herrschaft des Deter¬
minismus nicht auskomme n. Den Verbrecher und seine
Natur schafft also der Determinismus nicht aus der Welt, wenn er
ihn auch anders auffasst und behandelt als die heutige Zeit.
Dass man bald den Weg einer Gesetzgebung in deterministischem
Sinne beschreiten wird, halte ich für ausgeschlossen.
Seit Herders Tagen weiss man, dass Gesetz und Recht, wenn
auch langsam und zögernd, den Fortschritten menschlicher Kultur
folgen. Das heisst, auch das anscheinend starr kodifizierte Recht ist
entsprechend den Fortschritten menschlicher Erkenntnis einer lang¬
samen und unaufhaltsamen Entwicklung unter¬
worfen. Dieser langsame Umwandlungsprozess kann sich nicht
rasch und sprungweise vollziehen, kann sich nicht auf unbewiesene
Theorien stützen, sondern darf nur an sicher festgestellte Tatsachen
sich anschliessen.
Wir dürfen deshalb heute, wo wir eine genaue Klinik der
Grenzzustände besitzen, verlangen, dass sie in der Strafgesetz¬
gebung eine ihnen gebührende Berücksichtigung finden.
No. 30.
Allerdings hat man bereits vor 1870 gewusst, dass es zwischen
geistiger Gesundheit und geistiger Krankheit keine scharfe Grenze
gibt, auch hat man vor 1870 bereits versucht durch besondere Be¬
stimmungen in Gestalt einer Art von geminderter Zurechnungsfähig¬
keit diesen Fällen gerecht zu werden. Entsprechende Paragraphen
haben in der Strafgesetzgebung einzelner Bundesstaaten bereits be¬
standen. Dass sie nicht in das Strafgesetzbuch für das Deutsche
Rej$h übergegangen sind, ist ein Beweis dafür, dass man damals
lange nicht allgemein von der Notwendigkeit der Berücksichtigung
dieser Grenzzustände, die man noch nicht genügend kannte, überzeugt
war. Das Verlangen nach der Einführung des Begriffes einer ge¬
minderten Zurechnungsfähigkeit in unser Strafgesetzbuch hat aber nie
geruht. Von Aerzten und Juristen wurde immer wieder auf die
Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Uebergangsfälle hinge¬
wiesen. Ich führe hier nur an: Schäfer, Jolly, Ilberg, Del¬
brück, Aschaffenburg, v. Sehre nk-Notzing u. a.
Aber immer wieder erhoben sich gewichtige Stimmen, welche
| davor warnten, jetzt schon in diesem Sinne gesetzgeberisch vorzu¬
gehen, ja, noch im Jahre 1S99 hat unser Verein beschlossen, in dieser
Frage noch keine Stellung zu nehmen, sondern vorläufig Material
zu sammeln.
Was waren nun wohl die Gründe für diese Zurückhaltung? Zu¬
nächst waren wohl sicher die meisten Autoren, abgesehen von einem
gewissen konservativen Zug, der sie im allgemeinen beeinflusste,
überzeugt, dass unsere Wissenschaft noch nicht weit genug fortge¬
schritten war, um eine derartig einschneidende Veränderung unserer
Gesetzgebung zu begründen. Sodann waren gerade die gesetz¬
geberischen Vorschläge, welche gemacht wurden, nicht dazu angetan,
namentlich unter den Medizinern, welche sich streng an die Zu¬
ständigkeit ihres Faches hielten, viele Anhänger zu gewinnen. Denn
es wurde fast ausschliesslich mit dem Begriff einer „geminderten
Zurechnungsfähigkeit“ operiert. Der Begriff einer „geminderten Zu¬
rechnungsfähigkeit“ ist für den ärztlichen Sachverständigen nicht
brauchbar, er ist naturwissenschaftlichen Untersuchungen ebenso¬
wenig zugänglich wie der Begriff einer freien Willensbestimmung
und, ganz allgemein betrachtet, so dehnbar, dass es einem rede¬
gewandten Verteidiger nicht schwer fallen dürfte, in jedem Falle,
uer auf die Anklagebank kommt, den Beweis des Vorhandenseins
dieses Zustandes mit Erfolg zu versuchen. Ein mächtiger Impuls
kam in den letzten Jahren in die Bewegung zur Berücksichtigung der
«Jrenzzustände bei der lex ferenda durch die Bestrebungen der inter¬
nationalen kriminalistischen Vereinigung und des deutsch-österreichi¬
schen Juristentages. Ich nenne nur die Namen v. Liszt, Kahl,
Aschaffenburg, R. v. Hippel, Delbrück und Kräpelin.
Die Formulierung bei diesen Autoren drehte sich aber immer noch
fast ausschliesslich um den dem Mediziner nur schwer annehm¬
baren Rechtsbegriff der „geminderten Zurechnungsfähigkeit“. Auch
hatte man seine Erfahrungen zum Teil immer noch fast ausschliess¬
lich an kriminellem Material gemacht und solche Sachverständige
gehört, welche fast ausschliesslicn kriminelles Material zur Beur¬
teilung der in Betracht kommenden Fragen zur Verfügung hatten. Die
klinische Eigenart eines Krankheitszustandes, und darum handelt
es sich ja bei den Grenzzuständen, kann aber nur voll gewürdigt
werden, wenn auch Beobachtungsmaterial zur Verfügung steht, bei
dem kriminelle Handlungen nicht vorgekommen sind. Nur wenn
die Klinik eines Zustandes ganz genau bekannt ist und zwar nach
beiden Richtungen hin, bei krimineller Betätigung und ohne eine
solche erforscht ist, hat der Arzt das Recht, Wünsche zur Neuge¬
staltung der Strafgesetzgebung zu stellen, er steht dann nicht mehr
auf dem Boden einer Theorie, sondern auf dem festen Fun¬
damente exakt wissenschaftlich festgestellter
Gesetze. Jetzt wird ihm auch das Recht folgen müssen, wenn auch
die Form dem Gesetzgeber überlassen bleiben wird. Auch diese
letzte Forderung wurde durch die ärztlichen Stimmen, welche laut
wurden, immer mehr erfüllt. Nicht nur der Gerichtsarzt strengster
Observanz, der nur vor Gericht bei der Beurteilung der Grenz¬
zustände seine Erfahrung gewinnt, sondern auch der nach jeder
Richtung hin durchgebildete Psychiater und Nervenarzt ergriff das
Wort, und schliesslich kamen auch von massgebender juristischer
Seite gesetzgeberische Vorschläge, die durch ihre Formulierung des
differenzierenden Rechtsbegriffes mit einem Schlage alle Schwierig¬
keiten für den ärztlichen Sachverständigen behoben. An Stelle der
„geminderten Zurechnungsfähigkeit“ trat die „geistige Minder¬
wertigkeit“. Es wurde von der „strafrechtlichen Behandlung der
geistig Minderwertigen“ gesprochen <K a h I).
Mit dem Rechtsbegriff einer geistigen Minderwertigkeit kann
der Arzt eine Vorstellung verbinden, er ist seiner Betrachtungs¬
und Anschauungsweise zugänglich, er deckt sich ungefähr mit dem
Sammelbegriff Grenzzustand. Er stellt eine ähnliche Sammelbezeich¬
nung dar. Wird dieser Rechtsbegriff in die Strafgesetzgebung ein¬
geführt, dann ist die Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen klar
vorgezeichnet. Er untersucht, ob einer der Grenzzustände vorliegt
oder nicht, stellt er die Diagnose auf einen dieser Zustände, so ist
der Nachweis geliefert, dass eine geistige Minderwertigkeit vorliegt.
Denn wir sind heute imstande, die ganz verschiedenen Formen der
Grenzzustände zu diagnostizieren, weil wir inzwischen ihre Klinik
kennen gelernt haben. Jetzt kann kein Verteidiger mit dem vagen
und dehnbaren Begriff einer geminderten Zurechnungsfähigkeit ope-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1594
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N<». 3‘ b
ricren, jetzt heisst es die Krankheit den klinischen Kennzeichen nach
erkennen und ihr Vorhandensein durch medizinische Argumente be¬
weisen. Es bestehen für den Richter und den Sachverständigen klare
Verhältnisse. Wenn wir die Verhandlungen des deutsch-österreichi¬
schen Juristentages und der internationalen kriminalistischen Ver¬
einigung über diesen Gegenstand durchsehen und alle die Gutachten
und Schriften studieren, welche in dieser Frage erschienen sind, so
sehen wir die grossen Schwierigkeiten, welche die Formulierung'- für
den Gesetzgeber macht. Pie internationale kriminalistische Ver¬
einigung hat aber in ihrer 1904 nach längerer Beratung festgesetzten
Formulierung schliesslich doch an dem Rechtsbegriff der geminderten
Zurechnungsfähigkeit festgehalten; während auf dem deutsch-öster¬
reichischen Juristentagc im selben Jahre im Anschluss an die Referate
von Kahl, Gramer und Kraepelin und im Anschluss an ein Gut¬
achten von L c p p m a n ti, Kahl und K I e i u f e I I e r der vorstehende
Formulicrungsvorschlag gemacht wurde:
„Wer sich bei Begehung einer strafbaren Handlung in einem
nicht bloss vorübergehenden krankhaften Zustande befunden hat.
welcher das Verständnis für die Strafwürdigkeit seiner Handlung oder
seine Widerstandskraft gegen strafbares Handeln verminderte, ist
nach dem für minderschwere Fälle geltenden Strafrahmen zu be¬
strafen.“
Die weiteren Beschlüsse im Sinne der K 1 c i n f c 11 e r schon
Thesen bringen zum Ausdruck, dass der deutsch-österreichische
Juristentag in seiner Majorität auf dem Standpunkt gestanden hat.
dass auch für die weiteren Massregeln in der strafrechtlichen Be¬
handlung der geistig Minderwertigen nicht ein besonderes zivilrecht¬
liches Entmündigungsverfahren erforderlich sei. wie das von v. 1 .1 s / t
vorgeschlagen worden und von der internationalen Kriminalistischen
Vereingung im allgemeinen akzeptiert worden ist. sondern dass die
durch den Zustand des geistig Minderwertigen bedingte strafrechtliche
Behandlung durch das Urteil der Strafinstanz vertilgt werden soll.
Auf jeden Fall sehen wir in den Beschlüssen und Verhandlungen beider
Körperschaften darin eine Einstimmigkeit, dass die Notwendig¬
keit und Dauer der strafrechtlichen Verwahrung
nicht nur unter Berücksichtigung der Art des be¬
gangenen Verbrechens, sondern auch unter Be¬
rücksichtigung des Zustandes des geistig Minder¬
wertigen zu erfolgen hat.
Es ist, wie ich oben schon angedcutet habe, für den Mediziner
unmöglich, dazu Stellung zu nehmen, wie rein juristisch und gesetz¬
geberisch die ganze Frage geregelt werden soll. Ich kann mit Moli
nur betonen, dass unmöglich der Arzt sich gutachtlich äussern kann,
in welcher Weise die richterliche Tätigkeit für die Art der zu wählen¬
den milderen Art der Strafvollstreckung geregelt werden soll.
Dagegen kann der Arzt Wünsche äussern zu der Art und Weise,
wie auf Grund seiner Erfahrung die sogen, strafrechtliche Behand¬
lung der geistig Minderwertigen am besten vorgenommen wird, da¬
mit der Zustand des an einem Grenzzustand Leidenden keinen
Schaden nimmt, und damit auch der Zweck der Sicherung der Ge¬
sellschaft vor den Gefahren, welche aus dem Verkehr mit den geistig
Minderwertigen entstehen können, nicht unberücksichtigt bleibt.
Um hier klar sehen zu können, müssen wir zunächst festzustellen
versuchen, wie gross die Zahl der geistig Minderwertigen
überhaupt ist. Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten.
Eine Statistik besitzen wir nicht. Mir persönlich stehen zur Beur¬
teilung dieser Frage die statistischen Ergebnisse meiner Sprechstunde,
die poliklinischen Journale meiner Nervenklimk und die Aufnahme¬
ziffern des Sanatoriums „Rasemühle“, welches Geisteskranke nicht
aufnimmt, zur Verfügung. Aus diesen gesamten Ziffern kann ich nur
eine Statistik verwerten, welche sich auf die nervösen und sonstigen
Grenzzustände bei den Göttinger Studierenden bezieht. Wenn ich
auch überzeugt bin, dass diese Fälle nicht alle in meine Sprechstunde
kommen, so ist doch interessant, zu wissen, dass bei einer Eminenz
der Universität Göttingen von etwa 2<>ö0 Studierenden mir im Se¬
mester etwa 80 Studierende, welche an Grenzzuständen leiden, zu-
gehen. Das würden auf 1000 im Jahre 80 frische Fälle sein. Dass
einer von diesen 80 Studierenden kriminell wird, kommt höchstens alle
3 Semester vor. Es handelt sich also um einen ganz verschwinden¬
den Prozentsatz. Natürlich kommen mehr Studierende mit dem
Strafgesetzbuch in Konflikt, sie leiden aber nicht an Greuz/ustämlen.
Es handelt sich bei diesen um die üblichen Konflikte mit den Hütern
der öffentlichen Ordnung oder Sachbeschädigungen und ähnliche,
wobei meist lediglich das Uebermass der genossenen geistigen Ge¬
tränke eine Rolle spielt, und gelegentlich um Duell vergehen.
Wenn wir uns sagen, dass wir in den Studierenden im allge¬
meinen eine gut situierte und bevorzugte Bevölkcnmgskfasse vor uns
haben, bei denen dem Alter entsprechend nicht allzu viel exogene
Ursachen ihre schädlichen Folgen entfaltet haben können, so können
wir uns der Ueberzcugung nicht verschliessen. dass Her von mir ge¬
fundene Prozentsatz an Grenzzuständen ein verhältnismässig hoher
ist, zumal anzunehmen ist. dass ein Teil dieser Fälle gar nicht zu mir
in die Sprechstunde kommt, sondern zu anderen Aerzten geht.
Immerhin ist der Prozentsatz aber gering, wenn man die Unter¬
suchungen von Bonn hoffe r und Rai mann ansieht und die
Zahlen an geistig Minderwertigen in Betracht zieht, welche ich unter
den Fürsorgezöglingen gefunden habe. Allerdings handelt cs sich
bei den letzteren Fällen auch um ein ganz anderes Milieu.
Wie gross die Rolle ist, die das Milieu fiir das Zustande¬
kommen der Kriminalität spielt, sehen wir gerade bei einem Vergleich
der Ki.nnrulitat der Sind,, ruidmi. d e n n '.v u e:: g s m. \«„ -
gleich zur Kriminalität bei den I üfs« rgm.'fitgl mm. w eV e a.n G*m /-
zustanden leiden, luter den von nur nute r siim.t *r I :r*-
lingeii war keiner, der an einem < irettz/ustar: { ;,:t. dt: nd: z .* . Uz
auch kriminell geworden wäre, unter den Mii.La udt n, w e v e a".
(imizziist.inden litten, kommt imch larue n Ui! e.n P:<•/<.•;: .a Fe¬
tt acht.
Auf ieden Fall erscheint mir aus mmiuä \m ; .h:m\ e n dm >U ' sv
erlaubt, dass bei gimM.gem Mi.ieu .null d e kr .n..m i« Ibri: .:• ^ v *:
der < ireiizznstaiide durchaus mellt h.mt.g mp.!, m’d d.ov w ;r U • „
R e c h t h a b e n. die < i r e n z / u s t a u d e a n sch g a u / a
g e in e in als g e in e i n g e f a h r ! i c h a n / u s e h e n.
Weiter ni'usseu w ir ir:s klar dar d er 'a n. ilms ts s - \\ . : d e
Gefahrli Jike.t der Grenz/uM. u ’e in Bet'aUt k im: t. d'e. Gm.: tm;
Von < irenz/ustaudeii. \«>n ge.st... M : k rw er! an . d:
Erstens siAI'r. wehke nur bei F rw rkui’g e m - ...m *en V-
Von exogenen >v h.idbv. bke-tv n \ über gi :it • .f m vi u * * - r I ••'•‘. Im
nur einmal sin Leben gef.du’ Ji \u: d " : zw e k s s. .. v. • v ' e t ?
folge der F.geir#tuki ,t li.ier K : di .* h-. . m K e ' es < >
Standes bei 1 ic'egeniiciten. wehke s Ji L.id.g ?:• > z. /u g. • d u;
Handlungen gelicKn weiAn. und d-,ttm.s s>■ die. \uddi
einer mit ihrer ge st gen M nder w e r t s Ve t \ c 'b-mdi m n e ge- t
hellen Gharakteraudue gerak/u getrieben wr dm. di \ etl -iv'a*-
latlfbalin zu be*chre:teit. Fs liegt auf vier Ha- !. dass d oo irapt'eu
eilte gesonderte Strairev.htdgiie Inl andding xe'amm. Dazu k- um t
noch, dass die < irerizzustan.de n\iit immer d ese !oi s - j. dass s e
sdi verändern können, dass se besser we’.kzi. ia l e h n * i" - - n.
und dass sie nur selbeJitcr werden kormn im 1 ie-ecr. da^s be den
verschiede na r tigsten <i: en//ustauden. bei I t’uz'mmg e ::ef Re : e
exogener aber auch endogener l rs.ukcn tran> d-r'v, :\ eu Z’.mMiU !
au!treten kann, der unhed.r gt einen de r Zust.,: de. w e s c de' > 51
des Mratgeset/buches erfo'viert, g.civ.dkotumfc
Im grossen und ganzen werden w.r bei der sb.r'-ed U eu Be¬
handlung dieser Gren/zusta: de. Wern vier letzte Gt s ♦ tm f
m Betracht kommt, daran, d: ngeii nlassen, ela's p- C.e'i I a en za 1.
eine möglichst umiaug'eickc Anwendung vier bed ngten
a u s s e t z u ii g und Begnadig u n g in : k r e R echte t r . :
Fine länger dauernde \ erwahnirg « der Bezo:*s Jtt gin g ,.*c' gar
eine Strafe irgend wc'chcr Art w arde k>-chst*,ns den b't c da'm.
den Zustand des ge;st g M ude r w e r l gen so zu versv't'ec’ite'n. dass
er womöglich dauernd knu r.ell w.*d. W.i -cd de be. de' be¬
dingten Mraiausset/ung und Begira.l gung drob« rnte Sfatbatt m I ,« e
eines Ruckia'.es eine Red.e Wo l . :.,: k er Hemmungen ,re’Z id. e
den Belt eilende n veranlassen, wenn de aussrui aus .ve-dan M -
n.entc zum ltd \ ertne Jbar waren, Sorbett S tuatiouuj a.s de”'.
W'ege zu ger.en.
Auch be; der iw e ten (Puppe wvJ man m te” d*. u eben a-zö¬
ge bellen tie'si« litspuulvte I zim.'v !.s*. d I). :m ersten Ia et 'er k*m
neben Hand nng \i»ii e'zr Fed-r.^ten M' .iTaussg*zurtg m J Be au 1 - g
Ge-braiivii tPaviieu u;.»sstp. nn„ wenn e ri Kb.vs'al k zürnt, de st'ai-
re'clitliche \erwabnmg so hege and.aiie' r n zu ass t n. 1' s e” e wete'c
Wiederkehr Solsher Rackla..e dufv.li e.tic ausg t spro^he: e liessc 'u: g.
die von Datier ist oder e ne «iene-sung de Auord-nrg w e te r er
reclitüclier Beliand.ung uberfbiss g m.ui t. D e dt tte G-appe eu
ist die, wo wir sehr selten Besserungen und e ;’e* Gmus i g bist r c
Sehen, hier kommt eine d a u e r n d e su h e r e \ e r w a 1; r u n g
allein in Betracht. Fs liegt auf der Ha- d. elass v!as mir d e W .iiisg-c
des Arztes sind, dass cs frag Ich ist, «>h ,1c i re set/ge but-g .?•' m a eri
Varietäten folgen kann. Paii.ber hat a'er v!t r Arzt n ebt zu hetz .v
Komplizierend kommt noch dazu, dass der hr st. wer ^te'-s en le
derselben, nur schwer s ji tii:s\'i esun w rd. be; vier sf.d-eU t-
lichen Behandlung nicht auch die Art er b c g a r g e u v n lat
mitsprechen zu lassen, um d e Art ur .! Däne* der sfamem:: ,'"zi
Behandlung zu bestimmen.
Was schLesslieh den ReJitsbegr ff vier fre en W
bestimniung betrfft. so s :d w r ir s a ä.r •' er t u g. vlass.
wie ich bereits betont habe. «1er A*/t n s \ eVeti f i i'c' |'s/ :
welche zu den besehtc benden natirw >h"'w ur: dn a' s . '»
streng genommen als b.ivln erst.tr« l.ger gar u U.t d.o d e- .o.ss t •
kann. Oh ein Kranker in vernein lim und I ms, p \ v ■■ .' g d.o.--
krankhafte Momente best.mmt w rd, «•', t z K c' du- .h si • <•
Krankheit auf die >tufe e ms m m .ml g» k udi s hm.; 1 l- ., k: w ■
kann dagegen der >.u hx er st.md.ge le dz fi-tsti m I *as s ■ a m
die Momente, w eiche de /n r cdziw\s:.! ; • : .< .ss v • . sv, v. w« d'e
uns, abgesehen von dem N.uiiw e:s eirmr B> Wim-'s.' ••vsp
freie W ibeitsbestznmung näs/iism . sv, p v ..-imu. N 1 »
welchen philosoplnseheu I h-ubv r.o.-ru u brr d. *• «. 1 , m | .
griff der fie.ell W uleiisbest.mmm-g \\ rd a’mr v!m K* , te' dv' l’-.ix s
Hie etw as aufamten kommn. Man s . '*e r-i -ei. dass de' R d 'v«
vollstamlig ausreichend «»• .ent.ert ist. wenn vier Md \ ms*.,- ' ge t;
seinem Gutachten sich n U' t nur idr d e \ :• 1 m S >Vv >•..' *e K'.r
heit im allgemeinen, Sonde-n amh •; v c r den * im !. u d« ••• d 0 k'.*• *-
heit das I u n li n d Lass e n des A n g e k a g t e r> Iv : v sst.
äussert. Wunlc für den Rechts'm-gr ”. der ez'e eurbre Mu’ . z g
im Falle der Krankheit aussg 1 .ess«. e' e .!■ mz ge I ■ ,e'.:-g ge¬
funden, dann konnte - 'me >maden de' ib.g'h dm r v e-t W v' s.
bestimmung aus dem $ 51 ia en. .Mr w m ' \ v • mt c ■ \ - :mi.
dass es nach den Mot von gar r Fit J e Aufgabe des d-. e'<ta-d gen
sei, die Frage nach der f-cen W he-s^es* —- 7:]
____ Go glc
Original from
UNIVERSm OF MINNESOm
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1595
dass «die wissenschaftliche Deputation und angesehene Autoren diese
Frage aus den angegebenen Gründen überhaupt nie beantworten, dass
also der Begriff ruhig bestehen bleiben könne, weil sich ja allein der
Richter mit diesem Rechtsbegriffe zu beschäftigen habe, damit er
den Einfluss, der ihm zukomme, auf die Entscheidung nach dem § 51
St.Q.B. habe. Demgegenüber möchte ich antworten, dass ich nicht
einzusehen vermag, weshalb dem Richter, dem bei jeder Urteils¬
findung das Recht der freien Beweiswürdigung zusteht, noch einmal
für einen Spezialparagraphen ganz besonders in diesem seinen Rechte
gesichert werden soll. Fält dieser Rechtsbegriff, dann hört auch end¬
lich das Fragen nach dem Vorhandensein oder Anschluss der freien
Willensbestimmung an den Sachverständigen auf, das trotz dem
klaren Wortlaut der Motive immer wieder in Foro geschieht. Ich
sehe dabei ganz davon ab, dass auch angesehene Kriminalisten,
wie z. B. v. Hippel, ebenfalls den Begriff der freien Willens-
bestimmung für ganz gut entbehrlich halten.
Die strafrechtliche Behandlung der Jugend¬
lichen, welche bei dem. fast steten Anwachsen der Kriminalität der
Jugendlichen immer brennender wird, ist so wichtig, dass sie kaum
im Rahmen meines Referates erschöpfend erledigt werden kann. Es
würde dazu soviel Zeit erforderlich sein, als ich für mein gesamtes
Referat in Anspruch nehmen kann. Ich kann deshalb nur die wichtig¬
sten Momente kurz streifen.
Bei den Jugendlichen ist mit einem rein strafrechtlichen Vor¬
gehen allein nichts zu erreichen, sondern es muss vor allem neben
der Strafe auch die Frage der Erziehung und der Besserung ins
Auge gefasst werden, wobei selbstverständlich auch die Sicherung
der Gesellschaft vor den Straftaten der Jugendlichen nicht ausser
acht gelassen werden darf. Die Jugendlichen sind ja,
forensisch genommen, sämtlich minderwertig, weil ihre
Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Es werden also vor
allem auch die Gesichtspunkte in Betracht kommen, welche wir bei
der Besprechung der strafrechtlichen Behandlung der geistig Minder¬
wertigen bereits gestreift haben. Gerade die Verhandlungen des
deutsch-österreichischen Juristentages zeigen das auf das deutlichste.
Die Verhandlungen wurden eingeleitet durch ein Referat von
Crohme und ein Referat von Puppe, das ganz meine früher ge¬
gebenen Gesichtspunkte über Entwicklungsalter und Gesetzgebung
berücksichtigt. Es kam darauf unter der Aegide von Kahl zu nach¬
folgenden Beschlüssen: „Die Altersstufe der absoluten Strafunmündig¬
keit ist bis zu dem schulpflichtigen Alter — zur Zeit das vollendete
14. Lebensjahr — hinauf zu erstrecken, unter der Voraussetzung aus¬
reichender disziplinärer und vormundschaftlicher Massregeln“.
„Gegen Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren hat Bestrafung
nur, wenn die Person geistig soweit entwickelt ist, dass der Zweck
der Strafe erreicht werden kann, einzutreten“.
„Von Freiheitsstrafen sind für Jugendliche geeignet Gefängnis¬
strafe bis zu 15 Jahren und Haftstrafe“.
„Die Bestimmungen über die Jugend als Milderungsgrund für
die Abmessung der Strafe sind zu beseitigen“.
„Das Anwendungsgebiet des Verweises und der Geldstrafen
sind zu erweitern, unter gesetzlicher Ausgestaltung dieser Strafmittel
nach Inhalt und Vollzug“.
„Die Erweiterung der Haftbarkeit der Gewalthaber der Jugend¬
lichen für die Folgen der von diesen begangenen Straftaten ist in
möglichst grossem Umfang ins Auge zu fassen“.
„Anstatt oder neben der Strafe kann der Strafrichter staatlich
überwachte Erziehung der Jugendlichen (Zwangserziehung, Für¬
sorgeerziehung), anordnen. Die Ausführung steht den dazu be¬
stimmten Organen zu, gegen die zu vorzeitige Aufhebung hat die
Staatsanwaltschaft ein Widerspruchsrecht, über welches das Vor¬
mundschaftsgericht entscheidet“.
„Die Zurechnungsfähigkeit muss unter Zuziehung geeigneter und
entsprechend vorgebildeter Aerzte geprüft werden, auch müssen
Auskunftspers'onen über die geistige und sittliche Reife der Personen
vernommen werden. Die Oeffentlichkeit des Verfahrens ist auf die
Zulassung der Gewalthaber, Seelsorger, Lehrer, Dienst- und Lehr¬
herren und ähnlicher in persönlicher Beziehung mit dem Jugendlichen
stehenden Personen zu beschränken“.
Schliesslich wird noch gewünscht, dass die Strafe aus den
Strafregistern der Jugendlichen gelöscht werden kann, und dass die
Freiheitsstrafen an Jugendlichen nur in besonderen Anstalten für
Jugendliche vollstreckt werden darf.
v. Liszt und auch Asch affen bürg haben eine Hinauf¬
setzung der Grenze für die absolute Strafunmündigkeit auf 16 Jahre,
für die Strafmündigkeit auf 21 Jahre beantragt; das Diszernement
wird verworfen. Aschaffenburg empfiehlt weiter eine mög¬
lichst umfangreiche Anwendung der bedingten Begnadigung.
Wir können zu allen diesen Fragen nur insoweit Stellung
nehmen, als der Mediziner nach seiner speziellen Kenntnis sich dazu
äussern kann.
1. Zunächst erscheint es unbedingt erforderlich, die Grenze für
die absolute Strafunmündigkeit heraufzudrücken, denn unser Leben
hat sich so kompliziert gestaltet, unsere Gehirnentwicklung ist im
Vergleich zu dem, was der Heranwachsende noch alles an geistigem
Material aufnehmen muss, so zurück im 12. Jahre, dass von irgend
einem selbständigen Verantwortlichkeitsgefühl noch nicht die Rede
sein kann. Dazu kommt noch, dass wir im Gros der Fälle aus
Gründen, welche rein in den Gesetzen der Gehirnentwicklung liegen,
die in der Pubertät ausbrechenden krankhaften Veränderungen des
Gehirns in der Regel erst mit dem 16. Jahre nachweisen können. Es
kann also der Mediziner ein Heraufrücken der unteren Strafmündig¬
keitsgrenze nur nach jeder Richtung befürworten.
2. Auch die obere Grenze der relativen Strafmündigkeit herauf¬
zurücken, muss aus medizinischen Gründen dringend gefordert
werden. Denn wir sehen jeden Tag deutlicher, dass von einer vollen
Entwicklung der geistigen Fähigkeiten, ja von irgend einem Abschluss
der intellektuellen Entwicklung mit vollendeten 18 Jahren bei den
meisten Individuen noch keine Rede sein kann. Dafür spricht auch
das Ergebnis der Hirnrindenentwicklung, soweit der Fasergehalt in
Betracht kommt (K ä s).
Selbstverständlich kann die Meinung des Mediziners nicht allein
massgebend sein, nur unter diesem Gesichtspunkt schlage ich für die
lex ferenda als untere Grenze für die Strafmündigkeit das 16.. für die
obere das 21. Lebensjahr vor. Dass übrigens auch in Juristen- und
gesetzgeberischen Kreisen diese Notwendigkeit eingesehen ist, dafür
spricht, dass auch die Fürsorgeerziehung bis zum vollendeten
21. Lebensjahr ausgedehnt werden kann.
3. Das Diszernement, die zur Erkenntnis der Strafbarkeit einer
Handlung notwendige Einsicht kann, soweit der Mediziner ein Wort
mitzusprechen hat, ruhig fallen. Denn es handelt sich hier um einen
Rechtsbegriff, mit dem der Mediziner wenig oder gar nichts anzu¬
fangen weiss. Ich will allerdings nicht verschweigen, dass ein
Schüler von v. Hippel (Schmidt) in letzter Zeit wieder für Bei¬
behaltung dieses Begriffes eingetreten ist.
4. Die kurzen Freiheitsstrafen sind sicher unzweckmässig. Wenn
die Jugendlichen überhaupt bestraft werden sollen, so kann nur eine
strafrechtliche Behandlung in Frage kommen, wie wir
sie bereits für die Minderwertigen gefordert haben. Aber auch diese
Strafen dürfen nach meiner Ueberzeugung mir zur Anwendung
kommen, wenn alle anderen Erziehungsmittel und vor allem das
Prinzip der bedingten Strafaussetzung und Begnadigung versagt hat
und auch Zwangserziehung und Fürsorgeerziehung zu keinem Re¬
sultate führen.
5. Selbstverständlich ist in jedem Falle immer wieder die Frage
zu prüfen, ob nicht eine Krankheit vorhanden ist (allmählich ent¬
stehender Schwachsinn, Jugendirresein oder einer der Grenzzu¬
stände). Dass bei dem Vorhandensein einer Krankheit im Sinne des
§ 51 von einer Bestrafung nicht die Rede sein kann, liegt auf der
Hand, aber auch wenn sich bei dem Jugendlichen ein Grenzzustand
zeigt, muss von jeder Art von Bestrafung Abstand genommen werden
und lediglich eine entsprechende Behandlung mit, wenn notwendig,
sichernder Verwahrung an die Stelle treten.
6. Alle diese strafrechtlichen Massregeln sind
palliative, die Hauptsache sind prophylaktische
Massregeln, wenn wir die Kriminalität der Jugend¬
lichen zurückdrängen wollen.
Zu diesem Zwecke kommen in Betracht:
a) Sehr strenge Durchführung des Fürsorgeprinzips. Das heisst,
dass die Kinder nicht erst in Fürsorgeerziehung kommen, wenn sie
schulentlassen, mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt gekommen sind,
sondern dass eingegriffen wird, bevor die Verwahrlosung ihren schäd¬
lichen Einfluss geltend gefacht hat. Das wird im allgemeinen nicht
ohne Einrichtung von besonderen Armenfürsorgern, die die Aufgabe
haben, sich speziell um diese Verhältnisse zu kümmern, erreicht
werden können.
b) Sehr wichtig ist, dafür Sorge zu tragen, dass die schul¬
entlassene Jugend ähnlich wie die der gebildeten Stände, welche die
höheren Lehranstalten besuchen, noch längere Zeit unter Zucht und
Ordnung gehalten werden.
c) Immer wiederholte ärztliche Untersuchung der Jugendlichen,
welche nach irgend einer Richtung Gegenstand der Fürsorge eines
Gesetzes sind, um beizeiten kranke Individuen, welche nicht erzogen
werden können, auszuschalten und einer entsprechenden Behandlung
zu übergeben.
d) Einrichtung von Beobachtungsstationen für Jugendliche, deren
Geisteszustand zweifelhaft ist. am besten in Verbindung mit einer
öffentlichen Irrenanstalt oder Klinik.
7. Mit dem vollendeten 21. Lebensjahr darf der Jugendliche
nicht, namentlich wenn er geistig minderwertig ist, ohne jede weitere
Aufsicht sich selbst überlassen werden.
Für mehr oder weniger ausgeprägt leicht Schwachsinnige kann
das heute schon dadurch verhindert werden, dass man rechtzeitig die
Entmündigung wegen Geistesschwäche durchführt.
8. Armee und Marine sind von allen irgendwie Zweifelhaften
unter den Jugendlichen freizuhalten. Das heisst, die entsprechenden
Behörden müssen rechtzeitig vor der Rekrutierung von dem Zustand
der einzelnen Personen in Kenntnis gesetzt werden.
Bei meinen bisherigen Ausführungen habe ich die Taubstummen
noch nicht erwähnt, obschon sie in der Lex lata gewöhnlich mit den
Jugendlichen zusammen genannt und denselben ungefähr gleich¬
gestellt werden. Dass die Lex lata die Taubstummen überhaupt
erwähnt und besonders den Jugendlichen äquivalent berücksichtigt,
4*
Digitized by LjQuQie
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1596
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3n.
ist ein Beweis dafür, dass sieh geistig Minderwertige in der Straf¬
gesetzgebung, aueli wenn sie erwachsen sind, recht gut berück¬
sichtigen lassen. Werden die geistig Minderwertigen ganz generell
in der Lex ferenda berücksichtigt, dann sind besondere Be¬
stimmungen für die Taubstummen nicht mehr erforderlich.
Denn eine ganze Reihe von Taubstummen sind geistig minder¬
wertig. wenn sie nicht geradezu schwachsinnig oder geisteskrank
sind. Würden bei dem Strafverfahren gegen Taubstumme prinzipiell,
abgesehen von den Taubstummenlehrern, welche über die krage
des psychischen Zustandes nicht als Sachverständige gelten können,
aber nichtsdestoweniger auch gelegentlich noch iiher derartige kra¬
gen sich äussern, lediglich gut vorgebildete ärztliche Sachverständige
vernommen, die auch imstande sind, mit Taubstummen zu verkehren,
so würde manches Unrecht, das den ausgesprochen geisteskranken
und schwachsinnigen Taubstummen heute geschieht, vermieden
werden.
Es liegt auf der Hand. m. H.. dass ich in einem Referat, das
sich mit psychiatrischen Wünschen zur Lex ferenda zu beschäftigen
hat, nicht auf die Kontroversen über die Art und Weise, wie sich der
Sachverständige bei einer Begutachtung von B e raus c h t e n oder
Trunksüchtigen nach der Lex lata zu verhalten hat. entgehen
kann. Die Trage dreht sich vielmehr für uns heute darum, was
können wir in dieser Trage iiir eine zukünftige < iesetzgebung for¬
dern?
Es ist noch nicht allzu lange her, dass ein Sturm der Entrüstung
den deutschen Zeitungswald durchbrauste, als T o r e I auf dem Inter¬
nationalen Kongress in Bremen'in apodiktischer W eise erklärte, dass
er jeden Berauschten tiir geisteskrank halte. Heute wird die Tat¬
sache, dass bei jedem Rausche eine Einengung der geistigen Tätigkeit
stattfindet, dass Bewusstseinstoruiigen der schwersten Art. ohne dass
ausgesprochen psychopathische Verhältnisse vor zu hegen brauchen,
vorhanden sein können, überall eifrig diskutiert, ohne dass sich ein
erheblicher Widerspruch findet; denn diese wissenschaftlich seit den
klassischen Untersuchungen K r a e p e I i n s vielfach erbat tete Tat¬
sache ist nicht anzuzweifeln.
Ebenso werde ich keinem Widerspruch begegnen, wenn ich den
Satz ausspreche, dass der typische chronische Alkolmlist zu den
geistig Minderwertigen gehört.
Bei dieser wissenschaftlich klaren Sachlage wäre es das Nächst¬
liegende. dass wir für die Lex ferenda generell eine Exkulpierung für
im Rausche begangene Verbrechen, wie für andere unter dem Ein¬
fluss einer Bewusstseinsstörung entstandene \ erbrechen forderten,
und dass wir ganz generell für Verbrechen und Delikte, w elche vmi
Trunksüchtigen begangen werden, zum mindesten forderten, dass die
Paragraphen, welche für geistig Minderwertige vorgesehen sind, zur
Anwendung kommen. Ich glaube aber, dass ein solches Verlangen
lediglich ein Schlag ins W'asser wäre. Wir würden nicht nur erleben,
dass unsere Wünsche gar keine Berücksichtigung fänden, sondern
wir würden mit Spott und Hohn als landfremde Menschen, welche
an den Erscheinungen des täglichen Lebens blind vortibcrgchcn. über¬
schüttet W'erdcn. Oanz abgesehen davon, dass wir auch praktisch
damit für die Trinkerrettung, die uns allen am Herzen liegt, wenig
erreichen würden.
Ich brauche nur daran zu erinnern, dass heute immer noch
75 Proz, aller (lewaltverbrechen im Rausche begangen werden, um
die Utopie eines derartigen Vorgehens klar zu legen, (ianz ab¬
gesehen davon, dass eine derartige gesetzgeberische Massregel bei
der heutigen Ausdehnung unserer Trmksitten allein schon am Rechts¬
bewusstsein unseres Volkes scheitern wurde. Das. was wir bianeben
und vielleicht auch erreichen können, ist ein Triukerzwaiigs-
g c s c t z.
Wir haben dasselbe um so notiger, als die Tntmimdicimg wegen
I runksucht die Erwartungen, w elche man an sie geknüpft hat. in
keiner Weise erfüllt hat. Haben w ir dazu noch die Möglichkeit der
strafrechtlichen Behandlung der geistig Minderwertigen, daun be¬
sitzen wir die Mittel, um auch die Trunksüchtigen so zu behandeln,
dass sie auf den Weg der Besserung kommen und geheilt werden.
Professor Or. Herman Snellen sen.
wb. 19. Februar 18.J4 in Zcist, uest. IS. Januar 19ns in l'mJit.
Durch den Tod von Herman Snellen. des im
Jahre 1899 aus dem Lehramt und im Jahre 19IU aus seiner
äiztlichen 'Tätigkeit ausgeschiedenen ersten ordentlichen
Professors der Augenheilkunde an der Universität Utrecht
hat unsere Wissenschaft einen Mann verloren, dem sie reiche
Eörderung dauernder Art sowohl auf theoretischem als auch
auf praktischem (iebiete zu verdanken hat.
Ein Sohn des angesehenen Arztes T. A. Snellen in
Ze ist, einem lieblichen Dorfe nahe der Stätte seiner nach¬
maligen Wirksamkeit, studierte der Verewigte I s.S 1 57 in
!'•
Ut und .nachhaltiger beeinflusst durch Lehrer
I d e r, S c h r ö d e r v a n der Kolk und vor
I allem durch den Schöpfer der Lehre von den Bre Jmngsx cr-
j haltmssen des Auges, den Physiologen Trans Comc! s
[ Dondc rs hess II. Snellen durch die 1 S M erschienene W t-
I tiihmg ,.U e b e r d e n E i n f 1 u s s d e s N e r v u s p n e u m <► -
! g a s t r i c u s aut die A t e m b e w e g u n g" sdum iruM-
! zeitig seine Neigung und nicht genüge Pclah.gurg zu vnvscii-
! scliattlicher Arbeit erkennen.
i Das trat noch mehr zu Jage m seiner grosses V.iJ-
' scheu erregenden Inauguraldissertation „De invIoeJ der
! z e u u w e n o p t e o u t s t c c k i n g. p r o c I < ■ n I e r v i u J e 1 i k
getoest" (..Der Einfluss der Nerven auf J:e Entzündung").
| die er öffentlich am *1. Juli l s 57 verteidigte. In dieser e\pe r i-
I menlelleii Studie wie m eitler 1 S M erschienenen Mittenur;g:
j ..l ’ e b er die n c u r o p a r a I y t i s c h e A u g c n e n t -
I zun d u n g b ei I r i g e m i n u s p a r a I \ s e" unter/* -g
I Snellen die von Magen die entdeckte M'Ti.buuter-
! kraiikung nadi Durchs Jmcidang dis N. trigcmmns e.ner er-
I neulen Prüfung und kam durdi siimreidic \ersu Jisanord-
! mmgeii im (iegensatz zu Magendie zu dun T.r-
j gebms. dass diese Ent/imdurg nullt eine neun parulv üs w he.
mdit trophisdicr. sondern traumatisJic r Natur sei. veranlass:
durdi die Verletzungen. die sich d.is \ ersuchstjer dieu selbst
an der unempfindlich gewordenen Nor: haut zufuge.
\\ ic H o r n e r. I a c o b s o n. Rot h »n u n d ut d a: de re
Zeitgenössische Ophthulmnli-gen übte .null Quellen nadi
Beendigung der l ’mv ersitatsstudicn e.ne Reihe von Ldacii d e
allgemeine Praxis aus. Sem w issi uOuitlu bc s I: :i:ow tu
diese bekundete er durdi weitere \ et öfter, tlu Imrgt :i ui.J auJi
später noch durdi die 1^*5 ersdnet eue \rbet iTw r de
Clioleraepidemie in Utrecht.
Erst als S n e I I e n m der 1 du r dl Ibn: Jcrs :: s
I eben gerufenen ersten nie derkti. J.sdien Augeuhi .lai>t.,:t : r.
Utrecht (,.N e d e r I a n J s c h < i a s t h u i s v o o r b e h o e f -
tige e n m i n v e r m o g e n d e oog Inders") \<m der
Stelle eines ersten Assistenten im lallte l s oJ zu der c oes
Primararztes und Do/emeii de r (lpbiha’m» •!« »gie \ orgenukt
war. wurde ehe Augenheilkunde so« allen :ges Anhc,;tsiyld.
Und min begann für das durdi II c I m h o ! t z. A ! b r e c b :
\. (iraefc und Donders m neue Pahuett gelinkte md
immer umfassender sidi gestaltende (icb:ct der npkthabiiM-
l( gie in Utrecht audi nadi der praktische n >e;te hm ine
Zeit fruchtbaren Sdiafiens.
Durch seinen Lehrer Donders .n die genauere Ke ur.m.is
der theoretischen (irur.dlagen de r l.diien der Retrakt.-ui und
Akkommodation des Auges eiugeluhrt. befasste s.di S n e 1 ! e n
zunächst mit dem Studium der makulareu Ne vb.nultn kt:<m.
Als dessen Ertrag stellte sidi die In»? erfolgte Hirn;n K abc der
seitdem in aller Welt bekannt gewnrdeen ,.1'ptnty pi ad
\ i s ii ni d e t e r m i n a n d ti m" (in Inulandisdie r, deiitsdien
englischer, frau/osisdier und Italic ins Jur SpraJu-) dar. d.c
seitdem m zahllosen Auflagen etsjiuiun si;\!. \Ut dust-n
I I afelu schuf Snellen die r.oJi he ute gu't ge Prufungs-
| methode für die zahlcnfnasvgc Bes\mmi:rg des (i'ades der
zentralen Sehschärfe.
1 S 7J erschien unter Mitwirkung suus Sc Inders und
Treimdes. des jetzt in Paris wrkci.dcii Dr. Edmund La ndolt
in der ersten Auflage des go .sccti Hat dhu Jus dir Auge n-
lieilklinde von (i r a c t e - > a e :n i v c h sc. : e ( i p b t h a 1 m « * -
inetrob^i e. eine anM.iht;. Ju I ’ai vte bürg der f üi.k'onc-
priituugeii des Auges.
Ihr folgten lieben veivli.ulu oi unter v ■ t *■ \ t ^.de i t
standenri] I ’iomotu uoa rlu ile n /.tl’uubi I ■ .•■ ■mtei'ungc v
und Aufsat/e m din ..\ e r sfa g e n b i i b i a d i u \ ,t u }j •
n e d e r I a n d s v || g a s t h u i s v <> <> i <. g ! . ■ d t * s “, in deu.
Berichten vier Heidelberger mul m di*un di r intet-
nationalen <) p Ii t h a 1 ino 1 o g e u k ■ ■ u g r c s s c . s. . w ,. v
an anderen Sie Ile n.
Ich führe voll d.ese u \ * De: *« r: nur t. • u!e a's de be¬
merkenswertesten au:
,.l eher d .i s P h a k o :u e * c r ". ..Die b : '* k i s i v ln
Lins e", ..I > i e R i c h t ti u g d er II a u p t ;n e r i d , a n e d y s
a s t i g m a ; i s c h e n Auges'. ..Die Dnr.DJu u .
d ii n g d e r X i ! i a f ti e r \ c n b e , \ c u r a ' g : c..I e b c r
d I e T o n O m e t n e". ..I ’ e b e r > . h . e 1 w i u k e ! m e s .
s ii ii g e n", „I; n ! 1 a r v u n g er. s ; m u ! : r • e r e ; u s e i t i -
g e r A m b I y o p j e n". ..I ehe; d e g •; a i: t i ! a t : \ e H e -
Diä Ja
Original fram
UNIVERSITY OF WNNESÖ
28. Juh 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1597
Stimmung des Farbensinne s", Ueber die sym¬
pathische Ophthalmi e", „Ueber Schulbänk e",
„Ueber Nachbild e-r", „Der Keratokonu s“,
„Ueber künstliche Augen" und die Antrittsrede bei
Uebernahme der Utrechter Professur: „Over de Me¬
thode der oogheelkunde Klinieck‘‘.
Aber je länger desto mehr fiel der Schwerpunkt von
Snc llens Wirksamkeit in die praktische Tätigkeit. Ihr ver¬
danken wir unter anderem auch die Erfindung neuer und seit¬
dem als bewährt erprobter und die Verbesserung bekannter
Operationsmethoden gegen Ektropium, Entropium und
T r i c h i a s i s.
Vieles Beachtenswerte aber blieb im Drange der sich
häufenden augenärztlichen Tätigkeit, die immer mehr auch
weit über die Grenzen seines Heimatlandes hinausging,
unveröffentlicht.
Was S n e 1 i e n überhaupt in den mehr denn vierzig Jahren,
in denen er selbständig die Utrechter Anstalt leitete, gerade
auf diesem für das Wohl und Wehe der Kranken so wichtigen
Gebiete der Augenheilkunde, das er fast autodidaktisch sich
selbst ausgebaut hatte, durch seine hervorragende Geschick¬
lichkeit und vielseitige Erfahrung auch in den schwierigsten
Fällen leistete, wissen vor allem diejenigen richtig einzu¬
schätzen, die ihn, wie auch ich, in dieser Tätigkeit an Ort und
Stelle selbst zu beobachten Gelegenheit hatten.
Gerade deshalb wäre es denn auch ein grosser und blei¬
bender Gewinn für die Ophthalmologie gewesen, wenn
S n e 11 e n die ihm für die zweite Ausgabe des deutschen oph-
thalmologischen Standard work der Gegenwart, des Hand¬
buches der Augenheilkunde übertragene Bearbeitung der
Augenoperationslehre — die in der ersten Auflage stammt aus
der Feder des Wiener Altmeisters Ferdinand v. A r 11 — noch
hätte vollenden können. Leider musste er hiervon zu seinem
schmerzlichen Bedauern infolge zunehmender Kränklichkeit
schon alsbald Abstand nehmen.
Nach alledem kann es nicht überraschen, dass sich die
Tätigkeit des hervorragendsten Schülers und Mitarbeiters von
D o n d e r s je länger desto mehr über seinen engeren Wir¬
kungskreis hinaus geltend machte.
So war denn Utrecht von der Mitte der sechziger Jahre an
bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts der Sammelpunkt
zahlreicher in- und ausländischer junger Aerzte — auch
ältere und zum nicht geringen Teil schon in hervorragen¬
der Stellung befindliche Ophthalmologen fehlten nicht —,
die bei dem mehr der theoretischen Seite des Faches zu¬
gewandten D o n d e r s Anregung suchten und gleichzeitig
die Gelegenheit benutzten, sich bei Snellen, der nach
Ablehnung des Rufes nach Bern und Leiden inzwischen (1877)
ordentlicher Professor der Augenheilkunde an der Universität
geworden war und auch als Lehrer vorzügliches leistete, in
den praktisch belangreichen Fragen auszubilden und ihre
Kenntnisse zu vertiefen.
Von aller Anfang an im „Gasthms“ tätig, hat Snellen
die fast ausschliesslich aus freiwilligen Beiträgen unterhaltene
Anstalt zu immer grösserer Bliite gebracht und ihr im Jahre
1894 in dem mit grossem organisatorischen Talente durch-
geführten und als „D o n d e r s s t i f t u n g“ ins Leben ge¬
tretenen Neubau des Institutes eine innere Ausgestaltung ge¬
geben, die für die seitdem entstandenen Augenkliniken in mehr
als einer Richtung vorbildlich geworden ist.
Dem vornehmen und sympathischen Aeussern, wie cs das
dieser Nummer der Wochenschrift beigegebene Porträt zeigt,
entsprach das innere Wesen des Dahingegangenen. Stets
gleichmässig liebenswürdig, heiteren Gemütes und bei aller
geistigen Grösse im äusseren Auftreten stets bescheiden, wird
der anspruchslose und warmherzige Verewigte, dessen Ver¬
dienste um die Augenheilkunde bei der Nachwelt unvergessen
bleiben, auch bei allen denen in herzlicher und dankbarer Er¬
innerung fortleben, die nahe und fern das Glück hatten, ihm
auch menschlich näher zu treten.
München, 18. Juli 1908. O. Eversbusch.
Referate und BQcheranzeigen.
H. Rlbbert: Beiträge zur Entstehung der Geschwülste.
Zweite Ergänzung zur „Geschwulstlehre für Aerzte und
Studierende" mit 40 Abbildungen. Die Entstehung des Karzi¬
noms. Bonn, Verlag von Friedr. Cohen, 1907. 4.80 Mk.
R i b b e r t hatte bekanntlich die Theorie aufgestellt, dass
die Krebsentwicklung nicht durch primäres und kontinuierliches
Tiefenwachstum des ursprünglich normalen Epithels zustande
käme, sondern, dass zuvor durch Wucherungsvorgänge im
subepithelialen Bindegewebe eine mechanische Ab¬
sprengung, eine Verlagerung des Epithels ein-
treten müsse, da nur ein so mechanisch aus dem physio¬
logischen Verbände gelöstes Epithel zu unbegrenzter Wuche¬
rung befähigt wäre. Alle Bilder, welche bis dahin von den
Vertretern der Thiersch-Waldeyersehen Lehre als
kontinuirliches Tiefenwachstum gedeutet worden waren, er¬
klärte R. als sekundäre Vereinigung des aus der Tiefe auch
nach oben wuchernden Krebsepithels. Auch irgendwelche
Veränderungen der biologischen Eigenschaften der Epithel¬
zellen wurden von ihm für die Krebsentwicklung völlig ge¬
leugnet.
Weitaus die Mehrzahl der erfahrenen Pathologen hat diese
Theorie abgelehnt und ganz besonders wurde sie vom Re¬
ferenten auf Grund seiner früheren und auch neuerer Unter¬
suchungen bekämpft.
Unter dem Druck der tatsächlichen Verhältnisse musste
R i b b e r t bei seinen späteren Untersuchungen selbst all¬
mählich mehr und mehr die Ueberzeugung von der Unhaltbar¬
keit seiner Behauptungen gewinnen und Schritt für Schritt wich
er daher von seiner ursprünglichen Theorie zurück.
Zunächst sollten die ganz gewöhnlich zu beobachten¬
den und durchaus klaren Bilder des kontinuierlichen Tiefen¬
wachstums nur dadurch zu erklären sein, dass noch nicht
eine völlige Absprengung des Epithels für die krebsige Wuche¬
rung erforderlich wäre, sondern dass hierfür bei der Haut schon
eine stärkere Dehnung der Reteleisten durch das wuchernde
Bindegewebe genügte.
Auf Grund seiner neuesten, an jungen Haut-
und S c h 1 e i m h a u t k r e b s e n gemachten Unter-
suchungen-erkennt nun R. das kontinuierliche
Tiefenwachstum des Epithels, so wie es von
den meisten Autoren, insbesondere auch vom
Referenten stets beschrieben worden ist, in
vollem Umfange an, ja er findet sogar, dass
selbst bei vorgeschritteneren Karzinomen
in der Peripherie ein solches kontinuier¬
liches krebsiges T i e f e n w a c h s t u m des ur¬
sprünglich normalen Epithels beobachtet
werden kann, da ja dieses nicht an allen Stellen, an
welchen es zur Krebsentwicklung kommt, gleichzeitig ein¬
zusetzen braucht, sondern sehr wohl von der Mitte des Krebs¬
herdes nach der Peripherie allmählich erfolgen kann: „Dann
kann in den mittleren Abschnitten, in dem eigentlichen eventuell
auch aus vielen einzelnen Stellen zusammengeflossenen Ent¬
stehungsgebiete bereits ein grosses Karzinom entwickelt sein,
während in den angrenzenden Abschnitten sich zunächst nur
eme Verlängerung von Epithclzapfen und eine entsprechende
Erhöhung der zellreichen Bindegewebspapillen findet, Ver¬
änderungen, die sich nach aussen und nach oben verlieren.
Kommt cs nun in ihrem Bereich, ähnlich wie schon in dem
eigentlichen Krebsgebiet auch zu einem Wurzeltreiben ein¬
zelner Zapfen, so werden auch hier kleine Karzinome ent¬
stehen, die mit den bereits vorhandenen konfluicrcn können.“
Dieser von R. endlich selbst konstatierte
histologische Befund am Rande von Karzi¬
nomen deckt sich vollkommen mit den aus¬
führlichen Beschreibungen, welche der Ref.
und zahlreiche andere Autoren von fort¬
schreitenden krebsigen Wucherungen in der
Peripherie eines bereits ausgebildeten Kar¬
zinoms längst gegeben haben.
Freilich hat R. von diesem tatsächlichen Befund des
kontinuierlichen Tiefenwachstums des Epithels insofern eine
andere Auffassung, als nach seiner Ansicht das Epithel r ;
infolge einer primären biologischen Veränderung in d-
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1598
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3<>
wächst, sondern es soll vielmehr dieses Tiefenwachstum, wenn
es nicht durch embryonale Störungen im Epithel bedingt ist,
stets durch entzündliche Veränderungen im Bindegewebe ans¬
gelöst werden: „Der eigentlichen Karzinomentw icklung geht
die Bildung eines Vorstadiums voraus, in dem es
sich um eine mehr oder weniger vielgestaltige Epithel-
Zunahme auf der einen Seite und um eine z e 11 i g e L m -
Wandlung des Bindegewebes oder die Er¬
zeugung einer unter das Epithel e i n g e s c h o -
benen Granulationsschicht auf der anderen Seite
handelt.
Dieses Vorstadium entsteht vielleicht in den meisten Eülleii
auf Grund einer u m s c h r i e b e n e n e n t w i c k 1 u ngs-
geschichtlichen Störung, in anderen Bällen aus u m -
schriebenen Entzündungen. Doch bilden diese nur
dann die Grundlage der Karzinomgenese, wenn durch sie, wohl
am ersten bei chronischem Verlauf, ein Granulalionsgewebe er¬
zeugt wird, das eine neue Lage unterhalb des Epi¬
thels bildet, ihm dadurch seine normale Basis entzieht
und es so mehr oder weniger aus dem Körperverbande aus-
schaltet.“ (S. 102.)
Gegen die Bedeutung entzündlicher Vorgänge an sich iiir
die Krebsentwicklung lässt sich gewiss nichts einwenden; sie
werden aber für sich allein niemals zur Krebsentw icklung
führen, ohne dass nicht zuvor das Epithel eine tiefgreifende
biologische Veränderung erfahren hätte.
Die Behauptung aber, dass überall da. wo nennenswerte
entzündliche Veränderungen fehlen, die krebsige Wucherung
des Epithels auf entwicklungsgeschichtliche Storungen zu rück¬
geführt werden müsse, ist durch nichts bewiesen und erscheint
lediglich als völlig willkürliche Deutung eines tatsächlichen
Befundes im Interesse einer bestimmten Theorie. Denn man
müsste ja sonst eine primäre biologische Veränderung des
Epithels für das Tiefenwachstum verantwortlich machen, wo¬
mit auch der letzte Rest der ursprünglich von R. aulgestellten
Theorie zusammenbräche! —
Uebrigens nimmt auch R. nunmehr eine biologische Ver¬
änderung des Epithels für das Karzinom an; sie soll aber erst
sekundär nach vorausgegangener mechanischer Auslosung des
Epithels aus dem physiologischen Verband als eine Anpas¬
sungserscheinung erfolgen und besonders in den Metastasen
ihren Höhepunkt erreichen. —
So ist es völlig zutreffend, wenn Alb recht sich über
diese neueste Schwenkung R i b b e r t s in seinen „Rand¬
bemerkungen zur Geschwulstlehre“ (Eraukfurter Zeitschr. f.
Pathol., Bd. I, S. 357) äussert:
„Im übrigen ist nach den neueren Publikationen R i b -
berts wohl vorauszusagen, dass seine „Krebstheorie“, wenn
sie in der gleichen Weise sich fortcutwickelt, in Bälde nur mehr
durch ihre Vorgeschichte sich von jenen unterscheiden wird,
welche den primären Veränderungen des Epithels die Haupt¬
rolle zuteilen.“ Hauser- Erlangen.
R. Klemenslewicz: Die Entzündung. Eine mono¬
graphische Skizze aus dem Gebiet der pathologischen Physio¬
logie . G. Fischer, Jena 19(18. 120 Seiten. 3 M.
Der Verf. hat absichtlich seine Darstellung eng begrenzt.
Sie hebt vor allem die physikalischen und physikalisch-
chemischen Momente in ihrer Bedeutung fiir die akute Ent¬
zündung hervor. Hiermit ist schon gesagt, dass insbesondere
die hydraulichcn und sonstigen Veränderungen am Getäss-
apparate des entzündeten Gebietes eine besondere und zwar
ausgezeichnete Erörterung erfahren. Der schematische Ver¬
such zur Veranschaulichung der Beziehungen zwischen Gefäss-
rohr und umgebendem Gewebe, den Körner zuerst ange¬
geben hat, dürfte sich auch.zum Vorlesungsversuch in hervor¬
ragender Weise eignen. Die Theorien über die Entzündung
und über die Lymphbildung werden eingehend besprochen.
Was die eigenen Anschauungen des Verf. anlangt, so seien,
um seinen Standpunkt in einigen der wichtigsten einschlägigen
Fragen zu charakterisieren, nur einige Punkte betont: Wie
tiir die übrigen Erscheinungen am Gefässystem ist der Verf.
auch in der Frage der Diapedesis und Emigration vorwiegend
für eine mechanische Erklärung, die Chemotaxis wird von ihm
nicht hoch bewertet; dem Wegfall der Riickti anspol tation der
Digitized b'
Google
Gewebsflüssigkeit in die Neuen wird für das Zustandekommen
des entzündlichen Oedems eine wesentliche Bedeutm g bei¬
gelegt. In l ’ebercmMimmung mit A s h e r wird d.c l.xinph-
bildung als eine Funktion des Gewebes und r.J;t als das Re¬
sultat eines Traiissuela’ioiKpro/esscs aÜe.n v heu:; dem¬
entsprechend wird auch die Sekretamstlkoi.e de r Kap;..atu
endotliehen abgelehnt. Die LntersJiiiidmg \ «m t.n J.rm-gc-
transsudat und Lymphe ist sehr klar duuhge :..h:t. Pc \er-
ändei uiigeii am Gewebe selbst, sow eit v :e jn» »r ph« •!« g. v d:er
Natur sind, werden nur kurz 1 h rührt, d e Jiror.sJie Ent¬
zündung ist überhaupt nullt besprochen. D..gegen ist der \ er¬
such gemacht, neuere Er rt|f geiischabe u aus änderet: b.< ■-
logischen Gebieten für die Lehre \ «-n der Entzündung he'a”-
zuziehen, das Antithrouibin. d.e An** d\ se. die V.t.k- *r;*cr-
bildung (spezifische Eiidothelto\:ue d!). d--Ji /eiet der \ er¬
stich, dass wir muh weit davon entfernt s.nj. d.ese Dm ge für
die Lehre von der Entzündung nutzbar in.uhen zu kmireu.
wovon übrigens der Antor selbst uheveugt sdii i:t. Der
Monographie > v t ein ausführliches und v Jier nia* Juni Leser
sehr willkommenes LiteratniA erzeulnas nlnr die Ent/i.udangs-
frage beigegeben. Robert R o s s ] e - M.uuhe
Professor T. J. H a r t e 11 u s: Lehrbuch der schwedischen
Heilgymnastik. DeutsJie Ausgabe. übersetzt und heuns-
gegeben vmii Dr. Chr. .1 u r g e n s e n. pu'ikt. Arzt n: Kopen¬
hagen und Samtatsrat Dr. Preller. Direktor der Wasser¬
heilanstalt in Ilmenau i. I hur. Zweite Vjl'age. r.adi de r vierte •
Auflage des Originals he rairsgegelu n Mir, Pr- tess .r Dr. tned
Chr. .1 li r g e ii s e ii - Kopei fuige in Mit T NMuldmum: im Ie \t
334 Seiten. Leipzig. I h. Griebe ns \ erlag ll.. Ferna uh
I *reis 3.(>< i M.
Die g\ mnastisJieii Lehmigen. welche m Schweden ttnter
dem Wulm stand der Haid mies < i\ mrasti r, aiMgeabt werden,
sind ausführlich beschrieben und in ADD. 1 Jur gen ge/e In
einem zweiten Teile folgt eine Beschreibung der K ra; k!n ;tev.
bei der.eil diese Lehmigen argew erdet werden.
Das Buch ist \ oft einem Nuhtar/t ge s JtnebeSl u: J durfte
sich auch wohl in erster Iame an Nuhtar/te w ei dem
Ein grosser Mangel des Biuh- s ist. dass de r Ar/t imt der
physiologischen Bcgiuiulnmg der Lehm.gen ruh* mime»* e;u-
\ erstände n sein wird. Die Brau Ji’utr keut des BuJes f.r dt!
praktischen Arzt wird erschwert dmJi d.e Ih,u .* Pur g der
l’ebtingen; als Beispiele seien nur gen.unj die- F...ge!-hmh-
streek-trepp-Schr.iubsteheiule-N oi w ai tsdrehuibg <>e.tc 5o» oder
die St reck-bogen-tief-sjMeiz-knie ste he r de Ruck w m rs/u hang
(Seite (»7).
In Deutschland ist. unseres Ei.uhten.s mP Re Jit, an Ste :‘e
des manue llen W ukrstande s der Gew uhtsw .de rmmui getreten,
der dem Patienten LebiiLgen au entfachen Apparaten ohne 11 te
eines Gxmnasten oder .Masseurs ges*.p*<t.
F. Fange- München-.
Die Körperpflege der Brau. Ph\s.<.!.«g.cJu m l asthm.s Jk
D iätetik für das weih'uhe ihsJJJp. Ndeirure K-*rp-r-
pflege. Kindhut. Reite . He irat, 1 he. >Jiw a: geTsJi.ift. Geburt.
Wochenbett, W eu Ine i.ihr e m-ii Dr. C. H. S I r a I/. .Mt euer
Tafel und 7‘> Textabbi! Junge u. \ er’ag \--n Ferd.uand I: r. k t
in Stuttgart, F>n 7 . Preis M. s . I".
W ie alle mir bekannten S t r a t / s, \ e:• -fit n*!.chu: ge m
ein schon misset lull elegant g-haltern s We’k ni.t euer R, .he
hubscher photograplusc In r Re Produkt - wer mul Nbb.lda: gm:.
Kurven u. elergl. \ e rf. w m sjtt de p!-\s, -I-^udie t: i d
ästhetische Plate t-k des Weihes, c!*e’U I S <\ Hule f'p i: d s
folgend, unter eie lll l'e Ue ll < ie s;. !;u:- •• kt e u : r K a '• du- ■* k oJ-, *
der I.ehre, sJimi, d. In eu s-u J r\ Vuu. zu \ - % : gmu de • n
wie \ erf. galant beifügt, s J:-*U /\\ IPn, ru-Ji K Mur m d * ie >t.
mag. w ie Schon der Name bes..gt. u's e ut \ «r-e Jp d.c c,>?• ,• , .•
( ieschleclltes betrachte t We rd-u. I r *• r I ;t \ --n ~ ) \h.
Fildmigeil werden in It K.tr« , ..V. de Po”- c J., a.
logischen Intel h vg eins Jn M i d'-nr / :■ • •; l.r d,:s g- v f de'
Leben des Weihes er-pur*. FL s. -• d •, * s h • u ’ w *d d 1’t s i
der richtigen Korperform. dei 1 hup **• d d r - v r. k -p-h r-
teilo lind es ist tiatmdiJi, d.-ss f... \ •• c
riehrige K Ie ivlimg eien l'n. jg , : - r <■,-
iese iis\\ ert ni Jit ru-r f-, r ] . • V( ,• .. • v ! ■ • k ,e- J- r
Pinkte muh für die 1 a. 1 . • ■ — • v ; , k.u ' ' v
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1599
Gattungsleben des Weibes von der Kindheit bis zu den
Wechseljahren. Die eingehende Darstellung über das richtige
Verhalten während der Schwangerschaft, der Geburt, des
Wochenbettes sowie die Darstellung aus dem Gebiete der
Säuglingspflege dürften dem Buche mit Recht die Beachtung
in weitem Kreise sichern. Das Werk kann in der Tat als eine
auf wissenschaftlichen Grundsätzen aufgebaute, die Grenzen
richtiger Popularisierung medizinischer Kenntnisse streng ein¬
haltende Darstellung hygienischer und ästhetischer Lebens¬
prinzipien den Fachgenossen und der Laienwelt warm
empfohlen werden. Dr. Grassmann -München.
Physikalische Therapie in Einzeldarstellungen, heraus-
gegeben von Dr. J. Marcuse und Dozent Dr. Strassen
11. Heft: Rieder: Erkrankungen der Respirationsorgane.
Stuttgart, F. E n k e, 1908. 124 S. Preis 3 M.
Die Bedeutung, die der physikalischen Therapie bei Er¬
krankungen der Respirationsorgane zukommt, wird wohl heut¬
zutage, im Zeitalter der Lungenheilstätten, von niemand mehr
verkannt. Es braucht daher zur Empfehlung vorliegender Dar¬
stellung nichts weiter gesagt werden, als dass sie zu den
besten der Reihe gehört und knapp, aber erschöpfend alle
hieher gehörigen Gebiete behandelt, wobei die reiche Erfahrung
des Verfassers auf jeder Seite zum Abdruck kommt.
Renner- Augsburg.
Neueste Journalliteratur.
Archiv für klinische Chirurgie. 86. Band, 2. Heft. Berlin,
Hirschwald, 1908.
9) Bockenheimer: Ueber die Behandlung des Tetanus auf
Grund experimenteller und klinischer Studien, insbesondere über
die Attraktion des Tetanustoxins zu llpoiden Substanzen. (Chirurg.
Universitätsklinik von Bergmann in Berlin.)
14) Kümmell -Hamburg: Abkürzung des Heilungsverlaufs La-
parotomierter durch frühzeitiges Aufstehen.
16) A. Fraenkel: Ueber postoperative Thromboembolie.
Vorträge auf dem 36. Chirurgenkongress. Referate siehe No. 18
dieser Wochenschrift.
10) Petri valsky: Zur H i r sc h sp r u n g sehen Krankheit.
(Böhmische chirurgische Klinik in Prag.) Mit 2 Textfiguren.
Die eingehende autoptische und histologische Untersuchung eines
Falles von Megakolon bei einem 5 jährigen Knaben ergab sehr interes¬
sante, für die Kenntnis der Aetiologie des Leidens wichtige Befunde,
nämlich Hypoplasie des elastischen Gewebes in den Gefässen des
Mesenteriums in der Darmwand, und Hypoplasie des inter¬
stitiellen Bindegewebes der Darmwand; ferner war der Darmtraktus
im Vergleich zur Körpergrösse um die Hälfte kürzer als normal. Das
angeborene Megakolon ist also auf einen Entwicklungsfehler des
ganzen Intestinaltraktus eine histogenetische Anomalie des Mesen¬
teriums, besonders seiner Gefässe und der Darmwand, zurückzu¬
führen; eine derartig veränderte Darmwand ist nicht im Stande den
Inhalt in normaler Weise weiter zu befördern; der Darminhalt staut
sich, der Darm wird dilatiert; zugleich hypertrophieren die Muskeln
der Darmwand. Ein Ventilanschluss kann sich sekundär am Ueber-
gange des dilatierten freieren Teiles in den besser fixierten ent¬
wickeln, kann aber einmal die primäre Ursache des Megakolon sein.
Von dieser echten kongenitalen Anomalie muss eine Gruppe von
Fällen unterschieden werden, bei denen ein Komplex von Symptomen
dem Megakolon ähnelt, wo es sich aber in der Tat um eine Dila¬
tation des Dickdarms infolge verschiedener Ursachen handelt (ab¬
norme Länge der Flexur, Schlingenbildung, Anomalien des Meso-
sigmoideus). Bei diesen Fällen kann sich bei Erwachsenen durch
irgendwelche Umstände ein Ventilverschluss und damit ein Krank¬
heitsbild ähnlich dem Megacolon congenitum herausbilden. Der histo¬
logische Befund lässt diese Fälle aber streng vom kongenitalen Mega¬
kolon trennen.
11) Teleky: Zur Therapie der Phosphornekrose. (I. Chirurg.
Klinik in Wien.) Mit 6 Textfiguren.
11 Fälle kamen in den letzten Jahren zur Beobachtung; davon
betrafen 10 Zündholzarbeiter, 1 eine Patientin, die wegen Osteo¬
malazie 4 Jahre lang Phosphor intern bekommen hatte. 4 mal war
das Oberkiefer, 9 mal das Unterkiefer befallen. Bei den Oberkiefer¬
nekrosen wurde stets exspektativ verfahren und die Sequesterextrak¬
tion nach beendetem Nekrotisierungsprozess vorgenommen; davon
werden 3 mit gutem funktionellen Resultat geheilt, 1 mit weit fort¬
geschrittener Erkrankung ist später ausserhalb der Klinik gestorben.
Von den Unterkiefernekrosen wurden 4 konservativ mit Sequestro-
tomie behandelt, bei einem stiess sich der Sequester spontan ab. Alle
5 wurden geheilt mit gutem kosmetischen Resultat und guter Kno¬
chenregeneration entlassen. Bei 4 Fällen wurde die Kieferresektion
vor beendeter Sequestrierung ausgeführt; die Resultate waren dabei
viel ungünstiger: starke Entstellung, mangelhafte Knochenregeneration
und zum Teil Fortschreiten des Prozesses auf die andere Kieferhälfte;
auch das Einlegen einer Immediatprothese bewährte sich nicht. Die
Behandlungsdauer wurde ebenfalls durch die Resektion nicht abge¬
kürzt. Die Erfahrungen der Wiener Klinik sprechen also durchaus zu
Gunsten der alten exspektativen Methode.
12) v. Habe rer: Experimentelle Verlagerung der Nebenniere
in die Niere. (I. Chirurg. Klinik in Wien.) Mit 2 Tafeln und 2 Text¬
figuren.
Bei früheren Versuchen der freien Transplantation von Neben¬
nieren in die Niere (Schmieden u. a.) ist nur eine teilweise Ein¬
heilung der Rindensubstanz gelungen, während eine Einheilung der
Marksubstanz stets fehlschlug; dabei ist nirgends der Beweis er¬
bracht worden, dass die transplantierten Nebennieren, auch wenn
sie eingeheilt waren, funktionierten, v. H. hat die Versuche nun
wieder aufgenommen mit der Modifikation, dass er die Nebenniere
nicht vollständig loslöste, sondern sie an einem Gefässstiele hängen
liess und so in einen durch Keilexzision gebildeten Nierenschlitz ver¬
senkte; auf diese Weise gelang die Transplantation funktionierender
Nebennieren in einem grossen Prozentsatz der Fälle. Im ganzen wur¬
den 104 Versuche ausgeführt, mit 54 Erfolgen und 43 Misserfolgen
bei 7 fraglichen Resultaten. Die Ueberpflanzung wurde teils einseitig,
teils doppelseitig ausgeführt; endlich wurde durch Exstirpation der
anderen Nebenniere der Beweis für das Funktionieren des überpflanz¬
ten Organs erbracht. Bei zweckmässiger Versuchsanordnung war
es möglich, Tiere mit einer einzigen in die Niere verpflanzten Neben¬
niere dauernd am Leben zu erhalten.
Eine transplantierte Nebenniere geht vielfach zunächst in aus¬
gedehnter Weise zugrunde; von dem überlebenden Rest aus bildet
sich in relativ kurzer Zeit förmlich ein neues Organ. Bei gelungener
Transplantation überlebt die Marksubstanz genau in derselben Weise,
wie die Rindensubstanz; die eine ist für die Funktion der Neben¬
niere so wichtig wie die andere. Bei der Regeneration transplan¬
tierter Nebennieren vollzieht sich häufig ein völliger Umbau des
Organs, wobei es vorzüglich zur Bildung adenomartiger Zellverbände
der Rinde und zu Markverlagerung kommt. Geringe Mengen lebens¬
fähiger transplantierter Nebennierensubstanz reichen nicht hin, die
Versuchstiere am Leben zu erhalten. In jedem Falle von zu grossem
Ausfall von Nebennierensubstanz kommt es zu einem ganz typischen
Symptomenkomplex, der mit dem Tode des Versuchstieres endet
und der als Nebennierenausfall bezeichnet werden muss.
13) V o e c k 1 e r: Ueber den primären Krebs des Wurmfortsatzes.
(Chirurg. Abteilung des Magdeburger Krankenhauses Altstadt.) Mit
1 Textfigur.
Beschreibung zweier Fälle: der erste, bei einer 27 jährigen Frau,
kam unter dem Bilde der Appendizitis zur Operation und wurde erst
bei der mikroskopischen Untersuchung als Karzinom erkannt, wie
die meisten bisher beschriebenen Fälle der Erkrankung. Im zweiten
Falle fand sich bei einem 56 jährigen Manne ein palpabler Tumor,
der als Zoekumkarzinom angesprochen wurde. Bei der Operation
zeigte sich die Appendix in einen grossen Tumor aufgegangen
(Gallertkrebs), der mit der Serosa des Zoekum verwachsen war und
die Zoekalwand in weitem Umfange krebsig infiltriert hatte; dabei
war die Schleimhaut des Zoekum ganz unverändert. Der Befund
lässt den Schluss ziehen, dass ein Teil der Zoekumkarzinome von
Tumoren der Appendix seinen Ausgang nimmt.
15) C a p e k - Kuttenberg (Böhmen): Eine weitere Modifikation
der Technik der Kauterium-Darmanastomosen resp. Gastroentero¬
stomien. Mit 8 Textfiguren.
C. bringt einen neuen Vorschlag zu dem alten Problem der
Anastomosenbildung ohne Oeffnung des Darmlumens. Seine Methode
besteht darin, dass er die beiden aneinander genähten Darmschenkel
bis auf die Mukosa inzidiert, also nur Serosa und Muskularis durch-
trennt, dann die freigelegte Mukosa im Bereiche der gewünschten
Oeffnung mit einem besonders geformten Glüheisen verschorft, ohne
sie zu durchtrennen; dann Verschluss der Darmwunde durch vordere
Muskularis- und Serosanaht. Bei den Tierexperimenten des Verf.
hatte sich nach 1—2 Tagen eine genügende Kommunikation gebildet.
17) Hashimoto und So: Ueber Pseudarthrosenbehandlung
nach Schussverletzungen. Mit 9 Textfiguren.
Die Verfasser berichten über 7 operativ behandelte Pseud-
arthrosenfälle mit zum Teil sehr bedeutenden Knochendefekten nach
Schussverletzungen aus dem russisch-japanischen Kriege. Die Be¬
handlung bestand in der Regel in der Transplantation freier Periost-
Knochenlappen nach M a n g o 1 d t und ergab fast stets gute Resultate.
H e i n e k e - Leipzig.
Zentralblatt für Chirurgie. 1908. No. 26—28.
No. 26. Alfred P e i s e r: Ueber Antifermentbehandlung eitriger
Prozesse ohne Inzision.
P. führt einige Beispiele an, in denen er mit Punktionsspritze
an der Stelle deutlichster Fluktuation aspirierte und nach möglichster
Entfernung des Eiters Antifermentserum injizierte (einige Kubik¬
zentimeter weniger, als die entleerte Eitermenge, um Druck im Ent¬
zündungsherd zu vermeiden). Das Serum wurde dann nach einigen
Minuten wieder herausgesaugt und dann nochmals neues Serum
injiziert. Als Antifermentserum dienten sehr eiweissreiche mensch¬
liche Punktionsflüssigkeiten aus Brust- und Bauchhöhle, die durch
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MULNCHLNLR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1600
hakteriensicheres Porzellan resp. Berkcfeklfilter vollkommen keim¬
frei gemacht und mittels des Plattenverfahrens von L. M ii 1 1 e r um
hohen Gehalt an Antiferment geprüft waren. U. a. sah P. einen
pflaumengrossen Abszess im Gesicht ohne jede Narbe heilen, auch
bei mehr phlegmonösen Prozessen und tiefliegenden Prusenabszesseu
mit starker entzündlicher Infiltration sah P. Erfolg und verweist am
eine spätere Publikation der Palle in den Beitr. z. klm. Chir.
Kuhn -Kassel: Lungenüberdruck mittels peroraler Intubation
und kontinuierlicher Luftpressung In dem Intubationsrohre.
K. empfiehlt zur Erzeugung des notigen Ueberdruckes bei
Thoraxoperationen sein Intubationsrohr mit Mandrin. Nach der In¬
tubation wird dem schlafenden Menschen aus einer genügenden
Ueberdruckquelle (Bombe von Sauerstoff oder aus einer Luitkom-
pressionsmaschine) komprimierte Luft zugeführt. Wo die Intubation
kontraindiziert, führt K. komprimierte Luft höherer Spannung mittels
Röhrchen in den Nasenrachenraum ein oder verwendet eine weiche
(mittels Gumminetz federnd gemachte) Maske, die dem Kopf lose
überliegt.
A. de Grän w e: lieber die Resektion des Choledochus.
Mitteilung eines Palles, in dem wegen vermeintlichen Karzinoms
der Gallenblase und des Zystikus diese und ein Teil des liepatikus
und Choledochus reseziert und aus letzterem ein grosser Gallen¬
stein extrahiert wurde. Lin Prainrohr wurde in den Choledochus
gelegt und in der Tiefe bis an den Liepatikus geführt resp. daselbst
mit Lenster versehen und von da ab winklig geknickt nach aussen
geführt, so dass es die aus dem Liepatikus fliessende Galle nach dem
Choledochus, wie nach aussen fliessen liess. Pie W unde w urde sorg¬
fältig tamponiert, vom 3. Tage ab w urden alle Tage Spülungen durch
das Drainrohr gemacht.
No. 27. Carl Helbing: Zur Technik der Gaumcnspalten-
operatlon.
H. hat mit der zweizeitig nach J. Wolff ausgefuhrten Lan¬
ge n b e c k sehen Methode in 68,4 Pro/., vollkommenen Verschluss
der Spalte erzielt, die Ablösung der Lappen wurde 4 5 Lage vor
der eigentlichen Naht vorgenommen, dieselben haben dadurch Zeit,
sich zu erholen, so dass die Gefahr der Lappennekrose geringer.
Wo ein Missverhältnis zwischen der grossen Breite des Spalts und
den schmalen Gaumenüberzügen besteht, ist eine Verschmälerung
ersterer durch eine Annäherung beider Kieferhälften mittels geeigne¬
ter orthodontischer Apparate anzustreben und scheint es nach H.
und Schröders Vorgehen möglich, schon in relativ wenig Wochen
beträchtliche Verschmälerung des Oberkiefers zu erzielen.
Lotheissen: Ein Vorschlag zur Operation tiefsitzender
Oesophagusdtvertlkel.
L. empfiehlt, vom Abdomen aus (mit M a r w e d e I scher Auf¬
klappung des Rippenbogens) eine Verbindung des Magens mit dem
Divertikel herzustellen, danach eine Magenfalte rings herum auf/u-
heben und direkt am Peritoncaliiberzug des Zwerchfells anzunahen,
so dass die Anastomose völlig überdeckt wird. Zur Anastomose
empfiehlt L. den Murphyknopf besonders in den Lallen, in denen
man den Divcrtikelsack nicht gut freibringt, wo die Anastomose
quasi im Zwerchfell liegt.
No. 28. Alfr. Peiser: lieber das Panarltium der Melker.
P. beschreibt eine Art chronisches Panaritium mit (iranulations-
bildung bei Melkern (teils flächenhaft, teils tiefergehend), bedingt
durch Eindringen feinster Härchen vom Euter der Kühe. Pie The¬
rapie besteht in sorgfältiger Lxkocbleation.
Karl Ritter: Ein einfaches Mittel gegen Erbrechen beim
Aetherrausch.
Nach Erfahrungen an 62 Fällen empfiehlt R. Stauungsbinde am
Hals (Vs —1 Stunde nach der Narkose getragen) als vorzügliches
Mittel, Erbrechen zu verhüten; er hält die Wirkung der Stauung für
eine direkt entgiftende auf das Gehirn.
A. Na st Kolb: Beitrag zur Frage der Sensibilität der Bauch¬
organe.
NK. hält nach seinen Erfahrungen Parm und Magen für un¬
empfindlich, dagegen lost jeder Zug am Mesenterium, am Peritoneum, i
Bruchsack, Parm und Magen sofort heftige Schmerzen aus. NK. !
betont besonders die bezüglich der Sensibilität bestellenden \ er- I
schiedenheiten ganzer Bevölkerungsklassen und Rassen. Sehr. j
Zentralblatt für Gynäkologie, No. 28. |
G. L e o p o 1 d - Dresden: Ueber akute Peritonitis vor und in der ,
Geburt.
Eine 36 jährige VI. Para kam am Ende der Schwangerschaft
mit diffuser Peritonitis in die Klinik. Ls bestand objektiv Kolpitis
granulosa und Albuminurie. Nach Sprengung der Blase eriolgte .
Spontangeburt eines lebenden Knaben, der nach 4 Stunden starb. :
Pie Mutter starb IS Stunden post partum. Pie Sektion ergab einige ,
Parametritis, fibrinöse Pleuritis, Sepsis, septische Milz und spitze
Kondylome. Im Eiter fanden sich nur Streptokokken, keine Gono¬
kokken. Trotzdem nimmt L. als wahrscheinliche Ursache der In¬
fektion Gonorrhöe an. !
H. A 1 b r e c h t - München: Zur Kenntnis der akuten Magen-
1 ■' "■«' »dt sekundärem Duodenalverschluss.
No. So.
A. wendet sich gegen mehrere Punkte m dem g.t :Oma"....v n
Aufsatz von Lichtcnstein <ui. m dusem Batte. )'*"'. N 21.
S. 11411. Vor allem behamptt er |..s Ausmht \<ui der
der Piagnose. da jetzt zahli eiche. gut bes*Ini&Iere I a e m de r
Literatur vorht gen. ferner memit \. dass L. d.e trage mmh "
Aetlologie des meseiitetlaleu Piiodetialv t r s. ii.usses umi..pg k■ :* :■ -
ziert habe. I s sei Malier, dass \nsjntde’ie Mmmtite
wirken können, um den \ efSvhiuss tmi'ei/u; diien: m two: *.g s t ,
aber das eine, dass das Mcseiitt i hihi par.» ei der W n K vmt \'< de :
Rklitung nach dem kleinen lacken zu sf.i** c. M'a"nt s., md .bis
pllodeimm lll seinem Verlaut ubef die V\ irkeviii e /\\:sd;en s . \
und diese festklemme, /um >ch!uss er w ab nt V. ermge I: • t t r. d c
nach seiner Ansicht L. bei dt r entw m k hm^sgesJiu iit ;d::oi Bt g* .
düng seitler ll \ pothesc unter gt lautt u sind.
W. R u t h - Riga: Zwei falle urn h\drorrlioea uteri gra\idi ani-
malis.
Zwei lalle, eine 2<> talir. V. Para und t nie !i r. I P.ir.i. d.e
das gemeinsam hatten, dass /nerst Intiri u anü'aKn. dsc t 'k n be¬
ginnenden Abort \ er muten ik ss t n P.-ia t > . t • u . v ’ .an \: ...n .
\ oh | r ik iit w assei. Im erst* n I a e gc uir. K du >;J.0i:k dm l
gnosf dnuh den N,i Jiu t is \..n W < dd.a.u c t* in der [ ,w t. I:
du. sein lalle kam es 3 Utge it» r zur • i. ‘u* t. d.is kr! Alte, s'.a: '
jedoch bald daraui. Im 2. I a.le svtjb.se m.'i an die M\ 2’ ■- r h.t t
Abort an. .1 ,t f t e - Hamburg
Virchows Archiv. IM. P>1, Hot 3
IM I W. Miller: Mn Fall von metastasierendem (iangllo-
neurom. tPatlndog. Institut dts h raiikeuLjuses am l o .m in Iw * »
Pas (ianglioik U»f»m !.tu«l skIi bei einer ]<• Mbr :gt n >e i si" !( .kä *
retroperitopc.il zwischen VV irbeKune und Imker Sure l'.wt t da¬
neben zeigten sich vier L> ihphkuou-ränctuslast n.
|o» K ii I b s: Beiträge zur Entwicklung des Knochenmarks. < Me
di/misjie Klinik zu Kiel.)
Pie l ntersiichungeii wurden an Mumien U'kheai'in \ ins .c:
gestellt. Ls wurden bestimmt die Menge des Mar ms. s Ci u VV ,tss t r -
und Lettgehalt lind der Aschei uckstand. I ue Irgetm.ssc s.nd in 1 a-
beHeil nieder gelegt.
2oi .1. Kon und Y. Karaki: l eher das Verhalten der Blul-
gelässe In der Lteruswand. (Patli m g. Institut zu M .ruhen.)
Aus den l 'ntersuchungsergebmssen seien l-ginde Punkte be r -
vorgehobeii: >dion im K indes.nter kann mail du'ch VV im her ung der
I. a n g li a n s sehen ZellsJmJit bedingte Irldü e: dk kimge n der Ar¬
terien beobachten. Je hoher das Alter der bctfeVi tuten IVrs*men.
desto Zahlreicher sind die Veränderungen der l teor.gi bsssc. Im Alter
von 17 3o Jahren bestellen sie m einer tibr.-sen l::t.ma\e'^ilckung
der grossen Arterien. Ihe l te ringt lasse nehmen gt gen. .: er den
übrigen Korperartenen eine >'>mlersH. ung ein. da in i* "en die
sklerotischen Veränderungen sdi«>n frah.’c.tig mit degeru ratiVen Pro¬
zessen der Media \crknnptt sind. Im h b.eren Alter tmdit s:..h lasj
ausnahmslos Kalkablager ung m der (ietassw and. t ieburten smd em
prädisponierendes Moment t ir die At! croskler--sc der t ter-j^getasse.
Pie Apoplexia uteri hangt hauptsadi mh \on den starken V e-.mde-
r ii ii gen der feineren Arterien und \>-n der Atr-piwe der S^h erm-
liaut ab.
21) J. J. S c h i r o k o g o r o f i: Die sklerotische Erkrankung der
Arterien nach Adrenalininiektlonen. iPatl:- l .g, ivst.t-at zu P.-rpat.»
Pie evperimentelien l nter stk hungen bringt ri im go.ssen ganzen
eitle Bestätigung unserer Keimt: is über die Adrenal ngt !ass\ t -r an de-
rungen. Ausser diesen Prozessen /ernten s; v h andi ri-vh patho¬
logische Befunde in anderen < »rgatien : nekrot<s v he Me'de. z ir r '■ •! is v ; c
Veränderungen der Leber. M\pe f tr<'ph:e des Mer/ens mit B mlc-
gewebsentw ickelung m der Muskulatur. Z\ sten im »ith: r u ivt- g v -
einer obliterierenden LnJnr ter utis vier Hangt bisse. S.uii Adren.a ;•■-
iniektioiien in die Pleurahoh'en erhait man diese-bell V r.irMrintci n
in Gelassen wie bei Ultras enosen Irin krnmv u. ine sunsubme In-
iektion sowie die mtr aperitoiieaie haben keine V e:.n;de r ungt :i m dt n
(ieiasseii zur I'olge.
22) Hermann M e r k e I: Die H>dronephrosc und ihre Beziehung
zu akzessorischen Nierengcfässcn. 11’ath«- <-g. Institut zu 1 r angen >
Merkel präzisiert auf t ir mul st I mit Nfk ; au^en s.. \n-
scliammg über die Bedeutung \'>n ak zt ss. .r ;s^ hen N ngt b.vs t u j-;r
die Hydronephfose tlal:inak/essor is c he Niereiki ’■ 's t kon"en iar
die Lntstehung vier aut Niere mul Nier eul-’t * kt u I t s. • .<> k tt t» M\
Ufphrosefornitii wie für das Zustandt k> >mmt n e.r-.t.« :■ ;t k annc: 1 u-
thmg \'er bjitl denen fals^hui l u tcrimplantatmn \ •’ K a::z ht'\*T-
ragender Bedeutung sein. Pie weitere Ausluu^g dt' Ms .!•■ rm sv
dagegen ist von dem w eiteren Bestand oder der R ..r. .:,mg de: ab¬
normen (iclasse ganz tmabhang.g. S c li r i d 2 e - 1 u ‘ g.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 2 >. B-r s.
1) H e u b n e r-Berlin: Hautgangran bei Scharlachrhcumatoid.
Bei einem Kinde entwickelte s_h tuk h >ciiar adi t :;e m \ r-
scliw filung und Rötung bestehen m H.intenipti m an \t'S v h !t .‘e-en
Korperstelleti. welche sich am rtci.tt:: I . t:m •gen zu einer m:r st —
langsam abheilenden grosseren Maut.a-g'an ausgesta | v *e V :t t .-t
handelt es sieb um eine \ as.e i jtmesc dt-'s^
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Origmal frorri
UNIVERSITY OF MINNESOlZT
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1601
2) Uhlenhuth und Xylander -Berlin: Antiformin, ein bak-
terienauflösendes Desinfektionsmittel.
Bei Prüfung der desinfizierenden Wirkung des Antiformins (Mi¬
schung aus Alkalihypochlorit und Alkalihydrat) wurde zufällig be¬
obachtet, dass Bakterien in wässerigen Aufschwemmungen durch
Antiformin völlig aufgelöst wurden. Tuberkelbazillen und andere
säurefeste Stäbchen verhielten sich dagegen vollkommen refraktär,
so dass durch diese Methode tuberkulöses Material von begleiten¬
den Bakterien befreit werden kann. Trinkwasser, Abwässer,
Fäzes etc. können mit Antiformin gut desinfiziert und desodoriert
werden. Auch echte Toxine und Endotoxine werden durch Anti¬
formin zerstört.
3) L. B r i e g e r und J. Trebing - Berlin: Weitere Unter¬
suchungen über die antitryptische Kraft des menschlichen Blutserums,
insbesondere bei Krebskranken.
Bei 55 neu untersuchten sicheren Krebskranken wurde wieder
eine starke Vermehrung der Hemmungskraft des Serums gefunden,
so dass dieser Feststellung eine diagnostische Bedeutung zukommt.
Vermehrung der Hemmungskörper bei kranken Personen weist auf
Kachexie hin. Der Genuss von Pankreatin beeinflusst diese Hem¬
mungskörper.
4) F. Krause -Berlin: Zur Frage der Hirnpunktion.
Kr. betont, unter Anführung eigener Erlebnisse, die Gefahr der
durch die N e i s s e r sehen Punktionen möglichen Blutungen, speziell
bei Angiomen; dann jene der Infektion von Krankheitsherden im
Schädelinnern aus. Bei der Punktion soll man stets zur sofortigen
Trepanation gerüstet sein.
5) B. K o r f f: Beiträge zur Morphium-Skopolamin-Narkose.
Verf. setzt erneut die Vorteile, Technik und das Verwendungs¬
gebiet der von ihm an Hunderten von Fällen ausprobierten und er-
orobten Narkosenart auseinander. Er empfiehlt, in Tuben sterilisierte
Lösungen zu den Injektionen zu gebrauchen.
6) H. E. Schmidt-Berlin: Die Röntgenbehandlung der
Seborrhoea oleosa.
Kurze, schwache Bestrahlungen haben nach den Erfahrungen
des Verf. sehr günstige Erfolge bei diesem Leiden.
7) L. S i 1 b e r b e r g - Odessa: Ueber die Auffindung der
Eberth-Gaffkysehen Bazillen in der Zerebrospinalflüssigkeit bei
Typhus abdominalis.
Der E b e r t h sehe Bazillus kommt in der Zerebrospinalflüssig¬
keit Typhöser, die ihn übrigens nur schwach agglutiniert, ziemlich oft
vor. Chemisch und physikalisch weicht die typhöse Zerebrospinal¬
flüssigkeit nicht von der des Normalen ab. Durch die teilweise
Entnahme derselben tritt oft eine günstige Wirkung auf das sub¬
jektive Befinden ein.
8) S. Alexander - Berlin: Seuchen und Rettungswesen.
Vortrag, gehalten auf dem I. internationalen Kongress für Ret¬
tungswesen in Frankfurt a. M.
9) K. Schroeder: Untersuchungen über die Guajakprobe für
Blut
Polemisches gegen J. Rothschild (cf. No. 18 der Berl. klin.
Wochenschr. 1908).
Erwiderung. Von O. Schümm- Hamburg-Eppendorf.
10) A. Hildebrandt -Berlin: Die chirurgische Behandlung
der Basedow sehen Krankheit.
Statistik und Referat über die dabei zur Anwendung kommen¬
den Grundsätze. Verf. vertritt hauptsächlich die Frühoperation, die
nach ca. einmonatlicher erfolgloser interner Behandlung anzustreben
ist. Bei der Operation ist Allgemeinnarkose zu vermeiden.
Dr. Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. No. 29, 1908.
1) Bassenge -Berlin: Ueber die Gewinnung von Typhustoxin
durch Lezithin und dessen immunisierende Wirkung.
Durch Ausschüttelung von Typhusbazillen in 1 proz. Aufquellung
von Lezithin, namentlich von altem, konnte Verf. sehr grosse Gift-
mengen aus ihnen frei machen. Das so gewonnene Toxin zeigte
beim Meerschweinchen eine aussergewöhnlich hohe immunisatorische
Wirkung.
2) Ritter- Edmundsthal: Die spezifische Behandlung der
Lungentuberkulose.
Das Ergebnis einer Umfrage bei Tuberkulinbehandelten, ver¬
glichen mit einer früheren Umfrage (vor der Tuberkulinbehandlung)
spricht für Tuberkulin. Erwerbsfähig wurden im I. Stadium (Tur¬
ban) 95 Proz. (früher, ohne Tuberkulin, 72 Proz.); im II. Stadium
82 Proz. (früher 57); im III. Stadium 50 Proz. (früher 22). Verf.
ist von der günstigen Wirkung — in gewissen Grenzen — über¬
zeugt, schätzt dasselbe besonders in Verbindung mit hygienisch-diä¬
tetischer Behandlung in geschlossener Heilanstalt. Schädigungen
lassen sich nach seiner Erfahrung bei einiger Vorsicht sicher ver¬
meiden.
3) Paul Glaessn er- Berlin: Ueber das Marmorekserum.
Beobachtungen an 10 Fällen mit Knochen- und Gelenktuber¬
kulose erweckten den Eindruck einer spezifisch bessernden Wirkung
bei 8 Fällen.
4) F. Köhler- Holsterhausen-Werden: Klinische Erfahrungen
mit Marmoreks Serum an 60 Tuberkulosefällen.
Die therapeutische Wirkung bei Lungenkranken war so un¬
regelmässig, dass K. jedenfalls von einer zuverlässigen Heilwirkung
nicht sprechen möchte. Der Verdacht einer schädlichen Wirkung
lag in einigen Fällen nahe.
5) A. Pinkuss -Berlin: Therapeutische Versuche mit Pan¬
kreasfermenten (Trypsin und Amylopsin).
Bei 14 Krebskranken Hessen vielmonatige subkutane Injektionen
mit Pankreasfermenten weder eine sichere objektive Besserung noch
eine Schädigung erkennen. Dagegen wurden 2 Fälle von tuberku¬
lösen Eiterungen am Hals, vorher vergeblich lokal behandelt, nach
Injektion der Fermentpräparate auffallend gebessert.
6) Pfahl -Bonn: Erfahrungen_tiber Verletzungen durch Blitz
und Elektrizität.
Mitteilung von 9 Fällen mit Schädigung durch Blitzschlag bezw.
elektrische Anlagen. In 5 Fällen wurden Augen Veränderungen
festgestellt: Zirkulationsstörungen, nervöse Störungen, 1 mal sogar
Netzhautablösung. Bemerkenswert waren auch funktionelle Nerven¬
störungen, die nur einmal sicher hysterischer Natur waren; Verf. rät
daher zu möglichst frühzeitiger ophthalmologischer Untersuchung.
Die übrigen Schädigungen (Bewusstlosigkeit, Verbrennungen, Nerven-
läsion) entsprachen den sonstigen Erfahrungen. Nach reichsver¬
sicherungsamtlicher Entscheidung gilt Blitzschlag während eines ver¬
sicherten Betriebes im Freien oder geschützten Raum als Betriebs¬
unfall, wie Verf. mitteilt.
7) Alfred P e r s - Kopenhagen: Ueber chirurgische Behandlung
der Ischias.
P. empfiehlt Neurolyse, welche zuverlässige Resultate gab: von
40 Fällen nur 2 Rezidive. Als Indikationen zur Operation nennt
Verf. Dauer oder Schmerzhaftigkeit und Hartnäckigkeit gegenüber
der üblichen Behandlung, ferner Invalidität des Kranken. Verf. über¬
zeugte sich, dass bei Arthritis deformans coxae mit Ischiassymptomen
die Ischias beigeordnet (nicht untergeordnet, symptomatisch) sein
kann und dass in solchen Fällen die Neurolyse die Schmerzen be¬
seitigt oder wesentlich lindert. R. Grashey - München.
Oesterrefchische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 29. F. H a m b u r g e r - Wien: Die pathologische Bedeutung
der Tuberkulinreaktion.
Tuberkulöse Tiere reagieren auf Tuberkulin und auf Tuberkel¬
bazillenapplikation in ganz analoger Weise und sie sind gegen eine
zweite Infektion mit geringen Bazillenmengen ganz oder fast ganz
immun. Daraus ist zu schliessen, dass positive Tuberkulinreaktion
der Indikator einer gewissen relativen Tuberkuloseimmunität gegen
kleine Dosen ist. Sie ist der Ausdruck der allergischen Reaktion, die
bei grossen Bazillenmengen als Ueberempfindlichkeit erscheint
(Bails Versuch). Immunität und Ueberempfindlichkeit (Anaphylaxie)
bezeichnen verschiedene Endeffekte der allergischen Reaktion. Da¬
nach lässt sich für den Menschen annehmen, dass das schon ein¬
mal tuberkulös infizierte Individuum gegen eine neue Infektion mit
den meist geringen Bazillenmengen immun ist. Alle Menschen sind
zur Tuberkulose disponiert, die meisten erkranken daran in der Kind¬
heit (Tuberkulose eine „Kinderkrankheit“), bei der grossen Mehrzahl
erfolgt eine Ausheilung mit einer gewissen Immunität, die sich in der
Tuberkulinallergie, d. h. in der Reaktionsfähigkeit auf Tuberkulin aus¬
spricht. Bezüglich der weiteren Schlussfolgerungen, die zu einer
Empfehlung der aktiven Tuberkuloseimmunisierung im frühen Kindes¬
alter führen, ist auf das Original zu verweisen.
D. Pospischill - Wien: Ueber Diphtherietherapie. Versuche
einer Behandlung der schwersten Fälle mit Adrenalin-Kochsalzinjek¬
tionen.
Schluss folgt.
W. L. Y a k i m o f f - Petersburg: Der Einfluss des Atoxyls auf
die weissen Blutkörperchen.
Y. berichtet zunächst über gewisse Formveränderungen an
Dourinetrypanosomen im Blut nach Atoxylinjektionen. Diesen Form¬
veränderungen folgt regelmässig ein völliges Schwinden der Parasiten
aus dem Blut. Weitere Blutuntersuchungen an verschiedenen Tier¬
arten nach Injektionen von therapeutischen Dosen bei gesunden Tieren
ergeben als wichtigstes Resultat eine nach 2—5 Stunden ihr Maximum
erreichende Leukozytose; die verschiedenen Formen der weissen
Blutkörperchen waren dabei je nach der Tierart verschieden be¬
teiligt. Inwieweit die Leukozytose mit dem Schwinden der Trypano¬
somen in Beziehung steht, ist noch nicht entschieden.
A. Hintz-Wien: Ueber Jodarsentherapie und klinische Erfah¬
rungen über Arsojodin.
Nach den Erfahrungen der Finger sehen Klinik findet das Mittel
in der Syphilistherapie sehr zweckmässige Verwendung. Die Dar¬
reichung in Pillenform gestattet eine sehr genaue Dosierung. Dabei
sind weder von Seiten des Jods noch des Arsens üble Nebenwirkungen
auch bei hohen Dosen zu befürchten. Speziell das Arsen lässt sich
unbedenklich selbst in höheren Dosen als im Atoxyl reichen.
E. Weil und W. S t r a u s s - Prag: Ueber die Rolle der Anti¬
körper bei der Tuberku'inreaktion.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1602
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. JO.
Zusammenfassung: Es Kclinvrt bei Verwendung von Tuberkulin
als Antigen im Blute von Tuberkulosen einwandfrei spezifische Anti¬
körper nachzuweisen. Diese sind aber nicht im stände, die Reaktions¬
fähigkeit für Tuberkulin aufzuheben, da die Antikörper gewöhnlich
bei Individuen auftreten. die auf Tuberkulin stark reagieren. Die
Tuberkulinempfindliclikeit auf diese Antikörper zuriickzuinhren, be¬
gegnet grossen Schwierigkeiten, man kann höchstens sagen, dass
diese Antikörper vorhanden sind, weil Ueberempfindliclikeit besteht,
nicht aber dass die Ueberempfindliclikeit durch die Antikörper ver¬
anlasst ist. Die Erklärung der Tuberkulinw irkuug ist zurzeit noch
nicht angängig, weder im Sinne Wassermanns noch Wollt-
E i s n e r s.
E. Wiener: Entgegnung auf Dr. A. Neumanns Mitteilung
über die Ultrateilchen des Blutplasmas.
W. bestreitet auf Grund neuerer Versuche die von Neumann
angenommene Bettnatur der Hämokonien; bei der Extraktion mit
Aether bleibt immer ein mehr oder weniger grosser Teil derselben
ungelöst. Auch den Zusammenhang der Zahl der Hämokonien mit
dem Fettgehalt der Nahrung hat W. nicht bestätigt gefunden.
B e r g e a t - Manchen.
Englische Literatur.
A. Reyn und R. Kjer-Petcrsen: Beobachtungen über die
Opsonine bei Lupus vulgaris. (Lancet, 2s. März und 4. April l‘ms.)
Die Arbeit stammt aus dem Binseiiiiistitut in Kopenhagen. Die
Verf. suchten durch ihre Versuche iestzustelleu. oh es (wie W right
behauptet) möglich sei, durch Tuberkulintherapie mit steter Kontrolle
des opsonischen Index bei Lupöscn eine deutliche Hcilw irkung zu
erzielen. Die Verfasser stellen zuerst fest, dass es bisher noch un¬
bewiesen ist, ob die Phagozytose in jedem l'alle schädlich für
die „gefressenen" Bakterien ist; ferner stellt nicht fest, dass phago¬
zytische Versuche in vitro durchaus der Phagozytose im lebenden
Organismus entsprechen. Die Versuche erstreckten sich über (> Mo¬
nate; die Zählungen wurden so vorgenommen, dass der l’iitersucher
nicht wusste, ob er bei gesunden oder kranken Personen zählte; dies
ist wichtig, um den grossen Einfluss der Autosuggestion aus/uschalten.
Berner gingen die Verfasser genauer w ie W r i g li t vor. indem sie
als Normalserum stets das Serum von b gesunden Personen nahmen,
in jedem KM) Leukozyten zählten und die bei den OKI gezahlten Bak¬
terien durch 6 dividierten. Sic untersuchten den tuherkiiloopsoni-
schen Index bei dH gesunden Personen (>7d mal und sie verglichen
die von ihnen gefundenen Zahlen mit den von Bull och bei <ie-
sunden gefundenen. Da nun Bull och und andere Ontersucher bei
ihren Beobachtungen den Durchschnitt und die grösste Differenz als
Massstab für die Oenauigkeit benutzt haben, das „(leset/ des Irrtums"
aber in keiner Weise berücksichtigt haben, so stimmen die Zahlen der
beiden Verfasser, die nach dem (lesetze des Irrtums arbeiteten, nicht
mit denen der englischen Beobachter überein. Ein Vergleich der hei
Gesunden und bei 4<>H Opsoninbestimrmmgen bei Luposen gefundenen
Zahlen ergibt, dass die Verfasser keinen nennenswerten Unterschied
im opsonischen Index gesunder und lupöser Personen finden konnten.
Dies stösst natürlich die ganze W r i g h t sehe Opsonmlehre über
den Haufen, deren Hauptpunkt doch der ist, dass das Serum tuber¬
kulöser Kranker eine spezifische Wirkung hat, die bei lokalisierter
Tuberkulose den opsonischen Index erniedrigt. Die Verfasser halten
es für durchaus unbewiesen, dass eine solche Spezifität des Serums
besteht. Was nun die negative Phase anlangt, so lasst sich darüber
nicht, wie W right das behauptet, eine feste Regel umstellen, son¬
dern manchmal sind nach den Einspritzungen die Indizes hoher als
zuvor, manchmal tritt aber auch eine Erniedrigung, also eine negative
Phase ein; jedenfalls ist dieses Verhalten im Ein/elfalle so unbe¬
stimmt, dass sich darauf keinerlei Fingerzeige für die Behandlung
(frühere oder spätere Wiederholung der Ttiberkulininiektion) um¬
stellen lassen. Die Verfasser verlangen bei Vornahme dieser Unter¬
suchungen die Beobachtung folgender Regeln: 1. der Zahler darf
nicht wissen, wessen Leukozyten er zählt; 2. in allen Fällen ist die¬
selbe Anzahl von Leukozyten zu zählen; T man muss zur Bestimmung
des Index als Normalserum stets das gemischte Serum von f» ge¬
sunden Personen benutzen, von dem mindestens (>«hi Letiknzx teil
gezählt wurden; 4. die Indizes sind bis zu 2 Dezimalstellen zu be¬
rechnen; 5. man darf nur dann Schlüsse auf das Steigen oder Lallen
des Index ziehen, wenn vor der Impfung der Index täglich lnr 1 bis
2 Wochen bestimmt wurde; 6. alle Schlüsse dürfen nur aus einem
grossen Material und mit Berücksichtigung des Gesetzes des Irrtums
gezogen werden; 7. von jedem Baktcrientypus ist eine genaue opsoni¬
sche Immunitätskurve als Beispiel auizustellcn. Bisher fiat jeder
Forscher mehr oder weniger nach verschiedenen Grundsätzen ge¬
arbeitet und die gefundenen Werte eignen sich absolut nicht zum
Vergleiche. Soweit die Verfasser aber aus ihren eigenen Unter¬
suchungen urteilen können, kann man dem Arzte bisher nicht emp¬
fehlen. die umständliche und kostspielige ()psomnhestimimmg bei
ihren Kranken vornehmen zu lassen. W right und seine Schiller
bestimmen die Opsonine auch nicht täglich bei jedem Kranken und
''.eben dadurch stillschweigend zu, dass man mit Tuberkulin he-
"Lin kann ohne Kontrolle des opsonischen Index. Der zweite
'•■r Arbeit ist klinischer Natur und gibt genau die Erfolge, die
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die Verfasser mit der Tuberkulmbeh.indlung bei 1 uposeii mit lind
ohne gleichzeitige Anwendung des I insenhclitts hatun. chroni¬
schen Kranken, die längere Zeit mit I uberkuim «genau muh
W rights Vorschriften! ohne Lichtbehandlung behandelt wurden,
blich der Lupus hei einem statu mar. bei den 5 anderen nahm er
wahrend der Behandlung rasch an Ausdehnung zu; bei 2 weiteren
frischen lallen wurde dasselbe schlechte Resii'tat erzielt; Besse¬
rung oder gar Heilung winde m keinem l abe gesellen. In 2 \*‘ii den
d frischen lallen Schien der Lupus wahrend der Be handlang u"ge-
Wohnlich rasch um sicfi zu grellen. Bei 4 Kranken wurde die Lickt-
hestrahlung mit der Tuber k iiimb«. handlang kombiniert und aruh in
diesen I allen liess sich ein günstiger Lrbdg der 1 »her kuhubehaudluug
nicht nachweisc-n. «Die Arbeit macht durchaus den 1 rruluick einer
sehr sorgfältigen. kritischen Mudie und sollte \ <>n a.len. die suh ti.r
Opsonine interessieren, um Original studiert werden. Rei >
L. No on und A. Heining: I)lc (ienauigkeit der opsonischen
Bestimmungen, «l ancet. 2T April I* s )
Die Verfasser versuchen m dieser Arbeit die Arbeit \on Rex n
und K i e r - P e t e r s e n zu widerlegen. >ie haben ge tim de n. dass
ehe opsonischen Indizes tuberkulöser Patienten d 4 mal So stark
variier eit als die von Noimalsereti. Die Arbeit muss im Original
gelesen werden.
W. Hunter: Die Entstehung und Verhütung der Spätxergif*
tungen durch Chloroform. «Lancet. 4. April l'A'V>
Verfasser glaubt, dass akute gelle Leberatropjue und die unter
ähnlichen M mptnmeff aultretemb n >pat\e: gittimge rr durch Chloro¬
form auf Storungen der Lebflunktiou durch. Nnaiivn d.s ictt-
metabohsmns beruhen. Das libredieii muh der Nark se ist iiuht
nervösen Ursprungs, sondern ist t ■x.imisc her Natur; die l.ebe?-
funktion ist gestört und kann daher keine antitoxisbhe Wirkung mehr
atj-sriben. Besonders tritt das ein. w t nn eine sjn.n \orher durch
Kianklieit oder mangelhafte Irn.ihrutig geschwächte I dar bsh
weiter dadurdi geschwächt wird, dass man dem Kumten t'.r siebe
Stunden \or der Nai kose ai!e Nahrung entzieht. Manche lat- \n
spater Chloroformx ergiftung sind \\ohi hierauf zm-u k/uf-.hfen und es
empfiehlt sich ileshaib. 2 4 Stur:den \or ehr Narkose- ilen Kranken
ein leicht verdauliches. \ iel Kohlehx drate enthaltendes Mahl zu ge'-en
Times Miller: Der tubcrkulo*opsonische Index des Scbmcisscs
und Lrines. (Ibidem.)
Yeti. hat bei Gesunden und bei Tuberkulosen \ ersuche ance-
stellt, um eien tuberkulo-opsomschtn Index de s l ans und eie s
Schw eisses zu bestimmen. Ir hat elabei gtlundeu. d.iss bc.de I x-
krete antibakterielle oder baktenotropisc he Substanzen enthalten.
Der Urin tuberkulöser Kranker zeigt im « iegeus.it/ zum l nn ge¬
sunder Personen einen niedrigeren opsonischen Index a : s das B ut
derselben Person; ferner ist der opsonische Index des l rms tuber¬
kulöser Personen meist niedriger als der des Urins gesunder I Vf*
soin-n.
C. Higgens: Die sogenannte rheumatische Iritis, «lancet.
25. April l'M'V!
Verfasser glaubt, elass eine grosse Anzahl der I a'le \ ■ n s. geil,
rheumatischer Iritis auf «iomxf rh< c zur ik k/ui ih r eti sind. Must lug!
die gonorrhoische Infektion längere Zut zur -u k. durchaus r.uht immer
war dieselbe mit g< uior r h< us v lu m Rheumat-smus kompliziert gewesen.
Es handelt sich um schwere Iritis, die Pupide zeigt gowe Neigung
zur Kontraktur. MxJnatika wirken nur wenig um! werden < rt n.dit
vertragen. Meist kommt es rusdi zu Adhasiom n. I Be Krankheit findet
sich fast nur bei Männern. Die Behandlung ist sehr Schwierig
Heisse Umschläge mul Blutegel wirken muh arn hestiu K'-kain uml
ihm ähnliche >ubstanzen. sowie Adrenam sind kontr.iindi oed
Aspirin wirkt schmerzlindernd. Unecksi'Kr. 7. B. eine Bihar.dltmg
in Aachen, ist oft von grosse rn Nutzen. Mx.bia'iku d.-irteu nur mit
grösster Vorsicht angewandt werden, da sie <-lt reizen und den
Druck erhöhen.
Br. .1. Smith: Der Inffticn/aha/illus al« Ursache tödlicher Endo*
karditis nach H Jahren. (Ibidem.)
Genaue Beschreibung einer interessante n Krallte r/esd:ic!:!e. ihr
Patient starb an einer Schweren, elurdi den I? ’l.u nz.iKi/i, Ins lu rxor-
genifeiien Lrulokarditis. \erf. glaubt. i'.iss dieser Bazillus ebenso
wie der T\phusba/ilhis \ ude Jahre hing rm Körper latent LV’ben
kann und dass er /. B. in diexim La e e'st s Ld 'e li.uti uber-
standeiier Influenza ehe Endokarditis her vorru i.
L. H. lag ge: Zur Pathologie und Therapie der Hernien des
Kindesalters. «Lancet. 2. Mai l'*»s.)
Verf. empfiehlt warm die rative Be hau !'>mg. da die Baiul-
heliniullung m eien ärmeren Lammen nicht dum hge fuhrt werden kann
und auch keine wirklichem Hei.ungeif gilt. L' n:ad:t die eiifbidie
Abtragung eles Briidisackes ohne Ba'-Mfu i ir-d fiat damit <de ts gute
I »allerer'folge erzielt.
R. I . W i 1 I i a m s o rt: Der Beginn der multiplen Sklerose mit
Sehstörungcn. (Ibidem.)
! s ist unter den praktischen Aer/ten wenig bekannt, dass mul¬
tiple Sklerose mit Sehstorrmgen «mit oder ohne ( V:;humlr• d n > als
erstem S\mptorn be ginnen kamt. VtM.nvir Kschrm't dt ’adrge
lalle. Meist han»le : t es suh um eir'seif-gt; oder d 1 -P'U ‘se-z-ge >di-
storuugeti mit zentralem >kohm in i- .iubn I n: h r” g ist die
temporale Hälfte eler Ihipi .e au”a 'eud b'ass M*. -s; f : m.o- ■ n
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1603
Babinsky sehen Plantarreflex; die Handschrift ist zitterig, selbst
wenn gröberes Zittern fehlt; die Kranken sind stets unter 40 Jahren
alt. In manchen Füllen bessert sich nach einiger Zeit das Seh¬
vermögen wieder beträchtlich; in anderen Fällen bleibt die Seh¬
schärfe wenigstens sehr lange stationär.
J. Porter'Parkinson: Die Verabreichung antitoxischer Seren
vom Rektum aus. (Ibidem.)
Seit 6 Jahren hat Verf. diese Methode geübt. Es ist unnötig, ein
Reinigungsklystier zu geben. Das Serum wird durch einen Jacques¬
katheter No. 6 mit einer Qlasspritze eingespritzt. Die Erfolge sind
ebenso gut, wie bei der subkutanen Einverleibung; dabei fehlen alle
Nebenerscheinungen.
Dawson Turner: Elektrolyse bei Tic douloureux und Spinal¬
sklerose. (Ibid.)
Verf. empfiehlt bei Tic douloureux das Salizyl oder Chininion
durch den konstanten Strom unter die Haut zu bringen und er be¬
schreibt Fälle, bei denen schwere Tics geheilt wurden. Bei sog.
spastischer Spinalparalyse verwendet er das Chloridion und be¬
hauptet, damit sowie mit dem Jodion sehr gute Erfolge erzielt zu
haben.
Lord Lister: Die Behandlung veralteter Patellarbrüche. (Brit.
Med. Journ., 11. April 1908.)
Der Altmeister der Chirurgie beschreibt eine Methode der Naht
veralteter Kniescheibenbrüche, bei denen es nicht gelingt, die Frag¬
mente sofort so zusammen zu bringen, dass sich ihre Flächen berühren.
Bei der ersten Operation legt er die Fragmente bloss, drillt zwei
Löcher durch jedes derselben und legt zwei starke Nähte hindurch.
Es gelingt dann, die Fragmente etwas einander zu nähern, die Drähte
üben während der nächsten Wochen, in denen der Patient sein Bein
bewegen und herumgehen kann, einen dauernden Zug auf den ver¬
kürzten Quadrizeps aus, so dass bei einer zweiten Operation die
direkte Vereinigung der angefrischten Fragmente ohne Mühe erfolgt.
R. Hutchinson: Die rationelle Behandlung der funktionellen
Dyspepsie. (Ibid.)
Bei übermässiger Sekretion gibt man eine Diät, in der Milch,
Eier, Fisch und Fleisch die Hauptrolle spielen, während die stärke¬
haltigen Nahrungsmittel stark eingeschränkt werden. Ausserdem
gebe man Bromsalze und Natr. bicarbonicum, letzteres 2 Stunden j
nach der Mahlzeit. Bei Sekretionsmangel kann man alles essen
lassen, nur muss es in leicht verdaulicher Form gereicht werden.
Als Medikament gebe man die Bittermittel mit kleinen Mengen
Natr. bicarb. vor dem Essen; nach dem Essen gebe man grosse Dosen
von Salzsäure, Pepsin ist wertlos. Bei Pylorospasmus gebe man
Milch und Stärke, vor dem Essen Opium; heisse Umschläge auf den
Magen sind von grossem Nutzen. Bei Hyperästhesie ist vor allem
Wismut von Nutzen, daneben aber auch Bromsalze und die lokale
Anwendung der Wärme.
Chalmers Watson: Der klinische Wert der Pankreasreaktion
bei 250 Fällen. (Ibid.)
Verf. kann die von Mayo Robson und Cammidge gemach¬
ten Beobachtungen nur bestätigen; auch er hat gefunden, dass eine
deutliche Beziehung besteht zwischen der pankreatischen Reaktion
ira Urin und Pankreaserkrankungen. Nur fand Verf. häufiger wie
Cammidge ein positives Resultat in verschiedenen Kontrollfällen.
Verf. fand die pankreatische Reaktion 1. in Fällen von akuten und
chronischen Pankreasentzündungen (meist in Verbindung mit Gallen-
wegsaffektionen); 2. in gewissen Fällen von ausgesprochener Arterio¬
sklerose. bei denen meist Sklerosen verschiedener Drüsen vorhanden
waren: 3. bei Schwellungen und Katarrhen der Drüsengänge und der
Drüsensubstanz (bei schweren Herzleiden, Appendizitis, Malaria etc.).
Verf. glaubt, dass die Reaktion entschieden berufen ist, eine grosse
Rolle in der Diagnostik der Pankreaserkrankungen zu spielen.
E. C. Hort: Der therapeutische Wert der Normalseren. (Ibid.)
Verf. glaubt bewiesen zu haben, dass die Ulzeration und Ge¬
webszerstörung, die bei vielen Krankheiten vorhanden ist, darauf be¬
ruht. dass dem Serum des Kranken die Stoffe fehlen, die normaler¬
weise die Autolvse und Selbstverdauung der Gewebe hindern. Es
gelingt nun. diese Zerstörungsprozesse aufzuheben, wenn man dem
kranken lokal und intern ein Normalserum beibringt, das reich an
solchen Antikörpern ist. Verf. behandelte mit lokalen Serumappli¬
kationen variköse Beingeschwiire und es gelang auch in ganz ver¬
alteten. vernachlässigten Fällen durch Serumumschläge in wenigen
Wochen Heilung zu erzielen; ebenso wurden durch Umschläge rasch
geheilt ekzematöse Fissuren, Analfissuren und Dekubitalgeschwüre.
Bei zerfallenen Krebsknoten war keine deutliche Wirkung zu sehen.
Durch Serumverabreichung vom Munde aus wurden Fälle von Ulcus
ventriculi et duodeni, Fälle von tuberkulöser Hämoptoe und Fälle
von tuberkulösem Ekzem behandelt und zwar meist mit raschem Er¬
folge. Bei pustulösem Ekzem und bei Pyorrhoea alveolaris wurde
gleichzeitig Staphylokokkenvakzine per os gegeben. Verf. glaubt,
dass man Tuberkulin und andere Vakzine ebenso gut per os wie
subkutan geben kann.
Sir James Barr: Ueber Bronchitis und Emphysem. (Brit. Med.
Journal, 18. April 1908.)
Es ist zu bedauern, dass dieser Autor es für geschmackvoll
Mit. seine Arbeiten mit allerlei übertriebenen Redensarten zu ver¬
unzieren. So will er den Erfinder des Bronchitiskessels gehängt
sehen, jeder Arzt, der ihn anwendet, soll 10 Jahre Zuchthaus er¬
halten. Als eingefleischter Engländer hält er natürlich alles, was
englisch ist für weitaus „superior“ und stellt dementsprechend die
törichte Behauptung auf, dass Schweizerreisen im Winter zwar die
Neigung zu Bronchitis herabsetzen, dass aber die Heimreise in den
„schmutzigen, überhitzten und schlecht ventilierten kontinentalen
Eisenbahnen“ äusserst gefährlich sei und Anlass zu neuen Erkältungen
gebe. Wer viel in Mitteleuropa und in England gereist ist, wird nicht
zweifeln, dass der Schmutz in England eher grösser ist, als auf dem
Kontinent, und die Ventilation ist eigentlich in allen Eisenbahnwagen
schlecht. Verf. glaubt, dass Bronchitis, Asthma und Emphysem in
vielen Fällen auf Autointoxikation vom Magendarmkanal (Magen¬
erweiterung) aus beruht und dass die Prophylaxe deshalb stets den
Magendarmkanal zu berücksichtigen hat. Alle Kranke, die Neigung
zu Bronchitis haben, sollten dem Alkohol völlig entsagen. Er legt
ferner Gewicht auf die Untersuchung des Blutes auf seinen Kalkgehalt.
Bei reichlicher Expektoration wird man gewöhnlich Verminderung der
Kalksalze finden, man gebe dann Milch und Gelatine. Bei zähem
Auswurf und Rhonchis sonoris findet man meist starke Vermehrung
der Kalksalze und muss Milch und Gelatine vermeiden. Der Stuhl
muss mit Kalomel und Natriumsulfat geregelt werden. Bei Bronchial¬
spasmus und zähem Auswurf gebe man Natr. und Kalium citricum,
um das Blut kalkärmer zu machen; im entgegengesetzten Falle Cal¬
cium lacticum. Bei Bronchialspasmus sind die Nitrite und die Jod¬
salze am Platz. Bei Emphysem ist es vor allem wichtig, den Kranken
so mässig als möglich zu ernähren, vor allem sind die Fette und
Kohlehydrate zu beschränken. Salz ist zu vermeiden. Heisses
Wasser, Früchte und grüne Gemüse sind empfehlenswert.
Archibald Cuff: Ueber primäre Pneumokokkenperitonitis.
(Ibid.)
Akute lokalisierte oder diffuse Peritonitis kann das einzige
Zeichen einer Pneumokokkeninfektion sein: derartige Fälle sind nicht
allzuselten und sie bilden sicherlich einen grossen Prozentsatz der
Fälle von Peritonitis, bei denen bei der Operation oder Sektion keine
Verletzung oder Erkrankung eines Abdominalviskus gefunden wird.
Differentialdiagnostisch ist zu beachten der rasche Beginn ohne vor¬
hergegangene Abdominalbeschwerden: die begleitende Diarrhöe und
die frühzeitig einsetzende Toxämie. Sekundär können andere Organe
an Pneumokokkeninfektion erkranken. Die Prognose ist sehr
schlecht.
Martin Plack: Rektaltemperaturen nach Muskelanstrengungen.
(Ibid.)
Verf. stellte an den Studenten des London Hospital nach sport¬
lichen Kraftanstrengungen (Fussball und Wettlauf) Messungen an, die
ergaben, dass die Temperatur stets erhöht ist. In einem Falle (nach
einem Wettlauf von 3 engl. Meilen) betrug die Rektaltemperatur
105° F. Nach 24 Stunden betrug die Temperatur dieses Athleten
100° F. Eine genaue (auch bakteriologische) Untersuchung ergab
keinerlei Krankheitszeichen; auch ist der Mann später völlig gesund
geblieben.
T. Harrison Butler: Die C a 1 m e 11 e sehe Ophthalmoreaktion.
(Ibid.)
Verf., ein Augenarzt, benutzt die Reaktion in allen zweifelhaften
Fällen. Er betrachtet sie aber nur als diagnostisches Hilfsmittel, nicht
als sicheren Führer. Er hält sie für unsicherer als die Tuberkulin¬
injektion und stellt sie auf eine Stufe mit der W i d a 1 sehen Typhus¬
reaktion.
(Schluss folgt.)
Spanische Literatur.
Gömez O c a n a: Beitrag zum Studium der Funktion der Lo-
buli optici bei den Fischen. (R. Acad. de Medic. de Madrid. 9. Mai
1908. Rev. de Med. y Cir. Präct., 21. Juni 1908.)
Dass die Lobuli optici der Fische nicht nur Beziehungen zu den
Gesichtseindrücken haben, sondern dass sie auch die Koordination
der Bewegungen und das Körpergleichgewicht beeinflussen, steht
schon lange fest. O c a n a verfügt über einen Tierversuch, der dies be¬
sonders klar zeigt. Er brachte einem Fisch (Ciprinus aureatus) eine
leichte Verletzung auf der oberen Fläche des linken Lobulus opticus
bei; bei der 8 Tage später vorgenommenen Autopsie fand sich dort
ein kleiner hämorrhagischer Herd, der nicht stark komprimierend
wirken konnte, da die Schädelhöhle offen blieb; Kleinhirn und rechter
Lobulus waren vollkommen intakt. Das Tier zeigte die 8 Tage hin¬
durch stets die gleichen Svmptome: Dilatation der Pupille. Vortrei¬
bung des rechten Auges, Zwangsbewegungen. Neigung des Körpers
nach rechts und Tendenz, nach dieser Seite zu fallen: dabei keine
motorische oder sensible Störung. Die Pupillenerweiterung dürfte
bei der kleinen Verletzung nicht auf Blindheit zu beziehen, sondern
als Reflexwirkung aufzufassen sein und so die Ansicht von Cajal.
van Gehuchte n, Pawlow über die Kreuzung der absteigenden
Optikusbahn bestätigen. Ebenso ist die Vortreibung der Augen auf¬
zufassen. Die Zwangsbewegungen etc. wären vielleicht durch Blind¬
heit zu erklären; aber dem entspricht nicht, dass sie stets nach der
entgegengesetzten Seite erfolgen; sie können auch nicht durch eine
Verletzung des linken Pcdur.culus cerebri erklärt werden, weil diese
stets eire motorische Lähmung im Gefolge hat. O c a fi a erklärt die
Zwangsbewegungen und die Neigung des Körpers als Koordinations-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1604
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
Störung, indem die gesetze Verletzung eine dauernde Störung in
den Beziehungen zwischen optischer und Labyrinthbahn bewirkt
hat. Die Lobuli optici würden damit bei den Fischen die Funk¬
tion ausüben, welchen bei den Säugetieren die Corpora auadri-
gemina vorstehen, indem sie die optischen und „labyrinthischen“
Wege mit den motorischen Kernen des Auges, Kopfes und Rumpfes
verbinden.
N. Serra flach und M. Pares: Neue Ergebnisse der
Physiologie der Prostata und der Hoden. (Qac. med. Catalana.
30. April 1908.)
Exstirpiert man einem Hund die Prostata, so kommt es zu einer
Sistierung der Sekretion aller Sexualdrüsen und zu einer Atrophie
der Hoden. Verfüttert man gleich nach der Exstirpation Glyzerin¬
extrakt von Prostata, so bleiben all diese Erscheinungen aus. Es ist
daraus zu schliessen, dass die Prostata eine Drüse mit innerer Se¬
kretion ist, deren Wirkung hauptsächlich auf die Spermatogenese
geht; dies geht auch daraus hervor, dass, wenn man die Vasa defe-
rentia eines normalen Hundes an der Epididymis abschneidet und da¬
rauf intravenös 15 ccm Glyzerinextrakt von Prostata injiziert, nach
4—5 Minuten an der Schnittfläche Hodensekret erscheint, was nicht
der Fall ist. wenn keine Injektion erfolgt; dieses Phänomen kann man
sogar noch ein halbes Jahr nach der Durchschneidung herbeiführen.
Die nach der Exstirpation der Prostata auftretende Aspermie ist je¬
doch nicht dauernd, vielmehr tritt nach kürzerer oder längerer Zeit
wieder die normale Sekretion auf, offenbar deshalb, weil es unmög¬
lich ist, die Prostata völlig auszurotten, und weil von den Resten
aus die Drüse (innerhalb 7—12 Monaten) sich regeneriert. Das
Prostataextrakt des Hundes wirkt auch auf Hoden und Samenbläschen
der Menschen im Sinne einer rascheren Ejakulation. — Die Injektion
von 15 ccm Hodenextrakt des Hundes (intravenös) bewirkt eine Ver¬
mehrung der Kaoazität der Blase und der Kontraktilität des Blasen¬
halses und der Urethra membranosa; auch beim Manne erzielt man
damit Besserung, ja Heilung der Blaseninkontinenz, bei der Frau
niemals. Hodenextrakt vom Stier wirkt beim Hunde nicht, wohl aber
solcher vom Hahn. Hodenextrakt vom Hund bewirkt beim Menschen
Hypersekretion der Prostata sowie der C o o p e r sehen und L i 11 r e-
schen Drüsen.
M. G. de Segovia: Eine Trichinosenepidemle. (El Siglo
Medico, 4. April 1908.)
Segovia beschreibt eine Trichinosenepidemie, die in mehr¬
facher Hinsicht Interesse bietet. Es erkrankten im ganzen 16 Per¬
sonen: 9 leicht, 7 schwer. Die ersteren hatten das Schweinefleisch
gekocht gegessen; das Fieber blieb bei ihnen unter 38°. die übrigen
Symptome (Gastroenteritis, Oedeme, schmerzhafte Kontrakturen.
Herzerscheinungen) waren wenig ausgesprochen, und die Genesung
erfolgte nach 10—17 Tagen. Die 7 schwer Erkrankten hatten frisch¬
bereitete rohe Wurst gegessen; sie erkrankten nach 48 Stunden mit
Magendarmerscheinungen, die jedoch erst am 5.-7. Tage so heftig
wurden, dass ärztliche Hilfe nötig wurde. Es entwickelte sich das
Bild einer schweren toxischen Gastroenteritis mit unregelmässigem
Fieber von 38—41 °, mit Oedemen. Kontrakturen, Dyspnoe. Nachdem
etwa alle 8 Tage lang das gleiche Bild geboten hatten, ging bei 4 unter
allmählichem Absinken aller Symptome die Krankheit in langsame
Genesung über (binnen 8—12 Wochen), während die drei übrigen
unter Steigerung der Krankheitserscheinungen am 21. bezw. 28. und
30. Tage zu Grunde gingen. Bemerkenswert ist, dass die 3 Ge¬
storbenen teils schwere Krankheiten hinter sich hatten, teils schwäch¬
lich waren, während die 4 geheilten robuste Menschen waren; be¬
merkenswert auch, dass die 3 gestorbenen die einzigen waren, die
nicht beim Beginn der Behandlung eine Kosoinfusion und dann Rizi¬
nusöl erhalten hatten. Als nicht gewöhnliche Symptome hat Verf.
bei allen 16 Kranken eine auffallend aschgraue Farbe der Fäzes, sowie
intensives Hautjucken beobachtet.
R. Horno A 1 c o r t a: Günstige Beeinflussung eines hartnäcki-
schen Falles von Hämoptyse durch AmyJnitrltlnhalation. (Clinica y
Laboratorio. Ref.: Rev. de Med. y Cir. Präct.. 7. Mai 1908.)
Kasuistische Mitteilung, durch die Ueberschrift genügend ge¬
kennzeichnet.
J. Megias: Ueber Ophthalmoreaktion. (El Siglo Medico,
13. u. 20. Juni 1908.)
Die Arbeit baut ihre Schlüsse auf einem Material von 120 Fällen
auf. Verf. hält die Reaktion für ein ausgezeichnetes diagnostisches
Hilfsmittel, das geeignet ist. zweifelhafte Fälle zu entscheiden. Ein
unangenehmer Zufall. Verschlimmerung eines Fleckens auf der Horn¬
haut. trat nur einmal auf: die Reaktion verschwand hier nach 2 bis
3 Wochen. Die gewöhnliche Reaktion dauerte 2—7, meist nur 3 Tage.
Auch die Fälle Megias’ zeigen aber, dass die Reaktion nicht un¬
bedingt zuverlässig ist. und dass man gelegentlich ein positives Re¬
sultat auch in Fällen erhält, wo eine Tuberkulose auf keine sonstige
Weise nachzuweisen ist.
M. Var gas und R. Moragas: Die Oohthalmoreaktlon bei
Kindern. (La Medicina de los Ninos, April 1908.)
Bericht über 7 Fälle, 6 von sicherer Tuberkulose mit aus¬
gesprochener Reaktion; bei dem 7. bestand Verdacht auf Tuber¬
kulose bei einem Pulmonalklappenfehler, und hier war die Reaktion
negativ. Das Abklingen der Reaktion fanden die Verfasser als lang¬
samer erfolgend als gewöhnlich angegeben wird (3—8 Tage).
M. Var gas: Die Barlowsche Krankheit. (La Medicina de
los ninos No. 1, 2, 4, 5, 1908.)
Zusammenfassende Darstellung im Anschluss an die Vorstellung
eines Falles, hauptsächlich der zahlreichen Literaturangaben wegen
hier erwähnt.
M. Var gas: Akute Quecksilbervergiftung bei einem Brust¬
kind Infolge einer Quecksilberkur der Mutter. (La Medicina de los
Ninos, April 1908.)
In dem seltenen Fall handelte es sich um ein 8 monatliches Kind,
dessen Mutter wegen luetischer Iritis mit Injektionen von Oleum
cinereum behandelt wurde. Das Kind erbrach, weinte beständig,
hatte Tenesmen und schleimig-blutige Durchfälle, und war rapid ab¬
gemagert. Nach dem Abstillen trat rasch Besserung und Heilung
ein. In der Milch der Mutter liess sich das Quecksilber nachweisen.
N. R. Abaytua: Das Versagen der Gastroenterostomie als
Radikalheilmittel der Pylorusstenose bei Magensaftfluss. (Rev. de
Med. y Cir. Präct., 28. April und 7. Mai 1908.)
In einem lesenswerten Aufsatz weist Verf. an der Hand der
Literatur nach, dass die Gastroenterostomie bei den spastischen
Pylorusstenosen der Patienten mit Magensaftfluss durchaus nicht
immer Dauerheilung bringt, so dass Vorsicht in der Voraussage,
auch bei glattem Verlauf der Operation selbst, stets am Platze ist.
Y a g ii e: Rückfall eines Magengeschwürs nach Gastroentero¬
stomie. (Acad. Med.-Quirurg. Espafiola, 9. März 1908, Rev. de Med.
y Cir. Präct.. 21. Juni 1908.)
Y a g ü e berichtet über einen Fall, in dem einige Jahre nach der
Gastroenterostomie von neuem ein typisches Ulcus sich zeigte. In
der Diskussion, in der von Arredondo ein ähnlicher Fall berichtet
wurde, war man — auch auf chirurgischer Seite — einstimmig der
Ansicht, dass ein nicht durch Pylorusstenose kompliziertes Geschwür
unter keinen Umständen eine Gastroenterostomie erfordert.
P. Vilanova: Röntgenbehandlung des Krebses. (Rev. de
Cienc. Med. de Barcelona, No. 3. 1908.)
Vilanova berichtet über 6 Fälle von Gesichtsepitheliom, die
mit Röntgenstrahlen behandelt wurden. Die zur Abheilung nötige
Strahlenmenge betrug 14—36 H. Die Heilung war in 5 Fällen definitiv,
in 1 kam nach wenigen Monaten ein Rezidiv.
J. Perez Ortiz: Behandlung der tuberkulösen Halsdrüsen.
(Rev. de Med. y Cir. Präct.. 7. April 1908.)
Ortiz vergleicht die verschiedenen, für die Behandlung der
tuberkulösen Halsdrüsenaffektionen vorgeschlagenen Methoden 'an
dem umfangreichen Material von 358 Fällen. Lediglich tonisierend.
unter Zuhilfenahme von Kakodvlinjektionen. wurden 12 Kranke be¬
handelt, ohne Erfolg. Mit Injektionen von Jodoformäther in die
erkrankten Drüsen (54 Fälle) wurde keine Heilung. 6 Besserungen.
48mal kein Erfolg erzielt; durch Injektion von Naphtholkampher
(64 Fälle) 15 Heilungen, 9 Besserungen, 40 mal kein Erfolg; man
braucht in günstigen Fällen dazu 3—4 Injektionen, die aber 10 bis
15 Tage auseinander liegen sollen. 1 proz. Chlorzink (2—6 Tropfen
in Zwischenräumen von 8 Tagen) wurde in 27 Fällen injiziert: 2 Hei¬
lungen, keine Besserung, 25 erfolglose Fälle. Diesen Methoden gegen¬
über schneiden die rein chirurgischen glänzend ab, indem sie alle
100 Proz. Heilung erzielten: Die Inzision mit Eiterentleerung in 37,
die Auskratzung in 72, und die Exstirpation in J?2 Fällen.
J. Ribera y Sans: Die Blldungsanomalien des Anus und Rek¬
tums und Ihre Behandlung. (Rev. de Med. y Präct., 14.. 21.. 28. Mai
1908.)
Verf. teilt diese Bildungsanomalien in 4 Abteilungen:
1. Fälle, in denen sich der Defekt über das Rektum hinaus
auf einen mehr oder minder grossen Teil des Kolons erstreckt: hier
bleibt nichts übrig als die Anlegung eines rechtsseitigen künstlichen
Afters. Verf. sah 2 Fälle, von denen einer kurz nach der Operation
an Entkräftung starb, der andere aber Monate hindurch am Leben
blieb (wurde dann der Beobachtung entzogen).
2. Fälle, wo ein Rektum vorhanden ist. aber geschlossen endet,
sei es, dass dabei ein analer Blindschlauch existiert oder nicht. Hier
kommen therapeutisch die Bildung eines natürlichen Anus und die Bil¬
dung eines Anus praeternaturalis am Orte der Wahl in Frage. Letzteres
wird wohl häufiger gemacht, zumal die Technik relativ einfach ist.
bietet aber so viele sofortige und spätere Gefahren, dass, wo die
Zeit nicht zu sehr drängt, die andere Operation versucht werden sollte.
Von 7 Fällen hat Verf. 2 mit Anlegung des künstlichen Afters be¬
handelt (1 am 4. Lebenstage, t 4 Tage später, 1 am 5. Lebenstage,
Schicksal unbekannt), 5 mit Anlegung eines natürlichen Afters (1 am
10 Tage, t 10 Tage später, 4 am 2.-4. Tage, alle geheilt).
3. Fälle, wo das Rektum nicht blind endet, sondern in den Genital-
traktus. bezw. bei Knaben in Blase oder Urethra mündet. Letztere
Fälle sind sehr selten und prognostisch die ungünstigsten, da der
Stuhlabfluss doch sehr erschwert ist. Verf. sah einen Fall, in dem
das Rektum in die Blase mündete: das Kind, bei dem am 8. Tage
ein natürlicher After angelegt wurde, starb. Dagegen sah Verf.
7 Mädchen, bei denen das Rektum in die Vagina (3) oder Vulva (4)
mündete; alle winden geheilt, trotzdem .lie Operation erst nach
1—13 Monaten vorgenommen wurde.
4. Fälle mit angeborener Enge des Rektums, von denen Verf.
einen Fall sah und operierte.
Die durch Bilder erläuterten chirurgischen Einzelheiten sind im
Original nachzulesen.
.1. R i b e r a v S a n s: Ueber Hydatidenzvsten. (El Siglo Medico.
16. Mai 1908.)
Sans berichtet über 117 von ihm beobachtete Fälle, 60 Männer.
57 Frauen. Das jüngste Individuum zählte 3. das älteste 79 Jahre.
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28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1605
Der Lokalisation nach betrafen 21 halle äussere Körperstellen,
5 die Brusthöhle (2 Lunge, 3 Pleura), 77 die Leber, 14 die anderen
Bauchorgane (4 Milz, 1 Pankreas, 3 Nieren. 6 Peritoneum). Von den
77 Leberzysten waren 64 intrahepatisch, 13 extrahepatisch (unter
letztem eine total verkalkte). Multipel waren 2 Nieren- und fast alle
Peritonealzysten; von den Leberzysten waren 7 multipel, 1 alveolar,
die übrigen Einzelzysten. Es folgen Bemerkungen über die Dia¬
gnostik und Therapie der Zysten, die hier nicht ausführlich wieder¬
gegeben wenden können. Von den 21 äusseren Zysten wurden 11
inzidiert und drainiert, 10 exstirpiert — ein Todesfall. Bei den
Pleurazysten ist Pleurotomie mit Rippenresektion vorzunehmen:
2 operierte Fälle genasen, ebenso die 2 Fälle von Lungenechinokokkus.
Von den 4 Milzzysten wurde bei 3 die Marsupialisation und bei 1
die partielle Extraktion der Zyste nebst einem kleinen Stück der
Milz vorgenommen; wo man eine totale Splenektomie vermeiden
kann, soll man es tun. Von den 4 Operierten genasen 3. Von den
3 Nierenechinokokken wurden 2 durch Marsupialisation und 1 durch
Nephrektomie geheilt . Die Einzelheiten bez. Behandlung der Leber¬
zysten können hier ebenfalls nicht wiedergegeben werden.
P. Lizcano: Ueber die operative Menopause. (El Sigk)
M6dico. 6. Juni 1908.)
Verf. hat im ganzen 18 Totalexstirnationen des Uterus samt
Adnexen vorgenommen, mit 2 Todesfällen; alle 16 geheilten Fälle
traten damit in die Menopause, aber nur 3 davon hatten Beschwerden
(Kopfschmerz, Hitzegefühl, Schweisse). Die Entfernung der Adnexe
unter Erhaltung des Uterus wurde in 9 Fällen vorgenommen, mit
1 Todesfall). Von den 8 Ueberlebenden behielten 2 ihre Menses, 5
traten ohne und nur 1 Fall mit Beschwerden in die Menopause. Von
24 nach der Operation geheilten hatten also nur 4 = 16.6 Proz.
Menopausebeschwerden.
Font de Boter: Indikationen für die Pinzette bei Intra-
laryngealen Tumoren. (Rev. Barcelon. de enfermddades de oido
etc. Januar—März 1908.)
Während für benigne Tumoren die intralaryngeale Entfernung
gang und gäbe ist, werden zur Entfernung maligner Geschwülste
meist eingreifendere Operationen vorgenommen. In der Tat eignen
sich aber auch solche hie und da für den intralaryngealen Eingriff,
wenn sie nicht sehr blutreich und von sehr schnellem Wachstum
sind; jedenfalls erreicht man mit der intralaryngealen Entfernung ein
sofortiges Schwinden der Dyspnoe, und in manchen Fällen sogar
definitive Heilung. Zum Belege bringt Verf. 2 Fälle, in deren einem
ein beginnendes Epitheliom des Stimmbandes intralaryngeal entfernt
wurde, während in einem zweiten mächtige lupöse Wucherungen
ohne Tracheotomie in befriedigender Weise verkleinert werden
konnten.
J. Llavador: Ueber Wutbekämpfung im Infetltut Alphons XIII.
zu Madrid. (Bol. del Institut de Sueroterapia etc. Ref. von A. de
T o r r e s, El Siglo Möd., 7. Juni 1908.)
Im Jahre 1907 wurden im Seruminstitut Alphons XIII. 466 ge¬
bissene Individuen behandelt, davon 321, die von wutverdächtigen,
und 145 die von sicher wutkranken Tieren gebissen worden waren
(von letztem 136 mal die Diagnose durch Inokulation. 9 mal durch die
Autopsie gesichert). Von den Behandelten ist soweit bekannt wurde,
bei keinem die Krankheit zum Ausbruch gekommen, auch nicht bei
9 Individuen, die erst einen Monat nach dem Biss in Behandlung
kamen. Im ganzen wurden 13048 Injektionen vorgenonrmen. ohne
dass irgend eine Komplikation entstand. Der Biss rührte her in
7 Fällen vom Mensch, in 411 vom Hund, in 32 von der Katze, in 6
vom Esel, in 3 vom Stier, in je 2 von Maultieren und Ziegenbock, in
3 von anderen Tieren.
S t o k v i s - Lüttich: Ueber den gerichtlich-medizinischen
Wert der Barberloschen Krystalle. (Gac. med. del Sur de
Espana. 5. und 20. April 1908.)
Stokvis beschäftigt sich auf Grundlage der Literatur (17
Angaben) und eigener Untersuchungen mit der praktischen Brauch¬
barkeit der von B a r b e r i o (Rend. della R. Acc. delle Scienze di
Napoli 1905, No. 4) angegebenen Methode des Nachweises mensch¬
lichen Spermas. Man erhält die Reaktion mit Spermaflecken, auch
wenn sie mehrere Jahre alt sind, oder wenn sie der Einwirkung der
Hitze oder chemischer Reagentien unterworfen waren. Man erhält
sie beim Menschen kaum mit irgend etwas anderem als mit Sperma:
Verf. konnte sie nur noch mit blennorrhagischem Eiter erzielen. Die
Krystalle sind für menschliches Sperma keineswegs spezifisch, viel¬
mehr gibt auch Sperma von Tieren, spez. von Pferden und Stieren,
die Reaktion. Ganz ähnliche Krystalle geben ferner noch bei der
Reaktion Pflanzensäfte. Alkaloide und verschiedene organische Sub¬
stanzen. Der Stoff, der die Reaktion bewirkt, scheint das Spermin
zu sein. Alles in allem ist der Wert der Reaktion nicht zu über¬
schätzen, und sie bietet als Orientierungsreaktion keine Vorteile vor
der von FI o r e n c e. M. K a u f m a n n - Mannheim.
Inauguraldissertationen.
Universität Kiel. März—Juni 1908.
Bauer Albert; Beitrag zur Multiplizität primärer* Karzinome.
Burk Arnold: Untersuchungen über Bakterien der Koligruppe.
Küsters Wilhelm: Erfahrungen über Stauungshyperämie durch
Saugung bei Mastitis.
Kuhlencordt Friedrich: Zur Kenntnis der Röteln.
Bachmann Felix: Zur Kasuistik der postoperativen Parotitis.
Mühlenhardt Rudolf: Zu.* Kasuistik der spastischen Pylorus¬
stenose im Säuglingsalter.
H e i n e c k e Walther: Untersuchungen über die Ophthalmoreaktion
bei Tuberkulose.
Seedorf Ernst: Ueber Knochenplastik nach Exstirpation eines
Knochensarkoms.
Bergeat Eugen: Ueber Thoraxresektion bei grossen veralteten
Emphysemen. (Aus: Beitr. z. klin. Chir., Bd. 57.)
Struve Heinrich: Zur Kasuistik der Chorea chronica progressiva
(Huntington sehe, degenerative Chorea).
Babbe Paul: Ein Fall von Wandermilz, geheilt durch Splenopexie.
Stoevesandt Karl: Erfahrungen bei der bakteriologischen Unter¬
suchung meningitisverdächtigen Materials. (Aus: Zentralbl. f.
Bakteriol., Abt. 1, Bd. 46.)
Salomo n Carl: Ein Beitrag zur Statistik der Pubiotomie.
Goos Hermann: Ueber die nicht paralytischen Geistesstörungen bei
Tabes dorsalis.
Nordmann Constantin: Ein Fall von Leberruptur.
Valentin Erwin: Die Fälle Von Eklampsie an der K. Frauen¬
klinik zu Kiel vom Jahre 1900—1906.
Meyer Ernst: Ueber einen Fall von Stirnhirnabszess.
Salomon Ernst: Zur Unterscheidung der Streptokokken durch
kohlehydrathaltige Nährböden.
Universität Königsberg. Februar—Juni 1908.
Arnoldt Moritz: Ueber eine Vergiftung mit Kautabaksaft.
Pesch ti es Kurt: Ueber spontane und traumatische Luxationen des
Hüftgelenks im Kindesalter.
Pingel Hans: Ein Symptomkomplex von zwei Formen der Er¬
innerungsfälschungen und von Gedankenlautwerden.
Rehberg Theodor: Darminvagination durch Askariden.
Schubert Paul: Die Folgen von Hydramnios für die fötalen Organe.
Wolff Ewald: Ueber Lungenkomplikationen nach operativen Ein¬
griffen mit einem statistischen Beitrag aus der Kgl. Chirurg.
Klinik zu Königsberg.
Zander Paul: Beitrag zur Behandlung der akuten Herzinsuffizienz
mittels intravenöser Injektion von Strophanthin-Böhringer.
Universität Würzburg. März—Juli 1908.
Allmann Franz: Elastische Atrophie der Aortenklappen und Gc-
hirnarterien.
Clingestein Otto: Zur Symptomatologie der Ponserkrankungen.
Diem Franz: Beiträge zur Entwicklung der Schweissdrüsen an der
behaarten Haut der Säugetiere.
Dietz Adolf: Weitere Beiträge zur Frage der sekundären kon¬
zentrischen Hyperostose am Schädel.
v. Dyminski Sigmund: Ueber Störungen im Hersagen geläufiger
Reihen bei einem aphasischen Kranken.
Fuhr Alfred: Zur Kasuistik der Lymphangiome der Parotis.
Hatzfeld August: Beitrag zur desinfizierenden Wirkung der Ben¬
zoesäure und Salizylsäure.
Kärcher Max: Orientierende Versuche über die Giftigkeit des
Paranitranilins.
Knoop August: Studien über das Wesen der Paranitranilinvergif¬
tung mit besonderer Berücksichtigung des Blutes.
Kochiyama Masaichi: Histologische Untersuchungen über die Hei¬
lung von Trepanationswunden an Kaninchenschädeln.
Kühl es Jakob: Untersuchungen über den Uebergang von Nikotin
aus Zigarren und Zigaretten in den Rauch, nebst einigen Ver¬
suchen über die Absorption von Nikotin aus dem Tabakrauch
durch den Menschen.
Levi Abraham: Zyste des postanalen Darmes mit ausgedehnter
krebsiger Entartung.
Maurer Franz: Ueber die klinische Verwendbarkeit der neuen
Blutdruckbestimmungsmethode von H. v. Recklinghausen.
Meyer Hermann: Zur Frage der sekundären konzentrischen Hyper¬
ostose der Schädeldachknochen bei Volumenabnahme des
Hirns.
Mizokuchi Kiroku: Ueber die Plemorphie des Basalzellen¬
karzinoms.
Nussbaum Oskar: Ein Fall von Prolapsus uteri incompleta bei
einem neugeborenen Kinde mit Spina bifida.
Quadflieg Leonhard: Studien über die Wirkung der Einatmung
von Dämpfen von Azetylentetrachlorid, nebst Versuchen über die
Verdunstungsgeschwindigkeit von Azetylentetrachlorid, Tetra¬
chlorkohlenstoff, Schwefelkohlenstoff und Chloroform.
Raab Alfred: Ueber „Huntington sehe Chorea“.
Roethler Gustav: Ein Fall von nufltipler neurotischer Haut¬
gangrän.
Schütze Harrie: Beiträge zur Kenntnis der thermophilen Aktino-
myzeten und ihrer Sporenbildung.
Schulte Heinrich: Ueber die Beziehungen der genuinen Optikus¬
atrophie zur progressiven Paralyse.
Steiner Adam: Ueber diffuse Sarkomatose des Rückenmarks.
Sturm Joseph: Zur Giftigkeit des Tropföls in Dampf- und Spray¬
form.
Ulmer Curt: Zur Symptomatologie der Chorea chronica hereditaria.
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1606
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .*1
Vaillant Erwin: lieber das Vorkommen des Ependymitis granu-
laris bei Geisteskrankheiten.
Wunderlich Hans: Das Verhalten des Rückenmarkes bei reflek¬
torischer Pupillenstarre.
Zirkel Konrad: Beiträge zur Komplikation von Schwangerschaft
und Tuberkulose.
Im nachstehenden werden die nicht m edi z inischcn Dis¬
sertationen des letzten Universitütsjahrcs, soweit sic für den Me¬
diziner Wissenswertes behandeln, zusammengestellt.
L c i p z i g.
Eischer Max: Strafbare Körperverletzung und ärztlicher Eingriff.
Klusemann Max: Das Recht des Menschen an seinem Körper.
Rose 11 Degenhard: Die Haftung des Ehemannes für die Krankheits¬
und Kurkosten seiner Ehefrau unter der Verxvaltlmgsgeinein-
schaft des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Weber Konrad: Die Zwangserziehung Minderjähriger in Deutsch¬
land, dargestellt an dem preussischen „Gesetz über die Bursnrge-
erziehung Minderjähriger vom 2. Juli löiiir, nebst einem Ueher-
blick über die Regelung der Zwangserziehung in einigen aussei 4 -
deutschen Staaten.
Berliner Bernhard: Der Anstieg der reinen Darbenerrcguug im
Sehorgan.
Bode Rudolf: Die Zeitschwellen für Stimmgabeltöue mittlerer und
leiser Intensität.
Feuereissen William: Beiträge zur Kenntnis der pathologischen
Pigmentierungen in den Organen der Schlachttiere.
Ei sch er Karl: Beiträge zur Lehre von der Identität der vom Men¬
schen und vom Rinde stammenden Tuberkelbazillen.
Eoth Ernst: Untersuchungen über einen im Jahre 1 ( >H5 in der Um¬
gebung von Leipzig beobachteten Ausbruch von Schafpocken.
Plath Max: Ein Beitrag zur Frage der Verbreitung und Bekämpfung
der Rindertuberkulose.
Kretzschmar Eritz: Das Gruben- und Abfuhrsystem der Stadt
Chemnitz mit besonderer Berücksichtigung der landwirtschaft¬
lichen Interessen.
Eroehncr Reinhard: Zur Morphologie und Anatomie der Hals-
anhängc beim Menschen und bei den Ungulaten.
Keil Richard: Spaltbildungen an Tieraugen, deren Entstehung und
Bedeutung bei den landwirtschaftlichen Haustieren.
Marburg.
Westenberger Joannes: Galeni qui fertur de qualitatibus in
corporibus iibellus.
M ii n c h e n.
Schweninger Eritz: Studien zur Haushaltungsstatistik nach den
Ergebnissen der Volkszählungen der Jahrhundertwende.
Bi sc ho ff Ernst: Die Bedingungen der psychischen Energie.
Münster.
Langer Oskar: Die Kindersterblichkeit der Jahre 19<i2 <M in Düs¬
seldorf in den Stadtbezirken und sozialen Bevolkerungsgruppen.
Kr o patscheck Gerhardus: De amuletorum apud antiquos usu
capita duo.
Rostoc k.
Salinger Ernst: Die rechtliche Stellung der unehelichen Mutter
nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Winkler Paul: Die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes. Nach
gemeinem Recht und Bürgerlichen Gesetzbuch.
S t r a s s b u r g.
Kulew Theodor: Das Problem der Willensfreiheit und die Grund¬
begriffe des Strafrechts.
W ii r z b u r g.
Schul tze Otto: Einige Hauptgesichtspunkte der Beschreibung in
der Elementarpsychologie. I. Erscheinungen und Gedanken.
Eritz L o e b - München.
Vereins- und Kongressberichte.
17. Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft
zu Heidelberg am 6. und 7. Juni 1908.
(Schluss.)
11. Herren Yosh II -Tokio und S I e b en m a n n - Basel: De¬
monstration von experimentellen akustischen Schädigungen des Ge¬
hörorgans.
Die mikroskopischen Präparate, welche vermittels des Pro¬
jektionsapparates projiziert werden, stammen von Meerschweinchen,
welche der Einwirkung von 1. verschieden hohen Pieifeiitonen,
2. einer Blechtromrnel, 3. Detonationen ausgesetzt worden sind. Die
Veränderungen durch Pfeifentöne betreffen sowohl das Cor tische
f >rgan als die zugehörigen Ganglien und Nerven; sie finden sich in
r Schnecke um so tiefer, je hoher der Ton ist. Pie Sirene mit
einem 'I onumfang von i * bis f* schädigt die ganze Schnecke. tir.J
zwar sclnm muh kurzer Anwendung. Du ci:«iigui \ et ander tmge n
werden durch Schüsse her Vörgcr nii n: ein einziger >chuss not e:: er
Kinderpisp >!e und /: i n vl K a I 1. unmittelbar ;im (dir a^ge ge den. ka:;;'i
das Cor tische < »rg.in ze r trammer n. den Nerven x.nkos dei--r-
mieren, und die < iang.ienzeüen zum > Jir umpu n brm*en: a»uh dy r
Vestibulär apparat wnd bei dem letzteren I \ ;h n:m:il .« terurt.
Diskussion; Herren Marx. > c h e i I» e. S u I' c n m a n u.
H e g e n er. Kur n er. > i e b e n m a n n. Denker, k miiu r.
12. Hei ren Siebenmann B.ivl und V o s h I i - 1 - k.. Prä¬
parate von zirkumskripter Eah> rlnthitis.
13. Herr Ferdinand Alt -Wien: Demonstration mikroskopischer
Präparate von Lah\ rlntheiterungen und deren Ausgängen nach Me¬
ningitis cerebrospinalis epidemica.
M. Her r M ■ r x - Heidelberg : Schädigungen des Ohrlah> rinths
durch Strahlenwirkung.
Nach emstmuliger. einmaliger R a d i u m b e *» t r a h i u n g Ji s
() h r I a b \ r i n t h s \ o u | a ii b e n treten mu h einer I .i!i'i/;nt \. m
ö M'ui.tteil l.abx i mthsx mpn .me auf. Die ftnkio>k..p ; s w fie l r. t e: -
suchung ergab, dass ehysedu n durch e:ue I > e g e n e r a t i < • n des
S l n n e s e p i t Ii e I s d e I M a c u I a e und L r i s | a c a c ii s t : v a e
xerursaclit wurden. Sonstige \ e : ander ungut sind Muht nadaua' a r .
Vclkullt therapeutisch bei \ e st ii‘ii, a t stm im».eu \ er w er Tb.i r " Bel
M e e r s c h w e i n c h e n taiul sk Ii bei I k st r ab.img de r sJüiukc e ; e
De g e rt e r a t i o n des C «» r t i vm n Organ e s. ausser de’tt t :-c
Knochen- und Bmdegew ebsw u Jierung an der >Jmccke r.spit/c. i..e
jedoch auf mechariisc he >c h.ibigtmg zur ik kgel.di: t wird.
Versuche mit R o n t g e n s t r a Ii I e n. die m.vh ndit abge¬
schlossen sind, halten Ins jetzt kein eindeutiges Resu'ta!.
15. Herr Erich Rultln-Mun: Zur Frage der Fktasic des
Ductus cochlcaris.
H». Herr F. R. Nager -Base!: Demonstration über Bildung von
Labyrinthsequester bei Mlttelohrkar/inom. 1 1 'r-ne knläd ier I u-
nue replatteii.)
Bei einem IVmlir. Patienten aus einer sjixvcr he Liste te n f au.e
hatte sich auf dem Boden einer in de r Jugend <•: miüiii Mt:». -
ohmierung mit Cholesteatom ein 1 *,atteue p.'.he kre hs gebildet. I r< :/
mehrfacher opeiatixer Imgriiic erl iste vier 1 vtus naGi 1" M>-
nateti. Histologisch landen mJi eme Re die x-n I u b: tu huu . .e n i; ;
Yoihofc. mul /war an den I immmdmuen der Bogengänge. In dt r
Schnecke big eine ausgedehnte l abx riml.it s chr<mua : ' r.-mi et « ss.-
ficans vor. die nicht tur karzm-m spe/msch ist. sondern aut e - e
iiberstaudeiie l.ab\ riiitheiitznndimg Schu.ssi.ti bisst. t d.esc s v 1 . n
in vier Jugeinl oder etst unter dem mdiieklcn 1 : i;ss dvs k.r.;m ns
entstanden ist. lasst sich niciit sicher etitsmu i b n. Wenn muh de i
Sequester Modi nuht Xoilhonmicn abge st-*r| v ii ist der B ;t K v i;.«.t
mul die E'arbl*ai keit der /eiioe me nie ist re'atix gut . so bv\u,M
doch diese Beobachtung, dass atuh das .Mitte.o},. karzun-m ,. v ;
wie die 'I überkul«»sc oder das Cholesteatom zur > e a u e s t r i e -
rillig des 1. a b x r i ri t Ii s Partien oder in t ■ t <» l .min kann. Die
Literatur kannte bisher keine identischen IW ob.u htw:v*.:ett,
17. Herr Ii. F r c y -Wien: Demonstration mikroskopischer Prä¬
parate über die Missbildung des Gehörorgans bei Anenzephalie.
I*. Herr D e n k e r - I i hingen : Demonstration eines von F d e I-
m a n n angefertigten Modelles für den Mechanismus der Gehör-
knöchelchenkette.
l‘L Herr V o s s - I ranktnrt a M : Klinische Beobachtungen über
nichteitrige Labyrinthent/ündungcn im N erlaufe akuter und chroni¬
scher M Ittelohr elterungen.
Nach einem liistm isc hvn R:u kb.uk auf die I raze vier Linu 'nag
der im Verlaute \ <*n Mitteiolri iterungvn auttr v tv ndvn l.abx nt;:'-v ut-
/uiuluugeri m solche eitriger und uu iitv it r igv r Natur beruhtet Vor¬
tragender über eine Ruhe eigener t i»mh..»gicer Beob.uhtur.gv ri
seröser Lab\ rmthernziiiKlungen im Ansch.uss au asute und ch:-'i:;y :;e
Mittelolireiter uiigett.
Die betreffenden ErkraMkurigen ergeben ausJ eirei'J vpjvad func-
tioriem et quoad sanatioriern eine günstige l’r-utn se. I imt thera¬
peutisches \ erhalten ihnen gegetnber muss v;n rem c\s'pu. statix es
sein.
2n. Herr B I o c h - i reibur g i. IV: Zur Aetiologic der Stapcs-
ankylosc.
Nach einer kursorischen Betrachtung vier haupts.-.U ulrvten bis
jetzt betonten Ursachen vier H \ p e r o s t " s e d er l.abx r i n t h -
kaps e I. wie eigentlich die Krankheit anatomisch zi::'t M in I zu K -
nennen ist, beruhtet \ ortrage nder über v au u I .d; x-n \ ererb u ii g
derselben. In einer zahlreichen I amfic k<-n!'!e er m zwei «ie'ura-
tionen sechs l alle durch die i unkte msm aiimg le^tde eri. Der vst-
beobachtete lall kam ba'd muh Ur letzten l r:te ? s-u! am g zur
Autopsie und ehe klinisch gestel.te I »;a.::v-sc konnte dabei aruit- :;.;s v n
und histologisch bestätigt w- rdeii.
21. Herr M a n a s s c - btrasslar g : L eber Exostosen am Porus
acusticus internus. «Mit Demonst: at; ai .1
22. Herr Erich Rultin-Wuii: Zur Chirurgie des Schläfenbeins.
R u t t i ri hat m einem 1 a e \ ■ « sub.ü r eitr.ger i »tö-s u t
Fistel in der unteren kn-c iierne :i « ie: ■' g fl n gsxe and. La’r rmhaate 1
und tiefem Fxtraduraiabs/e ss, am e mw an .Svu ms (usmale zu
kommen, die Pyramide t«»tai e\st;rp:ert. L| /ad. dass die < utalif
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
5S. Juli 1908.
MUfiNCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1607
der Blutung, Hirnverletzung ufld Meningitis bei diesem Eingriff keine
absolute ist und insbesondere die Otochirurgie nicht vor dem Ca-
rotischen Kanäle Halt machen müsse.
R u 11 i n erwähnt auch, dass B ä r ä n y eine ähnliche Methode
zur Entfernung von Akustikustumoren an der Leiche versucht habe.
23. Herr Ferdinand Alt -Wien: Die operative Behandlung der
otogenen Fazialislähmung.
Der gelähmte Nervus facialis zeichnet sich durch eine ausser¬
ordentliche Regenerationsfähigkeit aus. Wir sehen Lähmungen, wel¬
che infolge einer chronischen Mittelohreiterung oder im Anschluss
an eine Totalaufmeisselung aufgetreten sind, mitunter noch nach
einem Zeitraum von mehr als einem Jahre ausheilen. Immerhin ver¬
bleibt ein kleiner Rest von Fällen, welche trotz sorgfältigster konser¬
vativer Behandlung keinen Rückgang der Lähmung aufweisen. Zur
Behebung dieser Lähmungen wurde die Anlegung einer Anastomose
zwischen Nervus facialis und Nervus accessorius bezw. hypoglossus
empfohlen. Alt hat vor VA Jahren bei einem VA jährigen Kinde
die Radikaloperation ausgeführt, wobei das ganze knöcherne La¬
byrinth als Sequester herausgehoben werden konnte. Zur Behebung
der Fazialislähmung legte Vortragender eine Fazialishypoglossus-
anastomose an, welche einen befriedigenden Erfolg herbeiführte.
Es trat wieder aktive Beweglichkeit im Stirn-, Augen- und Mundast
und elektrische Erregbarkeit auf.
Diese Nervenpfropfung kommt für den Otologen nur in Frage,
wenn bei der Radikaloperation ein grosser Labyrinthsequester mit
dem grössten Teile des Canalis Fallopiae entfernt wurde, sonst stehen
uns viel einfachere Methoden zur Verfügung, die ohne jede Schädi¬
gung eines anderen Hirnnerven ausgeführt werden können.
A 11 führt bei Patienten mit Mittelohreiterungen und seit Wochen
oder Monaten bestehenden Fazialislähmungen die Radikaloperation in
folgender Weise aus:
Er wendet exakteste Blutstillung an, so dass das Gesichtsfeld
durch Blutung nicht gestört wird, anämisiert nach Ausräumung des
Antrum und Attik durch reichlichen Gebrauch von Adrenalin die
Gewebe, legt den Canalis Fallopiae frei; um eventuelle Usuren der
Knochenwand ausfindig zu machen, eröffnet man den Fazialiskanal
zentral- und peripherwärts von der Gegend des Fazialiswulstes,
reinigt den Kanal und den Nerven von allen anhaftenden Granu¬
lationen oder eingedrungenem Cholesteatom und reponiert den Nerven
in die geschaffene Halbrinne. Einen ganz analogen Vorgang be¬
obachtet er bei postoperativen Fazialislähmungen, die seit mehr
als *6 Monaten bestehen und keine Wiederkehr der aktiven Beweg¬
lichkeit und der elektrischen Erregbarkeit trotz der üblichen Mass¬
nahmen zeigen.
Dieser Operationsmodus mit promptem Rückgang der Lähmungs¬
erscheinungen wird an Beispielen erläutert. Ein ausserordentlich
günstiges Resultat wurde bei einer seit 4 Jahren bestehenden Fa¬
zialislähmung nach Ohroperation von anderer Seite erzielt: es wurde
der Fazialis im.horizontalen und vertikalen Anteile des Fallopi-
schen Kanals in grosser Ausdehnung freigelegt. Der Nerv erwies
sich in seinem ganzen Verlaufe in seiner Kontinuität nicht geschädigt,
war aber im horizontalen Teile des Fazialiskanals nicht von Knochen
umgeben, sondern in straffes Narbengewebe eingebettet. A 11 wollte
während der Operation gar nicht annehmen, dass die Einbettung des
Nerven im Narbengewebe allein die Paralyse hervorgerufen habe.
Der weitere Verlauf mit überraschend schnellem Rückgänge der
Lähmungserscheinungen bewies, dass dem doch so war.
24. Herr Lindt-Bern: Ein Fall von seltener Lokalisation der
Tuberkulose ln der Nase.
25. Herr M a r x - Heidelberg: Demonstration von Nebenhöhlen¬
osteomen.
26. Herr Uffenorde -Göttingen: lieber zwei Fälle von sub¬
duralem Abszess. (Mit Demonstration.)
Uffenorde berichtet zunächst über einen geheilten Fall von
subduralem Abszess der mittleren Schläfengrube, der durch einen
Extradural- und Hirnabszess im linken Schläfenlappen kompliziert
ist. Hier liegt der Hirnabszess entiernt vom eiternden Mittelohr.
Als Erreger werden nicht streng anaerobe Saprophyten gefunden, die
die auch von anderer Seite beobachtete, stark eitrig infiltrierte, zu
reichlichem Detritus führende enzephalitische Randzone und den
Fötor erklären lassen. Uffenorde empfiehlt besonders zur Nach¬
behandlung solcher Fälle und demonstriert weite, am distalen Ende
kurz rechtwinklig abgebogene Glasdrains, durch die hindurch schmale
gesäumte Jodoform- oder Vioformgaze geleitet wird. Die aphasi-
schen Störungen bestanden lange Zeit. Sonst kein besonderes
Symptom.
Bei dem zweiten, fast reinen Falle von subduraler Eiterung
konnte nur der über dem Tegmen tympani et antri gelegene kleinere
Herd aufgedeckt und durch Kreuzschnitt geöffnet werden. Auch bei
dem ersten Falle wurde so verfahren. Typische Symptome wurden
bei beiden Fällen nicht beobachtet. Die pathologisch-anatomischen
Befunde waren in beiden Fällen ganz die gleichen, eine stark gelbe
Verfärbung der sonst glatten und glänzenden, nicht durchbrochenen
Dura mater — Arachnoidea erhalten — die von Granulationen um¬
rahmt war. In dem zweiten Falle wurde bei der Sektion ein zweiter
grösserer Herd über dem Okzipitallappen aufgedeckt, der unkompli¬
ziert war. Davon werden histologische Präparate gezeigt und das
makroskopische Gehirnpräparat. Der Infektionserreger war Strepto¬
coccus mucosus. Kurz ante mortem hatte eine Leptomeningitis ein¬
gesetzt, die den Ausgang herbeigeführt hatte.
27. Herr Fr. M ü 11 e r - Heilbronn: Ein Wundsperrer für Ohr¬
operationen.
Demonstration des Instrumentes.
28. Herr H a r t m a n n - Berlin: Der Verschluss retroaurikulärer
Oeffnungen durch Zurücklagerung der Ohrmuschel.
Bei den Eingriffen, welche zur Bildung retroaurikulärer Oeff¬
nungen führen, wird die Ohrmuschel nach vorn und aussen gelagert.
Die Oeffnungen befinden sich auf der freigelegten Fläche des Warzen¬
fortsatzes, die unter der Ohrmuschel lag. Um die Oeffnung zu Ver¬
schlüssen, muss die Ohrmuschel wieder nach rückwärts gelagert
werden. Dies geschieht in einfachster Weise, wenn durch Exzision
der Narbenfläche eine ovale Wundfläche mit nach oben und unten
zugespitzten Enden geschaffen wird, in deren Mitte sich die Oeffnung
befindet. Die beiden Spitzen der Ovale müssen über das obere und
untere Ende der Anheftungslinie der Ohrmuschel hinausragen; der
vordere und hintere Wundrand müssen gleich weit vom vorderen
und hinteren Rande der retroaurikulären Oeffnung entfernt sein. Die
Wundränder werden durch die Naht vereinigt, nötigenfalls muss ein
Teil der hinteren Gehörgangswand entfernt werden. Durch diese
Operation wird ein freier Zugang zur Paukenhöhle geschaffen und
wird die Entstellung vollständig beseitigt.
29. Herr V o s s - Frankfurt a. M.: Demonstration eines Salpingo-
skops mit Vorrichtung zum Katheterisieren bezw. Bougieren.
Um das Katheterisieren bezw. Bougieren unter Leitung des
Auges vornehmen zu können, hat Vortragender an dem Valentin-
schen Salpingoskop eine Vorrichtung anbringen lassen, die analog
derjenigen am Zystoskop zur Vornahme des Ureterenkatheterismus
konstruiert ist. Mit ihrer Hilfe gelingt es, die Einführung des In¬
strumentes in die Ohrtrompete direkt mit dem Auge zu beobachten
und ihm dadurch jede gewünschte Richtung zu geben.
30. Herr Kr etsc h m a n n - Magdeburg: Zur operativen Be¬
handlung der Nasenscheidenwanddeformitäten.
(Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.)
31. Herr Uffenorde -Göttingen: Pathologische und bakterio¬
logische Erkenntnisse an einem Falle von ausgedehnter wandstän¬
diger Sinusthrombose. (Mit Demonstration.)
Uffenorde berichtet über einen Fall von Parietalthrombose,
die autochthon nach Durchbruch des Sulcus sigmoideus hier entstan¬
den war und durch Fortkriechen der Phlebitis in der lateralen Blut¬
leiterwand peripher- und zentralwärts vom Sinus sagittalis superior
kontinuierlich bis in die Vena jugularis interna reichte. Durch die
Derbheit des Parietalthrombus und andere klinische Eigentümlich¬
keiten bei dem Falle wurde jener für die phlebitisch veränderte Sinus¬
wand gehalten und die Bluthaltigkeit der medialen Sinushälfte
übersehen. Eine feste Tamponade zwischen lateraler Sinuswand und
Knochen hatte die Blutpassage nicht verhindert. Eine komplizierende
blennorrhoische Bronchitis erschwerte die Deutung der klinischen
Erscheinungen der Lungen, erst als Schüttelfröste und sanguinolentes
Sputum beobachtet wurden, konnte die als bronchopneumonische
Komplikation der bestandenen Bronchitis aufgefasste Veränderung
als metastasierende hämorrhagische Infarktbildung gedeutet werden
und am Sinus weiter eingegriffen werden. In mehreren Operationen
wurde schliesslich eine totale Bulbusoperation nach G r u n e r t aus¬
geführt, die durch Herzschwäche und andere Umstände immer unter¬
brochen wurde. Die sich häufenden Metastasen wurden auch da¬
durch nicht abgeschnitten, offenbar hatte der Sinus transversus der
anderen Seite die Verschleppung der infektiösen Partikel besorgt.
Als Erreger sind feine saprophytische Gram-positive bewegliche Stäb¬
chen anzusehen, die nicht genau zu identifizieren sind. Ihre Lagerung
entspricht der perivaskulären Lagerung, wie sie von E. Fraen-
k e 1 bei Bacillus pyocyaneus beobachtet ist. Einen weiteren wert¬
vollen Beitrag zur Frage der Parietalthrombose kann Vortragender
liefern durch einen ganz kürzlich ad exitum gekommenen Fall, der
pathologisch-anatomisch und bakteriologisch genau untersucht ist.
Es handelt sich um eine Streptokokkensepsis, wo von einer Parietal¬
thrombose eine Septikopyämie mit Gelenk- und Weichteilmetastasen
ausging, ohne dass Druckempfindlichkeit und Schwellung am Pro¬
cessus mastoideus bestand. Uffenorde glaubt, vier verschiedene
Entstehungsweisen für die Allgemeininfektion annehmen zu sollen,
wofür er auch beobachtete Beispiele als Belege anführt:
1. Obturierende Thrombose: wohl besonders, aber nicht aus¬
schliesslich, bei sehr virulenten akuten Infektionen.
2. Nekrose der Wand, Hineingelangen von vielen Bakterien aus
dem benachbarten Eiterherde in die Blutbahn.
3. Parietale Thrombosen bei weniger virulenten und pathogenen
Erregern, wohl meist chronischen Fällen, oder, bei virulenten, bei
vorher entstandenen Schutzwällen am Sinus durch produktive Re¬
aktion. Daraus entsteht eventuell vollkommene Organisation even¬
tuell mit Einschmelzung oder Rekanalisation des parietalen oder des
obturierend gewordenen Thrombus.
4. Direktes Ueberwandern von Bakterien und Toxinen ins Blut
von der eiternden Paukenhöhle und ihren Adnexen aus, ohne
thrombophlebitische Prozesse am Sinus usw. Die Bakterien ge¬
langen sekundär in den Thrombus.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1608
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. .n
32. Herr Ernst Urbantschitsch- Wien: Günstige Erfolge
der galvanischen Behandlung bei Schwerhörigkeit und Demonstration
eines galvanischen Apparates zur Selbstbehandlung.
E. Urbantschitsch bespricht die günstigen Erfolge der
galvanischen Behandlung bei Schwerhörigkeit und subjektiven (ie-
hörsempfindungen und demonstriert diesbezügliche Tabellen mit Kur¬
ven. Er demonstriert ferner einen kleinen galvanischen Apparat zur
Selbstbehandlung des Patienten.
33. Herr Kirchner - Würzburg: Demonstration eines Stativs
für Operationsübungen am Ohre.
34. Herr H er sc hei - Halle a. S.: Demonstration des Fntkal-
kungsprozesses an Felsenbeinen durch Röntgenbllder.
Herschel demonstriert an der Hand von Röntgenaufnahmen,
wie sich der Entkalkungsprozess an Felsenbeinen vollzieht. Er
empfiehlt, den Entkalkungsprozess der zu histologischen Zwecken
dienenden Felsenbeine durch die Röntgenplatte zu kontrollieren, da
man sonst einen absolut sicheren Anhaltspunkt für die gänzliche Ent¬
kalkung nicht habe. Das Röntgcnnild gibt deutlich selbst die gering¬
sten Spuren eingelagerter Kalksalze zu erkennen und zeigt sicher
den Moment an, wann der Knochen gänzlich entkalkt und nunmehr
für die weitere histologische Verarbeitung geeignet ist.
35. Herr H e g e n e r - Heidelberg: Dünne Zelloldinschnitte durch
das Schläfenbein. (Demonstration.)
Um dünne Zelloidinserien (10 //) durch den harten Knochen zu
erlangen, ist zu beachten: a) die Einbettung, lange Durchtrankung mit
dünnstem Zelloidin unter Benutzung des Vakuums; b) die Blockform;
c) die Vermeidung jeglicher Nachgiebigkeit an Objekt und Messer
führung (neues J u n g sches Mikrotom); d) die Messeriorm: e) die
Schneidenbildung; f) die Messerhärte; g) die alkalische Reaktion des
zum Befeuchten verwendeten Alkohols. Näheres in den „Verhand¬
lungen“. Zweck: Neurologische Forschung, Mikrophotographie.
Fränkische Gesellschaft für Geburtshilfe und Frauen¬
heilkunde.
(Offizielles Protokoll.)
XIX. Sitzung vom 30. Mai 190S.
Herr Hofmeler: Nachruf an die verstorbenen Mitglieder
Dr. M o c h - Hofheim und Dr. R a e t h e r - Kissingcn.
I. Demonstrationen.
Herr E n ge I h o r n - Erlangen demonstriert:
1. einen wegen Karzinoma colli total exstirpierten Uterus nebst
einer taubeneigrossen karzinomatösen iliakalen Drüse. Das Prä¬
parat stammt von einer 42jähr. Patientin, die bis vor 4 Wochen
regelmässig menstruiert war und erst seit dieser Zeit an profusen
Blutungen litt und zeigt, dass bei Karzinom die klinischen Erschei¬
nungen nicht immer den vorgeschrittenen pathologischen Ver¬
änderungen entsprechen.
2 . ein faustgrosses Cystoma ovaril dermoldes mit grossen
Knochenplatten, das bei einer 31 jähr. I. Gravida hinter dem Uterus
lag und die Portio hoch an die Symphyse drängte. Eine sichere
Diagnose konnte nicht gestellt werden; es blieb fraglich, ob es sich
um eine Gravidität im VI. Monat und einen Ovarialtumor oder um
eine Extrauteringravidität mit lebendem Kind handelte. Mit Rück¬
sicht auf die letztere Diagnose wurde bis zum Ende der Gravidität
abgewartet. 12. III. ns Laparotomie (Herr Professor Menge).
Uterus entsprechend dem X. Monat der Gravidität, hinter ihm im
kleinen Becken eingekeilt ein vom rechten Ovarium ausgehender
Tumor. Da der Versuch, den rumor vor den Uterus zu bringen, miss¬
lingt, Sectio caesarea, Entwicklung eines lebenden Kindes; hierauf
Ovariotomie; Wundverlauf glatt.
Diskussion: Herr H o f m e i e r hat in 2 ähnlichen Fällen die
Ovariotomie ausgeführt und hernach die Spontangeburt abgewartet:
die Entwicklung des Ovarialtumors vor den Uterus machte keine
Schwierigkeiten und auch die Gehurt verlief ohne Storung.
Herr Zacharias: Die Fehldiagnose in dem Engel ho ru¬
schen Falle war zum Teil wohl die Folge einer anderen Fehldiagnose, I
die uns kurz vorher an der Erlanger Frauenklinik passierte. Es 1
handelte sich um eine Frau, die schon mehrere Kinder geboren hatte
und im 8. Schwangerschaftsmonat etwa in die Klinik kam, und zwar
wurde sie vom Arzt wegen dekompensierten Herzfehlers geschickt.
Die Untersuchung ergab eine Schwangerschaft mit lebendem Kind in
Kopflage; auffallend war nur, dass man die Schädelknochen sehr
deutlich im hinteren Scheidengewölbc fühlte. Dieser Untersuchungs¬
befund wurde von mehreren Untersuchern als besonders und eigen¬
tümlich in der Krankengeschichte vermerkt, ohne dass an eine
Anomalie des Eisitz.es gedacht wurde. Das Kind starb etwa 3 Wochen
vor der zu erwartenden Niederkunft ab. Da keine VVehentätigkeit
einsetzte, die Frau aber innerhalb einer Woche (> Pfund abnahm,
wurde ein Metreurynter eingelegt, der, nachdem er etwa 2<» Stunden
gelegen hatte, unter einer ziemlich beträchtlichen Blutung aus-
gestossen wurde. Die Patientin kollabierte. Bei der Untersuchung
ergab sich, dass der Uterus leer war. Da der Blutverlust nicht so
^ross erschien, dass der Kollaps erklärt werden konnte, glaubte man.
sei durch eine Verletzung des extrauterinen Fruchtsackes eine
intraabdominale Blutung c.ugettekn und operierte s«T 't. In war
keine mtruahdommelle Blutung \<-h.iniui. Es hamlt te vJ: um c.ttt
linksseitige uns ef letzte I pb'iab hmi ma.schw ar.gers .halt mit ab¬
getragenem mazerierten Kind. D.e >ek!mif ergab a's l isid'e für d e
Blutung einen Zervixnss. wekher m.pkge der Du - chtre.bung des
stark gefüllten Ballons entstanden war.
3. Myomata Uteri bei fira\ idrt.it m. IV. Wegen Ma'ker B as<m-
bescliw erden und Eiukicmimmgsersche.nungen lapar d n e dk r r
Prof. Jung). Entfernung eines km-Skm-tgr-sscn u:;d emes apte-
s nie «grossem subscrosen M\ oms. Naht des aber h.mjk mgr-ssmi
W uudbette.v Da durch die VV und\ erb.» tri sse e.n \ f - • r t cCur zu
eiwarten und Patientin nicht den durch i:mu \b<Tt bed.ugft :t t le-
fahten (Ruptur der Narben, Infektion des M \ •>:!,} ettes» ausgeset/t
werden sollte. I üterbr echung der >J,w a* „ e r n«. (:.;tt. e n Ve't.>:.e’.
an dem Herr l'ml. Jung m alm'.v&ri laiei» immer fest:,a.kn w rj.
Herr Zacharias zeigt e ne Vn/aN t tal t xst.r.p erk r l ter;
vor:
1. Klemer I terus mit e.nem gaitsceigrosscn Myom m de: 11 : :e:-
wand; dasse'he liegt wie ein Fi in einer Ka ssgha.e.
2. Ein über mannskopfgrosser mxomatoser l terus ::M za -
reichen Erw eie huugsherden. de r \*>n einer 37 ..ihrige n I 'an stamr: r.
die 21 läge \or der <Iperatmii m 5. Monat ab..rt:mt hatte. Bei .kr
l ntersuchung stand der I ulj>>r am R ppemb- gen. war a so s.. g- ss.
wie ein schwangerer l terus ;rn 0 Monat. Da de 1 rau e r.e /an. c ••
betr ;k lithche Kachexie zeigte, m« g aubte V ottragende: be. dem
Schnellen Wachstum des 1 urimrs e men ma grün < K ,r tun • r . 1 : 1 -
iiehrrien zu müssen. I »as Interessante an dem lal ist. J.i's de Ue-
schw ulst in einer 5 umnati cheii s, hw arider schart i d.e Iran batte
fiulier von der \nw eseniieit euer Gesdiwust im lebe r..c r.ts ge¬
wusst). zu dieser e\Zesv\en li’os'e gew.icUsen :st.
3. I terus einer 30 j.rfirigeii Nu.l.para. *. e bete.ts \ a J l.th-et:
wegen Blutungen eine Abrasio dur c iigemac ht batte um! s*:t t • M--
naten wieder unregelmässige Blutungen und kciimef/en hatte. 1 s
wurde ni» M\ojn angenommen; das Pr.ip.t4at zeigte em:. K e kleine
Myome und ein korpuskar/inom.
4. Uterus einer Oj i. ihrigen I rau. d.e s. :t Id U:rui :n dt r Mer- -,
pause sieh befand, seit einem laiir neuerd : gs um egt m.»ss a B a-
tungett und Schmerzen hatte. M.t Rmks.J't aut dt u uut di \e r -
giosserten harten und iiock: :gen l terus wurde em NW «ui; t« t na m u'
Metaplasie angenommen. Das P'aparat zt gt I'.tw.csrmg zahl¬
reicher Myome, \<m denen das eure Xolst.mbg \ t • k a. M mb Vt mi¬
liar t ist. ein Korptiskerzlnom und einen gutartigen, da» ganze Corpus
utcri ausfüllenden Pol>pen.
5. I terus einer 53 iah»; gen I rau. d.e se.t 5 Iah re« m der Me-.-«,
pause sich befand und \««i o WmJuii /um ersten V.a e wieder
Blutungen und >chmer/en im Ee he \ t r spar te. Bei e ”e m Bein-d.
wie im lall 3. wurde e.n M\ otu m.t sa-s.-mat. s t r In.rtmg d .»-
griosti/iert; diesmal mit zum .eher s .bvl;i t. da s.di mkU.ib der
l rethralmuiulimg ein efjNcn grosser h.i'm.rr ha g-s v jicr rru tastat ulrer
Knoten betaiul. Das Präparat zt gl e ne R. .;«e \on Mxomcn. \on
denen da» grösste sarkomatös degeneriert ist. De n; m s S Sv « :i .
Untersuchung ergibt ein p*»:\ morphze cts ">a:k«mi. we.dies za'. -
reiche Ham.»rrhag;eii mit ausgedehnten • it w 1 1 s/t mmr mu: „e n
zeigt. In den nekrotischen Par treu s md t it s v nwu s?/e' t u um du tie-
fasse herum info'ge der guten I i nah: ur gs't d.-igu; gen .r; t.rem auf
dem Durchsclinitte kre.sicÄimgen M.mttl e'hatiri. s.. v :.iss n.au dert
I indruck gewinnen konnte. ,ds oh de < k-s v bw u'st ;r e.nem gt ue t.s w kt P
Zusa.mmeidiaug mit der (ief.issw and siuiide.
Mit Rücksicht auf d;e labe 3 5, w is s w h um K« m 1 ’at ■ m •
\<«n M\om mit >urkorii bezw. K.irz,n«>m 1 a:;dt !. er nrurt kr \
tilgende daran, i.i recht aufmerksam zu s^ n. «pm h c; M\«-mk '.um n
p'otzirch sjimerzui und um egebn iss g C B i tun gelt amt -1 k
nameutlicli wenn die letzteren in der Mt: • pause w t !t' t'tiv’/t'’.
Herr P O I a n O - W-vfr zbrug «IcmmiM-u r t emn ge l u.ten Eä \ -n
extraperitonealem Kaiserschnitt bei müz erlern 1 tems
I. Para mit allgemein \erergtem r.K 1 ' vb'ui BtvkiM. exzen¬
trische Finsterling des K«>pfes ;n E >c habt age. 23 >ftmden n.m h
Blasensprung l\mpama Uten. >ekret ult ' tc‘ em!. I t r'.pt ratu-
3s.3. Kind lebt. Extr apm toru-a'er I ,.r o bt r Zer\ x ii.k 1,
Seil hei m und Extraktion emes It'v dtn k".bs 11 * r ■ f. Hol¬
meier). Drainage des antuber •um B •• legew t) t s rach Na:;t des
I terus. Abgesehen \ <m meltrmabgen I empt'a’.m stt ger-u-gen gute
Rekoiix ales/ei}/. der Mutter.
Sonnt ist in d.esetn Ea’l der Erfolg der npe-a* n en x ■’ k ■nt-
mener. Von konkurrierenden Verfahren käme rt b s :, er v! e Pe't'uatu n
tles lebenden Kindes als die für dtii Dutkriker m b: tunte gan K '>arstf
(>perati«*n tu Betracht, ferner d*e \um rmne-n.lt I .-r.m v -a* i n. e»’.d-
l.ch in neuerer Zeit de Efebovtt tom e. d.e zw tr J e Wo, $• e t eiiu r
dauernden Beckenirw e.krimg as V «•• ,"-g gegv mer dtm ext’aper-
tonealen Ka:sersc!rmtt autwi -t. für b e Wbter m d \ ' a em tnr
das K ind bei der < lel-nrt w c ^e r gm-st K t V t: t-a f: ss V sk: nmt. Es
muss demnach der extrapm* ru'e Ei H'n'"' tt her tut:/ t 'tem
Uterus ak E’ortsc!i:bt nimme- k nvln'i « 'nkurfs':- te bt , ; met
w erdi n.
Herr L ü d k c - W ur/bt: rg : l eher die praktische Ver¬
wertung; der bakteriologischen Bliituntersuchung.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1609
Vortragender verbreitet sich zunächst über die Methodik
der bakteriologischen Blutuntersuchung: Die mikroskopische
Blutuntersuchung auf Bakterien, die Blutüberimpfung in- die
Peritonealhöhle der gebräuchlichen Laboratoriumstiere und die
Blutagarplattenmethode. In 12 Fällen von Sepsis wurden
jedesmal Bakterien im Blut nachgewiesen, speziell Strepto¬
kokken, Staphylokokken und Mischinfektionen mit beiden
Arten. Ein Steigen der Bakterienzahl bei wiederholten Blut¬
untersuchungen bedeutet eine schlechte Prognose, ln 32 Fällen
von Angina wurden 4 mal Bakterien im Blut nachgewiesen,
Streptokokken wie Staphylokokken. In 17 Pmeumoniefällen
fanden sich 9 mal Bazillen im strömenden Blut, Streptokokken,
Staphylokokken und Pneumokokken. In Fällen von Gelenk¬
rheumatismus, Dysenterie, akuter Enteritis waren Bakterien
im Blut nicht nachweisbar. In zwei fieberhaften Choreafällen
konnten Streptokokken als Ursache des Fiebers eruiert werden.
In 34 Typhusfällen wurden 29 mal Typhusbazillen im Blut auf
den Agarplatten entdeckt. In zahlreichen Fällen wurde durch
den Bazillennachweis erst die richtige Diagnose gestellt. Drei¬
mal wurden bei 14 Lungentuberkulosen Tuberkelbazillen im
strömenden Blut nachgewiesen.
Diskussion: Herr Hofraeier fragt den Vortragenden, wie
er sich die so verschiedene Bedeutung der im Blut kreisenden Strepto¬
kokken bei einer Angina und bei puerperaler Infektion erkläre, indem
die Erkrankung im ersten Falle doch fast immer günstig verläuft, im
zweiten dieser selbe Umstand eine so verhängnisvolle Bedeutung hat?
Herr Zacharias: Auf den Einwand des Herrn Ge¬
heimrat H o f m e i e r möchte ich mir erlauben, zu bemerken,
dass ein Unterschied in der pathologischen Dignität der im Blute
kreisenden Streptokokken bei Angina und Puerperalfieber in
Folgendem begründet zu sein scheint. Bei der Angina kreisen die
Streptokokken im Blut und sind den Abwehrvorrichtungen desselben
ausgesetzt. Vorausgesetzt, dass diese Schutzkräfte ausreichend sind,
die Virulenz der Keime keine besonders grosse ist, so wird der Körper
mit- diesen Infektionserregern fertig. Anders liegen die Verhältnisse
im Wochenbett. Hier beginnt die Infektion an der Uteruswunde. In
dem Thrombenmaterial an der Plazentarstelle sind die Keime den
Schutzkräften des lebenden Blutes entzogen, können sich hier un¬
gestört entwickeln und von da aus den Körper überschwemmen.
Einen fast experimentellen Beweis für diese Erklärungsversuche
geben die Fälle von Angina am Ende der Schwangerschaft, die nach
der Geburt mit einer Sepsis endigen. Ich habe selbst einen solchen
Fall beobachten können (Med. Klinik 1907, No. 12, S. 335), der von
Merkel genauer beschrieben worden ist (Münch, med. Wochenschr.
1907). Es handelte sich um eine 38 jährige hochschwangere Frau,
die an einer Angina 3 Tage lang fieberhaft erkrankte. 6 Tage nach
der vollständigen Entfieberung Spontangeburt in der Klinik; keine
innere Untersuchung. . Am 7. Tage post partum Exitus an Sepsis.
Intra vitam wurden massenhaft Streptokokken im Blute nachgewiesen.
Herr D ü r i g - Nürnberg: Der Einfluss der Brusternährung
auf das Neugeborene.
Vortragender versuchte, den Einfluss der Art der Er¬
nährung auf das neugeborene Kind während der ersten Lebens¬
tage zahlenmässig darzustellen. Er konnte an Hand mehrerer
Tabellen, die er aus den ca. 1200 Geburtsgeschichten der beiden
letztvergangenein Jahre aus der Würzburger Universitäts-
Frauenklinik zusammenistellte, nachweisen, dass ein recht er¬
heblicher Einfluss der Art der Ernährung auf das Gedeihen des
Kindes besteht und zwar zu Gunsten der natürlichen Ernährung
an der Brust. Von den ausschliesslich an der Brust ernährten
Kindern hatten nach dem Ergebnis seiner Tabellen am 9. Tage
p. p. 47,6 Proz. ihr Anfangsgewicht überschritten, von den
mit gemischter Kost versorgten Kindern 31,3 Proz., von den
Flaschenkindern nur 24,7 Proz. Gleichzeitig konnte der Vor¬
tragende nachweisen, dass sich dieser Einfluss bei Früh¬
geborenen, bei Zwillingskindern und bei aus pathologisch ver¬
laufenen Geburten hervorgegangenen Kindern viel stärker
geltend macht, als bei kräftigen, aus normalen Geburten hervor¬
gegangenen Kindernt
Der Vortragende brachte schliesslich noch einige sich auf
die Stillfähigkeit der Wöchnerinnen verschiedenen Gebär¬
anstalten beziehende Zahlen.
Die von ihm für die hiesige Frauenklinik berechnete Zahl
der Wöchnerinnen, die vollständig selbst stillen konnten, be¬
trägt 79,6 Proz.
Herr S ch w a b - Nürnberg: Ueber Versuche mit
Tuberkulin.
Vortragender hat versucht, analog der kutanen und kon-
iuriktivalen Tuberkuliriprobe eine Reaktion zu erhalten bei
gynäkologischen Tuberkulosen durch vaginale Applikation des
Tuberkulins. Die Versuche scheiterten an der ungenügenden
Resorptionsfähigkeit der Scheide. Mit Glyzerinlösungen des
Tuberkulins war überhaupt kein Resultat, mit wässerigen Lö¬
sungen kein verwertbares Resultat zu erzielen. Auch die bis¬
herigen experimentellen Untersuchungen über die Aufnahme¬
fähigkeit der Scheide für Medikamente bestätigen, dass der
vaginale Weg an sich nicht sehr geeignet ist für Medikamente,
die resorbiert auf den Körper wirken sollen. Wenn diese
Stoffe dann selbst noch schwer löslich sind (Schwefel¬
präparate), und überdies in Vehikeln, die die Resorption be¬
hindern (Fette: Globuli vaginales, nach den Tuberkulinver¬
suchen auch Glyzerin), angewandt werden, so darf man dieser
Medikation, so verbreitet sie auch ist, keinen rationellen Wert
zuerkennen. (Wird anderen Ortes in extenso veröffentlicht.)
Herr M. H o f m e i e r: Zur Verhütung des Kindbettfiebers.
(Erscheint ausführlicher in dieser Wochenschr.)
Der Vortragende gibt an der Hand von 10 000 Wochen¬
betten der Würzburger Klinik einen Ueberblick über die
Operationsfrequenz, die Morbidität und die Mortalität dieser
Wöchnerinnen. Er bespricht dabei die in der Klinik gebräuch¬
lichen Desinfektions- und Vorbeugungsmassregeln und wendet
sich scharf gegen die neuerlich wieder aufgetauchten Vor¬
schläge, die Untersuchung durch die Scheide durch die Mast¬
darmuntersuchungen zu ersetzen.
Aerztlicher Verein in Frankfurt a. M.
(Offizielles Protokoll.)
Ordentliche Sitzung vom 16. März 1908, abends
7 Uhr, im Hörsaal des Dr. Senckenberg ischen Bibliotheks-
- gebäudes.
Vorsitzender: Herr E d i n g e r.
Schriftführer: Herr Cahen-Brach.
Herr Hlrschberg: Heilung schwerer Knochentuberkulose
durch Sonnenbäder Im Hochgebirge.
Die chirurgischen Tuberkulosen sind erst seit wenigen Jahren
Gegenstand der Hochgebirgsbehandlung, beziehungsweise der dort
während des ganzen Jahres angewendeten Sonnenbestrahlung. Der
bekannte Engadiner Arzt Bernhard hatte beobachtet, dass die
Engadiner Bauern das frische Fleisch, um es zu trocknen, in die
Sonne hängen und er beschloss, diese antiseptische Austrocknung
auch bei lebenden Geweben anzuwenden. Und die F i n s e n sehen
Ergebnisse der therapeutischen Anwendung der chemischen Strahlen
bildeten einen weiteren Anlass für Bernhard, die hydrophilen
Eigenschaften der reinen und trocknen Hochgebirgsluft mit der bak¬
teriziden und vernarbenden der Sonnenstrahlen zu vereinigen. Die
gleichen Erwägungen veranlassten Dr. R o 11 i e r vor mehreren
Jahren in dem bekannten 1450 m hoch gelegenen Kurorte für Lungen¬
kranke Leysin — 1 Stunde von Aigle im Rhonetal gelegen — eine
Klinik nur für chirurgische Tuberkulosen einzurichten.
Vor etwa 2 Jahren machte ich in unserem Verein auf die glänzenden,
geradezu verblüffenden Ergebnisse aufmerksam, die ich dort bei
Kranken gesehen hatte, die das ganze Jahr der Sonnenbestrahlung
ausgesetzt waren. Manchem von Ihnen mag die Schilderung zu
schön gefärbt erschienen sein. Heute bin ich jedoch in der Lage,
Ihnen einen Knaben von 7 Jahren vorzustellen, dessen Heilung von
schwerer Knochentuberkulose in der Rolliersehen Klinik alle Er¬
wartungen übertrifft. Wegen ausgedehnter Ellenbogentuberkulose.
die trotz weitgehender Resektion des Gelenkes und trotz zahlreicher
Nachresektionen nicht heilen wollte, hatte ich vor, die hohe Oberarm¬
amputation vorzunehmen. Auch die mehrmals operierten tuberku¬
lösen Knochen im Gesicht, am Stirn-Jochbein und Oberkiefer wollten
nicht zur Ausheilung kommen. Ehe ich jedoch den Arm opferte,
entschloss ich mich, noch einen letzten Heilversuch in Leysin zu
machen. In der Photographie erkennen sie den damaligen trostlosen
Zustand des elenden Kindes. Vergleichen Sie jetzt die an den von
Zeit zu Zeit aufgenommenen Photographien deutlich erkennbaren
Fortschritte in der Heilung und endlich die vollkommene Vernarbung
am Arm und im Gesicht, betrachten Sie den ausgezeichneten All¬
gemeinzustand des Knaben, prüfen Sie die vorzügliche Funktion des
Armes und seine Kraft, so werden Sie mir zugeben, dass das Er¬
gebnis der Sonnenbehandlung im Hochgebirge, die sich allerdings
auf die Dauer von etwa 20 Monaten erstreckte, einen glänzenden
Triumph konservativer Behandlung von schweren Knochentuberku¬
losen darstellt. Allerdings gebührt Herrn Kollegen Rollier in Ley¬
sin das grosse Verdienst des richtigen Verständnisses für die Be¬
handlung selbst der schwersten Fälle von chirurgischer Tuberkulose.
Diskussion: Herr Friedländer weist angesichts dieses
glänzenden Behandlungsresultates darauf hin, dass lange bevor
Bernhard -Samaden 1904 seine Aufsehen erregenden Erfolge mit
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1610
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
Sonnenlichtkuren bei Skrophulose und offener Tuberkulose zeigte
und publizierte, U f f e 1 m a n n - Rostock und W i n t e r n i t z - W ien
diese Methode in den gleichen Fällen auf (irund eigener Frialirungcn
empfohlen haben, erstcrcr in einer 1KN9 erschienenen Schritt „l'eber
die hygienische Bedeutung des Sonnenlichtes“, letzterer in einem
1900 auf dem Balneologunkongress in Frankfurt a. M. gehaltenen
Vorträge. Wie solche Heileffekte zustande kommen, darüber sind
die Ansichten geteilt: die einen meinen, dass durch die starke und
anhaltende Besonnung eine Austrocknung der erkrankten < iewebe
bewirkt wird, andere glauben, dass die therapeutische Wiikung der
Bestrahlung au! einer lokalen Hypcrämisieruug. ähnlich wie bei der
sog. Bi er sehen Stauung beruht.
Herr Berg: Nierenexstirpation wegen Tuberkulose.
Die 33 jährige unverheiratete Patientin entstammt einer ge¬
sunden Bauernfamilie, selbst nie krank gewesen. Seit 3 Jahren
wegen Harndrangs und trüben, mit käsigen Bröckeln ver¬
mischten Harns auf Blasenkatarrh behandelt. Harn ergibt dicken
Bodensatz, der fast nur aus Fiterkörperchen besteht. Tuberkel¬
bazillen nicht zu finden. Zystoskopisch: In der (legend der rechten
Ureteröffnung kraterförmiges Geschwür, erstreckt sich bis nach der
(legend der linken Ureterofimmg. die nicljt sichtbar ist. Rechte
Niere vergrössert, beide empfindlich. Funktionspruiimg der linken
Niere. Durch V o e 1 c k e r sehe Methode befriedigendes Resultat.
Der linke Urcterharn Fiweissspuren und Fpithcl/x limlcr. Rechts mir
farbloser Fiter. Tierversuch nach 5 Wochen trotz Ouetsclmicthode
noch keinen Schluss auf Tuberkelbazillen. Ophthalmoreaktion posi¬
tiv. Positives Resultat der Tierimpfung erst N Tage nach der
Nephrektomie. Verlauf von seiten der linken Niere ungestört. Bla¬
senharn, der in der ersten Zeit, wohl aus dem Ureterstumpf und der
nicht völlig ausgeheilten Blasenläsion, Tuberkelbazillen enthalt und
trüb ist, wird völlig klar; Ulcus flacht sich ab und reinigt sich.
Ureterharn chemisch normal, Nierenfunktion gut. Allgemeinbefinden
gut. Von Zeit zu Zeit Nachforschung nach Tuberkelbazillen im Harn.
Demonstration der exstirpierten Niere und des Ureters. Au der
Grenze zwischen Rinden- und Marksubstanz, die ganze Peripherie
einnehmend, walniissgrns.se, mit käsigem Fiter gefällte Kavernen.
Ureter fingerdick und starr infiltriert. Hinweis auf die Bedeutung
der Funktionsprüfung, speziell nach V o e I c k e r. und der Ophthalmo¬
reaktion.
Herr Laudenhelmer: Mitteilung eines Falles von Polyurie,
Herr Ko h n s t a m m - Königstein i. T.: Zur Innervation der
Augenbcv/enungen.
Vortr. gibt eine Uebcrsicht über die primären und sekundären
Zentren der Augenbewegungen. Von eigenen Frgchnissen (mit
Quensel) erwähnt er: Den Nucl. oculo-pontinus ventrales (bisher
reticularis tegmenti genannt), der als Schaltkern zwischen Kortex
und III. Kernen, bezw. Vierhügeldach anf/ufasseii ist. den Nucl. angu¬
laris (Bechterewschen Kern), der die proximalen Verbindungen
des Vestihularapparates vermittelt, den Nucl. loci coerulci. der als
der sensible Kern des proximalen Trigeminus-Metamers erwiesen
ist. Projcktionsbilder einschlägiger normaler und Degenerations¬
präparate.
Ausserordentliche Sitzung vom 23. M ä r z 1 ( X >S
abends 7 Uhr im Hörsaal der Pr. S e n c k e n 1> e r g isclicn
Bibliothek.
Vorsitzender: Herr L n q u e r.
Schriftführer: Herr C a h e n - B r a c h.
Demonstrationen aus der chirurgischen Klinik des städtischen
Krankenhauses.
Herr M. Nelsser: Mitteilung und Demonstration über Des¬
infektion am Krankenbett.
Der Frankfurter Verein für Hygiene hat in Anbetracht der Wich¬
tigkeit einer sacligemässen Desinfektion am Krankenbett eine Or¬
ganisation geschaffen, die es dem Arzte ermöglicht, auf eine sach-
gemässe Desinfektion und Isolierung bei ansteckenden ITkrankungeii
zu dringen. Der Verein stellt auf telephonische Benachrichtigung seine
für diesen Zweck ausgebildete Schwester, welche die Anwendung
der Desinfektionsmittel vorzeigt, ferner leihweise ein besonderes In¬
strumentarium und schliesslich gedruckte Plakate zur Vertilgung. Das
besonders zusammengestellte Instrumentarium enthält z. B. 3 wes^e
Mäntel, wovon einer für den Arzt bestimmt ist, ferner besondere <ie-
fässe zur Desinfektion von Fssgeschirren etc.
Ordentliche Sitzung vom 6. April 1Ö0S. abends
7 Uhr, im Hörsaal der Pr. S e n c k e n bürg isclicn Bibliothek.
Vorsitzender: Herr L a q n e r.
Schriftführer: Herr C a h e n - B r a c h.
Herr Jacobsthal: Demonstrationen aus dem pathologischen
Institut: a) Fall von Aortenaneurysma; b) Aneurysma der Arteria
aneirysma; c) Zystenniere: d) Angina Ludovlcl.
Diskussion: Herr Seuffert.
rr Job. Julius Schmidt: lieber die Keating-
he Methode der Karzinombehandlung. (Mit Pcmon-
der Apparate.)
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Google
Per Vortragende geht aus von dem therapeutischen
Indikatiniisgebict der d’ Arsotn aNtrmtie. die er in ihrer all¬
gemeinen Anwendung durch Autnk«»ndukimn bei versJuc-
deiietl Stofiw echselsturungeti verwirft, wahrend deren lokale
Verwendung sichere anästhesierende. anaigcsicremlc ur.d ami-
pruriginöse Wirkungen entfaltet, selbst ohe nl.ulmJic Karzi¬
nome heilen kam’, w ic R i v i e r e. S t r c b e I u. a. bestätigen.
Keating-Hart ging einen Schritt weiter, ir.dcin er durJi
Frliohung der Leistungsfähigkeit der Apparate N !'• cm large
Funken in tiefe maligne Tumoun cinsjilagen hess. wobei
w eiliger eine Vers c h o r! u n g als eine F rw ei c b u n g
anstrebte. Pie Krebszellen werden ekktiv zerstört und das
Bindegewebe geschont. es tritt eine rasjie Benarbung und
Fpidetmisierting ein. die Narben s;nd nullt adbaretit. eute ent¬
setzende Lympborrbuc schwemmt die imkroskop.sjien lum«*r-
elemeiite heraus. Pas \ erfahren, dtirv.li s'etes Zusammen¬
arbeiten mit dem Chirurgen ..metli«»de e!ecirn-ch:rurgu.i!c" ge¬
nannt. wird naher beschrieben, ebenso das jetzt in PeiitsJi-
land gebratuhficlie. durJi die Vedawerkc \erbesserte Instru¬
mentarium geschildert. Line sJiad.gemlc Lmwirkur.g auf dmt
(iesamtorgauismus findet durJi diese Methode nullt statt, d.e
frühereit Schmerzen verschwinden, die Blutungen huren auf.
die Kranken verlassen sehr bald das Bett. K e a t i n g -Har t.
der von allen deutschen Aerzten als obuktixer und w issi ii-
ss ha ft lieber Beobachter ges Jw-LL rt w ird. hat bei Je n Kar/im »m-
gruppen die Blitzhehandliirg angewandt: bei Haiitkar/momen.
besonders des (iesichls, mit ‘>5 Bro/.. hei Matnmakar/m.om m.t
4n 5n Broz. und bei SJileimh.iutkrehseit mit 2" 23 Br**/.
Heilung; Zungen- und KcMk* >pih re bse habt n stets das
schlechteste I lerlfs. siiltat ergeben. I';eitm K en lalle werden
durch die K e a t i n g - H a r t sehe Mab.* de eher geheilt
werden können, hei denen es gelingt, alles Krebsgewebe der
Fulguration zugänglich zu machen. Pie im hiesigen Marie n-
kraukeiihaiis tiilgurierten Falle k*>m;en über den Wert oder Un¬
wert der Methode deshalb keine sichere Antwort geben, weil
sie von vornherein für diese I hcrapie sehr uiig ir.stig lagen.
Nur bestimmte, durch die Frfahrting beratis/uh:.elende Falle
werden fiir das neue Verfahren geeignet sein, weshalb der Vor¬
tragende auffordert, dasselbe weiter zu \crsiuheM und naJt-
zupriifcii.
Diskussion: Herr hihiis 1 r i c e! I a e n d er: I Y r V-.’t'agcndc
Kat unter den \ut*• r*■ n. ehe de s'geti. I n'gtir.i* ■ n vier k.r/e-’t c he-
Soiulers befürworten. au^li Herrn > t r e I* c 1 m V .ikI.cm genannt. ek r
in tlrr Tat I*>*»I e instige \ erMK hsr cmi- täte rm! äoen \ o-
faliren publiziert hat. Is muss aber demgege n iber bt !• *nt \uiJm.
dass Strebe! neiicrvlmgs (I »eutSv. !ie nud. W ■ ^ he ns v ’ir.. 1*a*s, l f l
Seme Fmpiehlung eie r Methode st !ir tinceSv.lir.mkt hat. in.'.t m er soll
auf Grmnl weiterer mehr *.dit ige r 1 r iah* iiiuen dahin ausc-p* . v } t. vlass
ehe B* stralilimg mit I imkeiistr .mu n. se i es auf kürzere oder w t itef'e
Distanzen, mit oder "hne K diiiiMg. nur rein !<• a'e I "ekle aber kerne
Heilungen erziele und eine neue F ;>***. he in vier Dehand.ung des
Krebses damit nullt ange brmheii Sei.
Wissenschaftliche Vereinigung am städt Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung v o m 4. F c b nur l'*iv
\'< irsitzeuder : Herr R e h n.
Schriftführer: He rr Hinge 1.
Herr Hoch ne sprüht nler ehe Scriimdiagnotc der S> phili*.
In ausiiihr heller Weise wird das li.mu >i\t.s«. he >Wem besprühen und
das Phänomen des Fmtritts l*ezw. Ausbleibens ,1er M.mug\s t - m.*n-
striert. Hierauf wird das Wesen der W ;i s s t r tu ;i n n sdieii Re¬
aktion erörtert, insbesondere die WiJmgkeit der K • n t: • • en U. c : \ • r -
gehoben
Redner zeigte
an
einer K
'ehe \‘ll Re.* g-.
. n/g aSchen
eie *1
Ausfall
der
Reaktion mit
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untersucht w- :
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normalen Sens gab kein ein/ices einen fs.«»v:ie». n \usfa': vier Ren) t;< -n.
N' f >ii klinisch s\ |-tkiii!»sv he rt Sens e* gaben evie n p>.:;'.ei: Aus¬
fall eler Re.iktioii 1*2.5 Pro/. Das /mm-d ä ' e n dieser / "er harter
den an ainleren XilSta.tcJi ge flir.de ruu erk.'t s. Ji vi.iran^ dasN nur
eine sehr starke Hemmung als p-vf.\ e Re a* t.-n \ yuze.v bret w ur de.
Diskussion: H._ rr Sachs e mne't an d e \ • -n Wasser-
ma n n-Purges. I.;t inistt i r. e r - 1* •. t / e ’ - M •: : i e r. L e \ a -
el i t i - Y a m a ti o u c h i en?d--v kt«- l.i’cid'-'. d.ms ..Ue n l\t r akt
S\ plnlitisJieT Leber n vor baiulcllv K p. anide a k • di Ji ist und
durch Lc/ilfim oder gaaensaurc >.i'/e werden kam; ied.o^h
Sollen weder letztere, noch das 1 eoti.m raJi den Angaben \«>n
OrigiiTBl From
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1611
Levaditi-Yamanouchi so wirksam sein, wie die Leber¬
extrakte. In gemeinschaftlich mit Dr. Karl A 11 m a n n ausgeführten
Untersuchungen ist es Sachs gelungen, in den Seifen weitere Sub¬
stanzen aufzufinden, die sich bisher als ausserordentlich geeignet für
den Ersatz des Leberextraktes erwiesen. Die Untersuchungen be¬
ziehen sich auf das oleinsaure Natron, das in Mengen von 0,2 bis
0.3 ccm 1 proz. Lösung für die Wasserman nsche Reaktion mit
bestem Erfolg angewandt werden konnte (Demonstration). Ob das
oleinsaure Natron geeigneter als Lezithin oder gallensaure Salze ist,
wird vorläufig dahingestellt gelassen. Wenn auch durch diese Fest¬
stellungen wahrscheinlich geworden ist, dass die eine beteiligte Kom¬
ponente nicht spezifisch im Sinne der Immunitätsreaktionen ist, so
ändert das doch nichts an der klinischen Spezifität und beein¬
trächtigt die praktische Bedeutung der Wassermann sehen Re¬
aktion als wertvolle Bereicherung der diagnostischen Hilfsmittel in
keiner Weise, da die positive Reaktion bisher eben nur mit den
Seris Syphilitischer erzielt werden konnte. Der endgültige Ersatz
des Leberextraktes durch eine chemisch definierte Substanz wäre
als praktische Vereinfachung sehr zu begrüssen.
Herr Salomon -Wien als Gast spricht über die serodlagnosti-
schen Erfahrungen bei Lues aus der v. Noorden sehen Klinik.
Herr Embden: Ueber das Verhalten von Leuzin in der Leber.
(Publiziert in Hofmeisters Beiträgen zur chemischen Physiologie und
Pathologie.)
Verein der Aerzte in Halle a. S.
(Bericht des Vereins.)
7. ordentliche Sitzung vom 20. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr Veit.
Schriftführer: Herr Herschel.
Diskussion über den Vortrag des Herrn Mohr:
Ueber einige Fragen des Stoffwechsels und der Ernährung.
Herr L e s s e r bemerkt, dass der Diabetes lediglich durch eine
Hyperglykämie nicht erklärt werden könne, da hiedurch keine Auf¬
klärung für das Auftreten von /1-Oxybuttersäure, Azeton und ähn¬
lichen Körpern gefunden werde. Inwieweit es sich um eine Oxy¬
dationsstörung handle, sei noch nicht zu entscheiden, da man nicht
wisse, ob etwa die anoxybiotische Zerlegung des Zuckermoleküls
beim Diabetes herabgesetzt sei.
Bezüglich des Muskelstoffwechsels sei die Meinung, dass der
Muskel nur auf Kosten von Kohlehydrat arbeite, experimentell noch
nicht bewiesen. C. V o i t hat nur gezeigt, dass Muskelarbeit nicht
die Ursache der Eiweisszersetzung sei, dass Muskelarbeit nicht
die Eiweisszersetzung steigern muss. In gemeinsam mit Petten-
kofer angestellten Respirationsversuchen hat er gefunden, dass
Muskelarbeit auch auf Kosten von Eiweiss und Fett geleistet werden
kann. Der Stoffwechsel des Muskels ist noch nicht aufgeklärt.
Herr Hildebrandt: Der Vortr. hat über einige Fälle be¬
richtet, bei denen trotz reichlicher Nahrungszufuhr kein genügender
Stoffansatz erfolgte, vielmehr ständige Abmagerung eintrat und er¬
klärt dies mit einer Steigerung der Oxydationsprozesse in einem
solchen Organismus. Demgegenüber wäre es aber auch möglich,
dass der „physiologische Nutzeffekt“ der eingeführten Nährstoffe
ein geringerer ist als in der Norm, indem im Kot sowohl wie im
Harn Stoffwechselprodukte auftreten, welche nicht voll im Organis¬
mus zur Verwertung gelangt sind; es wäre dies zu ermitteln durch
Bestimmung des Kalorienwertes von Harn und Kot. Falls diese
Werte sich als höher wie in der Norm ergeben sollten, so wäre
eher mit einer Herabsetzung der Oxydationsprozesse in einem solchen
Organismus zu rechnen. Man könnte nun meinen, dass dann die
Werte für die durch Ausatmung austretenden Kohlensäuremengen nie¬
driger sein müssten; indes ist bezüglich des Eiweissstoffwechsels zu
berücksichtigen, dass die Möglichkeit besteht, dass die aus dem zu¬
geführten Eiweiss im Darmkanale entstandenen Verdauungsprodukte
in ungenügendem Masse zu assimilationsfähigem Eiweiss wieder
aufgebaut würden, wohl aber im Stoffwechsel verbrannt werden und
daher zur Bildung der normalen Endürodukte des Stoffwechsels bei¬
tragen.
Herr W i n t e r n i t z: M. H.! Ich möchte nur auf einen Punkt
Bezug nehmen, der mir von einer gewissen praktischen Bedeutung
zu sein scheint. Herr Mohr hat die interessante Beobachtung ge¬
macht, dass beim Diabetes mel. die Verbrennung des Kohlehydrat¬
moleküls verzögert ist und er hat damit die Hyperglykämie in plau¬
sibler Weise erklärt. Er hat ferner im Hinblick auf diese Herab¬
setzung der oxydativen Energie der Zellen es als ein therapeutisches
Desiderium bezeichnet, ein Mittel oder allgemeiner gesagt, eine Me¬
thode zu finden, die geeignet wäre, die Zellen des diabetischen Or¬
ganismus zu stimulieren. Ich möchte demgegenüber darauf hin-
weisen. dass das einzige Mittel, das — soweit mir bekannt ist —
wirklich die Zuckerausscheidung beim Diabetiker herabzusetzen ver¬
mag, das Opium ist bezw. seine Alkaloide. Vom Opium bezw.
Morphium kann man aber sicher nicht behaupten, dass es ein Sti¬
mulans für die Zellen därsteflt. Ich möchte eher glauben, daSs es
eine gewisse depressive Wirkung ausübe. Ich habe vor Jahren Ver¬
suche gemacht, die ich nicht oder noch nicht publiziert habe, aus
denen hervorgeht, dass das Morphium nicht nur die Erregbarkeit des
Atemzentrums herabsetzt, wie ich für den Menschen zum ersten
Male nachgewiesen hatte, sondern dass es auch unter sonst gleichen
Bedingungen den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäureproduktion
vermindert. Das Opium ist aber nicht nur das einzige Mittel, das
beim Diabetes wirkt, sondern es wirkt bemerkenswerter Weise auch
bei allen Formen des Diabetes, es wirkt nicht nur bei gewöhn¬
lichen Diabetesfällen, sondern es wirkt auch sicher beim Pankreas¬
diabetes. v. M e r i n g hat mitgeteilt, dass er es in 2 Fällen von
Pankreasdiabetes beim Menschen mit prompter Wirkung gegeben
habe. Ich habe kürzlich mit Herrn Dr. Ernst Meyer Versuche
über die Einwirkung des Opiums auf die Zuckerausscheidung beim
pankreas-diabetischen Hund gemacht. Die Wirkung war eine ganz
eklatante. Bei gleichbleibender Nahrung sank die Zuckerausschei¬
dung beträchtlich ab (wir gaben 2 dg Opium bei einem Hund von
ca. 8 kg), um beim Aussetzen des Opiums wieder anzusteigen. Wie
das Opium wirkt, wissen wir allerdings nicht und können uns darüber
auch kaum eine plausible Vorstellung machen. Es hält aber schwer,
anzunehmen, dass es stimulierend wirke. Damit soll nicht gesagt
sein, dass nicht andererseits auch Mittel und Wege gefunden werden
können, die durch eine Art Stimulation der Gewebe die Zuckeraus¬
scheidung herabzudrücken vermögen. Eigentlich besitzen wir solche
Mittel oder Methoden schon. Ich erinnere an die Muskelarbeit und
dann an das heisse Bad, an die Ueberhitzung durch heisse Bäder. Ich
habe beim Menschen zeigen können, dass durch protrahierte heisse
Bäder, die Oxydationsprozesse selbst um 100 Proz. und mehr ge¬
steigert werden können. Die Berechnung ergab, dass ein Teil des
Sauerstoffmehrverbrauchs auf den Zerfall stickstofffreier Substanzen
bezogen werden müsse. Diese Beobachtungen veranlassten mich
seinerzeit, das heisse Bad bei leichten Diabetikern anzuwenden.
Durch geeignete Versuchsanordnung — Abfangen des Urins während
einer mehrstündigen Verdauungsperiode nach kohlehydrathaltiger
Nahrung — gelingt es beim Menschen, den Einfluss heisser Bäder im
Sinn einer Herabsetzung der Zuckerausscheidung mit Sicherheit fest¬
zustellen. Ich habe die Versuche nicht veröffentlicht, da Lüthje
von grösseren Gesichtspunkten aus und durch umfassende Versuche
die Wirkung differenter Temperaturen auf die Zuckerausscheidung im
Tierexperiment gezeigt hat, aber ich glaube, dass die Mitteilung
über meine Versuche an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang
nicht ohne Interesse sein wird.
Herr Ad. Schmidt: Die Theorie des Herrn Mohr hat zwei¬
fellos manches Bestechende. Indem er an Stelle des Unvermögens
oder der herabgesetzten Fähigkeit der Zellen, Zucker zu verbrennen,
die verlangsamte Verbrennung setzt, beseitigt er viele Schwierig¬
keiten. Aber es fragt sich, ob wir ohne die Leber auskommen
können? Warum sind die Glykogendepots, wenn der Zuckerver¬
brauch im Diabetes verlangsamt ist, dauernd leer und nicht vielmehr
dauernd gefüllt? Warum ist während der Resorption von Kohle¬
hydraten die Zuckerausscheidung stets am grössten? Mangelhafte
Glykogenablagerung und mangelhafter Zuckerverbrauch der Zellen
laufen im Diabetes nebeneinander her, und es hat bisher noch keine
Theorie vermocht, sie in plausibler Weise in Einklang zu bringen.
Uebrigens weisen die neueren Forschungen immer mehr auf die
grossen Unterschiede zwischen dem Pankreasdiabetes des Hundes
einerseits und dem menschlichen Diabetes andererseits hin. Da haben
wir beim Hunde eine Steigerung der Verbrennungsprozesse, die beim
Menschen fehlt, wir haben andere Verhältnisse der Azidose, wir
haben nach Herrn Mohr Wirkung der Benzoesäure usw. Wie wenig
menschliche Diabetesfälle gibt es, die als Pankreasdiabetes ange¬
sprochen werden können? Der Diabetes des Menschen zeigt
ausserordentlich wechselndes Verhalten. F a 11 a und G i g o n,
S t ä u b 1 i u. a. haben gezeigt, dass es Fälle gibtl
welche empfindlicher gegen Eiweisszufuhr sind als gegen
Kohlehydratzufuhr. Bei anderen, den sogen, renalen Formen, bleibt
die Zuckerausscheidung ganz gleichmässig, einerlei wie die Nahrung
verändert wird. Wieder andere zeigen die hohen N-Retentionen, die
bisher noch völlig rätselhaft sind. Unter diesen Umständen muss man
daran denken, dass es beim Menschen mehrere diabetogene Organe
gibt und es empfiehlt sich, theoretische Vorstellungen, welche nur
aus Untersuchungen beim pankreas-diabetischen Hunde abgeleitet
sind, nicht zu schnell zu verallgemeinern.
Die erwähnten N-Retentionen sind auch für die Frage der Ei¬
weissmast sehr interessant. Wenn soviel N bei gewissen Fällen von
Diabetes im Körper zuriickbleibt, ohne dass wir bisher wissen, was
aus ihm wird, so versteht man es, dass wir noch nicht volle Klarheit
über die Verhältnisse bei Ueberernährung mit Eiweiss haben können.
Dass die neueren Untersuchungen die Bewertung der Eiweiss¬
ernährung auf das rechte Mass zurückgeführt haben, ist mit Freude
zu begrüssen, aber Herr Mohr hat bei seinen Ausführungen sich mit
Recht gehütet, daraus den Schluss abzuleiten, dass man nun, zumal
in Krankheiten, weniger Eiweiss geben soll. Dazu ist auch kein
Grund vorhanden, denn eine Zelle, die dauernd in Eiweiss schwelgen
kann, hat gewissermassen ein gutes „Temperament“. Die Vorstellung
ist erlaubt, dass es ihr leichter wird, komplizierte Eiweissverbin¬
dungen (Antistoffe) aufzubauen.'^ls elher auf knappe Eiweisskost ge¬
setzten Zelle. Die Forderung geringerer Eiweissmengen in der
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu.
161 2
Nahrung hat wesentlich zur Verbreitung des Vegetarianismus bei¬
getragen, einer Mode, die ich nicht mitmache. Ich möchte auch die
Forderung nicht unterschreiben, dass die V o i t sehen Standardzahlen
in bezug auf die Eiweisskost verringert werden. Man kann nur
sagen, es geht auch mit weniger Eiwciss, aber es ist noch nicht
erwiesen, dass das Optimum der Ernährung bei geringeren Eiweiss-
werten liegt. Ebenso ist noch niemals nachgewiesen, dass eine
reichliche Ernährung mit Eiwciss dem Oesunden in irgend einer
Weise schädlich ist.
Herr H a r n a c k weist darauf hin. dass die angeregten Fragen
zu den schwierigsten und weittragendsten gehören, so dass man bei
der Diskutierung derselben (jefahr läuft, entweder zu weitschweifig
zu werden oder auf der Oberfläche zu bleiben. Das Fundament des
tierischen Chemismus, ja geradezu das Lebensrätsel sei gegeben in
dem Gleichgewicht zw ischen Katalysatoren und Sauerstoff, zw ischen
Spaltung und Verbrennung. Unter pathologischen Umständen wurde
er bei völligem Mangel von fieberhaften Erscheinungen am wenigsten
geneigt sein, an eine primäre abnorme Steigerung der Oxydationen
zu denken. Dagegen könne sehr wohl ein abnormes Ueberw iegen
der katalytischen Prozesse cintrctcn im Verhältnis zu den oxydativen,
relativ oder absolut. Relativ bei zu wenig Sauerstoff, wovon das
Extrem im Erstickungsvorgang gegeben sei. der sicher nicht bloss
als Kohlensäurevergiftung betrachtet werden dürfe. Absolut durch
behinderte Enzymzerstörung. Dass gewissen Organen (Leber) die
physiologische Aufgabe der Enzymzerstörung zufällt, sei wohl zwei¬
fellos. und was durch den Wegfall dieser Tätigkeit für Folgen ein-
treten, darüber hätte namentlich das Studium gewisser Vergiftungen
(Phosphor) wertvolle Aufschlüsse geliefert.
Umgekehrt könnte gewissen Krankheiten auch ein Manko von
katalytischen Vorgängen zugrunde liegen: gerade beim Diabetes
mellitus habe diese Auffassung viel für sich. Zwar konnte man
auch a priori an eine übermässige Tätigkeit von Katalysatoren denken,
indem diese letzteren durch Abbau der kondensierteren Moleküle so
überreichliche Zuckermoleküle produzierten, dass die immerhin lang¬
same Verbrennung des Zuckers dem nicht nachkommen konnte, aber
viel mehr Wahrscheinlichkeit habe doch die Annahme des Fehlens
eines katalytischen Vorganges, durch den das Zucker¬
molekül erst in seinem Gefüge gelockert werden muss, ehe es ver¬
brannt werden kann. Das würde an den Vorgang der Alkoholgärung
durch das Hefeenzym erinnern, und vielleicht sei es w irklich der ja
so leicht und rasch verbrennende Alkohol, der als kurzlebiges
Zwischenprodukt dabei entsteht. Dafür spreche, dass der Zucker,
wenn nicht normal gespalten und verbrannt, abnorm im Organismus
des Diabetikers gespalten werden kann (Azeton etc.). Auch die
Tatsache des Pankreasdiabetes stehe damit im Einklang, da das Pan¬
kreas zweifellos auch die Aufgabe habe, ein bestimmtes Enzvm ins
Blut zu liefern. Uebrigens sei es wohl möglich, dass dem Diabetes
mellitus, lediglich als Symptom betrachtet, verschiedene Ursachen
zugrunde liegen, und insofern gebe es vielleicht mehr als einen
Diabetes.
Was die Therapie bei letzterem anlange, so sei das Opium ein
schon längst benutztes Mittel, zuweilen von zweifelloser W irkung
und selbst in stärkeren Dosen von den Diabetikern meist gut ver¬
tragen. Man dürfe aber doch nicht übersehen, dass beim (jebrauche
von alkalisch-salinischen und alkalischen Wässern (Karlsbad. Neuen¬
ahr etc.) nicht selten günstige Erfolge, wenigstens vorübergehend,
erzielt worden seien.
Herr Winternitz: M. H.! Auf die Anfrage des Herrn (ie-
heimrat Harnack kann ich nur erwidern, dass ich aus eigener Er¬
fahrung w'enig über die Wirkung der Alkalien beim Diabetes zu sagen
vermag. Ich kann mich aber auf einen so ausgezeichneten Kenner
des Diabetes, wie v. M e r i n g es war, berufen, der die Ansicht ver¬
trat, dass die Alkalien die Zuckcrausscheidung nicht im mindesten
zu beeinflussen vermögen. Auf demselben Standpunkt steht - soviel
ich weiss — N a u n y n. Dass Karlsbad, Neuenahr und anderen Orts
vorgenommene Trinkkuren sich als wirksam erweisen, hängt be¬
kanntlich mit eitler Reihe von Faktoren zusammen, auf die ich nicht
einzugehen brauche. Neuerdings werden auch die radioaktiven Sub¬
stanzen zur Erklärung der Wirkung mit herange/ogen. Erwähnen
möchte ich noch, dass ich bei mittelschweren Fällen von Diabetes
mit leichter Azetonuric von grossen Alkaligaben nie eine Einwirkung
auf die Zuckerausscheidung selbst konstatiert habe.
Herr Mohr (Schlusswort): Die Meinung von Herrn besser,
dass sich aus der (ilykosurie aus verlangsamter Zuckeroxydation das
Auftreten der Azetonkörper nicht erklären lässt, ist nicht richtig.
Wir sehen auch beim Gesunden, dass, sobald die. Kohlehydrate in
der Nahrung wegfallen, die Azetonkörper auftreten. unter Umständen
in bedeutenden Mengen. Beim Diabetes werden allerdings meistens
die grosseren Mengen ausgeschieden. Aber auch hier lässt sich doch
im allgemeinen die Abhängigkeit der Azidosis von der Zuckerver¬
wertung nachwcisen.
Wenn Herr Hildebrandt meint, dass in den von mir erwähn¬
ten Fällen von gesteigerter Wärmebildung die Ursache davon in
mangelhafter Ausnutzung der Nährstoffe im Darm oder mangelhafter
( ’\ vdation jensciis vom Darm läge, so ist das nicht richtig. Fs
verständlich, dass mir diese Fehlerquelle bekannt ist. und ich
■ usdriicklich, dass solche Fälle von vornherein in meiner
Betrachtung ausgeschlossen waren. Es ist aber weiterhin bemerkt
nicht einmal richtig, wenn Herr Hilde brau dt meint, die mangel¬
hafte Sv ntliese der Eiw eissbausteine in der Darmwand wurde eine
Vermehrung des Eiw eissbedai fs tnaJicii. Wir wissen, dass es s*>ga:
möglich ist, den Eiw eissbestand des Körpers zu erhalten bei ein¬
facher Zub'lir \on Aminosäure in der Naht uug. Dann IM Me*:
H i I el e b r a n el t überhaupt, wie nur scheint. noch darin im Irr¬
tum. wenn er die gesamte W ar mebn lung des Kor pc ts /imimiii u-
wirft mit der Zersetzung eines bestimmten M-hes, /. B. des I .
w eisses.
Was die I rage des Herrn Prof. S e h m i d t betn”t. w "he t in
Diabetes die (il\kogeriv erat muug der Leber komme, und dass cn w
Erscheinung auch mit der Annahme einer \ erlangsamte n Zu. Ser¬
verTrennung ebensowenig wie durch andere Iheorun zu i'k .i'eii
wäre, so bemerke ich. dass das durchaus keine Scfrw ie r ukciUn
macht. Wir wissen, dass unter normalen \ er hdtmsMii es m erster
Eime du- Kohledi\ eirate sunl. weiche zur Warme! lang E.ei.m-
gezogen w eiden. Die Zufuhr vier notigen Menge von k • h u ’• \ d' afe o
nach den Muskeln, welche die h.mpts.u h!u lisfen Bi ,dur. gsst...: t e n der
ticiischen Warme suwl. wird durch einen lern reagierenden Mecha¬
nismus hew er ksti-üigT. weicher es ermöglicht, dass niemals de r
Zuckergehalt des Blutes über ein gewisses Niveau steigt und ii.o
Gefalle zwischen Blutzucker und Ge w ebs/iuke r erhalten Ke bt.
Wie diese Regulation vor sich geht, wissen wir nicht. wir kennen
nur die Tatsache, dass bei Mangel an Kohlehv drateri m der I’e c: e
die Leber aus (ilvkogen /.Ucker bildet und diesen an das M ut a K -
gibt. welches ihn nach den Malten des Verbrauchs traipsp. ,r tie r t.
wir w issen ferner, elass die .Muskelzelle eine ausgesprochene AhmuM!
zum Kohlehv drat hat gew isserm.issen flach Kohlehv dutten ste ts
steigert. Stellen Me sich. m. H.. nun vor. dass im Diabetes >l:eM'
Hunger infolge der langsamen Owdution des Ztn ke? ?lp§e ks 1 : 1 dl
befriedigt wird, so wird die böige- sein, dass zur A! Sättigung der
hungernden Zellen immer mehr KohUlndrat vmi der l eher an das
Blut geliefert wird, die Gl v koge-ndepots werden auf ilusc W e ne
leer und iler Zucker häuft sich m den Milieu des Horpe is an be/vv.
wird durch ehe Nieren ausgesc hieden. Die tiodi me r k w ir d gm e 1 af-
saclie. dass der im Blute anveluuite Zinker nicht wieder zu ii \ b-
gen wird, wie das mit dem Nalir ungs/uc ke r geschuht, ist e'**?t
schwerer zu erklären, ia man kann sagen, gegenwärtig überhaupt
nicht; es sei denn, dass man die Annahme macht, dass Zucker,
der einmal im Blutstrom ist. überhaupt nicht mehr von der l eher m
(ilvkogen umgew nudelt werden kann, eine \ or steluiftg. ehe in akn-
licher W eise neuerdings von G. R o s e n f e I el geanssert wureie.
Herrn W i n t c r n i t / habe ich zu bemerken. dass es ausser dem
Opium zweifellos noch ArzriviMofte- gd't. weiche eie n Zinker heuib-
set/en. /. B die Sali/v lpraparate. das Zv zigium lambul. etc. W .»s
das Opium betrifft, so nehmen wir allerdings an. J.es er auf In
Nervensystem beruhigend, also nicht stimulierend wirkt: damit is?
aber noch nichts ausges.igt darüber, wie sich ehe Hemmung e!e s
Nerveneinflusses auf die l'unktjoti iler Or ganze l’e Iw zw. deren te*-
mentative Tätigkeit äusse-M.
Was dann den von Herrn W internit/ äuge fuhr teil I c.K.sv
hoher Ausseiitemperaturen auf ehe Zik keraussc lieidving Kfrmt. so
mochte ich hemeiken. dass ehe \ ersuche .von I. ti t h t e nicht tm-
w ielersprocheii gebliebe n sind. Ich se ihst habe ii.ichgew hhii, da.'-s
beim pankreaslosen Hund keineswegs eine konstante Met abse. t/umg
der Zucket all ss Jiei düng bei I e mpe ■ ature u v.ui d s " C emdr.it.
ebensowenig in der Kalte eine Erhöhung. Ich h.d-e ferner tun ': -
gew lesen, dass auch der Zucker ge halt des B'utes. m diesen ’lempera-
turen nicht so sieh verändert, wie man erwarten Sollte, wenn de r
von l.iithje behauptete I mrlnss iler l mgebimgstempe: atm auf du
Z ti c k e r b i I d IJ u g bestände. Man vereisst leider immer. dass
Zuckerbildimg und Ziie keraussc henluiig im Diabetes nicht identm/;e
w erden darf, leh habe m meinem \ erfrag sdioti auf das Mssvcr-
hältnis hillgewiesen, das wir zwischen ( liv k.nme und G'vkosune te M-
gestellt haben. Audi die von Herrn > e h m r d t betonte l.iurwn-
liaftigkeit in der Reaktion verschiedener Diabetiker aut gieniie 1 n-
grittc, /. B. Eleisdi- oder l w r n.ihi Urig eti.. beruht n.idi me iner \n-
sicht nicht darauf, elass die Zucker bmiimg m c,,ese n EG. en eju.mtitj’ov
verschieden ist. sondern dass die Aussdieidimg des Zuckers .ms
bestimmten, i tu em/eirien vor läufig Schwer deümerbaren (irrmden
v erschieeleii v erlauft.
Zum Schlüsse konstatiere ich mit g'osster Be lried:gimg ,d,.ss uh
mit eleu Anschauungen. die Herr Gehe muff Harnack hier ent¬
wickelt hat. im wesentlichen aber e msj unme. \ust.itt m meinem \ or¬
trage zu sagen, die bei der Ziickerv er h'e urning tätigen I t'mente
funktionieren nicht genügend, datier k-riüiif die \ e ■! re umr-.g i.mg-
siim in (i.mg. hatte ich sagen können, du kata'v tisdiem A^urge sm.l
gehemmt. Es ist ia gerade gegenw a;pg eme uugek'irte I r age. oh
bei eie ui. was wir ais Eertftvntpr o/e ss a’wpi ed:e u. nuiit pliV'-ik.. iSjh-
cltenlischt* Vorgänge* beteiligt sind. ( ie'ude über el.ts Wesen de r
Zuckerverbrennung im Tierkorper hat iw tier dir gs Schade sehr an-
sprechende plivsikalisdi-ehennsdie I »e traditm ge n ge.mssert bi
ph vsikalisch-chemisdiem Sinne wäre vul'e uht audi die Wirkung e!e r
Alkalien, speziell der von Herrn H a r n a c k genannten a ^ a isc i;e n
Brunnen erklärbar. Es ist ein s t br iw ak::v es Evpcwm.e nt, wenn
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1613
man sieht, wie in der Bunsenflamme Rohrzucker verbrennt bei Zusatz
einer Spur von Asche.
Herr Hildebrandt: Weder in seinem Vortrage noch in seiner
Erwiderung hat Herr Mohr auf die angeregte Untersuchungsweise
Bezug genommen; sie allein erscheint entscheidend. Auf das Auf¬
treten einzelner Zwischenprodukte des Stoffwechsels im Harn
darf kein grosses Gewicht gelegt werden; die von klinischer Seite
ausgeführten Untersuchungen hinsichtlich der Auffindung solcher Pro¬
dukte sind nicht immer zuverlässig, was auch von Abderhalden
besonders betont worden ist.
Herr Mohr: Selbstverständlich ist in meinen Untersuchungen
der „physiologische Nutzeffekt“ festgestellt. Ich habe betont, dass
meine eigenen Versuche, auf die ich mich hier stützte, im
Reignault-Reisetschen Apparat ausgeführt sind. Eine Berech¬
nung der Wärmebildung wäre gar nicht möglich ohne die Kenntnis
des im Darm und Harn verloren gegangenen Nährmaterials. Ich
habe die Einzelheiten nicht ausdrücklich hier erwähnt, wohl aber
in meiner bereits publizierten Arbeit.
Herr Fraenkel: Ich möchte mir erlauben, m. H., Ihnen hier
ganz kurz eine Reihe von mlkrophotographischen Aufnahmen vorzu¬
legen, die ich vor Jahresfrist angefertigt habe und die Ihnen das
Vorkommen und die seitenständige Anordnung von Geisselfäden an
den verschiedenen Spirillen zeigen sollen, die als die Erreger der
afrikanischen, der amerikanischen und der europäischen Rekurrens-
krankheit festgestellt sind. Wenn ich mir erlaube, diese Bilder hier
vorzuführen, so hat das seinen Grund namentlich in der Tatsache,
dass unter den zahlreichen Untersuchern, die sich gerade mit diesen
Infektionserregern im Laufe der letzten Zeit beschäftigt haben, sich
noch immer eine grosse Anzahl zu befinden scheint, denen es bisher
nicht gelungen ist, die Geisselfäden an den Rekurrensspirillen in
gehöriger Weise zur Darstellung zu bringen und die über ihre nega¬
tiven hierher gehörigen Befunde berichten. Hatten z. B. N o v y und
Knapp vor nunmehr 2 Jahren derartige Beobachtungen mitgeteilt,
so muss man sich doch darüber wundern, dass B r e i n 1 noch in
seiner letzten Veröffentlichung über den gleichen Gegenstand eben¬
falls erwähnt, dass es ihm nicht gelungen sei, diese Bewegungsorgane
aufzufinden, und in manchen anderen Veröffentlichungen liegen die
Dinge nicht wesentlich anders. Bis zu einem gewissen Masse er¬
klärt sich dieser Misserfolg wohl aus den Schwierigkeiten, die es
macht, die gehörige Art der Darstellung zur Anwendung zu bringen.
Die hier allein mit Erfolg gekrönte Methode der Geisselfärbung setzt
eine gewisse Uebung und Erfahrung auf diesem Gebiete voraus.
Man muss das Material, das die Spirillen enthält, also das Blut der
infizierten Tiere, auf dem Deckglase so ausstreichen, dass es eine
völlig gleichmässige, feine und von Blutkörperchen freie Schicht
bildet, d. h. man hat das Blut mehrmals mit steriler Kochsalzlösung
auszuwaschen und endlich auf dem Gläschen in feinster Lage aus¬
zubreiten. Alsdann beizt man die so hergestellten Präparate mit
gerbsaurem Antimonoxyd und färbt endlich in der von Zettnow
angegebenen Weise mit Aethylaminsilberlösung nach.
In den so hergestellten Präparaten nun sieht man ohne weiteres
sehr zahlreiche, teils endständige, teils und namentlich aber
seitenständige Geisselfäden an den Spirillen auf-
treten, und wenn Sie die Ihnen hier vorgelegten Photogramme dieser
Objekte nur etwas genauer ins Auge fassen, so werden Sie sich
sofort von der Richtigkeit der Ihnen soeben vorgetragenen Tatsache
überzeugen können. Neben solchen Zilien, die an den Spirillen noch
haften, sieht man natürlich in den Präparaten auch mehr oder we¬
niger zahlreiche, die sich losgerissen haben und die also neben und
zwischen den Spirillen selbst erscheinen.
Wenn ich Sie nun auf diese Dinge hier aufmerksam mache, so
geschieht das namentlich, um Sie auch für die von verschiedenen
Seiten mit mehr oder minder grosser Schärfe behandelte Frage nach
der Natur der Spirillen selbst zu interessieren. Aus Gründen
der allerverschiedensten Art hat man nämlich die Anschauung ver¬
treten, dass es sich hier nicht um pflanzliche, also in die Klasse der
Bakterien, sondern um niederste tierische, zu den Protozoen zu
rechnende Mikroorganismen handle und hat zur Bekräftigung dieser
letzteren Ansicht auch darauf verwiesen, dass sie keine Geisselfäden
bildeten bezw. die von ihnen getragenen Zilien nicht das bezeichnende
Verhalten besässen, das ich Ihnen hier soeben demonstrieren konnte.
Sie werden nach dem, was Sie hier sehen, dieser Anschauung
gewiss die Gefolgschaft versagen: nach der ganzen Anordnung, nach
dem Aussehen usf. der hier vorhandenen Geisselfäden wird man in
der Tat nicht die geringste Veranlassung haben, an
tierische Mikroorganismen zu glauben, wird vielmehr
mit allem Nachdruck den Standpunkt vertreten müssen, dass es sich
hier um Vertreter der niedersten Gruppe des Pflanzenreiches, dass
es sich also um Bakterien oder jedenfalls um nächste Verwandte
derselben handelt. In Wahrheit entbehrt ja die hier eben ange¬
schnittene Streitfrage jeder tieferen Bedeutung namentlich für uns
Aerzte; ob tierische oder pflanzliche Lebewesen in Betracht kommen,
ist gerade hier, auf der untersten Stufe dieser beiden grossen Natur¬
reiche, eine Angelegenheit, deren Erledigung man vielfach geradezu
als Geschmackssache bezeichnen kann und deren Entscheidung daher
an sich nur den begeisterten Systematiker wird interessieren können.
Indessen .'sei bemerkt, dass doch über den engen Kreis der so be¬
teiligten Persönlichkeiten hinaus insofern auch weitere Kreise ge¬
rade der hier aufgeworfenen Frage eine gewisse Bedeutung nicht
werden abstreiten können, als man bisher nur bei pflanzlichen Lebe¬
wesen die Frage der künstlichen Züchtung in bejahender
Weise zu beantworten vermocht hat, als also nur bei Mikrobien:
aus dem Lager der Pflanzenwelt es bisher gelungen ist, die Ent¬
wicklung auf unseren Nährböden mit gehöriger Sicherheit zu veran-j
lassen. Wenigstens wird man die sogen.,* verhältnismässig leicht
durchzuführende Züchtung von zweifellos tierischen Parasiten, wie
es z. B. die Trypanosomen der Rattenkrankheit sind, kaum als eine
Kultur in dem sonst üblichen Sinne des Wortes ansprechen wollen,
und so ist also mit dem Augenblicke, wo man die hier in Rede
stehenden Spirillen zu den tierischen Lebewesen verweist, unsere
Hoffnung auf eine gedeihliche Lösung der Züchtungsfrage jedenfalls
noch weiter hinausgerückt, als wenn man diese Mikrobien in die
pflanzliche Welt verweist.
Herr Pflugradt stellt aus der chirurgischen Universitäts-
Klinik (Direktor: Geh.-Rat v. Bramann) eine 27jährige Patientin
vor mit fast völligem Verschluss des Pharynx durch ausgedehnteste
Narbenbildung nach luetischen Ulzerationen.
Es zeigt dieser Fall nicht nur Verwachsungen zwischen weichem
Gaumen einerseits und hinterer Rachenwand oder dem Zungen¬
grund andererseits, wie sie in den älteren Arbeiten von S c h e c h
und Langreuter (Deutsch. Arch. f. klin. Medizin, XVII und XXVII)
beschrieben sind, und von denen Heymann in seinem „Lehrbuch
der Laryngologie und Rhinologie“ eine grössere Zahl zusammen¬
gestellt hat. Es lässt sich bei dem demonstrierten Fall vielmehr
erkennen, dass der weiche Gaumen einmal in ganzer Ausdehnung mit
der hinteren Rachenwand fest verlötet ist, und nur in der Mittellinie
eine stecknadelkopfgrosse Oeffnung zeigt, die einzige Kommuni¬
kation zwischen Mundhöhle und Epipharynx; dass ferner dicke, breite
Narbenstränge vom weichen Gaumen zu den Rändern und zum
Grunde der Zunge und zum Unterkiefer ziehen, zwischen denen
wieder unter Bildung von Taschen und Nischen flächenhafte Narben
das Lumen des Pharynx soweit verschliessen, dass dessen laryngealer
Teil mit der Mundhöhle nur in der Mitte durch eine Oeffnung kom¬
muniziert, die gerade für einen dünnen Sondenkopf durchgängig ist. .
Durch diese Oeffnung nimmt die Pat. z. Z. flüssige und breiige
Speisen auf.
Als die Pat. vor etwa einem Jahre in die klinische Behandlung
kam, war auch diese Oeffnung durch einen taschenartigen Narben¬
strang verlegt, so dass die Tracheotomie nötig wurde, um die Pat.
nicht dem Erstickungstode preiszugeben.
Da bei dem jetzt abgelaufenen Prozess weitere Verwachsungen
und Narbenschrumpfungen nicht zu erwarten sind, soll demnächst die
Operation vorgenommen werden, über deren Ausführung später be¬
richtet wird.
Diskussion: Herr Frese: Stenosierende Narbenstränge
werden nach Lues im Rachen verhältnismäsig häufig beobachtet,
wenn auch selten so hochgradig wie in dem vorgestellten Fall. So
sah ich vor einigen Monaten einen Patienten, bei dem einerseits eine
Verwachsung zwischen weichem Gaumen und hinterer Rachenwand
bestand, so dass der Nasenrachenraum fast völlig abgeschlossen war.
andererseits die Zungenbasis derartig mit der hinteren Rachenwand
verlötet war, dass ein nur bleistiftdickes Loch gleichzeitig für Atmung
und Nahrungsaufnahme dienen musste. Patient konnte deshalb fast
nur flüssige Nahrung zu sich nehmen und hatte beim Schlingakt
häufig ein Erstickungsgefühl. Fehlschlucken trat nicht ein. Es gelang
in diesem Falle durch Wegnahme des stenosierenden Narbengewebes
mittelst Doppelktirette die Passage wieder frei zu machen und auch
frei zu erhalten.
Herr Voss stellt einen 49 jährigen früheren Lokomotivführer
vor, bei dem, offenbar auf dem Boden einer seit ca. 2 Jahren be¬
stehenden ausgesprochenen Unfallsneurose, im März d. J. plötzlich
eine Hautaffektion aufgetreten ist, die wohl als ein persistierendes'
angioneurotisches Erythem aufzufassen ist. Auf Rumpf, besonders
Rücken und Gesäss, sowie an den Extremitäten, hier wieder be¬
sonders stark an Oberarmen und Waden, bestehen grosse, unregel¬
mässig begrenzte, teils hellrote, teils mehr gelblichrötliche, kaum
über das Niveau der Haut erhabene Flecken, in deren Bereich die
FeWerung der Haut ein wenig stärker und mit grösserem Glanz
hervortritt. Keine Schuppung. Eine Reihe der Erythemflecken be¬
stehen fast völlig unverändert seit ca. 2 Monaten. Nur abends, wenn
die in Jucken und Brennen bestehenden subjektiven Beschwerden
des Patienten am stärksten werden, werden die Flecken röter und
treten ein wenig mehr aus der Haut heraus. Dermographismus be¬
steht nicht. Ab und zu wurde auch mal eine vereinzelte rein
urtikarielle Effloreszenz beobachtet.
Biologische Abteilung des ärztlichen Vereins in Hamburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 2. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr Deycke.
Schriftführer: Herr L o r e y.
Herr Plaut: Demonstration eines Falles von Balanitis pustulo-
ulcerosa.
Kollege Alexander Philippson brachte mir vorgestern rn
Abstrichpräparat vom Inhalt einiger Bläschen an der Olans pn
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1614
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ,Vi.
eines 20 jährigen jungen Menschen, in dem ihm massenhaitc Bazillen
von eigentümlicher Gestalt anfviefallei: w aren. Da die wurstioiimgcui
kleinen Bazillen, welche ich dort unter das Mikroskop gestellt habe,
grosse Aehnlichkeit mit Spirillum sputigenum zeigten und auch sonst
Keime im Präparat vorhanden waren, die man in der Mundhohlen-
flora häufig findet, so sprach ich den Verdacht aus, dass es sich um
eine Ansteckung vom Mund aus handeln könne. Heute Morgen war
der Patient, den ich Ihnen gleich demonstrieren werde, bei mir, um
mir seine (ieschichte zu erzählen. Er hat bei einem Koitusversuch
wegen zu engem Introitus nicht einzudringen vermocht und sich da¬
bei am Brenulum verletzt, dass er blutete. Seine Partnerin hat ihm
dann den Penis eingespeichelt, damit er leichter eindrmge. Auf Be¬
fragen gab er ferner an, dass die Dame überaus schlechte Zähne
gehabt und über Schmerzen im Munde geklagt habe.
Heute Morgen habe ich noch einmal Abstriche gemacht, d;e
Bazillen gemessen und sie mit Spirillum sputigenum verglichen. Ich
habe nach verschiedenen Methoden gefärbt, auch die (ieissdn der
lebhaft beweglichen Kommabazillen dargestellt. Ich kann nur sagen,
dass sich die Bazillen morphologisch in keiner Weise von Spitillum
sputigenum unterscheiden lassen und dass sie auch die charakte¬
ristischen Helmbuschgeissein besitzen. Den Beweis, dass es sich um
Spirillum sputigenum handelt, kann ich natürlich nicht erbringen, da
bekanntlich eine Kultur dieser Organismen bis jetzt nicht gelungen
ist. Es ist möglich, dass es sich um dieselben Stäbchen handelt, die
Müller und Schreiber“! bei brandigen Prozessen der Eiche! be¬
schrieben haben, aber die Affektion hat, wie ich Ihnen nun zeigen
möchte, durchaus keinen bösartigen Charakter. (Demonstration.!
Es handelt sich um mehrere erbsengrosse, absolut kreisrunde, ilache
Ulzerationen ohne ausgesprochenen Entziindungshof. Sie gleichen
sehr den aphthösen Geschwüren, die man so häutig in der Mund¬
höhle bei Kindern findet. Hehler (icruch fehlt. Die Auchnmi ist
ziemlich schmerzhaft und blutet stark, besonders aus dem Geschwür,
das auf dem gerissenen Bändchen entstanden ist. Ursprünglich waren
die Blasen wasserhell, wie bei beginnendem Impetigo, (Mitteilung
von Dr. Philippson.) Die rotlich-weisse Pulpa, die die (ie-
scliwiirsflächc bedeckt, enthielt auch heute noch massenhafte wurst-
förmige Bazillen, weiterhin einige fusiforme Bazillen und Kokken¬
haufen, keine D u c r e y sehe Bazillen und, w as ebenso w ichtig ist,
keine Spirochäten. Dadurch unterscheidet sich die Affektion bakterio¬
logisch vom weichen Schanker, von gangränösen Prozessen und der
gewöhnlichen Balanitis. Um gewöhnlichen Herpes handelt es sich
auch nicht, da Herpesbläschen im Entstehen steril sind.
Die Vermutung, dass wir es mit einer Uebertragung von der
Mundhöhle aus zu tun haben, ist m. E. nicht von Her Hand zu
weisen, wenn ich auch gern zugebe, das der exakte Beweis dafür
von mir in keiner Weise erbracht ist. Ich werde mii erlauben, über
den weiteren Verlauf des Ealles in einer späteren Sitzung noch zu
berichten. (Autoreferat.)
Herr Wirts: lieber die M u c h sehe granuläre Form des
Tuberkulosevirus. (Erscheint in extenso an anderer Stelle in
d. Wochenschr.)
Herr Weiss hat ebenfalls die Much sc he granuläre,
nach Ziel nicht darstellbare Eorm des Tuberku-
1 ose virus mit zum Ciegenstand experimenteller Untersuchungen
über das biologische Verhalten des Tuberkulosevirus im Peritoneal¬
exsudat tuberkulöser, in besonderer Weise vorbehandelter und nicht
vorbehandelter Meerschweine gemacht. Er kann an der Hand
eigener Resultate aus seinen bisherigen Experimenten die Aus¬
führungen und Schlussfolgerungen des Herrn Wirths nur be¬
stätigen. Auch ihm bewährte sich die von dem Vortragenden
empfohlene Gram-Methode in der von Much angegebenen modi¬
fizierten Eorm bei der Darstellung von (iranulis. Betonung der
schwierigen Eürbeteclmik, die bisher von Much noch nicht in ge¬
nügender Weise hervorgehoben wurde. Erste Bedingung fur die Be¬
urteilung einwandfreier Präparate ist das Behlen von Earbstoif-
niederschlägen. Beobachtung der einzelnen Entwicklungsformen des
Tuberkulosevirus in den aus dem Peritonealexsudat gewonnenen
Präparaten: Uebergang der nach Z i e h I und (i r a m färbbaren stäb¬
chenform in die nur nach Gram färbbare granuläre lörm und Ent¬
wicklung der Stäbchenform wieder aus der Granulaform. Hinweis
auf die Notwendigkeit, die modifizierte Gram-Methode zur (irauula-
färbung in die Reihe der bisher üblichen und bekannten Tuberkel-
bazillenfärbungsmethoden aufzunehmen. Praktische Bedeutung der
Gram-Bärbung in klinisch tuberkuloseverdächtigen Bällen, wo die
bisherigen Methoden den Nachweis des Krankheitserregers nicht
erbringen konnten. Demonstration von 4 Mikrophotogranmieii durch
den Projektionsapparat. Die Präparate stammen alle aus dem Peri¬
tonealexsudat ein und desselben Tieres und zeigen die einzelnen Ent-
wdcklungsformen des Tuberkulosevirus, isolierte Granula, (iranula-
haufen, granuläre Stäbchenform. Besondere Hervorhebung der iso¬
lierten Granula als färberisch einzig nachweisbare Manifestation des
Tuberkulosevirus. Die Granula treten im Mikrophotogramm als
scharf konturierte, runde, leuchtend weisse Punkte hervor und heben
sich sehr scharf von dem grauen Zclleib ab. Man findet sie intra-
*) Archiv f. Dermatol., H. 1, Bd. 77.
und cvtra/eiluiur. im Peilt' «m ,ra \ Mi4.it von Viovl;\uiiuii /w v ite'-
los Vorwiegend intra/eiito.ii. incM im I ’i < >t> 'tnasm.i, hau: g m
Vakuolen liegend. Was d.:s Verluden der Zeilen gegenüber dem
TuberkuloseMf'us angeht, so beanspruchen hier die Mukr<-pli.iv.cn
neben den grossen nioiiomik.i ureii Zeilen im < icger.s.ttz zu den phv-
nukiemen Zellen ein besonderes Interesse. In aiewn /.eien iuss
sich der ganze Enlw ak.imgs K ang des tui er ku.osi n \ irns gewisc^r-
masseii \ er lolgvri. Dem Muk i oph.igt, n sJarnt eine kor>s<. r v it rcude
I unktioii bei der Entwicklung des emges.tU u tu he r k uios,. n \ uns m
der Bauchhöhle 4 /u/ukoumie n. In uiiir.i.iender Weise war dies bei
einem vorbehundelti n her der l ull. Austum ii Ja r Be ri Jtl ibar die
llojj nicht abgeschlossenen l ntersu Jiimgeii erb-,gl s;mUT un
andere r Melle. «AiitoraUeu ,U.!
Herr Plate Iiagl an. ob man elic grumnurc l’orm bei Pleura-
exsiulateii finde. Wo die l ntersuJitmg aut vaurcliMe luberke'-
bazilleii meist ergebnislos und man aut das iangdauerndc I arexpen-
meut angewiesen sei.
Herr D e y c k e: Herr W i r t h s habe ges.rgt. il.iw v. B e h r i n g
die gianuiare l'»rm eles I nbe r kulose\irus a.s Zer la.ispp-dukt aul¬
fasse. wählend Much sie fur eine l ntw uk!ung>p»?m habe. Das se;
nur ein sji'c inbarer WideisjuuJi. Die granuläre 1 «um sei das prmn-
tive, ehe säurefeste ela- weitere Aus; . .|;m K s:. : :n. Bai e rar K ,w\-
bildung werde der seihe Gang in mn.a meinter RiJitung dmchge: acM.
Der wichtige liilersjned zwischen beiden formell beste.e du' m.
dass die gramiiare im Kot per iic'it a.iUJ- >t werde, s .-di r n .»'s
Parasit w e.teljebell li:d s,c !i bei gi „il’iiiv! l ie v.uehe.t zur s.turcH ste
entwickeln könne. Die l nter su, hungert \ '<n M e 1 ;i I t) i k " 1 t haben
Henri D. sehr interessiert. Er ist u.de-dt der VusiJu. dass die v< u
M. verwendeten, von Kresiing stanmaiidui, vg. W ac :.m* in
Wirklichkeit f ette seien. N.iJi der Von Kr. angewandten Mctlmde
sei es ausgeschlossen, reine leite zu erhaben. Dasc.ben mussten
durch andere Eeila ssiibst.my eil v«m | über kc da/i.c n veru:iri,i;,d
sein. W enn man mit diesen Mibstan/en mmiunisiere. so sei is mög¬
lich, »lass nicht die I ette selber. Sonde rn d.e ihnen aahattcnda n Mih-
stanzin Träger der Immunisier mig smeti.
Herr 1 r a e n k e I: Ich hatte Herrn Dr. W i r t h s v orge s dräue n,
die M tl c h schell Angaben auf dem lieble te der vg. g atten, g-, a-
tuiosen Pneumonie eurer Nac iipr niting zu unter ziehen. Me w.ss^n,
dass die \ <>* Stellungen, »he iimii gerade betretts dieses Prozesse s m
seinem Verhältnis zum ’l uberke .bazi ns vertritt. 4a r aut lipMuslaute n.
in ihm einen Effekt der gütigen m< mw eJut produste des lubersu-
loseliazillus zu erblicken Diese A-osU. ung ist elar.ml zm..,k/u-
fuhren, elass man m solchen gelatinösen ltm.ir.iU n gewibm.uh ke ne
Tuber kell'a/ii!e il tmdet. Diese ba/. de li!r e ie M Ir'.Uiate brauchen des¬
halb alleh gar nicht zu vet k ise n. San Ware es aussetor v Je nt di vv u!i*
t ig. derartig erkrankte l.mueri eiimial au! ehe Gegenw.rt vier
M u c h scheu Baziliengranu a zu untersucheil, um ies'.usie eil. ob
die bisherige, haiipts.,Ji ,di v-n \. I runkel und | rmv ver¬
tretene Anschauung /utretteüd ist oder iiedm/a rt werden muss.
- Was nun ehe von Ile: r n Dr. W irths in Anwendung ge/"geme
1 är beinethode anlang». s«. kann man diese nicht as ti r a m sj;e.
ja nicht einmal ais Mmliükati« n dieser he/eidmeu. Demi e’.as Wesen
der (iranischem Methode bestel l dann. d.*ss d.e muh der I arbuug
jodierten Gewebe mit Moiren naht mehr m Her uln img k.mimen. s n-
elem aussc Idle sslrdi mit absolutem •! dd'e'i n/iert werden. M er
aber werden d;e m.t < ie rrt.atia- resp. Med.vv et! targ erteil Mm :te
naJi eh r Jmlieimig mit 2 starken >utimi i'-.dz-, >a -h ters.ooe > und
danach mit Azeton-Alkohol behandelt. De dann sulobar baulanden
gekörnten Mubchem sind au-», e benso v\ ;e ehe freien »irarm'.i. säure¬
fest. Es unterscheidet si^ h da- har beim! Oe AU t!r< rde v • n der
Zieh I sJien jo ui/i|.ied nur elurji da- e m .;e s v u .,'a ne lodarung. vv.
ellirall die ihrer >aut e Ie Mig k e it anscheinend Verlusjig ge gaio,e rietl
I liberkelba/iileiiforme u ehe se w .edefa r atuen. i \ut<-rt fer at.»
Herr H uef er: hin Aneurysma anrfae mit besonderer
BeteiliKiiriK der Wirbelsäule. (ErsJu an anderem Orte.)
Diskussion; Herr I r a e ri k e l: I .r den P.eWeis der An¬
nahme einer v nr angegangenen W ir!-e tmötio d .Mte sah d.is An'egeii
eines HorizontalsJmittes durch das p*.emm.h'en. um so even¬
tuell noch I ragmeiite des dio Jibr -c ; a :u ri Wobe.s suhlbar zu
machen.
Herr S a c n g e r halt es für urrw J-vJii maJi. dass die Par.i-
plegie durch die lalas bedingt sei. s.mdcrn g aui't. dns taheii der-
sella-n noch eine k■ mipressiousn.v i : ;,s yor s i.uUi lia!-e. I r sali v-.r
.1*11 hi eil im St. Ge o| ger Krankenhaus einen lall. Wo eKm., s mf. lg c
einer durch em Allem vsma bedautejf K ':ii|'rtw:o!’vriu..t;> e^ue
Paraidegie entstanden war.
Herr König fragt an. ob bei der zweteri \ufmd"me A s I\,t.
ui »las Krankenhaus eine k\ ph-.se zu benagen gewesen wäre. Wern
damals - b Jahre nach dem l um . kerne- k v ;m ae n l;abe
sei man bere-clitrgt, eine W p !a Mtia ur.ö.tur aus/usj; a sse n
Herr llueter f M hluwe. .rt» g aui't :o:Ji. d.ms g. c \er.mde-
nmgeil der W ;r be s.iu'e an dem atuele gten i.argxs, 5 -- *: j c’:t befra-
digeuul zu nbersJuTi sind, li.it sich al er. um d.is Paauoat mJ;!' zu
zerstören, davor gevjieut. einen zweiten ijirer ve* ..uauden
schnitt alt/nie ge ii. Herrn Sänger entgegnet er. d.ms er sehr'vvoh.l
w tuss, dass Paraplcgie eier unteren Extreurat.iteß rm it zu dem typi¬
schen klinischen BnU der I abes ge.dort, dass s;e a! - er in seltenen
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28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1615
Fällen dabei beobachtet wird. Eine Kompression des Rückenmarks
hat sicher nicht Vorgelegen. Ausser der erwähnten grauen De¬
generation der Hinterstränge im ganzen Verlauf des Rückenmarks
waren sonstige Degenerationen der Rückenmarksubstanz nicht nach¬
zuweisen. Die Anfrage von Herrn König beantwortet er dahin, dass
eine Kyphose der Wirbelsäule durch klinische Untersuchung nicht
festgestellt worden ist.
Herr Hueter: Ueber chronische Metritis. (Erscheint an
anderem Orte.)
Herr Fahr: Demonstration zweier Missbildungen, eines Falles
von Zyklople und eines Falles von Gastroschisls kombiniert mit fast
völligem Defekt des Zwerchfells. Es werden an der Hand dieser
Fälle kurz die Theorien besprochen, die zur Erklärung der einen
und der anderen Anomalie aufgestellt worden sind.
Herr Edlefsen: Kreatininstudien und quantitative Be¬
stimmung des Kreatinins im Harn.
Bei der Untersuchung des Harnsedimentes in einem Falle
von Zystitis fand Edlefsen, als er nach Verlauf einiger
Stunden das Präparat noch einmal durchmustern wollte, in dem
inzwischen eingetrockneten Flüssigkeitsreste ausserhalb der
Deckglasränder eine grosse Menge eigentümlicher Kri¬
stalle, die ihn lebhaft an die Charcot-Ley den sehen
erinnerten. Sie hatten alle die Form langgestreckter Spindeln
mit scharf zugespitzen Enden, viele aber Hessen zugleich sehr
deutlich eine ihrer ganzen Länge nach verlaufende leicht er¬
habene Leiste erkennen und erweckten so den Eindruck, sehr
lang ausgezogener Oktaeder, also einer Form, wie
sie u» a. von Lenhartz (Mikroskopie und Chemie am
Krankenbett, 3. Aufl., S. 180) als charakteristisch für die ge¬
nannten Kristalle beschrieben wird. Ein Tropfen desselben
vom eiterbefreiten Harn, frei auf dem Objektträger verdunstet,
hinterliess diese Kristalle in solcher Menge, dass sie das ganze
Gesichtsfeld beherrschten (Demonstration). Um den feuchten,
hygroskopischen Rückstand zu trocknen, übergoss E. ihn mit
einigen Tropfen absoluten Alkohols, die er sofort wieder ab-
fliessen liess, und konstatierte, dass die fraglichen Kristalle
dabei völlig ungelöst geblieben waren und nur ihre zarte Be¬
schaffenheit eingebüsst und etwas schärfere Konturen erhalten
hatten. Diese U n 1 ö s 1 i c h k e i t i n A1 k o h o 1 und wie sich
weiterhin herausstellte auch in Aethe r, suchte E. für die
Reingewinnung des die Krystalle liefernden Körpers zu ver¬
werten, die er bei der Neuheit des Befundes glaubte nicht un¬
versucht lassen zu dürfen, wenngleich er sich im Verlaufe
seiner Untersuchungen bald überzeugen konnte, dass das Auf¬
treten der Substanz im Harne nicht, wie er anfangs geglaubt,
eine Besonderheit des zuerst von ihm beobachteten Falles dar¬
stellte, sondern dass sie sich in jedem normalen Harn
in nicht geringer Menge findet und nur in der Regel in dem
Rückstände des auf dem Objektträger verdunsteten Harn¬
tropfens in anders gestalteten, oft sehr eigentümlichen Krystall-
formen erscheint.
Ohne auf das von ihm befolgte Verfahren näher einzu-
gehem, bemerkt der Vortragende nur, dass es ihm auf dem
angedeuteten Wege mehrfach gelungen sei, die Substanz, die
in Wasser ausserordentlich leicht löslich ist,
wenn nicht immer vollständig, so doch genügend häufig so
weit von Beimengungen frei zu erhalten, dass sich Versuche
zur Ermittelung ihres Verhaltens zu Reagenzien und zum Ver¬
gleiche mit bekannten Harnbestandteilen damit anstellen
Hessen. Diese Versuche haben ihm schliesslich die volle Ge¬
wissheit verschafft, dass es sich um Kreatinin handelte.
Schon die dabei festgestellte Tatsache, dass die Substanz mit
fast allen Säuren gut krystallisierende, in Wasser sehr leicht,
in Alkohol schwer lösliche Salze bildete und noch mehr der
Umstand-, dass sich alle vom Kreatinin bekannten und noch
manche bisher nicht bekannte oder jedenfalls nirgends er¬
wähnte Doppelsalze (mit Metalloxyden und -salzen) mit
ihr herstellen Hessen, machten dies sehr wahrscheinlich; sicher
bewiesen wurde es dann durch das Gelingen der bekannten
charakteristischen Kreatininreaktionen mit Phosphor¬
molybdänsäure, Nitroprussidnatrium und mit
Pikrinsäure und Natron.
, Wenn die ganze Ausbeute seiner Untersuchungen nur in
dem Gelingen dieses Nachweises und. der Aufklärung über die
Natur der ihm nicht bekannten Krystalle bestanden hätte, würde
E. sich nicht veranlasst gesehen haben, überhaupt nur davon
zu reden. Aber die ihm noch lange unbekannt gebliebene
Substanz zeigte noch ausserc!e n sehr bemerkenswerte Eigen¬
schaften und nachdem es klar geworden, dass es sich um
Kreatinin handelte, haben diese Beobachtungen eine Be¬
deutung gewonnen, die ihre Mitteilung an dieser Stelle wohl
berechtigt erscheinen lassen dürfte. Sie führten ihn nämlich
zur Kenntnis der Tatsache, dass das Kreatinin sich
mit Brom und Jod zu farblosen, kristallisier¬
baren Verbindungen vereinigt. Fügt man zu einer
nicht allzu dunkel gefärbten wässerigen Brom- oder Jod¬
lösung eine farblose Lösung von Kreatinin in Wasser oder
wasserhaltigem Alkohol (oder Spiritus aethereus) hinzu, so tritt
vollständige Entiärbung ein, nicht unmittelbar, son¬
dern w'ie es bei der Entstehung organischer Verbindungen die
Regel bildet, nur allmählich, so dass, wenn die Kreatinin¬
lösung in gerade genügender Menge zugesetzt wurde, 10 bis
15 Minuten vergehen können, bis die Flüssigkeit ganz farblos
geworden ist, rascher freilich bei einem erheblichen Ueber-
schuss von Kreatinin. Was aber besonders bedeutsam ist,
auch der gänzlich unveränderte, — nur wenn nötig,
von Ehveiss befreite und filtrierte — Harn bewirkt diese Ent¬
färbung in gleicher Weise. Bei Verwendung reiner Brom- und
, Jodlösung ist sie freilich natürlich wegen der Eigenfarbe des
Urins nicht oder nur nach voraufgegangener Entfärbung des
letzteren durch Tierkohle zu erkennen (die übrigens, nebenbei
bemerkt, nur vorgenommen werden darf, nachdem man den
Harn, am besten durch Ammoniak, alkalisch gemacht hat. da
sonst die sauer reagierende Tierkohle das Kreatinin ganz oder
zum Teile zurückhält und dafür Salze an die Flüssigkeit ab¬
gibt). Wenn man aber Jod in Form der blauen Jod¬
stärke benutzt, so ist deren Entfärbung, selbst wenn der
Harn eine ziemlich dunkle Farbe besitzt, mit voller Sicherheit
wahrzunehmen und bei ganz besonders konzentrierten Harnen
hat'man es ja auch immer in der Hand, durch einfache Ver¬
dünnung mit Wasser die Entfärbung der Jodstärk ■: noch deut¬
licher erkennbar zu machen. Auch hier vollzi ht sich der
Vorgang, wenn man nicht gleich eine grössere Menge Harn zu
der Jodstärkelösung hinzufügt, nur allmählich (Demon¬
stration). Aber wenn man um die Zeit, wo die endgültige Ent¬
färbung nahezu erreicht zu sein scheint, den Zusatz des Harns
unteroricht und etw r as abwartet, kann man doch nach einigen
Minuten in der Regel schon sehr gut beurteilen, ob man etwa
den Endpunkt der Entfärbung bereits überschritten hat oder
ob es im Gegenteil noch des weiteren Zusatzes einiger Tropfen
des Harns bedarf, um ihn herbeizuführen.
Das ganze Verhalten ist ein derartiges, dass es nach der
Meinung des Vortragenden, sich unbedingt und sehr gut für
eine Titriermethode zur quantitativen Be¬
stimmung des Kreatinins im Harne muss ver¬
werten lassen. Einige vorläufige Versuche haben ihn in dieser
Meinung nur bestärkt. Sie lieferten ihm jedenfalls bereits den
sicheren Beweis, dass auch bei Verwendung unverdünnten
Harns der Endpunkt der Entfärbung sich trotz der Verzögerung
seines Eintritts vollkommen genau bestimmen lässt, derart
dass Parallelversuche mit gleichen Mengen Jodlösung (in
Stärkelösung) und Harn fast genau übereinstimmende Re¬
sultate gaben.
Wenn man bedenkt, wie schwer und zeitraubend es bisher
W'ar, das Kreatinin im Harne quantitativ zu bestimmen, wird
man die Einführung einer bequemen Titriermethode, die es
sogar ermöglichen wmrde, den täglichen Gang der Kreatinin-
ausscheidung in längeren Versuchsreihen zu verfolgen, gewiss
nur als einen sehr erfreulichen Fortschritt begriissen können
Die Ausarbeitung der Methode wird der Vortragende indes
aus mancherlei Gründen nicht selbst unternehmen. Diese Ar-
beit auszuführen, hat sich sein Sohn, der Chemiker am säch¬
sischen Materialprüfungsamt in Dresden, Dr. phil. Hu n old
E d 1 e f Edlefsen bereit erklärt, dem es, wie er hofft, sobald
er sich nur erst in den Besitz reinen Kreatinins (das schw r er
zu erhalten ist) gesetzt hat, in nicht zu ferner Zeit gelingen
wird, das Verfahren in allen Einzelheiten festzustellen und für
dessen Anwendung auf den Harn die nötigen sicheren Grund¬
lagen zu schaffen.
Dass ^ as Kreatinin der Körper ist, der die
Verbindung mit Brom und Jod eingeht, und dass die zuerst
gezeigten- Krystalle tatsächlich Kreatininkrystalle darstellen,
dafür liefert, wie Edlefsen, um allen Zweifeln zu begegne
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1616
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
zum Schlüsse noch bemerkt, neben manchen anderen Tat¬
sachen der folgende Versuch den besten Beweis: Wenn man
zu einer Portion des Harns, der in seinem Vcrdunstungsriick-
stande jene Krystalle in grosser Menge aufweist, so lange
Bromlauge zusetzt, bis eine daraus entnommene Probe Jod¬
stärke nicht mehr entfärbt, bis also alles Kreatinin an Brom
gebunden ist und jetzt einen Tropfen dieser Portion auf dem
Objektträger verdunsten lässt, so findet man in dem Rück¬
stände von den vorher gesehenen charakteristischen Krystallen
keine Spur mehr, an ihrer Stelle dagegen annähernd ebenso
zahlreiche, erheblich grössere Krystalle von ganz anderer
sehr eigentümlicher Form (Demonstration), sehr ähnlich denen,
die E. aus Lösungen der von ihm dargestellten Bromverbindung
des Kreatinins gewann. (Autoreferat.)
Naturwissenschaftl.-medizinische Gesellschaft zu Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 4. Juni 19ns.
Herr Friedrich stellt einen Fall der medizinischen Poliklinik
von Collca membranacea vor. Bei dem bisher stets gesunden Pa¬
tienten bestanden neben Obstipation und nervösen Erscheinungen
kolikartige Schmerzen besonders in der (legend des Colon ascendens
und zugleich Abgänge von opaken gelblich-weissen schleimigen
Massen. Die Untersuchung derselben hatte kein Fibrin ergeben,
(weder durch die W e i g e r t sehe Fibrinfärbung noch durch einen
Verdauungsversuch mit Pepsinsalzsäure). Mikroskopisch fanden sich
reichlich Zylinderzellen, aber keine Rundzellen. Vortragender
schliesst sich der Ansicht L e u b e s u. a. an, dass es sich bei
diesem, besonders bei Männern seltenen Krankheitsbilde nicht um
eine Entzündung des Darms, sondern um eine Krankheit sui gencris,
wahrscheinlich eine Sekretionsneurose, handelt.
Im Anschluss zeigt Vortragender ähnliche Membranen, die von
einer 27 jährigen nervösen Patientin ausgehustet wurden, bei der
ausser den Zeichen einer leichten Bronchitis kein krankhafter Be¬
fund erhoben werden konnte. Auch hier konnte weder Fibrin nach¬
gewiesen werden, noch Rundzellen, die für eine Entzündung sprächen.
Bakteriologisch wurden keine Diphtheriebazillen gefunden. Der Fall
dürfte dem seltenen Krankheitsbilde der Bronchitis plastica slvc
pseudomembranacea (Fr. Müller) einzureihen sein.
Herr Paul Krause berichtet nach kurzer theoretischer Ein¬
leitung über 3 Fälle von vasomotorischer Neurose.
Der erste Fall betrifft eine 41 jährige Frau, die sehr
viel krank gewesen ist (Influenza, Pneumonie, Laryngitis,
purulente Pleuritis), sie hat seit 15 Jahren einen Band¬
wurm (Taenia saginata), kann sich aber nicht entschlossen, ihn ab¬
treiben zu lassen. Seit 6 Jahren treten bei ihr sehr schnell wechselnd
beträchtliche Schwellungen und Rötungen bald im < iesichte.
besonders in der Augengegend, bald an den Händen, Unterarmen,
bald an den Beinen auf, sie sind z. T. recht beträchtlich, grenzen sich
scharf von der Umgebung ab und verschwinden nach 1—2 lagen
vollständig. In den letzten Wochen beobachtete Kr. wiederholt auch
Hunderte von kleinen H ä m o r r h a g i c n, besonders stark aus¬
geprägt vom Nabel abwärts, die Hämorrhagien verfärbten sich all¬
mählich von hellrot in dunkelbläulich, grün, gelb, braun und ver¬
schwanden nach mehreren Tagen; mehrfach waren alte neben
neuen Blutungen vorhanden. Endlich kommt es häufig zu S c h w e 1 -
lungen in den Gelenken (Hand-, Ellbogen-, Knie-, Fussgelenke,
während Schulter- und Hüftgelenke bisher frei blieben), die Schwel¬
lungen sind recht beträchtlich, bleiben 3- 5 'läge bestehen und
verschwänden vollständig. Die Erscheinungen treten häufig mit
Schwindelanfällen, Gefühl der Schwere in den Extremitäten an
Tagen besonders grosser nervöser Reizbarkeit auf; das letzte Mal
z. B. an einem Tage, an welchem ein schweres Gewitter die Patientin
in grosse Angst versetzte.
Der Vortragende berichtet weiterhin über ein 4 jähriges Kind,
welches seit Jahresfrist in der medizinischen Poliklinik in Behand¬
lung steht, bei welchem etwa alle N 'läge starke Schwellung
nebst Rötung im (iesichte, besonders um die Augengegend, häufig
so stark wie die Oedeme bei Milzbrand auftreten; während
einer poliklinischen Demonstration entwickelte sie sich einmal inner¬
halb von 10 Minuten, so dass man das Kind kaum wiedererkannte;
das Mädchen ist eigenartig, sehr nervös, meidet die Gesellschaft
anderer Kinder, auch die seiner Geschwister; die Anschwellungen
treten gleichfalls zur Zeit besonders nervöser Erregung auf.
In einem 3. Falle wurde bei einer zuckerkranken tuberkulösen
Fran neben einer zweifellosen Urtikaria ein grosser Erguss in
den Herzbeutel beobachtet, welcher sich innerhalb von zirka
3 Tagen zurückbildete; dieser Zustand hat sich bisher 3 mal w ieder¬
holt und wurde einmal unabhängig von 2 Acrztcn konstatiert. Ob
wir die Transsudation in den Herzbeutel mit den intermittierenden
Gelenkschwellungen in eine Linie zu setzen haben, kann exakt nicht
entschieden werden, immerhin ist es wahrscheinlich.
Herr Paul Krause: Leber Chrysaroblnverglftung per os.
Das Chrysarobm wird m Deutschland fast anssJilicsslkli
in der Dermatologie, und zwar stets ausserliJi gebraucht; es
werden danach nicht selten \ ergiitnngsersclumutigen be¬
obachtet (starke Dermatitis. K<umn;kti\ms heftigster Art.
N.e reu reizung).
Per os scheint es früher in Amerika als B r e c h mittel
Verwendung gefunden zti haben. \ mi \ergittiings-
e r s c li e i n u n g e n danach, über welJie nur sehr spärliche
Notizen zu finden sind, sah Stocquart (uaJt ln mg bei
Kindern, nach 39 mg bei Erwachsenen) gastrische Storungen.
Herzklopfen, Präkordialangst, Schwindel, Erbrechen. Froste;
(ilaister ausserdem Mierenbhitungen.
Der Vortragende berichtet, dass er Gelegenheit batte,
mehrere Falle \on Cbr\sarobmx ergitiung zu beobachten: aus
Versehen war an Stelle von Cfnmmiin tauniciim LMrys.m>h:n in
der Apotheke verabfolgt worden: 3 Kinder im Alter von 2, 3
und 5 Jahren bekamen daxmi eine \o!!e Messerspitze (zirka
35i) mg), 1 Frau, 2 Männer nahmen daxon etwa lo 2*» mg.
Die Kinder erbrachen naJi ca. einer Stunde, klagten über
l ebelkeit, Leibsdimerzeii. sie vv achten davon auf (d.ts Chr\sa-
robin wark kurz vor dem Schlafengehen gegeben worden».
Durch energisches Ausspulen des Magens und Klysmata
gelang es, schlimmere Folgen zu verhüten. In dem Mageiuhait
war noch reichlich Chrysarobm nachweisbar, die Bettwäsche
wurde danach zum Teil verdorben. Bei 2 Kindern fand stJi
am nächsten Tage reichlich C h r y s o p h a n säur e im Harne.
Albuinen oder grossere Mengen reduzierender Substanzen
fehlten. Der älteste Junge bekam 2 lursekorngrossc Bläschen,
welche mit klarem Serum gefüllt waren, am welchen (iaimien.
die nach 2 lagen eiugetrocknet waren.
Die beiden Männer, welche vorher Iber getrunken hatten
(Chrysarobm ist in 2ooo Teilen heissen Wassers, m 15»> 1 eilen
Alkohol löslich), hatten nur geringe l ebelkeit.
K. schlägt zum Schlüsse vor, dass das Clin sar<»bin unter
die differenten Stoffe der Pharmakopoe rubriziert und daher
in Gelassen mit roter, nicht wie bisher iint schwarzer
Schrift antbewahrt werde; eine \ erw e Jishing mit dem in den
Apotheken danebenstehenden Clumnum taumeum wurde da¬
durch bedeutend erschwert.
Diskussion: Herr Krause betont n-^lutals. vlass er de
vorgestellten Falle zu den vasomotorischen Neurosen rechnet. welche
nicht gerade zu den häutig v or kommenden Krankheiten gehoin.
Fallen Fall, in welchem vasomotorische (lederne, ir.U r amtierende
G e I e n k s c h well u n g e n und intermittierende II a m «> r -
rhagien seit fast n Jahren dauernd vorhanden miiJ, hat er .Kr-
haupt noch nicht gesehen; soweit er m der Literatur r.u hi st hi n
hat, ist ein ähnlicher Fall kaum beschriebe»: aush die I rans-
s u d a t In I d li n g im Herzbeutel auf vasomotorischer Basis doMtc
kaum bekannt sein. Dass solche K rankheitsbioler tmii* ger ni
Thüringen Vorkommen, wie Herr spiethmf meint, kann er muh
seinen Erfahrungen an u her 7»«*i Patienten m Ln.«, welche nie
medizinische Polikimik seit April F*i7 auisuvhten. nicht Kv.iOge».
Herr Paul Krause: Zur Kasuistik der Rontgendermatltis.
Nach kurzer Darstellung der bisher bekannten f ormen der nadi
Rontgenbestrahlüng aultretenden \er.mdenmg tier Haut berichtet K.
ausführlich über einen zurzeit m der psychiatrischen K:mik hegenden
Patienten, bei welchem durch eine 5 ijia ige Bestrahlung \"ii ie
10—12 Minuten innerhalb von etwa 3 ■ Munden ein ungemein
grosses R o n t g e n g e s c li w u r der B a n c h I; a u t entstanden ist.
welches seit Januar sieh mir wenig verkleinert hat: die äusseren
Partien sind narbig, fast pigmentlos. dann Fügt e.ne intensiv ge¬
rötete Zone, während der < iescliw u.tsgMiml weisshch Schmierig be¬
legt ist. Fine farbige Lumierephotograpiüe demonstrierte gut das Ge-
sagte. Vor der Aufnahme m die Klinik wurden vielerlei Mt.lmn-
verbande, Bestrahlung mit I viollicUt therapeutisch versucht, unter
einfachen Borsalben verbanden sehemt die Hu.urig sdined vorwärts
zu gehen. Das Bemerkenswerteste an diesem Falle sind die
p s y di i s di - n c r v ii s e n Sv mptonie, über wie Me Herr Ge¬
heimrat Binsw an ger austuhrhe h beruhten will. Der \ortragende
erwähnt, dass er im Vereine mit Herrn (iduirnr.it v. Strn m pell
einen last ähnlichen Fall beobachtet und begutachtet habe, bei
welchem sich nach schhesshcher Hebung des Roittgengeschwurs ein
Kranklieitsbild entwickelt hatte, w eis lies durchaus dem der trau¬
matischen Neurose entsprach. Wie in dem v <>r liegenden, handelte
es sich auch dmt um Peritenänsprudie: es wurde m ’e'um f a ie ein
ursächlicher Zusammenhang der traumatischen Neuo.sc in: dem
Roiitgeuuk us angenommen und musste nne r k:mnt werden K. geht
kurz aui die rechtlichen Konst .uu n/rn der Routcenv erbrennimgcu
ein und rät dringend, alle nach dem Munde der \\ .ssvr-sdiaft n t-
w endigen Scliut/massregeln ari/uw enden.
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28 . Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1617
Bei dem zweiten Patienten, welcher wegen Karzinom der
Speiseröhre zu diagnostischen Zwecken gleichfalls in einem Militär¬
lazarett röntgenisiert worden war, und zwar nach seiner Angabe
einmal etwa 12 Minuten lang, bestand eine etwa 12 cm lange, 8 cm
breite starke Dermatitis, die Haut fühlte sich sehr heiss an, war stark
gerunzelt, in der Achselhöhle bestanden bereits Exkoriationen; der
Kranke klagte über starke brennende Schmerzen; leider hat er sich
nicht in die Klinik aufnehmen lassen.
Diskussion: Herr Krause: Während in dem ersten Falle
zweifellos eine fehlerhafte Technik an dem Auftreten des Röntgen-
ulcus schuld ist, kann man bei dem zweiten, allerdings mit einer ge¬
ringen Wahrscheinlichkeit, eine Idiosynkrasie gegen Röntgenstrahlen
annehmen; die angewandte Expositionszeit von 12 Minuten ist zwei¬
fellos eine ungewöhnlich grosse, welche stets zu vermeiden ist;
innerhalb von 1—2 Minuten kann man zur Klarheit kommen, wenn
die richtige Technik angewandt wird. Sehr leicht begeht man den
Fehler zu langer Belichtung, wenn man im Sehen ungeübten Kollegen
einen Röntgenbefund demonstrieren will.
Dass es Fälle gibt, in denen es trotz richtiger Technik und nicht
zu langer Exposition zu Hautverbrennungen kommt, ist zweifellos;
in solchen ist der Arzt ohne jede Frage völlig straflos, wenn er den
Nachweis führen kann, dass er keinen Kunstfehler gemacht hat.
Herr H a u b o 1 d demonstrierte 30 Röntgenaufnahmen von
Knochensyptiilis. Sie wurden von 5 tertiär luetischen Kranken der
medizinischen Poliklinik gewonnen, welche mehr oder minder starke
Knochenveränderungen an den Händen, Unter- und Oberarmen, den
unteren Extremitäten und Schädeldach hatten. Interessant waren
besonders 2 Fälle. In dem einen Fall handelte es sich um eine
seit 9 Jahren bestehende Lues, die trotz intensivster Behandlung
zu kolossalen Defekten am Schädeldach geführt hatten. Auch die
Knochen sämtlicher Extremitäten waren befallen und zeigten neben
einfacher Periostitis luetica und diffuser Ostitis schwere gummöse
Periostitis und Ostitis luetica. Die Patientin ist vor kurzem an
Amyloiddegeneration der Nieren zugrunde gegangen. Der andere
Fall betraf eine Lues hereditaria tarda, die wegen Keratitis par-
enchymatosa augenärztliche Behandlung aufgesucht hatte. Die kli¬
nischen Erscheinungen Hessen auf eine Lues schliessen, was auch die
Knochenbilder der Patientin bestätigten, die ähnliche Veränderungen
aufwiesen wie im vorhergehenden Falle. Besonders bemerkenswert
ist eine etwa vor 3 Jahren auftretende starke allgemeine Adipositas;
diese und andere Symptome Hessen einen Hypophysentumor an¬
nehmen; auch die Röntgenphotographie des Schädels bietet Anhalts¬
punkte dafür.
Medizinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 2. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr R i e c k e.
Herr H ä r 11 n g berichtet über die Resultate der seit 1905 bis
jetzt von ihm unblutig eingerenkten und zum Teil noch in Behandlung
stehenden angeborenen Hüftgelenksverrenkungen, im ganzen über
21 Fälle. Er zeigt an den Röntgenbildern dieser Fälle, die mittels
Projektionsapparates an die Wand geworfen werden, wie an den
verrenkt stehenden Femurköpfen der Schenkelkopf schwach ent¬
wickelt ist, wie der Schenkelhals, der Trochanter major und der
Femur selbst im verrenkten Zustand in der Entwicklung zurück¬
geblieben sind, wie sich dagegen nach der unblutigen Einrenkung im
Laufe einiger Monate diese Knochenteile normal entwickeln, wie die
früher flache Pfanne sich zu einem neuen, schönen Pfannendach um¬
bildete, wie die Epiphyse des Schenkelkopfes sich verbreitet und
immer mehr der Norm nähert, wie sich der Schenkelhals verlängert
und vergrössert, der Trochanter major kräftiger entwickelt und wie
der Femur selbst, der früher im ganzen schwächer war, normale
Stärke annimmt. Die in diesen Tagen aufgenommenen Röntgenbilder
der vor 3 Jahren, 2 und 1 Jahr unblutig eingerenkten Hiiftgelenks-
verrenkungen zeigten diese allmählichen Umbildungen des Femurs
und des Beckens in vollkommen klarer Weise, und an den am läng¬
sten zurückliegenden Erkrankungsfällen — ca. 3 Jahre — Hessen sich
nur noch geringe anatomische Abweichungen von der Norm er¬
kennen. Das klinische Resultat ergab ein vollkommenes Verschwin¬
den des watschelnden Ganges, das bekanntlich auf dem sogen.
T r e n d e 1 e n b u r g sehen Phänomen (falsche Zugrichtung der Mus¬
keln die das Becken halten und am Trochanter major ansetzen) be¬
ruht.
Die Fälle von einseitiger Hüftgelenksverrenkung (13 Fälle)
gaben, soweit sie abgeschlossen sind, anatomisch vollkommen nor¬
males Resultat, und dasselbe ist bei den noch in Behandlung befind¬
lichen Fällen, die erst 2 bis 4 Monate zurückliegen seit der Einren¬
kung ebenfalls zu erwarten. Bei den 6 doppelseitigen Hüftgelenks¬
verrenkungen, von denen erst 3 abgeschlossen sind in der Behand¬
lung, ergaben 2 vollkommen anatomisch normales Resultat, in einem
Falle resultierte auf der einen Seite ein anatomisch richtiges Ein¬
renkungsresultat, während auf der anderen Seite eine Transposition
des Schenkelhalses erreicht wurde. Das betreffende Kind läuft aber
so wenig schwankend, dass die Eltern zu einer abermaligen Re¬
position der transponierten Seite nicht mehr zu bewegen sind; sie
sind mit dem jetzigen Gang leider schon zufrieden. In den 3 anderen
Fällen von doppelseitiger Hüftgelenksverrenkung ist die eine Seite
eingerenkt und steht anatomisch richtig, die zweite Seite muss erst
noch eingerenkt werden.
Der Versuch, auch noch ältere Kinder zu reponieren, wurde
an 2 Kindern gemacht auf Drängen der Eltern oder der Kinder selbst.
Bei dem einen Kinde, einem 12 jährigen Mädchen mit einseitiger
Hüftluxation, die sich wegen ihres watschelnden Ganges stets
schämte, glückte die Reposition nach einigen Repositionsgriffen inner¬
halb von 2 bis 3 Minuten, der Schenkelkopf sprang mit hörbarem Ge¬
räusch in die Pfanne; leider aber erfolgte ein Chloroformtod, trotz¬
dem das Kind kaum 5—8 g Chloroform bekommen hatte. In einem
weiteren Falle, einem Falle von doppelseitiger Hüftgelenksverren¬
kung bei einem 11 jährigen Mädchen, war es Herrn H ä r t i n g trotz
zirka einstündiger Repositionsmanöver, auch unter Anwendung der
Lorenz sehen Schraube nicht möglich, eine Reposition zu ermög¬
lichen, wenngleich der Schenkelkopf von seinem hohen Stande am
Os ileum an den Pfannenrand heruntergebracht worden war.
Bezüglich des für die Reposition günstigsten Alters ist zu be¬
merken, dass das günstigste Alter für die Reposition das 2. bis
4. Lebensjahr ist, man rechnet aber im allgemeinen bei einseitigen
Hüftgelenksverrenkungen die Reposition noch bis zum 8. Lebens¬
jahr, bei doppelseitigen Hüftgelenksverrenkungen noch bis zum
6. Lebensjahr für möglich. Als Resultate berechnet man jetzt bei
einseitigen Hüftgelenksverrenkungen ca. 70—80 Proz. Heilungen, bei
doppelseitigen ca. 60 Proz.
Herr Elsässer berichtet über 3 Fälle schwerer Strepto¬
kokkensepsis aus der chirurgischen Abteilung des Diakonissenhauses.
Der 1. Fall (demonstriert) betrifft einen 45jähr. recht kräftigen
Mann, bei dem der linke Arm exartikuliert worden war.
Die Sepsis begann mit 4 Phlegmonen der linken Hand. Der über
7 wöchentliche schwere septische Krankheitszustand einer einheit¬
lichen Streptokokkeninfektion mit Metastasen in Lungen und Extremi¬
täten bot Gelegenheit neben Bier scher Stauungs- und Saugungs¬
behandlung mit reichlichen Inzisionen mehrere antiseptische Medi¬
kamente in Anwendung zu bringen, nämlich Marmorekserum ins¬
gesamt 65 ccm, Phagozytin Rosenberg 25 Ampullen und Kollargol
35 X 0,5 g in recto. Ein wesentlicher Einfluss dieser Medikation war
nie zu erkennen.
Die gleich zu Anfang angewandte Bier sehe Stauung blieb
resultatlos. Die sorgfältig durchgeführte pneumatische Absaugung
von Abszesseiter erwies sich für das Allgemeinbefinden recht günstig.
Die 2 markanten Einschnitte im Verlaufe fallen zusammen mit
den 2 grossen chirurgischen Eingriffen, der Amputation oberhalb des
Ellbogens am 15. Krankheitstage und der Exartikulation in der
Schulter am 50. Krankheitstage.
Die ausschlaggebende Bedeutung war deutlich den grossen chi¬
rurgischen Eingriffen zuzuerkennen.
In 2 weiteren Fällen von Streptokokkensepsis, die klinisch sehr
schwer einsetzten, wurde Jodipin Merk (25 proz.) subkutan zur An¬
wendung gebracht.
In dem einen Fall mit schweren Lungenerscheinungen wurde
neben chirurgischer Behandlung zunächst Kollargol gegeben; dabei
nahmen die septischen Erscheinungen eher zu als ab.
Am 5. und 6. Tag gab man nun Jodipin. Vom 6. Tag ab erfolgte
stetiger und rascher Rückgang der Temperatur, rasche Besserung
der septischen Herde und Heilung.
In dem anderen Fall mit 4 Phlegmonen der Hand wurde mehr¬
mals und von Anfang an Jodipin (insgesamt 30 ccm) gegeben.
In Temperatur und Allgemeinbefinden trat auffallend konstant
deutliche günstige Reaktion ein, lokal blieb dabei die Eiterung wenige
Tage progredient, dennoch trat rasche Heilung ein.
In anderen Fällen akuter Infektion wurden ähnliche günstige Re¬
sultate bei Jodipingaben gesehen.
Die Anwendung und weitere Erprobung des Jodipins erscheint
somit besonders auch für die sonst therapeutisch so schwer zugäng¬
lichen Streptokokkeninfektionen als ratsam und entschieden aus¬
sichtsreich.
Herr S kutsch bespricht den gegenwärtigen Stand der Lehre
vom Hermaphroditismus und Pseudohermaphroditismus und demon¬
striert eine von ihm operierte Patientin mit Pseudohermaphroditlsmus.
Es handelt sich um die 19 Jahre alte Näherin Marie M. Sie
konsultierte, weil bei ihr „alles verwachsen“ sei und sie Abhilfe
wünsche. Im Alter von 5 Jahren ist sie ärztlich untersucht worden,
weil den Eltern auffiel, dass an den Geschlechtsteilen etwas nicht in
Ordnung sei. Damals wurde gesagt, die Teile seien noch zu klein,
um Näheres zu bestimmen. Sie ist stets gesund gewesen, hat nie die
Menstruation gehabt, auch nie Molimina. Von jeher hatte sie eine
tiefe Stimme; ihre Neigungen waren stets weibliche; vom 15. Jahre
ab hatte sie geschlechtliche Neigung zu Männern, nie zu Frauen; seit
2 Jahren hat sie einen Bräutigam.
Mittelgrosse Person, von massig kräftigem Körnerbau, mässig
entwickelter Muskulatur. Die Hände sind eher klein (sie ist ge¬
schickt in weiblichen Handarbeiten). Das Kopfhaar ist kurz, s !l
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1618
MUENCMENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. JA
früher langer gewesen sein, ging aber seit einem Jahre stark aus;
sie trägt darüber eine Frisur von falschem Haar. Die Gesichts¬
farbe ist etwas gelblich; an Kinn und Oberlippe deutliche Bart¬
stoppeln (sie entfernt sich die Haare sorgfältig durch Ausziehen).
Kinnbacken nicht hervorstellend. Die Zähne sind gut, der Hals ist
kurz, Kehlkopf massig vortretend. Die Stimme ist rauh. Schultern gut
gewölbt, Brust behaart, Mammae ganz unentwickelt. Das Abdomen
ist etwas vorgewölbt, Nabel eingezogen, auch an der Bauchhaut deut¬
liche Haarstoppeln.
Die äusseren Genitalien sehen auf den ersten Blick eher wie
männliche als wie weibliche aus; ziemlich starke Behaarung, rechts
und links Wülste wie gut entwickelte grosse Schamlippen; zwischen
deren oberen Enden ragt eine stark hypertrophische Klitoris von
Form und Gestalt eines kleinen Penis herab, in Länge von ■lern, mit
deutlichem Frenulum und Präputium; dieser Körper ist erektil. Von
der Spitze der Glans führt an der Unterfläche eine 2' •.■cm lange
Halbrinne nach abwärts und verschwindet hinter einer halbmond¬
förmigen Oeffnung von etwa 1 j cm grösstem Durchmesser. Von
dieser Oeffnung ab bestellt nach rückwärts vollständige Vereinigung
der beiderseitigen Labien. Die Distanz von dieser Oeffnung bis zum
After beträgt 7cm. In den Labien ist nichts von Körpern, die etwa
als Hoden anzusprechen wären, zu tasten, ebensowenig im Leisten¬
kanal.
Die weitere Untersuchung wurde in Narkose vorgenommen.
Die genannte Oeffnung lässt sich ein wenig dehnen und man sieht
dahinter eine kleinere Oeffnung durch die der Katheter leicht in die
Harnblase gelangt und klaren Urin entleert Während der Metall¬
katheter in der Blase liegt, gelingt es dicht hinter der Harun »hreii-
miindung eine Sonde von ft mm Durchmesser 7 cm lang in einen Kanal
einzuführen (Vagina). Dass es sich um einen getrennten Kanal
handelt, wird mit Sicherheit dadurch erkannt, dass Sonde und Ka¬
theter keine direkte Berührung darbicten. Die erstgenannte Oennung
ist also der Zugang zum Sinus uro-genitalis, in den Urethra und
Vagina münden.
Per rectum und Abdomen kombiniert tastend fühlt man an¬
schliessend an die durch die Sonde markierte Vagina einen Körper
von der Gestalt eines winzigen Uterus. Dieser ist 2'. cm lang. 1 cm
breit, % cm dick. Nach rechts und links fühlt man von diesem Körper
bogenförmig um das Rektum herumgehende Falten (D o u glas sehe
Falten). Trotz sorgfältiger bimanucller Palpation ist nichts auf/u-
finden, was als Geschlechtsdrüsen gedeutet werden konnte.
Der Schambogen ist eng; Dist. Spin. 22 cm. Dist. Crist. 25'-cm.
Dist. Troch. 28 cm. Dist. Tub. Iscli. 8 cm. Dist. Spin. post. sup.
HVs cm, Conj. ext. 17 cm.
Soweit hier eine Diagnose möglich, ist der Fall als Herm¬
aphroditismus femininus externus mit Hypertrophie der Klitoris und
Verschluss der Vulva zu bezeichnen. Jedenfalls ist kein Beweis zu
erbringen, dass es sich um männliches Geschlecht handele. Die
sogen, sekundären Gcschlcciitscharaktere sind bekanntlich nicht als
masgebend zu betrachten. Eine sichere Diagnose lässt sich in solchen
Fällen ja nur durch genaue histologische Untersuchung der Keim¬
drüsen erbringen. Solche sind in unserem Fall überhaupt nicht nach¬
gewiesen; vermutlich sind sie. wenn überhaupt vorhanden, nur gan»
rudimentär entwickelt. Man könnte daher die Person auch als
neutrius generis bezeichnen. Da jedenfalls kein zwingender Grund
vorliegt männliches Geschlecht anzunehmen, so ist es berechtigt die
als Mädchen aufgewachsene und als Weib empfindende Person als
weiblich zu betrachten.
Hienach erschien cs weiter berechtigt, dem Wunsche der Pa¬
tientin zu entsprechen und den Verschluss der äusseren Genitalien /u
beseitigen.
Die operative Therapie wurde nun in folgender Weise ausgeübt.
Durch einen etwa 3 cm langen Schnitt von der hinteren Kommissur
der Oeffnung des Sinus uro-genitalis nach abwärts wurde der Sinus
freigelegt. Dabei zeigte sich am Anfang der Vagina die Andeutung
eines Hymen. Die kleinen Labien fehlen. Mit sukzessive stärkeren
H e g a r sehen Dilatatoren wurde die Vagina allmählich gedehnt, was
ohne Schwierigkeit gelang bis zu einem Konus von 14 mm Durch¬
messer. Nun wurde die hintere Scheidenwand noch ein Stückchen
gespalten und der Wundrand der Scheidenschleimliaut beiderseits
durch Nähte mit dem Hautwundrand vereinigt. Ein schmales Dreieck
an der hinteren Wand des neugebildeten Vestibulum wird der Gianu-
lation überlassen.
Der Verlauf war reaktionslos, normale Wundheilung. Doch
schien der Zugang zu der Vagina noch nicht genügend gross. Ls
wurde daher 16 Tage nach der ersten Operation eine zweite in
folgender Weise ausgeführt.
Vom Hymcnalrand nach hinten wird auf der Dammhaut ein
etwa 3 cm langer medianer Schnitt geführt, wodurch eine dreieckige
Wundfläche entsteht, wie bei einem medianen Dammriss. Damit
dieser Zugang nun sicher dauernd frei bleibe musste die \\ und-
fläche durch epitheltragende Haut be/.w. Schleimhaut gedeckt wer¬
den. Es wurde daher iederscits am Damm von der Basis der
Wundfläche aus ein Hautlappen soweit unterminiert bis die nach der
Abpräparierung geschrumpfte Spitze des Lappens sich bequem nach
oben bis an die Spitze der Wundiläche vorzieheu licss. In dieser
Lage wurden die lateralen Seiten der l appen mit den lateralen
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Schenkeln der \\ undilache beiderseits durch Nahte vereinigt; m der
Medianlinie wurden die beiden medianen Ränder der beulen Lappen
zusammeugunäht.
Auch hiernach erfolgte glatte Hulung. Es sind iltzt 17 Tage seit
dieser zweiten Operation xeräossi-n; die Lappen sind gut eiiuihei.t;
cs besteht ein gut zugaugigcs Ycstibu'um. Der 1 mger dringt bei|..e:a
in die Vagina ein und fühlt an ihrem I nde eine winzige \ agma.-
portioii (1 »enionstiatioii).
Herr Lä wen denn mstriei t im \usjniiss an die Dem-uist: at; n
des Herrn S k u t s c h Bilder von Hermaphrodit ismus.
Gynäkologische Gesellschaft in München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung Nom 0 . Juli l l *is,
Herr Dödcrleln demonstriert:
a) 2 Präparate Von Spjfochacte palh !a aus dt r Itber und. der
Pla/enta einer laiiifoten Frucht Mens. \. Pi kranke, bei dt r wegen
’l liromboplilebitis piierperaiis die \ t neminti■: bindumgcu gemacht x\ •
den sind. Der frü-ig der Operation ist nutit K 1 : it gern!, d.e
Stliutlehroste haben nullt auigehoi t. c> Kranke xui d4 Jahr eil n :!
Vulva- Und Yagimilkaf zinom, das bis unter die >v!' e:r:ü aut d.s
Rektums vorgeschritten ist. tl» l ><.p|H:Nei:ue \ drt\tu:::< •'i n trat
Uterus, e) Sekundäre Ba-tiJfsJiw atuersJialt Mens. V mit K g.mitn-
der \erkalkimg.
Diskussion: Ht rr B a i s c h.
Herr Wiener demonstriert:
a) Mxom.ita Uteri um Iso" um die /.etxix gedreht, bl Zc:x;x-
imoin. e> M\oin mit Kar zuio.m. di I rische ! xtuiirfe nn.'r.o
\<ui t;i. 5 (i Wochen. I *e oniu ndc r tu’ .iur \m-rt. e 1 Mu : ;> t
\(>s/tsse im Uterus und \ ei eiterte I »xar i.i : / \ vte, u.iItsjuh uh e’d-
st.ohli n mittige langd.uit r not r amtet " eitiger int r awte• :tu r Bc-
haiullnng.
Diskussion: die Herren B j i s Ji. D o J e r 1 e i n. \ m a n n.
W i e u e r.
Herr Petri: Zur Interposltlo uteri vcslco-x aglnalls.
Nach einer kurzen Besprechung der 1 ritw iT 'uug d:e*c? « >pc-
rationsmethode beschreibt der \ i»rtragende das haue*res;: tat der¬
selben. Zur Operation kamen 14 I .Die. 7 aus der P r i\uiin.ixis des
Herrn Prof. Klein. 7 aus der gvnuko|< •gischen P< m. nnk. A V
Operierten verhessin spätestens Jo läge p- >st ope’ati-u^ji p:
geheilt die Anstalt. Zwei starben spater an iatc' k btte ute n Krank¬
heiten (Asthma. Pneumonie l. bei einer dritten P.itieirtdt wurde dt’
gute Operati'Uisciti kt 14 läge n.ult der 1 m'.issuug durch c;.ku
U nfall vernichtet. Die übrigen 11 b.>teri muh einer Be-'b.u ' tun. s-
dauer von 1 .• I i lallten sub-cktiv ein aus^/cu imc te s kb^ti ’a-i
obiektiv war bei 2 ein ganz leichtes Rezidiv zu \ e r m ic 1 : •’ De'
Vortragende kommt zu dem ^Obusse. dass sjH/uil da > c h a u t a -
sehe Methode sehr geeignet ist. .null grosse /\ vfca/i Um mit gälte m
Dauererfolge zu beseitigen, f \nt-»re ter at I
Diskussion: die Herren 1 h e i I h a b e r. \ m a n m M i r a -
b e a u, W i e n e r. Dnderlem. Petr i.
Herr Herbert: Zur Behandlung der Hämato/clc bei ek¬
topischer Schwangerschaft.
Der Vortr. geht aus von de r \ c T sefbü di mirto.se il der An¬
sichten über llam.ito/elenbehamüur.g lind der Indö adi >u*a4e "ung
operativen Eingriff. zeigt suli als inisjin.luu r Anhänger einer be¬
dingungslosen aktixen llicrame um! In gründet sc min >tan äno t
an der liaiul von s einsc'üagigv u laden e\top;s v hir <rax id aus
dem Prix atlabor atormm < mst.ix Kleins. bi ilirvn l.i'en wurde
trotz. Ilamat"Zcicnalvkai'si '.ung. tr• »tz tiil'aren Aborts umi vJna:-
baren Abschlusse s des k r ai’k lmitspro/c ssc s be i mimt ; •••gt*-e-
Pausen des subiektbveii W ■•ii.be ’m.irps iler Patie nt :’’e n dirn-oh
durch sekundäre. ia tertiäre Vk hhliitiiuge n muh M fiat- /e \ n-
kapselriss (in 5 I allen f. oder dm eil Int» kti«*b .b s llamato#* e ’-a-'a ’* S
dl} I e ll Bakterielle uiw aride r ung X'.m ad! a: eilte n | »ar m aus i i | . *.
das Leben der Kranken stark getalr iet. m einem I ,i e s ..ar \er-
nulitet. ( Autorefer.it. )
Diskussion: ehe Herren Vi ert H • > r r 11148 n. II e : b e r t
G \\ 1 e 11 e r ■ M rdv 1 .
Berliner medizinische Gesellschaft.
(Eigener Bericht )
Sitzung v o in 22. Juli l‘*'\
Demonstrationen:
Herr Adler einen lall < me r a - t|.i limgeiigangram Au a r
Stelle der Dampfung zeigte v, h im R •uigv'U'i.d em s di.' , 'i I s
erfolgte Heilung mu h < <pi f at: <u.
Herr Melchior a < 1 . b v > ! ’.-t -.ber Versuche a" 11;.” 5
resezierte l reteren durch implantierte \ enen zu ersetzen.
der Implaututionsst« de ist die Muss a,\ c
Zeichen, dass eine gewisse Hin.mm g : ; g:e 1 ’ 'iip.tss.ig-: U^vM
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Juli 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1619
Herr Holländer einen schweren Fall von Lupus erythema¬
todes. Der Redner hat früher eine Jod-Chinintherapie angegeben.
In diesem Fall war die Therapie von anderer Seite erfolglos an¬
gewendet worden. Erst grosse Dosen (10 Tage je 2 g Chinin, im
ganzen 120 g) führten zu einer Heilung. Chinin wirkt spezifisch, in¬
dem es in den Herden eine Reaktion erzeugt, vergleichbar der Tuber¬
kulinreaktion.
Tagesordnung:
Diskussion zu den Vorträgen der Herren Posner
und Dietrich: Ueber Dunkelfeldbeleuchtung.
Herr Wolff-Eisner hebt hervor, dass eine Beobachtung
von Hämolysevorgängen an kernlosen Erythrozyten bisher nicht
möglich war und verweist auf seine Versuche über die morphologi¬
schen Vorgänge bei der Lyse von Taubenblut. Speziell für die
Bakteriolyse, die infolge optischer Verhältnisse bisher nur partiell
beobachtet werden konnte, wird die Methode Bedeutung erlangen.
Herr Reichert weist auf die Leichtigkeit des Pallidanach-
weises und der Feststellung der Fettresorption mit Dunkelfeldbe¬
leuchtung hin. Er demonstriert Leukozyten, welche polymorphe Kern¬
figuren aufweisen und die Kernzahl andauernd wechseln. Der Ar-
n e t h sehen Theorie von der Bedeutung der Kernzahlen der Leuko¬
zyten bei den Infektionskrankheiten wird hierdurch der Boden ent¬
zogen.
Herr U 11 mann gibt den optischen Wert der Methode zu und
leugnet nur den diagnostischen.
Herr Reichert a. Q. tritt für die Gleichheit dessen ein. was
man im Spiegelkondensor und im Ultramikroskop sieht. Zum Be¬
weise weist er auf die kolloidale Goldlösung. Die sphärische Aber¬
ration des Reichert sehen Apparates ist kein Nachteil, wie Redner
näher ausführt.
Herr B r u g s c h bestreitet gegenüber Herrn U 11 m a n n, dass
man am lebenden Präparat mit anderen Methoden Kernverände¬
rungen habe beobachten können.
Herr Posner (Schlusswort) resümiert kurz die Bedeutung des
Ultramikroskops.
Herr Dietrich (Schlusswort: Die Beobachtungen im Dunkel¬
feld sprechen für eine flüssige Natur des Blutkörperchens.
Herr Kraus: Ueber Schilddrüsenstoffe.
Herr Kraus berichtet über seine Versuche mit Schild¬
drüsenstoffen und Adrenalin (gemeinsam mit F r i e d e n t h a 1).
Bei Schilddrüsenwirkung bleibt der Vagus auch bei Atropin¬
einwirkung reizbar, beü Adrenalineinwirkung verliert dagegen
der Vagus seine elektrische Erregbarkeit. Gleichzeitige Dar¬
reichung von Schilddrüsenpressaft und Adrenalin lässt den
Vagus reizbar. Es kommt ein sogen. Aktionspuls zustande.
Durch Injektion von Jod und von artfremdem Eiweiss wird die
gleiche Wirkung nicht erzielt.
Bei Tieren wird nach der Injektion von Schilddrüsensaft
das Auftreten von Adrenalin im peripheren Blut hervorgerufen.
(Nachweis durch Pupillenerweiterung beim enukleierten
Froschbulbus und chemisch.) Bei Myxödem tritt diese Er¬
scheinung nicht auf. Das Auftreten von Adrenalin im peri¬
pheren Blut kann daher auf Üeberfunktion der Schilddrüse
bezogen werden.
Bei Morbus Basedow wurde in allen Fällen Adrenalin im
Blut nachgewiesen (Analogie mit den Tieren, denen man
Schilddrüsensaft intravenös injiziert hatte). Dass eine Ueber-
funktion der Schilddrüse den Basedow bedingt, wurde schon
aus früheren klinischem Beobachtungen gefolgert, zum Teil war
aber das Material nicht schlüssig. Für die Rolle der Sym¬
pathikusbeteiligung beim Basedow wird der Adrenalingehalt
des Blutes einen guten Indikator abgeben. Auch bei operierten
Fällen, die sich für geheilt halten, ist noch ein abnormer
Adrenalingehalt im peripheren Blut nachweisbar.
Verein für innere Medizin zu Berlin.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 20. Juli 1908.
Demonstrationen:
Herr Staehelin: Ein Fall von Kalkablagerungen In der Haut.
Es bestanden daneben Gelenkschmerzen, die Kalkablagerungen
sind in Röntgenogrammen erkennbar.
Tagesordnung:
Herr A. Magnus-Levy: Ueber Chylurie.
Die Chylurie ist eine durch Filarien bedingte Tropen¬
erkrankung, kommt jedoch mit anderer Aetiologie bisweilen
bei uns vor. Eine Theorie nimmt für diese Fälle Chylus-
charakter des Blutes mit Uebertritt in dem Urin an, der sich in
den Nieren vollziehen soll, eine andere betrachtet die Kommuni¬
kation’ de* Ghylus* und Blutgefässe als Ursache. In eitieni Falle
des Vortragenden bestand die Chylurie nur nachts, was sich
dadurch erklärte, dass nur im Liegen chylöser Urin abgesondert
wird, nicht im Stehen.
Herr Frank fand, dass nur die rechte Niere diesen Urin ab¬
sonderte und weist noch besonders darauf hin, dass im Liegen die
rechte Niere 3—4 mal so viel sezernierte wie die linke (im Stehen
nicht!). Hieraus schliesst Vortr., dass die Ursache der Chylurie in
vorliegendem Falle in einer abnormen Kommunikation zwischen Blut
und Chylusgefässen gesehen werden müsse.
Herr F. Blumenthal: Ueber neuere Forschungen auf
dem Diabetesgebiete.
Zentralnervensystem, Leber und Pankreas werden für die
Enstehung des Diabetes verantwortlich gemacht. Eine direkte
Rolle des Nervensystems erscheint ausgeschlossen. Die Pi-
quüre stellt die einzige Stelle im Nervensystem dar, von welcher
aus Glykosurie erzeugt werden kann. Auch die Adrenalin-
glykosurie ist nicht durch nervöse Einflüsse zu erklären.
Systemerkrankungen führen selten zu Diabetes, häufiger allge¬
meine Insulte.
Die Leber vermag beim Diabetes nicht, Zucker im Form
des Glykogens aufzuspeichern; doch wird sie erst durch andere
Organe in diesem Sinne beeinflusst. Trotz Pflügers Ein¬
wände spielt das Pankreas eine grosse Rolle; Minkowski
wies nach, dass die von Duodenum zum Pankreas ziehenden
Nerven an der Entstehung des Pankreasdiabetes unbeteiligt
sind.
Vortragender berichtet weiter über die Untersuchungen,
betr. die Rolle der Muskeln bei der Entstehung des Diabetes,
ventiliert die Frage der Entstehung von Zucker aus Fett und
Eiweiss und die Art der Bildung des Azetoms. W.-E.
Druckfehlerberichtigung. Im Bericht über d. V. f.
i. M. No. 28, S. 1514 ist „Herr Z ü 1 z e r (Schlusswort)“ 9 Zeilen
tiefer zu setzen. No. 29, S. 1562 ist bei Herrn Ehrmann Darm¬
sekretion statt Darmresektion zu setzen. Wolff-Eisner.
Aus den französischen medizinischen Gesellschaften.
Acadömie de mddeclne.
Sitzung vom 5. Mai 1908.
Zur Behandlung der akuten Mittelohrentzündung.
Lermoyez bringt eine vergleichende statistiscli 3 Studie, c’ie
auf mehr als 200 Fällen eigener Beobachtung beruht. Die Fälle sind
in 2 Hauptgruppen eingeteilt: die der ersten Gruopc wurden nach der
klassischen Methode mit feuchten Verbänden, Karbolglyzerin, häu-
fisen Injektionen, Nasenduschen, die der zweiten mit einem trockenen,
aseptischen Okklusivverband nach ausgiebiger Inzision des Trommel¬
felles behandelt, bei letzterer Art werden weder in den Gehörgang
noch in die Nase Injektionen gemacht. Bei ersterer Methode v ar
L. genötigt, in 14 Proz. der Fälle den Processus mastoideus zu Öffnen,
bei letzterer nur in 3 Proz.; ausserdem war die mittlere Behand-
limgsdc'i'ei der durch feuchten antiseptischen Verband behandelten
Fälle 89 und der trocken behandelten Fälle 23 Tage.
Sitzung vom 12. Mai 1908.
Entzündliche Tuberkulose skleröser Form. Sklerotuberkiiiose und
fibröse Diathese.
In einer längeren Abhandlung besprechen A. Poncet und R.
Leriche diese Art entzündlicher Tuberkulose, welche als Kampto-
daktylie, Retraktion der Palmar- undPlantaraponeurosen, Keloide, ge¬
wisse subkutane fibröse Knoten usf. auftreten. Unter der Maske rein
entzündlicher Prozesse bewirkt die Tuberkulose hochgradige or¬
ganische Störungen und ruft oft das, was man arthritischen Typus
nennt, hervor. Die klinische Form dieser Tuberkulose ist eine mehr
weniger wechselnde, während die Art der Pathogenese immer die¬
selbe bleibt. Im Bereiche des knöchernen Skelettes nimmt die ent¬
zündliche sklerosierende Tuberkulose den speziellen Typus der in¬
fektiösenE x o s t o s e an, im Muskelgewebe verursacht sie vielleicht
jene ossifizierende Myositis, deren genauere Natur gewöhnlich
unserer Kenntnis sich entzieht; die Lokalisationen an den Drüsen
werden häufiger beobachtet, an der Brust zeigen sie das Aussehen
der knotigen Mastitis. Der Verdauungskanal ist nicht frei von diesem
sklerosierendem Prozess; am Pylorus gibt es fibröse Stenosen, die
man, wie es nur zu oft geschieht, nicht mit den Narben latenter Ge¬
schwüre verwechseln darf, am Dünndarm sowie am Mastdarm kom¬
men ähnliche Strikturen vor. Aber hier ebenso wie bei zahlreichen
Formen von Zirrhose innerer Organe, wie Leber, Nieren, Endo¬
kard usf. handelt es sich nicht um den Ueberrest einer
geheilten Tuberkulose, sondern die fibröse Stenose ist e i n e
in voller Entwicklung begriffene Krankheitsform, was
die klinische Form und die progressive Verschlimmerung genügend
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1620
MUHNCHHNHR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.
beweisen. Auf denselben Prozess führen Berichterstatter jene gich¬
tischen Verdickungen des Penis, die plastischen Indurationen der Cor¬
pora cavernosa, die seit Langem von den alten Autoren den Krank¬
heiten des fibrösen Systems zugezahlt werden, zurück. Kurz sie
glauben mit ihren Ausführungen gezeigt zu haben, welch enorme
Rolle die Tuberkulose als vcritablc fibröse Diathese spielt.
Die chronische Appendizitis.
Richelot erinnert daran, dass zahlreiche Wechselbeziehungen
zwischen Entcrokolitis und Appendizitis bestehen und dass in l allen
chronischer Appendizitis eine Reihe von Magendarmstorungen w ie
Schmerzen, Dyspepsien verschiedener Art vorhanden sind, ohne dass
es oft viele Jahre hindurch gelingt, die wahre Ursache des Leidens
zu finden. Während im klinischen Sinne der Wurmfortsatz nur in ge¬
ringem Masse affiziert zu sein scheint, während es scheint, es handle
sich vor allem um eine Kolopathie. bringt die Operation - Fnt-
fernung des Wurmfortsatzes — alle Darmstörungen zum Verschwin¬
den, ebenso wie die schleimigen Membranen im Stuhl und die
Schmerzen. Die chronische Appendizitis kann übrigens die ver¬
schiedensten Störungen verursachen, wie Vaginismus, der Lcbcrkolik
analoge Schmerzen, üastralgien usw.
Aus ärztlichen Standesvereinen.
Münchener Klinikerschaft.
Die Münchener Klinikerschaft hatte am ITeitag den
17. Juli ihre letzte Versammlung im Sommersemester. Auch in diesem
Semester war es das Bestreben der M. K.. ihren Mitgliedern durch
eine Reihe von Vorträgen und Exkursionen in Prägen Litiblick zu
verschaffen, die bei dem rein wissenschaftlichen Studium nur wenig
Berücksichtigung finden.
Herr Prof. Dr. Döderlein hielt am X. Mai einen Vortrag mit
dem Thema „Ueber das Menschwerden“, wobei der Herr Voi tragende
die Geburt des Menschen vom rechtlichen Standpunkte aus ein¬
gehend beleuchtete. — Am LS. Mai fand eine Führung durch das Kgl.
Taubstummeninstitut statt. Dabei erläuterte Herr Direktor Koller
an der Hand praktischer Beispiele die Methodik des Unterrichtes in
den verschiedenen Klassen sowie die Methode der Hörprüfungen. hm
Vortrag des Herrn Dr. med. Neustätter über „Homöopathie und
Naturheilmethode“ liess uns einen Blick in den heutigen Stand des
Kurpfuschertums tun. Am 2b. Juni hielt Herr Dr. med. L. Löwen-
feld einen Vortrag:: „lieber Suggestion und Hvpnose“. wozu auch
die Herren des ärztlichen Vereins in grosser Zahl erschienen waren.
Anfang Juli fand ein Ausflug in das Ouellengebiet der Münchener
Wasserleitung am Taubenberg statt. Herr Obermedizinalrat Prof.
Dr. v. G ruber hatte dabei die Führung übernommen und erläuterte
an Ort und Stelle im Verein mit den beiden Herren Oberingenieuren
Dahinten und Hcnle den Plan der Gesamtanlage. Darauf folgte
die Besichtigung der alten und der im Bau begriffenen neuen Stollen.
--- In das Krankenkassenwesen führte uns ein Vortrag des Herrn
Dr. med. Scholl „Ueber ärztliche Standesfragen“ ein. In der an¬
schliessenden Diskussion wurde die Fühlungnahme der Kliniker-
schaften mit dem Leipziger Aerztcvcrband angeregt.
Herr Prof. Dr. Gustav Klein hatte die Liebenswürdigkeit, aus
seiner Bibliothek der Münchener Klinikerschaft mehrere hervor¬
ragende Werke zur Verfügung zu stellen.
Allen Herren, die durch Vorträge. Führungen und Zuwendungen
der Klinikerschaft ihr Interesse bekundet haben, sei an dieser Stelle
nochmals der verbindlichste Dank der Münchener Klinikerschaft aus¬
gesprochen.
Von der sonstigen Tätigkeit der Münchener Klinikerschaft sei
mitgeteilt, dass am 23. Juni eine Hingabe an Se. Durchlaucht den
Herrn Reichskanzler abgegangen ist, betr. Anrechnung des 2. Militär-
halbjahrs auf das praktische Jahr. - - Am 30. Juli findet in Leipzig
der Verbandstag Deutscher Klinikerschaften statt, auf dem u. a. die
Frage der Berechtigung zur Führung des medizinischen Doktortitels
sogleich nach dem Doktorexamen besprochen werden soll.
Verschiedenes.
Aus den Parlamenten.
(Bayer n.)
Fine interessante Angelegenheit, auf deren weiteren Verlauf man
gespannt sein darf, beschäftigte neulich die erste Instanz der Volks¬
vertretung, den Finanzausschuss der Abgeordnetenkammer.
Die notorisch unhaltbaren Verhältnisse dos J u I i u s s p i t a I s
in W li r z b u r g bedürfen dringend der Abhilfe und haben nun in
1() Jahren das achte Neubauprojekt gezeitigt. Fine neue Regierungs¬
vorlage fordert 51)01H MI M. als erste Rate für die Hrbauung eines die
Universitätskliniken, die städtischen, juIiusspitaIischen und klinischen
Kranken umfassenden Krankenhauses. Von den Gesamtkosten von
6 460 000 M. hätte der Staat 3 6M>7(M) M.. die Stadt 2.070 öl Ml M.. die
Juliusspitalstiftung 1372IMIO M. zu tragen. Dabei soll das jährliche
Gesamtrisiko des Spita's nur 13 ooo M. betragen. Für die Aufnahme
der 150 Stiftskranken bleibt wie bisher dem Stift allein die Fntschei-
dung Vorbehalten. Bei voller Wahrung des Miftungsz w eckes wurde
das Spital auch an dem neuen Spital, zu dem es den Baugrund her¬
gibt. zu einem Drittel Figcntumsantcil erhalten. I ier Kaliums*.he Charak¬
ter des Ganzen wird, wie Kultusminister v. W ebner in seinem F\-
pose austiihrte. voll gewahrt werden. Die Verbindung mit dem luuus-
spital geht der Staat nicht aus imaiizu ijvu Gründen ein. vu.dern
deshalb, weil die s t i ! t i s c h e n Kranke n fast die Hallt e
des ganzen k I i n i s c h e n M a t e r i a I s a u s m a c h e u. Di e
L o s t r e ii ii u n g des .1 u 1 i u s s p i t a I s \ o n der l n i v e r s i -
t a t w ii r d e den 1 o d e s s * •» s s für die fr u h e r a n e nur
der ersten Stellen new ese n e m e d i / i n i s c h e Fa¬
kultät W ii r z h u r g. die seit l ss 7 bereits s.m Mudicrendm
auf *407 gesunken ist, bedeuten. Zwischen Staat. Stadt und Spstab
verwaltimg ist auf Vorstehender Grundlage bereits ein F ins er stand-
ms erzielt worden. Diesem in seinen Grund/ugeti jede Malis höchst
begrussensw erteil Proje kte entgegen stellte der Kultusreferent
unserer Kammer. Domkapitular Dr. S c h a e d 1 e r. den Antrag, die
Stimme vom 5oimnui M. zu bewilligen. re doch nur zum Bau eines
für die klinischen und städtischen Patienten bestimmten Kranken¬
hauses. u u t e r A u l h e b u u g d e s / ii s a in m e n banges m i t
d e in I ii I i n s s p i t a I. aNo gerade unter dentingcn Bidmgung. die
nach den Worten des Ministers nichts anderes als dm weiteren
Nieder gang und Rum der medizinischen Fakwitat W tir/burg be¬
deutet.
Auch den sacliv er ständigen Ausführungen des Medizinal: eierm-
ten Geheimrates v. Grashev gegenüber erkannten der Reterent
lind die übrigen Redner der Melirluits[>artei die V>tw endigkeit einer
Sanieiung des S|nt.tls zwar an; ohne leOodi auf die Frage des Kran-
keiiniaugels cinzugehen und mit Schlecht \erhehlter ■\mm<-sitat gegen
die Aerzte und die im dizmis* he lakult.it bestanden sie unter Be¬
rufung auf eine Redits\ erw aiirung des bisdiotii*. hui <0 Jmar i.ties
und unter der Befur c hlung einer verkappten S.ik u'.ar isati* m aut dir
str engen W alinmg des koniessioiieiien Miltungs/w eckes. der Mil-
tungsiiiittel und vier Miltungsredite. Wenn dabei Dr. >chacd!c:
von seinem berechtigten Misstrauen und der Vorsicht als 0er Weis-
heit besserem Teile sprach, hat er. darf man wohl sagen, dui Stand¬
punkt des Kultusrefereilten ganz mit dem des geisthdun Herrn ver¬
tauscht mul dann lugt wohl der Kern der ganzen Sadic. Der
Fmaiizaiissdmss stimmte dem Referenten zu. Die Mehrheitspartei
des Landtages wurde demnach die Losung der sdiw urigen l rage
nicht m einem weiteren erspr ie sslidieu Zusammenarbeiten der bisher
beteiligten Faktoren, nicht in einer Wahrung der Interessen de:
Universität suchen, sondern ihre Aulgal-c m der Wahrung des
Charakters d*r Juliusspitalstiftung und in der W uder-
lierstelhmg eines selbständigen, rem geistlich et leiteten Miltungs-
krankeiihaiises sehen, wie es m Vorzeiten zu W iirz’ urg bestanden
haben mag. als es dort noch keine Universität gab.
Hin in hoh-ni Masse bedauernswerter Beschluss.
Die Von dem Ausschuss vorgesc hlagetie 1 • sung wurde an sich.
sofern sie ohne Schädigung der Universität er¬
folgen konnte, zweifellos manches für sich haben. Das Zu¬
sammenleben von 3 Faktoren in der Verwaltung eines Krankenhauses
ist t ii r die Verwaltung ebenso prekär, wie Iur die Ver/te und es
Scheint in letzterer Beziehung an Reibungen bisher nicht ganz geteb.it
zu haben. Die finanzielle Mi In hi iastung wurde, wie sclrmi erwähnt,
für den Staat nicht allzu druckend sein. Die >chw Icrigkeit fyt-gt nur
an der F i haltiing der für den Bestand einer medizinischen K.m.k un¬
bedingt notwendigen K r ankenkhentel. Dieses vita'c Interesse einer
seit Jalii hunderten bestehenden l rnvirsit.it mit ihren modeinen Vuf-
gaben steht entschieden den Interessen eiiu r n<> v h s.. alten und
ehrw urdigen. in gewissem Mime al'er aiuh veralteten Mittung
voran mul hätte von der Volksvertretung um so mehr gewürdigt wer¬
den müssen, als sich die Interessen der Mittung und der Universität
bisher vertragen haben lind in der Regierungsvorlage ein gemein¬
samer. dem Stiftungsinter esse auf das weiteste entgegenkommen¬
der Plan vorliegt. Kann es der Kiiltiisfeferent und der Ausschuss
wirklich vor dem l aude verantworten, auf duse Weise einer ahm
bavcrischen. mit ruhmvollen Hrmneningen geschmückten medizini¬
schen Bildungsstätte durch Fntziehiing des Bodens. in dem sie wur¬
zelt, das Gedeihen zu unterbinden ? Sollte in» Fruste die drm-
geitde Notwendigkeit eines Neubaues der klinischen Vnstalim. v\ li¬
es den Anschein hat. auf Grund eines aus di m Mstt* la.tc r stamme n-
den Stiftungsbriiies zu einer einseitigen Aufhebung der in einer l.mg.
iahrigeu organischen Fntw ickJwfug hegt mMit teil engen «ierneinsc halt
zw ischen den Kliniken und dem In’nissmi.d benutzt wcrJm w •dien,
so konnte dies aber doch wohl nullt geschehen ohne eine u hzeitige
gründliche, den ief/icen Ver h.btirts-sm ciMw e«. luiule |b .lung dir
JiiliussfjljiiMg selbst. Diese hat. von einem Imsc Inmuhen I .mdt shc'n»
W iirzburgs ins l eben gerufen. v\ •«1 1 1 nur getrachtet, di mu r-gen
öffentlichen Bednrfms zu ents;v i\ !*t ti. dem hi ute unsere st.» Ir^sJcn
und staatlichen Krankenanstalten rtg'v, hen. w-Jil aber käme dm
Absicht gehabt, dem geistlichen Re cm-ent fnr p'!e Zeit em V <Jit
der Krankenversorgimg zu schaffen. Von seiten des Kii : !nsnim!Ste r s
wurde mich hervorgehoben. dass die Verbm.Irrig dir K unken mit
dem Spital noch durch i n r s t b i s v h << f 1 i c h c Vnr<"■dmmg ge-
scliaffen worden ist. Auf dieses: Ii.t/u « i«-b:et der k’< ü ’srra.-m em-
ziigelien, kann mir nuht zustrheii. Minister \. Br eit reich bat
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
28 . Juli 1908.
MUENCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1621
dasselbe kurz berührt und auf das Bedenkliche verwiesen, wenn der
Landtag Rechte der Stiftungsverwaltung an sich ziehen und diese
Rechte im Gegensatz zu den berufenen Organen ausüben wollte.
Er hat ferner darauf verwiesen, dass die Beteiligung des Juliusspitals
an dem Neubauprojekt vollständig stiftungsgemäss ist und ferner
noch, dass die Spitalstiftung durch Julius Echter nicht nur als
Bischof, sondern auch als Herzog von Franken gemacht worden ist.
Nach den Erklärungen der beiden Minister des Innern kann es
wohl als ausgeschlossen gelten, dass auf der von dem Finanzaus¬
schuss gebotenen Basis in absehbarer Zeit an eine Durchführung der
dringenden Reform zu denken ist. Noch darf man aber auch der
optimistischen Auffassung sein, dass auf diesem Gebiet der Humani¬
tät und Wissenschaft es schliesslich nicht bei einer fruchtlosen poli¬
tischen Kraftprobe bleiben darf und ein Ausgleich gefunden werden
wird, weil er gefunden werden muss.
Zwei grosse gesetzgeberische Fragen sind in der Kammer der
Abgeordneten erledigt worden: das Beamtengesetz und die neue
Gehaltsordnung; das erstere ziemlich rasch und unverändert, die
letztere nach langem Hin und Her und nicht ohne eine Verkürzung
der höheren Gehaltsätze zugunsten der Aufbesserung weniger gut
bedachter Kategorien. Der Versuch, die Bezüge der Landgerichts¬
ärzte mit denen der Bezirksärzte durch Versetzung der ersteren aus
der 9. und der letzteren aus der 12. je in die 11. Gehaltsklasse zu
vereinheitlichen, ist nicht durchgedrungen, sondern die Klassen¬
einteilung nach dem Regierungsentwurfe angenommen worden, da¬
gegen ist bei den für uns in Betracht kommenden Kategorien die
Zahl der Vorrückungsstufen von 5 auf 6 (bei den Bezirksärzten usw.
auf 7) vermehrt worden, so dass der Höchstgehalt statt im 13. bezw.
16., erst im 16. bezw. 19. (Bezirksärzte usw.) Dienstjahr erreicht wird.
In der Voraussicht, dass der in der Kammer der Abgeordneten er¬
zielte Kompromiss Gesetz werden wird, sei hiermit eine neue tabel¬
larische Uebersicht (vergl. No. 9 dieser Wochenschrift) gegeben.
D i e n s t j
a h r
e
1.-3.
4.-6.
7.-9.
10.-12.
13.- 15.
vom 16.
1 v. 19.
Vortrag. Räte im Ministerium
Kreismedizinalräte. ordentliche
8400
9000
9600
10200
10800
11400
Caiversitätsprofessoren ....
Landgeriehtsarzte, Professoren
6000
■
6500
7000
7500
8000
8400
der Hebammenschulen ....
4800
5300
5800
6300
6800
7200
Ausserordentliche Univ.-Prof. .
Bezirksärzte, Hausärzte d. Straf¬
anstalten, Zentralimpfarzt,
3600
4100
4600
5100
5600
6000
Oberärzte der UniY.-Kliniken
3000
3500
4000
4500
5000
5500 1
6000
B e r g e a t.
Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher.
Der heutigen Nummer liegt das 231. Blatt der Galerie bei: Professor
Dr. Herman Snellen sen. Vergl. hierzu den Nekrolog auf S. 1596.
Therapeutische Notizen.
Unter dem Namen „M e d i n a 1 solubile“ bringt die che¬
mische Fabrik auf Aktien (vorm. Schering) das Mononatriurnsalz
der Diäthylbarbitursäure als leicht lösliches Schlafmittel für inner¬
liche, rektale und subkutane Anwendung in den Verkehr. Die Wir¬
kung des Medinal ist besonders bei rektaler Anwendung sehr gut,
ausserordentlich intensiv wirkt die subkutane Injektion einer lOproz.
Lösung (0,5:5,0 Wasser), die sich auch bei Delirium tremens als
Ersatz des Chloral und bei Morphiumentziehungskuren
als sehr geeignet erwies. Das Präparat kommt sowohl in Pulverform
(in Pappkartons ä 25, 50 und 100 g) als in Tabletten zu 0,5 in den
Handel. Es darf stets nur in Lösung genommen werden. Die Do¬
sierung ist intern 0,3—0,5—0,75—1,0, 3—4 Stunden nach dem Abend¬
essen zu nehmen, rektal 0,7—0,5 in 5,0 Wasser zu lösen und in einer
kleinen Klystierspritze zu injizieren, subkutan 5 ccm einer lOproz.
Lösung. Eingehende Versuche mit dem Mittel stellte E. S t e i n i t z
im Krankenhaus Moabit an. (Therapie der Gegenwart, Juli 1908.)
R. S.
Ueber L a c t o s e r v e, ein in der Fabrik Böhringer & Söhne
in Mannheim-Waldhof hergestelltes Buttermilchpräparat, hat
Dr. E. G i 1 i b e r t i in der Universitäts-Kinderklinik zu Neapel Ver¬
suche bei akuten und chronischen Magen-Darmerkrankungen von
Säuglingen angestellt, deren Resultate bei den akuten Erkrankungen,
speziell bei Enterokolitis, glänzend, bei chronischen Erkrankungen
nicht immer gleich gut waren. G. kommt zu den Schlussätzen, dass
die Laktoserve die frische Buttermilch vollständig zu ersetzen ver¬
mag; dass sie ihre Hauptwirkung bei der Enterocolitis muco-mem-
branosa und dysenteriformis entfaltet, wobei sich der Charakter der
Fäzes sehr rasch ändert, das Fieber aufhört und das Gewicht rapid
zunimmt; dass sie bei chronischen Affektionen, auch bei solchen auf
hereditärer Basis, eine regelmässige Gewichtszunahme der Kinder
erzeugt und die Blutbildung beschleunigt. (La Pediatria 1908,
No. 3.) R. S.
Curt Hartmann gibt in seiner auf Anregung von v. Me ring (t)
entstandenen Arbeit: Zur Jod - und Sajodintherapie einen
Ueberblick über die Literatur, aus dem hervorgeht, dass sich das
Indikationsgebiet des S a j o d i n s mit dem der bekannten Jodsalze
deckt. Seine Anwendung empfiehlt sich vor allem bei tertiärer
Syphilis in ihren mannigfachen Formen, dann in den spä¬
teren Perioden sekundärer Syphilis, namentlich in
Fällen, die mit Kopfschmerzen einhergehen, dann bei arterio¬
sklerotischer Gefässerkrankung, bei asthmati¬
schen Beschwerden und chronischer Bronchitis. Weiterhin ist
es indiziert bei Affektionen, bei denen es zwar nicht so spezifisch
wirkt, wie bei diesen Krankheiten, wo man aber von Jodkali bis¬
weilen Erfolge gesehen hat, also bei Lungenemphysem, chro¬
nischer Gicht, chronischen Gelenkerkrankungen, chro¬
nischer Bleivergiftung, chronischen Erkrankungen des Zen¬
tralnervensystems. Ausserdem ist es noch in solchen
Fällen anzuwenden, wo das Jodkali infolge der plötzlichen Ueber-
schwemmung des Organismus mit Jod leicht Gefahren bringen kann,
z. B. bei Gehirnaffektionen, Zerebral Syphilis, Psychosen
auf syphilitischer Basis, Larynxaffektionen. Auch
bei nervösen und schwächlichen Individuen empfielt sich seine An¬
wendung vor der des Jodkali. (Dissertation, Halle 1908.) F. L.
A. Köhler-Teplitz-Schönau weist in einer Arbeit „Zur The¬
rapie des Ulcus ventriculi und der H y p e r a z i d i t ä t
das Magensaftes mittels der Capsulae olei oli-
varum asept.“ darauf hin, dass die Oeltherapie des Magenge¬
schwürs in Form der Verabreichung dieser Kapseln neben Er¬
leichterungen subjektiver Art den Vorteil bietet, zwei
Heilfaktoren in sich zu vereinigen. Einerseits die hämostati-
sche Wirkung der Gelatine und die doppelt eiweiss-
sparende Wirkung der Leimsubstanz (mit 10 Gelatine¬
kapseln werden dem Organismus 4 g Leim pro die zugeführt), indem
Körpereiweiss gespart und gleichzeitig die Nahrungsaufnahme redu¬
ziert werden kann, andererseits die geradezu narkotische Oelwirkung.
Es sind ferner auch Beimengungen zum Oel möglich, so nach
dem Vorschläge Walkos (Wien. klin. Wochenschr. No. 4), der
zu 100 g Olivenöl 5 g Wismut und 3 g Magnesia usta empfiehlt, so
dass mit 10 Oelkapseln 0,5 g Wismut und 0,3 g Magnesia usta in
den Magen gebracht werden können. Für die Praxis hat sich er¬
geben, dass die Dispensation zu 5,0 g sich weniger bewährt hat als
die 3 g-Kapseln, die zu 6—10 Stück pro die eingenommen, in viel¬
facher Beziehung den Forderungen der Ulcuskur entsprechen. (Prag,
med. Wochenschr., No. 26, 1908.) F. L.
Zur Behandlung der Augenblennorrhöe bei Er¬
wachsenen und Kindern empfiehlt Adam-Berlin angelegentlichst
die Bleno-Lenizet-Salbe (Ther. Monatsh. 3, 08). Lenizet
ist bekanntlich die polymere Trockenform des Tonerdeazetates.
Die lOproz. Salbe wird täglich nach Entfernung des Sekretes zwi¬
schen die Lider bezw. in den unteren Bindehautsack mit dem Glas¬
stab eingestrichen. Um das zweite, nicht erkrankte Auge zu
schützen, muss man das Kind auf die kranke Seite legen. Das
Sekret muss stündlich mittels eines in Borwasser angefeuchteten
Wattetupfers entfernt werden. Hat die Sekretion beträchtlich nach¬
gelassen, so benutze man 4 mal täglich und 2 mal nachts die 5proz.
Salbe. Nach völligem Erlöschen der eitrigen Sekretion gehe man zu
reinem Euvaselin über. Von 13 Fällen bei Erwachsenen erkrankten
nur 3 mit Hornhautkomplikationen. Kr.
Die Behandlung der Hämorrhoiden soll man nach
B r a a t z (Ther. Monatsh. 3, 08) dem einzelnen Falle entsprechend
einrichten. Am meisten bewährt hat sich B. die Abklemmung der
einzelnen Knoten mittels der Jonesschen Flügelzange mit nach¬
folgender Abtragung und Uebernähung des Stunlpfes durch die fort¬
laufende Naht. Bei sehr geschwächten Individuen empfiehlt sich sehr
die Injektion von 3—5 Tropfen einer Lösung von Karbolsäure und
Glyzerin zu gleichen Teilen. Kr.
(Fortsetzuug siehe Seite 1624.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 27. Juli 1908.
— Ueber die Feuerbestattung in Preussen schreibt
die Z. f. Medizinalbeamte, No. 14: Die Entscheidung des Oberver¬
waltungsgerichtes in dem bekannten Hagener Falle ist auch für die
inzwischen wieder aufgenommenen Erwägungen der Staatsregierung
nach der Richtung bestimmend gewesen, dass für die etwaige Zu¬
lassung der fakultativen Feuerbestattung nunmehr nur noch der Weg
der Gesetzgebung in Frage kommt. Dazu wird offiziös ausgeführt:
Bei der Beschlussfassung darüber, ob dieser Weg zu beschreiten sei,
waren die Gegengründe, welche wiederholt zur Ablehnung des frei¬
sinnigen Antrages auf Zulassung der Feuerbestattung im Abgeord¬
netenhause geführt hatten, nach ihrem vollen Gewicht zu würdigen.
Man wird aber wohl in der Annahme nicht fehlgehen, dass bei der
sorgsamsten Abwägung der Gründe und Gegengründe diesen Be-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1622
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30.
denken das grössere Gewicht doch nicht zuerkannt, vielmehr den
sachlichen Gründen, welche die konservative Regierung und Landes¬
vertretung des Königreichs Sachsen zur Zulassung der fakultativen
Feuerbestattung bewogen haben, in Verbindung mit den Rücksichten
allgemeinpoiitischer Natur, welche für die Erfüllung dieses liberalen
Wunsches sprechen, die grössere Bedeutung beigemessen worden
ist. Hiernach erscheint begründete Hoffnung zu bestehen, dass auch
in Preussen in Sachen der fakultativen Feuerbestattung in naher
Zeit die Klinke der Gesetzgebung ergriffen werden wird.
Dieser Mitteilung fügen wir noch eine Statistik über die Feuer¬
bestattung in verschiedenen Ländern bei, welche die Voss, Ztg. dem
Jahresbericht der französischen Filiale der Internat. Gesellschaft für
Feuerbestattung entnimmt: Die Vereinigten Staaten von Amerika
marschieren voran. Sie haben nicht weniger als 36 Verbrennungsöfen,
in denen im vergangenen Jahre mehr als 4000 Leichen eingeäschert
wurden. Nach ihnen kommt Deutschland mit 15 Siemensöfen und
2977 Eingeäscherten. Die Argentinische Republik nimmt dann mit
976 Eingeäscherten den dritten Platz ein. Die Schweiz hat 4 Oefen,
in denen 721 Leichen verbrannt wurden. In Grossbritannien haben
in 13 Oefen 705 Personen ihre Umwandlung in Asche, man kann
wohl kaum sagen, erlebt. Frankreich besitzt vier Verbrennungs¬
öfen in Paris, Lyon, Marseille und Rouen. In ihnen wurden im ver¬
flossenen Jahre 451 Leichen verbrannt. Etwas weniger in Italien,
nämlich 442. Für Italien ist diese geringe Zahl eigentlich erstaunlich,
denn es hat mehr Verbrennungsöfen als die übrigen Länder, nämlich
30. In Dänemark wurden nur 77, in Schweden 70, in Kanada 33
Leichen verbrannt.
— Für die diesjährige VIII. ärztliche Studienreise,
die unter der Führung des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. A.
v. Strümpell -Breslau - von Hamburg ausgehend Ostende, Isle of
Wight, San Sebastian, Madeira, Teneriffa, Tanger und Lissabon be¬
sucht, haben Vorträge bereits zugesagt: Geh.-Rat Prof. Dr. A.
v. Strümpell -Breslau, Medizinalrat Prof. Dr. Nocht -Hamburg,
Prof, Dr. Lenhartz - Hamburg, Prof. Dr. Strauss - Berlin, Prof.
Dr. Hammer-Heidelberg, Prof. Dr. Felix Francke -Braun¬
schweig, Prof. Dr. P a n n w i t z - Berlin, Oberstabsarzt Dr. Bas¬
senge- Berlin, Dr. A. L a q u e u r - Berlin, Privatdozent Dr. K ei¬
le r - Charlottenburg/Berlin. Die Reise beginnt am 1. September a. c.
in Hamburg uhd endet am 25. d. Ms. ebendaselbst. Der gecharterte
Dampfer „Oceana“ ist bereits voll besetzt und können nur noch Vor¬
merkungen auf evtl, freiwerdende Plätze angenommen werden. An¬
fragen sind zu richten an das „Komitee zur Veranstaltung ärztlicher
Studienreisen“, Berlin NW., Luisenplatz 2/4.
— An der medizinischen Klinik und Poliklinik zu Marburg a. L.
wird vom 9.—19. September inkl. ein ärztlicher Fortbil¬
dungskurs abgehalten. Das Thema ist begrenzt auf die „Therapie
innerer Krankheiten“. Die Kurse sind honorarfrei. Zur Bestreitung
der Unkosten, insbesondere von Druckkosten für Leitfäden, Diät-
regulative, Rezepte usw. wird ein Betrag von 25 Mark erhoben. An¬
fragen aller Art, auch über Wohnungen etc., sind an den Ober¬
arzt der Klinik zu richten. Anmeldungen sind bis zum 15. August
erbeten.
— Vom 18.—27. Oktober 1908 findet an der Medizinischen Klinik
zu Düsseldorf in Verbindung mit dem Pathologischen Institut daselbst
ein erster Kursus der Pathologie, Diagnostik und
Therapie der Erkrankungen des Herzens statt. Der
Kursus umfasst Demonstrationen nebst Besprechungen und praktische
Uebungen; und zwar: Untersuchungsmethoden und Diagnostik (Prof.
H o f f in a n n); Klinische Demonstrationen (Prof. H o f f m a n n, Pri¬
vatdozent Dr. van den Velden, Dr. Grau); Normale und patho¬
logische Anatomie des Herzens (Prof. Lubarsch); Praktische
Uebungen (Privatdozent Dr. van den Velden, Dr. Grau, Dr.
G a u p p, Dr. B r ö k i n g); Therapie der Herzkrankheiten (Prof.
Hoff mann, Privatdozent Dr. van den Velden, Prof. Opitz,
Prof. W i t z e 1). Am* Sonntag den 18. Oktober findet zum Empfang
eine zwanglose Zusammenkunft der Teilnehmer im Malkasten statt,
(hc.)
— Das Programm der 8Q. Versammlung Deutscher
Naturforscher,und Aerzte, Köln, 20.-26. September d. J.,
ist soeben erschienen. Dasselbe ist durch die Geschäftsführung, Köln
Mozartstrasse.il zu beziehen.
— Den von der Akademie der Medizin in Turin alle fünf Jahre
zu vergebenden internationalen Riberipreis für die beste
Arbeit oder Entdeckung auf dem Gebiete der Medizin, die während
der vorausgegangenen Jahre gemacht und zum Wettbewerb ange¬
meldet wurde, im Betrag von 16 000 M. erhielt Professor Bosio
in Turin für seine biologische Methode des Nachweises von Arsenik,
Tellur oder Selen. Zur Zeit ist der Preis für 1907—1911 ausge¬
schrieben. (hc.)
— Der bekannte Philanthrop Henry Phipps hat für die Er¬
richtung einer psychiatrischen Abteilung am Johns
Hopkins Hospital in Baltimore die Summe von 750 000 M.
gestiftet. Als Leiter der Abteilung ist Dr. Adolf Meyer aus
NewYork berufen worden.
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 28. Juni bis 4. Juli
15 Personen an der Pest erkrankt unji 6 gestorben. — Portugal. Im
Innern der zu den Azoren gehörigen Insel Terceira ist in der ersten
Hälfte des Juli die Pest aufgetreten, angeblich durch Rückwanderer
aus Brasilien eingeschleppt; bis zum 16. Juli waren von 15 Er¬
krankten 8 gestorben. Die ganze Insel gilt amtlich für pestverseucht;
die benachbarten Inseln San Miguel, Madeira und Fayal sind angeblich
seuchenfrei. — Aegypten. Vom 27. Juni bis 10. Juli sind an der
Pest 54 Personen erkrankt (und 14 gestorben). — Japan. Auf For¬
mosa sind im Februar d, J. 57 Erkrankungen (und 51 Todesfälle)
an der Pest festgestellt worden, im März 140 (122). — Britisch-
Ostafrika. In Port Florence, dem Endpunkte der Ugandabahn am
Viktoriasee, sind vom 11.—22. Juni 6 Pesterkrankungen mit 4 Todes¬
fällen festgestellt worden. — Trinidad. Bis zum 29. Juni waren in
Port of Spain im ganzen 13 Pesttodesfälle festgestellt worden.
— In der 28. Jahreswoche, vom 5.—11. Juli 1908, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Königshütte mit 33,3, die geringste Bielefeld mit 5,5 Todesfällen pro
Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Scharlach in Beuthen, Zabrze, an Masern und Röteln in
Flensburg, Heilbronn, Kaiserslautern, Mülheim a. Rh., an Unterleibs¬
typhus in Koblenz. V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Dr. Steyrer, Oberarzt an der II. med. Klinik,
wurde zum Professor ernannt. — Prof. F.. H o f f m a n n hat einen
Ruf als Extraordinarius nach Halle erhalten. (S. auch Halle.)
Frankfurt a. M. Prof. Lüthje hat den Ruf als Nachfolger
Quinckes an die Universität Kiel angenommen.
F r e i b u r g i. Br. Der ausserordentliche Professor der Psy¬
chiatrie, Hermann Pfister, scheidet zu Beginn des Winterhalb¬
jahres endgültig aus dem akademischen Lehramt.
Giessen. Als Privatdozent hat sich niedergelassen Dr. med.
Kurt Berliner für Psychiatrie, (hc.)
Halle. Für das zu errichtende Extraordinariat für Derma¬
tologie hat die Fakultät aequo loco vorgeschlagen: E. Hoff¬
man n - Berlin. Tomasczewski -Halle. Zieler-Breslau.
Kiel. Am 17. VII. brachte die Kieler Studentenschaft dem am
1. Oktober d. J. nach 30 jähriger Lehrtätigkeit an der Landesuni¬
versität vom Lehramt prücktretenden Direktor der medizinischen
Klinik, Prof. Dr. Quincke, einen Fackelzug dar. — Am 20. VII.
beging der Geh. Sanitätsrat Dr. S e e g e r, Privatdozent an der
hiesigen Universität sein 50 jähriges Doktorjubiläum. Die Kieler
medizinische Fakultät hat aus diesem Anlass das Doktordiplom er¬
neuert. — Dr. med. Wassermeyer, Assistenzarzt an der psy¬
chiatrischen und Nervenklinik hat sich als Privatdozent niederge¬
lassen. (hc.)
Königsberg. Prof. Dr. Julius Schreiber. Direktor der
Kgl. medizinischen Universitäts-Poliklinik feierte am 26. Juli sein
25 jähriges Professorenjubiläum.
Marburg. Als Nachfolger des Prof. H e f f t e r, der mit Be¬
ginn dieses Sommersemesters nach Berlin übergesiedelt ist, ist, wie
wir hören, der a. o. Professor für physiologische Chemie und Assi¬
stent für medizinische Chemie am physiologischen Institut der Uni¬
versität Würzburg, Dr. med. et phil. August G ü r b e r als Professor
und Direktor des pharmakologischen Institutes nach Marburg be¬
rufen. Dr. med. Franz K r u s i u s hat sich als Privatdozent für
Augenheilkunde habilitiert. Seine Antrittsvorlesung handelte über
Blindheitsursachen und Blindenerziehung, (hc.)
Rostock. Prof. Dr. Nagel in Berlin, Abteilungsvorsteher
am Berliner physiologischen Institut ist als Nachfolger Langen-
d o r f f s auf den Lehrstuhl für Physiologie berufen worden.
Catania. Dr. G. E s p o s i t o habilitierte sich als Privat¬
dozent für Neurologie und Psychiatrie.
Edinburgh. Dr. Fr. M. Caird wurde an Stelle des ver¬
storbenen Prof. Th. Annandale zum Professor der chirurgischen
Klinik ernannt.
Neapel. Dr. G. Proto habilitierte sich als Privatdozent für'
Laryngologie. — Dr. G. Du Conti habilitierte sich als Privatdozent
für externe Pathologie.
Rom. Dr. A. Longo habilitierte sich als Privatdozent für
Kinderheilkunde. — Dr. P. Scalzi wurde zum ausserordentlichen
Professor der Krankheiten traumatischen Ursprungs ernannt. -4
Dr. M. LevidellaVida habilitierte sich als Privatdozent für Bak¬
teriologie.
(Todesfälle.)
In Wien starb im Alter von 48 Jahren Prof. Dr. med. Eduard
S p i e g 1 e r. Als ausserordentlicher Professor fehrte er an der
Wiener Universität Dermatologie und Syphilidologie.
Dr. E. Richard Hagen, ausserordentlicher Professor der Oto-
Rhino-Laryngologie zu Leipzig.
Dr. Gg. J. Preston, Professor der Physiologie und Neurologie
am College of Physicians and Surgeons zu Baltimore.
Dr. F. J. S h a d d, Professor der Therapeutik und Materia medica
an Harvard University zu Washington.
Berichtigung. In dem Referat über den Vortrag von Ph.
F. Becker: „Einige lichtherapeutische Erfahrungen“ im offiz. Pro¬
tokoll des Aerztlichen Vereines zu Frankfurt in No. 29 dieser Wochen¬
schrift ist auf S. 1558, Zeile 11 und 21 von unten statt „Hautekzem“
zu lesen Handekzem.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28. Jun 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1623
Anweisung über das Praktische Jahr der Mediziner (§§ 59—63 der Prüfungsordnung für Aerzte
vom 28. Mai 1901).
1. Anstalten, in denen das praktische Jahr abgeleistet wird.
§ 1. Die Beschäftigung des Kandidaten während des Prak¬
tischen Jahres kann an folgenden Anstalten innerhalb des Deutschen
Reichs erfolgen:
a) an einer Universitätsklinik,
b) an einer Universitätspoliklinik,
c) an einem dazu besonders ermächtigten Krankenhause,
d) an einem medizinischen nichtklinischen Universitätsinstitutc,
e) an einem dazu besonders ermächtigten selbständigen medi¬
zinisch-wissenschaftlichen Institute.
Die Ableistung des Praktischen Jahres kann auch an den zu Aka¬
demien für praktische Medizin vereinigten Krankenanstalten und
wissenschaftlichen Instituten erfolgen, insoweit sie besonders er¬
mächtigt sind.
§ 2. Die Beschäftigung an einer der im § 1 d und e erwähnten
Anstalten wird in der Regel höchstens bis zur Qesamtdauer von
6 Monaten und nur in besonderen Ausnahmefällen bis zur Gesamt¬
dauer von 8 Monaten auf das Praktische Jahr angerechnet.
§ 3. Die Beschäftigung an einem medizinisch-wissenschaftlichen
Institute, das zu einem ermächtigten Krankenhause gehört, wird auf
das Praktische Jahr nicht angerechnet, es sei denn, dass das Institut
in der Ermächtigung des betreffenden Krankenhauses besonders auf¬
geführt ist. Für solche Fälle finden auf die Beschäftigung an dem
Institute die Vorschriften des § 2 Anwendung.
§ 4. Das Verzeichnis der im Reichsgebiete zur Beschäftigung
von Kandidaten ermächtigten Krankenhäuser und selbständigen medi¬
zinisch-wissenschaftlichen Institute (vgl. § 1 c und e) wird alljährlich
im Zentralblatt für das Deutsche Reich veröffentlicht (Verzeichnis I).
Daneben gelangt fortan ein vornehmlich für den praktischen Ge¬
brauch der Kandidaten berechnetes Verzeichnis der ermächtigten
Anstalten zur Ausgabe, welches nähere Angaben über die Anstalten
selbst, so über das hauptsächlichste Arbeitsgebiet der Anstalt, die
Namen ihrer ärztlichen Leiter, die für die Zulassung der Kandidaten
zuständige Stelle, die Bettenzahl, die Zahl der Assistenten und
Pflege Personen, die den Kandidaten gewährten Vergünstigungen und
sonstiges für die Kandidaten Wissenswerte enthält (Verzeichnis II).
Ein Exemplar desselben wird den Kandidaten nach Beendigung der
Prüfung durch den Vorsitzenden der Prüfungskommission übergeben.
§ 5. Die Beschäftigung an einer ausserhalb des Deutschen
Reiches gelegenen Anstalt der in § 1 bezeichneten Art wird nur
ausnahmsweise, und zwar höchstens bis zur Gesamtdaifer von
6 Monaten auf das Praktische Jahr angerechnet. Gesuche sind vor
dem Beginne der Beschäftigung bei der Zentralbehörde, in deren
Gebiete der Kandidat die ärztliche Prüfung bestanden hat, ein¬
zureichen.
II. Behandlung Innerer Krankheiten.
§ 6. Von dem Praktischen Jahre hat der Kandidat mindestens
ein Drittel vorzugsweise der Behandlung von inneren Krankheiten
zu widmen. Dieser Vorschrift kann nur genügt werden durch Be¬
schäftigung an allgemeinen Krankenanstalten,*) denen ein reiches
Material an inneren Kranken zur Verfügung steht, nicht jedoch durch
Beschäftigung an Irrenanstalten, Lungenheilstätten und sonstigen
Spezialkrankenanstalten, deren Aufgabe ausschliesslich in der Be¬
handlung einer einzelnen inneren Krankheit oder Krankheitsgruppe
besteht. Der Kandidat wird dies bei der Auswahl der Anstalt, in der
er beschäftigt zu werden wünscht, zu berücksichtigen haben.
UL Annahme des Kandidaten In der Anstalt
§ 7. Das Praktische Jahr hat sich möglichst unmittelbar an die
bestandene Prüfung anzuschliessen. Soll es später als 4 Wochen
nach Beendigung der Prüfung begonnen werden, so bedarf es der
Erlaubnis der Zentralbehörde (§ 5).
§ 8. Das Gesuch des Kandidaten um Beschäftigung an einer im
§ 1 bezeichneten Anstalt ist, soweit es sich um Universitätskliniken
und -Polikliniken und um nichtklinische medizinische Universitäts¬
institute (§ I a, b und d) handelt, an deren Direktor, soweit er¬
mächtigte Anstalten (§ 1 c und e) in Frage stehen, an die in dem
Verzeichnis II als für die Annahme zuständig bezeichnete Stelle zu
richten.
§ 9. Damit der Kandidat das Praktische Jahr in unmittelbarem
Anschlüsse an die ärztliche Prüfung beginnen kann, ist es zweck¬
mässig, dass er bereits vor Beendigung der Prüfung wegen künftiger
Annahme in einer Anstalt mit dieser in Verbindung tritt. Sofort nach
dem Bestehen der Prüfung wird ihm seitens des Vorsitzenden der
Prüfungskommission eine vorläufige Bescheinigung hierüber ausge-
*) Von Kinderkrankenanstalten gilt dies nur, wenn in ihnen Kin¬
der aller Altersstufen Aufnahme und alle inneren Krankheiten ein¬
schliesslich der übertragbaren Krankheiten Behandlung finden.
stellt, auf Grund deren er sogleich die Annahme als Praktikant nach¬
zusuchen hat.
§ 10. Die Anstaltsleitung, an welche sich der Kandidat mit An¬
fragen oder mit seinem Gesuche wendet, hat alles zu vermeiden,
was den Gang der Verhandlungen und den Eintritt des Kandidaten
verzögern könnte. Stehen der Annahme Bedenken entgegen, so ist
der Kandidat umgehend hiervon zu unterrichten, damit er sich so¬
gleich an eine andere Anstalt wenden kann.
IV. Beschäftigung und Ausbildung des Kandidaten.
§ 11. Für die ordnungsmässige Ausbildung des Kandidaten ist
der Direktor der Universitätsklinik oder -Poliklinik oder des Instituts,
bei Krankenhäusern der ärztliche Leiter der Anstalt verantwortlich,
welcher sich der praktischen Ausbildung des Kandidaten mit Sorg¬
falt zu widmen hat. Als ärztlicher Leiter gilt in denjenigen Anstalten,
in denen mehrere Abteilungen unter selbständiger Leitung besonderer
dirigierender Aerzte vorhanden sind, der Leiter derjenigen^Kranken-
hausabteilung, in welcher der Kandidat beschäftigt wird.
§ 12. Voraussetzung für eine ordnungsmässige Beschäftigung
und Ausbildung des Kandidaten in einer Krankenanstalt ist, dass die
Krankenbehandlung, der Krankenhausbetrieb und die Unterweisung
des Pflegepersonals den Anforderungen der medizinischen Wissen¬
schaft und der öffentlichen Gesundheitspflege in vollem Umfange ent¬
sprechen und die Einheitlichkeit der ärztlichen Leitung und Kranken¬
versorgung streng gewahrt ist.
§ 13. Dem Direktor der Universitätsanstalt oder bei ermächtig¬
ten Anstalten dem Leiter derselben bleibt Vorbehalten, dem Kandi¬
daten eine Anweisung über die Art und Ausdehnung seiner Be¬
schäftigung zu erteilen, wobei die in den §§ 14—19 aufgestellten Ge¬
sichtspunkte als Richtschnur zu dienen haben.
§ 14. Zur Erreichung des Zieles des Praktischen Jahres genügt
es nicht, dass der Kandidat nur die Morgen- und Abendvisite mit¬
macht, im übrigen aber von der Anstalt fernbleibt. Vielmehr ist es
erforderlich, dass er sich während des Tages dauernd in der Anstalt
aufhält und sich ganz der Behandlung und der Beobachtung der
Kranken widmet. Deshalb ist es wünschenswert, dass der Kandidat
während seiner praktischen Tätigkeit in einer Krankenanstalt in der¬
selben wohnt und verpflegt wird. Gestatten die Verhältnisse die
Unterbringung des Kandidaten in der Krankenanstalt nicht, so sollte
ihm wenigstens die Möglichkeit, sich in der Anstalt zu beköstigen,
gewährt werden.
§ 15. Die Uebertragung einer Hilfsarztstelle in den Kranken¬
anstalten an den Kandidaten ist nicht zulässig.
§ 16. Der Ausbildung des Kandidaten in der Krankenanstalt
wird am besten dadurch genügt, dass er einer bestimmten Kran¬
kenabteilung zugewiesen wird und auf derselben eine bestimmte An¬
zahl von Kranken, nicht unter 12, zugeteilt erhält, die er unter der
Beihilfe und verantwortlichen Leitung des Hilfsarztes der betreffen¬
den Station (Pavillon, Baracke) ärztlich zu versorgen hat. Hierbei
ist zu beachten, dass der Kandidat stets unter der Aufsicht des
Direktors oder ärztlichen Leiters verbleiben muss.
§ 17. Dem Kandidaten ist die Möglichkeit zu bieten, sich in der
Untersuchung und Behandlung der Kranken, im Verschreiben von
Rezepten, in der Abfassung von Krankengeschichten, Zeugnissen und
Gutachten, in der Führung der Krankenblätter, in der Abhaltung des
ärztlichen Wachdienstes und in der Ausführung von Leichenöffnungen,
soviel wie möglich zu betätigen. Gegenstände der Unterweisung
sollen ferner sein: die Handhabung der Untersuchungsmethoden, die
praktische Ausübung der Krankenpflege, insbesondere das Eingehen
auf die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Kranken und das
taktvolle Verhalten gegenüber dem Pflegepersonal. Die wissen¬
schaftliche Verwertung bemerkenswerter Krankheitsfälle, die An¬
wendung der verschiedenen Heilmethoden und der Arzneiverordnung,
die Handhabung der Antiseptik und die Einhaltung der Asepsis, die
Mithilfe bei Operationen (Narkose, Assistenz, Nachbehandlung), die
Vornahme derselben, überhaupt die Uebung in möglichst allen
Zweigen der praktischen Medizin, besonders auch auf dem Gebiete
der Arbeiterschutzgesetzgebung. Ferner erscheint eine Belehrung
angezeigt über die Leitung und Verwaltung der Anstalt, über die
Durchführung hygienischer Massnahmen in der Anstalt, über die Er¬
füllung der dem Arzt obliegenden gesetzlichen Pflichten, namentlich
bezüglich der Anzeigepflicht bei übertragbaren Krankheiten und der
Desinfektion, sowie über das kollegiale Verhalten anderen Aerzten
gegenüber, besonders in der Privatpraxis.
§ 18. Alle einer Anstalt oder Anstaltsabteilung überwiesenen
Kandidaten haben sich an den täglichen Visiten der dirigierenden
Aerzte und der einzelne Kandidat ausserdem an den Vormittags¬
und Nachmittagsbesuchen des Hilfsarztes seiner Station zu beteiligen,
wobei am Krankenbette genauere Besprechungen geeigneter Fälle
stattzufinden haben. Von grossem Nutzen werden auch besondere
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1 624
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Referatstunden sein, welche von den dirigierenden Aerzten in Gegen¬
wart sämtlicher Hilfsärzte und Kandidaten abgehalten werden und
in denen die gemachten Beobachtungen ausgetauscht und durch die
Erläuterungen der erfahrenen Chefärzte besonders nutzbringend ge¬
macht werden können.
§ 19. Der Kandidat soll durch den Dienst in der Anstalt voll
beschäftigt werden. Denn er hat seine ganze Kraft und Aufmerk¬
samkeit darauf zu richten, seine praktischen Kenntnisse und Fällig¬
keiten zu vertiefen und fortzubilden, sowie das erforderliche Ver¬
ständnis für die Aufgaben und Pflichten des ärztlichen Berufes zu ge¬
winnen.
§ 20. Die in den §§ 12—19 enthaltenen Bestimmungen finden aut
die Beschäftigung und Ausbildung des Kandidaten in Polikliniken
und Instituten sinngemässe Anwendung.
§ 21. Der Kandidat hat sich der Hausordnung und den An¬
ordnungen des ärztlichen Leiters der Anstalt zu fügen. Zuwiderhand¬
lungen können von diesem mit Verweisen, in Wiederholungs- und
besonders schweren Fällen mit sofortiger Entlassung aus der Anstalt
bestraft werden. Im Falle der sofortigen Entlassung hat der ärzt¬
liche Leiter binnen zwei Wochen an die der Universität Vorgesetzte
Behörde, bei ermächtigten Anstalten an die zuständige Aufsichts¬
behörde zu berichten.
§ 22. Die Direktoren der Universitätskliniken und -Polikliniken
und der Institute sowie die ärztlichen Leiter der Krankenhäuser sind
befugt, dem Kandidaten einen kurzen Urlaub zur Erholung oder zu
besonderen Gelegenheiten zu erteilen. Eine Anrechnung der Urlaubs¬
zeit auf das Praktische Jahr ist nur bis zu höchstens 14 lagen und
nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Tätigkeit des Kan¬
didaten zu Anständen keine Veranlassung gegeben und sich ord-
nungsmässig vollzogen hat. Unter der gleichen Voraussetzung kann
auch die Zeit der ärztlich zu bescheinigenden Krankheit Ins zur
Höchstdauer von 4 Wochen auf das Praktische Jahr angerechnet
werden. Eine weitere Anrechnung von Krankheitszeit ist nur in
besonders gearteten Fällen mit Genehmigung der Zentralbehörde
(§5) angängig. In jedem Falle der Beurlaubung oder der Erkrankung
muss die Dauer der Unterbrechung unter Bezeichnung des Anfangs¬
und Enddatums in dem Abgangszeugnisse vermerkt werden. Eine
Abkürzung der auf die Behandlung von inneren Krankheiten zu ver¬
wendenden Zeit (mindestens ein Drittel des praktischen Jahres) darf
durch Urlaub oder Krankheit nur in besonders begründeten Fällen
erfolgen.
§ 23. Das Praktische Jahr ist in der Regel ohne Unterbrechung
zu erledigen. Eine längere als 14 tägige Unterbrechung bedarf der
Genehmigung der Zentralbehörde (§ 3).
Es steht dem Kandidaten frei, das an einer Anstalt begonnene
Praktische Jahr an einer zweiten und gegebenenfalls noch an einer
dritten Anstalt fortzusetzen. Will er noch einen weiteren Wechsel
Na M
| der Anstalt eintreten lassen. So hat er zus <*r die < jcncfvmigimg ui'
I Zentralbehörde (?: 5) emzuimieii.
! Es ist wünschenswert, dass die Tätigkeit vLs Kai-di .IaH n an en-er
I Anstalt lucht zu kurz bemessen wird. Im WeJivti dir \t,Mail d.rf.
vorbehaltlich des $ 21. nur muh 1 I tägiger km: J'gur.g er: gen. w ei Ja.
! sowohl dem Leiter der Anstalt als dem Kandidaten zustul.l.
$ 24. Hat der Kandidat es an dem eri< n der !k her: I iLf w.T'im!
der Ableisl'mg des I’i aktis«. heu .1.ihres iv'ibii l.isseii. so d.^s d:e
Zentralbehörde < 5> nicht ehe l cbm zv. ugung gewinnt. da"* t r ib o
zu stellenden Am. >rdei mrgeii entsprochen hat. so wird die /mitm -
behorde die Dauer des praktischen Jahres ii"c'i dam.bet hinaus l '
einen von liir zu bestimmenden Zeitraum ausdi Imeii.
23. Wahrend der Vmistnng iL s Praktischen I.ihres hat di:
Kandidat mindestens zwei oiiuitlidun Impnings- und ebenso \ n. <Jj
W leder impjiingstcrmmen. cmsvliJie ss h eie r da/u gvh-'igeri N.uf-
schauternnne. beizuwohmn. Die Be v In. nngimg darüber ste'it de r
Imptarzt aus. \u■Liier den Impitermm .dmeha tv u hat. Die erP-r.Lr-
Ikhen Mitleiiimgi u über die Imptter mme. w eiche m der Pegel im
Mai und Juni stalttnuL n. sind von dem zustaiKJig«. n beamteten Arzt
emzuholeii.
V. Erteilung des Abgangszeugnisses.
2<e Oie Abgangszeugnisse über die Ableistung «Ls Praktischen
Jahns sind nach dem der Pui’imgsi «rdiimig bi :gi gi m. n Muster 3
durch den Direktor der l nr. er sp.itsk:m.k oder 1 '• .,s -..k oder iL s
w isseiisdiaftik heil Institutes oder dmi ar.-bk lieft leiler vier Ansj.it
bezw. der Selbständigen Xlista.ts.dU laiiig. bei We Liier der Kandidat
: tätig gewesen ist. aus/ustehen. War vier Kandidat an n.eh'ereii Ab¬
teilungen tätig, so ist i:,r die betrerende Zeit v<*n ie dem Abte i.imgs-
, leiter ein besonderes Zeugnis aibd i:Me de :i. \de Zeugnisse
i eine nähere Würdigung der Art vie r iLWlf-iPgiirg. s..w ie em \”gaJk
daiuher cnthaiteii. w eLliett Tel! der be zeichnete n Ad de r Kan d...it
vorzugsweise vier IL handluug i"ii inneren Kr.»’ kheiU# gew idv e t.
inwieweit er seine praktischen Kenntnisse und I ahigkeiteu \ erfüll
| und lortgehiLlet und ob er ausreiJH m!v s \ erst.iiklms j:.r vbe \uIc.iHm
I llllvl pfhcltten des ar Ztik liell Berufes gezeigt hat.
27. Wirvl dem Kandidaten die l r tei.upg des \bg.i!'gszeugmsse-s
I Von dem arzthclien I eilet vier Aust.ni \e:s.i s t. so ist elieser ver¬
pflichtet, es dem Kandidaten linier kurzer \ng.ibe vier »irmule schnlt-
Ikh ZU etoMMeM. Gegen diesen Bescheid ist Beschwerde binnen zwei
1 Wochen an die der l niv er sit.itsansta.it Vorgesetzte IL hm de. bei er-
: mächtigten Anstalten an vlie /eiltr .iiK Lu di de "v nigt n Biimlessta.iivs.
in eiessen Gebiete eile Anstalt gelegen ist. zu .iwig.
i Berlin, den 7. Juli I»'s.
1 Der Munster der geistlichen, Unte rrichts- und Mi .b/in.il.iu^v iv ^v n-
lieite n.
Holle.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Das P c r t u s s i n (Täschner) ist bekanntlich ein Fluidextrakt
des deutschen Thymians und stellt eine sirupdicke bräunlich-grun-
liche Flüssigkeit dar, die in Flaschen von 2IM) g in den Handel kommt.
B 1 u m e n t h a 1 - Berlin empfiehlt es ausser bei Keuchhusten bei allen
akuten und chronischen Bronchitiden. Es hat eine in hohem (irade
schleimlösende und krampfstillendc Wirkung. (Titer. Monatsh.
3, 08.) Kr.
Mandelmilch in P a s t i 11 e n f o r m besteht aus 2 Teilen
feingeriebenen Mandeln und 1 Teil Zucker. 12 Pastillen gelingen
zur Bereitung von 2 Liter Mandelmilch. Sie können auch zur Dar¬
stellung von Mandelemulsion und Mandelsirup verwendet werden.
Darsteller: Mandelmassefabrik Dr. A n d r e a e - Muncheii-Thnl-
kireiten . (Pharm. Post, 191 iS.) F. u.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Franz Schede, appr. 1906, in Mün¬
chen. — Stabsarzt a. D. Gottlieb Pfau n e n ni ii Iler. appr. 1807,
als Augen- und Ohrenarzt in Neustadt a. A. — Dr. Adam Frank,
appr. 1887, in Pfrcinid. — Dr. Justus Schmauscr, appr. 1891, in
Regensburg.
Verzogen: Dr. Max Franz iss von Bärnau nach München.
Erledigt: Die Bezirksarztsstelle 1. Klasse in Nahburg. Be¬
werber um dieselbe haben ihre vorschriftsmüssig belegten (iesucltf
i der ihnen Vorgesetzten K. Regierung. Kammer des Innern, bis
’n 11. August 1908 einzureichen.
Gestorben: Dr. Hugo Mott. K. Beznksar/t m NaM nrg.
39 Jahre.
Mllitfirsanlttttswesco.
Ernannt: Der um.ihr i'g-trciw mige \r/t Dr. \’f-■ ?»*: B o mm c s
des s. Iui.-Pv g. zum Unterarzt im 4 Irit.-KLg. iiiid mit W .ihr nehmung
einer ofieiieii Assistcn/ar/tvO, ;j c bcaiiKr.ut.
Uelnrtlcht der Sterbefllle te Mechee
während der 28. Jahreswoche vom 5. bis II. Juni 1908.
Bevölkerungszahl 536 000.
Todesursachen: Angeborene Lebensschw. (1. Leb.-M.) 9 v o)»
Altersschw. (üb. 60 J.) <> <5), Kindbcttficbcr iL and. Folgen der
Geburt 2 (U Scharlach 3 u), Masern u. Röteln 1 tD, Diphth. u.
Krupp 6 (1), Keuchhusten — ( ), Typhus — (D.ubertragb. Tierkrankh.
— ( —), Rose (Erysipel) 2 (1), and. Wundmfektmnskr. (cinschl. Blut-
u. citcrvergift.) i (— >, Tuberkul. d. Lungen 23 i23t, Tubcrkul. and.
Org. 8(4), Miliartubcrkul. — (- i, Lungcnentzünd. (Pncumon.) 9 (lj),
Influenza — (—\ and. übertragb. Krankh. 2 (4), Entzünd, d. Atmungs-
organc 4 (D, sonst Krankh. dcrscib. 2 t ), organ. Herzleid. 19 < 1 3),
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg, (einschl. Herzschlag) s N, Gchirnschlag
10 (3), Geistcskrankh. 2 ( ), Fraisen, Eklamps. d. Kinder 1 ), and.
Krankh. d. Nervensystems 9 (5), Magen- u. Parm.-Kat., Brechdurchfall
(einschl. Abzehrung) 27 (3si, Krankh. d. Leber 3 (3). Krankh. des
Bauchfells I (2), and. Krankh. d. Verdauungsorg. t. (7), Krankh. d
Harn- u. Geschlcchtsorg. 3 (m, Krebs (Karzinom, KankroiJ) ]s (]i>),
and. Neubildg. (einschl. Sarkom>4 (.0, Selbstmord 4 i3), Tod durch
fremde Hand — (1). Unglikksf.ille 4 (♦>). alle übrig. Krankh. 3 ( \\
Die Gesamtzahl der Sterbefalic 2 'P (1^0- Verhältniszahl auf das
Jahr und Iihm) Einwohner im allgemeinen F',3 (17.1), für die über
dem 1. Lebensjahre stehende Bevölkerung 13 I (12,2g
*) Die eingeklamnie! teil ZaliLn bc.L'ik n vb-. I v LI \'* r w-Jie,
VerUg TOD J. F. Lehm «an ln Mouches. — Druck von E. MnbithAicr» buch und hunndruckcro A Vj . MuM>m
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Original frorri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
ftle Atfisiciiener Medizinische Wochenschrift erscheint wöchentlich
im Umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nummer 80 * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
6.—. * Übrige Bezugsbedingungen siehe auf dem Umschlag.
MÜNCHENER
Zusendungen sind zu adressieren: Für die Redaktion Arnulf«
Strasse 26. Bureauzeit der Redaktion von 8'/|—1 Uhr. • Für
Abonnement an J. F. Lehmann. Paul Heytestrasse 15 a. • Für
• Inserate und Beilagen an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. •
MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
J.F. innerer, Ch. Banmler, 0. r. Bdliager, I. ConebBsm, B. Hellerieh, V. r. Leabe, 6. r. Merkel, J. r. Hiebei, F.Penztldt, li.Mt, I. Spatz, F. v. Vliekel,
München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Eisenach. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 31. 4. August 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
Originalien.
Die klinische Diagnose der Pulmonalarteriensklerose.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von Privatdozent Dr. A. P o s s e 11 in Innsbruck.
In der Pathologie der Lungenarterie zieht der Kliniker in
den Kreis diagnostischer Erwägungen bestimmte angeborene
Bildungsanomalien, Klappenfehler, Stenosen- und Aneurysma¬
bildungen, wobei seit je die ausserordentlichen Schwierigkeiten
der Diagnose betont werden, daher auch die häufigen Fehl¬
diagnosen leicht erklärbar sind.
Die Atherosklerose der Lungenschlag¬
ader, stets als bloss zufälliger Obduktionsbefund betrachtet,
für dessen Seltenheit immer wieder die Arteriosklerosehäufig¬
keitskalen nach regionären Gebieten von Lobstein, Roki¬
tansky, Huchard zitiert werden, kann als primäres
oder sekundäres Leiden auftreten.
Von ersterem figurieren in den Mitteilungen stereotyp die
Fälle von Klob, Romberg, Aust, Laach e.
Die sekundäre Pulmonalarteriensklerose findet sich unter
allen Lungen-Herzaffektionen relativ noch am häufigsten bei
der Mitralstenose, was durch die unmittelbare schwerste
Beeinflussung des Lungenkreislaufs gerade durch diesen
Klappenfehler erklärlich erscheint.
Bisher wurde überhaupt noch kein Ver¬
such einer klinischen Diagnose des Leidens
gemacht.
Das Resümee aus der Ansicht aller Autoren ist so ziemlich
die völlige Ableugnung einer derartigen Möglichkeit.
Diesem absoluten Pessimismus gegenüber zu treten und an
der Hand von Eigenbeobachtungen zu zeigen, dass das Er¬
kennen des Zustandes während des Lebens unter bestimmten
Umständen zweifellos gelingt, sei Aufgabe unserer Dar¬
legungen.
Mehr als VA Dezennien verfolgte ich an klinischen und
ambulanten Kranken das abzuhandelnde Thema. Ich ver¬
füge über 10 Eigenbeobachtungen, von denen die ersten
3 zufällige Obduktionsbefunde betreffen, die übrigen 7 einer
klinischen Analyse zugänglich sind. Unter ihnen bestand zwei¬
mal Aortensklerose mit Insuffizienz der Semilunaren, die
übrigen 5 beziehen sich auf Mitralstenosen.
Bei denen letzterer Kategorie wurde auf Grund der
früheren Beobachtungen' zweimal eine Wahrscheinlichkeits-
und einmal eine sichere klinische Diagnose auf
Ar teriosklerosis pulmo n a 1 i s gestellt.
Im Rahmen dieser kurzen Mitteilung kann auf eine Dar¬
stellung der Krankengeschichten und Verwertung der Literatur
nicht eingegangen werden.
Wir müssen uns begnügen, die Endergebnisse in aller ge¬
drängtester Kürze zu skizziren.
Ohne Detailierung der pathologischen Verhältnisse müssen
nach unserer Ansicht für die Auslösung der primären Affek¬
tion eine Reihe von Momenten herangezogen werden, die zur
Erklärung der bisher als rätselhaft betrachteten obigen Fälle
und mancher klinischen Erscheinungen dienen: Angeborene
Hypoplasie der Aorta und Verengerung der Lungen¬
venen (kongenitale Endokarditis, vielleicht auch ähnlicher
Prozess in den Venen), mit konsekutivem Zurückbleiben der
Entwicklung des linken Herzens, das zudem noch durch den
hjo. 31
(Nachdrude der Originalartikel ist nicht gestattet)
exzessiv erweiterten und hypertrophischen rechten Ventrikel in
seiner Funktion, Ausdehnung gehindert und direkt komprimiert
wird, wodurch Störungen gesetzt werden, die in Mechanik und
Schlusseffekt ganz denen bei Mitralstenose gleichen.
Bei der sekundären Atherosklerose infolge Mitral¬
stenose macht sich ein doppelter Circulus vitiosus geltend:
1. infolge der enormen Ueberlastung des Lungenkreislaufs,
erhöhte Inanspruchnahme, Mehrarbeit des erweiterten, über¬
füllten rechten Ventrikels, Ueberdehnung und funktionelle
Ueberbürdung der Gefässe, konsekutive mechanische Korre¬
lation der Kammer und endarteriitische und arteriosklerotische
Prozesse der Gefässe. Letztere führen infolge Erhöhung der
Widerstände zu um so grösserer Ventrikelarbeit, -anstrengung
und Hypertrophie.
2. in der Ward der Arterie selbst durch Ueberdehnung
schlechtere Versorgung der Vasa vasorum infolge Kompression
und Verlegung, sogar Verödung, dadurch atrophische Vorgänge
in ihren Endausbreitungen und der Intima, wodurch natur-
gemäss eine weitere Steigerung des Prozesses in der Lungen¬
arterienwand resultiert. Letztere Vorgänge werden durch die
schlechte Blutversorgung und Unterarbeit von seiten des zu¬
rückgebliebenen verschmächtigten linken Ventrikels noch mehr
begünstigt.
Die Mitralstenose allein genügt nicht zur Setzung hoch¬
gradiger einer klinischen Diagnose zugänglichen Pulmonal¬
arteriensklerose. Für diese ist noch die Koinzidenz ähnlicher
Störungen, wie sie bei der primären Affektion gestreift wurden
(Pulmonalvenenverengerung, fötale Endokarditis mit konseku¬
tiven Ernährungsstörungen im linken Herzen u. dergl.) ins Auge
zu fassen, wenn auch die einzelnen nicht so markant hervor¬
zutreten brauchen.
In der A e t i o 1 o g i e spielt hier selbstverständlich die
Polyarthritis die grösste Rolle (Emphysem, Pleuraloblitera¬
tionen und Perikardsynechien kommt sicherlich nur eine sekun¬
däre Rolle zu, des öfteren sind derartige Prozesse direkt Folge¬
zustände).
Nach unseren Erfahrungen möchten wir aber (neben der
für die Entstehung des ursprünglichen Klappenfehlers mass¬
gebenden Polyarthritis) einer Reihe von im jugendlichen Alter
durchgemachten schweren Infektionskrankheiten, in erster
Linie der Variola vera, eine recht gewichtige Bedeutung
beilegen.
Nicht weniger als drei unserer Kranken hatten in jugend¬
lichen Jahren eine ungewöhnlich schwere Blatternerkrankung
zu überstehen.
Die Möglichkeit des Erkennens ist von Haus aus an das
Vorhandensein einiger Bedingungen geknüpft:
1. entsprechendes Stadium (je hochgradiger und fort¬
geschrittener die Erscheinungen der Kompensationsstörungen
und Herzinsuffizienz, desto weniger Aussicht bietet sich
für sie);
2. genügende Ausbildung des Prozesses selbst, der Intensi¬
tät und Extensität nach;
3. sehr lange Beobachtungsdauer. (Bei unseren letzteu
zwei Patientinen erstreckte sie sich auf 5 und 7 Jahre.)
In der klinischen Symptomatologie ist für das
Auftreten der allgemeinen klinischen Symptome
das Befallensein der kleinen und kleinsten Gefässe
(Endarteriitis obliterans), für die Setzung der lokal p h y s i -
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1626
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21.
k a 1 i s c h e n B c i u n d c das hochgradige Beiallenw erden des
Ursprungsgebietes, Stammes der Arterie und
der grossen Aestc massgebend.
Wir wollen von der Athcroskler o s i s p u 1 m o -
n a 1 i s bei M i t r a 1 s t e n o s e ohne wesentliche Alteration der
Kaliberverhältnisse des Cieiässes ausgehen.
Bei Vornahme der physikalischen Kranke n -
u n t e r s u c h u n g sehen wir bei der 1 n s p e k 1 1 o n ent¬
sprechend dem ursprünglichen Vitium eine ausgesprochene
V o ussur e, mächtig verbreiterte undulierende Herzpulsation,
epigastrische Pulsation, öfters eine solche im 2. linken Inter¬
kostalraum vom Sternalrand bis zur Parasternalhnie und da¬
rüber hinaus. , , .
Die Palpation zeigt ein diastolisches Schwirren an der
Herzspitze, das in seiner Eigenheit im weiteren Verlauf einen
für den Prozess (im Zusammenhang mit auskultatorischen Be¬
funden) wichtigen Fingerzeig abgeben kann. Fs ruckt in
weiterer Ausbildung der Symptome, wie wir uns mehrlach
überzeugen konnten, mehr aufwärts gegen den linken Sternal¬
rand zu. Einige Male fühlte man hei geeigneter Lage in der
Pulmonalgegend ein eigentümliches teinrieselndes Schwirren,
das höchst wahrscheinlich den Unebenheiten und Rauhigkeiten
der (ietüssinnenauskleidung seine Entstehung verdankt; \er-
stärkend wirkten auf dasselbe vornübergebeugte Lage und
massige Körperanstrengung.
Die P e r k u s s i o n s Verhältnisse lassen sich zusammen¬
fassen in einer höchst auffälligen, durch die sonstigen Umstände
nicht befriedigend zu erklärenden Vergrößerung des rechten
Herzens und einem bei weiterer Untersuchung immer deut¬
licher werdenden Dämpfungsstreifen am linken oberen Sternal¬
rand (analog dem bei hochgradiger Aortensklerose am rechten
vorbildlichen).
Derselbe zeichnet sich durch den in Intensität und Aus¬
dehnung nach progressiven Charakter, durch Empfindlichkeit
dieses Territoriums bei starker und tiefer Perkussion und Ab¬
hängigkeit voji der Lage aus. Unter bestimmten Umständen
war eine Zunahme beider Symptome bei stark vorgebeugter
Körperhaltung unverkennbar.
Es w ürde uns zu w eit führen, der mannigfachen Verwechs-
lungsmöglichkeit verschiedenster Prozesse gerade in dieser
Gegend zu gedenken.
Hier tritt die subtilste, exakteste Beobachtung und die V er¬
wertung der scheinbar geringfügigsten Zeichen für diiferential-
diagnostische Zwecke in ihr Recht.
Bei der R ö n t g c n d u r c h 1 c u c h t u n g erhielt ich ein¬
mal einen sehr fraglichen, ein zweites Mal einen deutlichen
Schatten im 2. linken Interkostalraum, den ich mit VV e i n -
berge r und Hödlmoser auf die Pulmmialis beziehen
möchte.
Eine Analyse der Röntgenogiamme dieser (iegu d wurde,
was für unsere Zwecke releviert, bei der von Ortner inaugu¬
rierten Kasuistik der Rekurrenslähmung bei Mitralstenose vor-
genommen u. a. von Sc h r ö 11 e r, Al e \ a u d e r, Uris c h -
a u e r, welche die für Vorhofs- und Pulmonalerweiterung muss»-
gebenden Befunde darlegen.
Nach Bittorf entspricht dem mittlere!! linken Herz-
scliattenbogen vorwiegend die Piilmonalis, zum kleinsten Teil
die linke Aurikel; die Sichtbarkeit des linken Vorhofes be¬
streitet er auch für pathologische Verhältnisse, während nach
D e I a C a m p dieser bei starker Vergrösserung infolge Mitral¬
stenose an dem Rande partizipiert.
Dies möchte ich aus dem Grunde hervorheben, weil ich
mir von diesem Befunde für die Diftcreutialdiaguose primärer
und sekundärer Piilmonalarteriensklerose verwertbares ver¬
sprechen möchte.
Auch von E I e k t r o k a r d i o g r a m m aufnahmen
(Kraus und Nicola i) Hessen sich Anhaltspunkte (ganz be¬
sonders bei Vergleich mit gleichzeitigen Röntgenbildern) er¬
hoffen. Die theoretische Konstruktion wäre; Bei sekundärer
Atherosklerose infolge Mitralstenose stark ausgebildete Vor¬
hofszacke, bei primärer infolge Venenverengeruug und ge¬
schrumpftem Vorhof fehlen derselben; röntgenographisch im
ersteren Falle Ausbuchtung der unteren Anteile des linken mitt¬
leren Herzschattenbogens, im letzteren Abflachung dieser
Stelle.
Bei den Fortschritten der Röntgentechnik dürfen wir
mit Recht erwarten, dass der Prozess von Verdickung ui.d
Verkalkung der Pulmonaiartericnw and auch ohne gLmhzernge
Erweiterung des (idässstammes ui das Bereich der Mogachkeit
gerückt wird. . , n
Das theoretische Postulat wäre eine verstärkte M-^ten-
intensität der ( bereu Anteile des genannten Bogens.
Gleichwie bei der Perkussion dürfen wir es uns aber hier
nicht verschweigen, dass audi bei dieser l ;:tcrsnJim ^sart
Verwechslungen infolge anderweitiger Pro/esse in o.c-cin
Gebiete und dessen engster NachbarsJu.it moghJi sind, : ei
deren Studium soll das dankbarste Arbeitsfe.d lur den 's e-
ziellen Differeiitialdiagi.ostiker eroifnet.
Es gilt eben auch hier wie so oft in der internen Med./.u
der Satz, dass nicht ein einziger Befund als ausschlaggebend
zu betrachten ist, sondern, dass in dem gleichzeitigen Bestehen
einer Reihe gleichdcutiger solcher und in dem Ausschluss \ er¬
schienener anderer, in gewisser Kombination und ze.t Jier
Entwicklung und Aulemanderfolge der Symptome und de-re»
Zurechtlegung im jeweiligen Falle das Geheimnis der Ent¬
zifferung diagnostisch schwieriger Prozesse geiegen ist.
Auf unseren abzuhandelr.de n Gegenstand angew endet,
müssen wir m dem Bisherigen recht s Jiatzensw erte Mitlulien
fur die klinische Diagnose erblicken, der Schw er punkt
derselben liegt jedoch in der Auskultation und
den allgemein klinischen E r s c h e i n u n g e n.
Im Zusammenhang mit dem obigen Paipationsbcfun J wird
ein systolisch rieselndes Gerauscli unbestimmten Charak.ers
vom Puhuonalostmm nach aufwärts und links zu (bei Aus¬
schluss wirklicher Klappen- oder Getasssteiiose. s. tu ten) den
Verdacht erregen, dass demselben endarterntisjie Prozesse
zu Grunde hegen können, zumal wenn eine Vei Stärkung durdi
obige Position bei wiederholten Untersuchungen und im
weiteren V erlaufe deutlich festzustellen ist. Die bei längerer
Beobachtung immer mächtiger werdende, auch iur diesen
Fehler un\erhaltmsmässig hochgrad.ge Akzentuirung des
2. Pulmonaltoues, bis zu einem diastolischen Hämmern ist zum
Teil auf die gerade hier enorm starke Hypertrophie der rechten
Kammer zunickzufuhren. In Analogie mit der Aortenskkr« se
mochte ich aber au derselben, insbesondere zum Zustande¬
kommen des klingenden Charakters, die Resnnaii/x er-
stärkung durch die starre Wandung und eiuge lagerte n Ka.k-
platteu partizipieren lassen.
VV i e h a b e n wir das i :: e i n e r R e i h e u n s e r e r
Eig e n be o bac ht u n g e n zu k on s t a t i e re n de dia¬
stolische ( i e r a ii s c h a m oberen I i n k e n S t e r n a 1 -
i a n d und über dem Piilinon alosti u m a ti I z u -
I a s s e n ?
Fis konnte sich um eine Schhissum.d .;„kt :t der Aorten-
klappen mit abnorm gelagertem diasnd.sdien Geräusch han¬
deln. Das Fehlen aller übrigen lim diesen Klappenfehler so
charakteristischen Benin de he sc derselben a:;ss Ji!k sse t,.
Wie jedoch gleich an dieser Melle 1%%'hl sei. WurCe diese
Erscheinung allerdings in ausgesprochenem Masse bei einem
der beiden Falle mit gleichzeitiger \ot te r.skle- r<>sc und Semi-
liiiiareninsuffizieuz notiert.
Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn idi hiebei eine ab¬
norme (.) u e r I e I t u n g des diasp •iischeii Aoite igerausches
infolge der physikahsclieii V erhältnisse- der arteriosklerotischen
Pulmonalis annehme (s. unten).
Da wir jedoch hier nodi immer bei der Besprechung der
auf Mitralstenose beruhenden Falle sind, wollen wir m dem
angeschnittenen Thema weiterfahren.
Liegt etwa eine wirkliche oder relative Insuffizienz der
Semilni:arkLippen der I’ulmonaiartene zugrunde?
Die Möglichkeit einer organischen solchen ist w oh! ridit
ausgeschlossen, wie jedoch die hier eii.sd:l.ig:gen Befunde
zeigen, derart sehe», dass wir ui der Praxis Kami damit
rechnen können. Me winde sidi durdi alle w eueren für
diesen Fehler charakteristischen Merkmale a:is/i idir t u..
Wie übrigens bemerkt s t -j, fjibe in unserem Falle das
B e r n li a r d - ( i c r Ii arelt sehe Sywp:< eil e\v[i; , a:i ' r :sdier
Verstärkung, wie überhaupt eine IVe.i *. is>ur:vj durdi d e Rc-
.spiration kaum oder gar nicht nachweisbar war.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4 . August 1908.
MUENCHENERMEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1627
Ein derartiges Geräusch führt Pawinski bei Mitral¬
stenose auf eine relative Pulmonalinsuffizienz zurück und
Bryant legte bei seiner Mitteilung über funktionelle Pul-
monarinsuffizienz, Erweiterung und Atherom der Pulmonal¬
arterie als Komplikation der Mitralstenose das Hauptgewicht
hierauf.
Ohne überhaupt nur der Möglichkeit der klinischen Dia¬
gnose der Atherosklerose dieses Gefässes zu gedenken, legt
er in seiner Arbeit den Tenor auf den klinischen Nachweis
funktioneller, relativer Insuffizienz der Semilunaren der
Pulmonalis.
Meine Stellung zu dieser Frage möchte ich folgender-
massen präzisieren: eine relative Schlussunfähigkeit der
Lungenschlagaderklappen infolge Mitralstenose und Arterio-
sklerosis pulmonalis ist zweifellos möglich, jedoch darf dieses
Vorkommnis nicht nach dem Vorgang B r y a n t s verallge¬
meinert werden.
Eine derartige Klappeninsuffizienz wird (Läsionen dieser
selbst natürlich ausgeschlossen) in allen jenen Fällen einfach
mechanisch unmöglich sein, wo der atherosklerotische Prozess
an der Wurzel des Gefässes sitzt und zu einer Starrheit und
Unnachgiebigkeit desselben inklusive des Klappenringes ge¬
führt hat.
Die Arbeit B r y a n t s ist jedoch für unser vorliegendes
Thema gerade für die Diagnose der Pulmonalsklerose, auch
ohne dass der Autor dieses Moment nur andeutet, von in¬
direktem Wert.
Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass die so über¬
aus seltenen akzidentellen diastolischen Geräusche (Venengeräusche)
sich schon durch ihren eigentümlich sausenden Charakter kenntlich
machen und zudem die Erscheinungen schwerster Anämie vorliegen
würden. Kardiopulmonäre Geräusche in dieser Gegend machen sich
an ihrem „knackenden“ Charakter kenntlich (ich möchte sie mit
dem ? Fingerknöchelknacken“ vergleichen, das manche Leute sich
als Unsitte angewöhnen). Auch hier gibt zudem die primäre Affek¬
tion den Fingerzeig.
Im Mittelpunkt der Besprechung dieses
basalen diastolischen Geräusches steht die
Frage nach der Möglichkeit dieser abnormen
Fortleitung eines Mitralstenosengeräusches.
Bei der Mitralinsuffizienz ist ja eine derartige Fortleitung
so geläufig und deren Begründung durch Nauroyn, Sahli
und Curschmann so bekannt, dass hier füglich der blosse
Hinweis genügen soll. Ganz anders steht es mit den dia¬
stolischen und präsystolischen Mitralstenosengeräuschen.
Es wird doch in allen Lehrbüchern und stets betont, dass
man bei Aufsuchen des Geräusches weiter nach links ausser
die Papillarlinie (infolge der weiten Verdrängung des linken
Ventrikels durch den vergrösserten rechten) gehen muss, ferner
wird als Charakteristikum derartiger Mitralstenosengeräusche
gerade immer die geringe Fortpflanzung nach aufwärts ange¬
führt, was auch den Blutstromverhältnissen gemäss ohne
weiteres selbstverständlich erscheint. Steell hat nur in
13 Proz. aller Fälle das Geräusch oberhalb der Spitze gehört.
Unseren Beobachtungen zufolge handelte es sich bei dem
diastolischen Geräusch über dem Pulmonalostium bei Mitral¬
stenose und Pulmonalsklerose um eine.abnorme Lokali¬
sation des diastolischen Mitralgeräusches.
Für diese ganze exzeptionelle, der Blutstromrichtung gerade
entgegengesetzte Fortleitung müssen folgerichtig auch ganz un¬
gewöhnliche ausserordentliche Verhältnisse vorliegen und die
sind meiner Ueberzeugung nach in der Atherosklerose der
Pulmonalarterie und den sekundären Folgezuständen gegeben.
Durch die Verdichtung, Verdickung und Starrheit des Pul¬
monalarterienrohres wird ein Widerlager geschaffen, das zur
Fortpflanzung und Verstärkung vibrierender Herzgeräusche
sicherlich eine physikalische Grundlage geben kann, dabei hat
sich die Suspension des Herzens an diesem sonst weichen,
nachgiebigen, dünnwandigen Gefäss in eine starre unnach¬
giebige verwandelt.
Wie die Autopsien beiweisen, hat dabei geradezu eine Um¬
wälzung der physikalischen Verhältnisse und Relationen der
einzelnen Herzabschnitte stattgefunden.
Die mechanischen Aufhänge, Schwerpunktsverhältnisse,
die Torsionen an den basalen Gefässen, das Drehungsmoment
haben eine derartige Aenderung erfahren, dass eine solche
abnorme Fortleitung ganz plausibel erscheinen könnte, hätten
wir nicht weitere direkte Beweise, dass es sich hierbei wirk¬
lich um ein Geräusch mitralstenotischer Provenienz handelt.
Es ist dies der ganze Charakter des diastolischen und prä¬
systolischen Geräusches, das zumeist noch deutlichen „wachtel-
schlagartigen Rhythmus erkennen lässt, und vor allem das im
Verlaufe der langen Beobachtung unzweideutig zu verfolgende,
von der Herzspitze gegen die Basis zu allmählich statt¬
habende Wandern des Geräusches, das ich mit der allmählichen
Ausbildung des pathologischen Prozesses in dem basalen Ge¬
fäss in Zusammenhang bringen möchte.
Plötzliche oder zum mindesten recht rasche Aenderungen
der Lautheit, des Ortes, selbst des Charakters von Herz¬
geräuschen können durch Setzung von Herzthromben ent¬
stehen, mehr subakut oder subchronisch durch Ausbildung von
Herzschwielen, in beiden Fällen durch Aenderung der mecha¬
nischen Zusammenziehungs- und Ausdehnungsfähigkeit der
Muskelfasern ganzer Abschnitte des Herzens, durch Aenderung
ihrer Elastizität und Dichte, ihrer Eigenschwingungen infolge
Bildung von, wenn es zu sagen erlaubt ist, Knotenpunkten.
Meines Erachtens dürften diese Verhältnisse auch dia¬
gnostische Würdigung beanspruchen, ganz besonders hinsicht¬
lich vorliegenden Vitiums, da bekanntlich die Mitralstenose, wie
auch Minkowski hervorhebt, physikalisch-diagnostisch von
der arteriosklerotischen Myokarditis oft schwer zu unter¬
scheiden ist.
Es erlangt sonach auch hier die zeitliche Ausbil¬
dung und Raschheit des Ablaufes bestimmter Zeichen einen
gewissen semiologischen Wert.
Indem ich auf meine obige Erklärung der sonst als ganz
rätselhaft gegoltenen Fälle scheinbar primärer Arteriosklerose
der Pulmonalis von R o m b e r g und Aust hinweise, dient als
weitere Stütze meiner Annahme der hierbei erhobene „aus¬
kultatorische Befund basaler Geräusche“, die eine
ganz ähnliche Auslegung zulassen, handelt es sich ja doch
hiebei sozusagen um eine „äussere linksseitige Herzsteno-
sierung“.
In Zusammenfassung der auskultatorischen Befunde können
wir folgendes sagen:
Ein basales diastolisches Geräusch kann der Ausdruck
einer relativen Schlussunfähigkeit der halbmondförmigen Pul¬
monalklappen sein. Dieses ist, wie erwähnt und aus einer
Reihe einschlägiger Sektionsbefunde hervorgeht, dann der Fall,
wenn es sich um Arteriosklerose vorzüglich der mittleren und
kleineren Arterienäste mit relativem Freibleiben der Ur¬
sprungsgebiete handelt.
Als fortgeleitetes Mitralstenosengeräusch findet es sich bei
hochgradiger Sklerose der Ursprungsgebiete, wofür die obigen
mechanischen Momente und mehrere unserer Obduktions¬
befunde sprechen.
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, sondern in jeweiligen
Fällen ganz gut denkbar, dass eine Kombination beider Mög¬
lichkeiten eintreten kann.
Wir haben bisher absichtlich, um die Verhältnisse nicht
noch mehr zu komplizieren, keine Rücksicht auf die K a 1 i b e r -
Verhältnisse des Pulmonalarterien roh res genommen. Es
ist nun ohne weiteres klar, dass Aenderungen nach dem einen
oder anderen» Extrem oder Kombinationen solcher modifi¬
zierend auf die physikalischen Befunde einwirken müssen.
Je mehr sich eine Verengung des Gefässlumens dem
Klappenringe nähert, desto ähnlicher werden die dadurch ge¬
setzten Symptome den bei der Pulmonalklappenstenose be¬
stehenden; je weiter eine solche am Stamme aufwärts Platz
hat, desto mehr werden sich klinische Bilder ausbilden, wie sie
für innere und äussere Stenosierungsursachen u. a. von
Litten, Aufrecht, Mader, Weinberger, Weiss
und v. Schrötter beschrieben wurden.
Andererseits führen die Erweiterungen, je mehr herzwärts
zu sie sitzen und je lokaler und sozusagen geschwulstartiger
sie auftreten, um so mehr zu dem Ensemble der Aneurysmen¬
erscheinungen, wie selbe u. a. schilderten: Skoda, Gi-
lewski, Buchwald, Storch, Lissauer und Hen -
sehen (in seiner monographischen, Bearbeitung).
Bei sehr eingehender und durch grosse Zeiträume hindurch
möglicher Untersuchung lässt sich auch die klinische Diagnose
1 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1628
MUKNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
hinsichtlich der Kaüberverhältnissc ausbaucn, wenigstens in
Bezug auf diese beiden Extreme, in besonders günstigen Eiillen
vielleicht sogar auf deren verschiedene Kombination.
Nach Darlegung der physikalischen Untersuchungsergeb-
nisse wollen wir einen allgemeinen Ueberblick über die kli¬
nische Symptomatologie halten.
Ich erinnere daran, dass L u n g e n b I u t u n g e n bei Herz¬
fehlern (die Hemoptysie cardiaque als sehr beliebtes Thema
französischer Autoren) im grössten Prozentsatz bei Mitral¬
stenose auftreten und hier fast durchwegs in Eorm der hämor¬
rhagischen Infarzierung. Diagnostisches Interesse für die in
Rede stehende Affektion erlangen dieselben dann, wenn sie,
wie in einer Reihe von Fällen vor allem von Sch w a r t z, in
abundanter Weise und wiederholt durch lange Zeit hindurch
auftreten. Mehrfach wurden solche mit Tuberkulose ver¬
wechselt. East durchwegs handelte es sich um parenchyma¬
töse Stauungsblutungen, wobei ich aber, entgegen der Ansicht
S c h w a r t z', auch die Möglichkeit solcher infolge Usurierung
und Eissurenbildung gelten lasse, für welch letztere ich über
einen besonders schweren Eall verfüge. Andererseits beweist
ein Eall unserer Eigenbeobachtungen, dass sich hierbei aller-
schwerste ausgebreitete Lungenintarzierungen eiustellcu
können, ohne dass cs im Leben zur geringsten Lungei.bliitung
zu kommen braucht.
Gegenüber angeborenen Herzfehlern, mit denen ge¬
gebenenfalls die allergrösste klinische Achnlichkeit bestehen
kann, verdient der Mangel an Tr o m tu e I s c h I ä g e I -
fingerbildung bei unserem Prozesse um so mehr hervor¬
gehoben zu werden, als ihm, wie aus folgendem hervorgeht,
zumeist sehr hohe Grade von Zyanose eigen sind.
Die Blausu c h t erlangt bei der Atherosklerosis pul-
monalis durch ihre ungewöhnliche Intensität so-
wohl, als auch als E r ii h s y m p t o m, lange bevor noch andere
Störungen, Stauungen, Dyspnoe, Oedeme usw. aufgetreten
sind, entschieden semiotischen Wert.
Gerade auf die lange Zeit hindurch h ö c h s t a u f f ä 11 i g e
Differenz zwischen der starken Z y a n o s e,
welche durch den sonstigen Herzbefund nicht gut erklärlich
ist und dem verhältnismässig leichten Atem,
E e h 1 e n von () e d e m e n. katarrhalischen Symptomen,
Organstauungen muss bei der klinischen Diagnose Gewicht ge-
legt werden, wobei es natürlich hauptsächlich darauf ankommt,
in welchem Stadium der Kranke zur Beobachtung gelangte.
Eiir die Sauerstoffversorgung müssen hier eben eine Reihe
anderer regulatorischer Kräfte aufkommeu: Vermehrung der
Strömungsgeschwindigkeit durch kompensatorische Herz¬
hypertrophie (mechanische Korrelation vom rechten Ventrikel
aus), Polyzythämie (wofür bei einigen Fällen der Blutbetund
beweisend), Vermehrung des respirationsfälligen Hämoglobins,
vermehrte Konzentration des Blutes. Zur Aufklärung dieses
Unterschiedes im klinischen Verhalten können weiterhin heran¬
gezogen w erden das verminderte O-Bedürfnis durch allmähliche
Angewöhnung, die Untererregbarkeit des Atmungszentrums 1
trotz erhöhter Venosität des Blutes.
Es muss aber auch darauf hingew iesen werden, dass an¬
scheinend verschiedene Momente für vaso m otoris c h e
Einflüsse zum Zustandekommen dieser hohen Grade von
Zyanose verantwortlich zu machen sind. Hierfür sprechen
u. a. die plötzlichen Steigerungen ohne Herzschwäche oder !
Respirationshindernisse, verschiedentliche Parästhesien.
Schweissausbrüche, lokale Gefässerw'eiterungen. I
Gleichzeitig mit der Zyanose muss der Dyspnoe ge- '
dacht werden. Die auffällige Differenz zwischer ersterer und
die geringe Entwicklung letzterer und die Erklärung hierfür '
wurde bereits erörtert. I
13 o h r s Sekretionstheorie der Lungenatmung würde ia in I
recht wünschenswerter Weise ihr übriges in dieser Richtung !
tun, w enn sich nicht nach Barer o f t der berechtigte Einw and ■
erheben Hesse, dass Bo h r und H e n r i q u e s bei ihren \ er- j
suchen den Eigengasstoffwechsel der „tätigen Liiugendrüsc“ ■
unberücksichtigt Hessen. I
Zur Erklärung erwähnter Differenz möchte ich Herings
Versuch heranziehen, der beim spontan atmenden Kaninchen j
bei Kompression des Aortenbogens Lungcnhyperämie ohne
Spur von Dyspnoe erzeugen konnte. Eur das Zustande¬
kommen letzterer spielen eine Ruhe sekundärer Mumme
(Haitenbleibeii von Infektionskeimen, leichteres Eintreten vmi
Bronchitis etc.) eine Rolle. Das Ausbleiben oder sehr spate
Eintreten dieser mochte ich der gewaltigen kompensatorischen
Hypertrophie des rechten Ventrikels /usdireiK n. weLli
günstiger Eaktor eine Reihe dieser sekundären Sdiad’idkeiter.
wettzumachen imstande ist.
In der klinischen Sympu mat«h g:e gebühre; A r. i a I I c n
v o u H c r z - L u u g e n s c h m e r / e n ein hervorragender
Platz.
Sie dokumentieren sich durch anialNw eises, mit Unruhe.
Angst, Beklemmung, Steigerung der Zyanose emhergeher.des
Auftreten basaler Herzschmer/en, die gegen d.e liefe der
Lunge zu ausstrahlen.
Zunächst werden sie durch rasche I ’cw egungen. Korper-
aiistiengiingen. psychische Aufregungen ausgelost und erinnern
in ihrem ganzen Charakter ui;J der Art und Weise des Auf¬
tretens au andere, aut arteriosklerotischer Basis beruhende
Kraukhe itsers, he u; unge n, weshalb iJi sie m d,e Re,he der
intermittierenden D y s p r a g i e n <> r t n e r s e,n-
u die n mochte.
I üese „I > \ s p r a g i a i n t e r m i t t e n s a n g i o -
s c I e r o l i c a p u I m o nah s ‘ unterscheide t sidi zw eife!:> s
von der Angina pectoris, dem Asthma cardiaie und den
H i: c Ii a r d Sche ll \or k ubesdiw erden.
Die bas.il lokal.sn. i teil Schnurzen gehen gegen d.e liefe
der Lunge zu. lassen ied*>di ein stärkeres Irradueren. wie bei
der SieiK.karebe. \ermissui, und sind nm einer p|, »t/itdieu
Steigerung de*r Z\annse ohne eigentliche D\spute vergeMÜ-
sc ha ft et.
Diese Parcxystiicn weisen aut eine reflekt« risdie nr g o.
ne ii mt’Sclie Natur der Z> anose aufaüe hm. da alle s An¬
zeichen akuter Herzsdiwadu* mangeln.
Nachdem von Haus aus sdnu erheb!,die Grade \ <»n
Zyan se hesieheit. können wir annehmen, dass der infolge der
Schmerzunfalle ausge loste Retlexreiz sich m sdwr, prüf« r-
mierte n Reizbahnen und sozusage n ausge--fahr« ne u tie'eisen
bew egt.
E.s macht sich demnach m der Art des Anfalles tut eigen¬
tümlicher Antagonismus zwischen dieser Angina pubm nal.s
hypercyanntica und der mit Steige rung der Anämie cmlkr-
gehendeii Stenokardie bemerkbar').
In dieser Annahme der Reflexnatur der Zv.mosekr;se« be¬
stärken mich Beobachmiigen \mi H e g t I s t a m in. Bris-
s ii ii d, G o I d i I a m, d um die I atsadte. dass bei I ungen-
kranken infolge Reizung des N. larMtgeiis supenor und Lunge n-
vagus auffallende < iesiditsrotimgeu auftrete n Kouren.
Glmc eigentliche D\spnoe zu zeigen, hatten die Kranken
während der Hohestad.en der Am.ule das Bestreben. lange,
sehr ausgiebige Inspirationen zu machen. w i»hei sie sidt
zumeist mit den Ellenbogen am K« pfeude* des Bettes m halb*
heget der, halbsitzende r Stelling an stemmte n.
I he*se Art der Atmung und die Z\ an.os«. \te igenmg niodue
ich als kompensatorische Erleiditenmgsmotm me bei diesen
Zuständen ansehen. wobei idi midi Iv/ngHdi ersterer auf das
I i g c r s t e d t sdie Sehe ma und auf Bohr und Rubow be¬
rufe. w eiche* fiele Inspira’iojH n als d e für die Limgen/irku-
lat oh günstigste Resuirationc irt beze-k luten.
Infolge der inspii.i»*'risclieii Aufblähung werden die ge-
w imdeneii I iingeiikapiüareii gestreikt, wodurch eine leichtere
IHutpassag» m denselben ermogbdtt wird.
Um wie viel mehr muss deshalb eine fnr/u rte* Inspiration
von verlängerter Dauer zum Ausgbidi der Störung infolge
sklerosierter Gelasse nötig sein. Die grösste iitspiratonsc.be
Anstrengung muss elann bei Eintreten Je n K rampf/ustarvjei der
Gelasse erfolgen, l.iingenb'ahiir.g und Emphysem habe ich
demnach. Sa u lies Annahme als primärer Urs.idle gegenüber,
für einen sekundären Eolge/ustand.
Es hat förmlich nach allem den Arvlun:. als ob d*ese:t
Periodischen Steigerungen der X\.mov bis zu em-.m gewissen
’) ' " II der Angina Pect*.ns w et Vu weitaus h.n.'ccr M.mru r
befa,!e - n : 7*\s I ’r .M i a u t h i c r l. - I o a, v V?.' • ss e-vs p,j ,
m-nuiis stellt sich unw- eii Zus.m.v.cnsu in. sl n - L : , s \ ,. t j. , .
ms fast g 1d i ; M ; \\ 21 : J5. .'
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4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1629
Grade (als regulatorische Hilfsaktion zur zweckmässigen Blut¬
verteilung) eine kompensierende Bedeutung für die Entlastung
des Lungenkreislaufes innewohne.
Diese typischen Schmerzanfälle möchte ich
direkt auf die Sklerose der Lungengefässe zu¬
rück f ü h r e n, wobei es sich nach obigen Darlegungen um
ischämische Schmerzen in der atherosklerotischen Gefässwand
selbst, um angioneurotische schmerzhafte Krampfzustände,
wahrscheinlich um Kombination beider handeln dürfte.
In gedrängtester Kürze sei der Umstände gedacht, welche
dafür sprechen, dass hiebei die Schmerzen wirklich in der
Atherosklerosis pulmonalis begründet sind. Bekanntlich ver¬
laufen Mitralstenosen zumeist schmerzlos, nach Nothnagel
finden sie sich nur in 18 Proz., nach Ha re noch viel seltener.
Letzterer ist geneigt, die seltenen Schmerzen bei Mitral-
stenotikern auf besonders starke Ausdehnung des linken Vor¬
hofes zu beziehen.
Hiergegen möchte ich- für den vaskulären Ur¬
sprung nachstehende Momente anführen:
1. Die Analogie mit den Aortenverhältnissen, in Lokali¬
sation und Charakter, die obigen physikalischen Befunde.
2. Falls H a r e mit der Dilatation des Vorhofes recht hätte,
müssten sich die Schmerzen fast in jedem stärkeren Stenosen¬
fall vorfinden.
3. Sind die Angaben H a r e s selbst für unsere Annahme zu
verwerten, denn er konstatierte
a) das Auftreten derselben erst in vorgerückten Stadien,
b) wiederholt „stenokardie“artigen Charakter,
c) ebenfalls die basale Lokalisation (die er allerdings in
den Vorhof verlegt).
4. Vorkommen solcher Schmerzen auch in den Fällen
ohne Vorhofsvergrösserung (bei Lungenvenenverengerung,
s. oben).
5. BeiläufigesUebereinstimmen des Prozentsatzes schmerz¬
hafter Mitralstenosen und der Kombination mit Atherosklerose
der Lungengefässe.
An dem Zustandekommen dieser Lungengefäss-
schmerzen bei der Dypsragia intermittens angiosclerotica
pulmonalis partizipieren die Gefässsklerose und gewisse vaso¬
motorische Einflüsse.
Nachdem vorliegende Zeilen in erster Linie für rein prak¬
tisch-diagnostische Zwecke berechnet sind, wurde hier Abstand
von einer Darstellung experimenteller Verhältnisse genommen,
die a. O. ausführlich abzuhandeln sein werden.
Die präzise Fragestellung, die unserer Mitteilung zu '
Grunde liegt, lautete:
Unter welchen Umständen ist eine kli¬
nische Diagnose der P u 1 m o n a 1 a r t e r i e n s k 1 e-
rose möglich?
Auf Grund eines bei der relativ grossen Seltenheit des
Befundes reichlich zu nennenden Beobachtungsmateriales kam
ich zu folgenden Schlussätzen:
Eine klinische Diagnose der Atherosklerosis pulmonalis ist
(falls die Kranken in einem entsprechenden Stadium und durch
sehr lange Zeit beobachtet werden können)
A. unter Voraussetzung einer primären Mitral¬
stenose möglich und bei Anwesenheit nachstehender Sym¬
ptome und Erschrwiu'ngskomplexe mit allergrösster Wahr¬
scheinlichkeit zu stellen:
I. bei physikalischer Untersuchung:
1. Dämpfungszone am oberen linken Sternalrand und den
benachbarten Gebieten mit Druck- und Perkussionsempfind¬
lichkeit (besonders in bestimmter Lage);
2. auch für diese Affejktion ungewöhnlich starke Ver¬
breiterung der Herzdämpfung nach rechts;
3. Verhalten des oberen Anteils des mittleren Bogens bei
Röntgendurchleuchtung;
4. allmähliges Aufwärtswandern des diastolischen Schwir-
rens und des diastolischen (präsystolischen) Geräusches gegen
das Pulmonalostium zu.
II. Klinische Symptome:
1. auffallende Zyanose als Frühsymptom und lange Zeit
hindurch bestehende ausgesprochene Differenz zwischen
dieser und der fehlenden oder geringen Dyspnoe, sonstigen
Stauungserscheinungerl, Oedemen;
2. Auftreten der Anfälle der Dyspragia intermittens an¬
giosclerotica pulmonalis (Angina hypercyanotica).
Unterstützend wirken für die Diagnose:
3. trotz hochgradiger Zyanose Fehlen von Trommel¬
schlägelfingerbildung ;
4. wiederholte abundante Lungenblutungen ohne ausge¬
sprochenen Infarktcharakter.
B. Unter genauer Berücksichtigung vorliegender Momente
ist auch das klinische Erkennen der so überaus
seltenen primären P u 1 m o n a 1 s k 1 e r o s e in das
Bereich der Möglichkeit gerückt.
Wir werden bei Vorhandensein obiger Erscheinungen und
Fehlen der Zeichen* eines wirklichen Vitium cordis (Mitral¬
stenose) an einen derartigen atherosklerotischen Prozess der
Lungenschlagader denken, ganz besonders, wenn es sich um
eigenartige zweifelhafte Herzaffektionen handelt, die einem
angeborenen Vitium cordis ähnlich erscheinen.
Hiebei verdienen namentlich basale diastolische Geräusche
am Pulmonalostium ohne Zeichen von Insuffizienz der Klappen,
auffällige Hypertrophie der rechten Herzkammer, das Präva-
Iieren der Zyanose über sonstige Stauungserscheinungen
(Dyspnoe, Oedeme), Attacken von basalen Schmerzen mit dem
Charakter der Dyspragia intermittens pulmonalis, Fehlen von
Trommelschlägelfingerbildung besondere Berücksichtigung.
Einen weiteren Hinweis bildet das verhältnismässig noch
jugendliche Alter und vorausgegangene schwere Infektions¬
krankheiten (Polyarthritis, Perikardaffektionen, „Variola“).
Es soll hier nochmals daran erinnert sein, dass Mitral¬
stenosen und gewisse angeborene Herzfehler, die einen- ganz
ähnlichen klinischen Befund bieten, beide mitunter sehr hohen
Grades, infolge Fehlens auskultatorischer Erscheinungen einer
sicheren Diagnose ganz ungewöhnliche Schwierigkeiten be¬
reiten können. Die dargelegten Momente dürften auch einen
Mitbehelf bieten zur Differentialdiagnose und Entzifferung der¬
artiger rätselhafter Herzkrankheiten.
C. Falls die Pulmonalsklerose bei der viel seltener mit ihr
kombinierten Sklerose und Insufficientia semi-
Iunarum aortae auftritt, geben einige klinische Eigen¬
heiten ebenfalls einen Fingerzeig zur diagnostischen Ver¬
wertung.
Solche sind statt der zu erwartenden blassen Facies
aortica ausgesprochene Zyanose, die ebenso wie eine be¬
stehende Hypertrophie des rechten Herzens durch andere Ur¬
sachen nicht erklärt werden kann, namentlich wenn die Zya¬
nose anfallsweisen Charakter zeigt. Ferner eine abnorme
Querleitung des diastolischen Geräusches nach links.
Eine Analyse der Dyspragia pulmonalis gestaltet sich hiebei
wegen der Möglichkeit gleichzeitiger Stenokardie schwieriger.
Allgemein und schematisch für den gesamten Prozess aus¬
gedrückt, liegen den subjektiven und allgemein klinischen
Symptomen mehr d-ie Affektion der kleinen Gefässe (Endar-
teriitis obliterans) zugrunde, während für das Zustandekommen
der objektiven Befunde, speziell der physikalischen Unter¬
suchung, das Befallensein des Stammes mehr releviert.
Vorstehende Notizen bezwecken vor allem die Aufmerk¬
samkeit der Kliniker auf die bisher nur als zufälliger Sektions¬
befund rangierende Atherosklerosis pulmonalis
hinzulenken und sie zu weiteren Beobachtungen und Unter¬
suchungen über die von uns behauptete Möglichkeit der kli¬
nischen Diagnose des Leidens zu veranlassen.
Aus dem Laboratorium der psychiatrischen Klinik in Frei¬
burg i. Br. (Prof. Dr. Hoch e).
Veränderungen des Nervensystems nach Stovain-
anästhesie.
Von Privatdozent Dr. W. S p i e I m e y c r, Assistenzarzt
der Klinik.
In einem auf der letzten Naturforscherversammlung ge¬
haltenen Vortrage ') hat Herr Professor K r ö n i g auf histo¬
logische Untersuchungen hingewiesen, die ich in einer Reihe
’) Anatomische und physiologische Beobachtungen bei dem
ersten Tausend Riickenmarksanästhesien; vergl. auch den gleich¬
betitelten Aufsatz von K r n n i g mul < i a u s s in dieser Wochen¬
schrift, 1907, No. 40 und 41.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1630
MUENCHENFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
von Fällen ausj^cfiihrt habe, in w elchen die Stovainanästliesie
angewandt und später aus verschiedenartiger Ursache der
Tod eingetreten war. Diese Untersuchungen wurden auf Ver¬
anlassung von Herrn Prof. Krönig in Angriff genommen.
Iler Versuch, hier in aller Kürze über deren bisherige Resul¬
tate zu berichten, erhält vielleicht seine Rechtfertigung durch
das Interesse, das diese neurohistologischen Studien vielerorts
gefunden haben. Einer solchen Rechtfertigung bedarf es, da
die Untersuchungen keinen Anspruch aui Vollständigkeit er¬
heben können, sondern noch nach vielen Richtungen der Er¬
gänzung und Erweiterung bedürfen.
Von vornherein möchte ich betonen, dass es mir in dieser
Mitteilung lediglich auf das N e u r o p a t h o I o g i s c h e an¬
kommt und dass ich es dem Kliniker überlassen muss, daraus
seine Schlüsse für die Bewertung der StovailianüsthesiL zu
ziehen. Zu einem Urteil über das Für und Wider der Lumbal¬
anästhesie und der Narkose fehlen mii die Kompetenzen.
Es wurden im (ianzen 13 Fälle untersucht, und zwar
7 Fälle, in denen 0,12 oder 0,1, und 0 Fülle, in denen o.u.S n,n7
Stovain gegeben worden war. Nur in einem dieser Fälle war
das Stovain die eigentliche Todesursache: die betreffende
Person - eine sehr dekrepide, im übrigen aber gesunde Frau,
die wegen Totalprolapses operiert w erden sollte erhielt n.12
auf Körpertemperatur erwärmtes Stovain; bald nach der
Injektion traten die Symptome der Atmungslühnumg auf; nach
Wiederbelebungsversuchen verringerten sich diese Erschei¬
nungen, die Kranke blieb aber komatös und die \on nur vor¬
genommene neurologische Untersuchung ergab eine totale
Areflexie bei allgemeiner Aufhebung des Muskeltonus. Der
Tod erfolgte 40 Stunden nach der Injektion. In allen anderen
Fällen, die ich untersuchen konnte, war das Stovain nicht die
Todesursache; die Kranken starben an verbreiteter Karzinose.
Peritonitis, Sepsis, allgemeiner Kachexie etc. Der Tod trat
in diesen Fällen 2 H 'läge nach der Lumbalanästhesie ein; nur
eine Kranke starb erst 1U Jahre nach der Rückenmarks¬
anästhesie (0,12 Stovain); sie hatte nie motorische oder sensible
Störungen, in der seit der Operation verflossenen Zeit geboten.
Auch bei den anderen II Fällen haben die Aerztc der Frauen¬
klinik keine neurologischen Anomalien bemerkt; ich selber
habe sic nicht untersucht. Auf einen Bericht über die ein¬
zelnen Fälle glaube ich in dieser kurzen Mitteilung meiner
anatomischen Befunde verzichten zu können, da sich Wesent¬
liches daraus für die Beurteilung der nervösen Veränderungen
und für ihre Pathogenese nicht ergeben dürfte und da das
Wichtige in Kürze gestreift weiden wird.
Das Zentralnervensystem der 13 Fälle wurde mir von
dem Direktor des pathologischen Institutes Herrn Professor
Asch off freundlichst zur Untersuchung überlasten. Die
Sektion wurde meist bereits wenige Stunden nach dem Tode
ausgeführt. Das Material wurde nach den in der feineren
Neuropathologie geltenden Vorschriften konserviert und spe¬
ziell für die N i s s I sehe (iranulafärbung de (ianglienzellen,
für die B i e I s c h‘o w k y sehe Fibrillenmethode und für die
Darstellung der Markscheiden nach M arOii und W eifert
vorbereitet. In jedem Falle habe «Eh nach diesen Methoden
Präparate von 6 verschiedenen Hirnwindungen, vom Klein¬
hirn, vor verschiedenen (i egen den des Hirnstammes und aus
mindestens 12 verschiedenen Flöhen des Rückenmarkes ange¬
fertigt. Natürlich war die N i s s I sehe Färbung in Anbetracht
ihrer grossen Zuverlässigkeit und bei der Einfachheit der
Technik die Fiihrerin auch bei diesen histologischen Unter¬
suchungen; sie gab uns die erstell Anhaltspunkte dafür, in
welchen Zentralteilen sich Veränderungen fanden, die wir dann
auch mit Hilfe anderer Methoden, speziell der Flei¬
sch o w s k y sehen Fibrillenfärbiing, zu analysieren suchten.
_ Der ausserordentliche Vorzug der N i s s 1 sehen Alkohol-
scifenmethylenblanmethode. nicht nur die feineren Details zur
Darstellung zu bringen, sondern auch ein UebersiJitsbild zu
gewähren, war hier deshalb von besonders hohem Werte, weil
die \ eründerungen der Nervenzellen überaus w e c h s e I n d
ui ihrer Ausbreitung und Verteilung über die ver¬
schiedenen Höhen des Rückenmarkes und dann weil
sie überhaupt n ur vereinzelt zu finden waren.
In ^ Fällen waren auch bei genauester Durchmusterung
zahlreicher Präparate (zumal aus den verschiedenen- RuCken-
] markssegmenten) keine charakteristischen, patlu logischen
I Veränderungen nachzuw eisen. Hierher geh«»teil ai'.c o Falle
1 der II. (iruppe, in welchen nur ö.<»5 Ins o,o7 St«*\ am ge geben
j worden war, und ausserdem j;odi 3 Falle \mi der I. «inipix:
] (Stovaindosis d.I U.12). JVIferdiiigs ze.g'cii die Nissl-
| Präparate in 5 von diesen 9 Fallen deutliche Abw eulnmgen vom
Aeijuiv aleinbilde der normalen Zeile. Aber da hai'deit es s.Ji
| lediglich um das, was man wohl als ..einfache Chrom«.!\ >c*‘
j der Nervenzellen bezeichnet: um eine kramtj.gc «der st.c.ib-
i cheiiformige Auflösung der NissSJu !l« n. um cm Zusammen*
'tliessen der (irauula, eine unsji trfe I >.m renz.e rurg der iirge¬
färbt eil Bahnen von dem lunaJibartui ’I rgm d, I .ilte’m-g de-
Kernkapsel etc.) Vor allem aber ist da^e ge w ««hr.l;die Ciiroim.-
lvse' hier noch dadurdi ausge/ei Jm.ct. dass s.e. wum audi m
redit verschiedener Intensität, ulu r d..s gesatme zeiitr. %.
Nerv eiisystem verbreitet ist; maedie Zellen er^dn n cp x »el
. resistenter, manche viel emptmd'idkr. aber die Zebb.lder s.r.d
in verschiedenen Zonen des Zentralorgai.s imd an den \e r -
sdliedenen Zelkirteii die gleidkii. F.s ist bekannt, dass s« »lebe
i einfachen, weit über d..s zentrale \"r\ii:s\stcn dehnte r.
1 ehr« molytischeii \organge bani g unter dein I 1 ;ss von Ml-
! gemeinerkrankiingeii. \ e t g.ftnnge n und Ii.fcktu n«. n. anftreteii.
dass sie sich audi nadt längerer Agone entwickeln K «nr.e n und
1 elass in solchen Falle n iiuivt audi s. .pst d.tiuse P.tre»;dt\ :»F
sc haeligunge n an ;»n d • • re r» (bg.m-. r (trübe SdiwUlang u. ad
gefunden w erden. Audi m dem m R. de stelle nden Fa'lcn finden
sie ihre ganz naturlidie Erklärung ;n snldieii 1 *r<>/e 'mü. wie
in schwerer K i ebskaduxie. Sepsis etc. W ,r haben ke r« n \n-
I halt dafür, dass s; v - mit der St«»\ a.nirn K ti«>u in ufs. lv bhJu r
j Zusammenhang zu bringen seien.
I Fine wesentlich andere, u b i e| u i 1 a r e Erkrankung de r
: (ianglienzellen finden wir in dem Fad. m weldvn d.e
St< \ annuie ktiojt zu sdiw ereil Am.iingsst mäbge n mit i:adi*
I folgendem Koma geführt hatte und in welchem der I «d
| 41» Stunden nadi der Iniekt? n eil.trat. Audi hier hairlelt cs
! Mch zunächst wieder um dir-um ]\tisdie \ «^g.mge. die abei
1 besonders hohe (iraele annelmien u: d vielfach, z. B. an den
j kleinen Rindenpx ranndeii. zu völliger Anti sin g der <ira.m:\t
| fuhren, so dass diese ganz In II e: scheinen; dambefl bestellt
; eine mehr oder we niger ai;sg t spo,diene sdiwdlmg m d Ab-
i rundung ehr Zellkörper in d /miul an den Ru | r,\.kr. g <>l'e
Keruv erande rnngeii: Antl-sung der K e mmu mbr.tii. krnme’.ger
Zerfall der Ken korperdien < de r Umw ai.dlimg in e.ue z.ick g
; ausge/oge ne ges Jtrumplte Masse. (i^rade- diese \ «.rga? a
I an den (ianglienzeilkerue n weisen auf eie- besondere Sdiv\e r e
j de s K rankheitspro/esses lui. Lh braudie m.di h c r auf e e
| eingeheneie Schildern« g die s C r neuioh.^ b K .sdi sdrr inur-
; vssaiiten Bilder nicht uu.m’jsscn. I S gvi m.e iu r v *r ctihe lu &
| dass wir ähnliche schwere Ze\!t r k on-k m •» e n ,«i:di so-st ruh
. grober Pelimde riitig der Amu:i g und de r ZukTata n se lu n.
Wir diirien deshalb im v < 'de gemd. n FaV v’.c ub.tjmta'eui
intensive n <ianght nzellv e ra: de rur gen ,mi dm Atuuings-
I ä li in II n g ziiriicktulire in Das Stovain ot mdit d.e un¬
mittelbare Ursache der zentraV:: Zelle-rku.rkurgen. letz¬
tere sind nicht als AusdruA euer <i;:w:-ku:g des Stova.rts
auf/iifasse-n; sondern das Stov ain ist indirekt eiurdi die
Atmimgsl.ihmnng an d« m Zustande Io •mmen der r.e rv.«s-n \ tr .
änelerimgen schuld.
Fs bleiben mvh 3 f alle übrig, ui de rer. eigenartige
Z e I 1 e r k r a n k n n g e n gefunden w ureE-ii In dieser. 3 F'a"eH
war ö.ld Stovain imioe rt w »vrde u; s- c geii-ren .«Im» al’r in
die erste (iruppe immer Falle. In a;\tf 3 I .i'leu ot der \ T-
krankititgspro/e-ss durcljaiis gleich..rt,g u: d zwar be-*r nt e r
Ie ehgüch ehe grosse r] r o I \ g n a i in Zell e n im \' Or¬
der h o r n des Rückenmarkes. Die Iedwr der in-
treffeiukii Ze lle n vi:d li \ p e r v o i n m ; u «• s und a b g e -
rundet: das erube u . S e'as W ubrgs-e. D.e X u-e.Uig
des ZeÜeü'es kam se hr \ e r sj« . det e i‘ l -:fa-g h*re u : irn
Be'ginue de-r F.rkr-a.t'km ,g I>1 • ur e ’e be s, »;»-.•♦ % te /e rtra’e
Partie geb’älit ir d abu« fn he*;, s.e' .1 -g* m e r Dir part.e’T
Vorbiichtüiig der Zebw a: d; m .-e:; ab«.r wird d.e
Idahimg rasch t« * d m-d mbrt Au'--. -• - g dm g.u,/. n Ze I’e.
die k u gl i g oe! e r b. i g a «w m. I - - r s nd dann
ganz beträchtllJi V'gow.--. j . | ‘ .. , ‘ T,,
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4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1631
< Alteration des Kernes. Deutlicher als die Auftreibung der Zelle
zeigt die Auflösung der chromophilen Substanz den Weg, den
der Prozess nimmt, nämlich den Weg von der Kernum¬
gebung nach der Peripherie. Dieser Weg 'wird
rasch zurückgelegt, denn die meisten Zellen befinden sich be¬
reits wenige Tage (3 X 24 Stunden) im Zustande totaler, wenn
auch verschieden hochgradiger Schwellung. An der Peripherie
aber bleibt meist eine schmale Zone von Tigroidschollen er¬
halten; die Fortsätze behalten sie gewöhnlich ebenfalls zu¬
rück. Die chromophile Substanz löst sich rasch in feine
Stippchen und Stäubchen auf; und was besonders wichtig ist:
diese blau gefärbten Reste der chromophilen Substanz ver¬
schwinden bald, so dass der geblähte Zelteib blass und fast
homogen erscheint; nur nach der Peripherie zu und in der
Nähe der Kernkapsel bleibt eine feine Zone von blauen Stäub¬
chen. So geht die Auftreibung der Zelle parallel der Auf¬
lösung -der Granula und dem Schwund ihrer chromophilen
Zerfallsprodukte. Je grösser, desto blasser und desto mehr
homogen erscheint def Zelleib. Der Kern ist stets verlagert.
Die Kernkapsel gefältet, aufgelöst oder in einer dichten um den
Kern befindlichen Zone von Granulastäubchen verborgen. Der
Kern ist oft völlig an die Peripherie gedrängt, die Zellwand
an dieser Stelle vorgebuchtet, das Kernvolumen selber ver¬
ringert, die Form des Kernes in der verschiedensten Weise
verunstaltet, das Kernkörperchen gegen die Kern- resp. Zell¬
wand gepresst. In den höchsten Graden der Erkrankung, die
recht selten und überhaupt nur in einem Falle (M.) nachweis¬
bar waren, ist die Zelle in ein fast doppelt so grosses Gebilde
. umgewandelt mit fast ganz aufgelösten Konturen, ohne Kern
oder mit aus der Zelle ausgestossenem Kernkörperchen; es
handelt sich nur mehr um einen „Zellschatten“.
Die im Bielschowsky sehen Neurofibrillenpräparat
erhobenen Befunde entsprechen denen im N i s s 1 bilde. Am
auffallendsten ist auch hier zunächst die Vergrösserung des
Zelleibs; dieser sieht eigentümlich leer aus, da er nur in der
Peripherie noch Fibrillen enthält, die sich in die Zellausläufer
fortsetzen». Von netzigen oder geflechtartigen Fibrillenstruk¬
turen oder von Ueberkreuzugen von Fibrillenzügen im Zell¬
leib sehen wir nichts; letzterer ist vielmehr ziemlich hell und
von dunklen Stäubchen und Pünktchen durchsetzt.
Die beschriebenen Zellveränderungen waren in einem der
drei Fällen nur ganz vereinzelt über die Vorderhornsäule des
Rückenmarkes verstreut, so dass sich in einem Rückenmarks¬
schnitte aus den Segmenten, in denen überhaupt erkrankte
Zellen nachweisbar waren, durchschnittlich kaum mehr als eine
und in vielen Schnitten gar keine kranke Zelle fand. Solche
Zellen waren in diesem Falle in einzelnen beschränkten Par¬
tien des oberen und mittleren Halsmarkes, des unteren Brust¬
markes und des Lenden- und Sakralmarkes vorhanden. Der
Prozess bevorzugt keine besonderen Gruppen der Vorder¬
hornzellen, die pathologischen Zelltypen finden sich in der
medialen Zone ebenso wie im Seitenhorn. In dem zweiten
Falle sind die ebenfalls nur ganz vereinzelt auftretenden Zell¬
veränderungen lediglich in den unteren Rückenmarkssegmenten
bis etwa zur Höhe des oberen Lumbalmarkes nachweisbar. Im
Gegensatz dazu liegen im dritten Falle (M.) die erkrankten
Ganglienzellen- ausschliesslich im oberen und mittleren Hals¬
mark (C 2 bis C5); alle tiefer gelegenen Segmente sind frei
von pathologischen Zelltypen. Dieser Fall zeichnet sich vor
den anderen noch dadurch aus, dass die erkrankten Zellen gern
in Gruppen beieinander liegen, bald diesen, bald jenen Be¬
zirk des Vorderhorns, bald die eine, bald die andere Rücken¬
markshälfte bevorzugend. Ausserdem ist es dieser Fall, in
welchem die Zellerkrankung, wenn auch nur vereinzelt, zu
groben Untergangserscheinungen an den Vorderhornelementen,
speziell zu Zellschattenbildung, geführt hat.
Von besonderer Bedeutung ist demnach die Tatsache, dass
die Erkrankung lediglich die grossen poly¬
gonalen, „motorischen“ Zellen ergreift, keine
anderen Ganglienelemente. Der Prozess hat also
die Tendenz, nur bestimmte Zelltypen zu schädigen. An¬
den andersartig geformten Nervenzellen, denen des Mittel¬
feldes und des «Hinterhornes, sehen wir nichts Abnormes,
ebenso auch nicht an den Zellen der Spinalganglien, so¬
weit diese — in jedem Falle etwa 8 — von uns
untersucht werden konnten. Ausserdem erscheint es
wichtig, dass die Aequivalentbilder der den kranken Zellen
benachbarten Vorderhornzellen durchaus der Norm ent-
»sprechen, dass also der Prozess nur diese oder jene Zellen aus
der Gruppe der Vorderhörner wie willkürlich und ohne jeden
uns erkennbaren Grund „auswählt“.
Klinisch hat sich, wie erwähnt, die Affektion der Vorder-
. hornzellen nicht in grob erkennbaren Ausfallserscheinungen
manifestiert. Das ist nach dem Gesagten wohl verständlich,
da sich der Prozess nur auf relativ wenige und verstreut
liegende Zellen in dem weiten Vorderhorngebiet beschränkt
(s. u.). Ausserdem ist aber darauf hinzuweisen, dass der
Exitus in diesen drei Fällen bereits 3, 4 bpw. 6 Tage nach der
Operation erfolgte, dass also eine Entscheidung über die Frage,
ob irgendwelche feinere Bewegungsstörungen beschränkter
Muskelgebiete aus der spinalen Affektion resultierten, nicht
gefällt werden kann, zumal ja der allgemeine schwere Krank¬
heitszustand der Patientinnen eine genaue Funktionsprüfung
gar nicht gestattete.
Aus der Beschreibung der histologischen Bilder geht also
hervor, dass wir es hier mit einer scharf gekenn¬
zeichneten Ganglienzellenerkrankung zu tun
haben und dass diese von der gewöhnlichen Chromolyse wohl
unterschieden ist. Das ist von ganz besonderer Wichtigkeit,
weil die einfachen chromolytischen Vorgänge an den
Nervenzellen häufig — wenn ich so sagen darf — „uncharak¬
teristisch“ sind, und weil alle möglichen körperlichen Krank¬
heitsprozesse zu solchen Veränderungen führen können, wie
wir das ja auch in einigen unserer Fälle sahen. Gewöhn¬
liche Chromolysen wären wir daher nicht ohne weiteres be¬
rechtigt als materielle Wirkungen des Stovains anzusehen,
wir müssten denn andere Einflüsse infektiöser, toxischer oder
ähnlicher Art, die zu ihrer Entstehung geführt haben könnten,
aus-zuschliessen vermögen, was in der menschlichen Patho¬
logie nicht sehr häufig der Fall sein dürfte. Oder es müssten
sich besondere Kennzeichen in der Art der chromolytischen
Vorgänge oder in ihrer Verteilung auffinden lassen, in der
Weise etwa, dass nur bestimmte Zellarten im Nervensystem
mit einer Auflösung der chromophilen Substanz auf Stovain
reagierten oder ähnliches. Ich habe davon nichts finden
können; die Veränderungen der chromophilen Substanz waren,
wo sie vorkamen (5 Fälle), diffus verbreitet und „uncharak¬
teristisch“. Ob das Stovain auch gewöhnliche chromolytische
Vorgänge bewirken kann, dafür haben meine Untersuchungen
bisher keinen Anhalt gegeben. Es sei jedoch in diesem Zu¬
sammenhänge darauf hingewiesen, dass van L i e r bei Ka¬
ninchen einfache chromolytische Veränderungen an den Gan¬
glienzellen in den ersten 6—12 Stunden nach der Stovain-
injektion beschrieben hat, die nach 24 Stunden wieder ver¬
schwunden waren.
Ausschlaggebend für die Beurteilung der durch Gifte ge¬
setzten Veränderungen des nervösen Gewebes sind natürlich die
Ergebnisse des Experimentes, bei welchem wir es mit viel ein¬
facheren Verhältnissen zu tun haben. Unsere Experimente an
Hunden und Affen ergaben aber genau die gleichen
Zell Veränderungen, wie beim Menschen. Auch
hier sind die grossen motorischen Zellen in dieser sehr charak¬
teristischen Weise aufgebläht, blass mit verlagertem Kern. Ob
daneben auch einfache Chromolysen Vorkommen, ob vielleicht
die von v a n L i e r als „vorübergehend“ bezeichneten chromo¬
lytischen Vorgänge unter Umständen persistieren und höhere
Grade annehmen können etc., vermag ich noch nicht zu sagen.
Diese im Voraufgehenden beschriebene Veränderung, die
das Stovain an den Zellen vom motorischen Typus bewirkt,
ist uns aus der Nervenzellenpathologie gut bekannt: sie ent¬
spricht durchaus den Zellaffektionen, die w ir
nach Zerstörung der Achsenzylinder in den
zugehörigen Nervenkernen beobachten; also
etwa nach Ausreissung des Fazialis in seinem Kerne. Wir
kennen diese Bilder in erster Linie natürlich aus den grund¬
legenden experimentellen Untersuchungen N i s s 1 s. Auch in
der menschlichen PathQlcgie sind sie später öfters beschrieben
worden, z. B. als Folgeerscheinungen von Amputationen oder
von neuritischen Veränderungen-bdi chronischem Alkoholismus,
bei Beriberi, wo also auch der zu den Zellen gehörige Achse
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1632
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
SV». 31.
Zylinder lädiert ist. Man bezeichnet deshalb wohl diese eigen¬
tümlichen Zellveränderungen — diese Form von Chromolyse
mit starker Blähung, Achromatose und Kernverdrüngung als
sekundäre Zellläsionen und stellt sie den primären, die
Nervenzelle direkt treffenden Läsionen gegenüber. Zu letzterer
gehören vor allem die nach Vergiftungen auftretenden Chromo-
lysen; sie sind durch ihre Art, und vor allem durch ihre Ver¬
teilung auf verschiedene Zellen von einander unterschieden;
„verschiedene Gifte wirken auf die gleiche Zellart verschieden,
ebenso wie das gleiche Gift verschiedene Zellarten verschieden
beeinflusst“ (N i s s 1).
Es erscheint demnach von besonderer Wichtigkeit, dass
die von uns gefundenen Zellveränderungen nicht, wie meist bei
Vergiftungen, irgend einer Form der primären Zellchromolysen,
sondern der sekundären, retrograden Ganglien-
zellerkrankung gleichen. Und es erhebt sich daher
die Frage: handelt es sich auch hier um eine sekundäre Zell¬
erkrankung, um die retrograde Reaktion der Ganglienzelle auf
eine primäre Schädigung ihres Achsenzylinders? Ich habe
dafür keinen sicheren Anhalt finden können. Pegcneratixe
Vorgänge an den betreffenden motorischer. Wurzeln wurden
nicht gefunden. Aber freilich ist zu bedenken, dass die Me¬
thode, mit der wir am einfachsten die Degeneration einer
Nervenfaser nach w eisen können, die M a r c h i sehe Methode,
hier noch keinen sicheren Aufschluss geben konnte, da die seit
der Injektion bis zum lode verflossene Zeit dafür zu kurz war;
denn die Zertallserscheinungen an markhaltigen Nervenfasern
treten am Chromosmiumpräparat durchschnittlich erst nach
etwa 10 Tagen deutlich in die Erscheinung. Bei den anderen
Methoden (zur Darstellung der Achsenzylinder) konnten uns
leicht etwa vorhandene Veränderungen an vorderen W urzel¬
fasern entgangen sein, da es sich ja nur um vereinzelte, auf
wenige Höhen beschränkte Ganglienzellenerkrankuugen han¬
delt. Deshalb lässt sich also nicht mit Sicherheit behaupten,
dass wir es hier mit einer die Ganglienzellen direkt treffenden
Schädigung zu tun haben. Aus der Tatsache an sich, dass
dieser pathologische Zelltypus sonst nach Läsionen des be¬
treffenden Achsenzylinders gefunden wird, kann jedoch um¬
gekehrt meines Erachtens der Schluss nicht gezogen werden,
dass die Erkrankung auch hier retrograd sein m ii s s e, und
dass das Stovain primär den Achsenzylinder angreife.
Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen
sprechen, soweit ich sie bisher überblicken kann, eher für eine
direkte Zellschädigung; jedenfalls Hessen sich die charakte¬
ristischen Blähungen mit Achromatose an den grossen Vorder¬
hornzellen auch dort nachw eisen, w o die Wurzeln in den be¬
treffenden Segmenten gesund und auch die peripherischen
Nerven nicht verändert waren.
Die experimentellen U n t e r s u c h u n g e n ver¬
langen noch eine besondere Besprechung. Die Veränderungen
der Vorderhornzellen sind, wie w ir sagten, die gleichen
wie beim Menschen. Wir fanden sie auch hier nur iu verein¬
zelten Exemplaren oder kleinen Gruppen über die Vorderhoru-
säule des Rückenmarkes verstreut. Im allgemeinen bleiben sie
auf die untere Rückenmarkshälfte beschränkt, sie reichen nur
bis zum unteren Dorsalmark hinauf. Auch hier bewirkten diese
geringfügigen verstreuten Vorderhornzellveränderungen keine
grob nachweisbaren Beeinträchtigungen der Motilität; von der
kurzdauernden, der Injektion folgenden Paraplegie blieb nichts
zurück. Nur in einem Falle, bei einem Hunde, der 0,04 Stovain
erhalten hatte, blieben die Hinterextremitäten teilweise schlaff
gelähmt; dabei waren die Sehncnreflexe abgeschwächt, die
Schmerzempfindung nicht nachw eisbar gestört. W ir glaubten
intra vitam diese schlaffe Paraplegie in Analogie zur Polio¬
myelitis der Kinder auf eine im Lumbal- und Sakralmark
ausgebreitete Vorderhornaffektion zurückführen zu dürfen.
Und in der lat ergab die histologische Untersuchung am
Rückenmark des nach 14 Tagen getöteten Tieres eine ausge¬
dehnte Erkrankung der Vorderhornzellen von dem oben be¬
schriebenen Typus: cs sind in jedem Schnitt aus dem Sakral-
lind Lumbaimark eine beträchtliche Anzahl von Vorderhorn¬
zellen erkrankt, und der Prozess hat an verschiedenen Ele¬
menten zur Ausstossung des Kerns resp. Kernkörperchens und
zur Zellschattenbildung geführt. Die Paraplegie würde also
ihre Erklärung in dieser ausgebreiteteu Affektion der pnm ri-
hen Zellen des unteren Riickcnmarksabschniites finden.
Nun kommen aber bei diesem Hunde noJi schw ere
d e g e n e r a t i v e \ e r ä n d e r u n g e n in den Leit u n g s-
b a h n e n hinzu, die ganz nherw itgyid d e H i n l e r s l r a n g e
betreffen. Und das ist das zweite wesentliche Ergebnis
dieser Untersuchungen: dass n a c h I. u m b a I a n ä s t h e -
sie mit St o v a l n a u c h F a s e r d e g e u e r a t i <> n e u
i m R ii c k e n m a r k Zurückbleiben k o n n e n und daN'-
solche degmerative Zcrsturimgeji vor allem das zentrale
A u s b r e i t u n g s g e b i e t der s e « s % b I e n R u c k e n -
m a r k s w u r z e I n betalh / . Aber diese I »egencrata me n \ . n
Rückenmarksbahnen fanden suh bisher ne bum Muis^hc::.
sondern lediglich bei Tier e n. \u>ser bei einem Hunde k mr.k
ich sie lediglich r.oji bei 3 Affen le stsk Ikig deren Ncrxcn-
system mir Herr Pr. (iauss i'reimd'icH m zur l nursiichuug
übergeben hatte. I be 3 Affen hatte n w iede i In dt. 3 mal. 1 s< .gar
(»mal Stovain innerhalb 4 5 WrJitii K kommen i:: Dmm.ii \»>n
0.OO4 bis 0.» »2. Sie b< teil, wie ich aas de ti M .tleiümge n \«*u
Herrn Dr. (iauss w e*ss, keine nmn MOien Ausia Ne'sJui-
nungen dar; die der Imektmn folgende Paraplegie blieb wie
gewöhnlich Mir wenige Stunden bestehen, laues dieser liefe
hielt nadl einer Imektion ehe taue hintere f \tre nnt.it liaahg an
den Leib ange/ogeii; sie war iedoJl keineswegs gelahmt. Die
eigeiitiimliche Haltung der Extremität wurde auf e ne W urzei-
verletzung bezogen; audi dieses S\mpt<n xersdiwai.J etwa
nach 1 'lagen. (>b feinere Stof unge.fl der k< or d.nati« ai «der
ob Schmerz- und Reile\an< inalien \orh.ndui waren, worauf
die anatomischen Befunde hu; v. eisen wurden. \ erm.ag idi nicht
anzugebeu. da ich die Affen mdit selbst mtu :miJi! Inbc.
Bei allen drei Affen fatden sidi sdir aihgesprodie ne
Degenerationen m den h in t e r e ii R iu k i n murks-
w u r Z e I n und zwar auf beiden Se.ten in last x.dhg g e idle r
Intensität. Die Degelieiullors/nge de r H.nte r w u f/•. n mi J im
Riiekemnarksg r.m bis zu den \ orale t Immer n zu \ erfolgen und
sie steigen in den H i n t e r s t r a n g e n aniwatfs Jur. M d.e
ganze Länge des Rückenmarks bis /u den K e r n e n der Hr n r-
strälige auf; d. ll. der dege tft raü\e Pf/css be tnlM s-.W'.li! die
kirzen wie die langen Easer/uge der seiisib’en Ru.ken-
marksw iirzeln. uuJ zwar eh r sakralen m d lumbalen Hinter-
wurzehi (bis zum oberen LciuUi marh Imiauf). D.e^e H.nte r-
strangverändeningeii snal m allen drei lallen elas antta’le i.eNt*.-
pathologische Merkmal im Riu ke amar ksejuei sdv ;tt. Ir einem
von drei Fallen komme n da/u rodi massige- MarJm!< geiic-
rutionen in der seitlichen und vorderen IVrtphc* ic eles Rücken¬
markes; nur selten smJ diese m dei seitlichen Rand/or.e etwas
breiter und springen dann mitunter ein Stück weit. tiieiM nicht
symmetrisch zentralwarts \a r.
Dieser Peinnd einer mit der Hinterwurzel-
a f f e k t i ii n v e rb u n d e n e ;t R a u J J e g e ri e r a t i < n
leitet zu den sehr bemerkenswerten R;k kemma rksbi! Je t u bei
dem Stovamhmide über. Hier smJ ebenfalls garZ überw ugertd
die llillterw iir/eln (mal aufsteigeiul die I Ijflfet straJige) aft/iert.
Der de generative Prozess ist m der m m.t'e Iba re ii Empr.ts-
pforte der Hmterw u r/e In am stärksten ausge sprodicn ; Inet
sind die Marclnschollen massig lir j / ;i vmnme ege-drangt.
Ausserdem ist aber die gan/e Rucke-i m.itksperipbe ne em-
schliesslic h der Lippen der \< rderen Fissur \ on einem sdimaleti
Saum degenerierter Ease ru ein ge nommeii ; diese r S.mni er¬
scheint am konserx lerte-n Prapätat sp !\nw eise \ <*:i der nor¬
malen Easermasse Icidit abgib. »heil. Pas H iby Huers Jmitts-
bild findet suh vom Sakrglmark bis h-.di ms LcnJcumurk
hinauf.
Auf das I]|S(< Jogisdle Petnl kann uh Iler u:dit e'"g-.. he r ;
es sei nur erw ahnt, d iss eigentliche Er’/im iungs-ib rr:r.t::♦ o:s-)
\ orgänge fehlen ; die ahn« rmen /e l.bus.iiiim'nigeii s.t/eii sidi
zusammen aus | ransport/elleti. ehe rut /t M.rl’u e'ii NUc'.n
überladen sind, in d aus gew ik he rk n G ..*/e len und Pa de-
gew ebeselefiH fifen (Pia/eüeii. Scliw a u v s Jfe.- Ze 'le ii der
Wurzeln). Die Gebisse- sind nicht na. I: w <. .dar ve r.mJi *!. De
Spinalgauglienzelle ii sind se kundär afn/iert. hidtt gi sJnie l't
und in massiger Chr< ui dyse; keine gn-'n i’ /.• ’ ! -.k strnkt'onem
Haben wir nun ierte eigenartig ang\ •• t dne te u E'aser-
erkrankuugen audi. wie- ehe- lu s/fr \ begA (ie\',.-:v lä i:\er-
an Je rniig auf das Sfo\ ain ii: sadi'.c h zur i.ck.'iü dre:: ?
Eine direk-«.• \’e r!e t/m g d> s R w kei tn.dvs ■ I r g r
Kan Ja, die s-.Llie Inga u.i'i- ::e', zur 1- ee- 1: d'efi k-ui.te.
dürfen wir auf Gnm.el unserer Prap.og-.k \ * »i: de- * efeti R-.cke u-
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Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
4 . August 1$Q&
MÜENCHfcNEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1633
marksabschnitten sowohl bei den Affen, wie bei dem Hunde
mit Sicherheit ausschliessen. Nur bei einem Affen fand sich an
der Injektionsstelle ein kleiner, in Organisation befindlicher
Bluterguss, der ein oder zwei Wurzelbündel an der Hinter¬
fläche des Duralsackes in sein Bereich gezogen hatte. Selbst
wenn man annehmen wollte, dass er eine stärkere Kom¬
pression auch auf die anderen Wurzeln der Kauda bewirkt hätte
(eine Annahme, die jedoch mit den histologischen Bildern
nicht vereinbar ist), so wäre damit die Entstehung der Hinter¬
wurzelveränderungen in den höheren Segmenten, deren
Wurzeln gar nicht mehr bis in die Kauda herabreichen, nicht
erklärt; und vor allem wären die ganz analogen Veränderungen
bei den anderen Tieren nicht verständlich. Die histologischen
Bilder, speziell die von dem Hunde, weisen vielmehr darauf hin,
dass die hier wirksame Schädlichkeit direkt an der Rücken¬
marksperipherie angreift. Und wie bei manchen anderen
Schädlichkeiten toxischer oder mehr mechanischer Art zeigt
sich auch hier die grosse Empfindlichkeit der
Hinterwurzeln: sie erkranken bereits intensiv, wenn das
hier wirksame Agens andere Fasersysteme noch intakt lässt
(bei zwei Affen), und wo auch Faserzüge in der Randzone des
Rückenmarkes mitaffiziert sind, da ist doch die Degeneration
der Hinterwurzelsysteme immer weitaus am intensivsten (bei
einem Affen und dem Hunde). Insofern dürfte diesem Befunde
eine allgemeinere neuropathologische Bedeutung zukommen,
speziell hinsichtlich der Frage nach der Pathogenese der
tabischen Hinterstrangserkrankung, nach der Entstehung
der von uns so benannten Trypanosomentabes der
Tsetsehunde und vor allem hinsichtlich der Frage nach dem
Zustandekommen der Hinterwurzeldegenerati¬
onen bei Hirntumoren. Mit Rücksicht auf diese Fragen
werde ich demnächst eingehender über die Befunde bei den
Stovaintieren in einer neurologischen Zeitschrift berichten;
dort werden auch die histologischen Details (die reaktiven
Zellw'ucherungen, das Verhalten der extra- und intramedullären
Wurzelfasern, der Spinalganglien, der Ort des Beginnes der
Degeneration im Hinterwurzelverlaufe etc.) ihre Berück¬
sichtigung finden.
Welcher Art ist nun die Schädlichkeit, die die schweren
zentralen Degenerationen verursacht? Wirkt das Stovain hier
rein chemisch, als neurotoxische Substanz oder sind mecha¬
nische Momente die eigentliche Ursache, oder wirken beide
zusammen?
Mit der Möglichkeit, dass hier rein mechanische Momente
wirksam sein könnten, müsste schon in Erwägung jener
Theorien gerechnet werden, welche die Entstehung der Hinter¬
wurzeldegenerationen bei Tumoren (ebenso wie die der
Stauungspapille) auf abnormen Druck zurückführen. Vor
allem aber muss die ausgesprochene Randdegeneration bei
dem Hunde, von der wir Andeutungen auch bei einem Affen
sehen, die Vermutung nahe legen, es möchte hier eine die
unteren Rückeiimarksabschnitte treffende Kompression ein¬
gewirkt haben; das würde die Verteilung der Degenerationen
im Rückenmarksquerschnitt am einfachsten verständlich
machen. Es musste daher eine Aufklärung über diese Fragen
dadurch versucht werden, dass man indifferente Flüssigkeiten,
wie physiologische Kochsalzlösung oder Wasser, in den
Zerebrospinalsack injizierte. Ich habe das bei 5 Hunden
mehrfach getan, und zwar wurde stets erst injiziert, nachdem
wir uns an flem Heraustropfen der Zerebrospinalflüssigkeit
davon überzeugt hatten, dass wir auch wirklich mit der Nadel
in den Meningealsack gelangt waren, was ja bei Tieren nicht
immer leicht zu entscheiden ist. Dann wurden etwa 3
bis 4 ccm Wasser eingespritzt. Irgendwelche nervöse Aus-
fallssyptome wurden darnach gewöhnlich nicht beobachtet.
Zweimal jedoch trat, bei zwei verschiedenen Hunden, un¬
mittelbar nach resp. noch während der Injektion (von 3 ccm
Wasser) eine plötzliche Atmungslähmung auf, die durch künst¬
liche Atmung nach ca. 10 Minuten wieder beseitigt werden
konnte. — Diese Beobachtung grober Atmungsstörungen nach
blosser Flüssigkeitszufuhr hat vielleicht ein gewisses Interesse
mit Rücksicht auf die Frage nach den Ursachen der Atmungs¬
lähmungen nach Stovaininjektion. Natürlich lassen sich die
Untersuchungsergebnisse hier nicht ohne weiteres auf die
menschliche Pathologie übertragen, zumal da wir es bei den
Tieren mit viel engeren räumlichen Verhältnissen zu tun haben.
No. 31.
Anatomisch habe ich nur zwei von solchen Hunden, denen
Wasser in den Spinalraum injiziert worden war, untersucht, j
Der Befund war absolut negativ an den Leitungsbahnen des j
Rückenmarks, wie an den Ganglienzellen. Da die anderen
Tiere, wie gesagt, auch keine nervösen Krankheitserschei¬
nungen von der Wasserinjektion zurückbehielten, glaubte ich
von ihrer anatomischen Untersuchung Abstand nehmen zu
können. «
Sofern es erlaubt ist, aus den bisherigen Untersuchungen
bereits einen Schluss zu ziehen, so ergibt sich also, dass Ver¬
änderungen der mechanischen Verhältnisse durch blosse
Flüssigkeitszufuhr in den Meningealsack nicht die Ursache
für jene Hinterwurzel- und Randdegenerationen abgeben
können; jedenfalls erscheint das Stovain- als das eigentlich
Wirksame Agens. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass nicht
auch die engen räumlichen Verhältnisse, bei den Tieren mit
von Einfluss bei der Entstehung der Degenerationen nach
Stovaininjektion wären und dass nicht auch dieser Faktor eine
Rolle spielen könnte für die Erklärung der Unterschiede
zwischen den Befunden beim Menschen und bei den Tieren.
In allererster Linie muss natürlich das relativ sehr grosse
Quantum Stovain, das jene Tiere bekommen hatten, als ur¬
sächliches Moment angeschuldigt werden. Ausserdem mag
auch die weit geringere Menge an Zerebrospinalflüssigkeit bei
den Tieren nicht gleichgültig sein. Aber es ist überflüssig, sich
hier auf weitere Vermutungen einzulassen; es genüge, auf
einige Dinge hingewiesen zu haben, die vielleicht für die Er¬
klärung der Unterschiede zwischen unseren Befunden beim
Menschen und bei Tieren in Betracht kommen könnten.
Es erscheint somit unstatthaft, aus der Feststellung aus¬
gedehnter Hinterstrangsveränderungen (und Randdegene¬
rationen) am Rückenmark von Tieren ohne weiteres
schwerwiegende Schlüsse für die klinische Pathologie beim
Menschen zu ziehen; die Verhältnisse in diesen Experimenten
liegen eben doch wesentlich anders, als bei der Rückenmarks¬
anästhesie des Menschen. Andererseits ist freilich die Mög¬
lichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass es unter Um¬
ständen, die wir nicht kennen, auch einmal beim Menschen zu
ähnlichen Rückenmarksdegenerationen nach Stovainanästhesie
kommen kann. Denn das Gegenteil kann natürlich aus meinen
Untersuchungen am menschlichen Rückenmark nicht ge¬
schlossen werden; dazu ist mein anatomisches Material zu
klein und ausserdem fehlen mir auch eigene Erfahrungen über
die histologischen Befunde in solchen Fällen, in denen beim
Menschen nach Lumbalanästhesie grobe nervöse Ausfalls¬
symptome zurückblieben.
Bestehen demnach, was die zentralen Faserdegenerationen
anlangt, wesentliche Unterschiede zwischen unseren Befunden
bei stovainisierten Menschen und bei stovainisierten Tieren,
so stimmen sie doch hinsichtlich der eigenartigen Ver¬
änderungen an den motorischen Ganglien¬
zellen der Vorderhornsäule überein. Ob es immer
nur die grossen motorischen Zellen sind, die unter dem Ein¬
fluss des Stovains solche wohl charakterisierten Verän¬
derungen erleiden, wie es nach meinen Feststellungen den An¬
schein hat, oder ob bisweilen auch andere, speziell auch sen¬
sible Zellen in analoger Weise nach Stovaininjektion er¬
kranken können, kann ich bisher noch nicht sicher entscheiden.
Sicher ist jedoch, dass diese motorischen Elemente
eine besondere Empfindlichkeit gegenüber
dem Stovain besitzen und dass sie viel eher mit materiellen
Veränderungen darauf reagieren, als die sensiblen Rücken¬
markszellen. Von Wichtigkeit für die klinische Pathologie ist
ferner die Feststellung, dass es zu Erkrankungen von Vorder¬
hornzellen nicht etwa nur in tiefen Rückenmarkssegmenten,
sondern auch hoch oben im Halsmark kommen kann, dass Ver¬
änderungen im Halsmark nicht zugleich auch von solchen in
tiefen spinalen Abschnitten begleitet werden müssen und dass
der Erkrankungsprozess teils absolut diffus nur diese oder
jene vereinzelte Zelle, teils hier und dort kleine Zellgruppen
befällt.
Worauf diese Auswahl bald dieser bald jener Zellgruppe
beruht, wissen wir nicht. Doch gibt uns dieses eigentümliche
Verhalten eine plausible Erklärung für die nach Stovain¬
anästhesie auftretenden Augenmuskellähmungen p»
die Hand: denn es ist nicht einzusehen, warum der in s<-'
Lokalisation schwankende Erkrankungsprozess, der z.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1634
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
liert einige Vorderhornzellgruppen im oberen Halsmark er¬
greift, dort Halt machen sollte, warum er nicht auch die
morphologisch und funktionell gleichartigen Zellen der Augen¬
muskelkerne befallen könnte. Und dass tatsächlich auch dort
die Zellen den gleichen Veränderungen unterliegen können, habe
ich an einem meiner Fälle (M.) an allerdings nur zwei Zell¬
exemplaren aus den Okulomotorkernen festzustellen vermocht.
Man könnte sich die verhältnismässig häufigen Paresen der
Augenmuskeln vielleicht damit erklären, dass ihre Kerne eine
besondere Empfindlichkeit gegenüber dem Stovin besitzen im
Vergleich zu anderen motorischen Kernen. Aber es fragt sich
doch, ob denn tatsächlich die Augenmuskelkerne so viel häu¬
figer erkranken als andere motorische Kerngruppen, ob solche
Störungen nicht nur deshalb so oft klinisch beobachtet werden,
weil hier schon verhältnismässig leichte und wenig umfang¬
reiche Läsionen zur Funktionsschädigung führen müssen. Bei
den Tausenden von Zellen in den spinalen Vorderhörnern,
welche gewöhnlich den funktionell zusammengehörigen Mus¬
keln einer Extremität vorstehen, wird sich natürlich ein Ausfall
von nur einzelnen Zellen oder kleinsten Zellgruppen klinisch
nicht so leicht bemerkbar machen«; und das erklärt ja auch die
von Professor Krönig angeführte Tatsache (Separatum
Seite 21), dass sich die von mir gefundenen Zellveränderungen
klinisch nicht manifestierten.
Bei den Augenmuskelkernen liegen die Verhältnisse natür¬
lich ganz anders; es ist klar, dass in Anbetracht der relativ ge¬
ringen Anzahl von Zellen, welche der Funktion eines Augen¬
muskels, etwa des Abduzens, vorstehen, schon die Läsion einer
beschränkten Zahl von Zellen hier leicht eine deutliche Funk¬
tionsstörung bewirken wird.
Ob die Vermutung richtig ist, dass die Augenmuskel¬
paresen nach Stovainanästhesie auf Zell Veränderungen von
dem hier beschriebenen Typus beruhen, wird natürlich erst die
Zukunft lehren müssen. Für diese Annahme spricht noch tjie
bekannte Tatsache, dass sich die Augenmuskelparesen
meist wieder zurückbilden. Denn bei den Zell¬
veränderungen, die ich beim Menschen nachweisen konnte,
handelt es sich zum grössten Teil um reparable Verän¬
derungen. Wir wissen aus den Untersuchungen über die
Kernveränderungen nach Läsion des zugehörigen Nerven
(s. o.), dass auf das Stadium der Blähung und Achromatose
ein Stadium der Reparation folgt, und dass nur ein beschränkter
Teil der erkrankten Zellen zu Gründe geht. Obschon in
unseren Stovainfällen die Schwellung und Chromolyse der
motorischen Zellen möglicherweise oder sogar wahrscheinlich
nicht retrograder Natur ist (s. o.), so werden wir doch in An¬
betracht ihrer völligen morphologischen Uebereinstimmung
auch für sie annehmen dürfen, das^ sie in ein Stadium der Re¬
paration treten können. Die Wiederherstellung der Augen-
muskelfunktionen würde damit ihre Erklärung finden.
Aber ein. kleiner Teil der Zellen in meinen Präparaten
zeigt auch so weitgehende, bis zur Zellschattenbildung fort¬
schreitende Umwandlungen, dass wir diese als nicht
restitutionsfähigeUntergangserscheinungen
anzusehen haben. Besonders sehen wir auch an den Zell¬
bildern bei dem Stovainhtmde, dass der Prozess unter Um¬
ständen eine ausgesprochenere Tendenz zu grober Destruktion
der Ganglienzellen annehmen kann. Möglich, dass auf solchen
quantitativ schwereren Veränderungen die dauernden Aus¬
fallserscheinungen, z. B. manche von den residuären Para¬
plegien beruhen. Aber ich hatte, wie gesagt, nie Gelegenheit,
solche Fälle anatomisch zu untersuchen, und kann darüber
also höchstens Vermutungen äussern. Vielleicht spielen da
auch ganz andersartige anatomische Vorgänge mit, möglicher¬
weise Faserdegenerationen wie bei den Affen, oder grobe Zir¬
kulationsstörungen, oder neuritische Veränderungen, von
denen in der Literatur viel die Rede ist.
Ich werde später unter Berücksichtigung der Literatur,
wovon in diesem kleineren Aufsatze Umgang genommen
werden musste, ausführlich auf diese Fragen zurückkommen.
Der Zweck dieser Mitteilung war, wie ich eingangs er¬
wähnte, lediglich meine neurohistologischen Befunde mitzu¬
teilen. Ich habe das im vorausgehenden getan und daran
einige Erklärungen und Besprechungen gefügt, soweit diese
Befunde bei ihrer Unfertigkeit dazu Anlass geben konnten.
Ueber das neuropathologisclie Gebiet hinaus reichen meine
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Kompetenzen nicht und ich betone deshalb noch einmal, dass
ich selber aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen keine
Schlüsse zu ziehen wage über den« Wert der Anästhesie im
Vergleich zu den Narkosen. Es entzieht sich meiner Beur¬
teilung, ob die Nachteile, welche der Rückenmarksanästhesie in
Anbetracht der Gefahr nervöser Nachkrankheiten anhaften,
grösser sind, als die schädlichen Begleit- und Folgeerschei¬
nungen der Narkose. Wie sich die nervösen Störungen bei der
Lumbalanästhesie vermeiden lassen, darüber haben diese
Untersuchungen Sicheres nicht geben. Nur das kann ich auf
Grund meiner letzten Untesuchungen sagen, dass ich in» der
zweiten Gruppe meiner Fälle (6), in welchen
nur 0,05 b i s 0,07 Stovain gegeben worden war,
keine charakteristischein Z e 11 e r k r a n k u n g e n
mehr gefunden habe. Möglich, dass die Herabsetzung
der Dosis die Chancen für das Auftreten ner¬
vöser Veränderungen wesentlich verringert
und dass sich dadurch ernste Gefahren für das zentrale Nerven¬
system vermeiden» lassen. Aber es ist selbstverständlich, dass
zu einem bindenden Schlüsse in diesem Sinne mein ana¬
tomisches Material nicht genügen kann. Wir haben hier mit
zu vielen Zufälligkeiten zu rechnen, zumal wenn wir bedenken,
dass ja von den 7 Fällen der ersten Gruppe auch nur 4 Fälle
zentrale nervöse Veränderungen aufwiesen.
Aus der Kgl. med. Klinik in Rom (Prof. Baccelli).
Künstliche Hyperämie des Gehirns bei initialer Gehirn¬
arteriosklerose.
Von Prof. Giovanni Galli, Assistent.
Seit mehr als Jahresfrist habe ich meine besondere Auf¬
merksamkeit der Behandlung der Gehirnarteriosklerose durch
künstliche Hyperämie zugewandt. Theoretische Betrachtungen
und verschiedene Tierexperimente hatten mich darauf ge¬
bracht, diese Art von Behandlung bei genannter Krankheit in
Anwendung zu bringen. Von allen Theorien über die Patho-
genesis der Arteriosklerose scheint mir die dystrophische
Theorie (Lobstein, Martin, Gull und Sutton, Krey-
sig, Ziegler, Weigert, De man ge, Huchardetc.)
am meisten« den Tatsachen zu entsprechen, laut welcher der
erste Beginn und die innerste Ursache des Krankheitsprozesses
in den Vasa vasorum gesucht werden muss. Diese
können ihre Weite verändern, sei es wegen eines Krampfes
oder wegen wirklicher anatomischer Alteration und in jenen
Sektionen der Arterie, in welchen die Vasa vasorum Verände¬
rungen ihres Kalibers erleiden, müssen nach kürzerer oder
längerer Zeit hystologische Veränderungen erfolgen. Es ist
nun leicht verständlich, dass jene Teile der Arterie, die weniger
von den Vasa vasorum gespeist werden, zuerst darunter zu
leiden haben, und dies ist auch der Grund, weshalb der tiefere
Teil der Intima derjenige ist, der am ersten und stärksten an¬
gegriffen wird.
Mit der künstlichen Gehirnhyperämie ist es möglich, das
Kaliber der Vasa vasorum ziemlich bedeutend zu beeinflussen.
Wenn man einen elastischen Schlauch um den Hals legt und
ihn unter einem gewissen Luftdruck (20—50 mm Hg) aufbläst,
so vergrössern« sich die Venen des Halses und Kopfes und auch
die kleinen Abzweigungen werden sichtbar. Die Kapillaren
und mit diesen die Vasa vasorum vergrössern sich ebenfalls
und das Blut zirkuliert in ihnen mit geringerer Schnelligkeit,
der Blutdruck wird erhöht. Es entwickelt sich'in ihflfen jener
Vorgang, der schematisch in Fig. 1 b dargestellt ist.
Fig. lb.
Fig. 1 a. Verteilung des normalen Blutdruckes, AB im arteriellen
Gebiete, CD im venösen Gebiete. BC Druckabfall im Kapillargebiet.
Fig. 1 b. Verteilung des Blutes während der künstlichen Stauung des
Gehirns. Der Blutdruck in den Arterien ist gesunken (AB), und ver-
grössert im venösen (CD) und Kapillargebiet (BC) des Kopfes.
In dem Abschnitt BC zirkuliert ausserdem das Blut langsamer.
Original from
UNiVERSiTY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1635
In den Arterien und Abzweigungen derselben aber tritt
das entgegengesetzte Phänomen auf; sie vermindern ihre Weite
und auch der Blutdruck in ihnen wird herabgesetzt. Zum Be¬
weis dieser Behauptung genügt es, an das Verhalten der i
Radialis während der Pression mit der Riva-Rocci-Binde zu |
erinnern.
Bei einem Greis mit Gehirnerweichung habe ich den
Augenhintergrund vor, während und nach der künstlichen
Hyperämie des Gehirns beobachtet. Vor der Hyperämie war
eine ausgesprochene Venenpulsation zu bemerken, so dass
ganz genau die Pulsschläge zu zählen waren. Während der
künstlichen Hyperämie, hervorgerufen durch den Druck eines
um den Hals gelegten Schlauches (50 mm Hg), veränderten die
Arterien ihre Farbe und Grösse nicht, aber die Pulsation in den
Venen hörte sofort auf, sie wurden grösser und die Farbe
intensiver. Sobald der Schlauch entfernt war, trat die Pul¬
sation wieder auf und die Venen gingen auf die anfängliche
Weite zurück.
Bei verschiedenen Tierexperimenten konnte ich wieder¬
holt beobachten, dass, nachdem ein Teil der Gehirnmasse brei¬
artig verletzt worden und gleich darauf der elastische Schlauch
um den Hals gelegt worden war, eine leichte Blutung auftrat,
die unverkennbar den Charakter der Kapillarblutung trug.
Wenn man dagegen kurze Zeit mit der Anlegung der Binde
wartete, so trat auch diese Blutung nicht mehr ein, ein deut¬
liches Zeichen, dass die Erhöhung des Blutdruckes in den Venen
nicht übermässig war. Ich habe auch Untersuchungen mit dem
Manometer bei Hunden angestellt, um festzustellen, wie sich
der Blutdruck während der Gehirnstase verhält. Nachdem ich
die Carotis communis aufgeschnitten hatte, band ich den
Zentralstumpf ab und : in den peripherischen Stumpf führte ich
ein Manometer ein. Auf Grund der Kollateralzirkulation konnte
ich dann in dem peripherischen Stumpf der Karotis die Endo-
zerebralpression aufzeichnen. Wie aus der Fig. 2 a zwischen
A und B deutlich hervorgeht, verminderte sich durch die
Pression der Binde am Hals der Blutdruck im Gehirn um
ca. 20 mm und gleichzeitig verminderte sich auch die Aus¬
dehnung der Arterie.
ausgeführte Experimente die Harmlosigkeit des Mittels be¬
wiesen; ich verweise als Beispiel auf die K u h n sehe Methode
in der Behandlung der Tuberkulose, auch bei frischem Blut¬
husten. Auch andere Autoren (Neu, Ke p p 1 e r, Bier,
Schmieden etc.) haben die Gehirnstase bei verschiedenen
Krankheiten angewandt, ohne irgend welche Nachteile zu be¬
merken. Ich selbst habe eine gewisse Erfahrung in diesem
Argument, da ich die Methode systematisch bei etlichen
20 Fällen anwandte, und zwar bei Individuen der verschieden¬
sten Alterstufen, mit deutlichen Zeichen von Arteriosklerose
des Gehirns, ohne je den geringsten schädlichen Einfluss zu
bemerken. In den ausgesprochenen Formen von Arterioskle¬
rose konnte ich keine objektiven Erfolge verzeichnen, etliche
der Patienten behaupteten jedoch Besserung zu verspüren.
Die grösste Schwierigkeit, die sich bei der Behandlung ergibt,
ist die, dass die Kranken ihrer bei längerer Dauer überdrüssig
werden. Als das ergiebigste Feld hat sich mir die initiale
Arteriosklerose erwiesen, jene Form, die häufig unter der
Flagge der Neurasthenie segelt und als solche erfolglos be¬
handelt wird. Bei Anwendung des elastischen Schlauches wird
die Pression in demselben durch den Manometer kontrolliert;
sie bewegt sich, wie gesagt, zwischen 20 und 50 mm. Ich halte
täglich eine Sitzung ab von der Dauer einer halben Stunde
bis zwei Stunden. In den auf die Höchstdauer verlängerten
Sitzungen konnte ich manchmal am nächsten Tage eine leichte
Schwellung der Augenlider beobachten, und zwar, was das
Merkwürdigste ist, entweder nur an einem Auge oder doch viel
bedeutender an einem Auge als am andern. Dem Patienten
bereiten diese leichten Oedeme weiter keine Unannehmlich¬
keiten, aber sie sind ein neuer Beweis dafür, dass sich die
Zirkulation des Blutes in den Gefässen nicht gieichmässig ab¬
spielt, selbst nicht in den gleichnamigen Gefässen. In der
ersten Sitzung ist der Patient infolge des Strangulations¬
gefühles und der Anschwellung der Augen etwas ängstlich,
aber in den folgenden Sitzungen verliert sich diese Angst. Ich
habe nie regelmässige Veränderungen in Blutdruck des Armes
I während und nach der Gehirnstase feststellen können, während
Bier behauptet, eine Erhöhung des Druckes infolge der Hirn-
Fig. 2 a.
a—A Normaler Blutdruck u. Pulsationen.
A Konstriktion der Meatus mit der
Binde.
A—B Blutdruck gesunken. Kleinere Pul¬
sationen.
B Konstriktion aufgehoben.
B—b Normaler Blutdruck u. Pulsationen.
Fig. 2 b.
Sobald die Binde vom Hals gelöst wurde, trat der Puls in
B wieder in normaler Grösse auf und der Druck stieg auf die
frühere Höhe. Dieses Experiment ist auch geeignet, die Furcht
vor etwaiger Gefahr zunichte zu machen. Ein Bruch der
Gehirnarterien während der Stase ist ausgeschlossen. Auf den
ersten Blick scheint ja eine derartige Behandlung ziemlich ge¬
wagt und auch Bier warnt in einer Ausgabe seines Buches
vor der Gehirnstase, soweit alte oder an Arteriosklerose |
leidende Individuen in Betracht kommen. Aber anderseits ,
haben verschiedene in der Medizin mit der Stase nach Bier
Digitized by Google
reizung bemerkt zu haben. Die Veränderungen, die ich wahr¬
nahm, sind sehr gering und verschiedenartig. Die Frequenz
des Pulses während der Gehirnstase erfährt eine leichte Stei¬
gerung (2—8 Schläge). In etlichen Fällen habe ich mit dieser
Behandlung sehr beachtenswerte Resultate erzielt; Schwindel
sowie die Zeichen psychischer Schwächung verschwanden und
die Patienten bestätigten, sich viel besser zu fühlen. Ich bin
der Ansicht, dass der reichlichere Blutstrom in den Kapillaren
bezw. Vasa vasorum die Wucherungen der Intima der Gefässe
verhindert und auflöst und die kleinsten Gefässe auf ihr nor¬
males Kaliber zurückbringt, so dass die Ernährung des Gehirns
in physiologischer Weise vor sich geht. Wenn ich mir ge¬
statten darf, aus den wenigen von mir studierten Fällen eine
Schlussfolgerung zu ziehen, so ist es die, dass die künstliche
Hyperämie des Gehirns bei der Gehirnarteriosklerose ganz
besonders aber in allen initialen Fällen versucht werden sollte.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
16 36
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31 .
Aus der k. psychiatrischen Klinik in München (Professor
Dr. Kräpetin) und dem allgemeinen Krankenhause Ham¬
burg-Eppendorf (Oberarzt Dr. N o n n e).
Ergebnisse der zoologischen Untersuchung der Zere¬
brospinalflüssigkeit und deren Aussichten.*)
Von Dr. O. Re hm.
Als Quincke im Jahre 1891 die Lumbalpunktion in die
Medizin einführte, dachte er zunächst an therapeutische Er¬
folge, wenn er Flüssigkeitsmengen dem Suba rachnoideal raum
entnahm. Dann begann man, die entnommene Zerebrospinal¬
flüssigkeit zu untersuchen; die Untersucher beschäftigten sich
damit, die bakteriologischen Eigenschaften kennen zu lernen,
ferner zu erforschen, ob der Druck, unter dem der Liquor aus-
fliesst, von Bedeutung ist und wie er sich bei verschiedenen
Erkrankungen verhält, und schliesslich bemühte man sich, die
chemischen Verhältnisse, insbesondere den (lehalt an Eiweiss,
kennen zu lernen. Was die zytologischen Eigenschaften der
Zerebrospinalflüssigkeit betrifft, so begnügte man sich, zu
wissen, dass bei Meningitis in den verschiedenen Formen eine
Leukozytose oder Lymphozytose besteht. Französischen
Autoren, von denen besonders R a v a u t, W i d a 1, Dev a u x,
Dupre zu nennen sind, verdanken wir, dass die Unter¬
suchung des Liquors auf die syphilogenen und postsyphi¬
litischen Erkrankungen und weiterhin auf eine grosse Reihe
von Krankheiten ausgedehnt wurde, die mit Affektionen des
Zentralnervensystems verbunden sind. Bei den grundlegenden
und eingehenden Untersuchungen der genannten borscher
handelte es sich im wesentlichen darum, die Zellverhältnisse in
der Zerebrospinalflüssigkeit kennen zu lernen und zu er¬
gründen, bei welchen Erkrankungen eine „Vermehrung der
Lymphozyten“ vorhanden ist. Nissl 1 ) nahm 1904 als Erster
in Deutschland die Untersuchung auf und bestätigte die Resul¬
tate der französischen Untersucher, was das psychiatrische
Material betraf. In den Schlussätzen der Arbeit stellte
Nissl als Forderung auf, es müsste die Zahl der Zell-
elementc bei den verschiedenen Erkrankungen exakt be¬
stimmt werden und es müsste versucht werden, die A r t d c r
Zellelemente zu studieren. Nach beiden Richtungen hin
bot die allgemein übliche sogenannte „f r a n z ö s i s c h e“
Methode ungenügende Resultate. Die Methode bestellt
darin, dass die Zerebrospinalflüssigkeit in stets gleicher Menge
zentrifugiert wird. Das Zentritiigat wird unter gewissen
Vorsichtsmassregeln mit einer Haarpipette ausgehebert, in
gleich grossen Tropfen auf Objektträger gebracht, fixiert und
gefärbt. Jeder, der die genannte Technik benützt hat, wird die
Ansicht gewonnen haben, dass die Menge der Fehlerquellen,
welche die Methode in sich birgt, eine sehr bedeutende ist und
dass nur derjenige einigermassen exakte Resultate erreicht,
welcher durch grosse Uebung die Fehlerquellen möglichst klein
werden lässt. Es ist einzusehen - - und es haben sich auch
verschiedene Autoren dahin geäussert - , dass die Resultate
der verschiedenen Untersucher mit grosser Vorsicht mitein¬
ander zu vergleichen sind; nur die Ergebnisse eines Unter¬
suchers sind im Vergleiche untereinander zu verwerten.
Fuchs und Rosen thal 2 ) gaben im Jahre 1904 eine
Methode an, die in Anlehnung an die Z ä h I k a m m e r -
niethode, mittels welcher die Zahl der Blutkörperchen be¬
stimmt wird, sich einer besonderen Zählkammer bedient,
welche geräumiger wie die sonst gebräuchliche ist. Es wurde
jetzt möglich, zahlenmässig festzustellen, wann wir von einer
krankhaften Vermehrung der Zellelemente in der Zerebrospinal¬
flüssigkeit sprechen können, ferner wie hoch die Zahl der Zellen
sich im einzelnen Falle beläuft. Doch nicht nur über die Zahl
erhalten wir bei der Zählkammeruntersuchung Aufschlüsse,
sondern auch in gewissen (irenzeti, welche durch die Färb¬
barkeit und Vergänglichkeit der Zellen in der Kammer gegeben
sind, über das Aussehen und die Form der Zellelemente. Für
"') Nach einem Vortrag im biologischen Verein Hamburg, ge¬
halten am 7. April 190N.
') Nissl: Die Bedeutung der Lumbalpunktion für die Psych¬
iatrie. Zentralbl. f. Nervenhcilk. u. Psychiatrie 1904. No. 171.
*) F u c h s und Rosenthal: Physikalische, chemische, zyto-
logische und anderweitige Untersuchungen der Zerebrospinalflüssig¬
keit. Wiener med. Presse 19U4, No. 44—47.
eine eingehendere w issenschaftlichc Erforschung der Zellen
genügte die F u c h s - R o s e n t h a I sehe Methode, die gegen¬
über der französischen den \ orteil der Exaktheit und prak¬
tischen Verwendbarkeit am Krankenbette hat. noch nicht. Das
Problem, das zu losen war. bestand darin, eine Färbmethode
auszuarbeiten, mittels welcher die in der Zerebrospinalflüssig¬
keit befindlichen Zellelemente unmittelbar verglichen werden
können mit denen, welche sich in der Pia vorfinden. Alz¬
heimer-) gelang es 19(>7 .eine Methode aiiszuarbeiten. d e
den Ansprüchen gerecht wird. Er fangt den Liquor in 9«» pro/.
Alkohol auf; das Eiweiss gerinnt in Flocken oder in einem
Netzwerk; das koagulum wird zentrifugiert, mit Alkohol und
Aether w eiterbehaiidelt und das Sediment schliesslich m
Zclluloidin eingebettet. Von den Methoden, mittels deren die
Schnitte gefärbt werden können, stellte siJi die Färbung mit
dem U n n a - P a p p e n h e i m schon Karbol - Methylgrun -
pyronin als die praktisch geeignetste heraus. Wie bekannt,
ist bei einer grossen Zahl von Prozessen des Zerebrospmal-
systems die Menge des Eiweisses vermehrt; bei diesen Er¬
krankungen bekommt man ein mehr oder weniger reichliches
Sediment nach Füllung durch Alkohol; bei Prozessen, die eine
solche Vermehrung der Eiweissmenge nicht zeigen, erhalt
man nur ein dünnes Häutchen als Sediment, dessen Weiter¬
behandlung und Schneiden Schwierigkeiten maUit. Diesem
Uebelstande ist abzuhelteii durch Zusatz eines Tropfens
Fiühnereiw eiss. An der Hand eines Materials von ungefähr
(>5u Punktionen, deren Ergebnisse nach verschiedenen
Richtungen hin verarbeitet worden sind, bin uh zu Resultaten
gekommen, von denen ich in grossen Umrissen das, was sich
in bezug auf Zill/ahl und Zellart ergeben hat. hier mitteile;
eine eingehende Bearbeitung wird in kurzer Zeit veroifentheht
werden. Als normaler Befund haben nach meinen
Untersuchungen Zahlen von 1 5 Zellen in Kubikmillimeter
der Zerebrospinalflüssigkeit zu gelten. Zell/ahlen soll <» 9
Elementen sehe ich als li r e n z b e t u n d an. d. h. als einen
Befund, der in der Mitte steht zwischen normalem und patho¬
logisch erhöhtem Zellgehalt. Als dieser (iruppe zugehörig
erw ies sich ein grosser Teil der Falle, die aus der Anamnese
eine luische Infektion erkennen besten, ohne zur Zeit der
Punktion somatische Reste der Infektion zu zeigen. Ferner
fallen in diese (truppe Falle mit Ficberdelmum und schhesshJi
einzelne Fälle von Tabes dorsalis und progressiver Paralyse.
Die p a t h o I o g i s c he Zell v e r m e h r u n g beginnt mit
10 Elementen im Kubikzentimeter; bei Paralyse und huschen
Prozessen des Zentralnervensystems betragt die Zahl meist
zw ischen Jo und N», doch findet man sie aiuh bedeutend hoher,
besonders bei Meningitis und Meim:g< myehtis Imca; bei
diesen Prozessen sind Zeihmengen von ooo ui:d darüber niJit
selten. Auffallend sind grosse Schwankungen in der Zellver¬
mehrung, die ohne obiektiv sonst nachweisbare Veränderungen
des KTankhcitszustandes w ahr/unelmieii sind; jedoJi über¬
schreiten diese Schwankungen me die (ireu/e, die den patho¬
logischen Befund von dem normalen scheiden. Bei Hirnlues
zeigte sich in Fallen, die mit (Quecksilber behandelt wurden,
jedesmal nach einer I n u n k t i o n s k u r ein bedeutendes A h -
sink en der Zahl d er Zell e n; eine mehrvv oJicnlhche
Pause der Kur liess die Zell/ahl wieder empnrsJiriellen. Diese
Erscheinungen beweisen, dass das Quecksilber einen direkten
Einfluss auf die Zellproduktion aiiMibt. Da nun sicher ist. wie
auch Erb an einigen Fallen feststehen konnte, dass die Zell-
vermehrung objektiven Symptomen der 'Labes und Paralyse
lange Zeit vorhergehen kann, so ist die Frage berechtigt, ob
frühzeitige energische (Queckslherbehandhmg mehl dem
späteren Entstellen genannter Erkrankungen Vorbeugen kann.
Bei der Losung dieser Frage ist es notwendig, dass die Der¬
matologen nach exak'er Methode die Einwirkung des
(Quecksilbers bei den Luikern mit Zellvermehrung unter¬
suchen und solche Falle weiter verfolgen.
Was die Art der Zell e n betrifft, so finden sLh in der
Z ä h 1 k a mm e r kleine und grosse Zellformen, die die Formen
der Lymphozyten zeigen. Die grossen Lymphozyt«, n haben
nicht selten eine mehr oder weniger deutliche Einkerbung des
;t ) Alzheimer: Fällige NLt!:<ukri zur Fixierung der /e’hgtn
Elemente der Zerebrosnina.iiussigkeit. ZintruiM. t. Nervuiliti.k. U.
Psychiatrie 19t»7. No. QQ9.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
4 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1637
Kernes. Neben diesen zwei Formen finden sich Zellen, die
einen unregelmässig gestalteten Zelleib haben und einen Kern
von recht verschiedener Grosse zeigen. Der Plasmaleib ist
voluminös im Verhältnis zum Kerne und ist vielfach in einen
schwanzartigen Fortsatz ausgezogen. Diese Formen sind als
Zellen mit grossem Plasmaleib zu bezeichnen. Weiterhin
finden sich Zellen mit gittriger Struktur des Plasmas und Zeit¬
formen, die den polynukleären Leukozyten des Blutes nahe-
stehen. Auf die klinischen Unterschiede kann ich hier nicht
iräher eingehen; ich möchte nur darauf hinweisen, dass bei
chronischen Prozessen die Lymphozyten überwiegen, während
bei Prozessen mit akuten Erscheinungen die vielfach ge¬
schwänzten Zellen mit grossem Plasmaleib vorherrschen.
Gitterzellen finden sich fast nur bei der progressiven Paralyse.
Sehr viel besser zu differenzieren sind die Zellformen in
den Präparaten nach der Alzheimerschen Methode.
Hier sehen wir die verschiedensten Arten von Lymphozyten,
weiterhin grosse und kleine geschwänzte Zellelemente und
Gitterzellen. Von besonderem Interesse sind plasmazellen¬
ähnliche Elemente und Makrophagen. Solchen begegnen wir
bei Meningitis, Apoplexie, Enzephalomalazie und einzelnen
Fällen von Paralyse und Hirnlues . Fibroplasten und solchen
ähnliche Elemente sehen wir bei einer Reihe von Fällen mit
organischen Veränderungen des Zentralnervensystems. Von
besonderer Wichtigkeit erscheinen mir Zellen mit Einlage¬
rungen meist amorpher Art. Solche finden wir bei verschie¬
denen Prozessen, besonders häufig und deutlich aber bei der
Arteriosklerose und deren Folgeerscheinungen. Diese Ein¬
lagerungen stellen mit Wahrscheinlichkeit Zerfallsprodukte dar,
die durch dazu geformte Zellen in die Zerebrospinalflüssigkeit
abgeführt werden.
Es ist zu ersehen, dass künftigen Untersuchungen' Probleme
in Menge Vorbehalten sind. So ist noch nicht entschieden,
ob wir es bei den einzelnen Erkrankungen mit einer menin.-
gitischen Reizung oder einer direkten Toxineinwirkung
zu tun haben; erstere scheint mir die grössere Wahrscheinlich¬
keit zu haben. Es ist zu untersuchen, ob der Ursprung
der Zellelemente ein histiogener (Pappenheim und
Unna) oder ein hämatogener (M a r s c h a 1 k 6) ist. Ferner¬
hin. ist es notwendig, und das scheint mir von besonderer
Wichtigkeit, der Art der Zelleinischlüsse auf mikro¬
chemischem Wege auf die Spur zu kommen.
Mit der weiteren Ausarbeitung dieser Fragen
und der genaueren Kenntnis der Zellelemente, wozu die Alz¬
heimer sehe Methode die beste Handhabe bietet, wird es
möglich sein, in der Zählkammer eine eingehendere Differen¬
zierung der Zellen vorzunehmen und so die gewonnenen Re¬
sultate durch diese exakte Methode direkt am Krankenbette
zu verwerten. Es wird sich dann die Ueberzeugung mehr und
mehr Bahn brechen, dass die zytologische Untersuchung der
Zerebrospinalflüssigkeit nicht nur der Psychiatrie und Neuro¬
logie, sondern auch der gesamten klinischen Medizin ebenso
wertvolle Resultate verschafft, wie sie die zyto¬
logische Untersuchung des Blutes seit langer Zeit bietet.
Aus der Kgl. Universitäts-Kinderklinik in München (Vorstand:
Prof. M. P f a u n d 1 e r).
Karottensuppe bei Ernährungsstörungen der Säuglinge. 41 )
Von Privatdozent Dr. Ernst M o r o, Oberarzt der Klinik.
Versuche, neugeborene Meerschweinchen mit Kuhmilch
aufzuziehen, schlagen bei Tieren von mittlerem Geburtsgewicht
fast regelmässig fehl. Zumeist stellt sich schon am 3. oder
4. Fütterungstage eine akute Ernährungsstörung ein, der die
jungen Tiere in wenigen Stunden erliegen. Das schwere
Krankheitsbild erinnert in seinen groben Umrissen an eine Ver¬
giftung; ich habe diesen Zustand mit der alimentären Intoxi¬
kation der Säuglinge verglichen. Bei einsetzender Kuhmilch¬
krankheit gelingt es aber oft, die bedrohlichen Symptome in
kurzer Zeit zum Schwinden zu bringen, wenn man die Jungen
an die Mutterbrust anlegt oder wenn man ihnen aus¬
schliesslich Vegetabilien (dünn geschnittene Ka¬
rottenscheiben) als Nahrung verabreicht. Diese Be-
*) Vortrag, gehalten in der Sitzung vom 19. Juni 1908 der
Münchener Gesellschaft für Kinderheilkunde.
obachtung führte mich dazu, auch bei einigen, an akuten Er¬
nährungsstörungen erkrankten Säuglingen als passagere Diät
die ausschliessliche Verabfolgung von Vegetabilien zu ver¬
suchen, und zwar verwendete ich in Fleischbrühe eingekochte
Karotten . Ueber den günstigen Erfolg meiner ersten Versuche
mit dieser Karottensuppe habe ich bereits im September vorigen
Jahres kurz berichtet. 1 )
Zubereitung und Zusammensetzung der Karottensuppe.
500 g Karotten werden abgeschält (abgeschabt); der Rückstand
(375 g) wird zerkleinert und mit Wasser so lange eingekocht, bis die
Gesamtmasse etwa 200 ccm beträgt (Dauer ca. V» —% Stunde). Die
eingekochte Masse wird nun durch ein feinstes Drahtsieb, aui dem
fast kein Rückstand bleibt, in 1 Liter Fleischbrühe gedrückt und
6 g Kochsalz zugefügt.
Die Brühe wird aus 50 g Rindfleisch (und Knochen) hergestellt.
(Kalt ansetzen!)
Die Karottensuppe soll täglich frisch bereitet und an einem
kühlen Orte aufbewahrt werden. Ihr Preis ist relativ hoch; seine
Höhe wechselt je nach der Jahreszeit.
Die Zusammensetzung der Karottensuppe ergibt, berechnet nach
Analysen in Königs Chemie der menschlichen Nahrungs- und Ge¬
nussmittel, 1903, die in der folgenden Tabelle eingezeichneten Werte.
A entspricht den Analysen nach W. Dahlen in Bd. II, S. 917;
B entspricht der Analyse von J. B. Bousingault in Bd. I, S. 762;
C entspricht den Analysen in Bd. I, S. 765. Die punktierten Linien in
den ersten 4 Kolumnen markieren die Werte für die Fleischbrühe;
ihrer Berechnung wurde die Analyse in Bd. II, S. 1445 zugrunde
gelegt.
Berechnet man in üblicher Weise den Bruttokaloriengehalt der
Karottensuppe, so erhält man Werte von 235 bis 260 Kalorien pro
Liter Suppe.
Nach einer Bemerkung in K ö n i g s Nahrungsmittelchemie, Bd. II,
S.913, enthalten die Karotten Saccharose und Glukose, und zwar etwa
in dem Verhältnis 1 :2.
Der Zuckergehalt sowie auch die übrige Zusammensetzung der
gelben Mohrrüben scheint nach Reifezustand (Jahreszeit) nicht un¬
erheblich zu schwanken; vermutlich sind für die Zusammensetzung
auch andere Einflüsse massgebend.
Klinische Beobachtungen.
Die Karottensuppe wurde an der Säuglingsstation der
K. Kinderklinik bisher an 37 und an der Poliklinik an 11 Säug¬
linge verabreicht. Das Alter der meisten Säuglinge betrug
weniger als 6 Monate; der jüngste mit Karottensuppe be¬
handelte Säugling war 2 Wochen alt. Von den klinisch genau
beobachteten Fällen betrifft ein grosser Teil unkomplizierte
Ernährungsstörungen, teils akuter, teils chronischer und ex-
azerbierender Art. Insbesondere wurde die Wirkung dieser
Diätform studiert bezüglich der akuten Nährstoffver¬
giftung (im Sinne von Finkeisteins „Intoxikation“)
einerseits und der Atrophie der Flaschenkinder
andererseits.
In der überwiegenden Mehrzahl der Beobachtungen* trat
auf Verabreichung der Karottensuppe ein günstiger Effekt zu¬
tage, der von uns auf diese Diät bezogen werden konnte, da
wir uns dabei grundsätzlich jeder medikamentösen Behandlung
und mit wenigen Ausnahmen auch anderer therapeutischer Ein¬
griffe enthielten.
a) Beobachtungen an akuF ernährungsge¬
störten Säuglingen. Hier verabreichten wir die
Karottensuppe ursprünglich nur jenseits einer 1—3 tägigen
Wasserdiätperiode, somit jenseits einer bereits eingeleiteten
oder komplett erscheinenden Entgiftung, in solchen Fällen, in
denen wir Ursache hatten zu befürchten, dass auch die in dieser
Periode sonst übliche Kuhmilchverdünnung oder eine andere
Schonungskost vom Kinde noch nicht schadlos toleriert würde.
Auf Verabreichung der Karottensuppe, einer in grösseren
Mengen von fast allen Kindern gern genommenen ") und sic an¬
scheinend befriedigenden Nahrung, traten jedenfalls neuerliche
toxische Zeichen unter keinen Umständen auf, vielmehr bildeten
sich die bedrohlichen, für die Vergiftung charakteristischen
Symptome mindestens in gleichem Masse zurück wie während
der Wasserdiät.
Auf diese Beobachtung hin glaubten wir in neuerer Zeit
auf die Wasserdiät zu Entgiftungszwecken überhaupt ver-
*) Moro: Experimentelle Beiträge zur Frage der künstlichen
Säuglingsernährung. Münch, med. Wochenschr. 1907, No. 45.
3 ) Eventuell mit Saccharin versiisst.
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1638
MUENCHENER MEDIZINISCH!: WOCHENSCHRIFT.
Nn. 31.
zichten zu können und verabreichten den Säuglingen auf dem t
Höhepunkte der Nährstoffvergiftung ausschliesslich Karotten¬
suppe, und zwar „a discrction 4 '. Das Ergebnis dieser allerdings
noch spärlichen Versuche rechtfertigte das Vorgehen: Wir
sahen in 1—3 Tagen die schweren Kollapserscheinungcn, Un¬
ruhe, Bewusstseinstörungen, abnorme Atmungstypen (nach
F i n k e 1 s t e i n), Turgor- und Tonusverluste, Blässe, insbe¬
sondere auch Erbrechen und Abführen verschwinden. Von
den registrierbaren Symptomen konnte uns in erster Linie das
Verhalten von Körpergewicht und Temperatur nach Massgabe
der bezüglichen Beobachtungen F i n k e I s t c i n s als Richt¬
schnur dienen; die Entfieberung erfolgte sehr prompt (nur aus¬
nahmsweise nach mehr als 24 Stunden) und die Temperatur¬
kurve wurde geschnitten von der steil anstrebenden (jcw iclits-
kurve.
Als Beispiele dafür mögen einige Tabellen folgen. Sie beziehen
sich auf 4 Lalle von alimentärer Intoxikation, die mit Karottensuppe
behandelt wurden. Die aus- j
gezogene Linie entspricht I
der Temperatiirkurve. die ]
punktierte Linie entspricht J
der Oewichtskurve. Am i
Lasse der Tabellen ist die
Kostform verzeichnet. Die i
schwarz gehaltenen Ru¬
briken kennzeichnen die dar- !
gereichten Mengen von Ka- I
rottensuppc. |
Angesichts des tvpisclu n ,
Verlaufes der einzelnen
Kurven kann ich es mir er- \
sparen, auf ihre Besprechung
näher einzugehen. i
In einzelnen b'ällen war
die Veränderung des Bildes
bei der Entgiftung durch
Karottensuppe eine überaus
sinnfällige: Säuglinge, die
äusserst schlaff, blass, mit
verzerrten Zügen, geöff¬
neten Mund eingebracht wurden, trafen wir am nächsten oder zweiten
Tag voller, mit frischem Blick, mit recht gutem Taint. mit geschlos¬
senem Mund und der für gesunde Kinder charakteristischen Haltung,
den grössten Teil des Tages in ruhigem Schlafe liegen.
t tW JMon Hr 07.506.
ne 7 0 9 10 11 !.’ JJ 1* O ff t: 18 19 ,'C Jt ~
Nach verschieden langer Verabreichung dieser Kostform 1
gingen wir zumeist ohne Schwierigkeiten zur Kuhmilchdiät |
über und es konnten die Kinder mit Anweisungen zu einer ratio¬
nellen künstlichen Ernährung entlassen werden. !
b) Beobachtung e n an ehr o n i s c h er n ä h -
r u n g s g c s t ö r t e n Säuglingen. Bei Atrophikern mit I
und ohne dyspeptisclie Erscheinungen wurde last ausnahms- |
los ein steiler (lewichtsanstieg auf Verabreichung der auch
von solchen Kindern gern und in grosser Menge konsumierten 1
Karottensuppe festgestellt . Diese (iew iclitszunahme w ar häu¬
fig gleichfalls mit Besserung des Allgemeinzustandes und mit '
Rückgang sog. Magendarmsymptome verbunden. Besonders ;
hervorheben möchte ich das prompte Sistiercn des]
r b r e c h en s und die rasche Spontanheilung der Soor-Sto-
stomatitis. Die einzigen zwei Atrophikcr’TSTt auf Karottensuppe
nicht mit (iew iclitszunahme reagierten, starben m wenigen
'lagen.
Die chronisch crnähruugsgeMorten Kinder wurden von
uns lange Zeit, mitunter bis zu 3 \\ < eben, auss Jiliesslidi oder
e : r *m • :y
vorwiegend mit Karottensuppe gefuttert. Mcbei konnten wir
ausserdem folgende bemerkenswerte Bu'Lavhtm.gcii m.i Jien;
Einmal zeigte sich, dass mitunter in wenigen Tagen tiedunseit-
heit bis deutliche Oedeme im (iesichie und an den Beinen auf-
traten, die übrigens dnrJi Ausselzen oder Reduktion der
Karottensuppe leicht wieder zum \ ersjiw u.de n gebracht
werden konnten. Ferner Zeigte siJi, dass wahrend der \ ege-
r ■ .
labilen Diätperiode die Toleranz der Säuglinge ge ge n artfremde
Milch deutlich anstieg. KubmiLlirata>r.e n. d.e \or der Ka¬
rottenperiode ,,paradoxe R eakljoneii" l.m Linkei¬
st e* i u s), ja richtige Nahrsp» tT\ ergiftung erzeugt hatten,
wurden hinterher meist physiologisch erledigt, d. h. sie be¬
wirkten günstiges (iedeihen.
Wirkung der Karottensuppe.
Leber den Effekt lind die Wirkungsweise der Kamttui-
suppc hisst sich auf (irund rem kitnischvr Beobachtungen mir
ganz weniges mit Sicherheit erschlossen. Die Fragestellungen,
die sich ergeben, wurden siv.li iiaturgemäss auf Digestion, Re-
Sorption und Retention aller einzelnen iLstaivIte !e beziehen.
Darüber konnten nur eingehende St« ü- und K rafrw echse \ er¬
suche das letzte Wort sprechen. SolJte an/ustOT n. war aus
äusseren (irimdeti bisher nicht moghji.
Die klinische Heobuvhtung erg.lv h.: siJit'iJi der St« ff-
w echselv'erhältnisse lediglich, d a s > die g e s a m t e Km-
m a s s e der K a r o 11 e n k i t: d e r t i n e sehr er h e b -
liebe ist und dass während d l r K a r o t t e n d i a t
eine vor w i e g c n d d u r c h W a s s e r r e t e n t i o n v e r -
u r $ a c h t e Ci e w i c h t s z u n a h m e s t a t t h a t.
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4 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1639
Die in grösserer Zahl abgesetzen Stühle waren breiig, kopiös,
meist geruchlos und von gelber oder rötlichgelber Farbe.
Bakterioskopisch betrachtet zeigte das Stuhlbild ein eigenartiges
Verhalten: Auffallend wenig Bakterien, gramnegative Arten entschie¬
den dominierend, grampositive Formen zumeist nur in recht ge¬
ringer Zahl.
Das Aussehen des Stuhles würde — wenn solche Schlüsse grund¬
sätzlich zulässig wären — vermuten lassen, dass die Resorptions¬
verhältnisse bei dieser Nahrung sehr ungünstige sind.
Angesichts des Verhaltens der Stühle scheint es gerechtfertigt
die Frage aufzuwerfen, ob die Karottensuppe überhaupt als Nähr¬
stoffträger wirksam ist, ob sie, abgesehen von der Wasserzufuhr,
eine erhebliche Vermehrung der Körpermasse zur Folge hat. Einen
Anhaltspunkt dafür, dass dies zutrifft, ergaben unsere Beobachtungen
nicht. Die Ausnützung der Rohfaser durch den Säugling ist gewiss
eine sehr geringe; jedoch enthält die Karottensuppe neben der Roh¬
faser Nährstoffe, die denselben Gruppen angehören wie jene der
Milch, und zwar sogar in Proportionen ähnlich jenen gewisser Säuger¬
milcharten, z. B. der Eselinnenmilch. Es überrascht zu erfahren, dass
eine Schädigung der milchintoleranten Säuglinge durch diese Nähr¬
stoffe nicht statthat. Namentlich muss es auffallen, dass
mehr als2proz. Zuckerlösungen als Karottensuppe
anstandslos in oder unmittelbar nach der schwe¬
ren Intoxikation nicht nur keine ungünstige, son¬
dern eine offenbar sehr günstige Wirkung haben.
Wenn auch der Fettgehalt unserer Kost ein niedriger ist, so war
doch a priori zu gewärtigen, dass auch von diesem Fett bei manchen
Kranken Schaden verursacht werde, was ebensowenig zutraf.
Die Urinmenge bei den mit Karotten gefütterten Kindern war
eine grosse. Abnorme Bestandteile, insbesondere Eiweiss oder
Zucker, wurden niemals angetroffen.
Ueber die Ursache der Wasserretention kann wohl kaum
ein Zweifel sein; offenbar handelt es sich hier hauptsächlich
um die Folgen einer salzreichen Nahrung als solcher. Wir
konnten uns nämlich davon überzeugen, dass nach obigem Re¬
zepte zubereitete, aber durch einige Stunden gegen destilliertes
Wasser dialysierte Karottensuppe eine derartige Körper¬
gewichtszunahme zumindestens nicht bewirkt.
Die Wässerung des Körpers durch Karottensuppenkost ist
eine ausserordentlich prompte und eine ausserordentlich be¬
trächtliche. Wir erzielten z. B. bei einem 2500 g schweren,
2Y monatigen Kind in 5 Tagen 6ine Zunahme von 1400 g; in
einem anderen Falle bei einem *2000 g schweren, 2 Wochen
alten Kind in 8 Tagen eine Zunahme von 1000 g. In den Aus¬
nahmsfällen, in denen diese Wasserretention nicht stattfand,
erfolgte, wie erwähnt, binnen kürzester Zeit der letale Ausgang.
Darnach möchte diese Retention als eine der primitivsten Lei¬
stungen des Organismus zu betrachten sein.
Geht man plötzlich oder allmählich von der vegetabilen
zur Milchdiät über, so sieht man in den ersten Tagen manchmal
nicht unerhebliche Gewichtsverminderungen eintreten, die
aber, von keinerlei toxischen Erscheinungen begleitet, sich als
blosse Wassergehaltsschwankungen zu erkennen geben; sehr
vorsichtiges Vorgehen lässt übrigens diese Gewichtsver¬
minderungen manchmal auch ganz vermeiden. Setzt man die
Karottenfütterung durch längere Zeit fort, so wird eine gewisse
Körpergewichtsakme erreicht und mit mehr weniger erheb¬
lichen Schwankungen innegefialten.
Dass uns die Karottensuppe ermöglicht,
den. imStadium akuten Wasserverlustesoder
habitueller E-xsikkation befindlichen Säug¬
ling grosse Mengen von Wasser rasch, und
zwar in schonender und an sich jedenfalls un-
gefährlicherWeisezuzuführen.erscheintuns
das wertvollste an dem Verfahren.
Wasseranreicherung des Körpers lässt sich durch beliebige salz¬
haltige Flüssigkeit herbeiführen. Erst jüngst berichteten Heim und
John 3 ) über die guten Erfolge, die sie durch die interne Verab¬
reichung von Salzlösungen bei den akuten Ernährungsstörungen der
Säuglinge erzielten. Diese beiden Aerzte bedienten sich einer 1 proz.
Salzlösung (5 g Kochsalz und 5 g doppeltkohlensaures Natron auf
1 Liter destilliertes Wasser) und sahen bei passagerer Verfiitterung
dieser von ihnen als „physiologisch^ Lösurig“ bezeichneten Flüssigkeit
die gefährlichen Erscheinungen der Exsikkation rasch schwinden.
Die Karottensuppe scheint uns aber doch noch gewisse
besondere Vorzüge zu besitzen.
3 ) Heim und John: Ueber die interne Anwendung von Salz¬
lösungen bei Behandlung der akuten Ernährungsstörungen im Säug¬
lingsalter. Monatsschr. f. Kinderheilk., Februarheft 1908.
Erstens ist die Karottensuppe eine Nahrung,
welche das kranke Kind in hohem Masse be¬
friedigt. Sie wird nicht allein gern und in grösseren
Mengen genommen, sondern der Säugling hat nach
der Mahlzeit das Gefühl der Sättigung und ver¬
hält sich meist so wie ein gesundes Kind nach Aufnahme seiner
Milchmahlzeit. Dieser Umstand ermöglicht es, den Säugling
durch 1 ä n g e re Z e i t auf ausschliessliche Karottensuppen¬
diät zu setzen. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass
gerade eine solche längere Karottensuppenperiode den sog.
„Zustand“ des Kranken in günstigem Sinne beeinflusst. E s
steigt die Nährstofftoleran-z während dieser
Karenzperiode nachweislich an. Man kann sich
davon leicht überzeugen, wenn man ein bestimmtes Nähr¬
experiment mit Milchverdünnungen vor und nach der Karotten¬
diät unter gleichen äusseren Umständen anstellt. Darin sehen
wir vorläufig den zweiten, durch das Verfahren vermittelten
Nutzen.
Es ist ferner zu erwägen, ob es zweckmässig ist, als
Zwischendiät bei ernährungskranken Säuglingen durch längere
Zeit eine Kost zu verabreichen, die — ausser Salz — über¬
haupt keine Nährstoffe enthält und die Magen und Darm nicht
zu füllen imstande ist. Vielleicht nützen Nährstoffe der
Zwischendiät gerade dann, wenn sie nicht oder nur zum ge¬
ringen Teil resorptionsfähig sind, weil sie den Darm nicht
leerlaufen lassen und weil sie einen gewissen förder¬
lichen funktionellen Reiz setzen, jedenfalls den Organismus der
Verdaungsfunktionen nicht entwöhnen.
Endlich möchte ich an dieser Stelle an die rasche und *
durchgreifende Veränderung des bakterioskopischen Stuhl¬
bildes erinnern, die in den ersten Tagen der Karottendiät ein-
tritt. In der Mehrzahl der Fälle ist die Flora der flüssigen
Stühle intoxizierter Kinder durch das Dominieren gram¬
positiver, schlanker Stäbchen ausgezeichnet. [Blaue Bazillose
(E s c h e r i c h), azidophile Flora beim akuten Enterokatarrh
(Saig e)] 4 ). Dieses eigenartige und vielfach beschriebene
Bild verschwindet sehr prompt, die Stühle werden bakterien¬
arm, gramnegative Arten treten in den Vordergrund. Die
Karottendiät führt demnach zu einer radi¬
kalen Umstimmung der Darmflora und ar¬
beitet so zweifellos auch den Gefahren der
endogenen Infektion wirksam entgegen.
Indikationen und Kontraindikationen.
Die vorläijfigen Indikationen der Karottensuppendiät
scheinen uns namentlich gegeben durch den toxischen, von
Exsikkation begleiteten Symptomenkomplex bei akuten Er¬
nährungsstörungen und durch die auf Nährstoffintoleranz be¬
ruhende Flaschenkinderdyspepsie. Ernährungsstörungen, die
erfolgreich durch zweckmässige Milchverdünnungen behandelt
werden können, erübrigen selbstverständlich das Vorgehen mit
•Karottensuppe.
Unzulässig erscheint uns, die ausschliessliche Karotten¬
suppendiät fortzusetzen, wenn die Wässerung des Körpers zu
beträchtlichen Oedemen geführt hat. Auch die durch aus¬
schliessliche oder vorwiegende Kohlehydraternährung be¬
dingten Schädigungen (Mehlnährschaden nach Czerny und
Keller) möchte ich, trotzdem mir darüber spezielle Beob¬
achtungen fehlen, in den Bereich der Kontraindikationen ein¬
beziehen.
Die sog. Gemüsesuppen der Franzosen.
Die Einführung von Gemüsesuppen- in die diätetische
Therapie der Ernährungsstörungen im Säuglingsalter ist nicht
neu. Im Laufe meiner Untersuchungen habe ich in Erfahrung
gebracht, dass zuerst M e r y in Paris im Jahre 1903 auf den
günstigen Effekt von Gemüsesuppen bei der „akuten Gastro¬
enteritis der Säuglinge“ aufmerksam machte. Seither werden
in Frankreich Gemüsesuppen bei schweren Ernährungs-
4 ) Nebenbei sei erwähnt, dass die Gram-positive Flora, der wir
in den Stühlen bei alimentärer Intoxikation begegnen, nach Unter¬
suchungen zu schliessen, die ich gemeinsam mit Herrn Dr. H.
Schmidt ausführe,■ entgegen allen bisherigen Annahmen, h;iü f '-
identisch ist mit dem B. bifidus communis.
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164U
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Störungen der Säuglinge mit Vorliebe und gutem Erfolg ange¬
wendet 5 ).
Wie ich einer jüngst erschienenen Broschüre von Pehu:
L’Alimentation des Enfants Malades, Paris 19U8, entnehme,
existieren in Frankreich bereits verschiedene bormein tur die
Zusammensetzung der Gemüsesuppe (v. Mery, Comb y,
V a r i o t u. a.). Die sog. Gemüsesuppen der Franzosen unter¬
scheiden sich aber meines Erachtens nicht unwesentlich von
der oben beschriebenen Karottensuppe. Sie steilen nur ein
mit Kochsalz versetztes wässeriges Dekokt verschiedener
Arten von Gemüsen dar. Bestimmte Mengen von Kartoffeln,
Karotten, Kohlrüben, trockenen Erbsen und Bohnen werden
stundenlang in Wasser gekocht und das mit Kochsalz ver¬
setzte Filtrat wird mit oder ohne Beigabe von Mehl bezw.
Schleim den Säuglingen verabreicht 0 ). Die Wirkung dieser
Leerkost deckt sich im wesentlichen mit jener reiner Salz¬
lösungen, entbehrt aber, gleich diesen, aller jener Vorteile, die
ich als besondere Vorzüge der Karottensuppe angeführt habe.
Aus der k. k. Universitäts-Kinderklinik in Wien (Vorstand:
Hofrat E s c h e r i c h).
Ueber Antitoxinresorption vom Rektum aus.
Von Dr. Franz Hamburger und Dr. Romeo M o n t i.
Gelegentlich einer hier an mehreren Kindern dnrehge-
fiihrten Tuberkulosebehandlung mit Serum von Marmor e k,
das sowohl subkutan als auch rektal einverleibt wurde, legten
wir uns die Frage vor, ob denn überhaupt Anhaltspunkte dafür
vorhanden seien, dass bei rektaler Serumapplikation die wirk¬
samen Bestandteile als solche ins Blut gelangen oder nicht.
Wäre letzteres der Fall, so wäre selbstverständlich die rektale
Einverleibung der subkutanen bei weitem vorzuziehen. Weiss
man doch besonders seit den Untersuchungen v. Pirquets
und Schicks 1 ), welch unangenehme Nebenwirkungen
wiederholte Seruminjektionen haben.
Die rektale Serumeinverleibung bei der Marmorekbehand-
lung hat zuerst Frey vorgeschlagen 3 ) und über gute Resultate
berichtet, die seither von einigen Autoren bestätigt, von einigen
sucht bestätigt werden konnten.
Wie Hesse sich denn nun die Frage, ob die Schutzstoffe
des Marmorekserums nach rektaler Applikation resorbiert
werden, direkt experimentell beantworten? Wenn wir irgend
eine Methode hätten, diese Schutzstoffe so nachztiweisen, wie
wir Diphtherie- oder Tetanusantitoxin experimentell nach-
weisen können, so wäre diese Frage sehr leicht zu beant¬
worten. Wir bestimmten einfach die Schutzkraft im Blut der
Patienten vor und nach dem Serumklysma und könnten dann
diese Frage bejahen oder verneinen, je nach dem ob w ir eine
Zunahme der Schutzstoffe gefunden hätten oder nicht. Vorder¬
hand sind wir jedoch leider noch nicht in der Lage, mit dem
M a r m o r e k sehen Tuberkuloseserum so exakt zu arbeiten
wie mit Diphtherie- oder Tetanusserum.
Es kann daher vorderhand die hier zu behandelnde Frage
nicht direkt experimentell angegangen werden. Wir können
nur indirekt an sic herantreten und dann aus den gewonnenen
Befunden Analogieschlüsse ziehen, die dann freilich nur den
Wert von Wahrscheinlichkeitsschlüssen beanspruchen können.
Schon E s c h e r i c h a ) hat seinerzeit an einem Falle nach¬
gewiesen, dass Diphtherieantitoxin nach rektaler Applikation
nicht ins Blut übergeht. Aus der letzten Zeit liegen sehr ge¬
naue Untersuchungen von H. Pfeiffer 4 ) vor, der nachwies,
dass die präzipitable Substanz von Hühnereiklar sowie von
Pferde- und Rinderserum vom Rektum aus nie oder fast nie
resorbiert wird. Da nun w eiterhin, wie Dehne und F. H a m -
bürg er 5 ) zeigen konnten, Diphtherie und Tetanusantitoxin
Ä ) Vergl. L. Rivct: Recherches cliniqucs, hactcriulngiuues et
urnlogiques sur l’evolution des Gastro-entcrites infantiles (inflnence
de divers regime). These de Paris 1907.
“) Genaue Angaben darüber finden sich in Pehus zitierter Bro¬
schüre S. 65 und 66.
*) Die Serumkrankheit. Monographie. 1905. Verlag Deuticke.
5 ) Berl. klin.-therap. Wochenschr. 1905, No. 42.
3 ) Wiener klin. Wochenschr. 1897, No. 36.
') Zeitschr. f. experim. Pathologie, 3. Bd, S. 89 ff.
') Wiener klin. Wochenschr. 1904, No. 29.
innig mit der präzipitablen Substanz verbunden sind, so war
von vornherein anzunehmen, dass diese Antitoxine (und wahr¬
scheinlich auch andere Antitoxine) vom Rektum aus nicht ins
Blut übergehen. Immerhin aber erschien es uns der Muhe
wert, entsprechende Versuche an einer grosseren Anzahl von
Kindern anzustellen.
Wir arbeiteten mit Tetanusantitoxin vom Pferd. Tetanus¬
antitoxin ist bei dem von uns verwendeten Serum noch in einer
Verdünnung von I: 1 Million nachweislich, erlaubte also noch
ganz geringe Spuren eventuell resorbierten Serums nach¬
zuweisen. Die mit diesem Serum gewonnenen Resultate
zeigen uns direkt das Verhalten des Tetanusantitoxms. Sie
gelten auch nach den von Dehne und F. Hamburger’)
sowie von Sacharoft ) gemachten Experimenten iur Di¬
phtherieantitoxin. Ob sie auch aut die Schut/stofie des Auto
tuherkuloseserums von Marmorek an/uw enden sind, ist
noch fraglich. Wahrscheinlich ist es wohl. Es folgen die Ver¬
suche :
Am 2. VIII. 07 erhaben 5 Kinder (Prot.-No. 1 143, 1949, Joos, 1211.
105s) 5 ccm Tetanusserum per Kl\sma.
Am 4. VIII. Blutentnahme aus Jen Ohrläppchen der hetri ’Vriden
Kinder. Das abgeschiedene Serum wird auf seinen TetamisautiP >xin-
gelialt in folgender Weise geprüft.
Mause erhalten 0 . 0000.43 Tetanustoxm gemischt mit 0.5 ^m
Serum der betreffenden Kinder subkutan iim/urt.
1. Kontrolletier .... protrahierter Tetanus
2. Serum Pat. 1143 . . . ,
3. w . 1049 . .
*• . „ 1«^8 . .
5. . . 1211 . . bleibt gesund
0. , . 1 *>55 . . protrahierter letanus.
Von 5 Kindern waren also nur bei einem n.uhw eisbare Mengen
Von Antitoxin vom Rektum aus resorbiert worden.
Denselben Kindern wurde mm am 5. \ III. 07 I etamisantit-'Xiii sub¬
kutan imi/iert. und zwar 0.5 ccm auf 1 kg Körpergewicht berechnet.
Am 7. VIII. wurde den Kindern Blut entnommen und dieses auf seinen
Gehalt an Tetanusantitoxin untersucht.
Die Mause erhalten je O.oooo.u Tetanuvtoxin gcmisjit mit
0.25 ccm Serum der Kinder subkutan inuziert.
1. Serum v. Pat. 1143%
2. . . . lloo
3 . . „ . 1059
4. . • « l«»9s bleiben alle gesund*)
5. ... l"-^
6 . ... 1211
7. ... 1949
Es schützten also von dem Serum der subkutan in¬
jizierten Kinder 0,25 ccm, während von den rektal be¬
handelten Kindern nicht einmal 1 ? ccm einen nachw eislicben
Schutz entfalten konnte. Wie ein weiterer Versuch Zeigte, war
die Antitoxinmenge in dem Blut der subkutan behandelten
Kinder eine sehr beträchtliche: denn ihr Serum schützte selbst
noch in der Menge von 0.n25 ccm. und zwar gegen ein Toxiu-
menge, die das 3 fache der in den ersten beiden Versuchsreihen
verwendeten betrug.
Die Mäuse erhalten ie O.oooi Tct.mustoxm gemivht mit
0.025 ccm Serum der am 7. VIII. 07 subkutan nm/urten Kinder.
Alle Tiere bleiben gesund, wahrend das Kontf'ietier schweren
Tetanus zeigt.
W ir baiien dann an einer grösseren Anzahl von Kindern
noch öfters ähnliche Versuche gemacht, um zu sehen, ob <J»Ii
vielleicht bei einem gewissen Prozentsatz von Kindern eine
Resorption rektal einverleibten Antitoxins nachweisbar sei.
Wir konnten aber in keinem einzigen Fall mehr einen Anti¬
toxinübergang nachw eisen, wie aus folgenden Versuchen her-
vorgeht:
3 Kinder (Prot.-No. 11. 2«‘ 11. 1939) erhalten am 14. I. ie 5 ccm
Tetanussei um per Kl\sma. 2 l äge nachher Blutentnahme und 1 ntcr-
suchuiig iles abgeschiedenen Serums auf I etanusantitoxm.
Die Mause erhalten je iU'inmi* Ti t.oiust.»xm gemisjit mit
0.125 ccm Serum der injizierten Kinder.
1. Kontrolletier ) c = f schwerer Tetanus
2. Serum Pat. 11 | tz I | . „
3. . . 2011 Uri |
. . 1939| S5i|
G I. c.
T ) Zeiitralbl. f. B «k’eriol.. B.|. 39 .
Das Kontiolletier ist sGion in o. r eau! /■isarii" 1 nsK W’c
P rotokolliert. Beide \ ersuche wurden , : m s t .J ui lag ge:t ,iwht.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1641
Am II. 08 erhalten 5 Kinder (No. 1894, 104, 2003, 162, 167) je
5 ccm Tetanusserum per Klysma. Nach 2 Tagen Blutentnahme und
Antitoxinbestimmung im abgeschiedehen Serum.
Die Mäuse erhalten 0,00005 Tetanustoxin gemischt mit 0,25 ccm
Serum der injizierten Kinder.
1. Kontrolletier
2. Serum 1894
3. „ 104
4. „ 2003
5. , 162
6. , 167
bei allen Tieren gleich
intensiver Tetanus.
Am 23. II. 08 Rektalinjektion von 5 ccm Tetanusserum an
9 Kindern (No. 290, 236, 190, 298, 265, 224, 244, 201, 199). 2 Tage
später Blutentnahme. Die Antitoxinbestimmung ergibt folgende Re¬
sultate.
Die Mäuse erhalten 0,00005 Tetanustoxin gemischt mit 0,25 ccm
Serum der injizierten Kinder.
Serum 290
. 236
* 190
. 298
„ 265
• 224
, 244
. 201
199
Alle Tiere zeigen gleich
intensiven Tetanus.
10. KontrolletierJ
Wir haben dann auch noch grössere Mengen (einmal 20,
einmal 50 ccm) rektal eiroverleibt, um zu sehen, ob vielleicht
dann Antitoxin resorbiert wird.
1. A. S. f Prot.-No. 190, 11 J. alt, 28 kg schwer, erhält am
4. III. 08 20 ccm Tetanusserum per Klysma. *
2. E. T., Prot.-No. 401, 6 Jahre alt, 18 kg schwer, erhält am
10. III. 50 ccm Tetanusserum per Klysma.
Bei keinem dieser beiden Kinder konnte Antitoxin nachgewiesen
werden (injizierte Serummenge im Mäuseversuch 0,5 ccm).
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass Tetamusantitoxin
vom Rektum aus in nachweisbaren Memgen nicht resorbiert
wird. Freilich könnte man einwenden, dass zwar Antitoxin
resorbiert, aber im Blut dann zerstört und so dem Nachweise
entzogen werde. Dass dies nicht wahrscheinlich ist, geht aus
D e h n e s und Hamburgers 9 ) „quantitativen“ Unter¬
suchungen hervor. Auserdem haben wir aber auch noch ganz
geringe Mengen Tetanusserum subkutan injiziert und dann
versucht, das Antitoxin im Blut nachzuweisen.
Wir injizierten dem Kind E. T., das am 10. III. 50 ccm Tetanus¬
serum per Klysma erhalten hatte, am 18. III. 0,5 ccm desselben
antitoxinhaltigen Serums subkutan, also den 100. Teil der rektal
applizierten Menge. Die Untersuchung des nach 24 Stunden ab¬
genommenen Blutes auf Tetanusantitoxin ergab folgendes:
Die Mäuse erhalten 0,00005 Tetanustoxin mit abgestuften Serum¬
mengen des untersuchten Kindes.
1. Serum 0,004 protrahierter Tetanus,
2. Serum 0,02 völlig ausheilender Tetanus,
3. Serum 0,1 bleibt gesund,
4. Kontrolletier protrahierter Tetanus.
Es übten also 0,02 ccm Serum von dem Kind nach sub¬
kutaner Injektion noch deutlichen Schutz aus, während 25 mal
soviel, nämlich 0,5 ccm Serum desselben Kindes nach rektaler
Einverleibung einer 100 mal grösseren Menge, keine nachweis¬
baren Antitoxinmengen enthielt.
Fassen wir nun unsere Ergebnisse kurz zusammen, so lässt
sich sagen, dass unter 24 untersuchten Fällen nur ein einziges
Mal ein Antitoxinübergang nach rektaler Serumapplikation
nachweislich war. Wir schliessen daraus, dass beim Menschen
rektal einverleibtes Tetanusantitoxin und wahrscheinlich auch
andere Antitoxine gewöhnlich nicht zur Resorption gelangen.
Unsere Resultate stimmen gut mit denen von Escherich
und von H; Pfeiffer überein.
Sie machen es weiter wahrscheinlich, dass auch bei der
rektalen Einverleibung des Marmorek sehen Tuberkulose-
serums die supponierten spezifischen Schutzstoffe nicht resor¬
biert werden, ohne das freilich direkt zu beweisen *).
•) Wiener klin. Wochenschr. 1904, No. 29 und 1907, No. 27.
•) Während der Korrektur erschien eine Arbeit C. Stern¬
bergs, der zu ähnlichen Resultaten kam wie wir (Wiener klin.
Wochenschr., 1908, No. 20).
No. 31.
Rezidivoperation nach Uteruskarzinom.*)
Von Otto v. Franquö.
Obwohl von Klein, Krönig, Rosthorn, Franz
und anderen schon eine ganze Reihe von Operationen bei
Uteruskarzinomrezidiven mitgeteilt sind, ist diese Operation
doch nicht alltäglich und ich möchte Ihnen daher ein hiebei
gewonnenes Präparat zeigen und einige Bemerkungen daran
knüpfen.
Bei der damals 56 jährigen Patientin war am 24. Januar 1906
in der Qiessener Klinik der Uterus wegen Carcinoma cervicis vaginal
entfernt worden. Klinisch schien das Karzinom noch wenig aus¬
gedehnt, die Frau blutete nach eingetretener Menopause erst kurze
Zeit; objektiv erschien die Zervix gegenüber dem kleinen Korpus
verbreitert, in dem spaltförmigen Muttermund wölbte sich die vor¬
dere Lippe kugelig hervor, an der linken Kommissur war das Ge¬
webe etwas brüchig. Die Probeexzision ergab ein Adenokarzinom
mit szirrhusartigen Partien. Bei der Operation wurde eine links¬
seitige Scheidendamminzision gemacht, die Umschneidung und Ab¬
bindung erfolgte überall in weichem Qewebe. Die Plica vessico- und
rectouterina wurde gleich zu Beginn der Operation eröffnet und das
Peritoneum mit den Scheidenwänden vernäht. Die Adnexa bleiben
zurück, Naht der Scheidenbauchwunde, primäre HeUung.
Genau 2 Jahre lang ging es der Patientin sehr gut Am 6. Fe¬
bruar 1908 ging zum ersten Male wieder Blut aus der Scheide ab,
weshalb sie gleich in die Klinik kam. Der Ernährungszustand war
sehr gut. Ueber der die Scheide quer verschliessenden Narbe fühlte
man einen Rezidivknoten, der nach links hin ganz frei war, rechts
mit der Narbe fest zusammenhing, aber die Beckenwand nicht er¬
reichte. Ich schätzte ihn auf etwa Faustgrösse, in Wirklichkeit war
er doppelt so gross. Die sehr fetten Bauchdecken und die weiche
Beschaffenheit eines Teiles, des Tumors verursachten diesen Irrtum.
In der Mitte der Scheidennarbe war eine kleine blutende Ulzeration.
Der Urin war leicht getrübt.
Nachdem am Abend vorher die kleine Durchbruchstelle nach der
Vagina mit dem Therrpokauter verschorft und die Scheide mit einem
5proz. Formalinstreifen ausgestopft war, nahm ich am 11. Februar
die Operation in Lumbalanästhesie vor, doch musste gegen Schluss
der Operation noch Aether gegeben werden. Ich begann mit dem
Mackenrodt sehen Querschnitt, indem ich alle Schichten der
Bauchdecken fast von einer Spina ant. sup. zur anderen quer durch¬
trennte. Besonders bei sehr fettreichen Bauchdecken, wie im vor¬
liegenden Falle, gibt dieser Schnitt eine unvergleichlich bessere
Uebersicht wie der Längsschnitt, wie ich mich auch bei der erweiter¬
ten Freund sehen Operation bei Uteruskrebs mehrfach überzeugte,
und wenn ich ihn auch bei dieser in der Regel nicht für nötig halte,
so möchte ich ihn doch gerade für Rezidivoperationen, bei denen man
meist auf besondere Schwierigkeiten in der Orientierung und Technik
gefasst sein muss, warm empfehlen. Zur Vermeidung einer Infektion
der Bauchdecken, sei es nun mit Karzinomkeimen, sei es mit Mikro¬
organismen, vereinigte ich sofort das Peritoneum oben und unten
mit der Haut. Nach Lösung einiger Adhäsionen des Dickdarms und
der Fiexur gewahrte man 2 in sagittaler Richtung hintereinander ge¬
legene, bläulich durchschimmernde, von glattem Peritoneum über¬
zogene Kuppen. Die Blase lag, was' erst durch Einführen eines
Katheters sichergestellt werden kann, davor, dicht an die Scham¬
fuge angedrängt. Die Appendix ist ganz nach links herübergezogen,
ausgezerrt, in der Tiefe hinter den Tumoren fixiert. Sie wird unter¬
bunden, durchtrennt, das Peritoneum darüber vernäht. Die Liga¬
menta rotunda ziehen im Bogen über die Geschwulst in die Tiefe.
Um die Geschwulst möglichst unverletzt herausheben zu können,
müssen zunächst weitere Verwachsungen mit der ins kleine Becken
herabgezogenen Fiexur gelöst werden. Dabei quillt aus dem Be¬
reiche der hinteren Anschwellung dicker Eiter heraus, ohne dass es
gelingt, die Ueberschwemmung des Operationsfeldes zu verhüten.
An der gelösten Fiexur muss die oberflächlich verletzte Verwach¬
sungsstelle übernäht werden. Man sieht nun in der Tiefe das linke
Ovarium ganz dünn und atrophisch, ebenso die Tube. Nachdem das
Peritoneum hinter den Lig. rotunda gespalten ist, gelingt es, mit der
Hand tief in den ehemaligen Douglas sehen Raum cinzudringen
und die Geschwulst emporzuheben, dabei erfolgt nochmals eine
Eiterentleerung aus der im Zentrum zerfallenen Karzinommasse,
die nun noch in der Tiefe durch bindegewebige Stränge mit der quer
verlaufenden Scheidennarbe verbunden ist. Diese Verbindung wird
scharf durchtrennt, der nach hinten von der Scheidennarbe ent¬
wickelte Tumor entfernt. Um auch die letztere vollständig zu ent¬
fernen und doch die Verletzung des Rektum sicher zu vermeiden,
wird die hintere Scheidenwand auf einer ins hintere Scheidengewölbe
eingeführten Kornzange eröffnet, der Wundrand provisorisch mit
Klemmen gefasst. Vorne wird das von der Blase zur Narbe ziehende
Peritoneum gespalten und die hintere Blasenwand grösstenteils scharf
Schritt für Schritt von der vorderen Scheidenwand lospräpariert,
bis eine gut fingerbreite Scheidenmanschette freigelegt ist. Dann
*) Nach einer in der medizinischen Gesellschaft zu Giessen ge¬
haltenen Demonstration.
3
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
16 42
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
wird die Scheide vorn eröffnet und ringsum durchtrennt und so die
Narbe samt ihrer Umgebung vollständig herausgeschnitten. Nach
rechts hin ist die Narbe verbreitert, liier ist die Auslösung sehr
schwierig und kann nur Schritt fiir Schritt scharf erfolgen. Der
Ureter kommt dabei nicht zu Gesicht. Nachdem die vordere Schei¬
denwand durch einige Umstechungen gesichert ist, wird das ganze
kleine Becken mit 3 sterilen (iazestreifen austamponiert, welche aus
der Scheide herausgeleitet werden. 2 weitere Streifen werden noch
in die seitlichen Partien des grossen Beckens geführt und an beiden
Seitenwinkeln der Bauchwunde herausgeleitet, welche durch fort¬
laufende Katgutnaht des Peritoneum bis zur Drainage geschlossen
wird. Darüber wird das obere h’as/.ienblatt mit Knopfnahten ver¬
einigt, da sich das hintere Easzienblatt mit der Muskulatur so stark
retrahiert hat, dass die Vereinigung derselben unmöglich ist. Silk-
fäden der Haut.
Der Heilungsverlauf war ein überraschend günstiger, die höchste
Temperatur betrug 37,8 am 2. 'läge, die abdominalen Streifen wur¬
den vom 3., die vaginalen vom 5. Tage ab allmählich entfernt, am
15. Tag verliess Patientin mit einer S t e f f e c k sehen Leibbinde das
Bett, am 21. die Klinik. Es bestanden nur noch leichte Zystitis-
beschwerden, wie vor der Operation. Ich sah sie zuletzt am 7. Mai,
ohne Rezidiv; jedoch hatte sich auf der linken Seite an der ehemali¬
gen Drainagestelle eine etwa faustgrosse Bauchhernie gebildet,
welche sich durch eine zweimarkstückgrosse Bruchptorte vorstülpte.
Darauf musste man ja von vornherein gefasst sein, das Wohlbefinden
der Patientin ist dadurch übrigens bis heute (Lude .1 uni) laut brief¬
licher Nachricht nicht gestört .
Der entfernte Tumor war in frischem Zustande doppeltmanns-
faustgross, durch eine querverlaufende seichte Lurche in 2 Abschnitte
geteilt, deren vorderer eine gänseeigrosse, eitergefüllte, von After¬
massen unregelmässig begrenzte Hohle barg, während die hintere
mehr solide ist und aus lappigen, kleine Zerfallsherde in sich
schliessenden Tumormassen besteht. Der vordere Abschnitt ist von
etwas verdicktem Peritoneum überzogen, an seiner rechten Kante
erkennt man das Ovarium als eine bi eite Vorwölbung, die auf dem
Durchschnitt einige Eollikelzysten aufweist. Ls ist von unten her
durch Lindringen der (ieschwulstmassen in den HiIns entfaltet.
Auch die Tube ist am Präparate. Nach hinten zu wird das Peri¬
toneum immer dünner, so dass die mehr solide, gelappte (Jeschwulst¬
partie immer deutlicher durchschimmert, doch ist sie überall noch von
einem feinen Häutchen überzogen, ein eigentlicher Durchbruch in die
freie Bauchhöhle hat noch nicht stattgefunden, wäre auf die Dauer
aber wohl nicht ausgeblieben. Gerade nach unten ist die Geschwulst
zerrissen, entsprechend dem durchtrennten Zusammenhang mit der
Scheidennarbe, welche als taubeneigrosse, unregelmässige, derbe
Gewebsmasse isoliert voriiegt.
Dass es sich im vorliegenden Falle nicht um ein Drüsen-
rezidiv handelt, ist schon durch den Sitz und das Verhalten
des Tumors zur Umgebung sicher gestellt. Wie in mehreren
anderen Fällen von Rezidivoperationen der genannten Autoren
konnte nicht einmal jetzt eine Beteiligung der Drüsen bei der
Operation nachgewiesen werden. Ebenso unschuldig sind die
zurückgebliebenen Adnexa. Auch die Scheide scheint nicht
der primäre Sitz des Rezidivs zu sein, denn in diesem Falle
wäre es kaum denkbar, dass die Scheidennarbe fast ganz glatt,
nur an einer minimalen Stelle exulzeriert und erst seit einigen
Tagen blutend wäre, während darüber sich der grosse 'rumor
entwickelt hätte. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass das
Rezidiv von dem Beckenbindegewebe im Bereich der Ope¬
rationsstelle ausging, denn zwischen Peritoneum uivd Scheide
sass ja der Knoten. Es fragt sich nur, ob das anscheinend so
gering entwickelte Karzinom doch schon ins Parametrium
Keime ausgesendet hatte, oder ob vielleicht erst während der
Operation eine Implantation von Karzinomkeimen in die frische
Bindegewebswunde statthatte. Franz hatte in zweien seiner
Fälle den Eindruck, dass cs sich um ein derartiges lokales
Implantationsrczidiv handelte und auch ich mochte diesen
Modus für durchaus möglich halten, wenn seine Annahme auch
für unseren Fall unnötig ist. Jedenfalls muss diese Möglichkeit
dazu führen, der Vorbereitung des Karzinoms und tunlichsten
Zerstörung der wucherungsfähigen Partien desselben vor der
Operation, die von manchen Autoren im Gegensatz zu
Winter für überflüssig erklärt wurde, ein erhöhtes Augen¬
merk zuzuwenden. Ich halte zu diesem Zweck die von
Mackenrodt angegebene Vorbereitung für sehr zweck¬
mässig und wende sie seit längerer Zeit an. Das Karzinom
wird am Abend vor der Operation ausgeschabt, thenno-
kauterisiert und der Krater mit einem in 10 proz. Formalin¬
lösung getränkten (iazestreifen ausgestopft, der unmittelbar
vor der Operation durch einen Jodoformgazestreiten ersetzt
wird. Durch die Tiefenwirkung des Formalins, die sich bei
der Operation oft durch ein ausgesprochenes (Jedem des Para-
No. M
metrium zu erkennen gibt, scheint mir der hier besprochene
Zweck der Vorbereitung am ehesten erreicht werden zu
können.
Auch während der Rezidivoperation selbst sollte man
darauf achten, womöglich eine neue Ausbreitung von Kar¬
zinomkeimen zu vermeiden. Ich kann mich daher mit der von
Franz angegebenen Technik nicht befreunden; er fasst den
Rezidivknoten nach Spaltung des Peritoneum mit einer Krallen¬
zange; dabei ist ihm denn auch ein Zerdrücken und Zer¬
bröckeln des Knotens passiert. Besonders wenn, wie m un¬
serem Falle, der Tumor im Innern erweicht ist. was vorher
keineswegs immer zu erkennen ist, kann dadurch eine unnötige
Verunreinigung des Operationsfeldes verursacht werden, die
vermieden wird, wenn der Knoten herausgehoneii wird, ohne
ihn anzuhacken. Das günstigste wird es immer sein, wenn
man den Knoten in toto im Zusammenhang mit der Scheide
exstirpieren kann, wie dies Klein gelang. In unserem Falle
war dies unmöglich. Die eiterhaltige Hohle brach bei der
Lösung der Verwachsung mit der Flexur auf. ähnlich wie oft
eine Pyosapinx bei der Lösung des mit dem Darm verwach¬
senen und durch diese Verwachsung verschlossenen Fim-
hrienendes.
Dass die Rekonvaleszenz trotzdem eine so ungestörte ge¬
wesen ist, ist wohl mir der ausgedehnten Drainage zu danken.
Ich hebe dies besonders hervor, weil auf dem Kieler (iymiko-
logenkongress I0o5 von Latz ko behauptet wurde, mit Gaze
könne man überhaupt nicht draimercn. Auch Stoeckel er¬
klärte bei der Erläuterung der B u m m scheu Operations¬
methode damals jede Drainage für überflüssig, ja sogar für
schädlich. Inzw ischeii ist freilich die B u m tu sehe Klinik durch
die Tatsachen eines Besseren belehrt worden, denn wie Lie p-
m a n ii neuerdings (Berliner klm. \\ ochenschr. 1**»\ No. JJ)
angab, hatte sie bei der abdominalen Uteruskarzinomoperation
ohne Drainage 43 Proz., mit Drainage 17.4 Pro/. Mortalltat,
an Sepsis ohne Drainage .k>,6 Pro/., mit Drainage 4.3 Proz.
Ich bin mit wenigen Ausnahmefalleii bei der Drainage ge¬
blieben und glaube, dass diese auch bei dui Rc/idivoperationen
wohl immer angebracht ist, wenn auch m der Regel nur du roh
die Scheide . Als weiteres praktisches Ergebnis der Beobach¬
tung wäre noch hervorzuheben, dass selbst eine so beträcht¬
liche Grosse des Rezidivknotens die Operation nicht unmöglich
machte. Die Grösse ist daher, wie schon v. Rost ho r n und
Franz hervorheben, keine Koniramdikation der Operation,
die immer berechtigt ist, wenn nur eimgcrmasseii Aussicht aui
die Entiernnugsmoglichkeit vorhanden ist. Leber die Durch¬
führbarkeit der Operation wird man allerdings gelegentlich
erst nach Eröffnung der Bauchhöhle urteilen können. I m d.e
Rezidive möglichst frühzeitig und nodi im Stadium der
Operabilität zu entdecken, wäre es w uiisJu nsw ert. dass die
Patientinnen häufiger untersucht würden, als dies meist ge¬
schieht, mindestens vierteljährlich.
Kehren wir zur Entstehung des Rezidivs zurück, so wird
diese durch die nachträgliche Untersuchung des exMirpierteti
Uterus vollkommen aufgeklart. Derselbe ist 8 cm lang, das
Korpus klein, die Zervix dick; es hangt ziemlich x al para-
metranes Gewebe an dem Präparat. Makroskopisch scheint
das Karzinom noch nicht sehr weit vorgeschritten zu sein, die
Grenze in der liefe des Zervixgew ebes ist mit blossem Auge
nicht sicher festzustelleii. Besonders die hintere Lippe ist
schmächtig, glatt lind man sollte meinen, dass sie noch frei von
Karzinom wäre; die vordere Lippe ist dicker, hier geht das
Karzinom nach oben bis in elie (legend des iiinern Mutter¬
mundes. Vorn und hinten findet sich noch etwas Scheide. vorn
etwa 1 cm. Die mikroskopische Untersuchung zeigt die
Scheide frei von Karzinom; von ihr im. x\ ie schon aus der
Betrachtung des Re/.idix knotens selbst entnommen wurde, dass
letztere nicht ausgegangen. Dagegen bietet die Untersuchung
der beiden Lippen eine Ueberrasclmng. Nicht nur die voj\K re
Lippe, an der schon makroskopisch das kurz::;**m midi dt r
Zervixhohle zu leicht zu sehen ist. sondern atuh die hintere
I-ippe ist weitgehend durchsetzt von h a r^r'nonimn'scn; auf der
vorderen Lippe ist an den der MeJiattebeue entnommenen
Schnitten der äusserste Karzmomhe rd nur um die Breite eines
einzigen (iesichtsfeides bei schwacher \ ergro-ssermig \ on der
Abtragungsstelle entfernt; an der lütteren Lippe aber, die für
das unbewaffnete Auge so uiisJmld.g aussah, treffen wir an
Digitized b'
Google
Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 190§.
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1643
der Abtragungsstelle selbst noch Karzinomstränge, die mitten
durchgerissen sind. Kein Zweifel, hier müssen Karzinomteile
zurückgeblieben, sein. Die Stelle entspricht der Mitte des
Douglas sehen Raumes. Die Entwickelung des Rezidiv¬
knotens, im wesentlichen nach hinten von der Scheidennarbe
zwischen Peritoneum und Scheide, steht mit diesem Befunde
im Einklang. Die Lymphbahnen würden von hier entlang den
Douglasfalten nach hinten laufen. Es wird von grossem Inter¬
esse sein, wie sich das eigentliche Parametrium rechts und
links verhält. Es wird noch sorgfältig in Serien untersucht
werden. Sollte sich hier nichts von Karzinom finden, so
hätten wir die Tatsache vor uns, dass ein klinisch noch wenig
vorgeschritten erscheinendes Zervixkarzinom lediglich durch
die mikroskopische Ausbreitung auf dem Boden des Dou-
glasschen Raumes nach hinten bei freien seitlichen Para¬
metrien zum Rezidiv geführt hätte. Das häufige Vorkommen
der Paraperimetritis posterior bei alten Zervixkatarrhen muss
es eigentlich merkwürdig erscheinen lassen, dass dies nicht
öfter vorkommt.
Bezüglich der Operation des Primärtumors müssen solche
Erfahrungen zu dem Schlüsse führen, dass es bei Zervix¬
karzinom, dessen Ausdehnung in die Tiefe klinisch so ausser¬
ordentlich schwer zu beurteilen ist, besser sein wird, immer
abdominal zu operieren, wenn nicht etwa das Karzinom noch
auf die allerobersten Schichten der Schleimhaut beschränkt ist.
Denn bei der abdominalen Operation kann auch die hier be¬
fallene Gegend am Boden des Douglas sehen Raumes aus¬
giebiger ausgeräumt werden, als bei vaginalem Vorgehen.
Von Interesse ist schliesslich der Vergleich des histo¬
logischen Bildes des Primärtumors mit dem des Rezidiv¬
knotens. Der erstere bietet ein Musterbeispiel für die gerade
an der Zervix meist so hochgradig auftretende Variabilität der
Karzinomzellen. In den obersten Schichten sind grosse drüsen¬
ähnliche Hohlräume vorhanden, noch im Zusammenhang mit
normalen Drüsen, aber ganz unregelmässig gestaltet, aus¬
gekleidet von mehrschichtigem, bald noch zylindrischem, bald
polymorphem, Büschel, solide Papillen und Guirlanden bilden¬
dem Epithel. Zweifellos handelt es sich also um ein ursprüng¬
liches Adenokarzinom. Dicht dabei finden sich aber solide
Epithelzapfen, wie bei einem Carcinoma alveolare Simplex, und
weiterhin ganz schmale, stark gefärbte Bündel spindelförmiger,
kleiner, dichtgedrängter Zellen, die sich wie bei einem Scirrhus
zwischen die Bindegewebsinterstitien einbohren, aber mit den
schon erwähnten anderen Formationen der Karzinomzellen in
direktem Zusammenhang stehen.
In dem Rezidivknoten finden sich zumeist sehr breite
Massen polymorpherEpithelien, wie bei einem fortgeschrittenen
Plattenepithelkarzinom, dazwischen nur ganz schmale Binde-
gewebsbündel. An einzelnen Stellen aber finden sich noch
rundliche Lumina, umgeben» von einem Kranz von Zylinder¬
zellen, sogar schleimiges Sekret enthaltend, also immer noch
Reminiszenzen an das ursprüngliche Adenokarzinom. Auf die
reichlich vorhandenen Zerfallserscheinungen brauche ich nicht
weiter einzugehen.
Aus dem physiologischen Institut der Universität Marburg.
Die Diazoreaktion des normalen Harns.
Von R. E n g e 1 a n d.
Von den für klinische Zwecke verwandten Farbenreak¬
tionen des Harns ist die Ehrlich sehe Diazoreaktion in den
letzten Jahren recht häufig diskutiert werden. In zahlreichen
Publikationen wurde zu ihr Stellung genommen. Die Angaben
sind oft nicht gerade übereinstimmend. Viele haben sich für
dieselbe, manche auch gegen sie ausgesprochen. Unter den
Argumenten der letzteren findet sich eine sehr interessante
Angabe; nämlich die, dass auch der Harn Gesunder Diazo¬
reaktion gebe. So fand namentlich Penzoldt 1 ), dass auch
normaler Harn mit Ehrlich schem Reagens mitunter, mit
einer konzentrierten Lösung von reiner Diazobenzolsulfosäure
stets eine starke Rotfärbung ergab; zu einem ähnlichen Resultat
kam Petri*).
*) Berl. klin. Wochenschr. 1883 u. 1884.
*) Zeitschrift f. klin. Med. 1884, VII, 500.
Ich habe diese Angaben nachgeprüft und kann bestätigen,
dass jeder mit Soda alkalisch gemachte normale Harn mit einer
sodaalkalischen Lösung von Diazobenzolsulfosäure versetzt,
sich sofort mehr oder minder intensiv rot färbt.
Ich benutzte für meine Untersuchungen stets frisch be¬
reitete Lösungen von reiner Diazobenzolsulfosäure in Soda¬
lösung. Auch den Harn machte ich durch Sodalösung, nicht
durch Natron- oder Kalilauge alkalisch. In dieser Richtung
wich ich von der durch Penzoldt benutzten Versuchsan¬
ordnung ab. Zum Vergleich zog ich das Ehrlish-Fried-
w a 1 d sehe sowie das alte Ehrlich sehe Reagens heran.
Es sind also im normalen Harn Stoffe vorhanden, die mit
Diazokörpern unter Bildung von rotgefärbten Kuppelungs¬
produkten reagieren. Diese Substanzen kennen zu lernen ist
für Theorie und Praxis nicht ohne Interesse, denn für exakte
klinische Untersuchungen ist die genaue Bekanntschaft
mit ihnen erste Vorbedingung. Man muss über sie unterrichtet
sein, um zunächst die die Diazoreaktion des pathologischen
Harnes bedingenden Substanzen eventuell als anormal zu er¬
kennen. Dann aber liegt es natürlich sehr nahe, daran zu
denken, dass bei krankhaften Zuständen keine anderen Stoffe
abgeschieden werden, sondern lediglich eine gesteigerte Aus- -
Scheidung der physiologisch vorhandenen stattfindet.
Welche Bestandteile des normalen Harns kommen also für
die Diazoreaktion in Betracht? Bereits Penzoldt 5 ) hat
Untersuchungen darüber angestellt und neuerdings hat
Clemens 4 ) eine zusammenfassende Beschreibung aller
bekannten Körper gegeben, die pathologischer und normaler
Weise im Harn auftreten können und die mit Diazokörpern
unter Bildung roter Kuppelungsprodukte reagieren. Unter den
abnormen reaktionsfähigen Stoffen führt er namentlich das
Azeton und die Azetessigsäure auf. Die Fähigkeit des Trauben¬
zuckers, bei Gegenwart von fixem Alkali mit Diazobenzolsulfo¬
säure zu reagieren, ist bereits durch Penzoldt bekannt ge¬
worden. Doch reagiert in sodaalkalischer Lösung Trauben¬
zucker nicht.
Diese Stoffe können wir bei unseren Untersuchungen ausser
Betracht lassen, denn wir wissen aus Versuchen P e n z o 1 d t s,
dass die bei der Diazoreaktion des normalen Harns in Wirk¬
samkeit tretenden Stoffe nicht flüchtig und widerstandsfähig
gegen das Kochen mit Säuren sind. Namentlich dieser letzte
Umstand wies auf zyklische Verbindungen hin, denen durch
ihre eigenartige Konstitution die bemerkte hohe Widerstands¬
fähigkeit verliehen wird.
Man könnte hier an die Purinbasen denken. In der Tat
sind von B u r i a n 5 ) rote Diazoaminoverbindungen von Purin¬
basen beschrieben worden. Um zu ermitteln, ob die Purin¬
basen an der Reaktion beteiligt sind, stellte ich nach bekanntem
Verfahren aus ca. 1 l A Liter Harn die Purinbasen als Silber¬
verbindungen her und führte diese mit Salzsäure in die Chloride
über. Dieselben gaben mit einer sodaalkalischeu Lösung von
Diazobenzolsulfosäure keine Reaktion.
Von den übrigen zyklischen Verbindungen kommen in
erster Linie die Abbauprodukte des Tyrosins, die Benzol¬
derivate in Betracht. Sie treten auf als Phenole, wohl nur
mit Schwefelsäure oder Glukuronsäure gepaart. Penzoldt“)
hat schon an sie gedacht und mit Schwefelsäure angesäuerten
Harn destilliert. Das Destillat zeigte nur eine ganz schwache
Reaktion. Auch reines Phenol reagiert schwach. Sie scheiden
also ebenfalls aus.
Anders die nächsten Oxydationsstufen des Tyrosins, die
von Bau mann isolierten aromatischen Oxysäuren; die
Paraoxyphenylpropionsäure und die Paraoxyphenylessigsäure.
Sie geben, wde Clemens 7 ) festgestellt hat mit Diazo¬
benzolsulfosäure sow r ohl wie mit Ehrlich schem Reagens
eine starke Reaktion. Sie bilden also zweifellos eine Kom¬
ponente der Diazoreaktion des normalen Harnes. Allerdings
eine weniger bedeutsame Komponente, denn wenn man den
Harn nach vorherigem Ansäuern durch Extraktion mit Aether
3 ) 1. c.
4 ) D. Archiv f. klin. Med 1899, 63, 74.
5 ) Berichte der D. chem. Qesellsch. 37, 696 und Zeitschr. f.
physiol. Chemie 51, 425.
“) 1. c.
7 ) I. C.
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10-4-4
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. 31.
von den aromatischen Oxysäuren beireit 8 ), so kann man keine
merkliche Schwächung der Diazoreaktion ieststellen.
Es ist also noch eine weitere Komponente vorhanden. Es
ist nun gelungen, auch diese auszumitteln. Sie wird nämlich
gebildet durch eine Gruppe von Körpern, die ausgezeichnet sind
durch den Besitz des Imidazolkernes. Wie die aromatischen
Oxysäuren sich ableiten von der Oxyphyenylaminoproprion-
säure, dem Tyrosin, so stehen jene Körper in Beziehung zu der
lmidazolaminoproprionsäure, die unter der Bezeichnung Histi¬
din als Spaltungsprodukt der Eiweisskörper lange bekannt ist.
Diese Imidazolderivate haben alle mehr oder minder stark
basischen Charakter. Hierauf, sowie aut ihrer Fällbarkeit
durch Silberoxyd beruht das Verfahren zur Gewinnung der¬
selben aus Harn. Ein grosser Teil derselben lässt sich selbst
aus unverdünntem Harn mit heisser, gesättigter Quecksilber¬
chlorid- und Natriumazetatlösung niederschlagen.
Diesen Teil kann man nach folgendem einfachen Verfahren
gewinnen. Finge Liter Harn werden mit einer konzentrierten
Losung von Bleizucker ausgefällt. Von der Fällung wird ab¬
gesaugt und aus dem Filtrat das überschüssige Blei durch Zu¬
satz von Natriumkarbonat als Bleixveiss entfernt. Das Filtrat
hiervon w ird auf ein Drittel eingeengt, mit Essigsäure schwach
sauer gemacht und dann mit heisser, wässeriger, gesättigter
Quecksilberchlorid- und Natriumazetatlösung ausgefällt. W enn
die Fällung beendet ist, darf die überstellende Flüssigkeit mit
einem Ueberschusse von kalter, gesättigter Quecksilberchlorid-
t!ud Natriumazetatlösung auch beim Stellen keine Trübung
mehr absetzen. Die Fällung wird nach einiger Zeit abgesaugt
und mit einem Gemisch von konzentrierter Quecksilber¬
chlorid- und Natriumazetarlosnug nacligew aschen. Die
Fällung wird darauf in heisser verdünnter Salzsäure ge¬
hist, vom Unlöslichen durch Dekantieren und schliesslich
durch Filtrieren getrennt und das Filtrat mit Schwefel¬
wasserstoff zerlegt. Vom Scliw eielquecksilber w ird ab¬
filtriert und das Filtrat zum Sirup eingeengt. Dann wird
mit Methylalkohol aufgenommen. Hierbei bleiben die an¬
organischen Salze ungelöst zurück. Das Filtrat von diesen
w ird abgedampft und der Rückstand mit heissem W asser auf¬
genommen und durch Aufkochen mit Tierkohle") entfärbt. Das
Filtrat w ird zum Syrup eingeengt, wobei sich reichlich Kristalle
ausscheiden. Man nimmt dann mit kaltem, absolutem Aetltyl-
alkohol auf, in dem ein erheblicher Teil unlöslich ist. Dieser
besteht grösstenteils aus Kreatinin, das sich nach diesem Ver¬
fahren ebenfalls fast quantitativ abscheideu lässt. Das Filtrat
hiervon wird zum Sirup eingeengt und nochmals mit absolutem
Alkohol aufgenommen. Dies wird so oft wiederholt, bis sich
die Masse in absolutem Alkohol klar löst. Die Imidazolver¬
bindungen lösen sich in diesen unreinen Losungen leicht in
Alkohol auf, so dass mau bei dem geschilderten Vorgehen
nichts verliert, dagegen kann man das Kreatinin fast ganz be¬
seitigen. Die Masse wird schliesslich durch Zusatz von Silber¬
nitrat vom Chlor befreit. Vom Chlorsilber w ird filtriert und
in das Filtrat noch so viel Silberuitrat gegeben, dass die
Flüssigkeit mit Barymiihydratlösung keine weisse, sondern
eine braune Fällung gibt. Daun wird die Flüssigkeit mit
Baryumhydratlösung versetzt und Teingepulvertes Barytim-
hydrat im Ueberschuss eingetragen. Man lässt längere Zeit
unter öfterem Umriihren stehen. Durch Silbernitrat- und
Barytlösung w ird zwar auch das Kreatinin gefällt. Das Kreati¬
ninsilber löst sich jedoch in einem Ueberschusse von Baryum-
hydrat wieder auf. Darauf wird die Silberiällung abgesaugt,
sorgfältig mit Wasser gewaschen und in verdünnter Salpeter¬
säure gelöst. Vom Unlöslichen w ird abfiltriert . Man über¬
zeuge sich davon, ob im Filtrate noch viel Kreatinin ist. Ist
dies der Fall, so muss noch einmal nach vorherigem Zusatz
von Silbernitrat die Barytiälluug wiederholt werden. Sonst
gibt man in das Filtrat noch etwas Silbernitratlösung und setzt
dann tropfenweise wässrige Ammoniaklösung zu, so lange
') Ich benutze den von Kutscher und S t e u d c I angegebenen,
schnell arbeitenden \ethere\traktapparat. Zeitschr. f. phvsiol.
Chemie 49, 474.
'■') Mau muss tadellose Tierkohle benutzen. Die Knochenkohle
..Kahlbaum“ enthalt Kalziimisulfat. Besser ist Mercks garantiert
leine I ierkohle, doch muss man auch sie vor dem (iebrauch mit
’ hinnter Salzsäure auskochen.
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als die Flüssigkeit noch eine Fällung gibt. Ein Ueberschuss von
Ammoniak ist sorgfältig zu vermeiden. Die entstandene Fäl¬
lung wird abgesaugt und mit Wasser gut gewaschen. Die aus
diesen Silbcrx erbmdungeii mit Salzsaure gewonnene Losung
der Chloride gibt mit Diazobenzolsuliosaiire in soJaalkahsdier
Losung eine tief dunkelrote Verfärbung. Auch mit E hrlich-
F r i e d e w a 1 d schein Reagens gibt sic ein kralliges Rot.
Weiter gibt die Losung, die neuerdings \ oii Knoop 1 “) an¬
gegebene Farbeureakttoil auf Histidin. Die für das llistidm
charakteristische Biuretreaktion gelingt nur, wenn die zu
untersuchende Flüssigkeit relativ rem ist. nameuthJi muss su
frei von Kreatinin sein. Die Trennung der einzelnen an der
Silberiällung beteiligten Verbindungen ist sehr schwierig, sc
ist zurzeit noch nicht völlig gelungen. Soviel steht iedodi fest,
dass eine ganze Reihe verschiedener Körper daran beteiligt
ist. Mittels zum Teil komplizierter Verjähren, über d.e an
anderer Stelle des näheren beruhtet wird, konnten bis jetzt
drei verschiedene Körper isoliert werden. Namhdi die Ammo-
imidazolpropioiisaure, das Histidin selbst, dann ein niederes
Homologe derselben, die AminoumJazolessigsaiire und ein
Körper von der Zusammensetzung Ci--IL»N«( h».
Ich habe schon oben angedeutet, dass mellt alle uu Harn
vorhandenen Imidu/oK erbm Jungen sich durch heissge sättigte
Quecksilberchlorid und Natruimazctutlusuugcn niederschlagen
lassen. Denn befreit man den mit Que.ksnherJi.oiid- und
Natriumazetatlösung ausgefallen Ham mit Sdiw eielw asser-
st«»ff vom Quecksilber und entlernt ditrdi Extraktum mit Aether
die aromatischen Oxysäuren, darin gibt er immer ttodi Diazo¬
reaktion. Fallt man ihn aber jetzt mit Bin»sph.*rw «'lnamsaure
aus, so zeigt das Filtrat dieser Fällung nur nodi ca.e selir
schwache Reaktion, die erst heim Fmeiigui wkJer zum \ <*r-
seliem kommt. Zersetzt man die Bltosphorw oliram^auie mit
Barythydrat, filtriert und entlernt aus dem Filtrat den über¬
schüssigen Baryt mit Kohlendioxyd, so gibt die so gewonnene
Losung der Basen eine starke Dia/nreaktnui. Dieselbe ver¬
schwindet vollkommen, wenn man sie mit Silbernitrat und
Baryt uusiulll. Die mit Sal/sanre aus der S.lberialämg m Frei¬
heit gesetzte Lösung der Chloride zeigt dagegen e.r.e intensive
Reaktion.
Die Diazoreaktion der Inndazoldenxate ist \on Bau Iy M )
am Histidin entdeckt und naher stuJ.ert worden. Die bei der
Kuppelung derselben mit Ihazokorpern entstellenden Brodukte
sind äusserst intensiv gefärbt. Nadt Bau ly gibt eine Losung
von Histidin im Verhältnis 1: Iihummi nodi eine deutliche Rot-
larhimg mit Diazobenzolsuliosaiire. Die von mir autgeiuudeue
Menge von InndazoK erbmdimgen (in einem Falle aus 4M later
Ham allein 0,4 g Histidin) gelingt vollkommen, um eine ..deut¬
liche Rotfärbuug des Harnes mit I hazohenzolsulfosaure“ zu
e rklären.
Fs ist nun nodi die Frage zu beaMwoiteu. wie es kommt,
dass normaler Harn m der Regel nicht mit F h r 1 t c h'»eben.
Reagens eine Rotfarbung gibt, wahrend Jodt s*• n:tu;s.\ ie-
agierende Substanzen Vorhand-.n smd. Lh glaube das viarauf
ziiriicktuliren zu müssen, dass im Harne Substanzen \or-
banden sind, die sidi mit Iha/okoi pe i n kidner kuppeln als
die ImidazolderiN ate, ohne ieJodi sidt dabei rot zu färben.
Filier dieser Körper Scheint das Kreatinin zu sein. M m kann
sielt durch einen Versuch leidit von der Wirksamkeit der-
artiger Substanzen liberzeugen. Wenn man e.ue l’\ros,n-
losimg, die bekanntlich nadt Clemens ) audt mit dun
F h r I i c h sehen Reagens sehr gute D.a/oreaktum gibt, mit
einer starken Losung von salzs.uirem Methv kmnti. Anilin oder
einem anderen Amin versetzt und dann d.e F h r I t c h sdie
Reaktion anstellt, so tritt hodisteus eine Gelbfärbung ein:
Kreatinin wirkt ebenso. Sitzt man aber letzt ur.e Losung \<m
Diazobeiizolsiilfosänre zu, s<» tritt die rote 1 arbe nad'trag'idi
mit grösster Kraft hervor.
Setzt man zu normalem Harn e i e sdn \ et dui.r.te I.omi; g
von Diazobeiiz.olsiilfosaure in Tropfui, zu. so tr.tt zunadiM
Reine Verfärbung auf. BlolzÜdt ie Jodt t• ;tt bei wuterem
Zusatz starke Rotiarhurg auf. F.n oder zwei Tropfet:
haben sie hervorgi rufen, wie eti I ropvn Saure oder
Beitr. /.. che m. I ’ I \ '-öl. w 1'. - • TI,
11 1 Zeitseilt . f. p'"\ s!-ä Ll ein e. -td. '
■■■) I. c.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1645
Lauge die Farbe des Indikators Umschlägen lässt. Es
sättigen sich also jedenfalls die anderen, leichter reagieren¬
den Stoffe mit dem Diazokörper; erst wenn diese abge¬
sättigt sind, reagiert der Imidazolring und in diesem Moment
tritt die Verfärbung auf. So ist denn auch in dem E h r 1 i ch -
sehen Reagens ein geringes Plus von Natriumnitrit von grosser
Bedeutung für den Ausfall einer Reaktion. Ein einziger
T ropfen mehr oder weniger entscheidet, wie ich mich des
öfteren überzeugen konnte, für den positiven oder negativen
Ausfall der Ehrlich sehen Probe.
Nun ist der Gehalt des käuflichen Natriumnitrits an reinem
Nitrit recht bedeutenden Schwankungen unterworfen. Merk¬
würdigerweise konnte ich in der recht umfangreichen ein¬
schlägigen Literatur nirgends einen Hinweis auf diese offenbar
recht bedeutsame Tatsache finden, die vielleicht die Erklärung
für die grossen Widersprüche abgibt, die unter den Angaben
über die Ehrl ich sehe Diazoreaktion zutage treten.
Es ist nun noch die für pathologische Verhältnisse bedeut¬
same Frage zu erörtern, ob eine gesteigerte Ausscheidung von
Imidazol- und Benzolderivaten zu einer Diazoreaktion im kli¬
nischen Sinne, d. h. mit Ehrlich schem Reagens, führen
kann. Man sollte glauben, dass dies nicht möglich sein könnte;
denn die in dem Ehrlich sehen Reagens vorhandene Menge
von Diazokörper reicht, wie oben gezeigt, offenbar nicht aus,
um die anderen, keine roten Farbstoffe liefernden Körper ab¬
zusättigen, so dass im normalen Harne keine Reaktion zu¬
stande kommt. Trotzdem ist es der Fall; setzt man dem Harn
reichlich Tyrosin oder Histidin zu, so fällt die Ehr lieh sehe
Probe positiv aus. Es handelt sich hier eben um eine che¬
mische Reaktion, und bei jeder chemischen Reaktion spielt
nicht nur die Qualität, d. h. die chemische Affinität, sondern
auch die Quantität, also die relative Menge, in der jeder in
Reaktion tretende Stoff vorhanden ist, eine Rolle.
Man kann dieselben Verhältnisse im Reagenzglas an
anderen Stoffen beobachten. Fügt man zu einer Tyrosinlösung,
die so viel Methylamin enthält, dass sie mit Ehrlich schem
Reagens nicht mehr reagiert, noch reichlich Tyrosin, so fällt
jetzt die Probe positiv aus.
Es könnte also wohl eine gesteigerte Exkretion der
Imidazol- und Benzolderivate der klinischen Reaktion zu
Grunde liegen. Für letztere ist schon bei manchen Krankheiten
eine erheblich gesteigerte Abscheidung nachgewiesen; so wird
angegeben, dass die Menge der aromatischen Oxysäuren bei
starker Fäulnisvorgängen im Darm, bei der akuten Phosphor¬
vergiftung, sowie nach Verfütterung von Tyrosin aufs 6 bis
8 fache gesteigert sein kann. Auch freies Tyrosin tritt ja be¬
kanntlich zuweilen im Harn auf. Wie es mit den Imidazol¬
derivaten steht, muss die klinische Untersuchung noch er¬
weisen. Man könnte für derartige Untersuchungen sich damit
begnügen, die nach dem von mir angegebenen Verfahren ge¬
wonnene Silberfällung bei 100° zu trocknen und zu wiegen.
Man hätte dann jedenfalls einen Anhalt für die Beurteilung der
Mengen derartiger durch den Harn abgeschiedener Sub¬
stanzen. Auch den mit Phosphorwolframsäure fällbaren Anteil
könnte man in der von mir angegebenen Weise auf die Silber¬
verbindungen verarbeiten und zur Wägung bringen. Besser
wäre es allerdings vielleicht noch, von den Silberverbindungen
den Stickstoffgehalt festzustellen, was ja mit dem für klinische
Zwecke hinreichend genau arbeitenden K j e 1 d ah I sehen Ver¬
fahren nicht sehr schwierig ist.
Uebrigens wäll ich nicht unerwähnt lassen, dass man sich
die pathologische Diazoreaktion auch so erklären kann, dass
Substanzen im Harne vorhanden sind, die ausserordentlich
leicht mit Diazokörpern sich kuppeln unter Bildung rot ge¬
färbter Reaktionsprodukte 1S ). In einem von mir untersuchten
pathologischen Harn schienen mir in der Tat derartige Körper
vorhanden zu sein. Leider konnte ich mir keinen geeigneten
pathologischen Ham in genügender Menge verschaffen, um
daran diese Verhältnisse näher zu studieren.
Die vorliegenden Untersuchungen sind auf Veranlassung
von Herrn Professor Kutscher angestellt.
1S ) Siehe hierzu Clemens 1. c.
Ueber Magenstörungen bei Masturbanten.
Von Arnold Siegmund in Berlin-Wilmersdorf.
Unter dieser nämlichen Ueberschrift hat Prof. Hirsch von
Göttingen in No. 12 der Berliner klinischen Wochenschrift über „n e r-
vöse Dyspepsie“ berichtet, welche sich infolge von Onanie
entwickele und nur heile, wenn dem Laster entsagt werde. Die
sehr heftigen Magenschmerzen solcher Kranker und die häufig, wenn
auch nicht immer dabei vorhandene Hyperazidität, haben wiederholt
den erfahrenen Kliniker zu der irrigen Meinung verleitet, es handle
sich um ein Magengeschwür. Zum Beleg teilt Hirsch den Fall
eines Oberprimaners mit, der auf seinen Rat eine Magengeschwürkur
mit mehrwöchigem Liegen in einem Sanatorium hatte durchmachen
müssen. Der junge Mann kam ungeheilt zurück, heilte aber
von selbst, als er die Onanie unterliess, deren Betreibung ihm
H i r s c h auf den Kopf zugesagt hatte. Der Vater, der von der Onanie
nichts weiss, konnte „sich gar nicht erklären, dass alle die teuren
Kuren so wenig genützt hatten und die Heilung dann so plötzlich
erfolgte“.
Dieses Krankheitsbild ist, wie auch Hirsch meint, sicherlich
auch von anderen Aerzten beobachtet worden. Und auch ich stimme
der Mitteilung durchaus zu. Denn man kann die Anfälle von Magen¬
schmerzen mit oder ohne Uebersäurung öfters bei Onanisten, mehr
aber noch bei Onanistinnen beobachten. Schmerzen, welche nicht ver¬
gehen, solange die Kranken dem Missbrauch nicht entsagen.
Aber auch wenn sie ihm entsagen, heilen damit die Magen¬
leiden nicht in allen Fällen von selbst, sondern können in unver¬
minderter Heftigkeit weiterbcstehen und doch noch eine tatkräftige
Behandlung erfordern.
Diese Behandlung hat aber nicht den Magen zu
bearbeiten, sondern die Nase, und zwar das vor¬
dere Ende der linken*) mittleren Muschel, eine Stelle,
welche Wilhelm Fliess, der Entdecker dieser Beziehung zwischen
Geschlechtsorganen und Nase, die Magenschmerzstelle der
Nase benannt hat. Diese Stelle ist in solchen Fällen von erheblicher
Empfindlichkeit gegen leichte Berührung, ja diese kann so
arg sein, dass die Kranken bei der Berührung erblassen, sogar An¬
wandlungen von Schwäche bekommen und dass auch starke Kokain¬
lösungen diese Empfindlichkeit nicht immer ganz restlos aufzuheben
vermögen.
Ausserdem ist die Magenschmerzstelle auch gerötet, geschwollen
und sie neigt zum Bluten, zeigt also mehr oder weniger vollständig
das Bild der „neuralgischen Veränderung“ (Fliess).
Die Kenntnis dieser Dinge ist für den Forscher wichtig, nicht
minder aber für den Arzt. Denn wenn in Fällen, wie dem von
Hirsch beschriebenen, trotz Aufhörens der Onanie die Magen¬
krämpfe und vielleicht auch die Uebersäurung bestehen bleiben, dann
soll man die Magenschmerzstelle der Nase prüfen, und
zwar am besten während eines Schmerzanfalles. Findet
man sie „neuralgisch verändert“, so pinselt oder bebläst man sie
einmal, oder wenn nötig, mehrere Male mit 20proz. Kokainlösung,
der unter Umständen zweckmässig noch etwas Adrenalin zuge¬
setzt ist.
Besteht wirklich der ursächliche Zusammenhang zwischen dein
geschlechtlichen Missbrauch und dieser Nasenstelle, so erlebt man es
dass binnen 5—15 Minuten der Magenkrampf vergeht, in sehr schwe¬
ren Fällen aber ungeheuer vermindert wird.
Eine sich anschliessende Aetzung mit Trichloressigsäurekristallen
sichert dann die Heilung der Schmerzen und der Hyperazidität, welche
die Kranken in höchstes Erstaunen setzt. In schwereren Fällen ist
die Aetzung zu wiederholen; in ganz schweren muss das vordere
Ende der linken mittleren Muschel mit einem Konchotom abgebissen
werden.
Wer solche Heilungen gesehen hat, der vergisst sic nicht. Ich
kenne Menschen, welche von hervorragenden Chirurgen unter der
Fehldiagnose „Gallensteine" wegen jener Magenschmerzen operiert
werden sollten, ja sogar operiert worden sind. Ihrer Magen¬
schmerzen sind sie aber erst nach dem nasalen Eingriff ledig ge¬
worden.
Natürlich können auch andere Reize, die vom Geschlechtsorgan
zur Nase wandern, die linke mittlere Muschel neuralgisch verändern
und den Magenschmerz mit oder ohne übermässige Säurebildung
auslösen. Bei Jungen Menschen aber, besonders bei Mädchen, ist
man oft berechtigt, aus dem Befund der Nase auf Onanie zu schliessen
und danach zu handeln, d. h. einerseits die Nase zu heilen und
andererseits den Kranken den geschlechtlichen Missbrauch ab¬
zugewöhnen. Denn wenn dieser weitergeübt wird, wird die Nase
wieder krank gemacht und es gibt Rückfälle der Magenschmerzen.
Im andern Falle ist der Erfolg von zuverlässiger
Dauer.*
Auch der Darm wird durch Onanie geschädigt. Besonders
bei jungen Männern findet sich oft eine so entstandene Verstopfung,
die durch Behandlung der neuralgisch veränderten unteren Muscheln
der Nase oder der Tubercula septi heilbar ist.
*) Anscheinend kann bei Linkshändern die entsprechende Stelle
der rechten Nasenscite mitschuldig sein.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1646
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Bemerken will ich noch, dass der Erfolg der Nascnhehamlhmg
auch bei solchen Onanisten ein ebenso sicherer ist, bei denen sich
Benommenheit, Druck im Kopf, Vergesslichkeit
und Unfähigkeit zu geistiger Arbeit entwickelt hat.
Z. B. wenn gute Schüler durch die onanistischc Schädigung der Nase
zu ganz schlechten geworden sind, können wir die Arbeitsfähigkeit
durch die Nasenbehandlung, besonders die elektrolytische, völlig
wiederherstellen — falls sie dem Laster entsagen.
All dies ist so wichtig, dass seine Kenntnis Allgemeingut der
Aerztc werden muss, denn wir sind zum Helfen da.
Wer wissen möchte, warum die Nasenbehandlung so heil¬
kräftig ist, der wolle meinen Aufsatz über „Hcads-Zonen als Mittel
zur Erkennung der nasalen Reflexneurosc“ lesen. Er ist erschienen
in No. 49—51 der „Med. Klinik“ von 1907.
Aus der I. med. Klinik München (Direktor: Prof. v. Baue r).
Ein Angiom in der Briickengegend.
Von Dr. E n d e r s, Oberarzt im 6. Inf.-Rcg. t vormals komman¬
diert zur Klinik.
Eine etwa 60 jährige Brau wurde in der Nacht vorn 18. auf den
19. März 1907 von der Sanitätskolonne ohne jede Anamnese in
bewusstlosem Zustande eingchefert und hatte in der gleichen Nacht
nach Angabe der Krankenschwester mehrere Krampfanfälle mit V er¬
drehen der Augen, Zuckungen in den Gliedern und unwillkürlichen
Harnabgang.
Die Untersuchung am 19. März früh ergab im wesentlichen:
Grosse, kräftige, gut genährte Brau, in passiver Rückenlage, völlig
bewusstlos. Augen halb offen; angedeutetes Nasenflugeiatmen: leich¬
ter Stridor.
Haut und sichtbare Schleimhäute etwas blass, letztere mit Stich
Ins Bläuliche. Zunge trocken, borkig. Apfclgrosse. derbe, unter das
Brustbein reichende Struma.
Auf den Lungen ausgebreitete trockene Bronchitis. Herz nach
links etwas verbreitert. Herztöne durch die bronchitischen Ge¬
räusche fast völlig verdeckt, anscheinend rein. Puls klein, sehr be¬
schleunigt, unregelmässig, 120—130 in der Minute. Respiration 31
bis 38.
Bauchorganc ohne Abweichung. Urin — mit Katheter ge¬
wonnen — sauer, klar, enthält 3 Prozent Traubenzucker, kein Ei-
weiss .kein Azeton etc.
Pupillen eng, gleichnuissig, reagieren ziemlich gut. Beim Oeffneu
des Mundes mit dem Spatel macht Pat. einige Kaubewegungen: sonst
sind sämtliche Reflexe erloschen. Es bestellt komplette schlaffe Läh¬
mung der Rumpf- und Extremitätenmuskulatur. Bahinski negativ.
Keine Temperaturerhöhung.
Vormittags 11 Uhr ein Anfall, beginnend mit extremer Rechts¬
wendung der Augäpfel. Daun treten nacheinander ein: horizontaler
Nystagmus beiderseits, klonische Zuckungen im rechten Bazialis, so¬
dann im rechten Arm. darnach in der rechten Rumpfhälfte und
schliesslich im rechten Bein. In umgekehrter Reihenfolge hörten die
Krämpfe auf: R. Bein, r. Rumpfhälftc. r. Arm. r. Bazialis, Augen. Die
Zuckungen waren auf der Höhe des 2 Minuten währenden Anfalls
So heftig, dass Pat. förmlich in dem Bett emporgeworfen wurde.
Die nunmehr vorgenommene Lumbalpunktion ergab wasserklare,
unter etwas erhöhtem Druck stehende Bliissigkeit ohne sonstigen be¬
merkenswerten Befund. Einen therapeutischen Erfolg hatte die Punk¬
tion nicht; vielmehr setzte 10 Minuten nachher (11 Uhr 3t0 der
zweite Anfall ein, und cs folgten nachmittags noch fünf Anfalle,
sämtliche vom nämlichen Charakter wie der beschriebene. Unter
zunehmender Herzschwäche erfolgte trotz Digaleniniektion etc. noch
am selben Nachmittag gegen 3 Uhr 30 Min. der Tod.
Nach dem Befund und Verlauf war die klinische Diagnose auf
einen Erkrankungsherd (Blutung. Erweichung. Zyste?) in der
Briickengegend — darauf deutete die Zuckerausscheidung im Harn —
und zwar linksseitig mit einiger Wahrscheinlichkeit zu stellen. Cmna
diabeticum und verwandte Zustände Messen sich leicht ausschliessen.
Leichenbefund (Auszug aus dem Sektionsprotokoll des patho¬
logischen Institutes):
Meningen verwachsen; Arterien der Hirnbasis sklerotisch. Hirn¬
substanz schneidet sich derb, Schnittfläche saftig glänzend, blutarm.
Rinde und Mark deutlich geschieden. Beide Seitenkammern etwas
erweitert, dritte Kammer gehörig. Adergeflecht ziemlich blutarm.
Ependym zart. Weder im Grosshirn noch im Kleinhirn irgend eine
Herderkrankung. In der Brücke, deren Substanz wie im verlängerten
Mark überhaupt sonst völlig unverändert erscheint, findet sich ein
schlitzförmiger, von zartem Gewebe (Glia?) erfüllter Hohlraum, etw a
linsengross.
Nebenbefund: Mässige Hypertrophie und Dilatation des Herzens,
Struma, geringe pleuritische Adhäsionen rechts.
Die von mir vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab:
Auf dem durch die hinteren Vierhügel und den vorderen Ab¬
schnitt der Brücke zugleich geführten Schnitt liegt der Hohliaum
9 mm vom ventralen Rande entfernt, ein wenig nach links von der
Mittellinie, so zwar, dass er diese mit einer Ecke überschreitet. Eine
zweite Ecke ist entgegengesetzt, d. h. nach links, eine dritte Neutral
gerichtet. Sonst ist die Bonn des < iebiides ziemlich um cgcim.issig.
Die Neubildung nimmt annähernd die Mute der Mibst.mtia pe'mraia
posterior ein, liegt also dorsal \oii der Britcke. Neutral von der dmt
statthabenden Bindearmkreu/ung (siehe Skizze „A”).
Halbschematisches Schnitlhild in Hohe der hinteren \ icriiugd,
um die Lage des Aiumnis zu zer.m.
A Angiom. B Bmde.miikreuzung. G (iciasM-.mdei. zu.n
Angiom hmziehciiJ.
Sie ist in das Gewebe eingelagert, ohne \<>n der Umgebung
durch eine gesonderte W nnJs v hk ht abgcgrenzt zu sein, ste .t n id-
niehr einen einfachen Dcle kt dar. dem W aftdsdiu. ht und \i;vc e idmvg
Nollig abgehen. Die Wand sed«st cischeint picht ganz glatt, solidem
wie ausgenagt. besonders an dfn zicmäJi zahlreichen Mellen, wo
Gelasse m den Hohliaum eintrete n.
Im Innern des Raumes, von der Wand etwas absidimd. sieht
man einen Gefassknauel: dicht nebe neinander, ijuer* längs. sJr.ig ge¬
troffen. vorwiegend arterielle kleinere Gct.isse und kan men, .der
auch mehrere dünnwandige, sackartig erweiterte Raume. eieren I m-
reihung (ob Pt.»kapillaren. ob \ eilen.''I nicht ganz sicher zu treten iM.
Bei der Mehrzahl der Gelasse ist die Wand normal gebaut und gut
erhalten; hei einzelnen aber besteht liNaime n «>r Sc hr itte ne De¬
generation der Media lind Bxterna. Ks-nders dnüuJi an eimgeii
Arterien. Die Bulliing ist mir in den dmmw atun gen, s.u k.i-tt;; K eU
(venösen?) Raumen ausserordentlich hodgrad.g; d.e Vr lenen sind
meist leer.
Die schon erwähnten, au zahlreichen Mellen \<*rn um geKm!«. n
(iewebe her einmundenden kleinen und klmmtm ( lelasse zeigen
nichts Abw eieheiuies. IlerN «»rzuhebui ist das leihen iu klar \b-
kmckimg in ihrem Verlauf.
Das Bindegewebe zwischen dm cm/elnm Gelassen ist spmhdi.
Man sieht nichts von undirier eii/K i tm (ie webst erneuten auch nicht
im Bereich des Gelass,.rnjb|liels . nichts n.>u spo-wendeit Gelassen,
keine Glia, keine Imiitration. keine Hutung iisw .
In der Umgebung fallt die enorme I hang s.miihcher Gefaste,
besonders auch der Kapillaren auf. letztere sehen aus nv ;e kinst-
lich imizieit. Ventral Nmi der reJiän med.al* u \li ule. l.ous
der selben zum bescbn*. heuen (ieiasskmniel Imi/iehem!. sind einige
staikere ( iefasse sichtbar, m deren l nigibimg das » ie w t f «c etwas
retrahiert erscheint (I i Weiterung der jh r in .isk u. ■ r eil 1 \ mph» aunc
oder Kunstprodnkt). Me sind in der /e idmimg rr.it .di' bezeichnet.
Die Wand lener Ge lasse- weist keine Mt ukddliN e: aiide rütUi n auf.
Solist ml Bau der Ibiicke nichts \)' nv ek liendes. ybe :is -w emg m den
Viciliugeln und im n er langer teil Mark m v'»e s. mde i e keine I .ao-
erkrankiingeii. Blutungen, I t w eic hmice n. < i :aw ndu r lingeri. ze igelt
Infiltrationen, V er lagerungen oder k < mipr esst- -'se: sc he immge n.
Nach allem ist das beschriebene Gebilde als ent arterielles
Angiom aii/iivpreelien; 111,111 Konnte es mit Alb recht audi
zu den B'elilbildimgen (Mamai tnnieii) zahlen. Lin.e Neigung
zum B'ortsclir e iteri ist nicht erkennbar nun velit keine
11 iieliffereu z ierteii < iew ebsbestaiulk ile. m der Umgebung nichts
von Druckwirkung, \ erlageriing, li.nitration; de zufnhren-
deii (iefasse sind nicht abgeknickt.
Es sind im Gegenteil sieheriweiw regressiv e Verän¬
derungen --- hyaline Degeneration der < ie i.i^w .n:J vor¬
handen.
Bemerkenswert ist die Lage des Arg:«.ms ge rade mnut’eii
des hinteren NebtVIele s. jenes umsdirie be ue-n rie r\er.armen Ge-
bietes zwischen Piuelearmkren/img und ITiuke. das sdum m
der Norm sehr gefassreich ist und eben dadurdi für d,e IVdtmg
derartiger Angimne besonders disponiert zu cr^lk men \er-
mag.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1647
Mit dieser Lokalisation lassen sich auch die wesentlichen
klinischen Erscheinungen, die den Fall auszeichneten, unge¬
zwungen erklären: die Beschränkung der klonischen Krämpfe
auf die rechte Körperhälfte bei Beteiligung beider Augen (der
Herd sass zum grössten Teil links von der Medianlinie) und
die Zuckerausscheidung (Gegend des Zuckerstichs!).
Gerade durch die Glykosurie wird unsere Annahme, der
ganze schwere Symptomenkomplex sei von dem kleinen An-
giom ausgelöst, erheblich gestützt und die Vermutung ent¬
kräftet, es könnten als Ursache der klinischen Erscheinungen
Grosshirn Veränderungen irgendwelcher Natur, aber wegen
ihrer Feigheit mit den gebräuchlichen Methoden nicht nach¬
weisbar, in Betracht kommen.
Das Angiom bestand offenbar schon längere Zeit, vielleicht
seit Jahrzehnten, vielleicht seit der Geburt. Ein Wachstum
scheint in letzter Zeit nicht stattgefunden zu haben, soweit sich
dies aus dem histologischen Befund erschliessen lässt.
Der Umstand, dass der Hohlraum, in welchem das Angiom
eingebettet ist, deutlich grösser ist als die Geschwulst, ge¬
stattet die Annahme, die Geschwulst habe das Vermögen be¬
sessen, an 1 - und abzuschwellen. Ob aber letzteres Phänomen
erst in letzter Zeit eintrat oder schon früher, vielleicht wieder¬
holt, bestanden hatte, d. h. ob die Kranke von solchen
Krämpfen schon öfters befallen worden war, Hess sich nach¬
träglich nicht mehr ermitteln, da über die alleinstehende Pat.
keine befriedigende Auskunft erlangt wurde. Wahrscheinlich
erfolgten die Anfälle zum ersten Male bei anscheinend voller
Gesundheit. Wir dürfen diesen Analogieschluss mit einigem
Vorbehalt ziehen, weng wir andere Fälle, besonders die häufi¬
geren Beobachtungen von Amgiombildung im motorischen Ge¬
biet der Grosshirnrinde berücksichtigen. Bei dieser Erkran¬
kung, von welcher beispielsweise im Jahre 1900 Dr. S t r u p p -
1 e r einen typischen Fall aus der Klinik des Herrn Professor
v. B a u e r in dieser Zeitschrift — Jahrgang 1900, Seite 1276 —
veröffentlichte, kann sich ja der Träger der Geschwulst lange
Zeit hindurch völlig wohl fühlen, bis das Angiom eines Tages
infolge einer irgendwie entstandenen allgemeinen oder lokalen
Hyperämie sich akut vergrössert und stürmische Erscheinungen
macht. Und diese hochgradige Hyperämie der Umgebung war
ja auch in unserem Falle sehr ausgeprägt.
Eine seltene Störung nach submuköser Nasenscheide¬
wandresektion.
Von Dr. Müller in Heilbronn.
Herr K., 28 Jahre alt, litt an heftigen Kopfschmerzen, die durch
eine rechtsseitige Siebbeineiterung bei hochgradiger Verbiegung der
Nasenscheidewand nach rechts verursacht waren. Ich resezierte am
26. Juli 1907 die Nasenscheidenwand submukös nach Killian und
räumte das rechte Siebbein aus. Die subjektiven Beschwerden ver¬
schwanden; der Heilungsverlauf war normal. Im September ging
Patient zur Erholung in die Schweiz. Ende Januar 1908 suchte er
mich wieder auf. Er klagte, dass beim Ein- und Ausatmen durch
die Nase ein leiser hoher Pfiff ertöne, der ihn sehr störe. Am unteren
Ende des Knorpelschnittes bemerkte ich eine kleine Granulation, die
ich entfernte, worauf das Pfeifen verschwand. Anfangs März 1908
kam der Patient aber wieder. Schon wenige Tage nach der Ent¬
fernung der Granulation war das Pfeifen zuerst ganz leise wieder¬
gekommen, allmählich hatte es sich aber verstärkt ijnd war, trotz¬
dem man den Pfiff objektiv nur als leise bezeichnen konnte, doch
so intensiv geworden, dass der Friede des Familienlebens in Gefahr
geriet. Man hörte bei der In- und Exspiration durch die Nase einen
leisen Pfiff, der etwa dem Ton a 6 der sanft angeblasenen Galton¬
pfeife entsprach. Bei der Untersuchung fand ich folgendes: In der
Gegend des unteren Endes des Knorpelschnittes sah man von links
her ein rundes Loch von 2 mm Durchmesser. Von der rechten Nasen¬
öffnung aus sah man dieses Loch in der Nasenscheidewand nicht;
es war verdeckt. Mit einer feinen, vorne stark gekrümmten Sonde
konnte man eine Falte anhaken, die sich straff über das von links
her sichtbare Loch spannte; sie entsprang in der Nähe der vorderen
Umrandung des Loches. Diese Falte hatte sich offenbar mit der zu¬
nehmenden Festigkeit des vernarbenden Schnittes ausgebildet. Sie
hatte allmählich eine immer straffere Spannung angenommen und
da sie sich zufällig über der Perforation befand, geriet sie durch
den ein- und ausströmenden Luftstrom in periodische Schwingungen,
die sich in Form eines hohen pfeifenden Tones bemerkbar machten;
es hatte sich eine eigenartige Zungenpfeife ausgebildet. Da der
Patient sehr nervös war, liess ich mich auf keinen komplizierten
operativen Eingriff ein, sondern machte durch die Perforation einen
Horizontalschnitt und zwickte mit dem Konchotom ein ca. 6 mm
grosses Loch in die Nasenscheidewand, womit auch die Falte zerstört
wurde. Die Wunde heilte in wenigen Tagen und dem Patienten war
geholfen.
Oscar Liebreich f.
Am 2. Juli 1908 ist der Geheime Medizinalrat Prof. Dr.
Oscar Liebreich aus dem Leben geschieden. Mit ihm
ist ein Mann dahingegangen, der mit Recht den Namen einer
Individualität verdiente. Liebreich schwamm nicht mit
dem grossen Strom, er wandelte seine eigenen Wege. Schon
sein Werdegang wich von dem anderer Gelehrter ab.
Am 14. Februar 1839 zu Königsberg i. Pr. geboren, wandte
sich Liebreich, nachdem er anfangs Seemann gewesen,
dann unter Fresenius in Wiesbaden sich zum technischen
Chemiker ausgebildet, 1859 dem Studium der Medizin zu, dem
er in Königsberg, Tübingen und Berlin oblag. Im Jahre 1865
wurde er in, Berlin zum Doktor promoviert. Nicht lange
dauerte hier jedoch seine Tätigkeit als praktischer Arzt. Zwei
Jahre später wurde er chemischer Assistent am pathologischen
Institut unter V i r c h o w. Von hier aus habilitierte er sich
1868 für Arzneimittellehre, 1871 wurde er ausserordentlicher
und ein Jahr später im Alter von 33 Jahren als Nachfolger von
Mitscherlich ordentlicher Professor sowie Direktor des
Pharmakologischen Instituts der Universität Berlin. 1891 wurde
er zum Geheimen Medizinalrat ernannt.
Schon während seiner Studienzeit trat Liebreich mit
einer chemischen Arbeit hervor. Es gelang ihm der Nachweis
des Protagons als hauptsächlichsten Träger des Phosphor¬
gehalts im Gehirn. 1869 entdeckte er die schlaferzeugende Wir¬
kung des 1832 von Justus v. L i e b i g entdeckten Chloral-
hydrats. Abgesehen von der theoretisch-wissenschaftlichen
Bedeutung, die seinerzeit dieser Fund beanspruchen durfte,
musste diese Entdeckung als eine ganz besondere Wohltat für
die leidende Menschheit angesehen werden: war doch das
Chloralhydrat eines der ersten Mittel, das — relativ unschäd¬
lich — als sicheres Hypnotikum betrachtet werden konnte. In
den weitesten Kreisen wurde Liebreichs Name bekannt
durch die Entdeckung des Lanolins (1885). Von anderen Ar¬
beiten L i e b r e i c h s, die entweder neue Mittel in die Medizin
einführten oder als grundlegend für deren Wirkung und Be¬
deutung angesehen werden können, seien genannt: Die
anästhesierende Wirkung des Aethylidenchlorids, das Butyl-
chloral, die Einführung des Hydrargyrum formamidatum
solutum in die Therapie der Syphilis, die Studien über Ery-
throphlein, die Wirksamkeit der Kresole, des Tolipyrins, des
Formalins, des Methylvioletts, der Borsäure und des Borax,
ferner des Strychnins als Antidots bei Chloroformvergiftungen,
über die Wollfette, die Oxydation des von ihm entdeckten Neu¬
rins und die Synthese des Oxyneurins. Etwas abseits von der
praktischen Medizin liegen Liebreichs Untersuchungen
über den toten Raum sowie über den Tiefgang der Fische. Die
zahlreichen kleineren Arbeiten Liebreichs hier zu er¬
wähnen, würde zu weit führen. Dagegen sei mit einigen
Worten der Stellung Liebreichs der Bakteriologie gegen¬
über gedacht. Er nahm den Standpunkt ein, dass die Wirkung
des Tuberkulins keine spezifische, sondern eine örtlich irri¬
tierende sei, die auch durch andere Mittel, so unter anderen
durch Kantharidin hervorgerufen werden könnte. Die Kan¬
tharidinstudien, die Liebreich an Lupuspatienten anstellte,
zeitigten die Entdeckung zweier optischer Untersuchungs¬
methoden für die Dermatologie: die Phaneroskopie und den
Glasdruck, welche zur Verfeinerung der dermatologischen
Diagnostik in hohem Masse beitragen halfen. Seine Anschau¬
ungen über die Wirkungen der Bakterien wichen nicht un¬
wesentlich von denen der strengen Bakteriologenscbule
ab und veranlassten ihn, den Begriff des Nosoparasitismus zu
schaffen; hiermit wollte er sagen, dass viele Parasiten ihre
pathogene Wirkung erst dann entfalten, wenn sie auf bereits
in ihrer vitalen Kraft alterierte, erkrankte Zellen resp. Organe
treffen.
L i e b r e i c h s Interesse mehr volkswirtschaftlicher Natur
bezeugen seine kritischen Bemerkungen über Materialien zur
technischen Begründung eines Gesetzentwurfes gegen Ver¬
fälschung der Nahrungs- und Genussmittel, sowie seine Ar¬
beiten über die Borsäure und den Borax zur Konservierung
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1648
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. M.
von Nahrungsmittel, in denen er seinen Standpunkt mit grosser
Energie vertrat.
Von Liebreichs Büchern ist auser der von ihm her¬
ausgegebenen Enzyklopädie der Therapie, das von ihm gemein¬
schaftlich mit seinem langjährigen Mitarbeiter Langgaard
verfasste Kompendium der Arzneiverordnung am meisten be¬
kannt geworden, das im vorigen Jahr bereits in 6. Auflage
erschien. Ferner gab er mit Langgaard und Rabo w
zusammen die Therapeutischen Monatshefte heraus.
Die Balneologie ist Liebreich zu Dank verpflichtet
insofern er eine grosse Reihe von Quellen analysierte, des
Weiteren als er jahrelang den Vorsitz der Balneologischen
Gesellschaft führte und die Interessen dieser Vereinigung eben¬
so wie die der mit ihr eng verbundenen H u i e 1 a n d ischeu
Gesellschaft aufs eifrigste wahrnahm und aufs erfolgreichste
vertrat.
Liebreich besass eine Reihe von Eigenschaften, die
man in so ausgeprägtem Masse selten vereint findet: Klugheit,
schnelle Auffassung und Beherrschung einer jeden Situation,
gepaart mit eiserner Energie. Jedem Thema, das ihm auch
noch so fern lag, gewann er neue Seiten ab und wusste auf
den ersten Blick oder nach kurzer Ueberlegung den Kernpunkt
der Sache zu treffen. Mit ungewöhnlicher Energie verfocht er
seine Meinung. Hindernisse kannte er nicht; je mehr sich ihm
solche entgegenstellten, um so mehr reizte es ihn, dieselben
zu überwinden. Bei seinen wissenschaftlichen Gegnern war
er gefürchtet wegen der Schärfe seiner Kritik . In der Dis¬
kussion vertrat er den Standpunkt: „Eine Entgegnung muss
scharf sein wie ein mathematischer Beweis“. Seine form¬
vollendete Rede, oft mit eingestreutem feinen Humor und mit
Sarkasmus gewürzt, brachte häufig die ursprünglichen Gegner
seiner Anschauung auf seine Seite. Wenn er in der Berliner
medizinischen Gesellschaft das Wort ergriff, lauschten die Zu¬
hörer mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Unerschrocken vertrat
er die einmal von ihm als richtig erkannte Meinung gegen
Jedermann; für Konzessionen war er — ein abgesagter Feind
jeder Halbheit — nicht zu haben.
Diese Gaben des Geistes erhöhte eine schöne männliche
Erscheinung: gross gewachsen und elastisch, das geistvolle
klassische Gesicht mit der fein geschnittenen Nase und den
wunderbaren, faszinierenden Augen, ein wohltönendes, ausser¬
ordentlich modulatiorisfähiges Organ.
Dazu kamen Umgangsformen vornehmster Art, um die ihn
jeder Diplomat hätte beneiden können. So war es nur selbst¬
verständlich, dass er im geselligen Kreise, bei seiner interes¬
santen Art zu plaudern, bald den Mittelpunkt der Gesellschaft
bildete.
Die liberale Weltanschauung, der L i e b r c i ch stets
huldigte, der er bis zuletzt treu blieb, Wisst es erklärlich er-
^ scheinen, dass er auch ärztlichen Standesfragen Interesse ent¬
gegenbrachte. Zur Zeit, als die Berliner Aerzteschaft sich in
zwei Lager spaltete, blieb er seinem alten liberalen Verein treu,
war dann jahrelang dessen Vorsitzender und späterhin sein
Ehrenvorsitzender. Durch das Vertrauen der Berliner Aerzte¬
schaft wurde er mehrmals in die Aerztekammer Berlin-
Brandenburg gewählt.
Dass Liebreich aber auch seinen mit Glücksgütern
nicht reichlich gesegneten Mitmenschen zu helfen bestrebt war,
geht aus seiner Tätigkeit beim Sanitätsverein fiir Lehrerinnen
hervor. Lange Zeit gehörte er dem Vorstande als werbende
Kraft an und suchte, als er in den letzten Jahren Vorsitzender
wurde, den Verein weiter auszubauen, gleichzeitig aber auch
die Interessen der im Verein tätigen Acrzte zu fördern.
OscarLiebreich, der weder Rast noch Ruhe kannte,
wurde in der letzten Zeit durch schw ere Krankheit gezwungen,
seine Tätigkeit einzuschränken und zuletzt ganz .aufzugeben.
Ein sanfter Tod setzte diesem an Arbeit und Erfolgen so
reichen Leben ein Ziel. Mit Liebreich ist eine der mar¬
kantesten Persönlichkeiten der Berliner medizinischen Fakultät
dahingegangen, ein Mann, der bei seinen Freunden jmd bei
allen, die ihn näher kannten, eine tiefe Lücke hinterlassen wird.
R. I. P.
Edmund S a a 1 f e I d - Berlin.
Referate und Bocheranzeigen.
Robert Bing: Die Bedeutung der spinozerebellaren
Systeme. Mit 8 Figuren im Text und 6 Tafeln. Wiesbaden,
J. F. Bergmann, 1 ( X»7. *#> Seiten. Preis (>.n» M.
Das vorliegende Buch ist dem neuen S e n c k e n b e r g -
sehen neurologischen Institut zur Einweihung als FVstg.be viar-
gebracht. Bing sucht unsere Kenntnisse \<>n den Fur.kti«men
des Zerebellums, die in Anbetracht der Grosse des Organes
als recht unbefriedigend bezeichnet werden müssen, dadurch
zu erweitern, dass er die im Rückenmark nach dem Kleinhirn
verlaufenden Bahnen bei Hunden durchschmtt und die Folge¬
erscheinungen studierte. Wie aus den nachträglich augestellten
Untersuchungen des Rückenmarks zu ersehen w.ir, ist es ihm
tatsächlich gelungen, diese Bahnen isoliert /u durJitreiiren.
ohne andere Bündel, wie die PyramiJenstrange. mitzutreiieii.
Auf Grund exakter Fragestellung wird dargelegt, wo die l r-
sprungszellen der in Rede stellenden Systeme. d. h. der Klein-
liirr.seitenstranghahneii und der GowerssJun Bahn zu
suchen sind, wie ihr weiterer Verlauf im Rückenmark und m
der Medulla oblongata vor sish gehl und wo sie im Klein¬
hirn endigen.
Durch Zerstörung der Zentren dieser Stränge im
Oberwurm des Zerebellums werden dieselben Ausfalls¬
erscheinungen erzeugt, wie durch die Durchtrcnnimg der Neu¬
tralen und dorsalen Spmozeiebeliarb.ihnen selbst, d. h. es
kommt in beiden Fällen zu Storungen der Rumpi-, Jcr SJiu'.ter-
giirtel- und insbesondere der BeckengurU Ibew egimgcti. dabei
ist der Tonus der betroffenen Muskelgruppeii wesentlich
herabgesetzt. Es sind also hauptsächlich d.e für die Erhaltung
des Gleichgewichtes heim Stelle11 und liehen notwendigen
Gemeinschattsbew egungen heemtrüJitigt. Die Bewegungen
in den distalen Teilen der Extremitäten, besonders aller der
Arme lind der Hände, sind weniger dem Kleinhirn und den
subkortikalen Zentren als den psychomotorischen Rinden-
abschnitten unterstellt. So ist es zu verstehen, dass d e spino-
zerebellaren Bahnen im HaKmarkc fast gar keinen Easer-
zuwachs mehr erfahren, vielmehr sich fast ausschliesslich aus
dem Brust- und Lendenmarke rekrutieren. Tatsächlich
können bei di r zerebellaren Ataxie im Gegensatz zu den Beinen
und zum Rumpf die Arme und Hände in geordneter Weise
bewegt werden. Die Spinnzerebeüartrakte stehen im Dienste
der sogenannten Tieiensensibilit.it, d. h. sie leiten dein Klein¬
hirn jene unterbewussten Rezeptionen zu. weLlie von Muskeln.
Sehnen. Periost ausgehend. reflektorisch auf die Innervation
und auf die Pauererregnng der Muskeln, welche man als Tonus
bezeichnet, von bestimmendem Einfluss sj J. Die Eir/el-
bewegung ist intakt, die GemeinsJi.ü'tsbew egungen sind be¬
einträchtigt und zwar durch die Unterbrechung der zentri¬
petalen Aeste des Reflexbogens. Mit dem efferenten
Schenkel dieses Reflexbogens, den zerebellumtugalen Bahren,
welche über den Nu Jeus ruber mit dein rubrosputalen Bündel
nach dem Rückenmark ziehen und die Ausführung der ..Prin¬
zipalbewegung“ gewährleisten, deren weiterer Verlaut" aber
noch sehr umstritten ist. beschäftigt sich Bing leider gar tuJit.
Die gestellte Aufgabe, die anatomische Anordnung und die
physiologische Bedeutung der im Rückenmark radi dem Zere-
bellurn zustrebenden Systeme dar/ulegcn. ist aber vollauf er¬
füllt und so wird das Buch für alle die. w eVbe sich mit den
Problemen des Kleinhirns und der Neurologie beschäftigen,
unentbehrlich sein. L. R. Müll e r.
Dr. A. Schanz: Handbuch der orthopädischen Technik
für Acrzte und Bandagisten. Mit läos Abbildungen im Text.
M7 Seiten. Jena, Verlag von Gustav E i s c h e r, l‘>os. Preis
18 Mark.
Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, ein Handbuch
der orthopädischen Technik für die praktischen Aer/te. für
Spezialärzte und die Bandagisten zu sdire ben. Das ist Schwer
in einem Buch zu erreichen, denn d.e drei Gruppen stellen
ganz verschiedene AutorJcruugen au ein solches Blich.
Der vielbeschäftigte praktische Arzt verbogt einen
kurzen klaren Rat, wann bei einem o-nb'manschen Leiden eine
Bandage augezeigt ist und w eiche*' Am ■amt am meisten zu
empfehlen ist.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1649
' - Den Bandagisten interessieren vorwiegend tech¬
nische Fragen. Er will wissen, an welchen Teilen' des Körpers
der Apparat angreift, wohin die Gelenke zu verlegen sind,
welches Material verwendet werden soll und wie es bearbeitet
wird, welche Teile am Apparat unbedingt stark und fest und
welche unbedenklich leicht gearbeitet werden dürfen u. dergl.
mehr.
Der Spezialarzt wird ein Handbuch der orthopädi¬
schen Technik am wenigsten brauchen. In der Regel wird er
seine Studien am Patienten machen und aus der Anatomie der
Deformität das technische Problem des Apparates zu lösen
suchen. Dagegen wird er gern zu einem Buch greifen, wenn
ihn historische Fragen der Technik interessieren. Dafür wird
das Schanzsche Buch jedem Facharzt ein sehr willkom¬
mener Ratgeber sein, denn mit bewunderswertem Fleiss hat
der Verfasser alles zusammengetragen, was über orthopädische
Apparate geschrieben worden ist. Vielleicht ist der Verfasser
in dem Wunsch, allen Autoren gerecht zu werden, zu weit ge¬
gangen. Zu viel Apparate, die bisher in den Katalogen der
Bandagengeschäfte begraben waren und deren praktische Un¬
brauchbarkeit ohne weiteres klar ist, erleben im Schanz-
schen Buche eine Auferstehung. Unter dieser Masse des
Stoffes leidet die praktische Brauchbarkeit des Buches. Be¬
sonders der praktische Arzt, der aus einem Buche von
637 Seiten Text und 1398 Abbildungen den brauchbarsten Ap¬
parat sich heraussuchen soll, ist in einer schwierigen Lage.
Er wird sich vielleicht falsche Vorstellungen von der ortho¬
pädischen Technik machen, denn er kann aus dem Buch nicht
ersehen, dass die komplizierten orthopädischen Apparate mit
Ausnahme der Schienenhülsenaparate heute der Geschichte an¬
gehören. An Stelle der Federn und Schrauben, die in den
früheren Apparaten die grösste Rolle spielen, besorgt heute
vielfach die menschliche Hand und der Gipsverband die Kor¬
rektur. Dadurch ist die Zahl der Apparate, welche in der
Praxis eine Rolle spielen, viel kleiner geworden. Mit 30 bis
50 Apparaten dürften heute die meisten Spezialärzte aus-
koinmen; deshalb scheint eine Beschränkung des historischen
Teiles in einer zweiten Auflage des Schanz sehen Buches
erlaubt zu sein und unseres Erachtens würden dadurch die vor¬
züglichen Ausführungen des Verfassers, die überall den viel
erfahrenen Praktiker verraten, erst recht zur Geltung kommen
und das Buch, das eine sehr fleissige und verdienstvolle Arbeit
darstellt, wesentlich an praktischer Brauchbarkeit gewinnen.
F. L a n g e - München.
Dessauer-Wiesner: Leitfaden des Röntgenver-
fabrens. Unter Mitarbeit von Blencke, Hildebrand,
Hoffa, Ho ff man n und Holzknecht. Herausgegeben
von Des sau er und W i es ne r. 3. Auflage. OttoNemmich,
Leipzig 1908. 336 Seiten mit 113 Abbildungen und 3 Tafeln.
10 Mark.
Der Inhalt des Lehrbuches zerfällt in drei Abschnitte:
Einen breiten Raum (etwa ein Drittel des Buches) nimmt
die Darstellung der physikalischen Grundlagen des Röntgen¬
verfahrens, sowie die Schilderung der Erzeugung bestgeeig¬
neter elektrischer Stromenergieformen durch Induktion (rein
elektrischer Teil) und der Umwandlung der Elektrizität
in X-Strahlen (Röhrenbau) ein. Diese Kapitel sind ausser¬
ordentlich klar gefasst und ermöglichen eine gute Orientierung
über theoretische Prinzipien und technischen Bau des Instru¬
mentariums.
Dem gegenüber tritt die Beschreibung des Durch-
leuchtungs- und Aufnahmeverfahrens an Um¬
fang (40 Seiten) wesentlich zurück. Dennoch ist sie bei aller
Kürze unter Hervorhebung des Wesentlichen ausführlich be¬
schrieben. Eine gesonderte Bearbeitung haben die Stereo¬
skopie, sowie die Orthodiagraphie erfahren.
In einem dritten Abschnitte wird in zwei Gruppen die
Radiologie in der inneren Medizin und Chi¬
rurgie einerseits, sowie die Röntgentherapie andrer¬
seits abgehandelt.
„Die radiologische Diagnostik in der in¬
neren Medizin“ enthält auf 15 Seiten und 3 Tafeln mit
grösstenteils schematisierten Figuren zusammengedrängt die
vielseitigen Anwendungsgebiete dieser Disziplin und ihre Re¬
sultate in meisterhafter Weise von einem Autor (Holz-
k n e ch t) geschildert, der selbst in erheblichem Masse zu dem
Ausbau unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete beigetragen hat.
Gleich prägnant und reich an wertvollen Winken ist die
Röntgentherapie — ebenfalls von Holzknecht —
geschrieben.
Auch die Bearbeitung des „Röntgen Verfahrens in
der Chirurgie“ lag in bewährten Händen, nämlich des
unvergesslichen Hoffa, der seit Beginn der Röntgenära am
Orte der Entdeckung reiche Erfahrung sammeln konnte, und
B l e n c k e s - Magdeburg. In’diesem Kapitel wird der un¬
ermessliche Dienst der Röntgenstrahlen für die Chirurgie in
einer vorzüglichen Uebersicht unter gesonderter Betrachtung
der einzelnen Körperteile und Besprechung der wichtigsten
anormalen Verhältnisse erläutert.
Der Wichtigkeit des Gegenstandes wegen wäre es zu be-
grüssen, wenn der Besprechung des Schutzes von Arzt und
Patienten, sowie der Schilderung der Gefahren der Röntgen¬
strahlen ein eigenes Kapitel eingeräumt würde.
Alles in allem lässt sich sagen, dass das von anerkannten
Autoren geschriebene, in dritter Auflage vorliegende Lehrbuch
auf verhältnismässig knappem Raume einen ausgezeichneten
Leitfaden der Röntgenologie darstellt. Es bietet Anfängern eine
klare Darstellung der Physik und Technik, sowie Anleitung
zur diagnostischen und therapeutischen Ausübung des Röntgen¬
verfahrens; Vorgeschrittenen ist es ein Nachschlagewerk, in
welchem sie sich bei der vielseitigen Reichhaltigkeit des In¬
haltes über alle Details sowie — von der aktuellen Moment¬
photographie allerdings abgesehen — den modernen Stand
dieser Hilfsdisziplinen schnell und präzise orientieren können.
Zabel- Rostock.
Max Neuburger, Professor zu Wien: Geschichte der
Medizin. Zwei Bände. II. Band, 1. Hälfte. 229 Seiten. Stutt¬
gart, Ferd. Enke, 1908. M. 5.40.
Zwei Jahre sind seit dem Erscheinen des ersten Bandes
verflossen, eine kurze Frist, wenn man die Fülle des Stoffes
in Betracht zieht, den uns die neue Lieferung bietet.
„Die Medizin in der Verfallszeit der Antike“ wird zunächst
betrachtet. Die Mangelhaftigkeit des Unterrichts wird betont,
die Standesgeschichte, das Eindringen der Magie, der Wunder¬
glaube, der Einfluss der Astrologie und des Dämonismus sind
lebendig und geistvoll dargestellt. Die Beziehungen des
Christentums zur Heilkunde sind in würdigster Weise be¬
leuchtet. Der Abschnitt über die Literatur beginnt mit
Sereirus Samonicus; ausführlicher werden mit Recht
Oreibasius, der Leibarzt Julians und Caelius A u r e 1 i -
a n u s, der Uebersetzer des unsterblichen Soranus be¬
handelt.
Recht lesenswert sind die Kapitel über das Medizinische
bei den Kirchenvätern und die Medizin des Talmud. Quellen¬
angaben wären hier nützlich gewesen.
Die Medizin der Byzantiner und ihre Literatur ist Seite 93
bis 139 behandelt. A e t i u s eröffnet die Reihe. Möchte uns
bald eine gute Edition^dieses bedeutenden Sammlers beschieden
sein.
Alexander v. T ra 11 es, den uns Puschmann er¬
schlossen hat, folgt; von den späteren Autoren werden be¬
sonders Paulus A e g i n e t a und Joannes A c t u a r i u s sorg¬
fältig analysiert. Ueber Demetrios Pepagomenos habe
ich in den „Zoologischen Annalen“ eine kleine Notiz gebracht
(Würmer in den Augen der Jagdfalken, feinste helmintho-
logische Beobachtung der älteren Zeiten).
Die Darstellung der arabischen Heilkunde (pag. 142—228)
schliesst den Halbband des gediegenen Werkes.
Huber- Memmingen.
Pharmazeutische Rundschau.
Von Dr. Max W i n c k e 1 in München.
Es ist unverkennbar, dass die pharmazeutische Fachliteratur
eine ausserordentlich vielseitige ist; die Disziplinen der verschieden¬
sten Fächer vereinigen sich hier: Chemie, Botanik, Drogenkunde,
Physik und Hygiene. Alle sind auch der Medizin fachverwandte,
ja zum Teil für diese grundlegende Lehrgegenstände; mithin bringen
die pharmazeutischen Veröffentlichungen gar manche Arbeit, die auch
für den Mediziner nicht nur interessant, ja sogar notwendig zu wissen
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1650
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. M.
ist, schon deshalb, weil der Verkehr von Arzt und Apotheker in der
Praxis viele geschäftliche und wissenschaftliche Berührungspunkte
mit sich bringt. Es mag daher wohl angezeigt sein, von Zeit zu Zeit
über die Fortschritte auf dem Oebiete der Pharmazie eine kurze
Rundschau zu halten und dabei auch kurz die neu erschienenen
pharmazeutischen Spezialpräparate vom rein chemischen Standpunkt
aus anzuführen. Letztere Zusammenstellung soll unter der grossen
Anzahl neuer Arzneimittel nicht sichten und Kritik üben, das ist
Siche des Pharmakologen und Klinikers, sondern lediglich kurz die
chemische Zusammensetzung bringen.
Die Frage nach Schaffung einer amtlichen Pi iifungsstelle für
pharmazeutisch-chemische Präparate ist seit meinem letzten Bericht
noch mehr in den Vordergrund getreten. Auf der Hauptversammlung
des Vereins deutscher Chemiker in Jena tritt Lieh e n g r li n 111
nochmals für eine recht baldige Errichtung einer solchen Institution
ein, jedoch unter gewissem Vorbehalt. „Ls müsse verlangt werden,
dass die Zentrale 1. kein Urteil über die Berechtigung der Ein¬
führung eines neuen Präparates auf (irund pharmakologischer Daten
abgeben dürfe; 2. von einem etwaigen ungünstigen Untersuchungs¬
befund keinen Gebrauch machen dürfe, ehe der Labrikant be/w.
Erfinder des Präparates in Kenntnis gesetzt worden und ihm Ge¬
legenheit zu einer Gegenäusserung oder Klarstellung gegeben sei;
3. günstige, d. h. die Angaben des Labrikanten bestätigende l'nter-
suchungsrcsultate. unter keinen Umständen veröffentlichen diirie. um
so nicht etwa einer Benutzung ihres eigenen Gutachtens zu Reklame¬
zwecken Vorschub zu leisten.
In der nämlichen Versammlung hält Bereu des (Jl einen
Vortrag über „chemisch-pharmazeutische Industrie und die Apo¬
theke“, in welchem er wohl im Anschluss an die vorhergehenden
Auslassungen Eichen griins den Werdegang dieser ganzen In¬
dustrie als eine zeitgemässe, natürliche Strömung kritisiert.
Es ist eine sehr erfreuliche Tatsache, dass auch von seiten her¬
vorragender Aerzte der Zentralstelle die nötige Beachtung gewidmet
wird, immerhin aber wird der Schwerpunkt einer solchen Zentrale
auf die Tätigkeit des pharmazeutischen Chemikers zu legen sein:
er hat zu untersuchen, ob die Angaben des Labrikanten bezüglich
der chemischen Zusammensetzung des Mittels richtig sind, dann
erst setzt die Arbeit des Pharmakologen ein und endlich die des
Klinikers. Eine derartig fleissige und objektive Prüfung neuer Arznei¬
mittel von seiten des Chemikers und Pharmakologen in einem staat¬
lichen Institut ist dringend notwendig geworden, damit unlautere
Präparate von vornherein aus dem Verkehr ausgeschaltet werden
können und sich nicht wieder Vorfälle, die die gewissenhafte deutsche
Grossindustrie dem Ausland gegenüber blossstellen, ereignen können.
Ich verweise hier auf die Arbeiten Z e r n i k s. nach denen
Pyrenol nicht, wie der Labrikant angibt. ein synthetischer.» einheit¬
licher Körper ist, sondern nichts anderes als eine Mischung alt¬
bekannter Arzneikörper. Lreriehs weist neuerdings noch nach,
dass die Pyrenoltabletten nicht einmal die angegebene Dosis Pyrenol
enthalten, sondern nur Ls bis *Ti der aufgedruckten Menge!
Neben den oben angedeuteten Untersuchungen würde eine Zen¬
traluntersuchungsanstalt für neue Arzneimittel, die bereits von
G o 111 i e b in No. 24 dieser Wochenschrift erwähnten physio¬
logischen Prüfungen solcher Arzneimittel in die Hand nehmen, welche
im pharmazeutischen Laboratorium nicht ausgeführt werden können,
z. B. von Digitalis, Secale cornutum u. a.
Umfangreiches Material zur B e a r b e i t u n g des neu e n
Arzneibuches liegt der Kommission, welche kürzlich zu einer
Vorberatung zusammengetreten war, vor. Von verschiedenen Seiten,
teils aus den wissenschaftlichen Laboratorien der Hochschule und der
Grossindustrie, teils aus der pharmazeutischen Praxis hervorgegangen
sind wertvolle Beiträge zur Aenderung und Verbesserung der be¬
stehenden Pharmakopoe gemacht worden, so erst kürzlich in einer
umfassenden Ausarbeitung von der chemischen Labrik L. Merck |3|.
In einer pharmakognostischen Arbeit empfiehlt (ii I g 141 an Stelle der
Strophanthus Kombe in die neue Pharmakopoe die Samen von
Strophanthus hispidus aufzunehmen. L sch bäum |5| tritt für die
Einführung einer Tropfengewichtstabelle in das Arzneibuch ein.
Locke |f>| tritt nochmals mit gutem Recht für seine bereits emp¬
fohlene Methode zur physiologischen Prüfung der Digitalisblätter
und deren Aufnahme in die Pharmakopoe ein. C. M a n n i c h |7| emp¬
fiehlt, dass das nächste Arzneibuch die wichtigsten imprägnierten
Verbandstoffe, Grundsätze zu ihrer Beschaffenheit und ihrer Beur¬
teilung aufnehmen sollte, da die z. Z. im Handel befindlichen Verband¬
stoffe sehr häufig nicht ihrer Signatur entsprechen und Enrico R i -
mini [s| gibt an. dass auch die Suhliniatnastillen des Handels nicht
selten zu niedrige Werte erweisen. Utz [ü| stellt in übersichtlicher,
klarer Lorm die diesbezüglich bereits bestehenden Prüiungsmetlioilen
von Verbandstoffen zusammen und flicht seine eigenen Erfahrungen
auf diesem Gebiet ein. Die im vergangenen Jahre vom preussiseben
Medizinalministerium neu erlassene Vorschrift zur Herstellung einer
Kresolseifenlösung für Hebammen erfährt eine allgemeine Ablehnung
sowohl von Seiten der Mediziner als auch Hvgieniker und Che¬
miker: sie bedeutet keinen Lortschritt gegenüber dem Lysol und
! ii|. CresoJi saponatus. ist dazu aber noch teurer als letzteres.
Medizinisches Interesse diirfte ein Vortrag von Thomsf|n|
haben, in welchem derselbe seine seit Jahren veriofgten Beobadi-
tungen über die Alkaloide an m Dahlem kultivierten MolmptLmzen
wiedergibt. Durch geeignete Dimgungsvcrsiiche weist er ii.kIi. dass
die Opiumproduktiou und die Zunahme des m ihm enthaltenen \i-
kaloides gesteigert werden kann. Dieselben sind bereits fertig ge¬
bildet in der unreifen Pflanze vorhanden und können ans diesen
isoliert werden. Eine rationelle ()pumigew Innung aber durfte hier
zu Lande wegen der hohen Arbeitslöhne ausgeschlossen sein. Die
Arbeit durfte aber den M»duibaiiein in den bisherigen Pr<>dukti"us-
gehieten sehr wertvolle I inger/euheil bieten.
Da die Mohnsamen ebentalls geringe Mengen Alkaloide ent¬
halten. diese aber un Handverkauf zulässig sind und in manchen
Gegenden zum Einschlafen! kleiner Kinder viel begehrt werden,
macht das sächsische Ministerium m einem Rundschreiben an Oie
Beziiksar/te diese aufmerksam, m ihren Kreisen bei unigen Muttern.
Hebammen etc. aber die schädlichen Lolgen der Mohnsaniciiabk«►chirng
aufklarend zu wirken.
Line ausführliche chemische und pharmakologische \rbeit bringt
Windaus |lt| über das Cholesterin. Rieben [l-’l hat austihr-
liehe Untersuchungen über den Zerfall von Pillen im Magemlarmkan.il
angestellt 'Mid kommt zu dem Schluss, dass die mit Wadis und
fett als Konstituens dargestellteu Pi.ieii die Schlechtesten Weite
geben, etwas vorteilhafter ist Sace har um mit Miidiagö gummi amb.
Wesentlich besser iedoch sind die mit Rad. Injuuiliae oder Rad.
Althaeae und Sir. smipl. Iler gestellten Pillen.
Von neuen Jahres- und < ieschattshericIlten verdienen an dieser
Stelle einige besonderer W urdigtmg. Die M e r c k Sc h e n I a h r e s-
berichte bringen m rem wissenschaftlicher, durchaus oKekttv ge¬
haltener l orm belehrend und anregend zugleich a le Neuerungen aui
dem Gebiete der Pharmakotherapie und Pharmazie. Sie bieten dem
Arzt ein w ertvolles, zuv erlässiges Nadisc hlagebuch für die gesamte
in- und ausländische Literatur, die im vergangenen lalir auf lenem
Gebiet veröffentlicht ist.
Lau " ei'eres praktisches Nachsdi'agebudi für Ar/t und Apo-
theker hat die Lirina .1. D. Riedel her ausgegeben m ihren Be¬
ruhten und M'-ntor. Neben einigen chemischen Arbeiten smj in
alphabetischer Reihenfolge alle in den letzten d» Iahren als le-
merkeuswert in den Arzneisdiatz emgeb.hr teil Präparate nebst ihrer
Zusammensetzung, ihrer I igensc hatten und Anwendung dann ent¬
halten. Ebenso hat Bruckner. Lampe & Co. eine Zusamnu u-
Stelhmg nmer Arzm imiffel erscheinen lassen.
Liehe & Co. beruhten über die gesamte Lage des Vrziui-
mittelmarktes im vergangenen Jahre, aus dem wir erkennen, dass
nach der Lcberschrcitimg der IE.chhomimktur der drei letzten Ldoc.
der pharmazeutische Grosshamlcl in die Periode eines getahr ’idu n
Rückschlages emgetreteii ist. wora.uf nuht zum wenigsten die wrt-
schaftliche Lage in den Vereinigten Staaten mit ihren mannigfaltigen
folgen eingewirkt hat. Auch die neuen englischen lmiuhrbcstmi-
mungen fur pharmazeiitisclie Produkte erschweren den Hände! m
diesen Ländern so sehr, dass sich bereits mehrere l’irmen genötigt
sehen, eigene Lahr ikationsstattui im I arnle seihst zu errichten.
Die V i e r t e I i ;i h r e s s c Ii r i f t fur p r a k t i s c he Phar¬
mazie. welche vom deutschen Apotheker v ereil* he rausgt. geben wird,
bringt jeweils eine Zusammensu httng der neuesten Arzneimittel so¬
wie der Gehe immittel und Spezialitäten. An der Hand die ser \ er-
offentluhimgeii sowie eler phar maze utisjie n Zeitung mögen dieselben
in folgendem kurz referiert werden.
Arterenolum h v d r o c h I o r i c u m < Höchster L.ubw crkc'I
ist ehe salzsaure \erlnmlimg eles ReduktiorispTuduktes des Ammo-
acetobrenzkatee liins. Das Atterenoi. ehiorlivdr.it. bildet ein fein¬
körniges, geruchloses Kristallmehl, welches imdi m starker \e f dun-
iiung anästhesier ende Wirkung her v or r ult und m Dosen vm n.i ■ »»»■ 's
intravenös eingespr itzt Steigerung des Blutdiükkes liervomitt. s. >\\ se
ins Auge gebracht. Pupillenerw eileruug he rv• .rbringt. Ls hat also die
Wirkling der Nebeimiereupt äparate. ist jedoch w esentlu h imgutiger.
C Ii i n i n u rn n n e I e i n i c u m <L. Me r ck. Dar rnst.i-.lt > besitzt
die spezifische Wirkung des Chinins und die ieukozv lern ernährende
Wirkung der Nukleinsäure. Ls wird von Lenz mann m ni proz.
Aufschwemmung mit (»liveiml bei Sv plu is ange wendet.
Lüsten in (Vereinigte Chininfaln iketi Zimmer cN Co.. Lrank-
fii r t > ist eine Doppelv erhmöiirig von | heobrommnatr mm uud Nat’ium-
jodid und wird von v. Nmuilen in ai’en I a ieri. v\o eine gemein¬
same Wirkung des Theohromms zugleich mit Jod erw iinvjit er¬
scheint. empfohlen.
Ibiiiioreiioii n m h v d r o c h I o r i c u in (Höchster Labnk-
werke) stellt das salz sau re Salz des \ethv himinohnn/katechms dar.
es erscheint wie das A r tereiioltmi in a : c 11 I .i.ieti. m denen Suruaremn
Anwendung findet, indiziert, mit dem Unter Sc h;ed. dass es S'ma!
weniger giftig ist.
Jod o m e n i u (I. A. W ii’fmg. Ber'mJ wird dargestL't di|%'h
Einw irknng von W ismuttr podid aut I ;\uev. Is ist cm I ’-s.u./ der
Jodalk.(Jiell. beMf/! abet dadurch, dass der b •da’d'au erst r: a ka! -
scheu Darmtrak tus vor s: v }| ^«.ht. v > • r umn wesentmhe \ • • / :ge.
Neofot m (Carlo | iba. Mai’aiid * ist I r: • .dpheii. i vv ;s” ,ut. ein
gelbes, in Wasser unlösliches l'ulver. w ukt öirdi langsame b dab-
spaltung antiseptisch.
Digitized by Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1651
Protan (H. K. Mulford Company, Philadelphia) eine Verbin¬
dung des Tannins mit Milchkasein, kommt erst im alkalischen Darm¬
saft zur Wirkung, welche sich hier als zusammenziehend und des¬
infizierend zu erkennen gibt.
Suprareninum h y d r o c h 1 o r i c u m syntheticum
(Höchster Farbwerke) stellt einen bemerkenswerten Fortschritt in der
organischen Synthese dar. Es ist salzsaures Aethylaminoortobrenz-
katechin der Formel: C.H»(OH)*CH. OH. CH a NH(CH) 3 HCl. Was
seine Dosierung, Darreichung und Indikation betrifft, entsprechen
diese dem natürlichen Suprarenin.
T a n n y 1 (Gehe & Co., A.-Q., Dresden) ist Oxychlorkasein-
tannat, es besitzt adstringierende und antiseptische Eigenschaften und
wird in innerlichen Dosen zu 1—3 g gegeben.
Xaxaquin (Burroughs Wellcome & Co., London) stellt das
Chininsalz der Azethylsalizylsäure dar und vereinigt so die Wir¬
kung seiner Komponenten.
Von Spezialitäten und Qeheimmitteln seien folgende
nur kurz erwähnt.
A1 b i n, eine Wasserstoffsuperoxyd neben Qips und Pflanzen¬
schleim enthaltende Zahnpasta.
Andolin enthält: Eucain 0,5, Stovain 0,75, Supraren. 0,008 zu
100 ccm physiologischer Kochsalzlösung, in sterilen Ampullen
ä 0,2 ccm.
Asclerosol enthält Rakozybrunnensalz, Blutsalze des T r u n-
c e k sehen Serums und Sajodin bezw. Jodglidine.
B a r t a soll Daminaextrakt, Phosphorzink und Strychnin ent¬
halten und kommt in 4 verschiedenen Stärken in den Handel.
Betunephrol enthält in konzentrierter Form die wirksamen
Bestandteile konzentrierter Birkenblätter.
Bioglobin ist eine 5proz. weinige Lösung von Hämoglobin¬
extrakt.
B i s s u 1 i n - Suppositorien und -Stäbchen enthalten Sozojodol-
quecksilber.
B r o m o t u s s i n ist ein dem Bromum solidificatum ähnliches
Brompräparat zum Einatmen bei Keuchhusten.
B r o n c h i 1 i n e ist ein Pflaster zur Linderung des Keuchhustens,
welches Extrakte heilkräftiger Kräuter und ätherischer Oele enthält.
Carboneol: ein Steinkohlenpräparat.
Carboterpin: eine Lösung von Steinkohlen in Terpentinöl.
C e 11 a s t in: ein kohlehydrat- und fettspaltendes Ferment.
Energy ist nach den Untersuchungen von Matthes [13]
eine Mischung einer honigähnlichen Substanz mit Ameisensäure und
2 Proz. Nährsalzen.
F i 11 r a s e ist ein Diffusat von Tuberkelbazillenreinkultur.
H y g i e n o 1 soll eine Verbindung von Kresol mit schwefliger
Säure sein.
L a b o d a - Dragees enthalten 0,1 Terpentinöl und 0,05 Menthol.
Merkalator: mit Quecksilbermetall getränkte Gesichts¬
maske zum Einatmen von Quecksilber.
Parathyreoidin, ein Organpräparat der Nebenschilddrüse,
welche 0,1 wirksame Epithelkörpersubstanz enthält.
P a r a t o x i n ist ein aus der Galle durch chemische Einwirkung
gewonnenes Antitoxin.
Phthisoremid:Koch sehe Bazillenemulsion zum innerlichen
Gebrauch in Form von keratinierten Leimkapseln.
Rachisan soll bestehen aus: Ol. Jecoris-Aselli 30, Acid. Ol.
Jec.-Aselli jodati 1, Ferrum manno destillat. 15, Aqu. dest. ad 100.
S i 1 b e r s e i f e ist 10 proz. Lösung von Silbernitrat, Ammonium
oleinat.
T i m o t h e i n ist Paratuberkulin, welches durch Ausfällen aus
den Kulturen von Timotheusbazillen gewonnen wird
T u b e r k e 1 - S o c i n ist ein Glyzerinauszug von aus ge¬
trockneten, autolysierten und entfetteten Tuberkelbazillen und nach-
heriger Fällung mit Natriumwismutjodid erhalten.
T u s s i c u 1 i n besteht aus je 3,5 ätherischen Oels von Mela-
leuca Leucadendron, Serpyllum, Persica vulg. und 45,0 Alcanna tinct.
Tussinextrakt ist Malzextrakt mit kleinen Mengen von
Eucalyptol, Menthol, Thymol.
T u s s i r o I: Menthol, Eucalyptol, Thymol ana 0,2, Kal. brom. 5,0,
Spirit. 10,0, Sir. Thymi comp, ad 250,0,
Xerosin „W e i g e r t“: eine T rockenpaste, bestehend aus
Ichthyol, Acid. boric., Zinc. oxyd., Talcurti, Gelanthum.
Literatur:
1. Eichengrün: Chem. Ztg. 1908, p. 581. — 2. Berendes:
Chemikerztg. 1908, pag. 582. — 3. E. Merck: Pharmaz. Ztg. 1908,
p. 301. — 4. Gilg: D. Pharmaz. Ges. 1908, p. 284. — 5. Esch-
baum: D. Pharmaz. Ges. 1908, p. 297. — 6. Vierteljahrschr. f. ge-
richtl. Med. u. öffentl. Sanitätswesen, XXXII, p. 130. — 7. Mannich:
Ber. d. D. Pharmaz. Ges. 1908, p. 219. — 8. Enrico Ri mini: Bollet.
Chimic. Farmaceut., Fase. 5, p. 145. — 9. Utz: Pharmaz. Zentralbl.
1908, p. 383. — 10. Thoms: D. Pharmaz. Ges. 1908, p. 117. —
11. Windaus: Arch. d. Pharmaz. 1908, p. 117. — 12. Rieben:
Arch. d. Pharmaz. 1908, p. 502. — 13. Matthes: Pharmaz. Ztg.
1908, p. 380.
Neueste Journallitcratur.
Archiv für klinische Chirurgie. 86. Band, 3. Heft. Berlin,
Hirschwald, 1908.
18) R o vsi n g- Kopenhagen: Gastro-Duodenoskople und Dla-
phonoskopie. (Mit 1 Tafel und 1 Textfigur.)
20) E x n e r und Heyrovsky: Zur Pathogenese der Chole-
Hthlasls. (2. chirurgische Klinik und Institut für angewandte medi¬
zinische Chemie in Wien.)
22) C z e r n y - Heidelberg: Ueber die Blitzbehandlung des
Krebses.
24) Trendelenburg -Leipzig: Ueber die operative Behand¬
lung der Embolie der Lungenarterie. (Mit 1 Tafel und 2 Textfiguren.)
26) Braun- Zwickau: Ueber Ganglioneurome. Fall von Re¬
sektion und Naht der Bauchaorta. (Mit 2 Textfiguren.)
28) S t e i n t h a 1 - Stuttgart : Zur Dauerheilung des Brust¬
krebses. (Mit 1 Textfigur.)
30) C r e d 6 - Dresden: Gastroenterostomla caustica. (Mit 3 Text¬
figuren.)
Vorträge auf dem 37. Chirurgenkongress. Referate s. No. 18—23
dieser Wochenschrift.
19) Hashimoto und Saito: Erzielung tragfähiger Amputa¬
tionsstümpfe durch Nachbehandlung nach H. Hirsch Im Russisch-
Japanischen Kriege 1904 05. (Mit 6 Textfiguren.)
Da die verschiedenen Methoden zur primären Herstellung trag¬
fähiger Stümpfe für den Kriegsfall meist zu zeitraubend und um¬
ständlich sind, kommt als Amputationsmethode für den ersten Ver¬
bandplatz nur die einfache Amputation mit Zirkelschnitt in Frage. Da
diese Stümpfe aber an und für sich nicht tragfähig sind, empfiehlt es
sich, sie durch die Nachbehandlung nach Hirsch tragfähig zu
machen, was bei einer Behandlungsdauer von 5—6 Monaten in der
Regel gelingt. Die Verf. hatten bei diesem Vorgehen in 38 Fällen
sehr gute Resultate.
21) W i n t e r n i t z: Operation der Gaumenspalte mittels Platten¬
naht. (Stefanie-Kinderhospital in Ofen-Pest.) (Mit.2 Textfiguren.)
W. sichert die Gaumenspaltennaht durch zwei Plattennähte, die
die Knopfnähte entlasten und eine ausgedehntere Berührung der Lap¬
penränder gewährleisten, wodurch die Nahtlinie sich förmlich kamm¬
artig emporhebt. Er erzielte mit dieser Methode bei Kindern unter
2 Jahren in 62,5 Proz., bei Kindern zwischen 2 und 4 Jahren in
42,8 Proz., und bei Kindern zwischen 4 und 15 Jahren in 90 Proz.
vollständige lückenlose Heilung der Spalte durch einen einzigen Ein¬
griff. Die besseren Resultate bei kleineren Kindern als bei denen
zwischen 2 und 4 Jahren erklärt W. damit, dass die kleinen Kinder
«ich ruhiger verhalten als die etwas älteren. Er operiert deshalb am
liebsten zwischen V/s und 2 Jahren, und zwar nur im Sommer, weil
die Kinder im Winter mehr zu katarrhalischen Erkrankungen neigen.
23) Beck: Ueber Osteoarthritis deformans endemlca Im Trans-
baikafgeblet.
Verf. beschreibt eine eigenartige im Transbaikalgebiete en¬
demisch vorkommende schwere Erkrankung der Knochen, an der
in 11 Ortschaften 1009 Personen. 32 Proz. aller Untersuchten, litten:
der Prozentsatz der Kranken betrug in einzelnen Orten bis zu
46,5 Proz. der Einwohner. Das klinische Bild der Erkrankung, die
am nächsten der Arthritis deformans verwandt ist, ohne aber mit ihr
identisch zu sein, ist charakterisiert durch Verdickung der Gelenke,
Knarren, Bewegungsbeschränkung und Kontrakturen, Vergrösserung
der Knochenhöcker und der Cristae. zuweilen auch durch Wachs¬
tumshemmung des Skelettes oder einzelner Knochen. Am häufig¬
sten sind die Interphalangealgelenke der Finger und die Ellbogen,
in zweiter Linie die Knie-. Hand- und Fussgelenke, seltener die Hiift-
und Schultergelenke ergriffen. Die Krankheit ist gewöhnlich poly-
artikulär. Das Leiden entwickelt sich meist schleichend bei Kindern
zwischen 8 und 13 Jahren ohne allgemeines Unwohlsein und Fieber,
und ohne lokale Entzündungserscheinungen. Allmählich werden
immer mehr Gelenke ergriffen, wobei aber niemals Eiterung oder
Ankylosen Vorkommen. Das Wesen der Krankheit sieht B. in einer
Knochenerweichung, wobei es unter der Zugwirkung der Muskeln
hauptsächlich zu einer Deformierung der Epiphysen kommt. Die
Knochenhöcker und Cristae verlängern sich unter dieser Zugwirkung
und die Epiphysen platten sich ab; die Diaphysen sind in der Regel
unverändert. Die manchmal beobachteten Wachstumshemmungen
scheinen durch frühzeitige Ossifikation bedingt zu sein. Die Pro¬
gnose quoad vitam ist günstig: oft kommt es auch zum Stillstand
der Krankheit, während die Deformitäten sich nicht wieder zurück¬
bilden. Die Ursache der Krankheit ist allem Anschein nach in einer
gewissen Beschaffenheit des Trinkwassers zu suchen, die aber noch
nicht näher nutersucht ist.
25) Bayer-Prag: Prostatadehnung. (Mit 1 Textfigur.)
B. empfiehlt für gewisse Fälle von Prostatahypertrophie mit Re¬
tention und krampfhaftem Harndrang die Dilatation der Prostata mit
einem von ihm konstruierten Instrumente, mit dem er in mehreren
Fällen vorzügliche dauernde Erfolge erzielte. Die Fälle, die sich zu
der Behandlung eignen, müssen sorgfältig ausgewählt sein; alle Fälle
mit manifesten Abszessen, hohem Fieber und jauchiger Zystitis sind
selbstverständlich ausgeschlossen.
Digitized by (^QuQie
Original frorn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1652
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N«>. 31.
* 27) Parlavecchio - Palermo: Ein Fall aleukämischer
Lymphadenle von endothellomatöser Natur. (Mit 2 Tafeln.)
P. bringt ausführliche kritische Bemerkungen zur Systematik der
sogenannten Pseudoleukämien und beschreibt einen eigenartigen Tüll,
dessen histologische Untersuchung ein Kndotheliom ergab. Die Aus¬
führungen eignen sich nicht zu kurzem Referat.
29) Westcrgaard: Ueber Nervenläslonen bei Driisenexstlr-
patlon am Halse. (Chirurgische Klinik in Kopenhagen.)
W. beobachtete bei zwei Patienten, bei denen der Ak/essorius
gelegentlich einer Drüsenexstirpation durchschnitten war, sehr un¬
angenehme Beschwerden, Schmerzen in der Halsseite und der
Schultergegend, in den Arm ausstrahlend, die auf das Herabliängen
des Armes infolge der Kukullarisparese zuriickzutiiliren waren. Durch
Anlegen eines Korsetts mit Stütze für die Schulter Messen sich die
Beschwerden vollkommen beseitigen. Zur Vermeidung einer Läsion
des Akzessorius ist es w ichtig, dass die Inzisionen am hinteren Rande
des Sternokleido nicht über die Mitte des Muskels herabgefuhrt
werden.
31) Peltesohn: Beiträge zur operativen Behandlung der
Knochenbrüche und Ihrer Folgen. (Chirurg. Abteilung des Kranken¬
hauses am Urban in Berlin.) (Mit 37 Textfiguren.)
Schluss folgt. H e i n c k e - Leipzig.
Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Band 62,
Heft 2. Stuttgart 1908, F. Enke.
h. A 1 b r e c h t - München: Die praktische Verwertbarkeit der
Leukozytenbestimmung für die Diagnose entzündlicher Erkrankungen
des weiblichen Genitale.
Bemerkungen zu der Erw iderung R. B I ti m e n t h a I s.
W. W c i b e 1 - Wien: Das Verhalten der Ureteren nach der er¬
weiterten abdominalen Operation des Uteruskarzinoms.
Die Schlussfolgerungen lauten dahin, dass eine nach der l'terus-
krebsoperation iniolge Nekrose entstandene Urcterscheidcnfistel so
lange als möglich konservativ zu behandeln ist. wobei abweichend
von deni Standpunkt, den Franz einnimmt, systematische I ou-
chierungen der Fistel mit Jodtinktur, eventuell Lapis vorgenommen
werden. Zeigen sich anhaltende Symptome einer auisteigendeii Er¬
krankung der Niere der von der Fistel betroffenen Seite, so wnd
uephrektomiert. Implantiert wird nur. wenn die Exstirpation der
Niere wegen Erkrankung der anderen unausführbar ist.
L. Adler und H. T h a I c r - Wien: Experimentelle und klinische
Studien über die Graviditätstetanie.
Es ist den Verff. gelungen, durch Tierversuche den geradezu
gesetzmässigen Zusammenhang zwischen Epithelkor per und Gravkli-
tätstetanie nachzuweisen. Diese beruht auf einem H\ poparathy reoi-
dismus.
P. D ü r i g - Nürnberg: Ueber den Einfluss des Selbststillens der
Mütter auf die Neugeborenen in den ersten Lebenslagen.
Es besteht ein unverkennbarer Einfluss der Art der Ernährung
auf das Gedeihen des Säuglings; am wenigsten bemerkbar, wenn auch
immerhin deutlich, ist dieser Einfluss bei gesunden, kräftigen Kindern,
am augenfälligsten und am meisten beweisend aber bei frühreifen
oder schwächlichen (Zwillings-) Kindern.
G. S c h u h c r t - Breslau: Ueber die Genese der Hämatosalpinx
bei Hämatometra unilateral!».
Genaue Beschreibung eines dieser seltenen Talle, der \<m
Kiistner bei einem 19jährigen Mädchen operiert wurde. Eiir das
Zustandekommen stützt Verf. sich auf die „Refluxtheoric*’.
W. H a r m e s - Breslau: Was leistet die Zystoskople hinsichtlich
der Indikation»- und Prognosenstellung der abdominalen Krebs¬
operation?
Die Zystoskopie gibt Aufschluss über die Beschaffenheit des
Septum vesico-cervieale. Man kann damit fcststelleu, ob es noch
völlig frei ist, und somit die Blasenablösung leicht sein wird, oder ob
das Karzinom sich der Blasenwand sclnm nähere, ob es wahr¬
scheinlich die Zervixschalc schon durchbrochen habe, und in das
lockere Bindegewebe des Septum propagiert sei. Damit werden
diese Fälle nicht inoperabel, aber doch viel schwieriger zu operieren,
da man darauf gefasst sein muss, eine Blasenw and- oder Ureter¬
resektion zu machen.
K. Holzapfel - Kiel: Verbrennungserscheinungen am Epithel.
Scheinbare Anaplasie von Krebszellen.
Gebhard hat eine eigenartige Form hochgradig atypischer
Karzinomzellen beschrieben, die ihre epitheliale Natur verloren haben
und als langgestreckte, spindelförmige Gebilde Bindegewebszelleii
ähneln. Verf. glaubt, dass diese Zellenatypie die Folge der vorher
vorgenommenen Kauterisation ist und konnte das am lebenden und
am eben exstirpierten Uterus experimentell beweisen.
R. Oeri jr. -Basel: Ein Fall von Uterus pseudodidelphis rudi-
mentarius gravidus.
Beschreibung eines sehr interessanten, jedenfalls äussert seltenen
Talles. Die Rat. hatte einige Jahre vorher normal geboren. Jetzt
war sie in dem rudimentären Uterus gravida. das Kind war fast ans¬
getragen und dann abgestorben. Die Differentialdiagnose war sehr
schwierig. Es wurde schliesslich durch Laparotomie der Uterus ex-
stirpiert. Werner- Hamburg.
Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynieofocfe.Bd.XXYH.
Heft 5.
1) K e r m a u n e r - Heidelberg: Das »ogen. Dekubitalgeschwür
beim Prolaps.
Bei den Prolapsulzcrationcti handelt es sich muh \ cri.s Ansicht
nicht um Dekubitusgeschw ui e. Sondern um Rissverletzungcn der
oberflächlichen altersatrophischeil >chkmih.iut. Dafür sprüht neben
der seml-atrophischcn leidem haut. dem fernen Aussehen und der
grossen Heilungstenden/, die Gestalt ( la-ugliah-sc h'iiztormig > und d.is
Verhalten der Ränder. Die Riss- oder Bcrsp.ingsgcsdiw'ktc sind
bei dei Neigung der Schleimhaut zu Atmphie und >chrumKimg im
die Dauererfolge der operativ eil Behandlung ein günstiges /euheri
2) Schulte-! Messen: Leber erfolgreiche SugKcstivbehandlung
der Hypcremesis gravidarum.
Bericht aus der Giessener Klinik über |s Tahe Die Schwanger¬
schaft wurde m keinem lalle unterbrochen. I me (»rganer kr .mstmg
wurde me konstatiert, dagegen reine Hvsuric iMmall find Nervosi¬
tät mit „erhöhter Rcflcxcrregbarkeif tsmaib Dies mul der thera¬
peutische Lflckt (mit Bettruhe. Ihat. Suggestion) sprecht^ dalur, d.iss
die Hvpcreniesis ohne nachweisbare Schädigung nmc rer (Lganc em
rem psychogenes, durch Sc hw aiigcr Sc halt ausgeiostis >\ mptojii ist.
das durch Suggestion mit Sicherheit zu heilen ist.
3) M. B r e n n e r - Heidelberg: Ein Fall von beginnendem Chorio-
eplthelioma malignum mit frischer kleiner Metastase In der Scheide.
(Schluss im nächsten Heft.)
41 L a ii g c - Bosen: Mitteilungen über das Puerperalfieber Im
Regierungsbezirke Posen nach den Ergebnissen des neuen Ermitt¬
lungsverfahren» In der Zelt von November IWfc bis November I«MIT.
\\ e i n b r e n n e r - Magdi 'mg.
Zentralbtatt für Gynäkologie. No. 2 ( > 3n. !**><*.
M. H o f m e i e r - \\ nr/bürg : Der ..extraperitoneale** und der
„suprasymphysäre“ Kaiserschnitt.
II. hat in 2 Fallen mit nicht um erdaytrtigcm 1 U rtismh.i,t doi
extraperitonealeu Kaiserschnitt nadi I r a n k s \orHli,. K t'ii \csimi:.
Im ersten (34 ialir. I. Baia» risc d.is Per itoiict.m Iw mi \!>vl: iL»
etwas em. wurde aber gleich wieder \cruaht. Der k-,nf »i.u^’e mit
dem Tor/eps entwickelt werden. Sonst \unei »kt I .ii: t u Mutte:
und Kind günstig. Im 2. T.tll (2‘Hahr. I Para) bi kam M u.e B asc
überhaupt nicht zu (iesidit; ein A bs v mdu n des Pirikkuums \.*n ihr
war also ganz uimiogbdi. Nadi s.igittaler 1 *»-r? i ung di sv,. .h t n ze er¬
sieh die Lmsc hlagstelle erst lief unter di m lUvke-u i- \.u\i
Rekonvaleszenz durch Lieber gtsp.it; Sch.iissl.vii verlul a i'
g 111C k 11 dl.
H. empfiehlt, bei ausgesprochener Zersetzung des l U r uvuli.i .tc s
den unteren Wundvvmkel zu ibamiereii. Als Irsatz f , r de n k ,«s-
sischeu Kaiser sdniitt kann H. ek n evtrape r ifo-iie ak n ^d'.mtt m*M
anseheil. Nur emptiehlt er. den s.rgittaku Schnitt im I tenis swttt in
den oberen Teil des Korpus m den unteren gedehnten len des [ terus
ZU Verlegen. So bleibt der extraperitoneale k aiseu sdmitt 1 . r :.e
unsauberen Talle um! elcr suprasv s.tre in ek m >unw. d.t^s d«e
l ’tcrusw uiule möglichst tief in ek r vorderen Warn! und ebdt
halb eler Sympfu se angelegt wirel. für die r einen l.ie.
N a c k e - Bei Im : Pcrforatorium.
Das im geschlossenen Zustande e iner I an/e am licl e Ir.st: mm :•.{
soll verschiedene Vorzüge v or ek m sc her e nun li ege n Pe r n i .iP"um
besitzen. Zu haben bei 11. W indler ui Berlin.
P. Esc h - Marburg: Leber Kernikterus der Neugeborenen.
Ausser eien beiden gewöhnlichen Tonnen des Ikterus ne• >•’. 1 1■ ■rum,
dem sog. emiachen oelei ph\si< .gtsdieii tmd dem s\ mptom.tr.s,.! e n.
haben Schmoll mul Beneke nocli eine elntte l'o-jn Ins luiebeH,
die sie ..Kernikterus” nannten, weil vl.de 1 eine intensiv c (ic b-
farbnng bestimmter Nerv cuketngebicie im (lehirn und Rud.i om. r k,
vorkam. Th beschreibt einen emsc hlagigcn Iah eunr _h. 1.1 r:: ;cen
IV. Para, der am 7. Lebenslage zugrunde ging. K'imsch Iw nie 1 V e ns-
wert waren neben eiern Ikterus toumche Krampte und h; '’.'W
Symptome, als Rcspir.itionssp fingen mw! >chltickK sj;w e * de n. I m -
selben Erscheinungen boten du beiden 1 ,i"e vop P. e n e k e. tberis..
elas Fehlen luetischer Aetmlogie. Die Prognose ist stets mi.rast
E. M. S i m o n s - Lhar iotteiibm g Der „schneckenförmige“
Uterus.
S. erinnert daran, dass er sdum im Ldrc e' M e Am m..t he
des Uterus beseht leln-n habe, die er ..post';, Krwkmg o.h :
Co! tapiroide der Franzosen nannte, im ! die n :t dem v • • B • ■ s 1
kürzlich (et. diese \\ oclienschr. No. 22. > 11«M 1 lu s v ‘um n
sclmeckenformigen 1 tenis identisch s L ui n!e. Viu h v hat d.f'WiS
em Intrauterinpessar zur Behandlung dagegt n 1 mp* •'•h. v
J alle- Han bmg.
Gynäkologische Rundschau. Jahrgang II. Heft 13.
Alex. R o s n e r - Kra'.ati: 7ur Blutstillung bei Hebosteotomie.
(Mit 2 Text figuren.)
Beschreibung eines zaMgenfo? m ww n I• str imw s /ur Bh::s: "urg
bei der !lehostcotonue. I'.e Brand.-. u tMan K weg’: Je Vdrbi-
platten. welche mit einem (iiimnhp- -Sv.<■ t ^.g c n sind; die eine
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1653
Branche wird in die Vagina eingeführt, die andere drückt von aussen
gegen das durchsägte Schambein. Verfasser wandte das Instrument
zweimal bei der Hebosteotomie nach D ö d e r 1 e i n mit Erfolg an.
(Fabrikant: Georg H ä r t e 1 - Breslau.)
Richard S c h 1 i c h t i n g - Magdeburg-Sudenburg: Zur Therapie
der Retroflexio uteri gravid! fixata. (Aus der gynäkologischen Ab¬
teilung der Krankenanstalt Magdeburg-Sudenburg.)
Verf. beschreibt nach Wiedergabe der diesbezüglichen Literatur
2 Fälle von fixierter Retroflexio uteri gravidi (31 jährige V. Gravida,
37 jährige X. Gravida). In beiden Fällen Laparotomie mit Lösung
der Adhäsionen, teils scharf, teils stumpf; im ersten Falle Ventrifixur
nach Olshausen, im zweiten intraperitoneale Raffung der Ligg.
rotunda.
Verf. vertritt den Standpunkt, dass bei fixierter Retroflexio des
graviden Uterus bei beginnender Inkarzeration nach vergeblichen
Repositionsversuchen die Lösung der Verwachsungen und Richtig¬
stellung auf abdominellem Wege der Einleitung des künstlichen
Abortes vorzuziehen sei.
G. Heinricius - Helsingfors: Ueber das Hebammen wesen in
Finnland.
Der Aufsatz enthält einen geschichtlichen Ueberblick über die
Entwicklung des Hebammenwesens in Finnland, Anstellungs- und
Gehaltsverhältnisse der Hebammen in Stadt und Land, zum Schluss
eine ausführliche Beschreibung der Ausbildung der Schülerinnen in
der Hebammenlehranstalt zu Helsingfors.
A. Rieländer - Marburg.
Archiv ffir Hygiene. 66. Bd. 4. Heft. 1908.
1) K. B. L e h m a n n - Würzburg: Ueber die Fähigkeit der
Schweissaufnahme von Wolle und Baumwolle.
Cramer hatte auf Grund von Versuchen die Behauptung auf¬
gestellt, dass die Wolle für Schweissbestandteile eine bessere Durch¬
lässigkeit besitze wie die Baumwolle. Die Schweissbestandteile
wanderten durch die Wolle hindurch nach aussen. Lehmann
prüfte mit Siegler die Frage nach, indem nach mehrstündigem
Gehen die wollenen resp. baumwollenen Strümpfe, das Fusswasch-
wasser und das Waschwasser aus den Schuhen auf Chlor untersucht
wurde. Dabei ergab sich, dass der Baumwollsocken mehr Chlor ent¬
hielt als der Wollsocken — wie auch Cramer fand. Durch den
Strumpf hindurch geht aber überhaupt nur meist wenig in Einlage
und Schuh. Das, was sich im Wollstrumpf weniger findet von Chlor,
findet sich an der Haut des Fusses mehr. Wurde an einem Fuss ein
Baumwollstrumpf über den Wollstrumpf und am anderen Fuss der
Wollstrumpf über den Baumwollstrumpf gezogen, so wanderte im
ersten Falle nur sehr wenig in dem äusseren Strumpf hindurch, im
zweiten Falle aber noch weniger.
2) C. Lubenau -Beelitz: Zur Säurebildung der Diphtherie-
bazillen.
Diphtherie- wie diphtherieähnliche Bakterien bilden auf gewöhn¬
licher Bouillon Säure, was auf Kohlehydratzersetzung zurückzu¬
führen ist. In kohlehydratfreiem Nährboden wird von Diphtherie¬
bazillen Alkali gebildet, aber nur bei Sauerstoffzutritt. Andernfalls
entsteht ebenfalls Säure. Diphtherieähnliche Bakterien bilden kaum
Alkali. Lässt man durch Koli die grösste Menge Eiweiss vergären,
so bildet Diphtherie trotz Mangel an Kohlehydraten Säure, dies
beruht wahrscheinlich auf Umsatz von Eiweisskörpern. Am reich¬
lichsten bildet Diphtherie Säure aus Traubenzucker und Dextrin,
weniger aus Maltose und Lävulose, am wenigsten aus Laktose und
Saccharose. Aus letzteren beiden Substanzen können aber diph¬
therieähnliche Bakterien unter Umständen mehr Säure bilden, wie
die Diphtherie. Bei Glyzerinzusatz steigt die Säurebildung und
ebenso bei stärkerer Konzentration von Kohlehydraten.
3) Ernst Sauerbeck -Basel: Vorkommen und Eigenschaften
der Diphtheriebazillen bei Diphtherierekonvaleszenten.
Diphtheriebazillen können wochen- und monatelang über das
Ende der Krankheit hinaus beim Patienten gefunden werden. Die
Persistenz ist aber weiten Schwankungen unterworfen, sie ist an
verschiedenen Orten und an demselben Orte bei verschiedenen Pa¬
tienten und in verschiedenen Epidemien verschieden. Stehen die
Patienten in Spitalbehandlung, so enthalten diese nach des Verf. Be¬
obachtungen weniger lange die Bazillen als Privatpersonen an dem¬
selben Orte. Eine Abnahme der Virulenz ist im Verlauf der Re¬
konvaleszenz nicht festzustellen. Ausser den virulenten Diphtherie¬
bazillen können auch avirulente Diphtheriebazillen persistieren.
Ueber die Dauer der Bakterienpersistenz und die Schwere des
Krankheitsbildes lassen sich Beziehungen nur schwer finden. Mög¬
licherweise besteht doch ein gewisser Parallelismus.
4) Walther Gaethgens-Strassburg: Ueber die Beschleuni¬
gung der Agglutination durch Zentrifugieren mit besonderer Be¬
rücksichtigung der Meningokokkenagglutination.
Die Agglutination lässt sich bei Meningokokken wie auch bei
Typhus und Paratyphus durch Zentrifugieren auf eine kürzere Be¬
obachtungszeit von 10 Minuten abkürzen. Abgetötete Meningokokken
werden gerade so gut agglutiniert wie lebende. Aeltere Kulturen,
etwa 48 Stunden alt, eignen sich besser. Auch Koli- und Pneumo¬
kokkenagglutination lässt sich durch Zentrifugieren beschleunigen.
5) Hans Benndorf und Wilhelm Prausnitz -Graz: Appa¬
rat zur Demonstration der Verteilung von Licht und Schatten bei
Beleuchtung von Gebäuden durch die Sonne.
Auf das kleine Tischchen des Apparates wird ein kleines Modell
des zu bauenden Hauses gesetzt, welches bei verdunkeltem Zimmer
durch eine Nernstlampe beleuchtet wird. Durch Drehen und Neigen
des Apparates erzielt man die Beleuchtung, wie sie jedem Tage und
jeder Stunde des Jahres entspricht.
R. O. Neumann -Heidelberg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 30. 1908.
1) J. Hofbauer -Berlin: Grundzüge einer Antifermentbehand¬
lung des Karzinoms.
2) A. Sticker -Berlin: Die Beeinflussung bösartiger Ge¬
schwülste durch Atoxyl und fremdartiges Eiweiss.
3) Ed. Falk- Berlin: Injektion von Plazentarblut bei Karzinom.
Hinsichtlich dieser 3 Vorträge vergl. den Bericht der Münch,
med. Wochenschr. über die Sitzung der Berl. med. Gesellsch. am
1. Juli 1908.
4) v. Bergmann und Bamberg-Berlin: Zur Bedeutung des
Antitrypsins Im Blute.
Versuche an Hunden ergaben, dass subkutan oder intraperitoneal
einverleibtes Trypsin die antitryptische Kraft des Serums steigert,
zuweilen schon innerhalb 24 Stunden. Die Steigerung scheint nicht
entsprechend einer längeren Vorbehandlung mit Trypsin zu steigen.
5) L. B r i e g e r - Berlin: Entfettung und Entwässerung bei
hochgradiger Fettsucht.
Mitteilung der bei 2 Fällen in Anwendung gezogenen diätetischen
und physikalischen Therapie, die in Kombination der modifizierten
K a r e 11 sehen Milchkur mit Hydrotherapie bestand.
6) Jul. C i t r o n und K. Reicher - Berlin: Untersuchungen
über das Fettspaltungsvermögen syphilitischer Sera und die Be¬
deutung der Lipolyse für die Serodiagnostik der Lues.
Die Verfasser prüften die lipolytische Kraft syphilitischer Sera
in Parallele zu ihrem Komplementbinduagsvermögen. Es fand sich,
dass fast alle Sera mit positiver Kofhplementbindungsreaktion ein
höheres Fettspaltungsvermögen als | die negativen Sera aufwiesen.
Ein völliger Parallelismus zwischen Wassermann scher Reaktion
und lipolytischem Vermögen besteht übrigens nicht, doch liefert obige
Feststellung eine Erklärung für gewisse andere Beobachtungen bei
der Wassermann sehen Reaktion.
7) A. W.olff-Eisner-Berlin: Ueber Versuche mit verschie¬
denen TuberkelbazIUenderivaten. (Schluss folgt.)
8) Casper-Berlin: Zur Therapie der Prostatahypertrophie.
An 5 Fällen von Prostatahypertrophie erwies sich die Röntgen¬
bestrahlung als vollkommen wirkungslos. Die Erklärung liegt darin,
dass es sich bei genannter Krankheit um bindegewebige, meist nicht
drüsige Tumoren handelt. Die moderne Therapie wird durch die
suprapubische Prostatektomie beherrscht, daneben den aseptischen
Katheterismus.
9) M. O v e r 1 a c h - Berlin: Die Allophansäure und ihre Be¬
deutung für die Chemie der Heilmittel.
Die Säure an sich ist für den Organismus indifferent, in ihren
Verbindungen zeigt sie aber bemerkenswerte, besonders für thera¬
peutisch wirksame Stoffe wichtige Eigenschaften, z. B. Milderung
scharfen Geschmackes (bei Santalol, Rizinusöl, Kreosot).
10) G. D i e s s e I h o.r s t - Berlin: Ueber Bleiausscheidung nach
innerlichem Gebrauch von Plumbum aceticum.
Verfasser untersuchte von 2 Patienten, welche PI. acet. ein-
nahmen, Urin und Schweiss. • Blei fand sich darin in kleinen Mengen
vor. Eine vermehrte Ausscheidung von Blei im Schweiss durch das
Lichtbad gegenüber anderen Schwitzprozeduren ergab sich nicht.
11) H. E. Kanas u gi-Tokio: Ueber die Dehiszenzen der
Kieferhöhle.
An 3500 Schädeln fand K. 26 mal solche Dehiszenzen, deren
praktische Bedeutung bei Erkrankungen der Kieferhöhle kurz dar¬
gelegt wird. Dr. Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908 No. 30.
1) v. Pirquet-Wien: Das Verhalten der kutanen Tuberkulin¬
reaktion während der Masern.
Während der Masern reagieren tuberkulöse Kinder ungefähr
eine Woche lang nicht auf Tuberkulin; Verf. bringt dies damit in
Zusammenhang, dass erfahrungsgemäss die Tuberkulose während der
Masern sehr oft an Ausbreitung gewinnt. Erhält man bei einem auf
Masern verdächtigen Kind neben dem Exanthem eine deutliche posi¬
tive Tuberkulinreaktion, so kann man Masern ausschliessen. Tabel¬
larische Uebersicht über 24 Masernfälle.
2) Werner Schultz-Charlottenburg und R. Chiarolanza-
Neapel: Untersuchungen über das proteolytische AntifermenL
Die verdauende Kraft des Eiters wurde gehemmt durch Zusatz
von Blutserum, eiweisshaltigen Ergüssen, Zellbrei von Speichel¬
drüsen, Nieren, Schilddrüse, Lymphdrüsen, Muskeln, auch Tumoren,
namentlich Karzinom.
3) Ha mp ein-Riga: Zur Frage der Mitralstenose.
Verf. findet, dass reine, d. h. nicht durch Insuffizienz derselben
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1654
MUKNCHKNHR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Klappe komplizierte Mitralstenose verhältnismässig häufig (10 bis
20 Proz.. sämtlicher Mitralklappenfehler) vorkommt und verhältnis¬
mässig gutartig ist, d. h. gut kompensiert ist. Geräusch kann gering
sein oder fehlen, wie 3 sezierte Fälle lehrten.
4) Rud. E h r m a n n - Berlin: lieber schweren Diabetes Infolge
syphilitischer Infektion.
Gesunder 46 jähriger Mann ohne hereditäre oder nervöse Be¬
lastung erkrankt gleichzeitig mit Auftreten eines syphilitischen
Exanthems an schwerem Diabetes, der nach Aussetzen der Schmier¬
kur unter antidiabetischer Behandlung in 8 Tagen heilte. E. vermutet,
dass vielleicht ein vorübergehendes Versiegen der inneren Sekretion
des Pankreas durch Stoftwechselprodukte der Spirochäten zu¬
grunde lag.
5) R. F o g h - Kopenhagen: Ein Fall von posttyphöser, sup-
purativer Knochenentzündung mit ausserordentlich langwierigem
Verlaufe.
Das Leiden zog sich durch 23 Jahre hin; bei den operativen
Eingriffen fanden sich im Knocheneiter Typhusbazillen in Reinkultur.
Die erste Lokalisation des Bazillus nach dem Ileotyplins fand sich
im linken Femur, welches 1 Jahr früher einen Stnss und dadurch einen
Locus minoris resistentiae erhalten hatte.
6) Leo Bornhaupt - Riga: Zur operativen Behandlung der
Pancreatitls acuta.
In dem mitgeteilten, mit Erfolg operierten Fall konnte die Dia¬
gnose schon vorher per exclusionem gestellt werden: Anhaltende
unerträgliche Schmerzen im Epigastrium, plötzlich entstanden Er¬
brechen, trockene Zunge, schlechtes Aussehen, Verhaltung von Stuhl
und Winden; guter Puls, normale Temperatur, weicher Leib, keine
geblähte Darmschlinge, keine sichtbare Peristaltik; Zucker im Urin.
Die Bedeutung der möglichst frühzeitigen Operation liegt nach B.
namentlich auch in der Entspannung des infiltrierten retroperiionealen
Gewebes und Wiederherstellung der normalen Blutzirkulation im
Pankreas.
7) E. K i r s c h - Magdeburg: Rachitis und Skoliose.
Schuluntersuchungen ergaben, dass beim Eintritt in die Schule
schon 7 Mal soviele fixierte ^koliosen — fast alle rachitisch, soweit
nicht angeboren — vorhanden sind als während der Schulzeit hinzu¬
kommen. Die Schiefhaltung in der Schule führt nicht zu so schweren
Formen.
8) T a 1 a t - Konstantinopel: Universeller Favus. Abgebildet.
9) Rud. Hirt- Mannheim: Präzisionssauger für kleinste Flüssig¬
keitsmengen.
In einem Zylinder 2 ineinandergehender Kolben, deren Kolben¬
stangen in Gewinden drehbar sind; der innere Kolben wird mittelst
Mikrometerschraube für feinste Einstellung bewegt.
10) J. Ts u z u k i - Tokio: Das Mllltärsanltätswesen In Japan.
R. Grashey - München.
Österreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 30. E. P r i b r a m - Wien: Lieber Beziehungen zwischen
chemischer Konstitution, physikalisch-chemischen Eigenschaften und
pharmakodynamlschen Wirkungen.
Zur kurzen Wiedergabe nicht geeignet.
R. K r a u s, R. Doerr und Lohma- Wien: lieber Anaphylaxie,
hervorgerufen durch Organextrakte (Linsen).
Mit Extrakten aus Rinderlinsen subkutan vorbohamlcltc Ka¬
ninchen zeigten nach 3 Wochen intravenös mit Riiulerlinsenextrakten
nachinjiziert die typischen Erscheinungen der Anaphylaxie. Diese
Anaphylaxie ist nicht so spezifisch, wie die durch Serum herxor-
gerufene. Die mit den Linsen einer Tierart vorbehandelten Tiere
reagierten anaphylaktisch auch auf den Linsenextrakt von anderen
Tieren. Mit Serum vorbehandelte 'Tiere reagierten auf Liusenextrakte
nicht. Aus weiteren Versuchen ist zu schliessen. dass die Linse
neben Präzipitinogen noch ein Antigen enthält, welches den ana¬
phylaktischen Reaktionskörper auslost. Der Reaktimiskorper ist
spezifischer als das mit Linsen erzeugte Präzipitin, insofern es bei
aktiv und passiv vorbehandelten Tieren nur auf das Antigen der
Linsen reagiert, nicht aber auf das Serum.
H. R e i e h e I - Wien: Die Gesetze der peptischen Verdauung.
Uebersicht über die bisher aufgestellten Gesetzmässigkeiten mit
11 Gleichungen.
L. M ekler- Ufa (Russland): Zur konservativen Behandlung
chronischer Eiterungen des Epltympanum.
Beschreibung zweier mit Erfolg behandelter Fälle, wobei das
Einführen der Arzneistoffe in den Kuppelraum dadurch erleichtert
wurde, dass der Kranke in liegender Stellung mit herunterhängendem
nach der kranken Seite umgew endeten Kopf gehalten w urde. Die
eingeblasene Borsäure gelangt so in die äussersten Winkel des
Epitympanums. Bei täglicher Wiederholung dieser Borsäurebe¬
handlung kamen die hartnäckigen Fälle ziemlich bald zur Ausheilung.
K. v. S c h i 11 e r - Ofen-Pest: Kalter Abszess in der Glandula
thyreoldea.
Der siebente bis jetzt beobachtete Fall ist dadurch bemerkens-
" h dass die Diagnose der Schilddrüsentuberkulose mit grosser
' ■heinlichkeit schon vor der Operation gestellt werden konnte.
Auch hier lag eine sekundäre Erkrankung an Tubcfkulr.se \ur. Xus
dem later liessen sich nur auf dem kioinpcchcr-Zimmcr-
m a n n scheu Nährboden Tuberkelba/illciikulturen er/ic’.cn.
E. H oke-Prag: Streptokokkenaggressin im Blute bei Sepsis
puerperalls.
Vergleichende Versuche an zwei Meerschweinchen. Das eine
erhielt normales Menschenserum und eine Mreptok->kkenb«»ui oii-
kultur subkutan, das andere das Serum der betreuenden an Puer¬
peralsepsis Erkrankten lind dieselbe Menge der StrcpP >k.>kkcnkuittir.
Alis dem Umstand, dass das crstcre her nadi 2t». das /weite bereits
nach Hl Stunden zugrunde ging, ist auf das \. «ritande nsein eines
Streptokokkeiiaggressms i in Blute der Kranken zu s». Iinesseti.
M. v. Schroetter und M. W e i n h c r g e r - W ien : Zur
Kenntnis der Kolibazillose der Respiratlonsorgane. (Schluss t< !g:3
D. Pospischill: Ueber Diphtberietheraple. Versuche einer
Behandlung der schwersten Fälle mit Adrenalin-kochsalzinjektionen.
(Schluss.)
fünf sehr genaue Krankengeschichten; drei Eu'Ic geheilt, zwei
gestorben. P. sucht den schwersten lallen der R.ic In. mhpMhc r vc
mit folgender Therapie bei/ukt.mmeii: Möglichst fniiie, sehr grosse,
meist einmalige Seiumdosis <2o 3o mal I3oo Antitoxine in).eiten,
davon einen I eil. bis höchstens je 5 I laschdien, lokal in der Kieter-
w mkelgegeiid injiziert) und ausgiebige Adrcn.bmgabcii bei grosser
Blasse, Brechreiz, ausset/endem. in der Spannung her al g<. set/teni
Puls: zwei- bis xiermal täghdi Injektionen \..ji ISi g ph\sn >;• -gisc her
Kochsalzlösung mit 3 g Adrenalin und einmal tag.idi 3 g Xdu n.t.m
innerlich. Der Einfluss besoiideis der Adr eiialtmmektioncn aut den
Puls ist oft ein sehr guter. Die bei den tauf Kranken xcrahrciditcii
Adrcnalmmcngcn betrugen, bei den vir c i (leheilteii bis zu 71 g sub¬
kutan lind M g intern, bei den Gestorbenen Ins zu 11> g subkutan
und S7 g intern betragen.
Der Behandlung und Pflege solcher schwersten l alle muss and;
im übrigen die grösste Sorgialt zugeweidet werden. P. tritt u. a.
fiir eine frühzeitige 'Tracheotomie bei l.ar\nx- und auch Pharvnx-
Steiiose ein und für die reishiidiere X er Wendung \mii Morphium zur
Milderung der toxischen Unruhe mul zur Erleichterung der iju.ilvolien
Stenosenersdieniimgen.
P. C I a i r m o n t - W len: Chirurgische Findrücke aus Nord¬
amerika. tFortsetzung iolgt.)
Wiener klinisch-therapeutische Wochenschrift.
No. 20. H. G erber: L eber Bayers Turtopln-Pastillcn (Pa-
stllll Turlonum pinl).
Die Pastillen enth ilten die aus den Bl.ittkiiospen der hunnsdu n
Koniferen gewonnenen balsamischen und albet isc tun Motte uiul
eignen sieh zur internen Behandlung leufiterer Katarrhe der oberen
Luftwege; ein gleichwertiger >vrup ist für die Kinderpiaxis zu emp¬
fehlen.
No. 21 23. A. K r o k i e w i c z - Krakau: Ein Rückblick auf die
Bauchtyphusfälle im letzten Dezennium.
Die aui 3s5 Talle sich erstreikenden Angaben enthalten i'.r die
spezielle T\phusstalistik matidics bemerkenswerte.
No. 22. W. I Ii. B ii r g s d «i r t - Kas.ui : f in Fall von *>phi-
litischer Reinfektion mit Nachweis von Spirochäten (Sc ha ud Inn).
Die Reiniektion etlolgte kaum 2 Monate nadi Xb.s,.h.uss einer
luetischen Behandlung und zeigte eine t\pisdie >k!e?ose. in deren
tiewebssalt Spir oehaten Hau h/uw ciseil Waren.
No. 23. X. C h a n t e m e s s e - Paris: Die Darmperforationen bei
Abdominaltyphus und ihre Behandlung.
Bei feststehender Diagnose der Perforation ist du Schleunigste
chirurgische Behandlung ange/tugi; bei zw eite b.atter Diagnose wird
man doch eine abw artende Behandlung vof/Uhun. hier zu emptu !i.t
Ch. die subkutane Iniektum \»»n l.osjmigen \ <*u tatk ;u msaur em Natrium
I»,5»I g 2 4 mal alle 24 3<» Munden zur 1 orderimg vier I v ukozx tose,
ausserdem zur Erhöhung der pei itoiiealeu Ph,t s o/\:. .sc vhe w .eder-
liolte Anwendung hoher Wamugrade auf vlas Xbdomen xermittels
erhitzter Metailplatteii ( Besc In eibung \ e r d. im (bigaiab
No. 24. J. Talk-Moskau: f Inklemmung eines l.aminariastiftes
im Uterus.
Die Eutivrmmg von Eammunasiinen. die in du r Uterus!:, dde pilz¬
förmig autgeipiolK n sind. ist oft so s v |iw u rrg. dass die Spa tung
der vorderen /.ervixwand notwendig wurde. s<> audi In einem la e
des V erfassers. I r empliehlf nun nadi einer wute r ei. E't.di'ung. du u
Stift soweit als möglich her abzn/iehu n und a 1 ’/u^ ||fk ideu. dann dun
Zervikalkanal mit l le garstnteu zu erweitern und dann dien Rest
den Rest des Eammariastittes zu extrahier eil.
Wiener klinische Rundschau.
No. 19 21. E. B I o c h - Kattow itz : L eber einen Fall \on sen¬
sorischer Aphasie mit Apraxie.
Genaue Analyse eines f ades.
No. J** 21. K. J o s h y m u r a - Tokio: Leber den Mendel-
sehen Fussrückenreflex.
Nach seinen l utersiidningcn. die si v !i luer mcht naher wieder¬
geben lassen, cmpt'iehlt .1. das Mendeisdic Phänomen nicht nur
am Eussrucken, Sündern auch an der m h.c und umgekehrt das Ba-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1655
b i n s k i sehe Phänomen nicht nur an der Sohle, sondern auch am
Fussrücken zu suchen, um zu einem einheitlicheren und klareren Ein¬
blick in die Wechselbeziehungen beider Phänomene zu gelangen.
No. 21. Qeissler-Neuruppin: Ueber seltene Tripperüber-
tragung.
Im Anschluss an eine eigene Beobachtung einer gonorrhoischen
Infektion der Urethra durch Coitus per os sichtet G. die nicht sehr
reichlichen literarischen Angaben über das Vorkommen dieses In¬
fektionsmodus und die Entstehung einer Stomatitis gonorrhoica auf
demselben Wege. Ausser der häufigeren Uebertragung auf die Kon-
junktiva erfolgt auch öfter durch unreine Finger die Infektion der
Mund- und Nasenschleimhaut.
No. 25. K. Schwarz- Eleonorenheim: Ein Beitrag zur Ka¬
suistik der primären Nasendiphtherie bei Säuglingen.
Krankheitsgeschichte. Diphtheriebazillen fehlen im Nasensekret;
nach 10 Tagen Rachendiphtherie. Seruminjektion. Heilung.
Wiener medizinische Wochenschrift
No. 18. M. B o n d i - Iglau: Ein Fall von Parinaud scher
Konjunktivitis.
Krankengeschichte dieses zweiten in Böhmen beschriebenen
Falles. Er weicht von dem Typus durch die seltene Mitbeteiligung
der Kornea ab, die in einem kleinen Defekt bestand, der später mit
einer Bleiinkrustation verbunden war und nach Aussetzen der Blei¬
wasserumschläge ausheilte. Verf. betont die Häufigkeit der Pari¬
naud sehen Erkrankung bei Kindern. Ausserdem gibt er eine Ueber-
sicht der bekannt gewordenen histologischen Befunde und zum
Schluss ein Literaturverzeichnis.
No. 18. H. H o 11 a e n d e r - Oien-Pest: Ein Verfahren zur
quantitativen Bestimmung der Harnsäure.
Das Verfahren ist im Original einzusehen.
No. 18. H. Ehrlich und T. L’e nartowicz - Przemysl:
(Jeher Färbungen der Splrochaete palllda für diagnostische Zwecke.
Die Verff. beschreiben das Vorgehen zur Färbung mit den ein¬
zelnen gebräuchlichsten Farbstoffen. Es bedarf dazu nur einfach her¬
zustellender alkoholischer oder wässriger Lösungen derselben und
eines kurzen einfachen Verfahren, wobei der Zusatz von Karbol¬
wasser als Beize zum Farbstoff von Vorteil ist.
No. 19. L. Rethi-Wien: Amblyopie infolge von Nebenhöhlen-
elterungen der Nase.
Zwei Fälle von Neuritis optica bei Siebbeinhöhleneiterung und
Nasenpolypen. Heilung durch Operation, Entfernung der Polypen und
der mittleren Muschel, Ausräumung des Siebbeinlabyrinthes.
No. 19/20. F. N e c k e r: Ueber die elektrochirurglsche Karzinom¬
behandlung des Dr. de Keating-Hart.
Aehnlich wie Benckiser und Krumm (D. med. Wochen¬
schrift No. 10) hat N. an Ort und Stelle Beobachtungen über das Ver¬
fahren K.-H.s gesammelt und gibt eine grössere Reihe kurzer Kran¬
kengeschichten. Bei aller Reserve in der Bewertung sind die Resul¬
tate doch so beachtenswert, dass eine Nachprüfung berechtigt und
angezeigt erscheint.
No. 19. R. F o d o t - Trentschin-Teplitz: Zur Ausübung der
Massage.
F.s Ausführungen betreffen in der Hauptsache die Frage, was
und wie nicht massiert werden soll. Er verlangt vor allem eine
exaktere Indikation namentlich bei schmerzhaften Zuständen, eine
grössere Rücksichtnahme auf anatomische Verhältnisse, kritisiert die
nutzlose Massage, welche Oedeme und Exsudate lediglich von einem
Ort zum anderen hinmassieren, warnt vor der Massage von phle-
bitischen Herden, wendet sich gegen das schematische und pedanti¬
sche Anwenden bestimmter Handgriffe (auch die Anwendung von
Fetten und Oelen ist vielfach entbehrlich) und wünscht eine be¬
trächtliche Einschränkung der Laienmassage vor allem bei fehlender
ärztlicher Kontrolle.
No. 21. M. H e r z - Wien: Ein einfacher Behelf zur Orientierung
im Ortbodlagramm.
H. legt um den Hals des Patienten ein Band, dessen beide
Schenkel vom Jugulum median dem Sternum entlang aufliegen und
durch vier verstellbare Metallplättchen zusammengehalten werden.
An diesen Schiebern, an welchen kürzere und längere, von rechts
nach links verlaufende Bleidrähte befestigt sind, werden nun jeweilig
an dem oberen Ende des Sternums, in der Höhe des zweiten Inter¬
kostalraums, in der Mamillarhöhe und am Ende des Sternums ein¬
gestellt. Damit werden die individuellen Orientierungspunkte und
-linien für das Orthodiagramm leicht gewonnen.
A. v. Dobrzyniecky: Operatio subgingivaiis bei Zahn¬
fisteln.
Das Prinzip der Operation, welche die Wurzelresektion zu er¬
setzen hat, ist die Eröffnung der Alveole — mit Chloräthylnarkose —
zwischen dem mittleren und letzten Drittel der Wurzel durch An¬
bohrung, entweder durch eine Fistel oder das Zahnfleisch hindurch,
worauf mittels desselben Bohrers die Wurzelspitze (die Wurzel¬
kanäle müssen entsprechend vorbehandelt sein) abgefeilt wird. Ab¬
warten der spontanen Blutstillung, Ausführung der Alveole mit einer
Jodoformglyzerinemulsion. Näheres über die Technik muss dem Ori¬
ginal entnommen werden.
No. 22. H. M a r s c h i k - Wien: Vakzine der Mund- und Raclien-
schlelmhaut.
Drei Fälle der Chiarischen Klinik aus der letzten Wiener
Blatternepidemie. In allen war die Zunge beteiligt, ln dem einen,
schwersten, sass eine Pustel auch, was noch nie beschrieben ist,
an der Tonsille und machte schwerere Erscheinungen. Die Diagnose
war immer ziemlich schwierig, da es sich weniger um umschriebene
Effloreszenzen als um einen mächtigen Belag handelte. In der Be¬
handlung war Wasserstoffsuperoxyd ganz unwirksam, dagegen
scheint eine Diphtherieseruminjektion den Ablauf etwas beschleunigt
zu haben.
K. Kafka: Die Adhäsionsmodellkappe.
Für verschiedene Indikationen, welche den Abschluss des Uterus
von der Vagina erstreben, dient eine aus verschiedenem Material
genau nach einem Gipsabguss der Portio anzufertigende Kappe, wel¬
che durch den Arzt auf die Portio aufgesetzt wird, und auf der¬
selben eng anschliessend durch Adhäsionen festhaften bleibt.
No. 23. A. S p a t z - Ofen-Pest: Therapeutische Versuche mit
intravenösen Injektionen von Sublimat bei Syphilis.
Von 20 behandelten Fällen konnten nur 6 bis zur Heilung den
Injektionen (Vena mediana, cephalica, basilica oder saphena minor)
unterzogen werden. Bei den übrigen verhinderten Thrombosie¬
rungen und Entzündungen im Bereich der Venen die Fortsetzung.
Die grösste Einzelgabe war 0,014 g Sublimat. Im Urin fand sich nie
Zucker oder Eiweiss; Diarrhöen fehlten. Die korrekt ausgeführte In¬
jektion ist ganz schmerzlos. Begonnen wurde mit 2 mg einer
Lösung 1 :1000. Dann wurde alle 3 Tage um 1 mg bis zur Dosis
von 10 mg gestiegen, dann eine Lösung von 2 :1000 verwendet.
Langandauernde Schmerzen und Schwellung traten dann ein, wenn
die dünne Venenwand durchstochen wurde und die Flüssigkeit in die
Haut gelangte. Zur intravenösen Sublimatbehandlung eignen sich
nur Leute mit breiten, dickwandigen Venen; dünne oberflächliche
Venen werden in kurzer Zeit thrombosiert. In günstigen Fällen
haben schon 27—54 mg Sublimat schwere hartnäckige Syphilis zum
Rückgang gebracht. Diese mächtige Heilwirkung lässt weitere Ver¬
suche zur Entwicklung der Methode empfehlen.
Bergeat-München.
Englische Literatur.
(Schluss.)
Jonathan Hutchinson: Die zystische Form des Xanthelasma.
(Brit. Med. Journ., 25. April 1908.)
Verf. hat zuerst diese Form beschrieben und hat etwa 12 Fälle
gesehen; von anderen Autoren sind keine Fälle beschrieben worden.
Der Fall, den er in dieser Arbeit beschreibt, betraf eine 48 jährige
Frau, die eine dunkle fahle Hautfarbe hat. Unter dem rechten inneren
Kanthus findet man eine Gruppe von 4—5 konfluierenden, kleinen
Zysten, die keinen Ausführungsgang zeigen und sich anfühlen, als ob
sie solide wären. Sie sind von Schwanenschrotgrösse. An dem
Augenlide der anderen Seite findet man an korrespondierender Stelle
eine kleine einzelne Zyste von derselben Beschaffenheit. Die wasch¬
lederartigen Flecken, die man sonst beim Xanthelasma findet, fehlen
in diesem Falle. Die Flüssigkeit, die in diesen Zysten enthalten ist,
ähnelt dem Schweiss und ist wasserklar. Verf. unterscheidet zwischen
folgenden Formen des Xanthelasma (er bezeichnet als Xanthelasma
nur die an den Augenlidern vorkommenden hierher gehörigen Affek¬
tionen). Xanthelasma planum oder flavum; Xanthelasma sebaceum,
bei dem Komedonen vorhanden sind; Xanthelasma cysticum, bei dem
sich Zysten finden und Xanthelasma pigmentosum, bei dem dunkle Pig¬
mentierung das einzige Zeichen ist. Vom Xanthelasma cysticum hat
Hutchinson in seinem Archives oi Surgery, Vol. 1, Tafel 27,
Fig. 2 einen charakteristischen Fall abbildet.
L. C. Peel Ritchie: Inokulationen mit Bakteriensuspensionen.
(Edinburgh Med. Journ., April 1808.)
Die Beobachtungen stammen aus der chirurgischen Poliklinik
der Royal Infirmary in Edinburgh. Verf. bezweifelt durchaus das
ständige Vorkommen einer sogen, „negativen Phase“ (W right)
nach den Inokulationen; ferner bestreitet er die Bedeutung dieser
Phase als Gegenindikation für weitere Einspritzungen während des
Bestehens der negativen Phase. Die Bestimmung des phagozytischen
(opsonischen) Index hat nach Verf. Ansicht hauptsächlich den Wert
gehabt, zu zeigen, wie geringe Mengen von Bakteriensuspensionen
(Vakzinen) genügen, um eine «deutliche, andauernde Immunisierung
zu bewerkstelligen, ferner zu zeigen, wie lange die Wirkung anhält
und wie falsch es ist, häufige Inokulationen zu machen, da es nicht
gelingt, eine dauernd ansteigende positive Phase im Blute eines
Kranken zu erzeugen. Versucht man dies, so findet man nach einer
Reihe von Inokulationen, die bei noch hohem Index gegeben wurden,
dass eine negative Phase auftritt, die wochenlang andauern kann.
Gibt man dagegen kleine Inokulationen jedesmal dann, wenn die
Wirkung der vorhergehenden im Verschwinden begriffen ist, so
kann man die Behandlung ohne Risiko für Monate und Jahre fort¬
setzen. Es bleibt dann der Index, ohne sehr grosse Werte zu er¬
reichen, dauernd über der Norm. Verf. standardisiert seine Vakzine
nach Art des Koch sehen Neutuberkulins nach dem Gewicht der
getrockneten, gewaschenen Bakterienleiber in Kubikzentimeter. Er
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1656
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. 31.
hat dabei gefunden, dass die gleichen Dosen verschiedener Bakterien¬
suspensionen die gleiche Wirkung ausüben. Es genügt für alle Vak¬
zinen eine Maximaldosis von ’/iooo mg der Trockensubstanz (also
viel weniger als z B. von W right für Staphylokokken, Koli-
bazillen etc. angegeben wird). Dabei ist es ganz überflüssig, sieh
Vakzinen aus den vom Kranken selbst gewonnenen Bakterien her¬
zustellen. Nötig ist nur, die Vakzine von jungen, virulenten Kulturen
herzustellen und sie gut auszuwaschen. Im allgemeinen empfiehlt es
sich, alle 4 Wochen eine Einspritzung zu machen. Nur im Beginn
sollte man die ersten 3 Injektionen ;n wöchentlichen Zwischenräumen
geben. Dann für 6 Monate eine Einspritzung alle 4 Wochen; dann
alle 6—8 Wochen bis zur Heilung. Bei allen chronischen Infektionen,
besonders aber bei Tuberkulose sollten die Einspritzungen noch lange
nach der scheinbaren Heilung fortgesetzt werden. Säuglinge er¬
halten Vioooo mg, grössere Kinder 1 «nuo, 14 jährige 1 20 m». Je akuter
der Prozess, um so kleiner muss die Dosis sein. Verl, spritzt gewöhn¬
lich 2—3 Zoll oberhalb der Olekranonspitze in den Trizeps ein. Bei
Mischinfektionen muss man die verschiedenen der Injektion ent¬
sprechenden Vakzinen einspritzen. Drüsentuberkulosen geben im An¬
fangsstadium sehr gute Erfolge; erweichte Drüsen sind gleichzeitig
zu punktieren. Knochen- und Oelenktubcrkulosen geben gute Er¬
folge und heilen oft mit guter Beweglichkeit aus; Eistein heilen, wenn
man die Mischinfektion behandelt. Es ist sehr wichtig, vor operativen
Eingriffen eine Anzahl von Einspritzungen zu machen, um den Kranken
für den Eingriff widerstandsfähiger zu machen. Es ist wichtig, fest¬
zustellen, ob es sich um Infektionen mit dem Typus bovinus oder
humanus handelt und die entsprechende Vakzine zu verwenden. Be¬
sonders günstig werden Burunkel und Akneeruptionen durch Staphylo¬
kokkenvakzine -beeinflusst; man muss aber nach vollendeter Heilung
noch einige Zeit weiterbehandeln. Ausserordentlich gute Eriolge
erzielte Verf. bei Streptokokkeninfektionen; Lymphangitiden, Phleg¬
monen, Erysipel etc. werden sehr günstig beeinflusst und zwar durch
Einspritzungen einer vorrätig gehaltenen Streptokokkenvakzine.
Akute, aufsteigende Lymphangitis wird meist in 24 Stunden zum
Verschwinden gebracht und zwar ohne jede Tokalbehandlung. Sehr
wichtig sind prophylaktische Injektionen vor Operationen. Verf. gibt
1 /4ooo bis 'muoo mg Staphyloeoecus aureus und ebensoviel Streptococcus
pyogenes; bei Operationen au Schleimhäuten fügt er noch dieselbe
Menge Kolibazillus hinzu. Auch bei Verletzungen wendet er pro¬
phylaktisch diese Einspritzungen an. Man darf aber keine Anti¬
septika in die Wunde bringen, da hierdurch die Phagozytose gestört
wird.
Dawson Turner: Elektrolyse ln Medizin und Chirurgie.
(Ibid.)
Verf. hat viele Bälle mit elektrolytischer Medikation behandelt.
Besonders günstig reagieren Ulcera rodentia auf Zinkionisation; auch
chronische Geschwüre anderer Art und Eistein heilen oft auf diese
Weise aus. Bei Ringwurm und Sycosis barbae verwendet er Kupfer !
zur Ionisation; bei Ankylosen das Chlorinion; dasselbe eignet sich 1
auch zur Behandlung der D u p u y t r e 11 sehen Kontraktur; ähnlich 1
wirkt das Hydroxylion OH: hiermit kann man Strikturen der
Urethra heilen. Bei Tix douloureux empfiehlt er das Sali/ylion. Es
wird die Technik an der Hand von Krankengeschichten beschrieben.
Norman Walker: Die Chrysaroblnbehandlung der Psoriasis.
(Scottish Med. et Surg. Journ., April IduS.)
Der Patient wird gebadet und es werden dabei alle Schuppen
entfernt. Dann wird der ganze Körper (mit Ausnahme des Gesichts)
mit 5proz. Chrysarobinsalbe eingerieben; darnach wird der ganze
Körper mit Salbenlappen bedeckt, die mit derselben Salbe bestrichen
sind. Am Arme genügen Binden, am Rumpf müssen die Lappen wie
ein Hemd zusammengenäht werden. Wenn die Schuppen sich w ieder
bilden, muss nochmals gebadet werden, doch ist dies meistens unnötig.
Das Gesicht wird durch Tragen einer Maske vor Beschmutzung mit
der Salbe geschützt. Diese Behandlung wird täglich wiederholt;
schmerzhafte Dermatitis der Blexuren verhütet man durch Eiu-
reiben mit Zinksalben. Die Behandlung soll erreichen, dass nicht
nur die gesunden, sondern vor allem die kranken Hautstellen cry-
thematös W'erden. Tritt an einzelnen Stellen kein Erythem auf. so
werden dieselben noch besonders mit folgender Salbe bearbeitet.
Chrysarobin, Ol. R"sci aa 2d.ll, Acid. salicvl. 10.0, Sapmi. \md.
Vaselini äa 25,0. Meist dauert die Behandlung S 11 Tage. Ist
überall erythematöse Rötung der kranken Stellen erzielt, so lässt man
den Kranken noch 2 Tage in seinem Salbenanzug, ohne ihn ein/ 11 -
teiben. Nach dieser Zeit werden 2 heisse Bäder gegeben und der
Kranke ist meist für längere Zeit frei von Psoriasis. Es ist sehr
wuchtig, gleichzeitig entweder mit Chrysarobin oder besser mit
anderen Mitteln die Kopfhaut zu behandeln, um Rezidive zu verhüten.
P. Lovell Gulland und D. .1. Williamson: Die Cal-
mettesche Reaktion. (Ibid.)
Auf Grund zahlreicher Versuche kommen die Verf. zu dem
Schlüsse, dass ein positiver Ausfall der Reaktion ein sicherer Be¬
weis von im Körper vorhandener Tuberkulose ist, nur ist die Re¬
aktion so fein, dass manchmal sehr geringe tuberkulöse Herde eine
Reaktion geben, die die Diagnose auf falsche Bahrte leiten. Ein nega¬
tives Resultat der Probe ist von geringem Werte, wenn die Probe
nicht wiederholt wird, mehrere negative Resultate erlauben aber
den Schluss auf Nichtv 01 handensem von Tuberkulose. Manchmal
tritt die Reaktion erst nach 24 Stunden aui.
Justin M. Mc. Cart hi g: Die NitroglyzerinbehaiKliung der
Eklampsie. (Birmingham Med. Review. April Baiv)
Verf. behandelte 5 Bälle von puerperaler Eklampsie ohne Nitro¬
glyzerin und hatte 3 Todesiaile, bei 2 Ballen wandete er es innerlich
all, 1 Todestall; bei * baden subkutan, l lodesiail. Er gibt subkutan
3 7 Tropfen per Dosis. In allen ballen hatte man andere M.ttel z. B.
Chloroform vorher vergebens versucht. \ erf. hait cs tur sehr
unwahrscheinlich, dass die guten Eriolge bei der N.trog.v z.erai-
behand luiig rem zufälliger Natur waren und fordert zur W eiter-
piuiung auf.
iE Lockhart Mumme ry: Die Behandlung der chronischen
Kolitis. (Practitioncr, April l'.'iis)
Verf. empfiehlt bei Colitis tnucosa. wenn die interne Behandlung
versagt, eine Appendikostomie zu machen. D e >p tze des W unntort-
satzes wird m eine kleine Bauchwunde eiligen..iht und nuJi 2 lagen
ei öffnet; der Patient kann sich daun se bst durch L.uiunren e ues
Katheters den ganzen lbckdarm ausw aseben; d.e 1 :stei leckt nicht
und erfordert kemeilei Verband. Man muss d.e b.stel längere Zeit
(mindestens 1 Jahr) offen lassen; sie sch..esst sch ohne weitere*,
wenn man einen Galvanokauter ein fuhrt und d.e >d..c;mhjui ab-
breimt. Bei chronischer u.zeioser koi.tis kann man d.cse'bc
Operation versuchen, doch muss man bei schwereren ballen eine
Kolotonue machen; am besten macht man einen rechtssc.l.gen Lum-
halafter.
A. E. Boy cot l: l'ebcr Caissonkrankheit. (Ouartcriv Jour¬
nal oi Medicine, April PMs.)
Die sehr interessante und Sorgfalt.ge Arbeit eignet sich nicht zum
Referat, Sollte aber vmi ledern, der siv.Ii mit d.esun Gegenstand be-
sehaltigt 1111 Original gelesen weiden. Die Propia ,a\e der Er¬
krankung bestellt 111 einer eigenartigen Pcko.mprcssrou des Arbeiters.
Die Dekompression erfolgt zuerst rap.d /. B. von : 5 aui 3o Pfund
und geht dann sehr langsam und schnttwe.se vor s di. Thera¬
peutisch kann man nur Von der sofort c.nge.c.tctcit Rcm mipressi. 11
[ Nutzen erwarten. Diese muss aber be.rn Beginn der e: steil s\ :n-
1 ptome ewige leitet Weulen; zu ibesetn /.wecke s<- tc eine ieidit er-
j reielibare Kammer mit komprimierter l.utt zur \ertugu::g steht 11 .
fehlt diese, so bringe man d.e Leute sofort Wieder unter Wasser,
j W. B. H o p e und Herbert b mich: Persistierendes hereditäres
| Oedem der Beine. (Und.)
' Die Verl. beschreiben genau e ilen ball d.eser h--J’..i’.teressa;:ten
i Affektion, die auch unter dem Namen Milro \ sdie Ktansheit be-
j sein leben worden ist. In 5 Generationen JaiiJ s.di das Gedern bei
13 von 42 Mitgliedern einer Harn.he. Merkwutdg ist n-di. dass m
dem balle vier \ erf. der eilt opisc he Zustand durch akute Nad'Oc trabe
unterbrochen wurde. \ erf. g.iulen. dass es sah wie bei der Rav -
11 a u d sclien Krankheit und beim augumeurotischen Oedem um c ne
vasoiuotonstlie Neirose handeit. Gute Abbildungen s.uJ be.gegeben.
A. Kiiyvett Gordon: Zur Behandlung des Puerperalfiebers.
(Ibid. Med. Journ., 25. April E>"'\)
Verf. basiert seine Arbe.t auf 2IH nach.emamler von ihm beob¬
achtete Bade. Er g.aubt. elass viele 1 a. e dadurch entstehen. dass
die Zange zu früh angelegt wird. (In I ng and ;st man sehr rasch mit
der Zange bei der Hand.) I uter siiclniwgcu wahrend der Gehurt sind
so selten als möglich und nur mit (lumm.hartvKgffcuhen zu machen.
Scheideuausspuiungen nuth vier tieluirt sind eher Sch.idhdi als 1111 t/-
lich. Verf. stellt in seinem Spitai nur sch.were ba ie. Im An taug se.ner
latigkeil machte er l ter iisvpuiungew; v>ui 7’* so bchandetei» b.o.eu
sta 1 ben 37 (4<> Proz.). M’.ilei kuiettierte er und wischte dann den
Uterus mit unverdünntem l/j! aus. De Beh.and 11 : 1 g wird unter
Kokainisierimg vier Scheide mul subkutaner iinest.oii von Morph.um
gemacht. Der Uterus wnd ebenso w ,e J e Sdienle nut Iz.i.gaze
tamponiert, die 24 Mumien liegen bleibt. Bt weitere Behandlung
notig, so wird vier Itertis wieder ausgew rscht lind tamponiert, ge¬
spult wird me. \ <-n Uö so behandelter', lallen Marl'vn 24 Pro/.
Abszesse werden eröffnet; a! gemeine Per. ton,;. s wird mit Hapa-
rotouue und Drainage behände ,t; von la k--nsckutiv e n l.apar<*t-*-
mierten genasen s. Die Bauchhöhle w,:d n.dit gx-sjvilt Nach der
Laparotomie wird die Kranke aufgesetzt und erha.t re.dilidi Koch¬
salz. subkutan und per ainiin. Die Mehrzahl vi n Verfassers Kranken
war schon ausserhalb mit l terusspu.ungen behände t wo:dem. Ariti-
pyretika tun nur Schaden. Aik*• 1 1 < I. Kalomel und U-chsil/.ufusroncu
sind von grossem Werte; man s**l] aber audi jeden leichten Hall
kiirettieren und ausw isclien. An;■streptokokkenserum brir.gt nur
selten Nutzen. Man muss ein polyv achtes >erum ne! men und minde¬
stens 5", noch besser I"" ccm als einmal.ge D> s s nehmen.
G. I.eshc Bastes: Leber Inlektionen der Harnwege, ilbid »
Verf. sah bei Ba/.llune durch Bad. c« h Be Nserufgen und Hei¬
lungen durch Impfungen 11 . t einer v-n vieri Ba/. len des Kranken ge¬
wonnenen \ akzme. 2"" M,..;< rum Ba/., en s.nd e nc gute Anfangs¬
dose. man ste.gt jedesmal um. 1 ,M » M: ..•■nett. Bei cm- r..scher <i*mor-
rlioe findet man in den baden niest Map’ 1 \ ■ k--kketi und Bazillen
vom Xerosj.stv pus. Die letzter .11 kann man ve: m.cblass gen. von
ersteren bereite man eme \ ak/.rte. S.t. J mdi G- nok kken vor¬
handen, so injiziere man gle.dizc.t.* (lmiok--kketi- und Stapiiyio-
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1657
kokkenvakzme. Bei Rheumatismus nach Tripper gelingt es mit sorg¬
fältig graduierten Einspritzungen von Gonokokkenvakzine alle Ge¬
lenk- und Sehnenerscheinungen zum Schwinden zu bringen. Bei chro¬
nischem Harnröhrentripper erzielt man vorzügliche Erfolge durch
lokale Behandlung in Verbindung mit der subkutanen Einverleibung
von Gonokokkenvakzine. J. P. zum Busch -London.
Dänische Literatur.
S. Kemp: Untersuchungen über die mikroskopische Retention.
(Aus der medizinischen Universitätsklinik des Kgl. Frederiks Hospital;
Vorstand: Prof. Knud Fab er.) (Hospitalstidende 1908, No. 13 u. 14.)
Wenn der Magen 12 Stunden nach der Leube-Riegelsehen
Probemahlzeit noch Nahrungsreste enthält, spricht man von moto¬
rischer Insuffizienz zweiten Grades. Der dänische Arzt Alfred Mad-
s e n hat die Benennungen „grosse Retention“, „kleine Retention“ und
„mikroskopische Retention“ eingeführt, je nachdem 12 Stunden nach
der Probemahlzeit grössere Mengen von Speiseresten, kleinere
Ueberbleibsel oder endlich nur mikroskopisch nachweisbare Mengen
ausgehoben werden können. Während mehrere Verfasser den Fund
von mikroskopischen Nahrungsresten in dem nüchternen Magen als
physiologisch betrachten, wird von anderen Forschern diesem Um¬
stand eine pathologische Bedeutung beigelegt. Von H a y e m,
P. C o h n h e i m u. a. wird die mikroskopische Retention als ein
Zeichen von Pylorusstenose angesehen, Alfred Madsen hebt ihre
Bedeutung für die Diagnose Carcin. ventriculi hervor, während end¬
lich der dänische Arzt B o r g b j ä r g sie als das Resultat einer Mo-
tilitätsschwäche betrachtet; in seiner Habilitationsschrift „die Be¬
deutung der Ventrikelfunktionsuntersuchungen für die Diagnose des
Magengeschwürs“ sucht der letztere Verfasser der mikroskopischen
Retention eine grosse differentialdiagnostische Bedeutung beizulegen,
indem er folgenden Schluss aus seinen Untersuchungen zieht: „Mikro¬
skopische Magenstagnation, 12 Stunden nach einer Probemahlzeit,
spricht in hohem Grade für ein organisches Magenleiden, gewöhnlich
Ulcus (oder Cancer), aber kann doch wahrscheinlicherweise auch
von einer chronischen Gastritis verursacht werden. Die Wahrschein¬
lichkeit, dass es sich um Ulcus handelt, wird ferner vermehrt, wenn
gleichzeitig salzsaures Sekret in dem nüchternen Magen vorgefunden
wird.“ Der Verfasser nahm zahlreiche Untersuchungen sowohl über
gesunde als über magenkranke Individuen vor, um die Frage zu ent¬
scheiden. Er weist zuerst die verschiedenen Fehlerquellen der von
Borgbjärg angewandten Untersuchungsmethode nach. Selbst
machte er die mikroskopische Untersuchung in dem zentrifugierten
Spülwasser. Aus seinen Untersuchungen zieht er folgende Schlüsse:
„Die mikroskopische Retention ist kein sicheres pathologisches Sym¬
ptom, da es bei übrigens gesunden Individuen gefunden werden kann;
doch enthält 12 Stunden nach einer Retentionsmahlzeit der normale
Magen gewöhnlich keine mikroskopischen Nahrungsreste. Bei
Patienten mit Gastritis chronica scheint die mikroskopische Retention
fast konstant vorzukommen. Bei den übrigen Magenkrankheiten kann
sie bald vorhanden sein, bald fehlen, ohne dass eine bestimmte Regel
sich aufstellen lässt; doch scheint Motilitätsschwäche das Auftreten
der mikroskopischen Retention zu begünstigen, Hypersekretion ihr
am ehesten entgegenzuwirken. Der mikroskopischen Retention kann
man also keine differentialdiagnostische Bedeutung beilegen.“
Eiler Höeg: Ein Fall von Obliteration des Ductus choledochus
bei einem Säugling. (Ibidem No. 21.)
Kurz nach der Geburt entstand eine Gastroenteritis. Das Kind
wurde am 8. Lebenstage ikterisch, in der vierten Lebenswoche wurde
der Stuhl acholisch. Es entwickelte sich eine Leberzirrhose mit As¬
zites und im Alter von 6 Monaten trat der Tod ein. Die Sektion
ergab Ektasie und Atresie des Ductus choledochus und biliäre Zir¬
rhose. Anlässlich des genau beschriebenen Falles bespricht der Ver¬
fasser die Pathogenese des Leidens, das in diesem Falle einer vom
Duodenum aus aszendierenden Entzündung beigelegt wird.
Alfred P e r s: Leber operative Behandlung von Ischias. (Ibidem,
No. 22 und 23.)
ln dieser Wochenschrift (1906, S. 832 und 834) wurde die Be¬
handlung von Ischias durch Neurolyse referiert. Der Verfasser hat
jetzt diese Methode 49 mal an 47 Patienten benützt, in einigen von
diesen hat er sie mit der von B a r a c z empfohlenen Methode (Zen¬
tralblatt für Chirurgie, 1902) kombiniert. Er teilt seine Krankenge¬
schichten mit, die Resultate scheinen ausgezeichnete zu sein.
Kay Schaffer: Ueber rezidivierende tuberkulöse Polyarthritis
(tuberkulöser Gelenkrheumatismus). (Mitteilung aus dem Küsten¬
hospital von Refsnäs. Vorstand: Prof. Schepelern.) (Ibidem,
No. 23 und 24.)
Mit der von Poncet verfochtenen Anschauung übereinstim¬
mend. zeigt der Verfasser, dass es tuberkulöse Gelenkleiden gibt, die
klinisch verschiedenen Formen von Gelenkrheumatismus ähnlich sind;
er ist der Meinung, dass es sich um eine direkte Toxinwirkung
auf die Synovialis handelt. Er teilt die Krankengeschichten von
13 im Küstenhospiz behandelten Kranken mit, die das Verhalten schön
illustrieren. Endlich beschreibt er die Diagnose, Prognose und Be¬
handlung dieses Leidens, namentlich zur Unterscheidung von dem
rheumatischen Gelenkleiden.
Viggo Christiansen: Ueber den Einfluss hochgespannter und
hochfrequenter Ströme auf den Stoffwechsel und die arterielle Ten¬
sion. (Nordisk Tidskrift for Terapi, Bd. VI, Heft 6 und 7.) ,
Der Verfasser gibt eine Uebersicht der Frage und teilt eibene
Untersuchungen mit, teils Versuche über den respiratorischen Stoff¬
wechsel während der Einwirkung von hochfrequenten Strömen,«teils
über den Einfluss der hochfrequenten Ströme auf die arterielle Span¬
nung. Der Verfasser hat sich nicht von dem speziell von fran¬
zösischen Forschern gepriesenen Einfluss dieser Ströme überzeugen
können. Er fand keine Einwirkung der d’Arsonvalisation aui den
respiratorischen Stoffwechsel der Versuchsindividuen, und die Re¬
sultate hinsichtlich des Blutdruckes waren gering und in hohem Grade
unsicher und launenhaft. Adolph H. Meyer- Kopenhagen.
Norwegische Literatur.
Kr. F. Andvord: Ueber Tuberkuloseimmunität. (Norsk
Magazin for Lägevidenskaben 1908, No. 4.)
Auf pathologisch-anatomische, klinische und statistische Er¬
fahrungen gestützt behauptet der Verfasser, dass 70—80 Proz. der
Tuberkulosefälle bei Erwachsenen einer Infektion im Kindesalter oder
schon im Säuglingsalter seine Entstehung verdanken. Ferner be¬
hauptet er, dass eine durchgemachte Tuberkuloseinfektion im Kindes¬
alter einen gewissen Grad von Immunität hervorruft; Ansteckung in
dem erwachsenen Alter sollte also gewöhnlich nicht stattfinden. (Die
Abhandlung wurde als Vortrag vor der medizinischen Gesellschaft zu
Christiania gehalten und war von einer langen, interessanten Dis¬
kussion gefolgt. Diese Diskussion wurde in den No. 4, 5 und 6
der med. Wochenschr. referiert.)
Alexandra In gier: Zur Kasuistik und Genese der Ovarial-
dermoide. (Ibid.)
Zuerst gibt die Verfasserin eine Beschreibung von 2 Fällen von
Dermoidzysten im Ovarium. In einem Fall handelte es sich um
einen nidimentär entwickelten Fötus, im anderen um eine einfache
Dermoidzyste. Sie bespricht dann die verschiedenen genetischen
Theorien und sucht zu beweisen, dass alle Doppelmissbildungen, so¬
wohl totale als partielle, symmetrische als asymmetrische, inklusive
die Teratome als homologe Bildungen anzusehen sind. Rücksichtlich
der Genese scheint alles dafür zu sprechen, dass alle diese Miss¬
bildungen von monogerminalem Ursprung sind, dass diese patho¬
logische Entwicklung in den ersten Entwicklungsstadien des Eies
beginnt und entweder an die ersten Furchenstadien eines normal be¬
fruchteten Eies oder an die Ovogenese verlegt werden muss, wo¬
durch dann das Ei durch Anomalien in der Polozytenbildung zwei-
kernig und doppelt befruchtet wird.
Sofus Wideröe: Ueber die Anwendung des Tuberkulins als
Diagnostlkum. (Aus dem Krankenhaus der Diakonissenanstalt.)
(Ibid. No. 5.)
Nach einer Uebersicht der Tuberkulinreaktionen gibt er eine
Mitteilung über die Kutireaktion ad modum Moro (s. diese Wochen¬
schrift 1908, No. 5. S. 216); er nennt die Reaktion die Salbenreaktion
und wendet eine Salbe von folgender Zusammensetzung an: Tu-ber-
kulinum 2. Lanolinum. Vaselinum da 1. Die Salbenreaktion wurde an
186 Individuen ausgeführt und hat sich gut bewährt.
U s t v e d t: Anginaepiäemie In Christiania. Vortrag vor der
medizinischen Gesellschaft zu Christiania. (Referiert ibid. No. 6.)
Anfangs März trat in Christiania eine heftige Anginaepidemie
auf. Mehr als 500 Fälle wurden angezeigt: die Infektion war sehr
stark; 6 starben. Die Epidemie stammte von der Milch einer grös¬
seren Milchkompagnie, und es gelang in allen den untersuchten Fällen
einen speziellen Streptokokkus nachzuweisen, der von einem Euter¬
abszess einer kranken Kuh herrührte, die unter hunderten anderen
der Milchkompagnie Milch lieferte.
Arent deBesche: Multiple Karzinome. (Aus dem pathologisch¬
anatomischen Institut des städtischen Krankenhauses zu Christiania.)
(Ibid.)
Kasuistische Mitteilung von 7 Fällen von multiplen, primären
Karzinomen.
Karl J. T it I e s ta d: Subkutane Knoten bei Rheumatismus
acutus im Kindesalter (Rheumatismus nodosus) mit Sektionsbericht.
(Ibid.)
Nach einer Beschreibung des Leidens Mitteilung einer Kranken¬
geschichte. Die rheumatischen Noduli wurden bei der Sektion ent¬
fernt und mikroskopisch untersucht. Die zentralen Teile bestanden
aus sehr zellarmen Gewebe und schienen hyalin degeneriert. Die
peripheren Teile waren reich sowohl an Zellen als Gefässen, wie ein
Granulationsgewebe mit grossen protoplasmareichen Zellen, in lang¬
artigen Reihen und am meisten in Spindelform; einige Zellen waren
wohl klein und rund, aber deutliche Lympho- oder Leukozytinfiltration
war nicht vorhanden. Die Gefässe hatten ziemlich dicke Wände
und zeigten zum Teil auch eine hyaline Degeneration und Homo¬
genisierung von beinahe sämtlichen Schichten. Das ganze Bild muss
als eine chronische Entzündung gedeutet werden.
Robert Klositer: Alte Bandwürmer. Die Kukurbltakur.
(Nordisk Tidskrift for Terapi, Bd. VI, No. 8.)
Als Bandwurmmittel empfiehlt der Verfasser die in Amerikq und
Italien angewandte Kukurbitakur. Am vorausgehenden Tag wird
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
No. 31.
1658
geringe Nahrung und 3 mal 15 g Ol. ricini (alle 2 Stunden) dar¬
gereicht, des Morgens bekommt der Patient ein Clysma aquos., dar¬
nach auf nüchternem Magen 500 g Dekokt (200 g Semina cucurbitae
wird auf 1000 ccm Wasser bis zu 500 ccm eingedämpft), 2 Stunden
später 30 g Ol. ricini, und wenn der Stuhl zu drücken anfängt, ein
grosses Wasserklysma. Bei Kindern genügen 60—80 g Semina
cucurbitae. Adolph H. M e v e r - Kooenhagen.
Auswärtige Briefe.
Briefe aus der Schweiz.
(Eigener Bericht.)
Hochschulbauten ln Zürich. — Volksabstimmung über die
Absinthinitiative. — Das Krankenkassengesetz vor dem
Nationalrat. . ■. ¥T . ......
Schon seit vielen Jahren leidet die Universität
Zürich, insbesondere deren naturwissenschaftliche und ein
Teil der medizinischen Disziplinen unter einem schliesslich
unerträglich gewordenen Platzmangel. Im Laufe dieses Früh¬
jahrs ist es endlich möglich geworden, die schwierige Frage
der Universitätserweiterung einter grundsätz¬
lichen Lösung zuzuführen. Sie besteht im wesentlichen darin,
dass die Universität, die bisher mit der eidgenössischen poly¬
technischen Hochschule im gleichen Gebäude untergebracht
war, dieses verlässt und ganz neue Universitätsbauten er¬
richtet werden, welche auf die die Stadt überragende Terrasse
des Zürichberges neben das Polytechnikum zu stehen kommen
sollen. Die Lösung war deshalb besonders heikel, weil die
für die Neubauten, erforderlichen grossen Summen verfassungs-
gemäss vom Volk des Kantons Zürich in der Volksabstimmung
bewilligt werden mussten. Andererseits kam es dem Projekte
zu statten, dass das Polytechnikum selber unter Raumnot
leidet und deshalb die Eidgenossenschaft dem Kanton Zürich
für die Ueberlassung des Universitätsflügels eine reichlich be¬
messene Entschädigung offerierte, sowie dass ein der Univer¬
sität vor Kurzem von einem „Ueberseer“ zugefallenes Legat
im Betrage von einer halben. Million Franken für die Bau¬
zwecke verwendet werden kann. Zunächst hatte die Stadt
Zürich zu entscheiden, ob sie an die Universitätsbauten eine
einmalige Summe von IX Million Franken und zu dem Betrieb
einen jährlichen Zuschuss von 60 000 Franken beisteuern wolle.
Da die Stadt Zürich aus der Universität selbstverständlich
einen grossen. Gewinn zieht, so wäre diese Abstimmung nicht
zu fürchten gewesen, wenn nicht die sozialdemokratische
Partei die Parole der Verwerfung ausgegeben hätte. Aus
blindem Zorn darüber, dass gleichzeitig ein Gesetz zur
strengeren Bestrafung der Streikausschreitungen im Wurfe lag,
entblödete sich die Partei nicht, ihrer sonst so gerne heryor-
gekehrten Bildungsfreundlichkeit zum Hohn eine energische
Propaganda zur Verwerfung des Kreditbegehrens zu entfalten.
Sie erhielt dann noch etwas Zuzug von antivivisektionistischer
Seite, konnte es aber nicht verhindern, dass die städtische Be¬
völkerung am 15. März mit 14 802 Ja gegen 10 416 Nein die
Subventionen bewilligte. Damit waren nun auch die Wege
für die kantonale Abstimmung geebnet. Die Sozialisten fanden
es für klüger, nunmehr offiziell die Stimmabgabe freizugeben
und so gelangte dann der mit der Eidgenossenschaft abge¬
schlossene Vertrag inklusive die Baukredite im Betrage von
mehreren Millionen Franken am 26. April mit 57 203 Ja gegen
23 832 Nein zur Annahme. Gross war die Freude namentlich
in akademischen Kreisen über dieses unerwartet glänzende
Resultat und das 3 Tage nach der Abstimmung stattfindende
75 jährige Stiftungsfest der züricherischen Universität konnte
in ganz besonders gehobener Stimmung gefeiert werden. Einen
besonderen Ruhmeskranz in der Abstimmungskampagne ver¬
diente sich Herr Prof. Lang, Zoologieprofessor, der uner¬
müdlich in Wort und Schrift für das ideale Werk tätig war und
an ungezählten Volksversammlungen in Stadt und Land den
Leuten seine Begeisterung, mitzuteilen wusste. Bei der Ab¬
stimmung haben auch rein bäurische Bezirke, welche sonst
für ihre Interessen nicht direkt berührende Millionenforder¬
ungen wenig Sympathien zu zeigen pflegen, brillante Resultate
geliefert. Ich führe beispielsweise an die rein agrikolen Be¬
zirke Meilen mit 3215 Ja gegen 710 Nein; Affoltern mit 1847 Ja
gegen 603 Nein ; Andelfingen mit 2559 Ja gegen 659 Nein. Die
Bauten werden nach den Entwürfen der auch in Deutschland
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tätigen Architekten Curjel und Moser erstellt und um¬
fassen ein grosses allgemeines Kollegiengebäude, daran an¬
schliessend ein grosses biologisches Institut und auf ge¬
sondertem Platze mit bescheidenerem Aeusseren ein medi¬
zinisches Institut für Hygiene, Pharmakologie, Bakteriologie
und gerichtliche Medizin. Für die übrigen Spezialdisziplinen
sind vorläufig die bisher benützten Gebäulichkeiten noch aus¬
reichend. Wie gewaltig sich die Universität Zürich entwickelt
hat und wie dringlich deshalb die Neubauten sein mögen, geht
aus folgender kurzer Zusammenstellung hervor: Im Gründungs¬
jahre 1833 zählte die Universität 163 Studierende und 30
Auditoren; noch 1897 waren es 713 Studierende und 153 Audi¬
toren, 1907 aber 1489 Studierende mit 448 Auditoren. Im
gleichen Zeitraum ist die Zahl der Dozenten von 55 auf 141
gestiegen.
Am 5. Juli hat die eidgenössische Volksab¬
stimmung über das Initiativbegehren, be¬
treffend Verbot des Absinthgetränkes statt¬
gefunden. Bei relativ geringer Beteiligung hat das Volk die
Initiative mit 233 000 Ja gegen 135 000 Nein angenommen und
damit beschlossen, dass nach Ablauf von 2 Jahren die Fa¬
brikation und der Verkauf des Absinth, sowie von Nach¬
ahmungen desselben im ganzen Lande verboten sein werden.
Sämtliche Kantone mit Ausnahme von Genf und Neuenburg
haben zugestimmt. Neuenburg hat verworfen, weil auf
seinem Gebiete die Absinthpflanze angebaut und der Likör
fabriziert wird; sonderbar berührt dagegen das Votum von
Genf, das erst vor kurzem für sein eigenes Gebiet das Absinth¬
verbot eingeführt hatte, die Ausdehnung auf die ganze Schweiz
nun aber verworfen hat. Die stärksten annehmenden Mehr¬
heiten wurden von den ostschweizerischen Kantonen geliefert,
wo das Getränk noch am wenigsten bekannt ist. Der Appell
des Initiativkomitees, es möchten die noch absinthfreien Gegen¬
den den Welschen helfen, den für sie allein kaum durchführ¬
baren Kampf bestehen zu können, ist also auf fruchtbaren
Boden gefallen. Das erfreuliche Votum des Volkes wird
hoffentlich den Bundesrat ermuntern, mit der in Aussicht ge¬
stellten gesetzgeberischen Bekämpfung des Alkoholismus von
Bundes wegen nicht zu lange auf sich warten zu lassen.
In seiner Sommertagung hat die eine Kammer des
schweizerischen Parlamentes, der Nationalrat, den neuen Ent¬
wurf für das eidgenössische Krankenversicherungs-
g e s e t z vollständig durchberaten. Erfreulicherweise hat der
Rat an dem Entwürfe des Bundesrates nicht nur mehrfache, im
Interesse der Krankenkassen resp. der Versicherten liegende
Verbesserungen angebracht, sondern er ist auch den Postulaten
der schweizerischen Aerzteschaft in weitgehendem Masse ent¬
gegengekommen. Vor allem, um dies gleich vorweg zu
nehmen, wurde, und zwar diskussionslos, die freie Wahl
des Arztes und der Apotheke ins Gesetz aufgenommen. Es
ist dieser Erfolg um so höher zu taxieren, als es sich, wie an
dieser Stelle schon einmal ausgeführt, bei der im Gange be¬
findlichen Gesetzgebung nicht um eine obligatorische, staat¬
liche Versicherung nach dem Muster der deutschen Gesetze
handelt, vielmehr um eine staatliche Subvention der bestehen¬
den oder neu zu gründenden Krankenkassen, sofern dieselben
sich zu den im Gesetze aufgestellten Minimalleistungen an die
Versicherten verpflichten und dadurch den Charakter einer
„anerkannten“ Krankenkasse erlangen. Die Gewährung der
freien Arztwahl ist nun also zukünftig eine der Bedingungen,
die erfüllt sein müssen, falls die Kasse anerkannt und damit
subventionsberechtigt sein will.
Wie sehr der freiwillige Versicherungsgedanke auch ohne
staatliche Nachhilfe sich bisher Bahn gebrochen hat, geht da¬
raus hervor, dass in der Schweiz bei ca. 3X> Millionen Ein¬
wohnern ca. 2000 Krankenkassen bestehen und dass jetzt schon
von 100 Einwohnern 13 versichert sind. Die weiteren Be¬
dingungen, die erfüllt werden müssen, damit eine Krankenkasse
anerkannt wird, sind folgende:
Sie muss ihren Versicherten entweder ärztliche Behand¬
lung und Arznei oder ein Krankengeld von mindestens 1 Fran¬
ken pro Tag für eine Mindestdauer von 6 Monaten oder eine
Kombination beider Leistungen gewähren.
Sie muss, um es zu wiederholen, freie Wahl des Arztes find
der Apotheke gewähren; in besonderen Fällen kann sie ver-
Üriginal from
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4. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1659
langen, dass die Behandlung einem Spezialisten übertragen
werde. Nur patentierte Aerzte im Besitze des schweizerischen
Diploms dürfen zur Behandlung zugelassen werden.
Das Recht der Selbstdispensation des Arztes bleibt auch
gegenüber den Kassenmitgliedern gewährleistet, soweit nicht
kantonale Einschränkungen bestehen. (Zu diesem Punkte hatte
der schweizerische Apothekerverein postuliert, es solle die
Selbstdispensation dem Arzte nur da gestattet sein, wo am
Orte keine öffentliche Apotheke bestehe. Die vorberatende
Kommission hatte dieser Anregung Folge gegeben, das Plenum
des Rates aber auf Voten seiner ärztlichen Mitglieder und des
selbst aus dem Aerztestand hervorgegangenen Bundesrats¬
mitgliedes Deucher, das unbeschränkte Recht der Selbstdis¬
pensation wieder hergestellt. Massgebende Gründe waren,
dass man nicht ohne triftige Gründe alteingewurzelte Gewohn¬
heiten ausrotten wollte, dass die Versicherten im allgemeinen
bei Selbstdispensation des Arztes billiger fahren und dass man
nicht auf Kosten des Aerztestandes eine einseitige Vermehrung
der Apotheken fördern wolle.
Für die ärztlichen Leistungen gelten die vom Bundesrate
aufzustellenden Tarife, so dass auf jeden Fall Bezahlung nach
Einzelleistungen erfolgen wird. (Das Nähere über die Tarife
wird erst bei den Beratungen über die Unfallgesetzgebung zur
Sprache kommen. Der betreffende Paragraph lautet im Ent¬
wurf: „Der Tarif für die Entschädigung ärztlicher Leistungen
wird unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, nach
Vernehmlassung der schweizerischen Aerztekommission, durch
den Bundesrat aufgestellt. Die Namen derjenigen Aerzte,
welche den Tarif annehmen und also von den Versicherten
selbst keine Mehrentschädigung verlangen, sind zu veröffent¬
lichen.“)
Bei Missbrauchen kann auf Antrag einer Kasse durch den
Bundesrat dem Arzte oder Apotheker für eine gewisse Zeit das
Recht entzogen werden, auf Rechnung der Kasse zu prakti¬
zieren.
Um die noch wenig entwickelte Versicherung des weib¬
lichen Geschlechts zu fördern, sind die Bestimmungen getroffen,
dass beide Geschlechter im allgemeinen zu den gleichen Be¬
dingungen in die Kassen aufgenommen werden müssen und
dass Wöchnerinnen, die mindestens seit 9 Monaten vor ihrer
Niederkunft Mitglieder der Krankenkasse sind, dieselben
Leistungen erhalten, wie sie für Krankheiten vorgesehen sind.
Die Karenzzeit für die Versicherten ist auf höchstens
3 Monate festgesetzt. Um Missbrauchen vorzubeugen, müssen
die Statuten schützende Bestimmungen gegen die Ueberver-
sicherung enthalten, und endlich sind zur Erzielung einer mög¬
lichst weitgehenden Freizügigkeit umfassende Bestimmungen
getroffen.
Für diese Minimalleistungen erhalten nun die anerkannten
Krankenkassen eine Subvention vom Staate, welche folgender-
massen berechnet wird. Als Grundlage gilt der sog. „Bundes¬
rappen“, d. h. es wird der Krankenkasse auf jedes Mitglied
und auf jeden Tag der Mitgliedschaft ein Rappen ausgerichtet;
für weibliche Mitglieder wird der Beitrag auf Rappen er¬
höht, ebenso für Kinder unter 14 Jahren, die mindestens
Arzt und Arznei frei erhalten und auf I K> Rappen für die Mit¬
glieder aller derjenigen Kassen, welche freie Krankenpflege und
ein Krankengeld von mindestens einem Franken gewähren.
Endlich ist vorgesehen, dass für die Gebirgsgegenden, wo einst¬
weilen die Gründung von Krankenkassen unmöglich und wo
die Beschaffung ärztlicher Hilfe besonders kostspielig ist, be¬
sondere Staatsbeiträge zur Verbesserung und Verbilligung der
Krankenpflege ausgeworfen werden sollen.
Mit Befriedigung kann konstatiert werden, dass die allge¬
meine Tendenz des Gesetzes dahin geht, die Krankenkassen
von der bisher zu einseitig gepflegten ausschliesslichen Ver¬
sicherung für Krankengeld abzubringen und ihre Fürsorge auch
der Krankenpflege, sowie der Frauen- und Kinderversicherung
zuzuwenden . Die schweizerischen Aerzte werden diese Wen¬
dung doppelt begrüssen; denn einerseits wird dem allgemeinen
Volkswohl sicherlich dadurch besser gedient, dass dem Un¬
bemittelten rechtzeitige ärztliche Hilfe zur Verfügung steht, als
durch blosse Ausbezahlung eines möglichst grossen Kranken¬
geldes; anderseits gewinnen auch sie dabei; gehören doch bis¬
her die ^iur füf Krankengeld versicherten Mitglieder nicht ge¬
rade zu den beliebtesten Patienten: Zwar nehmen manche von
ihnen den Arzt wiegen jeder Kleinigkeit in Anspruch, behelligen
ihn mit einer Menge von auszufüllenden Formularen, ziehen auf
Grund dieser Zeugnisse ihr Krankengeld ein, vergessen dann
aber sehr häufig, den Arzt für Behandlung und Schreibereien
zu honorieren.
Da die Aerzte von ihren Postulaten voraussichtlich nun die
freie Arztwahl, die Bezahlung nach Einzelleistungen, die Bei¬
behaltung der Sebstdispensation und das Verbot der Behand¬
lung durch unpatentierte Heilkundige dauernd erreicht haben,
so ist zu erwarten, dass von Anfang an nach Inkrafttreten des
Gesetzes das Verhältnis zwischen Arzt, Kasse und Versicherten
ein ungestörtes sein werde und dass uns die schweren Ent¬
täuschungen und die harten Kämpfe der deutschen Kollegen
erspart bleiben. In einem Punkte allerdings muss der schwei¬
zerische Aerztestand noch auf der Hut sein. Das Gesetz gibt
keine Einkommensgrenze an, welche das Recht zum Beitritt in
eine Krankenkasse ausschliessen würde. Es werden sich also
unter den ca. 700 000 Versicherten, auf welche gerechnet wird,
zahlreiche bemittelte Mitglieder befinden. Deshalb müssen un¬
bedingt die einst abzuschliessenden Tarife auf eine anständige
Höhe gebracht werden, damit nicht die Kassenmitglieder zu
Taxen behandelt werden müssen, wie sie vielleicht in der
Armenpraxis angehen können. Um dieses Ziel zu erreichen,
ist es aber notwendig, dass sich die stellenweise noch ganz im
Argen liegende Organisation der sclrweiz. Aerzteschaft noch
gehörig kräftige.
Im kommenden Herbste wird nun die zweite Kammer des
Schweiz. Parlamentes, der Ständerat, das Krankenversiche¬
rungsgesetz durchberaten, an demselben aber kaum mehr ein¬
schneidende Veränderungen vornehmen. Der Nationalrat wird
sich mit der Beratung des Unfallversicherungsgesetzes be¬
fassen, welche kaum so glatt ablaufen wird, weil über diese
Materie die Meinungen der Parteien und Interessenten noch
weit auseinander gehen. Das letzte Wort wird, falls das
Referendum überhaupt angerufen wird, das Volk haben.
Dr. N.
Aerztlicher Verein in Frankfurt a. M.
(Offizielles Protokoll.)
Ausserordentliche Sitzung vom 27. April 1908
abends 7 Uhr im Hörsaal des Dr. Senckenberg ischen
Bibiliothekgebäudes.
Vorsitzender: Herr Edinger.
Schriftführer: Herr Cahen-Brach.
Herr H. Vogt: Angeborene Veränderungen bei pro¬
gressiver Paralyse der Kinder.
Vortr. spricht über Untersuchungen, die Herr Dr. Rou-
d o ro i e - Florenz im Winter 07 in der hirnpathol. Abteilung
des S e n c k e n b e r g ischen neurol. Instituts ausgeführt hat.
Wir kennen durch N i s s 1 und Alzheimer den spezifischen
Prozess der progressiven Paralyse recht genau: wir müssen
nun aber sagen, dass mit diesen Veränderungen das Bild der
jugendlichen Paralyse nicht erschöpft ist. Vielmehr zeigen sich
hier nach Abstraktion jener Momente noch Erscheinungen,
die auf dem Gebiete der seit den letzten Jahren besonders
durch die Arbeiten von v. Monakow, Probst, Ranke
u. a. uns besser bekannt gewordenen Entwicklungsstörungen
liegen. Das Gehirn der jugendlichen Paralytiker zeigt dem¬
nach die charakteristischen Bilder des Plasmazellinfiltrats,
Gefässneubildung und regressive Veränderungen derselben,
die Stäbchenzellenbefunde, die Gliabilder Alzheimers, an
den Ganglienzellen Zeichen chronischer Erkrankung, Sklero¬
sierung usw., ausserdem aber findet mani eine unfertige Hirn¬
rinde, in ihrem Schichtenbau embryonal und zuweilen an den
Brodmann sehen sechsschichtigen tektogenetischen Typus
erinnernd, in der Rinde unfertige Zellelemente, Neuroblasten,
im Mark zahlreiche Ganglienzellen zerstreut, also kleinste
Heterotopien. Ausserdem fällt besonders der Befund zwei- und
niehrkerniger Zellen auf und zwar waren solche Elemente unter
den Pu rkinj eschen Zellen der Kleinhirnrinde häufig, unter
den grossen Pyramidenzellen der Grosshirnrinde hie und
da zu finden. Aehnliche Ergebnisse habep S t,r ä,u &s 1 e r, j
O. Ranke, Raecke mitgeteilt.
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Original fro-m
UNIVERSfTY OF MINNESOTA
1660
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
Es ist somit sicher, dass bei der jugendlichen Paralyse
angeborene Momente mit im Spiele sind. Es erhebt sich
die Frage, ob vielleicht auch für die progressive Paralyse der
Erwachsenen etwas ähnliches gilt. Für die jugendliche Para¬
lyse ist ja bekannt, dass sie besonders oft schon vorher im¬
bezille, geistig minderwertige Individuen befällt. Für die pro¬
gressive Paralyse der Erwachsenen hat vor allem N ä c k e
auf Qrund statistischer Erhebungen immer wieder die Be¬
deutung der angeborenen Anlage betont. Es würde also nicht
mir die Spezifität der exogenen Schädigung, sondern die endo¬
gene Disposition von Bedeutung sein. Dafür sprechen auch
adidere Gesichtspunkte: die schwere Belastung vieler Para¬
lytiker, die Beobachtungen von „Erblichkeit“ der Paralyse
u. a. m.; jedenfalls verdienen die Roudo nie sehen Ergebnisse
weitere Beachtung.
Herr S c h ü t z - Wiesbaden: Ueber chronische Magendarm¬
dyspepsien nnd chronische dyspeptlsche Diarrhöen. (Erscheint im
Druck.)
Wissenschaftliche Vereinigung am städft. Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 3. März 190H.
Vorsitzender: Herr Rehn.
Schriftführer: Herr A m b e r g e r.
Herr Lüthje stellt vor:
1. einen Fall von linksseitiger kompletter Bronchostenose nach
Angina acuta, hervorgerufen durch einen metastatischen Abszess oder
eine Anschwellung 1 von Bronchialdriisen. Das Röntgenbild und der
Verlauf bestätigen die Annahme.
2. einen Fall von Thrombose der linken Vena subclavia und
anonyma sinistra mit plötzlich aufgetretenem Hydrothorax bei einer
Patientin mit aplastischer Anämie.
Herr Voss:
1. Demonstration eines Falles, dem wegen syphilitischer Nekrose
beider vorderen Stirnhöhlenwände und Nasenbeine die doppelseitige
Stirnhöhlen-Siebbeineröffnung gemacht worden war. Die Diagnose
war auf radiologischem Wege gestellt worden. Durch die Operation
wurde gleichzeitig eine Korrektur der vorher hochgradigen Sattel¬
nase erzielt.
2. Demonstration eines 28 jährigen Küfers, dem auf operativem
Wege ein walnussgrosser Kieselstein aus der rechten Kieferhöhle ent¬
fernt wurde, welch letzterer durch einen Böllerschuss unter Zertrüm¬
merung des rechten Auges und des Orbitalbeckens hineingelangt war.
Auch hier hatte das Radiogramm den gewünschten Aufschluss ge¬
geben.
3. Vorstellung dreier geheilter Fälle otogener Allgemelnlnlektion
ohne Sinusthrombose.
a) Im Anschluss an akute Otitis media mit Mastoiditis bei 25 iähr.
Mann mit hochgradiger Prostration, Tcmp. 39,9, kritischer Tcm-
peraturabfall sofort nach der einfachen Aufmeisselung des skleroti¬
schen Warzenfortsatzes und fortschreitende Besserung der Allgemein¬
erscheinungen.
b) Im Anschluss an chronische Otitis media mit Fpidermisein-
wanderung ins Mittelohr, die klinisch unter dem Bilde eines Typhus
abdominalis verlief (Roseolen, diinne Stühle), palpable Milz, Temp.
40,0). Widal wiederholt negativ. Auch hier kritischer Temperatur¬
abfall sofort im Anschluss an die Totalaufmcisselung und alsbaldiges
vollständiges Verschwinden sämtlicher beschriebenen Allgemein¬
erscheinungen.
c) Im Anschluss an Osteomyelitis beider Warzenfortsätzc bei
27 jährigem Orgelbauer, die sich gleichzeitig nach einer Kopfver¬
letzung und einem sich daran anschliessenden Scharlach (?) unter
pyämischen Temperaturen und Schüttelfrösten entwickelte. Beide
Mittelohren und pneumatische Hohlräume völlig frei von frischen oder
vorausgegangenen Fntziindungserseheinungen. Erkrankung streng
lokalisiert auf die spongiösen Abschnitte der Warzenfortsätzc. Nach
deren Ausräumung Heilung.
Als Gegenstück zu diesen Fällen Demonstration eines Präparates
von Sinusthrombose nach chronischer Mittclohrciterung, bei dem
Sinus und Bulbus nach dem Vorschläge des Vortragenden in eine
zusammenhängende Halbrinne verwandelt sind. Der Kranke erlag
seiner schweren, mit zahlreichen Lungenmetastasen einhergehenden
Allgemeininfektion.
Diskussion: Herr Schnaudigel, Herr Voss.
Herr Vogt demonstriert mehrere Gliapräparate, welche nach
der von O. Ranke in der Zeitschrift fiir Erforschung jugendlichen
Schwachsinns, Bd. 1. 1907, pag. 133 veröffentlichten Methode gefärbt
sind. Die dargestellten Bilder betreffen: 1. Diffuse (iliose aus der
Hirnrinde eines epileptischen Idioten. 2. Ventrikeltumor bei tuberöser
Sklerose mit feinfaseriger hochgradiger Gliawucherung. 3. Oefässbild
eines Falles von juveniler Paralyse („Gcfässfiisschen“) mit zahl¬
reichen umgebenden Spinnenzcllen. Zur Methode bemerkt Yortr..
dass sie durch ihre Einfachheit, durch ihre Sicherheit und die Klar¬
heit der Bilder eine bemerkenswerte Bereicherung der neun'histo¬
logischen Technik sei. Sie ist, wie schon der Erfinder derselben
angab, nicht quantitativ, sondern im wesentlichen aui die patho¬
logisch gewucherte (iha beschrankt.
Im Schlusswort bemerkt Yortr.. dass die Ranke sJic
Methode nicht die Wcigertsdie ersetzen kann und s*«II (wie dies
Ranke Selbst hervorhebt), sondern an jener ihren Massstab findet.
Aus den erörterten Gründen wird sie aber von allen Seiten, die der
Histologie des Zentralnervens\ stems nahestehen, sehr begrusst
werden.
Herr C. U. Arien s Kappers: Strukturelle Gesetze Im Bau
des Gehirns.
Nachdem der Redner in einer Sitzung des ärztlichen Vereins im
Oktober des vorigen Jahres einen Vortrag über die Erscheinungen
der Neurobiotaxis gehalten hat und dabei demonstriert hat. wie die
motorischen Ganglienzellen in der Ohlougata sowohl als dieiemgen
des Sympathikus sich begeben in der Richtung des maximalen Reizes,
bespricht er jetzt ausführlicher die Prinzipien des Gehiruhaues.
Aus den Beobachtungen der Zellenw anderung in der Ohloriguta
ging hervor, dass die Zellen sich in der Richtung der sie zentral
beeinflussenden Bahnen begeben, eine ganz grosse Mreckt zunick-
legend. indem Me die ganze Dicke der Oblungata durchwandern.
Daraus folgt aber, dass die diese Zelle zentral beeinflussenden Bahnen
in ihrem Wachstum nicht bedingt werden durch die l äge der motori¬
schen Zellen, da dann sonst die Zellen in ihrer ursprünglichen Lage
liegen bleiben konnten und nicht über grosse Distanzen zu wandern
hatten um die zentrale Bahrienendigung zu finden. Die Frage, weiche
daraus resultiert, ist diese: Wodurch wird der Verlauf der Sogen,
zentralmotorischen Bahnen wohl bedingt? Da es nicht die motori¬
schen Zellen sind, können cs nur die sensiblen Regionen sein, wie
sich denn auch durch die Tatsachen nachw eisen lasst, und zwar
ist es offenbar die gleichzeitige Reizung seines Aniang- und End¬
punktes, welche das Auswachsen der sogen, zentralen motorischen
Achsenzy1 1 ndcr bodingt.
Hierdurch nun werden verschiedene Eigentümlichkeiten, die bis
jetzt als konstante, aber unerklärliche Befunde konstatiert waren,
deutlich erklärt.
So enden z. B. die Pyramidenbahnen im Rückenmark in einem
Gebiet, Schaltzellengebiet (Golgj. v. Monakow», wo auch die
hinteren Wur/eliasern aufhoren. Der Verlauf der IN ramiden m den
Hintersträngen (ein exquisit sensibles Areal* wie er bei den Marsu-
pialiern. Monotremen. Rndeiitia. Insektivoren. I ngulaten als fast kon¬
stanter Befund auttritt, repräsentiert offenbar das primäre \ erh.i'ten.
welches erst bei den Karnivoren und Primaten durch sekundäre Kom¬
plikationen geändert wird. In l'ebereinstmmiung mit der Tatsache,
dass das Auswachsen der Sogen, motorischen Bahnen durch sensible
Reize bedingt wird. ist. dass denjenigen Nerven, vmi denen eine
sensible Wurzel abgeht, auch eine Pvrnmide zu ihrer direkten Ein¬
gehung ihres motorischen Kernes feint. Beispiele: Gkuloniotorius.
Trochleuris, Alulu/ens. (Bezüglich des H\ pogiossus liegt eine Kom¬
plikation vor, auf welche Redner liier nicht emgehen kann.)
Auch bezüglich der anderen kortiko-jugaien Bahnen lasst sich
nachweisen. dass simultane oder direkt sukzessj\e Reizung ihres
Anfang- und Fndgeluetes offenbar der Grund ihres Auswachsens ge¬
wesen ist. So verbinden die kortiko-pmitmen IN ramiden Zentren, d.e
mit der Empfindung des Gleichgewichtes in direkter oder indirekter
Beziehung stellen. Die kortiko-mesenzephalischc Bahn aus der okzi-
pit; len Rinde zum Tcctiim opticum verbindet zwei optische Zf't :n.
welche beide auf verschiedenem Wege von der Retina gereizt wer¬
den. Die kortiko-fugale Bahn der Riechriude. der Fornix verbindet
zwei Zentren, die beide schon Zuvor aut verschiedenem W'rgg K:ech-
in pulse emp ; angen.
Viel leichter als für die sogen, motorischen Bahnen l.isst sich das
Gesetz eler simultanen Reizung nachweisen für die sensiblen Palmen.
Sehr sprechende Beispiele sind bei den niederen Yer teVaten vor¬
handen. wo die Bahnen des Geruches der trigenunalen < >r aiseTisibmt.it
und lies Geschmackes miteinander \ erbmdungen emgehen. w .dretid
auch die sensible atifsteigende Verbindung zwischen den /ent r n’en
(ileichgew ichtsgebieten des I.abx rintlis und den zentralen optisclu n
Eindrücken überall deutlich ausgesprochen ist. Nchhessä h weist
Redner noch daraufhin, dass der ausgesprochene des/endente Verlauf
der sensiblen (Ibfotlgataw ur/eln «Trigeminus. Vestibularis) und der
ausgesprochene aszendente Verlauf x on Rückenmark fasern »Mmter-
strange) auch nach diesem Prinzip erklärt werden muss, indem un
Teil der trigenunalen Nensibilu.it mit der Zerx ikaNensibi'itat in dem
R o I a n d n sehen Keni m Verbindung, tritt, w . -hrend die G’eichge-
xvichtsempfiudiingeu des I.abx rmfhs sich den glemh/t :tig anitret-. n-
den statischen Empfindungen der Koffer sensd.ilii.it n.dieMi.
Auch die Tatsache, dass das Grosshirn der Vertebraten sLh auf
dem Vordefhirn entwickelt und nicht etwa auf dem MitteIVui. lässt
sich nur durch die Gesetze der NVurobi. «taxis erk’a-en Für dies¬
bezügliche Details muss verw iesen w erden auf die f * 1 :a neuro,
biologicn. Heft 4. Bd. 1 .l'>os. Fs ist o’N-ribar.. dass für die Mniktur
des Gehirns die sensiblen ..reze’Moris^hi ti M Schaltze'kebiete d-e
grösste Rolle spielen und dass das Gesetz, welches sji-.n lange in
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4 . August 19Q&
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Psychologie bekannt ist, nämlich, dass zwei Eindrücke sich nur
dann assoziieren, wenn die sie hervorrufenden Reize zu gleicher Zeit
oder in naher Sukzessivität anwesend waren, und welches die Grund¬
bedingung bildet für alle Formen der Assoziation, offenbar auch das
Grundgesetz ist, welches den Bau des Gehirns in allen seinen Unter¬
teilen von den niederen Stufen bis zu den höchsten, von den unbe¬
wussten bis zu den bewussten Zentren bedingt.
Medizinische Gesellschaft in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 8. Februar 1908 in der Augenklinik.
Herr v. S t a r c k demonstriert einige Kinder mit v. Pirquet-
scher Tuberkullnreaktlon.
Herr Behr spricht über einige bemerkenswerte Fälle von
Hemianopsie. (Erscheint später als Teil einer grösseren Arbeit.)
Herr Reit sch stellt einen Fall von gummöser Ulzeration der
Sklera und Kornea bei einer 40 jährigen Frau vor. Der Prozess war
schon im Abheilen begriffen. Die Sklera war soweit exulzeriert, dass
in zirka Bohnengrösse der Ziliarkörper bläulich durchschimmerte.
Auf der Hornhaut kam es zur Perforation und kleinem Irisprolaps.
Relativ günstiger Heilungsverlauf unter energischer kombinierter
Jodkali- und Quecksilberbehandlung.
Herr Anschiitz: Angeborene Kreuzstelssbelngeschwulst
Das Kind wurde vor 4 Wochen kurz demonstriert. Es handelte
sich um ein angeborenes übermannskopfgrosses Teratom der Steiss-
beingegend, bei einem sechs Monate alten Kinde. Es wurde nach
Entleerung der Flüssigkeit der Tumor mit Gummibinden eingewickelt,
um den Blutverlust zu vermindern. Die Exstirpation vollzog sich
einfach. Das Steissbein musste entfernt, der Sakralkanal geöffnet
werden, das Rektum Hess sich stumpf lösen. Die Heilung ging glatt
von statten. Der Tumor wog 10 Pfund, das gleiche Gewicht wie das
Kind.
Herr Heine demonstriert mit dem Projektionsapparat mikro¬
skopische Präparate und farbige Bilder der verschiedensten Formen
von Iritis, bespricht an der Hand dieser die Differentialdiagnose und
stellt eine grössere Reihe von Patienten mit chronischen und akuten
Iritiden vor.
Sitzung vom 7. März 1908 im Marinelazarett Kiel.
Herr Kraemer: lieber die Medizin und die Anthro¬
pologie deF Karolinier. Mit Lichtbädern; (Die Arbeit erscheint
im Archiv für Schiffs- und Tropenhygiene.)
Herr Meuser: Vorstellung eines Talles von Siderosis lentis.
Der Kranke gab an, dass er seit einigen Tagen auf dem linken
Auge schlecht sehe; Ursache unbekannt, speziell wird eine Augen¬
verletzung zu irgend einer Zeit negiert. Der Verletzte ist von Beruf
Schmied. Die Untersuchung ergab am linken Auge am medialen
Hornhautrand eine kleine Narbe, ebenso eine entsprechende Ver¬
letzung der Regenbogenhaut. Die Linse ergab das Bild der Cataracta
traumatica, am Linsenäquator waren zahlreiche radiär gestellte Rost¬
flecken. Es bestand keine Verrostung der Iris oder anderer Teile
des linken Augapfels. In der Literatur sind mehrere Fälle von
Siderosis bulbi erwähnt, in welchen ebenfalls von den Verletzten an¬
gegeben wurde, dass sie mit Wissen nie eine Augenverletzung gehabt
hätten. Die Therapie bestand in peripherer Linearextraktion der ge¬
trübten Linse. Die Prognose bei Siderosis ist zweifelhaft, da auch
nach Entfernung des Eisensplitters in einer ganzen Anzahl von Fällen
fortschreitende Degeneration, speziell der Netz- und Aderhaut —
offenbar infolge des abgelagerten Rostes durch chemische Wirkung
bedingt — beobachtet wurde.
Herr T111 m a n n Krankenvorstellungen:
Fall 1. Obermatrose X mit Lues III. Geheilt mit intrave¬
nösen Einspritzungen von Sol. Kal. jodat.
Der Mann war wegen frischer Amöbenruhr ausserterminlich
von seiner Station in Ostasien abgelöst worden. Die Lues war vor
3 Jahren erworben und mit 2 Schmier- und 1 Spritzkur nebst der
üblichen internen Jodkalikur behandelt worden. Die Lazarettauf¬
nahme erfolgte wegen chronischer Darmbeschwerden. Gleichzeitig
wurden 2 Gummata an der rechten Tibia und mehrere exulze-
rierende Gummata am rechten Arm und Bein festgestellt. Der all¬
gemeine Zustand war kümmerlich. Mit Rücksicht darauf und die
chronische Darmschwäche wurde nach einer schonenden antilueti¬
schen Kur gesucht und nach dem Vorgänge von Doevenspek mit
intravenösen Einspritzungen von täglich 2,0 g einer 5proz. Sol. Kal.
jodat. (also täglich 0,1 g Jodkali) begonnen. Das Medikament liess
sich sofort im Urin nachweisen. Die Wirkung war eine prompte,
indem die Knochengummata sich zurückbildeten und die Geschwüre
sich reinigten und heilten; es wurden im ganzen etwa 30 Spritzen
abwechselnd in die linke und rechte Kubitalvene injiziert, bei den
letzten 10 Spritzen wurde eine lOproz. Jodkalilösung verwandt, so-
dass die Einzelgaben 0,2 g betrugen. Im ganzen sind demnach wäh¬
rend einmonatiger Behandlungsdauer nur 4 g Jodkali zur Anwendung
gekommen.
Der Erfolg war vollständig. Es traten niemals Nebenerschei¬
nungen auf. Das Allgemeinbefinden besserte sich erheblich.
Fall 2. Matrose X. mit geheilter Meningitis cerebrospinalis.
Anamnestisch ist eine in der Kindheit überstandene einseitige
Mittelohreiterung zu erwähnen. Der Mann erkrankte Anfangs De¬
zember 1907 infolge einer Erkältung irn Dienste an Kopfschmerzen
und wurde aus diesem Grunde ins Lazarett überführt. Von seinem
Standorte Kiel hatte er sich über l A Jahr nicht entfernt. Bei seiner
Aufnahme waren ausser einer akuten Bronchitis organische Verände¬
rungen nicht nachzuweisen. Es bestand kein Fieber. Trotzdem
machte er einen schwerkranken Eindruck. Das Gesicht war lividrot
der Ausdruck sehr müde und der Puls auffallend verlangsamt. Keine
Leberschwellung, keine Roseolen. Stuhl normal. Ausgiessen von
Blutplatten nach Schottmüller; nach 2 X 24 Stunden .steril.
Bei mässiger Temperatursteigerung bildete sich am 3. Tage eine
Empfindlichkeit der Nackengegend unter zunehmenden Kopfschmerzen
aus. Die Lumbalpunktion ergab eine erhebliche Drucksteigerung
und einen flockig getrübten Liquor. Die Untersuchung des Liquors
ergab eine starke Leukozytose doch ohne nachweisbare Mikro¬
organismen. Das Krankenbild änderte sich bis Ende Januar wenig.
Es traten nie irgendwelche Lähmungen oder Spasmen ein; das Bild
des Augenhintergrundes beiderseits ergab nie eine Abweichung vom
Normalen. Die Reflexe bleiben im allgemeinen normal. Fieberfreie
Perioden von mehreren Tagen bei allgemeinem Wohlbefinden wech¬
selten mit Anfälle von grosser schmerzhafter Nackensteifigkeit bei
oft getrübtem Bewustssein. Dieser Zustand konnte ebenfalls mehrere
Tage anhalten. Die Pulsverlangsamung blieb auch während der Tage
des Wohlbefindens konstant. Anfangs Januar trat gleichzeitig mit
einer allgemeinen Verschlimmerung eine akute Schmerzhaftigkeit des
linken Warzenfortsatzes auf, die aber nach lokalen Blutentziehungen
und Eispackungen wieder verschwand. Hiernach wurde eine leichte
Fazialisparese beobachtet.
Die Therapie war im wesentlichen symptomatisch. Bei Er¬
scheinung von Hirndruck wurde stets die Lumbalpunktion ge¬
macht und Liquor abgelassen. Das Aussehen des Liquor besserte
sich stetig. Die Leukozytose war schon bei der 3. Punktion ge¬
schwunden, dagegen bestand noch längere Zeit eine geringe Lympho¬
zytose.
Anfang Februar trat der Kranke in das Stadium der Rekonvales¬
zenz. Er litt noch an zeitweisen Kopfschmerzen, die jedoch immer
seltener auftraten. Keine Beeinträchtigung der Psyche und der mo¬
torischen und sensiblen Funktionen.
Hinsichtlich der Aetiologie ist der Fall unaufgeklärt geblieben.
Wegen der überstandenen Schwere der Erkrankung und des Aus¬
falles der noch zu erwähnenden chemischen Untersuchung der Spinal¬
flüssigkeit wurde der Mann als dienstynbrauchbar entlassen.
Beide Fälle wurden ganz besonders auch hinsichtlich des zyto-
logischen und chemischen Verhaltens der Lumbalflüssigkeit geprüft.
Nonne hat gefunden, .dass wenn man Liquor zu gleichen Teilen
mit einer neutralen Ammoniumsulfatlösung versetzt, bei bestimmten
Krankheiten eine Reaktion in Form von Opaleszenz oder Trübung ein-
tritt, während für gewöhnlich die Flüssigkeit klar bleibt. Er nennt
diese primäre (Globulin) Reaktion die Phase I.
Kocht man das Filtrat der Phase I in der üblichen Weise unter
Ansäuerung auf, so erhält man die normal vorhandenen Albumine.
Er nennt diesen Prozess die Phase II. (Näheres siehe Archiv für
Psychiatrie, Bd. 43, Heft 2.)
Die Phase I ist Nonne bei Dementia paralytica, Tabes dors.,
Lues III des Nervensystems und Lues congenita in fast 100 Proz.,
bei Lues II in 20 Proz. seiner Fälle gelungen, während sie bei ge¬
heilter Lues, bei Alkoholismus, bei Tumor cerebri, bei funktionellen
Neurosen und Nervengesunden nie auftrat.
Weniger eindeutig sind die Resultate hinsichtlich der Phase I
bei Meningitis cerebrospinalis, doch liegen diese Fälle meist dia¬
gnostisch einfach.
Mit seiner Phase I ist Nonne imstande zwischen zweifelhaften
rällen von Dementia paralytica, Tabes und tertiärer Lues des Nerven¬
systems einerseits und beispielsweise einer Pseudotabes und den
funktionellen Neurosen andererseits zu differenzieren.
Auf die beiden vorgestellt Fälle angewandt, wurde bei beiden
auch nach ihrer Heilung die Phase 1 für positiv befunden, was bei
der Lues III noch der Grund für die Einleitung einer energischen
merkuriellen Kur, bei der geheilten Meningitis Grund für die Dienst¬
entlassung wurde.
Auch bei anderen geeigneten Fällen der inneren Abteilung des
Marinelazarettes Kiel wurden die Untersuchungen N o n n e s nach¬
geprüft und konnten in allen Fällen bestätigt werden.
Herr Hansen stellt einen eigenartigen Fall von Oberarmbruch
vor.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Sitzung vom 9. Mai 1908 im Marinelazarett Kiel.
Herr Knoke stellt einen Fall von geheiltem Längsbruch der
Patella vor. (Erscheint in der Deutschen Zeitschrift fiir Chirurgie.)
Herr Hansen: Ueber die Entstehung von Leisten¬
brüchen.
Vortr. hat die Beobachtungen an dem Material des Marine¬
lazaretts Kiel, über deren Ergebnisse in Langenbecks Archiv,
Bd. 78, Heft 2 berichtet worden ist, an dem operativen Material
des Lazaretts Kiel-Wik fortgesetzt und verfügt über 114 Fälle
von äusseren Leistenbriichen, die von ihm radikal operiert
wurden. Vortragender hält sein Material für besonders ge¬
eignet zur Entscheidung der Frage, ob im einzelnen Falle ein
angeborener Bruchsack vorlag, weil es sich um Jugendliche
muskelkräftige Personen handelt und weil die stete Auisicht
und die häufigen Untersuchungen eine relativ günstige Hand¬
habe bieten zur Beurteilung der Dauer des Bestehens der
Brüche und zur Kritik der Angaben der Kranken. 47 Proz.
kamen innerhalb eines Monats nach der Bruchentstehung zur
Operation. Dementsprechend war ein hoher Prozentsatz
(28 Proz.) noch nicht aus dem vorderen Leistenring heraus¬
getreten und 44 Proz. erreichten nicht Walnussgrosse, nur
7 Proz. füllten eime Hodensackhälfte aus. Als Inhalt wurde
in fast 70 Proz. Netz mit Sicherheit festgestellt. Als Merkmale
für angeborenen Bruch sack wurden Handschuh¬
fingerform, Enge, Dünnwandigkeit, Fehlen von suhscrösem
Fett, narbige Verdickungen, Einschnürungen, Zystenbildungen,
vor allem aber feste Verwachsung mit den nebeneinander
liegenden Elementen des Samenstranges angesehen und in
84 Proz. festgestellt. Vortr. ist der Ansicht, dass die mehr
oder weniger grosse Enge des Leistenkanales von geringerer
[Bedeutung für die Entstehung von äusseren Leistenbriichen ist,
als das Vorhandensein eitles ganz oder zum Teil offen ge¬
bliebenen Proc. vagin. Letzterer wurde nur 7 mal ganz offen
gefunden. In der Mehrzahl der Fälle (65 Proz.) betrug die
Länge 5— 9 cm. Von [Bedeutung ist ein weiter Leistenkanal
für die Entstehung von direkten (inneren) Leistenbriichen und
beruht fast immer auf einer mangelhaften Ausbildung des
M. obliqu. int. und transv. abdom., was der Vortr. an Skizzen
demonstriert.
Herr Krämer stellte 2 Matrosen vor mit chronischen, aus-
gebreiteten, nässenden und teilweise impetiginosen Unterschenkel-
kratzekzemen, die monatelang zuvor in Behandlung gewesen waren
ohne wesentliche Besserung. Nach 4 und 6 tägiger Behandlung erst
mit Bleiwasser, dann mit 10 proz. Zinksalbe, w aren die ganzen
Flächen trocken und ruhig, nur noch mit Epidermisschuppen bedeckt,
so dass sie ohne Verband bleiben konnten. Es wurde betont, dass
alles darauf ankommt, die Patienten vom Kratzen und Reiben der
Flächen zurückzuhalten und energisch psychisch auf sie einzuwirken.
Tägliche Kontrolle durch den behandelnden Arzt ist unbedingt not¬
wendig. Nur wenn der Kranke sein Leiden sozusagen*vergisst, heilt
es auch, wenn es im Stadium der trockenen Schuppung ist, von
selbst aus.
Herr Dresler berichtet über langjährige Versuche, die er mit
Keflrmilch als Säuglingsnahrung angestellt hat. In besonderer Weise
hergerichtet — ausführliche Beschreibung des Verfahrens in der
diesbezüglichen Veröffentlichung in der „Medizinischen Klinik“ —
hat sich die Kefirmilch vorzüglich bewährt. An der Hand von <ie-
wichtstabellen erläutert er die Erfolge, die man mit Kefirmilch als
alleinige Nahrung gleich nach der Geburt, im allaitement mixte und
bei Behandlung der verschiedensten Ernährungsstörungen und M:t-
gendarmerkrankungen des Säuglingsalters zu erzielen vermag. Be¬
sonders beachtenswert sind die starken Gewichtszunahmen. die der
Kefir herbcifiihrt; in einem Fall bis zu 5.S7 g pro Woche. Die Ein¬
fachheit, Zuverlässigkeit und Billigkeit seines Herstellungsverfahrens
des Kefir ermöglicht die Verwendung desselben auch in den ärmlich¬
sten Verhältnissen.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vorn 4. Mai 1908.
Herr Noesske: Tuberkulose und Aktlnomykosc ln
Wechselbeziehung zu ihren Erregern.
N. vergleicht die beiden Infektionsprnzesse von allgemein
biologischen, experimentell-pathologischen, anatomischen und
klinischen Gesichtspunkten.
Den wesentlichsten pathologisch-anatomischen Unter¬
schied sieht N. in der dem Wachstum maligner Neubildungen
rglc ich baren Neigung des aktinnmykotisclicu Prozesses zur
Kontinuitätspropagation mit ausgesprochen destruktivem Cha¬
rakter. Die Ursache der direkten kontinuierlichen Ausbreitung
des aktinomykotischen Prozesses liegt nach N.s anatomischen
Untersuchungen hauptsächlich in dem \ erhalten der elastischen
Fasern begründet, die dabei schon sehr frühzeitig Zerstört,
gleichsam gelost werden (daher ihr Fehlen im Sputum bei
Lungenaktinomykose), während sie sich in tuberkulös er¬
krankten Organen lange Zeit unverändert erhalten (z. B. bei
der käsigen Pneumonie).
Das eigenartige \ erhalten des Strahlenpilzes im 1 »cr-
experiment, welch letzteres bisher nur höchst selten und m
unvollkommener Weise gelungen ist, steht in einem diametralen
Gegensatz zu dem \ erhalten des I uberkelba/illus. dessen
morphologische Eigenschaften (strahlenpil/uhr.lichc \N udiMorm
unter besonderen Ycrsiichshedmgungen, Bildung von \cr-
zweigungcu u. a.) ihrerseits eine gewisse biologische \er-
wandlschaft mit den Aktiimmyzes nicht v erkennen lassen. W ic
der letztere noch heute auf der Grenze von fakultativ sapro-
phytisch-pathogencii Mikroorganismen stellt und nur unter ge¬
wissen Bedingungen eine ungew ohnliJi hohe Pathogenität ent¬
faltet. die (wie die gelegentlich beobachteten Epidemien bei
Rindern lehren) möglicherweise im Laufe dir Zeiten JurJi
Anpassung eine weitere Steigerung erfahren konnte, so nimmt
N. umgekehrt fiit den Tubcrkclbazillus eine weit zurückliegende
Periode geringerer Tier- und Meuscheitpatliogemtat als wahr¬
scheinlich an. in welcher derselbe auf einer biologischen Ent¬
wicklungsstufe stand, auf der noch heutigen Tages der
Strahlenpilz steht. (Der \ ortrag wird ausfuhrl; Ji in dieser
Wochenschrift erscheinen.)
Sitzung vom IS. Mai I90S.
Herr Febsenfeld: Ueber die Ophthalmoreaktion in
ihrer Beziehung zum Sektionsergebnis und zur Tuberkulin-
injektion. (Der Vortrag ist in No. Jt» der Munch, mcd. Wochen¬
schrift veröffentlicht.)
Herr Wandel ste.lt en.en 5" uh: U eil Reiser kn int \ «rtcr*.-
irsuffi/ien/ und Arteriosklerose vor, welcher m l cme :u l.thrc
Parä.stlicMcn, Kalte- lind I'atfbhcitseMnunidiin.ten in; tu bat des ’.isoi
Nervus ulnaris hat. die s.di bei k*n pe:lab.er Arbeit und ge’egent-
lich auch beim Essen /u eiium krampüutten Sdimr/ Me gern. so
dass Gegenstände dann mehl in der Hand gehalten werden kennen.
Diese nur )>ei den erwähnten Ge lege nhe.teil amt’et.n kn \ !.. c
halfen meist nur wenige Minuten, längstens 1' M nuten, an. 1*
handelt sich um die sensiblen und m**!** r:\vhcn Storungen. w e s e
für die untere Extremität von C h a r c o t und E r b a's intenn tt :e ren-
des Hinken oder Dysbasia arterioskkrotica beschriebt ii und für d e
obere Extremität von D eter m a n n als D v s k i n c s : a > n t e r -
m i t t c n s a n g i o s e 1 e r o t i c a bezeichnet sind.
Die Besmideilieit des l.öes egt eiieise ts m vier Be¬
schränktheit des Dro/essts aut das Gel’et der Nervus u n i’:*,
dessen anatomische Beziehungen zu den Xuigj.'^ni besprochen
werden; andereiseits in der G e s e t z m a s s i g k c . t des \ut-
t r e t e n s der l.almnings- nid sJniic-ziv.n.W'i oi. ehe • f * e m »r
Von den Blutdruckv ei haltniss,. ii und pef .phe:e n sjusf svhe'i Zu¬
ständen abhängig ist.
Herr Pfeif ler berichtet über i iu n l .i ! \ m Scharlach, de-
einen 17 jährigen Tischler Ivhrimg betont, he: we ehern die Inte st m
mit dem Scharlachgut v .e.leicht an einer k . e ; n e n Riss u u n ! e
am rechten 5. bmger stattgetundeii hat. 2 läge n.ivh der \ e’\ tzurg
l\iiiphangitische Streiten am Atm mit einer 1 ' g. t d e .diach-
aus in Aussehen und \no» drui.g eme m .r u ie \ o::-. m g < c':t.
A läge nach der Iniehtmn I : u p: .< >n des ui'\e'*i e:i 1 \.i:'l"ti ! \
Angina. ■Uluinnnurie. Schwerer \ c : ’ mf. v •• 's rrm e p.e Me m g. De r
Lall luetet viele Analogien zu gern seme’Ze* I e ii b e 1 M'. /.
Diagnose der mncteii K rarikbe .teil* und den .n den bester. 1 ioci
von Inger sie v (Zeitschr. f. klm. Med;z.n. M. Mm.!. l" l C> vm.f
S t r u b e I 1 (Mit teil, aus den < ircnzgi bieten. h'O. >. Di mit geU
Fällen. (Demonstration mehreiei I’. der der I \ v ••*• »: g.! *.i
Herr Wandel: Zur Frage der (ielatinefherapie.
Nach einer UebersiJit über d;;e Anwendungs¬
gebiete der Gelatine, in welcher spe/ieil die I »Xuungut in¬
folge veränderter Ihntheschatte nhut berv orgelt« »l\ rt weide n.
bespricht W. die Anforderungen. welche an e:r. zw eckent-
sprcchcndes C ielatinepräparat gestuh Werden müssen. Neben
absoluter Keimfreibeit soll die <k brate d.c einstigsten ge-
rinniingshciordcrikk n Ege nsjiaftci: hüben l.et/tere E<>r\!e-
rillig Seil 1 iesst ( icbitiliell. Welche taieY \bK.i.i;pr*»d :kte des
Leims als die Gluti seil enthalte n. v.»n der Anwendung aus. I »,e
ge\\ o|i li liehen käuflichen < iclatiifc praparatc v cf tragen laug-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
4 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1663
dauernde Erhitzungen auf oder gar über 100° nicht; sie werden
durch Temperaturen, wie sie die Abtötung der Tetanussporen
erfordert, teilweise schon bis zur Stufe der Aminosäuren ab¬
gebaut. Bei Verwendung der besten Handelsmarken empfiehlt
es sich daher zur Vermeidung stärkerer Denaturierung, die
Hitzesterilisierung nicht länger als zur Erreichung der Abtötung
anaerober Sporen nötig ist, einwirken zu lassen. Diesen
Zweck erfüllt in durchaus zuverlässiger Weise die Anwendung
eines fraktionierten Sterilisierungsverfahrens, welches den an¬
aeroben Verhältnissen Rechnung trägt. Das seit 7 Jahren in
der Medizinischen Klinik erprobte Verfahren, Sterilisieren der
mit Paraffinum liquidum überschichtetem Gelatine in einem
spritzflaschenähnlich montierten Kolben, wird demonstriert.
Es gestattet dieses Verfahren u. a. auch keimsichere Abfüllung.
In extenso a. 0.
Sitzung vom 1. Juni 1908.
Herr Hagemann stellt einen Pall von Impferkrankung
der rechten Mamma und des rechten Auges bei einer 35 jährigen
Schuhmachersfrau aus Wankendorf vor. (Publikation in einer der
ophthalmologischen Zeitschriften steht noch aus.)
Herr Wandel: Beiträge zur Glukiironsäure- und Schwefel¬
säuresynthese im Tierkörper.
Im Anschluss an seine früheren Untersuchungen über das
Schicksal in den Körper eingeführten K r e s o 1 s hat W. in
mehreren Versuchsreihen beim Hunde Daten über die quanti¬
tativen Verhältnisse der Schwefelsäure- und Glukuronsäure-
paarung beigebracht. Es wurden die Paarungsbedingungen
einer bestimmten in den Magen eingeführten Kresolmenge unter
verschiedenen Ernährungsverhältnissen untersucht, und zwar
bei gemischterKost, bei Kohlehydratfütterung,
bei reiner Eiweissnahrung, bei wesentlicher F e 11 -
fütterung und im Hunger. Die Sulfate und Aether-
schwefelsäuren wurden qach B a u m a n n bestimmt, die ge¬
paarten Glukuronsäuren wurden nach Entfernung ev. anderer
optisch aktiver Körper nach ihrem Drehungsvermögen ge¬
schätzt. Dabei zeigte sich, dass der Glukuronsäurepaarung
meist ein mindestens ebenso grosser Anteil an der Entgiftung
eingeführten Kresols zukommt wie der Schwefelsäurepaarung.
Durch reichliche und einseitige Kohlehydratfütterung gelang es
die Werte für die Schwefelsäurepaarung um beinahe die Hälfte
herabzudrücken; ein weiteres Sinken derselben trat in den
zwei Hungerperioden ein, wobei sich die interessante Tatsache
zeigte, dass noch am 29. und 30. Hungertage eine wesentliche
Glukuronsäureausscheidung zustande kam. Die Glukuron¬
säurepaarung hatte ihren höchsten Wert bei reiner Kohle¬
hydratfütterung.
Zum Schluss wurde auf die Frage der Herkunft der beiden
Paarlinge, der Glukuronsäure und der Schwefelsäure, einge¬
gangen . Ein direkter Abbau eingeführter Kohlehydrate zu
Glukuronsäure erscheint nach den Versuchen nicht wahrschein¬
lich, wenigstens gelang es nicht, bei gemischter Kost
durch reichliche Zuckerzufuhr, selbst nicht durch Zuckerüber¬
schwemmung des Organismus die Glukuronsäuresynthese
unmittelbar in die Höhe zu treiben. Dies gelang erst durch
längere Zeit durchgeführte N-arme und kohlehydratreiche Er¬
nährung. Es muss offenbar das Kohlehydrat erst in den Zell¬
bestand des Organismus aufgenommen werden, ehe es das
Ausgangsmaterial für die Glukuronsäurebildung abgeben kann.
Da diese Neubildung auch nach so langem Hungern noch vor
sich geht, so ist — ähnlich wie bei der Zuckerbildung aus
Eiweiss —, die Herkunft der Glukuronsäure aus den kohle¬
hydrathaltigen Komplexen des Eiweissmoleküls wahrscheinlich.
Die Aetherschwefelsäuren entstammen wohl der schwefel¬
haltigen Aminosäure des Eiweissmoleküls, dem Zystin.
Die Resultate bei den verschiedenen Versuchsbedingungen
weisen darauf hin, dass der Ort dieser beiden Synthesen im
Bereich des intermediären Stoffwechsels zu suchen ist. Die
Massenvorstellungen dieser Synthesen und die qualitativen
Vorgänge bei der Paarung machen es am wahrscheinlichsten,
dass die Paarungsstelle, wie auch Embden und Glaessner
annehmen, in der Leber zu suchen ist, wo auch nach den
histologischen und chemischen Untersuchungen des Verf. die
Hauptmasse des parenteral eingeführten t Kresols gesammelt
wird und bei ausreichender Dosis auch zu Zerstörungen, des
Lebergewebes, von den leichtesten Graden der Zellschädigung
bis zur Totalnekrose der Leber, führt (cf. Arch. f. exp.
Path. und Pharm., Bd. 56).
Die Arbeit erscheint in extenso im Archiv für experi¬
mentelle Pathologie und Pharmakologie.
Sitzung vom 15. Juni 1908.
Herr Schumacher stellt einen Kranken mit Mikulicz-
scher Krankheit vor, der dadurch besonderes bietet, dass eine
knötchenförmige Iritis tuberculosa und Schwellung vereinzelter
Lymphdrüsen besteht, ohne andere nachweisbare tuberkulöse Er¬
krankung, aber auch ohne Zeichen einer Leukämie etc., so dass der
von anderer Seite geäusserte Gedanke, dass es sich bei einzelnen
Fällen obengenannter Erkrankung um „modifiziert verlaufende Tuber¬
kulose“ handeln könne, durch das vorliegende Krankheitsbild eine
Unterstützung zu erfahren scheint.
Der Fall soll noch anderweitig veröffentlicht werden.
Herr Jastrowitz: Beitrag zum Glykokollabbau.
Vortragender hat nach der 1907 von Glaessner -Wien
angegebenen Methode, die praktischer und exakter wie die
ursprünglich von Pfaundler ist, nach Gaben von 15—20 g
Glykokoll bei schweren Lebererkrankungen (Lues, Stauungs¬
zirrhose, P-Vergiftung) ein« Steigerung des für gewöhnlich
nicht erhöhten Amino-N-Gehaltes im Urin hervorrufen können.
Bei Zirrhose war das Resultat zweifelhaft. Die Resultate
stimmen im wesentlichen mit den von Glaessner ge¬
machten überein. Zur Kontrolle wurde in einem Falle das
Glykokoll als Naphthalinsulfoglyzin aus dem Urine isoliert. Es
war also auf diesem experimentellen Wege bei den meisten
schweren Leberschädigungen eine sonst nicht nachweisbare
Herabsetzung der Toleranz für Aminosäuren riachweisbar. Von
allen Aminosäuren eignet sich Glykokoll am besten zu solchen
Funktionsprüfungen, da es im normalen Organismus völlig ab¬
gebaut wird.
Herr Eloesser: Opsoninbestimmungen bei Abszessen.
Bei einem seit V* Jahr bestehenden abgekapselten subphrenischen
Abszess, der Staphylokokkeneiter enthielt, bestimmte E. den op¬
sonischen Index vom Blutserum und vom Serum des zentrifugierten
Eiters, sowie von deren Mischungen im Verhältnis 10 :1, 1 :1, 1 :10
und gelangte dabei zu folgenden Zahlen.
Tag der
Operat.
2 Tage
post. op.
4 Tage
post. op.
Blutserum.
0,67
0,83
0,0
Blutserum und Eiterserum 10: 1 . .
0,57
: 0,68
0,94
* » > 1:1..
0,36
0,56
0,80
- „ . 1 : 10 . .
_
0,25
0,66
Eiterserum .
0
0,40
0,53 •
6 Tage post op. hatte die Sekretion aus dem Drain vollständig
nachgelassen. Der Anstieg des opsonischen Indexes folgte voll¬
kommen dem klinischen Heilungsverlaüf. bemerkenswert ist das
stärkere Herabsetzen des opsonischen Index dps Blutserums durch
das Hinzufügen geringer Mengen Eiterserums' (noch deutlicher in
einer zweiten Versuchsreihe), sowie dass die Opsonine des Blut¬
serums selbst durch den Zusatz grösserer Mengen Eiterserums nicht
vollständig inaktiviert werden können. E. zeigte eine Tabeile von
weiteren Untersuchungen an Fällen von heissem Abszess, die obige
Resultate bestätigen.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 11. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr Cahen I.
Schriftführer: Herr Klein jun.
Herr Reinhard stellt 3 durch die sog. Totalaufmeisselung des
Warzenfortsatzes geheilte Fälle von chronischer Mittelohreiterung
vor. Der 1. Fall betraf eine jetzt 30 jährige Patientin, die vor 5 Jahren
mit schweren Allgemeinerscheinungen in das Krankenhaus ein¬
geliefert wurde, Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber und Schwindel,
sowie heftigen Ohrenschmerzen. Es fand sich ein perisinuöser Ab¬
szess bei der Operation, der diese Erscheinungen erklärte, als Folge
einer chronischen Mittelohreiterung, die angeblich seit der Kindheit
bestand. Der Verlauf war fieberfrei, jedoch machte die Epidermi-
sierung der Knochenwundhöhle schlechte Fortschritte. R. entschloss
sich daher zur Einpflanzung von Hautlappen nach Thiersch, die
er aus dem linken Oberarm nahm, wo jetzt die Narbe, wenn auch
kaum, noch sichtbar ist. Die Instrumente, deren die Ohrenärzte sich
hierzu bedienen, sind denen der Chirurgen nachgebildet (Demonstra¬
tion). Es empfiehlt sich nicht, wie es Jansen, der zuerst diese
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1664
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Methode der Nachbehandlung anwandte, unmittelbar nach der Auf-
meisselung die Uebertragung der T h i e r s c h sehen Lappen vor-
zunenmen, sondern nach dem 2. oder 3. Verbandwechsel, wenn sich
bereits frische Granulationen gebildet haben. Die Läppchen werden
dachziegelartig übereinander gelegt, auf dieselben werden aseptische
Silkstücke gelagert, und das ganze wird durch einen Okklusivverband
geschlossen, der bis zu 5 Tagen liegen bleibt. Wenn auch nicht sämt¬
liche Hautläppchen anheilen, so bleiben doch kleine Hautinseln übrig,
von denen aus die Epidermisierung rasch fortschreitet, ln diesem
Falle heilten sämtliche Lappen, auch in der Tiefe der Paukenhöhle
an, so dass Patientin nach wenigen Tagen geheilt entlassen werden
konnte. Leider stellte sie sich nicht regelmässig vor, und nach
ca. 3 Vs Jahren kam sie wegen eines Rezidivs mit Schwindelerschei¬
nungen, die auf eine Miterkrankung des Labyrinths schliessen liessen,
abermals in Behandlung. Die Knochenhöhle wurde, soweit sie er¬
krankt war, ausgekratzt; bei der schwierigen Orientierung konnte
R. eine Fazialisparese nicht vermeiden, die jetzt aber nur noch als
geringe Spur zu erkennen ist. Im übrigen ist Patientin seitdem völlig
geheilt. Bei dem 2. Patienten, einem jetzt 8 Jahr alten Knaben,
war vor 5 Jahren infolge einer Ohrfeige eine Mittelohreiterung ent¬
standen, die auf den Knochen überging. Als R. den Fall in Behand¬
lung bekam, war bereits von anderer Seite die Eröffnung des Antrums
nach Schwarze vorgenommen. Es zeigte sich jedoch, dass dieser
Eingriff nicht genügte, es trat keine Heilung ein und R. entschloss
sich, wenn auch ungern, zur Radikaloperation. Auch hier machte
die Ueberhäutung keine erfreulichen Fortschritte. Deshalb ver¬
suchte R. nach dem Vorgang von Politzer, der dies Verfahren
(1903), freilich nur bei der einfachen Eröffnung des Antrums, zuerst
anwandte, die Knochenhöhle mit Paraffin zu schliessen; es ist dazu
Paraffin von hohem Schmelzpunkt (55° C) erforderlich, die Wund¬
höhle muss überall frische, gesunde Granulationen aufweisen, nir¬
gends darf noch Karies vorhanden sein, und ferner ist eine vor¬
herige sorgfältige aseptische Austrocknung der Knochenhöhle notig.
Der Versuch gelang. Das Kind konnte sofort nach dem Ausfällen mit
Paraffin mit einem Schlussverband aus dem Hospital entlassen wer¬
den, dieser selbst blieb bald ganz fort, Verbandwechsel waren nicht
mehr nötig, das Kind beteiligte sich mit der Plombe im Ohr ohne
Schutzverband an den Spielen der anderen. Die Paraffinplombe blieb
dann etwa 2 Jahre reaktionslos im Ohr, worauf R. dieselbe entfernte.
Es zeigte sich, dass unter derselben sich überall eine kräftige Epi¬
dermis gebildet hatte. Der Fall ist ebenfalls bis heute (5 Jahre) aus-
geheilt. Gerade bei Kindern erfordert die Nachbehandlung der Radi¬
kaloperationen grosse Ausdauer und Geduld. Die unzähligen schmerz¬
haften Verbandwechsel, der Wochen-, ja monatelange Hospitalsauf¬
enthalt fielen hier fort. Während in den beiden ersten Fällen die
retroaurikuläre Oeffnung jetzt noch zu sehen ist, schloss R. im 3. Fall
einem jungen Mädchen, die Wunde hinter dem Ohr sofort nach der
Operation mittels der Klemmnaht. V i d a 1 war der erste, w elcher mit
Hilfe kleiner Klammem die Wundränder schloss. In ähnlicher Weise
geschah es bei dieser Patientin. Benutzt wurden Arterienklemmen
(Demonstration); in einem Zwischenraum von 1 cm werden dieselben
angelegt, so dass die Wundränder scharf aneinander passen. Ein
Assistent hält dieselben wagerecht zur Oberfläche des Kopfes,
zwischen dieselben und seitlich von ihnen werden kleine Tupfer ge¬
legt, die durch Bindentourep fixiert werden; während des Verbandes
bleiben die Klemmen liegen, dann entfernt man sie. Die noch vor¬
handenen Lücken sind durch Gaze und Watte zu verschliessen.
Nach 5 Tagen 1. Verbandwechsel. Der Erfolg ist eine feine lineare
Narbe, die später kaum zu sehen ist. Der Vorteil dieser Behandlung
besteht ausserdem in dem Fehlen von Stichkanälen und deren Eite¬
rung. Der Fall heilte in 8 Wochen aus. Bei Tuberkulose, Cholestea¬
tom oder in Fällen, bei denen man nicht sicher alles Krankhafte hat
entfernen können, bleibt die W'unde hinter dem Ohr besser offen;
hier darf die Klemmnaht also nicht angelegt werden. R. spricht noch
die Ansicht aus, dass die sog. Schwärt ze sehe Operation, die ein¬
fache Eröffnung des Antrums, wohl Gemeingut sämtlicher Aerzte w er¬
den könnte und sollte, dass jedoch die Totalaufmeisselung des
Warzenfortsatzes eine spezialistische Ausbildung erfordere, nicht
nur wegen der Technik der Operation, sondern vor allem auch
wegen der Kunst der Nachbehandlung; es sei manchmal leichter,
solche Fälle von chronischer Mittelohreiterung zu operieren, als de¬
finitiv zu heilen.
Zum Schluss erwähnt R. kurz die in neuerer eZit vorgeschlagene
tamponlose Behandlung nach Totalaufmeisselung des Warzenfort¬
satzes, welche die in sie gesetzten Hoffnungen indes nicht ganz er¬
füllt habe. Wenigstens sind die an der Klinik Politzer damit ge¬
machten Erfahrungen nicht durchwegs günstig, indem wiederholt sich
Septen über der noch eiternden Trommelhöhle gebildet hätten, die
eine völlige Epidermisierung verhinderten und zur Tamponade zu¬
rückzukehren zwangen. Deshalb sei vor einem allerdings leicht be¬
greiflichen Optimismus in dieser Hinsicht zu warnen.
Herr Vorschiitz: Die Exstirpation eines Kellbeinhöhlenkarzl-
noms nach der P a r t s c h sehen Methode.
Zwecks Freilegung von Tumoren an der Schädelbasis, der Keil¬
beinhöhle, der Siebbeinzellen oder im oberen Nasenrachenraum sind
es neben den vielen Methoden, w elche das Prinzip haben, teils von der
No.jL
Nase und teils vom Munde aus ein/ugehen. vornehmlich 2 Methoden,
die sich vollauf bewährt haben, nämlich die Methode nach Kocher
und nach P a r t s c h. Letztere besteht darin, dass man oberhalb
der Zahnwurzeln den Oberkiefer mit Meisvel durchschlagt, bis aut
einen kleinen Rest, w elcher durch Hebelw irkuug nach unten ab¬
gebrochen wird. Letzteres etwas moditi/ierte \ etlahren hat den
Zweck, die hinter dem Oberkiefer in der Fossa ptervgouka herab¬
laufenden Geiasse und Nerven, die Nervi und Art. palatina nicht
scharf zu verletzen und so möglichst die Blutung zu verringern.
Der vorgestellte Patient hatte ein Keilbemhohlcnk.ir/imun. wel¬
ches als Rezidiv eines vor 1 .■ Jahr evslirpicrten PlaltcncpuK lkar/i-
nmns in der Pars vestibularis dei Nase aui/uiasscu ist. Die Opera¬
tion erzielte neben der vorzüglichen l ebersuhtiulikeit des Opera¬
tionsfeldes und freien Zugänglichkeit zu demselben kosmetisch wie
auch funktionell ein vorzügliches Resultat. Operiert wurde in Halb¬
narkose bei auirecht sitzendem Oberkörper, zwecks Erhaltung der
Reflexe, um die Schluekpmumome vermeiden zu können nach vor¬
heriger Darreichung von ^opnlamm-\\< r phium o.i«.n3 o.o|, 3 mal
1 Spritze <2 Stunden vor der Operation die erste >pritze>.
Die Blutung nach Durchtrcnnung des Knochens, die mit
3 Meisseischlagen eriolgte, war gering; nach etwa .S Minuten langer
Tamponade stand die Blutung. Eine pn-phv laklische l nterlundung
der Karotin wurde nicht gemacht.
Die Heilung der Knochenwunde war muh etwa 3 Wochen der¬
art. dass nur noch im vorderen Feile, im Pme. alveolaris des Kiefers
bei starker Kraftanwendung eine kaum merkliche Beweglichkeit
möglich war. Zwecks iester Adaptierung der Proc, alveolares
gegen den Oberkiefer wird eine Schiene angegeben, die aus einer
Rinne für die Zahne und 2 Bügeln besteht, an welcher 1 aden mit
Gummiemlagen befestigt sind, die über dem Scheitel geknotet wer¬
den. so dass ein beständiger leichter elastischer Zug erfolgt. Nach
etwa 5 Wochen ist absolute Festigkeit eingetreten, /ahne ohne wde
Veränderung, fest m ihren Alveolen. Die anfangs bestehende \sensi-
bihtat am Zahnfleisch und des vorderen Gaumens ist teilweise ruuh
1 1 Jahr wiedergekehrt. Der Operierte hat an Körpergewicht zu-
genommcii, sieht blühend aus und macht m den >peisen gegen früher
absolut keinen Unterschied mehr.
Sitzung vom I. Juni 1 ‘a>n.
Vorsitzender: Herr Strobe I.
Scliniliiilirer: Herr Klein jun.
Herr Joret demonstriert:
a) Blaienitelnc,
b) das Präparat einer akuten gelben Leberatrophie (Phosphor¬
leber).
Herr Dreesmain stellte cm Mädchen von 22 Jahren v«.r.
welches an einer akuten Pankreatitis erkrankt war. Dasselbe hat
am 27. November l'*>7 eine puerperale Mastitis liberstanden, die
eine Inzision erforderte. Am 3. Dezember war Patientin geheilt, am
8. Januar löos traten plötzlich heftige Schmerzen im ganzen l.eib und
Rücken ein mit wiederholtem Frhrechen. Dieser Ani.iil dauerte
2 Tage, wonach sich Patientin wieder vniiM.ift&i: wohl fühlte.
14 Tage spater erfolgte ein gleicher Anlail. cbenta.is \>>n 2 tägiger
Dauer. Der 3. Anfall trat am 12. Februar F>os am, der ihre Aufnahme
ins Krankenhaus am 13. I chruur erlorderte.
Bei der Aufnahme klagt Patientin über heftige Schmerzen unter
dem linken Rippenbogen und in der .Magengrube. sn\ut über Racken¬
schmerzen. Blähungen waren seit gestern nicht mehr ahgegangen.
Unter dem rechten Rippenbogen tulilte man eine undeutliche, sehr
schmerzhafte Resistenz. Fs erfolgte zweimal Frhrechen. die Puls¬
frequenz betrug 11\ geringe Albuminurie, kein l ieber. Im \ erlaufe
des folgenden Tages trat leichte I v mp.ime ein, die Pulsfrequenz
stieg auf 140. Infolgedessen wurde Laparotomie gemacht, es fand
sich typische Fettgew ebsnekmse un Omentum mauis und Mcsokol.m.
im Abdomen eine geringe Menge blutig-sen-ser Flüssigkeit. Pankreas
ist verdickt und zeigt nach Durchtrenming des Omentum minus
gleichfalls gelbe 1 lecken auf seiner Ober muhe. Bei Punktion dieser
Stellen entleert sich weder Fiter muh sonstige Massigkeit. 1 ampoii-
drainage, ausserdem noch ein l.imnon m der Bauchhöhle muh
Mikulicz. Fs wurden Kochsaizmnision und Kampherimektioneti
gemacht. In der Nacht darauf und am folgenden läge wurde hier¬
mit fortgefaliren, mehrfaches Erbrechen er forde rte Mage nausspuhmg.
Patientin erholte sich nunmehr. Anfang Marz begann st.rkere Sekre¬
tion aus der Wunde und wurde Patientin auf Zuckerdiät gesetzt.
Am 20. Marz trat höheres Fieber ein. nachdem einige läge die >ekre-
tion nachgelassen hatte. Am 2-4. Marz wurde ein grosser Abszess m
der Gegend des Pankreas geofinet, worauf w eit Ohm Heber l .s<.r \ er¬
lauf erfolgte. Die Menge des abgesomh : teil Paris:eassekretes be¬
trug stellenweise bis 5oo ccm. weiche muh /ul«, t/t am 27. Mai ent¬
leert wurde; dann Iress die >ekretion si.hr Schnell muh und versiegte
am 3. Juni vollständig. Zurzeit ist die Wunde gaii/.iJi gv hu ;it. Pa¬
tient fühlt sich vollständig w o!$„ Zinker wurde im l rin uurruils
nacligew iesen. auch wurden keine I eto: ;! 'e beobachtet.
Herr Kappele referiert über eure besonders b ösartige Diph-
therleepldemie, die in den ersten Moniten des lahres im
Augiistahospital Köln t Abteilung des Herrn P:*i. Hochhaus» bg-
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
1665
4. August 1908.
obachtet wurde. Während in den letzten 8 Jahren die Diphtherie¬
erkrankungen mittelschwerer Art waren, die Mortalität bei einer Auf¬
nahme von 4—600 Fällen im Jahre 12—15 Proz. betrug, setzte im
Januar 1908 eine Epidemie mit sehr hoher Mortalität ein. Sie er¬
reichte den Höhepunkt Ende Februar und im März, seit Ende April
kann sie als beendet angesehen werden. Der durchschnittliche Ver¬
lauf war so bösartig, dass die Mortalität zwischen 1. I. und 1. IV.
32 Proz. betrug; es starben in den 3 Monaten fast so viele Fälle
(nur 4 weniger) als im ganzen Jahre 1907. Die Mehrzahl der Fälle
mit laryngostenotischen Symptomen waren relativ selten, lieber
die Hälfte der Todesfälle fiel auf den 1. und 2. Tag nach der Auf¬
nahme. Für den bösartigen Verlauf ist bei einer Reihe von Fällen
mit Wahrscheinlichkeit eine Doppelinfektion mit Scharlach verant¬
wortlich zu machen; dafür sprechen folgende Tatsachen: bei der
Obduktion w r urde relativ häufig eine nekrotische Angina, ähnlich
wie bei Scharlach, gefunden; verschiedentlich wurden bei klinisch
echter Diphtherie und positivem Bazillenbefund Exantheme, aller¬
dings meist flüchtiger Natur beobachtet; einige Male erkrankten
gleichzeitig Geschwister, das eine an Diphtherie mit Krupp, das
zweite an einem meist bösartigen Scharlach; ferner und nicht in letz¬
ter Linie fiel die Diphtherieepidemie in eine Zeit sehr hoher Frequenz
und Mortalität auch für Scharlach. Gegenüber dieser schweren Ver¬
laufsart der Diphtherie versagte die Therapie, die bei dem gewöhn¬
lichen Verlauf schöne Erfolge gibt, vollständig. Das Heilserum,
durchweg verwendet zu 2000 Antitoxineinheiten, und mehrere Tage
nacheinander injiziert, hielt den tödlichen Ausgang nicht auf und
blieb auch bei den Fällen, welche die ersten Tage überlebten, ohne
Wirkung. Ebensowenig erzielten einen Erfolg die weiteren, sonst als
nützlich erprobten therapeutischen Massnahmen, Stauen, Wasser¬
stoffsuperoxydspray und die Stimulanzen: Auch die Pyozyanase-
behandlung war erfolglos.
Medizinisch-Naturwissenschaftlicher Verein Tübingen.
(Medizinische Abteilung.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 1. Juni 1908.
Herr v. Baumgarten: Hämolysine, Bakterlolysine und
Opsonine. (Der Vortrag ist in No. 28 dieser Wochenschrift in
extenso erschienen.)
Herr D o I d demonstriert (im Anschlus an den Vortrag von
Herrn v. Baumgarten) Staphylokokkenplatten, aus denen hervor¬
geht, dass wieder der Zusatz von Kaninchenserum noch von ge¬
waschenen Kaninchenleukozyten, noch von Kaninchenserum + ge¬
waschenen Kaninchenleukozyten (je zu gleichen Mengen) zu der
ursprünglichen Staphylokokkenaufschwemmung trotz viertelstündiger
Einwirkung bei 37° eine Verminderung der Keimzahl bewirkt, wöh¬
rend die gewöhnliche physiologische Kochsalzlösung eine deutliche
Keimverminderung hervorbringt.
Herr Rumpel demonstriert:
1. Einen polypösen Tumor des Oesophagus von einem 44 jährigen
Mann. Der Tumor sass der Vorderwand des Oesophagus in Höhe
der Bifurkation der Trachea auf und erstreckte sich als walzen¬
förmiges Gebilde, das Lumen desselben total ausfüllend, 7 cm weit
nach oben. Die rechte Hälfte des Tumors war nekrotisch und hämor¬
rhagisch, von brüchiger Konsistenz, die linke von glatfer Oberfläche,
derber Konsistenz. Mikroskopisch erwies sich der Tumor zusammen¬
gesetzt aus einem sehr reichlichen, fibrösen Stroma, in welches solide
Zellnester eingelagert waren. Dieselben waren im allgemeinen scharf
begrenzt, nur an manchen Stellen zogen von der Peripherie der
Zellnester einzelne Züge in das Stroma, sich in demselben allmählich
verlierend. Zentral fanden sich da und dort Hämorrhagien und
Nekrosen. Die Zellen selbst waren teils kubisch, teils zylindrisch,
teils auch mehr platt, oft zugartig angeordnet. Stroma innerhalb der
Zellzüge liess sich nicht nachweisen. Auffallend war dagegen an
manchen Stellen der Reichtum der Zellnester an feinen Blutgefässen,
die häufig radiär vom umgebenden Stroma eindrangen und welchen
die Tumorzellen innig anlagen. Metastasen fanden sich wieder regio¬
när noch sonst. Man wird den Tumor wohl als polypöses Karzinom
bezeichnen müssen.
2. ein ossifizierendes Etichondrom des unteren Femur-
und oberen Tibiaendes vom rechten Bein eines 17 jährigen
Mädchens. Das rechte Bein war von Geburt an diftörm
gewiesen. Dem Mädchen war im Alter von 2 Jahren ein Enchon-
drom der rechten grossen Zehe entfernt worden. Im Alter von
10 Jahren war wegen einer hochgradigen Valgusstellung. hervor¬
gerufen durch die Enchondrome der Kniegelenksknochen eine Osteo¬
tomie des Oberschenkelknochens und eine Arthrodese des rechten
Kniegelenks ausgeführt worden. Der Fall ist ein Bew eis für den kon¬
genitalen Ursprung wenigstens des Keims dieser Enchondrome,
welche, ebenso wie die im ganzen von Geburt an missbildete rechte
untere Extremität einer Entwicklungsstörung ihre Entstehung ver¬
danken.
Beide Fälle werden au anderer Stelle in extenso veröffentlicht
werden.
Diskussion: Herr v. Brunn erwähnt ein dem demonstrier¬
ten Oesophagustumor ähnliches polypöses Pyloruskarzinom. Das Prä¬
parat wurde vor etwa 6 Jahren durch Pylorusresektion gewonnen.
Seitdem hat v. B. weder bei Operationen noch auf dem Sektions¬
tisch etwas Aehnliches gesehen. Es scheint sich demnach um eine
sehr seltene Form des Pyloruskarzinoms zu handeln.
Herr v. Baumgarten: Ein makroskopisch sehr ähnlich ge¬
stalteter Tumor des Oesophagus wurde von B o r r m a n n bei der
diesjährigen Tagung in Kiel demonstriert; die Struktur war in diesem
Fall die eines echten Sarkoms. Borrmann excmplizierte auf
einige dem seinigen ähnliche Fälle aus der Literatur. Der von
Rumpel demonstrierte Fall ist trotz seiner polypösen Form wohl
sicher ein Karzinom, jedenfalls kein Spindclzcllensarkom, wie der
Borrmann sehe Fall.
Herr Walther Fischer demonstriert:
1. ein Osteoidchondrosarkom der Harnblase bei einer 62 jährigen
Frau. Die Geschwulst sass im Trigonum und ragte polypös in die
Blase. Es bestanden Metastasen von gleichem Charakter wie der
Primärtumor im Ligamentum latum, im grossen Netz und in grosser
Anzahl in den Lungen. An vielen Stellen war im Tumor richtige
Knochenbildung mit Markräumen festzustellen.
Die Geschwulst wird nach W i 1 m s zu erklären sein aus Sklcro-
tomzellen, die mit dem W o 1 f f sehen Gang in die Harnblase gelangt
sind.
2. ein nur wenige Millimeter in der Fläche einnehmendes Uterus¬
karzinom. Die Diagnose auf Karzinom konnte aus dem ausgekratz¬
ten Material mit Sicherheit gestellt werden; wahrscheinlich ist beim
Curettement die grösste Menge des nur oberflächlich entwickelten
Tumors entfernt worden.
3. ein Plattenepithelkarzinom der Portio mit retroperitonealen
Metastasen. Im Tumor wie in der Metastase äusserst zahlreiche
Riesenzellen, die als Fremdkörperriesenzellen aufzufassen sind
(Tuberkulose war nach dem Obduktionsbefund, dem Fehlen von Ver¬
käsung und dem negativen Ausfall der Bazillenfärbung auszu-
schliessen). Wenn den Riesenzellen wohl auch eine gewisse phago¬
zytäre Eigenschaft beizulegen ist, so beschränkt sich diese doch
rein auf nekrotisches, zumal verhorntes Tumorgewebe. Die Bildung
der Riesenzellen ist nur ein Symptom eines offenbar chemischen Rei¬
zes, den das zerfallende Karzinomgewebe auf die Umgebung ausiibt.
Die Bildung solcher Riesenzellen ist bisher nur bei Plattenepithel¬
krebsen mjt Verhornung bekannt.
Diskussion: Herr Seil heim: Der demonstrierte Tumor
der Blase liess sich durch die Zystoskopie mit nachfolgender mikro¬
skopischer Untersuchung einer Probeexzision als harte maligne Ge¬
schwulst mit Sicherheit feststellen. Eine so präzise Diagnose des
sehr seltenen und interessanten Tumors, wie sie uns der Herr Vor¬
tragende bekannt gegeben hat, konnte natürlich nicht gestellt werden.
Die Unmöglichkeit, die entlang dem rechten Ureter nach hinten
gewachsene Partie total zu entfernen, liess mich von dem Versuch,
die Blase zu exstirpieren, abltehen. Bei Durchführung der Total¬
exstirpation der Blase hätte ich die beiden Ureteren in den gesunden
Uterus eingenäht und dann die Portio vaginalis in den Mastdarm
implantiert. Ich hätte auf den im Kampf gegen die Scheidenbak¬
terien bewährten pilzsicheren Verschluss der Zervix auch zur Ab¬
haltung einer aufsteigenden Infektion vom Mastdarm aus spekuliert.
Der Eingriff hatte noch ein besonderes operationstechnisches
Interesse. Obwohl bis zum Aufgehen des Exstirpationsplanes ziem¬
lich weitgehend intraperitoneal operiert worden war und auch die
jauchende Blase eröffnet wurde, um dem Urin, der nur unter unsäg¬
lichen Schmerzen durch die Harnröhre entleert werden konnte, einen
schmerzfreien Ausweg nach den Bauchdecken hin zu verschaffen,
gelang es eine Peritonitis fernzuhalten. Ich glaube,
diesen Ausgang einer besonderen Abkammerung der Plica vesico-
uterina von der freien Bauchhöhle verdanken zu müssen: Quere In¬
zision von Haut und Faszie mehrere Zentimeter oberhalb des oberen
Schossfugenrandes, Spaltung der Musculi recti in der Linea alba, Ver¬
ziehen der Muskeln in die seitlichen Wundwinkel, quere Inzision des
Bauchfelles bis nach der Gegend der inneren Leistenringe. Vorziehen
des unteren Uteruskörpersabschnittes mit einem, durch seine vor¬
dere Wand geführten Fadenzügel, Vernühung des oberen Schnitt¬
randes des Peritoneum parietale auf die Ligamenta rotunda von der
Gegend ihrer Einstrahlung in den Leistenkanal bis in die Nähe des
Uterus und auf die Vorderfläche des unteren Utcruskörperabschnittcs
mit doppeltem, fortlaufendem Katgutfaden. Deckung der Bauchfell¬
naht durch eine feuchte Kompresse und Entlastung von Zug und Druck
durch Straffung des Fadenzügels.
Ich habe in ähnlicher Weise schon einmal mit gutem Erfolg bei
einer Blasenscheidenfistcl. der man von unten nicht beikommen
konnte, operiert und halte dieses Verfahren für Fälle, in denen man
die Verunreinigung der Bauchhöhle bei Blasenoperationen fürchtet,
aber den Weg durch die Plica vesico-uterina gehen möchte, für
brauchbar.
Herr-Ho I z b a c h fragt an. ob nicht eine gewisse Analogie
dieser ausserordentlich seltenen Blasentumoren mit den häufigeren
Mischgeschwiilsten des weiblichen Generationsapparates, speziell der
Scheide und der Cervix uteri. bestehe. Vielleicht müsste dann der
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1666
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31.
primäre Sitz dieser Mesoblastabkömmlinge im umgebenden
Beckenbindegewebe gesucht werden, während ein Durchbrechen der
Geschwülste in die Beckenhohlorgane, in denen sie sich meist als
polypöse Tumoren manifestieren, erst sekundär zustande komme.
Herr Fischer: Nach dem makroskopischen und mikroskopi¬
schen Verhalten der Basis der Tumoren liegt kein Grund vor, an¬
zunehmen, dass der Tumor vom Beckenbindegewebe aus erst sekun-
dür in die Blase hineingewachsen wäre. Natürlich ist diese Möglich¬
keit nicht ohne weiteres zu bestreiten. Doch spricht die Ueber-
einstimmung der genannten Zervix-Scheiden-Tumoren in ihrem kom¬
plizierten histologischen Bau mit dem Blasentumor nach der
Wilmsschen Theorie gerade für eine Entwicklung in dem Hohl¬
organ, nicht im Beckenbindegewebe.
Herr v. Baumgarten bemerkt, dass im vorliegenden Falle
kaum ein Zweifel darüber bestehen könne, dass der Tumor direkt
aus der Blasenwand hervorgewachsen sei. Hinsichtlich der
Histogenese des Tumors teilt er die bezügliche Auffassung
Fischers.
Herr Do Id spricht über: Altes und Neues zur Unter¬
scheidung von tuberkulösem und andersartigem Eiter.
Neben dem klinischen, makroskopischen und mikroskopi¬
schen Verhalten des Eiters muss die Kultur und das Tierexperi¬
ment zur Differentialdiagnose herangezogen werden. Da das
Tierexperiment wegen seiner langen Dauer bisher nur selten
verwertet werden konnte und der direkte Nachweis des
Tuberkelbazillus im tuberkulösen Eiter fast nie gelingt, so
stützt sich die Diagnose nur auf negative Befunde. Den An¬
gaben von Much, dass in kalten Abszessen neue, nur nach
Gram färbbare Formen und Entwicklungsstadien des Tu¬
berkelbazillus nachzuweisen seien, dürften mit Recht vorerst
noch einige Zweifel entgegengebracht werden, die sich be¬
sonders auf die von Much angewandte Methode beziehen.
Das Bloch sehe Verfahren der Quetschung der regionären
Lymphdrüsen unmittelbar vor oder nach der Verimpfung des
fraglichen Materials ermöglicht schon nach 10—12 Tagen die
Diagnose. Ebenso hat sich die Müller-Kolaczek sehe
biologische Reaktion (beruhend auf der verschiedenen proteo¬
lytischen Fähigkeit der genannten Eitersorten) als eip brauch¬
bares Hilfsmittel zur Unterscheidung von tuberkulösem und
andersartigem Eiter erwiesen, während diese Unterscheidung
vermittels des M i 11 o n sehen Reagens (Müller) nach
eigenen weiteren Erfahrungen nicht zuverlässig getroffen
werden kann..
Diskussion: Herr Kolaczek will nur auf die fermenta¬
tiven Unterschiede zwischen tuberkulösem und andersartigem Eiter
eingehen. Was zunächst die von E. Müller angegebene chemisch¬
physikalische Methode mit dem M i 11 o n sehen Reagens anbelangt,
so glaubt er auf Grund seiner Erfahrungen, dass die Methode doch
in vielen Fällen praktisch wertvoll sei, vorausgesetzt, dass die von
dem Autor angegebenen Bedingungen — dünnflüssiger Eiter, Fehlen
von Blutbeimengungen und nekrotischen Gewebsfetzen — erfüllt
seien.
Exakter und objektiver sei seiner Meinung nach allerdings die
von E. Müller und Jochmann angegebene Methode zum Nach¬
weis proteolytischer Fermentwirkungen, die gerade bei der Diffe¬
renzierung von Eiter verschiedener Herkunft Hervorragendes leiste.
Da das eiweisslösende Ferment im Gegensatz zu allen übrigen Blut¬
zellen und den weitaus meisten fixen Körperzellen an die polymorph¬
kernigen Leukozyten geknüpft ist, mit deren Absterben es frei wird,
so lässt sich die Proteolyse auf der Blutserumplatte überall da nach-
weisen, wo Leukozyten vorhanden sind oder waren. Darauf beruht
der fundamentale Unterschied im Ausfall der Methode bei rein tuber¬
kulösem und Kokkeneiter: bei ersterem Fehlen jeder Verdauung, bei
letzterem stärkste Verdauung des Eiters auf der Blutserumplatte.
An zahlreichen Platten demonstriert K. dann die Bedingungen, unter
denen auch tuberkulöser Eiter Verdauungserscheinungen zeigen kann,
wie sie von ihm gemeinsam mit E. Müller seinerzeit festgestellt
worden waren: 1. Auch bei rein-tuberkulösem Eiter kann Proteo¬
lyse auftreten, wenn der Prozess unter dem Einfluss der Jodoform¬
behandlung steht. 2. Auch unbehandelter tuberkulöser Eiter kann
proteolytisch wirken, wenn eine Mischinfektion anzunehmen ist: das
gilt für alle Fälle mit Fistelbildung und die tuberkulösen Erkran¬
kungen der Halslyrnöhdriisen. 3. Unter dem Einfluss dieser beiden
Faktoren kann die Eiweissverdauung schliesslich Grade erreichen,
die eine Unterscheidung des tuberkulösen von reinem Kokkencitcr
bezüglich der Fermentwirkung nicht mehr gestattet.
Wie die Heilwirkung des Jodoforms darauf beruht, dass es
einen kalten Abszess in gewissem Sinne zu einem heissen macht —
nämlich durch Zuführung von Fermenten —. so eröffnen sich auch
Aussichten für die Behandlung akuter Eiterungen, nämlich ihre über
das Ziel hinausschiessenden Fermentwirkungen durch das im Blut-
s*_‘r 1 !::i 1 enthaltene Antiferment günstig zu beeinflussen.
Berliner medizinische Gesellschaft
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 29. Juli 1908.
Herr Carl Reicher: Beziehungen zwischen Adrenal-
system und Niere.
Adrenalinämie wurde von Schur und Wiesel bei vor¬
geschrittener Nephritis konstatiert, vom Vortr. nach Erzeugung
einer Abkühlungsnephritis mit der biologischen Probe am
Froschauge. J o n e s c u hat entdeckt, dass durch Adrenalin
die Nierengefässe elektiv gereizt werden. Die anhaltende
Kontraktion derselben erklärt sich durch Ischämie, Ernährungs¬
störungen des sezernierenden Epithels, Eiweissabsonderung
urfd Zylinderbildung. Amylnitrit, Digalen hindern nach Ab¬
kühlung Adrenalinbildung und Nephritis, Theophyllin nicht. Bei
Urannitratvergiftung tritt schnell Adrenalinämie auf.
Herr L. Pick: Ueber die Anhäufung doppeltbrechender
fettähnlicher Substanz bei chronischer Eileitervereiterung.
Vortr. fand bei allen Salpingitiden teils schon makro¬
skopisch sichtbar, teils bei mikroskopischer Untersuchung
kolossale Anhäufungen fettähnlicher, doppeltbrechender Sub¬
stanz, gebunden an grosse Zellen von wabenartigem Charakter.
Bei gewöhnlicher Einbettung lässt sich die Substanz nicht
nachweisen, nur auf Gefrierschnitten nach Formalinhärtung.
Die Substanz gibt alle Fettreaktionen.(Sudan, Osmium) und
unterscheidet sich nur durch die Doppeltbrechung, die im Po¬
larisationsapparat nachweisbar ist. Es handelt sich um die
gleiche Substanz, wie das sogen. Protagon. Vortr. demon¬
striert makroskopische und mikroskopische Präparate und
weist auf die Verbreitung der die doppeltbrechende Substanz
enthaltenden Zellen im menschlichen Körper hin.
Tagesordnung:
Herr Friedenthal: Zur Wirkung der Schilddrüsen¬
stoffe.
Vortr. bespricht den Apparat, mit dem die Aufnahme der
von Kraus demonstrierten Kurven erfolgt ist. Er hat den
Vorzug, dass das Gefäss nicht eröffnet wird, so dass das Tier
für mehrere Versuche benutzt werden kann.
Er hält es für möglich, dass Myxödem in wesentlicher
Weise durch Minderfunktion der Nebenniere bedingt sein kann.
Bisher fehlte ein Reagens auf Schilddrüsenwirkung; es ist jetzt
gefunden durch Wiederherstellung des Vagustonus, der durch
Einwirkung von Nebennierensubstanzen verloren gegangen
war.
Diskussion über die Vorträge der Herren Kraus und
Friedenthal: Ueber die Wirkung der Schilddrüsenstoffe.
Herr Magnus Levy: Herr v. Hansemann hat nach bio¬
logischen und anatomischen Befunden (Vergrösserung der sekre¬
torischen Fläche) schon früher vor der Schilddrüsentherapie bei
Basedow gewarnt. Seine Befunde finden sich mit den Lubarsch-
schen in Uebereinstimmung. In vielen Fällen von Basedow ist auch
die Thymusdrüse vergrössert. Die Wirkung für den Patienten be¬
trachtet er als eine mechanische Schädigung.
Herr Kraus (Schlusswort) weist auf das Basedowäquivalent
und das thyreotoxische Kropfherz hin.
Herr Senator bemerkt, dass seit langem fast einstimmig
Schilddrüsendarreichung bei Basedow für kontraindiziert erachtet
werde.
Herr Schmieden: Ueber Ellbogenresektionen mit Er¬
haltung* der Beweglichkeit.
Das Brisement force ist fast allgemein verlassen und ist
nur für ganz leichte Fälle von Ellbogenversteifung anzuwenden.
B a r d e n h e u e r hat bei Resektion eine Kontraktur in Beuge¬
stellung künstlich zu erzielen gesucht. Nach H e 1 f e r i c h wird
an der Bier sehen Klinik nach sparsamer Resektion ein aus
dem Trizeps gebildeter Muskellappen zwischen den Knochen¬
spalt hineingelegt. Grundbedingung des Erfolges ist eine sehr
gute Nachbehandlung.
Der Erfolg wird beeinträchtigt durch mangelnde Asepsis
infolge vorhandener Fisteln, ferner durch schon früher ein¬
getretene Muskelatrophie.
Kontraindikation des Verfahrens ist allein floride Tuber¬
kulose des Gelenkes.
’Dte Resultate sind, Avie aus den dfemonstrieHert Patienten
hervorgeht, günstig.
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4 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1667
Herr t G 1 u c k hat früher die Einpflanzung eines Hautlappens in
resezierte Qelenkenden zur Verhinderung der Ankylose vor¬
geschlagen.
Zum Schlüsse demonstriert Herr Reicher eine kinemato-
graphische Aufnahme eines bei Dunkelfeldbeleuchtung aufgenommenen
Blutpräparates. Es sollen dabei besonders die in der letzten Sitzung
erwähnten Veränderungen der Kernstruktur an lebenden Leukozyten
demonstriert werden.
(Letzte Sitzung vor den Sommerferien!) Wolff - Eisner.
Aus den französischen medizinischen Gesellschaften.
Soci6t6 de Chirurgie.
Sitzung vom 6. und 13. Mai 1908.
Die Rachistovainisatlon.
B e u r n i e r verfügt über 87 genau beobachtete Fälle dieser
Art Anästhesie, wo 5—8 g Stovain zwischen 3. und 4. Lendenwirbel
injiziert wurden, ln 15 Fällen war die Anästhesie eine mehr weniger
unvollständige, an Folgeerscheinungen stellten sich heftige Kopf¬
schmerzen, Erbrechen und ziemlich häufig Harnverhaltung ein. B.
hat einen Todesfall (6 Minuten nach der Injektion) bei einer 62 jähri¬
gen Frau erlebt, die 1 Monat vorher unter Chloroformnarkose ohne
Zwischenfall operiert worden ist. Die Nebenerscheinungen und Ge¬
fahren dieser Methode veranlassten ihn, sie nicht mehr zur Anwen¬
dung zu bringen.
Bazy möchte diese Methode nur dann anwenden, wenn die
Allgemeinnarkose kontraindiziert ist, da häufig länger anhaltende
Harnverhaltung und besonders leicht Blaseninfektion darauf folgt.
Moty scheint die lokale Kokainanästhesie für eine grosse An¬
zahl kleinerer Eingriffe vorzuziehen zu sein, und er benützt sie häu¬
fig, ohne Zwischenfälle zu erleben.
Tuffier hat die Rachistovainisation (seit 1904) in 565 Fällen
ausgeführt und dabei in der Tat zuweilen die schon angeführten leich¬
ten Nebenerscheinungen erlebt, immerhin aber beobachtet, dass Kopf¬
schmerzen und Erbrechen seltener sind als mit der Rachikokaini-
sation, Harnverhaltung aber häufiger. Was die Technik betrifft, so
wendet er das reine Stovain an und hat hiervon niemals die Dosis
von 0,05 g überschritten; ausbleibende Anästhesie ist auf fehlerhafte
Technik zurückzuführen. Die Methode scheint ihm bloss für Opera¬
tionen anwendbar zu sein, welche über den Rumpf nicht hinausgehen,
niemals hat er sie bei Bauchoperationen angewandt.
S e g o n d sieht die Rachistovainisation als eine gefährliche
Methode an, die nur ausnahmsweise in besonderen Fällen anzuwen¬
den sei.
C h a p u t erklärt, eine grosse Anzahl von Zufällen werden mit
Unrecht der Rachistovainisation zugeschrieben: auch habe dieselbe
niemals bei einem gesunden Menschen zum Tode geführt, wie es
beim Chloroform der Fall sei. Die Todesfälle, von denen man be¬
richtet habe, seien bei alten, schwächlichen Leuten vorgekommen,
die ziemlich hohe Dosen (6—10 g) Stovain erhalten haben: ausserdem
haben die Kranken nicht die intravenösen Serum- und Koffeininjek-
tioner^ welche Ch. für solche Fälle empfiehlt, erhalten. Die häufig
beobachteten Fälle von Harnretention verschwinden leicht durch
regelmässiges Katheterisieren, adstringierende Injektionen und Elek¬
trisieren der Blase. Die Lähmungen heilen immer, entweder spontan
oder durch Suggestion; sie sind immer hysterischer Natur. Die
plötzlichen Todesfälle sind sehr häufig nach den verschiedensten
Operationen (Laparotomien, Appendizitis, Frakturen), wurden häufig
nach den Operationen unter Chloroformnarkose beobachtet und haben
nichts für Stovain Spezifisches. Die Misserfolge sind auf Furcht zu¬
rückzuführen; man wird sie vermeiden können, indem man die Kran¬
ken mit aufmunternder Suggestion umgibt; um die Harnverhaltung
und Lähmungen der Beine zu verhüten, muss man die Lumbalpunk¬
tion ziemlich hoch oben machen, wenig konzentrierte Lösungen an¬
wenden und vermeiden, die Cauda equina anzustechen. Ausserdem
muss man wenigstens 4—10 Tage Rückenlage anordnen und bei
schwachen und alten Leuten prophylaktisch intravenös Serum und
Koffein injizieren. Die vollständigen Statistiken zahlreicher kom¬
petenter Autoren bringen mehr als 7000 Fälle ohne Todesfall: besser
als alle Worte beweisen diese Zahlen den Wert und die Gutartigkeit
der Methode.
Walther. Beurnier, Demoulin, Delbet. Hartmann.
Reynier u. a. protestieren aufs lebhafteste gegen die Schlussfolge¬
rungen Chaputs.
Die weniger ausgedehnte Bettruhe der Laparotomlerten.
F a u r e lässt nach dem Beispiele von T 6 m o i n seit 2 Jahren
seine Patientinnen nach Laparotomie am 12. Tage bereits aufstehen
und am 15. das Spital verlassen: seit- und trotzdem sind die Narben
ebenso fest wie früher und die Embolien nicht häufiger wie ehedem.
Es sind keine wissenschaftlichen Gründe vorhanden, welche eine Bett¬
ruhe von 3 Wochen, die man bis jetzt gehalten hat, rechtfertigen;
andererseits besteht die Gefahr, die Magen- und Darmfunktion un¬
tätig r zu ma(;he$ upd die , Krankenhatispatjentenr • belegen in
unnötig langer Weise einen Platz. F. hält es also in jeder Be¬
ziehung für vorteilhaft, die Bettruhe bei den Laparotomierten ab¬
zukürzen.
S e g o n d möchte zwar bei manchen Fällen einfacher Operation
mit 14 tägiger Bettruhe zufrieden sein, im allgemeinen hält er es
aber für gefährlich, sie nicht auf wenigstens 3 Wochen auszudehnen
und Laparotomierte im Herumgehen zu behandeln.
Moty wurde an Appendizitis operiert und ist am 7. Tage ohne
weiteren Zwischenfall aufgestanden; er lässt seine Kranken gegen
den 9. oder 10. Tag aufstehen.
Delbet hält es bei Appendizitis für zweifellos richtig,
die Kranken früh aufstehen zu lassen; anders verhält es sich bei
medianer Laparotomie, wo man fürchten muss, dass die färben
weniger solid seien. Trotzdem lässt er jetzt die Kranken nicht mehr
so lange unbeweglich liegen wie früher, sondern erlaubt ihnen, in den
ersten Tagen sich sachte zu bewegen und vom 14. bis 18. Tage an
sich aufzusetzen.
H a r t m a n n verhält sich ebenso und glaubt, man könne damit
Lungenkomplikationen vermeiden.
Le De n t u glaubt, dass man nach einem kurzen und einfachen
Eingriff die Kranken am 15. Tage aufstehen lassen kann, dass aber
nach einer schweren und langwierigen Operation zu frühes Aufstehen
ihre Rekonvaleszenz nur länger und schwieriger gestalten würde.
M a u c 1 a i r e ist nach seinen Erfahrungen bei Radikalopera¬
tionen von Hernien der Ansicht, dass zu frühes Aufstehen Embolien
veranlassen könnte.
F a u r e erklärt in seiner Replik, dass er nicht unveränderliche
Gesetze aufstellen wollte, aber dass man im allgemeinen Unrecht
habe, die Kranken zu 3 wöchentlicher Bettruhe zu verdammen; die
Narbe ist nüch 10—12 Tagen solid, und dann hat man keine Zufälle
mehr zu fürchten.
Soctete m6dicale des höpitaux.
Sitzung vom 15. Mai 1908.
Comby berichtet bezüglich der Kutlreaktlon bei Tuberkulose
über Fälle, wo dieselbe trotz ausgesprochener Tuberkulose nicht vor¬
handen war. Die Variationen der Reaktionsresultate haben übrigens
eine prognostische Wichtigkeit, besonders in den vorgeschrittenen
Fällen: ist das erste Mal die Reaktion positiv gewesen und dann
negativ, so bedeutet das eine Verschlimmerung des Zustandes, um¬
gekehrt bedeutet eine positive Reaktion, nachdem^ sie vorher negativ
gewesen ist, eine Besserung.. J
Appert kann durch seine Beobachtungen diese Schlussfolge¬
rungen C.s bestätigen.
Ueber den Schllddrüsenrheumatlsnius.
Claisse, bezugnehmend auf die Mitteilungen von Lövi und
H. de Rothschild, erklärt, dass manche Fälle von chronischem
Rheumatismus nur von der Schilddrüsentherapie Vorteil haben und
diese zu einer Art pathogenen Kriteriums wird. Es ist jedoch not¬
wendig, wegen der mit der Schilddrüsendarreichung verbundenen
Gefahren, vorsichtig zu sein und die Kur zu unterbrechen, sobald
die Zahl der Pulsschläge 90 übersteigt. Unter diesen Bedingungen
sollte man bei Rheumatikern, deren Schilddrüsenfunktion vermindert
zu sein scheint, nicht zögern, diese Therapie einzuleiten: sie er¬
fordert nur viel Geduld von seiten des Patienten und etwas Auf¬
merksamkeit von seiten des Arztes.
Vincent nimmt eine von der Schilddrüse ausgehende Ursache
beim akuten fieberhaften Gelenkrheumatismus an (Schwellung. Klop¬
fen, Schmerzen an der Schilddrüse) und betrachtet diese Reaktion als
eine Art Verteidigungsreaktion, nach der man immer fahnden muss.
Die Schilddrüsentherapie gibt oft vorzügliche Resultate, besonders
wenn man sie mit äusserer Jodbehandlung kombiniert: immerhin hat
sie bei zu alten Fällen von Rheumatismus oder bei Fällen von Tuber¬
kulose. Blennorrhagie oder gichtische Diathese versagt. V. schlägt
die Bezeichnung „Rheumatismus durch mangelhafte Funktion der
Schilddrüse“, welche genauer die Ursache angäbe als der kurze obige
Name (SchilddriisenrheumaFsmus), vor. ^t.
Aus den englischen medizinischen Gesellschafter
Liverpool Medical Institution.
Sitzung vom 30. April 1908.
Perlcolltis sinistra.
J. L. Roberts meint, dass diese Affektion nicht ganz so selten
ist, wie im allgemeinen angenommen wird. Es ist eine akute und eine
chronische Form zu unterscheiden. Erstere, gewöhnlich zirkum¬
skript, entsteht durch Ulzeration der Schleimhaut des Kolons durch
sterkorale, traumatische, tuberkulöse, dysenterische, typhoide oder
bösartig neoplastische Einwirkungen. Die weitere Folge ist nach
Durchbohrung der Darmwand die Entstehung von umschriebenen
Tumoren an der Aussenseite derselben mit gelegentlicher Einschnü¬
rung mul Verlegung des Lumens. Verwechslung mit einer Neubil¬
dung ist häufig vorgekommen. - Unter geeigneter’ Behandlung kann
auch Resorption eintreten, wie Redner an 2 von ihm beobachteten
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1668
MUFNCHFNFR MFDIZINISCHF WOCHENSCHRIFT.
Nn. 21.
Fällen demonstriert. Andererseits findet aucli ein W eiterbohren der
Eiterung längs der Darnwand gelegentlich statt. So gelang d»m
Redner die operative Eröffnung eines solchen Abszesses einmal in
der Nähe der Flexura lienalis, ein anderes Mal am Colon iliacum.
Die chronische Form tritt gewöhnlich mehr diffus auf. Die Ent¬
zündung kann sowohl von der Darmschleimhaut wie von den Nach-
barorganen ausgehen. Im ersten Falle ist meist das Colon ascemlens
t der das Colon iliacum affi/iert. Perisigmoiditis oder Pericolitis
' inistra. Solche Fälle hat Redner V beobachtet, d bei Männern und 5
bei weiblichen Kranken. Am häufigsten ist das Alter vom 21. bis
28. Jahr beteiligt. Die Einleitung bildet meist eine lang anhaltende
Obstipation. Auf der Aussenfläche der infiltrierten Darmwand findet
ein Niederschlag von Lymphe und Verklebung mit den Naehbar-
organen statt. Im Anfangsstadium, der spastischen oder hyper¬
tonischen Phase, fühlt sich der entleerte Darm fest und verengert an
und lässt sich leicht umherwälzen. Später, im atonischen Stadium,
fühlt sich der Darm nach Verlust des normalen Tonus w ie ein dickes
Band mit verdickten Rändern, aber weich und teigig an. Die ’l he-
rapie besteht in der Verabreichung von intestinalen Antiseptika bei
äusserlicher Applikation von Belladonna und Ouccksilber. namentlich
aber in der durch mehrere Wochen hindurch fort/uset/eiideii An¬
wendung von heissen antisemitischen Irrigationen.
A. 0. (iullan bemerkt, dass der Schmerz bei der Colitis
sinistra gewöhnlich sehr genau am S romanuni oder am angrenzen¬
den Kolon lokalisiert ist.
K. M o n sarrat konstatiert, dass die schlimmeicii Fälle dieser
Art nicht ohne chirurgische Fingriffc zur Ruhe kommen.
B. Bell erwähnt die Perimetritis als häufige Ursache der zur
Rede stellenden Aifcktion. Man finde bei Laparotomien erstaunlich
oft Adhäsionen an diesem Teil des Darmes, welche sowohl endogenen
wie ektogeuen Ursprungs seien.
Aus den italienischen medizinischen Gesellschaften.
Medizinisch-chirurgische Akademie zu Neapel.
Sitzung vom 26. Januar 1VU8.
Gauthier: Ueber Radioaktivität der Mineralwässer und den
Mechanismus Ihrer Wirkung.
G. erwähnt, dass er die von manchen Acrzten bislu-r gezogenen
therapeutischen Schlüsse für übereilt hält, auch sind die bisherigen
Untersuchungsresultnte nicht übereinstimmend. Zunächst galt es zu
entscheiden, ob die Radioakti\ität an die Wasser oder an das < ias,
welches in ihnen enthalten ist. gebunden ist. <i. untersuchte mit
dem Apparat von F I s t e r und O eitel die verschiedensten Mineral¬
wässer vulkanischen Ursprungs und fand, dass der wechselnde Grad
der Radioaktivität an das mit dem Wasser der Frde entströmende 1
(ias gebunden ist. Die Radioaktivität sinkt in den Wässern innerhalb |
45—ftll Minuten auf die Hälfte und ist nach 24 Stunden vollständig
verschwunden; auch das dem vulkanischen Boden allein entströ¬
mende Gas hat den gleich hohen Grad von Radioaktivität.
Akademie für Medizin und Naturwissenschaften zu Ferrara.
Sitzung vom II. Januar 1908.
Miner bl und Alessandri: Ueber Akromegalie und
A d a m 8 - S t o k e 8 rches Symptom (Pulsus rartis permanens).
Der Fall betraf eine 67 jährige Frau. Die Erscheinungen der
Akromegalie boten sich im 52. Lebensjahre nach der Mcnopame. Ausser
den charakteristischen akromcgalischcti Lrselieimmgen im GcsiJit
und an den Händen kam es zu Schw mdclamallen, epileptischen In¬
sulten. vorübergehenden Kopfschmerzen und einer enormen ll\pcr-
trophie des Herzens bei reinen Tönen. Das bemerkensw erteste aber
war eine arterielle Hypertension. welche die Skala des R i v a -
R o e c i sehen Sphygmomanometer überragte und ein dauernder
harter Puls von dl) Schlägen.
Bei Abwesenheit aller anderen erklärenden Momente: Hvrz-
block. Arteriosklerose, glauben die Autoren dass der Pulsus rarus
permanens durch die Hypertension im Gefässvstem mul diese wie¬
derum durch Hvpertimktion der Nebennieren zu erklären sei. Sonnt
glauben sie eine Beziehung zwischen Veränderungen in der Limkt'on
der Nebenniere, Akromegalie und Pulsus rarus permanens annelimen
zu können.
Medizinische Gesellschaft zu Perugia (Is'ituto umbrlco).
Sitzung v o m 25. I a n u a r lötis.
Baude!: Die endovenöse Therapie des akuten Gelenkrheuma¬
tismus (Bac cell sehe Methode).
Diese Behandlungsmethode ISPS durch Tranguilli auf dem
italienischen Kongress für innere Medizin empfohlen, hat in Italien
viele Anhänger, und auch in der Klinik zu Perugia gute Resultate
ergeben. Sie besteht in der intravenösen Injektion von Sublimat
1 ■ cg pro dosi tmd über den anderen Tag so lange Fieber und
Schmerzerscheimmge,] dauern. Gerade die schwersten Lalle mit
eii Jokai diiisehen Symptomen, hohem Fieber. Schmerzen tmd Sclrw cl-
lung in allen Gelenken lilusti iei en am besten die Wirkung dvr Me¬
thode. B. berichtet genauer über diei lade sJiwcrcr \rt. in w t k l.eu
die Rekonvaleszenz eine auffallend prompte w ar. I r sjilicsst daim;,
dass diese vollständig gefahrlosem intravenösen >ub!imatmtcktiom i
ein vorziigliches Heilmittel tiai steilen, nameiitii«. h auJi m ad di u
Fallen, welche der Sali/\Ibeliandhmg irot/eti. Bemerkenswert er¬
scheint die nach diesem \crt.iliren cmtrelvr le Leuko/\tose, d.e be¬
trächtliche \ eUlie Lr img der \ leikeni: .'eil Lenk« z\len.
Medizinisch-chirurgische Gesellschaft In Modena.
Sitzung v o m 2J. I a n u a r löos.
Gazzettl berichtet über einen Fall \>m hysterischem Meteo-
rifmuF, de r jeder Behandlung trotzte und dtnji ein K \ sma \ a
dH Tropfen Parag.tnglm auf 4m ■ g Wasser leiJit überwunden wurde.
Das Mittel wirkt naJi dem Autor m dieser Weise angewandt zu¬
verlässig und intensiv auf die glatten Musi, c Maser n des Dartr.es,
Medizinische Akademie zu Genua.
Sitzung v o tu in F e b r u a r
Rublno: l'ebcr Frühdiagnose der Herzlnsuffl/ien/.
Die Her zinsuiti/ienz ist /u dmgn«.sti/u ren ditrJi Bestaun.eng
der \ iskositat des deITr meu teil Hintes. Die \ er mehr img vier \ ts-
kosjf it tles Blutes muss als eines der Initials'mptomc vier Her/-
iusuHi/ieiiz aiiigelasst werden.
Praktisch ist dtc'e l ulet suebung emtaJj m| !e J.t. be> mvlt's
wenn su- mit d-mi Detiaiii;i n n sd;eii \ isf osimetv f auv.eldnt
| wird. Dieselbe hat uegeimber dem Mstw a 1 dsJ h n ilen \ ..r/u •.
j nur eine kleine (.»nantilat Blut m.Ji ce nt) w ei Jic siJi kisät aus dem
i Gllrlappv heil entgehen lasst. /u erf-uderii.
i Medizinische Akademie zu Padua.
S 1 1 z u n g v o m dl. I i n u a r |m»s.
Jona beruhtet uber zwei Fälle \ on schwerer Anämie, bei
| welchen die Autopsie als einzige Gszeralc Läsion eine schwere
| Laönncc sehe Leberzirrhose ergab.
Der Mn rbus Bann konnte dm«. reiitiaMiagiiostis^h m beulen I .« in
nicht m I raee kommen. Das k iuk in. nmark vier I vmur di tph\sen P-a
Zeichen erhöhter Aktiv itat, aber mJit metai> «sicher \;t. | g .ud
dass vliese Leberzirrhosen zu der k tögen Imin gr!n*ien. wekhe \ - >a
Autoren w ie M e i \ ii e r. U u r s v h m a u n und A , l> ti a s jii.rnivd,:
Zirrhose vier Leber beschrieben worden ist urut suilt vlie Ar.s^.t auf.
dass es m dieser Form zu einer sjiw eien H.imoU se kommt, weiJic
zu akuter Anämie fuhrt. I Diagnose L. i r r !i <» s i s ii c P a t : s
a naemica w nute gere Jitter t gt ctsjte.ncn ui udvii I ,i \ sö::\u:er
Anämie mit dunkler Aeti-dogic mit grosse! und h.nttr I dui.
Hager- Magdeburg.
80. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte
in Köln a. Rh. vom in. bis 26. September
Der Aorstand ist für inos f. ,|- ( ink t masseii 'i:s untm n v s< t/t
I. \ orsit /ende • Prot. Pr W «• t t s t e t P \ W e s t e r s Ii e i m m
Wien I. \ orsit/eruler Prof Dr R u b n e r m Hv • im. 1. stv !i\v r t« etcti-
vlcr \ oi sit/cmle«. Ihof. Dr. W. W ien m Wer/ö-rg, 2. ste.xer-
1 1 elender \ or sitzender.
II. \'irsoindmitglit der ‘ Pn>* I »r t i a r r e in P.. :m Pmf. Dr.
M o I i s c h m Prag. Piof. lö Neider in Inpsbnuk. Prof. Dr.
v. I' r e v in WurJuire. Prot. Dt. h fehl m 11. birg Piof. pr.
M. PI a n c k m Bet Im.
III. Schatzmeister : Karl I nedr Iji I a u; p e - I i s v. !i e r. \ erkus-
biichhaiull«T m Leipzig.
IV. Die Gesv hatfslulirrr d«-r Neu it'Ma'M \ ers.inmtlung: po.i
Dr. F. v. M <“ v c r m Devi n I < iv vv hältst,,i;: er. Prof. [ >r
Leo iinld in Dresden. 2. < ii s^ h.tltsn.'i! er.
V. Dm GesJiotsT.du er der neu« u \ er s.ijumiung • P r of Dt. I i I -
rti a it n m Köln. |. GesJi nismi'rer. >t. ( d*ce^ r :»>eter Lhemiket K i .!
in Köln, 2. < i'-s^ h.ntsbdi! er.
\ I 1 g e in e i n e 1 a g e s o i d u n n g
Sonntag, vl e n 2". S e t> t e m b e r. \ ■>< Mittags; Mijing >!v s
\ «u staiules. 1 loMiiimg der \iiVSu , img. \bv:\ls s l n. ILs'usMmg
m vier Burgei geseilsc lialt.
M o n t a g. d e n 21. S e p f e m e r. \ >' u ’t.i..s 0 . I |o \ rst c
allgemeine \ et Sammlung "i ’/tiaJi': 1. tiv*,' .ssn:i s v.it:\:>' a Jtett.
2. \ ortrage. Nav hmittags 5 I h» • K . •iivizim ' tmg n”d e'ste Mt/tmgv r*
vier A btt flu itgen. \bcffrjs s l In . < i.i ■ tv mi ^t u t ’v s; . J:v' P.-Jv u Jöa'.g
t/oo|«<gis Jier Garten). I m'a Itmg i!-. • v. 1 :.»* t L \ev "v S
Dienstag, d e n 22. > v p ! v :r ! m r . \ ■ u - uni muht: m.^s
Sitzungen der Vbfyiiimgcu. \buds 7 1 r ’ 1 v >'tes>vn im < mrze n\!i.
M i t t w o v h. d e n 2d. s v p f i :t J ■ \ • ■- - im I n.u^-i ::. !k s;
Sitzungen vier \bfi iluuge.i. \'>en 1s 7 1 •: bg \..-.s
Madt'schv n Ihvateui: ();h'i:!.ois um.; .n.v-,.,
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4. August 1908.
MÜKNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1669
Donnerstag, den 24. September. Vormittags 8VL* Uhr:
Geschäftssitzung der Gesellschaft. Vormittags 10 Uhr: Sitzung der
beiden Hauptgruppen (Gürzenich). Einzelsitzungen der beiden Haupt¬
gruppen: Nachmittags 3 Uhr: t. Naturwissenschaftliche Hauptgruppe
in der Aula der Handelshochschule. Nachmittags 4 Uhr: 2. Medi¬
zinische Hauptgruppe in der Aula der Akademie für praktische Medizin
im Krankenhause Lindenburg. Abends 8% Uhr: Empfang in den
Räumen des Gürzenichs, veranstaltet von der Stadtverwaltung.
Freitag, den 25. September. Vormittags 9‘/i Uhr: Zweite
allgemeine Versammlung. Vorträge. Nachmittags: Besichtigungen
oder Sitzungen der Abteilungen.
Sonnabend, den 26. September. Tagesausfliige: 1. Rhein¬
fahrt nach dem Siebengebirge, 2. Ausflug nach der Gemünder Tal¬
sperre, 3. Ausflug nach Bad Neuenahr und Apollinarisbrunnen (Ein¬
ladung der Badedirektion).
Plan der wissenschaftlichen Verhandlungen.
I. Allgemeine Sitzungen im grossen Saale des Gürzenichs.
Montag, den 21. September, vormittags 9 l A Uhr:
Begrüssungsansprachen. Prof. Dr. Stadler- München: Albertus
Magnus von Köln als Naturforscher und das Kölner Autogramm
seiner Tiergeschichte. Major v. P a r s e v a 1 - Berlin: Motorballon
und Flugmaschine.
Freitag, den 25. September. Prof. Dr. R u b n e r - Berlin:
Kraft und Stoff im Haushalt des Lebens. Prof. Dr. He im-Zürich:
Ueber den Deckenbau der Alpen. Prof. Dr. H a s s e r t - Köln: Vor¬
läufige Ergebnisse einer landeskundigen Forschungsexpedition ins
Kamerungebirge und nach Nordwest-Kamerun.
II. Gesamtsitzung beider Hauptgruppen im grossen
Saale des Gürzenichs.
Donnerstag, den 24. September, vormittags
10 Uhr: Prof. Dr. Wiener- Leipzig: Die Entwicklung der Farben¬
photographie. Prof. Dr. D o f 1 e i n - München: Die krankheitserregen¬
den Trypanosomen, ihre Bedeutung für Zoologie, Medizin und Kolo¬
nialpolitik.
Sitzung der medizinischen Hauptgruppe.
Donnerstag, den 24. September, nachm. 4 Uhr
in der Aula der Akademie für praktische Medizin im Krankenhaus
der Lindenburg: Prof. Dr. Einthoven - Leyden: Ueber das Elektro¬
kardiogramm. Prof. Dr. W r i g h t - London: Ueber Vakzinetherapie
und die Kontrolle der Behandlung mittels des opsonischen Indexes.
Gesellschaft Deutscher Nervenärzte.
Zweite Jahresversammlung am 3. und 4. Oktober
in Heidelberg.
Programm.
Freitag, den 2. Oktober: Von 8 Uhr abends an zwang¬
lose Zusammenkunft und Begrüssung im „Artushof“ (Hotel Lang),
Rohrbacherstr. 13. Um 8’A Uhr: Vorstandsitzung im Hause des
I. Vorsitzenden, Riedstrasse 4 (neben Hotel Lang).
Samstag, den 3. Oktober: Von 9—12 Uhr: Erste Sitzung.
Eröffnung der Versammlung im Hörsaal der medizinischen Klinik
(Akademisches Krankenhaus). — Geschäftliche Mitteilungen, Beratung
und Feststellung der Geschäftsordnung für die Jahresversammlungen
usw. — Wissenschaftliche Verhandlungen: Erstes Referat mit an¬
schliessender Diskussion. Dann Vorträge und Demonstrationen. —
12 Vs Uhr: Gemeinsames Frühstück (Lokal wird später bekannt ge¬
geben). — Nachm. 2—5 Vs Uhr: Zweite Sitzung. Zweites Referat mit
anschliessender Diskussion. Fortsetzung der Vorträge und Demon¬
strationen. — Abends 7 Uhr: Gemeinsames Festmahl im Grand Hotel
(Gedeck M. 6.—).
Sonntag, den 4. Oktober: Vormittags 9—12 Uhr: Dritte
Sitzung. Geschäftliches. Dann Fortsetzung der Vorträge und De¬
monstrationen. — 12 Vs Uhr: Gemeinsames Frühstück. — Nachm, von
2 Uhr ab: Vierte Sitzung. Erledigung der Vorträge und Demon¬
strationen. — Für den Abend ist noch eine gesellige Zusammenkunft
in einem, von der Witterung abhängigen Lokal geplant.
Auch Nichtmitglieder der Gesellschaft sind als Teilnehmer will¬
kommen.
W. Erb, I. Vorsitzender. S. Schoenborn, I. Schriftführer.
Referate:
I. Die Stellung der Neurologie in der Wissenschaft und Forschung,
in der Praxis und im medizinischen Unterricht. Referent: Herr
H. Oppenheim.
„ II. Die Diagnose der Syphilis bei Erkrankungen des zentralen
Nervensystems, mit besonderer Berücksichtigung a) der zytologischen
und chemischen Ergebnisse der diagnostischen Lumbalpunktion; b) der
serodiagnostischen Untersuchungen am Blut und an der Lumbalfhissig-
keit, speziell bei Tabes und Paralyse. Referenten: Die Herren
W. Erb, M. Nonne und A. Wassermann.
Ausserdem sind bisher 34 Vorträge angemeldet.
Aus ärztlichen Standesvereinen.
Abteilung für freie Arztwahl des ärztlichen Bezirksvereins
München.
Mitgliederversammlung vom 29. Juli 1908.
Es kommt zunächst ein Beschluss der Vorstandschaft zur
Sprache, wonach zum internationalen Arbeiterversicherungskongress
in Rom 3 Delegierte geschickt werden sollen, und zwar die Herren
F. Bauer, Epstein und Rehm. Herr K a s 11 hält auf Grund
seiner Erfahrungen auf dem letzten derartigen Kongress in .Wien
einen Delegierten für hinreichend. Herr A. M u e 11 e r ist aus prin¬
zipiellen Gründen gegen die Beschickung des Kongresses durch
3 Delegierte, da die Afcbeiterfürsorge nicht Sache der gewerkschaft¬
lichen Organisation für Aerztefürsorge sei. Herr S a c k i weist
darauf hin, dass auf Grund eines früheren Beschlusses die Delegation
zu Kongressen Sache der Vorstandschaft sei. Der Vorsitzende, Herr
F. Bauer, besteht auf dem Beschluss der Vorstandschaft.
Herr Perutz berichtet sodann über die Ausführung des An¬
trages Dr. M u e 11 e r, der in der Sitzung vom 23. V. 08 angenommen
wurde und die Einweisungsbedingungen von Mitgliedern der Ge¬
meindekrankenversicherung in Privatheilanstalten betrifft. (Siehe
letzten Bericht.) Der Briefwechsel mit dem Magistrat wird verlesen.
Es geht daraus hervor, dass die Verwaltung der Gemeindekranken¬
versicherung tunlichst rasche Verbescheidung der Gesuche verspricht,
sich aber auf eine bestimmte Frist nicht festlegt, ebensowenig auf eine
Präzisierung der Bedingungen, unter welchen sie die Einweisung von
Kranken in die erwähnten Anstalten genehmigt. Es soll hier je nach
der Lage des Falles entschieden werden. Verzögerungen in der Be¬
antwortung der Gesuche mögen zur Kenntnis der Behörde gebracht
werden.
Ferner referiert Herr Perutz über die Ausführung des Antrages
K 1 a a r vom 23. V. 08 bezüglich des Vertrages der Gemeindekranken¬
versicherung mit der S c h 1 ö s s e r sehen Augenklinik. Hienach be¬
steht ein solcher Vertrag, wovon seinerzeit auch der Abteilung durch
Herrn Prof. Schlösser Mitteilung gemacht wurde. An der Dis¬
kussion über diesen Punkt — es handelt sich um die Einweisung eines
Kranken in jene Klinik, der in Behandlung eines anderen Augenarztes
stand — geht hervor, dass ein solches Vorgehen von allen Seiten
scharfe Missbilligung erfährt, insbesondere weist Herr A. M u e 11 e r
darauf hin, dass hier die Gemeindekrankenversicherung ihr eigenes
Prinzip durchbricht, wonach sie Kranke nur im städtische Anstalten
verwiesen wissen will.
Bezüglich der Aufhebung der Karenzzeit liegt ein
Schreiben von der Ortskrankenkasse vor und ferner ein solches vom
Magistrat, das sich mit der Verneinung der Bedürfnisse anlässlich
der Aufnahme eines Naturheilarztes in die Abteilung befasst (siehe
frühere Berichte). Letzteres lautet: „Im Vollzug einer Regierungs-
entschliessung vom 4. VII. 08 ersuchen wir um baldgefällige Aeus-
serung, ob und eventuell welche Aerzte in München das Naturheil¬
verfahren in ähnlicher Weise wie der verstorbene prakt. Arzt Walter
List anwenden“ gez. v. B o r s c h t. Es wurde beschlossen zu er¬
widern, dass List kein eigenes Heilverfahren besass und nur physi¬
kalisch diätetische Heilmethoden anwandje, deren sich jeder andere
Arzt in geeigneten Fällen bedient. Herr Perutz wünscht den Zu¬
satz „dass aber die Aerzte ablehnen, durch die Bezeichnung ,Natur-
heilarzt* sich auf ein bestimmtes Heilverfahren zu verpflichten“.
Dieser Zusatzantrag wurde nach längerer Debatte angenommen. —
Die Ortskrankenkasse hat bekanntlich in ihrer Generalversammlung
beschlossen, die Aufhebung der Karenzzeit zu verlangen. Sie will
der Abteilung insofern entgegenkommen, als sie an Stelle der zwei¬
jährigen Karenz die Bedingung einer zweijährigen Tätigkeit in der
Praxis zulässt. Die Debatte über diese Frage ergibt Folgendes:
Herr Hecht betont, dass eine Aufhebung der Kasse selbst nur
Schaden bringen kann, indem sie eine grosse Mehrbelastung für die
Kasse bringen wird. Er ist nicht gegen die Aufhebung, sobald die
Karenz auch im übrigen deutschen Reich aufgehoben wird. Diese An¬
schauung vertreten auch die folgenden Redner. Herr Epstein hebt
hervor, dass jener Beschluss die Folge der Beschlüsse der Kranken¬
kassentage sei. Herr A. Müller mahnt zur Vorsicht. Er
ist zur Zeit noch gegen die Aufhebung mit Rücksicht auf die
besonderen Verhältnisse in München. Herr Perutz erwähnt,
dass wir hier eben ganz andere Arbeitsbedingungen haben und andere
Verträge mit den Kassen, als jene Städte, die bereits die Karenz auf¬
gehoben haben. Ref. verliest einen Brief von Dr. Alexander-
Nürnberg, der die Beibehaltung der Karenz missbilligt. Herr Hecht
betont, dass es sich hier nicht um eine Brotkorbpolitik handelt, sondern
allein darum, dass im jetzigen Augenblick die Aufhebung dieser Mass-
regel den Ausbau der freien Arztwahl in München sehr schädigen
würde. Herr F. Bauer hebt hervor, dass München zur Zeit sogar
Berlin an Aerztezahl überflügelt habe, dass ferner gerade für junge
Aerzte eine Karenz kaum bestehe, da ihnen ja die Assistentenzeit an
den Münchener Krankenanstalten angerechnet werde. Die Aufhebung
der Karenzzeit wurde mit allen gegen 4 Stimmen abgelehnt (3 Stimm¬
enthaltungen). Auf Anregung des Herrn Hecht wird der Orts¬
krankenkasse dieser Beschluss mit ausführlicher Begründung -
geteilt werden.
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1670
MUHNCHFNHR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Die Generalversammlung der Ortskrankenkasse hat ferner die
Beibehaltung des Bezahlungsmodus nach der Kopfzahl abgelehnt. Da
die Frage, ob Bezahlung nach Kopfzahl oder nach Finzelleistungen
bereits früher schon *) anlässlich eines Antrages S e n e s t r e y ein¬
gehend erörtert wurde, so erübrigt es sich auf die Diskussion zu dieser
Frage, die keine neuen Gesichtspunkte brachte, einzugehen. Fs wurde
mit allen gegen 4 Stimmen beschlossen, die Bezahlung nach Fmzel-
leistungen auf Wunsch der Kasse wieder einzuführen, jedoch eine
modifizierte Durchschnittsziffer entsprechend einem früheren Antrag
F pst ein anzunehmen, die nicht unter 4 herabgehen soll. Zum
Schluss entspann sich noch eine längere Diskussion über Missstände
im S'anitätsverband, dem Leute angehören, deren Finkommen die
vorgeschriebene Orenze überschreitet.
Schluss der Sitzung 11' » Uhr. Präsenzliste 55 Mitglieder.
N a d o 1 e c / n y.
*) Sitzung vom 29. II. OK.
Aerztlicher Bezirks verein Nürnberg.
Sitzung vom 27. Mai 1908.
Vorlagen zum Aerztetag.
Herr Schuh referiert über die Leitsätze der Kommission fiir
Schulgesundheitspflege, die die Zustimmung des Plenum linden.
Herr Koch referiert über die Anträge der Kommission zur Be¬
ratung des Kurpfuschergesetzes, er beantragt Zustimmung zu ihren
Vorschlägen; das Plenum stimmt zu; ebenso stimmt die Versammlung
einem Antrag zu, statt des Verbots der Behandlung der (ionor-
rhöe etc. zu setzen: Behandlung von Tripper, Schanker, Syphilis,
sowie jede irgendwie geartete Behandlung an den (ieschlechtsorganen
ist untersagt.
Herr Schuh referiert über die Verträge mit den Lebensver¬
sicherungsgesellschaften Fs wird dem Vorschlag der Kommission
zugestimmt.
Herr Alexander stellt den Antrag auf Wiedereinbringung
des Antrags auf Aufhebung der Karenz. Antrag angenommen.
Kaufmännische Kassen. Die Versammlung beschliesst, ihren Ver¬
trag mit den kaufmännischen Kassen mit Vi jährlicher Kündigung auf¬
zugeben, wenn ein allgemeiner Tarifvertrag der kaufmännischen
Kassen mit dem L. V. zustande gekommen ist.
Herr Staude r stellt den Antrag, den zentralisierten freien
Hilfskassen die Verträge zu kündigen und auf Grund eines vorgeleg¬
ten Vertragsentwurfs neue Verträge mit ihnen ahzuschliessen. An¬
trag angenommen. Dr. Mainzc r.
Verschiedenes.
ftranßofcnfudü.*)
Ävurfftf &u bid> an fd)timnif ®rttrtn obrr ,$urrit*(9ffinb/ fp barffrft bu
Feiner anbern 0traff/ al< torlchev bu frlbftru nacbqebefb/ tmb bavfffl beu FVwimi
ale miserabilis scortatorum flagelli, nid« mir mir theilen/ bann bu mir
felbfl unter bir Ä'anb fomnirn wurbrfl/ alt< «i einem T'rpfcfeu/ ba idi bid' tum*
melu muft wie ein fpppeubetf i'r'erb/ ober 3tarriib(tiTrv/ baft bie Tabu im 4)imib
(leben/ al$ roie tu einem $Hora(l' bau bu feinet 3ahnbrrd'rr» bebarffeil/ uub
feifferd mehr atä ein ifeirbuub. Zo fduniert mau bid> mit Mercurial-£alben/
baft mann bu babefl/ ba$ (rbrnbigr C.uerfülber in ber Vafc'i&aniini umlaunet
unb gefuuben mir ti fpmmefl bu bann au beit Vufft/ fp pttrifl bu aut^ allen
beineit Öebeineu/ tbufl bu bann einen falten 2runcf/ fp fallet bir ba# 3äpflein
herab/ laurfen bir bie Glaubet hinten an bem >>al* auf/ uub gcfd'wilirt bir ba*
5K«ul mie einer 0arten=Kroten/ fand faum ein V6fiel rotier warmer i^ruhe
fchliugeu/ alfo baft man mit bir «t fd'affen hat/ fold>e Wcid'wulfl mit JRpfeu*
Jponig' 3HaiiIbrrrs0affr/ unb Roh nucum ober $urgflwaffmi/ ron ben Floribus
Ligustri ober Ntytiumnttxl £olb««H6hvkin/ mittler iJtiubrn ber £aurad'-
fBeerlein Pber 'üßeinuageln/ fonflrn Cfrbftdt genannt/ unb mit Wann verfeuert
$u flillen. VaiTffl bu bann biefe ^adt ber bir veralten/ fp frmmet f* bir in
ba* Örbein/ allba lauftt/ £ir»fd\ilrn/ ttnnefdmtben/ WcMrtflrtg' ?Kürfarab/
©düeubeiit' Wrmfptnblrn/ uub alle* au/ wie ein fauler Kar/ fp nidu mehr ui--
vedtt gebradtt werben mag/ fpttbern man muft bid> mit Cfnen/ trennen/ wilbem
Jener/ von bem gelben Mercurial-2i : afTer/ Sluffenung ber £paunifd'en Sit inj ip
fonflrn ein fd>6ue^ JrefTen tfl/ peinigen unb plagen/ ober wel/ mie gar ont ge-
fdrid't/ bie deiner mit (£ifcn h^auö (lämmen/ mit f8ei|T3angen abtwirfen/ ober
mit ©eiiuEägeu/ ba bid> (3ott ppv behüte/ vom Veib nehmen, gitann f* b»r
mol geiaht/ unb bu eilten glimpfflicheu gütigen Chirurgum rneid>e|l/ fo nuklne
bir bief* Wnab gefd'ehcn/ baft er bidt «i ^ilbcrung beitte* Hilf««# mit Tun ober
räuchert/ baft bu in bem Mcrcurialischen Dampft letdrtlid) erflicfen mfdueil.
Dein Diaeta wirb fd?lcd)t fepn/ von ungefaßten uttb ungefdjmaßten 'BafiVv--
*) 9(n*: Pharmacopoliolum campcstrc et itinerarium, Pbcv ,Yrlb*
uub ffteife='?lpprf)ccflein/ ^egreiffenb bar vor biefeni von J>u. D. bunterer tuv
bie ^Üolbaten gedeutet oomefflidteb Mrifg*='Jlvnncn=3tfid'lcin/ Medicina Mili-
taris genannt/ Zp anino mit vielen vpvtvefflid'cn Experimenten unb fdu'uen
s «?lrtmer= Z tuef eu vermehret unb abmnal au*acfeitiaer worben vvu JOB AN NF
H1SKIA CARDILUCIO, Com, Pal. Phil. & Med. Doct. Oinrnberg/ Tn
Verlegung '-hrolttgang üJlcvin Cutter/ unb Tehanu Witbveae Cubtcrv fei. wohnen.
'»Inno MÖCLXX1X.
No. M.
fuppen / Werden brühe/ -ImetfiMen/ arbämpftmi ober gebratenen r rT eln bann
feilt ,Tlfüd' fand bu faueu/ weil bie iiamprt 'iXi'ihl beiuer Tähn/ wie ctru m
nielbet.' in einem ?)lprad liehet.
.Öiermnen fplted bu feihch uub rem ferti'* aller »alhFeu Zetteln
gehen/ unb bid' beft uugebühriid'en '^erlaaerp eimnaüen unid wud tu Mmiv.vI'
Mradt-lvp» Nota hene, map ift' ba iaae/ bann ber uralte Hip-p«»cralcs unirr
breven cad'en/ ip laugep t'ebeu/ -fiärcf uub Werni-theit erhalten >vrr:n;:s
suhstantiae conserv atioucrn, btuia uub red't ae>ehlef. VU'v Heibed tu
gefunb' mit fand vielem Hebel eiuumini,' ant trin Chi m t^vif u::b ter
'’l'eit ui tieü'in ,yall erhatteiw ba bu »bud veinhuuhel uub veiailurt and' 'm
einen VhiuMaMaen iud*t mibitäa arhalten nuLtid aliv tat; iiimniub brr tir am
'^ett lieaen/ uteniaut um be item i'r ’el rreum. niemant mit tir baten niemant
au# bemem t'Ma# vter Reiter üntüni will F. L.
üalcrit* hervorragender Aer/te und Naturforscher.
Der heutigen Numim r hegt d.is 2d*. Bi.itt der tja’ene Fei: l K».ar
Liebreich. Vergleiche den Nekroi<*g aut S. 11* 17 duvr Nnnvai.
Therapeutische Notizen.
Zur O p h l h a I m o r e a k t i o n äußern mJi m der Vpri'iuimiiic ?
der ’I hei*. M«»iutsh. 2 Augen.i: zle. > i e g i i s t - I h i n WiiNt d,t:ai.I
hin. dass das gesunde Auge duidi die I wbei ktiliüc mtf .»uleiung er¬
heblichen Schade« kivlui kann. Bei 4 k tanken sah er ausser der
Koiiiunktn a der Lider auJi die k a.ninkti .a des Bu.!v.:s m w :i e:;t-
znnden und mit /aiiiteiJiin kleinen mmareii ku-»Kl'en ube'v« wer¬
den; mik i *>sk« ipisc ii boieis Mk'M.l'Ul das t\pralle Biid utiev I ube: ke <s
ilar. Benutzt winde das l.n.ei luberkuliu de r lir.na l'nuluia - ircres.
sowohl das flüssige wie das trockene.
> c h ii I t z - Z e h d e n - Ber Im lullt t die h.idigiingen d<.s \u K es
aiis>ch!iesshch auf das Pruparat zurnck. Ikm Auge n.ichui..g ist
das C a I m e t t e sehe Trockettpr.iparat mul das \‘>n den lh»wbstt'
Farbwerken hergestelitc glweiiu- und akoh-Mlteie lubetkuni. Das
1 pro/. Alttuberkuh« hat dagegui bei lko lallen mir 2 mal zu lut-
tigen koiinmktiN alen Reizersc lieiumi gi n gePihrt. V..n einer da.ie ro-
ilen >chadrgimg war in keinem dei lalle die Rede. Audi Anteil nnt
abgelauteiieii und fnseheii k r auk heitspr o/t sseii blieben Non den I u-
bei kiiliiieiutraiiK iungeii unbe i tniiusst. Auge« mit Irischen Ver-
let/imgen oder irischen llornlt nitge s L hw n r e u und I «rl\ kt.nieii misst«
«atiiriich voll den 1 nitraiileiimgeii ausges w !i,. >ssei| b ie i be ti. kr.
Das Au tan ist bekatatlch ein I t mal.np: u;.irat. das herge¬
stellt wurde, um durch einiadies V eunis, 1 k n mit Wasser Forma :n>-
dämpfe zu erzeugen, mit ziemlich statker I c tnpet atur er n-diung ilvs
Wassers, ohne /uluijyiiahme einer Lampe. Das \ut.m k<>M mt in
Packungen von 2 .• -liä um k’aummliait m den Maiuk i. 1 in iiet.isN,
dessen Inhalt mindestens sn \iel I «ei betragt, als das Zimmer kutnk-
meter hat, wird am den Bode« des Zimmers gtsiedl und m« deo,
Inhalt der Packung getuilt. Aul das Autati giesst man ir.itte st r
leeren Blee hbue bse watnus Wasser; die Menge |i sh bin ist dirdi
eine au der Blechbüchse angebrachte V\aike angtgcb.e«. V\an ridtrt
nun mit einem Modi das \utanpm\ er um und \ e: lasst das Zimmer.
Die F‘ormaUiida«>{)tentw ick'ung begiimt soiort mit gr.-sser Met:^.kett.
Nach 4 5 Stunden ist ihe beMtn^tion l'eeud.et. Man füllt nt/t die
leere AiitanblechbucIlse Ins zut Marke mit W.is^r mul s.ls de«
der Packung beige geb.meii Vmnu'iiakl'emel hinein. Das sich aisi .nd
entwickelnde Ammuiiak bimlet das in der I ult \ • r‘\mdene I •»rma’.-
deliyil. Nach I : • sturuhger l.ntwicklung eie s \Jiim* -maks kann man
den Raum lutteii.
< i a I I i - V a I e r i o ( J'her. M> *n.-lkitr !‘> , s . hat ihe Do-
infektioiiskraft des Autans nochmals e\pe im.eilte :I gep: dt und d.e-
selbe nicht absolut sicher, aber d-<ch t ir geisse I ’.aktenet.arte«
recht kraltig getumk u. I r e-mp'uhit das I'esirtektmnse i rtalme« mit
Autiin in de i Praxis inr /immer, aus w eiche« du evge« <iege!i-
stande entfernt worden sind, welche in Damptdesmiekti< nsapparateii
oder durch Allskochen Met ihyett Werden kennen. kr.
Die D i t f e r e n t i a I d i a g n o s e zwischen der ortli-*.
statischen AIb u min u r i e und der chronische«
Nephritis im Kindesalter gunukt s; v h n.uh Längstem
auf ehe M e s s u n g des Blutdruckes mul die Unter-
s ii c h u « g d e s A u g e n h i n t e r g rund e s. In keinem I al.e x <■«
ortln »statischer Albuminurie ist eler Buitduick er h»»!.t »Der der Vugeft-
hmtergriind verrmdert. Die ortiiotisdie \ i ummur ie als s. k’ c t> ' r:
niemals zum Tode und geht nie ma s m c iir-»ms v !:e Ne pi • !;s ;:«er.
L. warnt energisch davor, die k unter mit ci:*«»msjK-r Vi-ummm ie
im Bett liegen zu lassen oeler sie mit Mich zu über t ttern. ki: .er
mit chronischer MTrtmimiti.e sollen in keiner Weise aruk-rs bebaiuk',:
mul ernährt w erde«, wie gesunde k «n-k r de 'se.ben A'.tersstutk.
Lediglich vor Lrknitimgeii mul l eber.insüeini-'geii müssen s:c u-
schiit/t werden; eme massige < ivmnastik ist >ed<uh ebenso am l’iat/c
wie gi-mischte
mieden w er Jen.
F.r nahrung. Me*iik^.iu-nt»
i l iier. .Mi'iialsh. d. os )
■se Bei:
a': nimg s».*i vef-
Kr.
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an dIu u g der Des
i c r; t s n
c u r a ' g i e m : f
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i s s e ' S Me'h' elrl
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S i c a
r d unter genauer Ht'd;
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d.e' dabe. ai Be-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
4 . Äugüst 10O&
MÜENCHENEfc MEDfZMSCHE WOCHENSCHRIFT.
1671
tracht kommenden Technik (Presse mödicale 1908, No. 37). Seine
Statistik umfasst nun (seit 2 Jahren) 63 Fälle, wovon 41 Frauen,
22 Männer. In 48 Fällen sass die Neuralgie rechts, in 14 Fällen links.
Ein Teil der Fälle war schon vorher chirurgisch (Resektion des Ner¬
ven, Durchschneidung desselben, Knochenausräumung usw.) be¬
handelt worden und bei diesen war die Alkoholbehandlung viel
weniger erfolgreich, wie bei den noch nicht behandelten; bei diesen
hat die tiefe Alkoholiniektion immer vorzügliche Resultate gegeben,
zwei Fälle ausgenommen, wo es unmöglich war — wahrscheinlich
infolge abnormer Knochenbildung — mit der Nadel an die Austritts¬
stelle des Nerven aus dem Foramen ovale zu gelangen. Drei der
Kranken sind nun seit 17, 19 und 24 Monaten geheilt geblieben,
andere haben nach 4—6 Monaten Rezidive gehabt, die aber auf er¬
neute Injektionen wieder zurückgegangen sind. S. ist übrigens über¬
zeugt, dass jede gut ausgeführte Injektion, d. h. jede Injektion, die
den Alkohol in den Nervenstamm möglichst nahe an seinen Austritt
aus der Schädelhöhle gelangen lässt, von sehr lange währender, wenn
nicht vollständiger Heilung gefolgt ist. Bei Versuchen an Hunden hat
S. festgestellt, dass es durch die tiefe Alkoholiniektion gelingt, das
Gasser sehe Ganglion vollständig zu zerstören und das wäre das
ideale Ziel für die seltenen Fälle, wo die Alkoholeinwirkung auf die
Nervenstämme ohne Erfolg ist. Die lokale Alkoholinjektion bleibt
also die Methode der Wahl bei der Behandlung jeder Gesichts¬
neuralgie, die nicht einer syphilitischen Kur, einer Kur gegen Zucker¬
krankheit oder Malaria zu unterwerfen ist. Aber wenn diese Me¬
thode durch ihre Einfachheit, ihre Anwendungsmöglichkeit ohne All¬
gemeinnarkose durch das Fehlen jeder entstellenden Narbe im Ge¬
sicht bei Trigeminusneuralgie angezeigt ist, so muss man sich hüten,
sie als Allheilmittel bei jeder Art von Neuralgie und besonders der
Neuralgien gemischter Nerven zu bezeichnen. St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 3. August 1908.
— In der Münchener Abteilung für freie Arztwahl stand am
29. v. Mts. die Abschaffung bezw. Abänderung der
Karenzzeit abermals auf der Tagesordnung. Die Ortskranken¬
kasse, auf deren Wunsch, wie früher oft betont wurde, die Karenzzeit
seinerzeit eingeführt worden war, hat jetzt selbst den Wunsch nach
ihrer Abschaffung geäussert. Aus diesem Grunde sah sich die Vor¬
standschaft veranlasst, die Frage auf die Tagesordnung zu setzen, er¬
klärte jedoch, selbst zu dem Antrag keine Stellung nehmen zu wollen.
In der Diskussion trat der Vorsitzende Dr. Bauer sogar lebhaft für
die Beibehaltung der Karenzzeit ein. Unter diesen Umständen wurde
der Antrag auf Abänderung der Karenzzeit mit grosser Mehrheit ab¬
gelehnt. Das Verhalten der Vorstandschaft ist um so auffallender, als
Herr Dr. Bauer auf der Hauptversammlung des Leipziger Verbandes
in Danzig (nach dem Bericht in No. 29 d. W.) folgendes erklärte:
„Die Vorstandschaft der Abteilung für freie Arztwahl in München
habe wiederholtem den letzten Jahren den Antrag auf Abschaffung
der Karenzzeit gestellt. Leider habe sich in der Mitgliederver¬
sammlung; nicht die Majorität gefunden, das letzte Mal fehlten nur
wenige Stimmen. Die Vorstandschaft werde in ihren
Bemühungen fortfahren.“ Mit dieser Erklärung stimmt das
Verhalten der Vorstandschaft der Abteilung in der letzten Sitzung
schlechterdings nicht zusammen. Mit welcher Energie die Vorstand-
schait sonst, wenn sie will, ihre Wünsche durchzusetzen weiss, davon
gab sie in derselben Sitzung einen Beweis, indem sie trotz des ent¬
schiedenen Widerspruchs aus der Versammlung an ihrem Beschluss,
drei Delegierte zum internationalen Arbeiterversicherungskongress
in Rom zu entsenden, festhielt. Ein Bruchteil dieser Energie auf die
Abschaffung der Karenzzeit' verwandt, und diese würde der Ver¬
gangenheit angehören.
— Zwischen der Ortskrankenkasse Köpenick -Berlin
und ihren Aerzten war ein Konflikt ausgebrochen, der nach er¬
folgreichen Einigungsverhandlungen jetzt durch Abschluss eines neuen
Vertrags beendet wurde. Das Honorar, das die Krankenkasse bisher
zahlte, betrug 3.50 M. pro Kopf und Jahr, die Forderung der Aerzte
4.50 M. In dem neuen, auf 5 Jahre abgeschlossenen Kontrakt wurde
das Honorar auf 4 M., jährlich um 10 Pf. steigend, festgesetzt. Die
Fahrgeldentschädigung, die bisher 1 M. pro Kilometer ausmachte,
wurde auf 1.20 M. erhöht. Für Nachtbesuche sollen für die Zukunft
5 M. statt 4 M. gezahlt werden und für geburtshilfliche Leistungen 15 M.
anstatt 10 M. Vor Ablauf des Vertrages, spätestens aber in der
zweiten Hälfte des Jahres 1912 sollen erneut Verhandlungen über
Beibehaltung oder Aenderung des jetzigen Vertrages gepflogen
werden.
— Für den Bezirk der Oberpostdirektion Kiel ist freie Arzt¬
wahl für die Mitglieder der Postkrankenkasse ein¬
geführt worden auf Grund eines zwischen der Oberpostdirektion und
der Aerztekammer für Schleswig-Holstein abgeschlossenen Tarif¬
vertrages. Der Vertrag läuft zunächst bis zum 1. Januar 1910. Er
erlischt, wenn zwischen dem Aerztekammerausschuss und dem
Reichspostamt ein allgemeingültiger Vertrag abgeschlossen werden
sollte. Als Honorar sind die Mindestsätze der preussischen Gebühren¬
ordnung festgelegt, bei auswärtigen Besuchen werden ausserdem
Fuhrkosten und für jede angefangene halbe Stunde 1.50 M. für Zeit¬
versäumnis gezahlt.
— Auf vielfach geäusserten Wunsch von Vertrauensmännern des
L. V. — besonders aus entfernteren Gegenden —, welche die ärzt¬
lichen Fortbildungskurse der Universität Leipzig im Oktober (12. bis
24. Oktober) zu besuchen beabsichtigen, wird die diesjährige Haupt¬
versammlung der Vertrauensmänner voraussichtlich bereits am
25. Oktober stattfinden. Als Beratungsgegenstände sind vorläufig vor¬
gesehen: 1. Die Stellung der Aerzte zu den akademischen Kranken¬
kassen. 2. Die Frage der „Ortsärzte“. 3. Die Honorierung der Spe¬
zialisten in der Kassenpraxis. 4. Die Lorenz sehen Anträge betr.
Mitgliedsbeitrag. 5. Gründung einer Zeitschrift „Der Mediziner“.
6. Der Kölner Kampf. Etwaigen Wünschen oder Anträgen für die
Tagesordnung seitens der Vertrauensmänner wird bis spätestens
1. Oktober eiitgegengesehen.
— Der schweizerische Nationalrat hat den Entwurf für
das eidgenössische Krankenversicherungsgesetz
durchberaten. In diesem Entwurf sind die Wünsche der Aerzte
weitgehend berücksichtigt und insbesondere Festlegung der freien
Arztwahl und Bezahlung der Einzelleistung vorgesehen. Der Entwurf
dürfte im Herbst ds. Jrs. Gesetz werden. (S. den Schweizer Brief auf
S. 1658 dieser Nummer.)
— Der diesjährigen Prüfung für den ärztlichen
Staatsdienst in Bayern haben sich 17 Aerzte unterzogen:
2 erhielten die Note I, 11 die Note II, 1 die Note III. 3 haben die
Prüfung nicht bestanden.
— Die mit Ministerialbekanntmachung vom 9. Dezember 1880
(Just.-Min.-Bl. 1881 S. 6, M.-A.-Bl. 1880 S. 431) erlassene Instruktion
für das Verfahren der Aerzte im Königreich Bayern bei der gericht¬
lichen Untersuchung menschlicher Leichen ist im Anschluss an die
in anderen Bundesstaaten getroffene Regelung umgearbeitet worden
und wird in einer Beilage su No. 14 des Amtsblattes der K. Staats¬
ministerien des Aeussern und des Innern unter dem Titel „Vor¬
schriften für das Verfahren der Aerzte bei der ge¬
richtlichen Untersuchung von Leichen“ veröffentlicht.
Sie sind im Verlag der Akademischen Buchdruckerei von F. Straub
in München erschienen und zum Preis von 1 M. zu beziehen.
— Für den im September lfd. Jrs. stattfindenden II. inter¬
nationalen Koqgress für Chirurgie sind jetzt die ersten
gedruckten Referate versandt worden. Die Referate erscheinen in
der Sprache, in der sie gehalten werden, die Schlussfolgerungen aber
in den 3 Kongressprachen, französisch, deutsch unds englisch. Mit
dem Kongress wird eine Ausstellung von Instrumenten und Apparaten
sowie eine Ausstellung von Gegenständen, die sich auf das Studium
des Karzinoms beziehen, verbunden sein. Das Präsidium des Kon¬
gresses führt Exz. Czerny.
— Dr. Arthur L i s s a u e r, Assistenzarzt an der Lungenheilstätte
Holsterhausen-Werden bei Essen-Ruhr, wurde zum Direktor des neu¬
erbauten grossen Sanatoriums der allgemeinen Ortskrankenkasse
Düsseldorf bei Hösel ernannt.
— Die bisher von Pollatschek herausgegebenen „Thera¬
peutischen Leistungen“ sind für das Jahr 1907 von Pollatschek
und N a d o r bearbeitet (Wiesbaden, Bergmann, 1908, Preis
Mk. 8.60). Die sattsam bekannten Vorzüge des Werkes kommen auch
der diesjährigen Ausgabe zu. Das Buch bietet eine ausgezeichnete
Möglichkeit, sich schnell über irgend welche neue Fragen der
Therapie zu unterrichten.
— Eine Monatsschrift für das Gesamtgebiet der Desinfektion,
Sterilisation und Konservierung hat unter dem Titel „Desinfek¬
tion“ soeben zu erscheinen begonnen. Die Schriftleitung liegt in den
Händen der Herren Dr. Lentz und Dr. Lockemann, Abteilungs¬
vorstehern im K. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Verlag:
Deutscher Verlag für Volkswohlfahrt. Preis 10 M. pro Jahr.
— Cholera. Britisch-Ostindien. In Kalkutta starben vom
7. bis 20. Juni 90 Personen an der Cholera, in Moulmein vom 30. Mai
bis 20. Juni. 6.
— Pest. Aegypten. Vom 11. bis 17. Juli sind an der Pest
28 Personen erkrankt (und 19 gestorben). — Britisch-Ostindien.
Während der am 13. Juni abgelaufenen Woche sind in ganz Indien
926 Erkrankungen (und 817 Todesfälle) an der Pest zur Anzeige
gelangt. — Hongkong. Vom 3. bis 30. Mai wurden in der Kolonie
307 Pesttodesfälle festgestellt. — Mauritius. Nachdem die Insel längere
Zeit pestfrei geblieben war, sind zufolge einer Mitteilung vom 11. Juni
2 neue Pestfälle in ihrem südlichen Teile ermittelt worden. — Britische
Kolonie an der Goldküste. In Accra sind seit dem Wiederauftreten
der Pest während der ersten Juniwoche 5 Personen an der Seuche
gestorben. — Brasilien. In Rio de Janeiro wurden vom 20. April bis
21. Juni 5 Erkrankungen, aber kein Todesfall an der Pest gemeldet.
— In der 29. Jahreswoche, vom 12. bis 18. Juli 1908, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Königshütte mit 29,6, die geringste Bielefeld mit 6,1 Todesfällen pro
Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Masern und Röteln in Flensburg, an Keuchhusten in Mül¬
heim a. Rh., Oberhausen. V. d. K. G.-A.
(H o c h s c h u 1 n a c h r i c h t e n.)
Berlin. Den Privatdozenten Dr. med' Heinrich v., Barde¬
leben (Geburtshilfe) und Dr. Richard O e s t r e i c h (Pathologische
Anatomie) wurde der Titel „Professor“ verliehen. — Dem Privat-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1672
MUFNCMLNLR MKI H/.INISCMF \V( >aiFNSCNRIM.
M.
do/cnten iiir Anatomie Pr. Friedrich Kops c h ist der „Profcssortitcr
verliehen worden, (he.)
Breslau. Zum Rektor der Universität wurde der Ophthalmo¬
loge Oeh. Medizinal rat U h t h o f f new füllt.
[Düsseldorf. IDer Direktor des Institutes für experimentelle
Therapie, Prof. Dr. \\ e n d e I s t a d t, «st um Lntlassung aus seinen
Aeintern einnekornmen. Ls ist zu hohen, dass es gelingen wird, ehe
Ursache, durch die derselbe zu diesem Lntschlusse gedrängt worden
ist, zu beseitinen und dadurch den tüchtigen und allgemein beliebten
(leiehrten der Akademie zu erhalten.
Greifswald. Der 1. Assistent der chirurgischen Universitäts-
Klinik, Dr. Trust Heller, hat sich mit einer Probevorlesung über
Transplantation von Geweben lind Organen m der Clin urnic habilitiert.
H e i d e I b e r n. Habilitiert: Dr. Otto Ranke, Assistent der
psychiatrischen Klinik.
M a r I) u r n. Pmf. (i ii r b e r - W iirzburg wurde zum ord. Proi.
der Pharmakolonie als Nachfolner M e f f t e r s e r n a n n t.
München. Am 31. Juli habilitierte sich für Augenheilkunde
Dr. (iustav L r e y t a n. Die Habilitatioiisschriit fnlut den Titel: Die
Brechungsindiccs der Linse und der fliissinen Augc'iimedicn des
Menschen und höherer Tiere iti verschiedenen Lebensaltern m ver¬
gleichenden Untersuchungen. Das Thema der Probevorlesung lautete:
Diagnose. Prognose und Therapie der durch \ crgiittmgcn veran-
lassten Augenkrankheiten.
J eil a. Anlässlich des 35t I jährigen Jubiläums der Universität und
der Einweihung des neuen Universitätsgcbändcs sind von der medi¬
zinischen Lakultät folgende Herren zu Doktoren der Medizin honoris
causa ernannt worden: Prot. William Ratnsay in London. Prof.
Butsch li in Heidelberg. Prof. Baumeister in Karlsruhe, Prot.
Over t» n in Lund, Pr. Otto Schott in Jena. Staatsmuuster Lrlir.
v. Z i I I e r in Meiningen, Staatsrat V o I I e r t in Weimar, < ieh. Re-
gierungsrat S c h m i d t - B a r y k in W eimar, Verw altungsdirektor
der klin. Landesheilanstalten.
S t r a s s h u r g. Liir das Lach der inneren Medi'in habilitierte
sich Herr Dr. Leon Blum mit einer Antrittsvorlesung über die Be¬
handlung des schweren Diabetes.
T ii bin« e n. Als Nachfolger H ii f n e r s wurde, nachdem Prof.
Abderhalden- Berlin abgelehnt. Prof. T hier i e I d e r aut den
Lehrstuhl fiir physiologische Chemie berufen.
Chicago. Dr. A. N. Richards wurde zum Professor der
Pharmakologie an Northwestern University Medical School zu
Chicago ernannt.
Genua. Der Privatdozent an der med. Lakultät zu Bologna
Dr. L. Partie hi habilitierte sich als Privatdozent für allgemeine
Pathologie.
0 f e n - P c s t. Als Privatdozenten wurden zugelassen: Dr. med.
Lugen Polya, ordinierender Arzt des St. Margareten Spitals für
chirurgische Anatomie und der Adjunkt Dr. Bela Lenyvessy für
Lehre der Untersuchungsmethoden der Hygiene.
Rennes. Dr. Ch. Leie uv re jun. wurde zum Professor der
Physiologie an der Lcole de medicine ernannt.
W i c n. Dr. R. Kaufmann habilitierte sich als Privatdozent
für innere Medizin. Zum Nachfolger des Hofrats Prot. Dr. K. Toldt
auf dem Lehrstuhl der Anatomie an der Wiener Universität ist, wie wir
hören, der Professor Dr. Lerdinand Höchst e d t e r in Innsbruck
ausersehen. — Als Privatdozenten w urden zugelassen: Der Rcgimeuts-
arzt Dr. med. Robert Poerr iiir allgemeine und expei imeiitelie
Pathologie, Dr. Alfred Brau d w e i n e r für I »ermatologie und
Syphilidologie, Dr. med. Klemens Lreiherr v. P i r i| u e t mr Kinder¬
heilkunde und Dr. Joseph W iesel fiir innere Medizin, die.)
(Todesfälle.)
Dr. H. H c r v o u e t, Professor der medizinischen Klinik zu Nantes.
Dr. Krank H. Mongom mery, Professor der Dermatologie
und Syphiligraphie am Rush Medical College zu Chicago.
Dr. Louis A. D e m e r s, Professor der internen Pathologie an der
medizinisch-chirurgischen Schule zu Montreal.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung: Dr. Offen sperger in Oggersheim.
Dr. Isidor Preyfuss wurde als Stellvertreter mit bc/irks-
ärztlicher Kompetenz für den Laiidgerichtsarzt Dr. Zahn in Kaisers¬
lautern aufgestellt, mit der Aufgabe, den Laiidgerichtsarzt Dr. Zahn
in seiner Ligenschaft als Bezirksarzt in Verhinderungsfällen zu ver¬
treten.
Verzogen: Dr. Schott von Rheinzabern. Pr. Ludwig
Bronner nach Rheinzabern; prakt. Arzt (i r o n a u von Trulben.
Dr. G a g g e I, k. Bezirksamt a. D. von Pirmasens nacii Trulben.
L rledigt: Die Bezirksarztstelle I. Klasse in Stadtsteinach.
Bewerber um dieselbe haben ihre vorschriitsmassig belegten Gesuche
bei der ihnen Vorgesetzten K. Regierung. Kammer des Innern, bis zum
15. August lfd. Jrs. ein/fjreichen.
\ ersetzt: Der Bezirksamt I. Klasse Dr. Lugen Miller in
Stadtsteinach, seiner Bitte entsprechend, in gleicher Ligenschait nach
Ingolstadt.
Vt?l«K o»ti I r LcOnmn m Mim,hrn - Druck *im
Amttichet.
(Bayer n.)
K. Staatsmlnisterlum des Innern.
Betreti: I)lt» Verhandlungen der Aer/tekainmcrn im Jahre l*>07.
Auf die \ ei handlungeii der Art / lek.iiwm t n B.iVcmis \»-m - 4 . No¬
vember L>o7 ergeht nach 1 mv er n.dime de s K. ( li'crmch/io.i'.ius-
schusses nachstehende \ ei besc heidimg :
1. Der Antrag des Be/if ksv ereins I reivng-Moosl^tg. d.e imk:*«.
skopischen und bakteriologischen l nicrMichingen von den cm-
schl.igigeii staaiiichen \nstaiteii nm'i! s i it^uli V'iiuüiimi zu i.o'm.
wo es im öffentlichen Interesse w ’insJu i;s\\ eit i ! s v lio:!t. ist v -n c :t
\erziekammerii untei stutzt, von cm/eäieu erweiti.it Worden. P:c
Anlegung wird bei der m Gang beimd idtv ii Nnnudiuu des bak¬
teriologischen 1 lltersiic Iniilgsw esc ns eutsp’ ec hend gevv r.; .gt w e’den.
2. Der Antrag des Be/n ks\yfe ms N-tfds v iiw .iheil» die l'Uv.ur.g
der I .ekchensc hange bullt en. w :e sie m den obt-rp.m/e. uäcii \ •
schrilteii vom Jo. November l ss 5 lest „esc t/l s;:ut, in I rvi .i K u:.s zu
ziehen, ist von allen Ae mukämmet u iiiüe • st.ii/t vv.»r de n.
Nach den liJähnmgen bei Besetzung v**tj 1 cuhv uv haut rste'ä n
kann zui Zeit bei Beiiic ksu litigung ik i vers.luokn ge .t^e'ien. ört¬
lichen \ ei haltmsse ein allge meines Ihd-rims t- r eine l i -v.ng der
( ie buhl en nicht anerkannt werden; es wird de sh.i.b .ml die M m Me: ..t. -
eiltsc llllessmig vmil 22 . Juli 1’ I. Ule \ er h.iinl.mue ll der Ve'Zte-
kaninieiii vom Jahre M'3 betreuend, /diel 1 11 vovuhii
3. Der \ntiag des Be/n ks\e i e ms N n nbet g. a eil Aer/teu.
welche den Maatsdienst anstieben. den Beit-itt zutn l’i "s|.|isu'e,,i
fur W itw en und Waisen Ikav ensjicr Acr/tc zu eupteti.en. ist \. n
7 Aemtekammern untei stutzt worden.
Diese m Antrag w ml dadurch i ntvpn.Jiei! vv t r dcn, dass den
Zeugnissen uher ehe bestandene Prutting lat den ar/l.:d.en M.t.ilv
dieiist eine l.miadnng eles genannten IVtKnmse e • e n:s /tun Beitritt bei-
gelegt wird.
■4. Der Antrag des Be zu Ks\ereins 1 .nidsher g. zur Be Ii.uk! ui; ^
Voll Mitgliedern staatlich geleiteter K r aiikenkassc n in der Regel imu
M itglieder der ar/tlu heil Be zu ksv ereine /ii/iu.owii. L.at die l nte r -
stut/ung iler Aerzte k.immer n von ( M-e r l’.iv er n. der < »Pe' pt.i'z. v- n
()bei iianken mul von Schwaben und Ncuburg gelinden. Dieser An¬
trag eignet sich nullt zur Berric ksuh’igung
5. I*er Antrag eles Be/ir ksv ererns M diJort-Ne iiofting. den bei
gerichtlichen Mktloiien ZUce/ogtneu /Wellen M kante ll bei e:i:eU’
durch Vor nähme dieses Amtsgesc lüttes bedingten l ng'.-.vks- oder
Iodesf tll Voll Maatswegen eine entsprechende I ursorge zu sj..i:'eu,
ist iletn K. M.iatsmmister mm der lusti/ zur /uvt.tm, igelt \\ ir,;-gtu\
übermittelt worden.
<«. Die Aer ztekammer de r Pfalz hat de n \ntr.ig gesteht. d. ; s
Asthmamittel eles I >r. Da a ms aus De Bit bei l treu nt in ehe 1 mc
der Gehe imimtte l aiil/mie Innen. Dieser Xiit-.ig vvud be i n.u!:s; u
Revision ek r Geheiumutte I listen gewuulugt werden.
7. Dem Antrag e! e i \et ztekamidc r n i.er |’!a /. den \p t) m k e * M e ü’e
Kopie der amtlichen Remple aut dt r Mgn.it ui v .o /ns. hr e .Km. ka;.;i
in Lrmangeiung eures luur e u heil k n Be dar miss,, s eme K *,e nun:
ge gebe n w eitlen.
N. Der Antrag der \e r zte kämme r \.on NUttt ’f> ani e u. fas Pcsni .d
für eme aussenu de nt u he Tn'Ussur 1 . r cendd ulie Medi/m und 1 ;n-
riclitmig eines geruhliuii uu (piniv T.e n lustduts an de r l v.w erv.t.it
I i langem wieder m den I tat en:/iis l t/efl. > s: ,'k m K Maa tsrr mist e' ■ in o
eles Innern Im Kirchen- und Mhulange t K i:ilu t.n zui ZÄM.nrd: K cn
Würdigung ube-t imttelt worden.
Uebsrtlcht der Starbeflll« In HOnchnn
während der 2ö. Jahreswoche vom 12. b.s IK. Juli
Bcvölkerungsrahl 55<« OoO.
Todesursachen: Angeborene I.ebrnsschw. (I. Leb-M ) 11 ')),
Altersschw. (üb. 60 J.) 2 ou. Kmdbcttfieber - , and Folgen der
Geburt 2c Scharlach l »3i, Masern u. Röteln 2 1 1 Diphth. o.
Krupp l (k\ Keuchhusten 2 (— »,Tvphus 1 ( kiibertragb. TierkranKh.
— (-), Rose (Lrvsipel) 1 (Ji, anel. W undinfcktmnskr. (emschl. Blut-
u. Litervergift.» 2 (li. Tuberkul. d. Lungen 2 1 ' -J'i, Tuberkul. and.
Org. 5 s), Miliartubcrkul. Jt—i. l.ungen^ntzijnd tlhicimon.) 5
Influenza — ( and. iibertragb. Krankh. 2 U», L’ntzund d. Atmuncs-
organe 1 (-4 c sonst. Krankh. derselb. - <J». organ. Hcrzleid 1 4 d'J),
sonst. Kr. d. Krcislaufsorg. (emschl. Hcmschlagi ^ s '. Gch'rnschlae
b (10*. Geisteskrankh. I -J», Fraisen, Lklamps. d. Kinder «» 1 1), and.
Krankh. d. Nervensystems ! po, Magen- u Parm.-Kat. Brechdurchfall
(einschl. Abzehrung) 3s (J7>, Krankh. d. Leber 4 <3.. Krankh des
Bauchfells I (1). and. Krankh. d. Verdauungsorg, s im, Krankh. d.
Harn- u. Geschlechtsorg 5 ( m t Krebs (Karzinom. Kankro.d) M (lst t
and. Ncubildg. (einschl. Sarkom» 3 Hi, Selbstmord 1 .-4», Tod durch
fremde Hand —( — ). Unglücks! die 3 <-4>. a ie übrig. Krankh. -4 i5>
Die Gesamtzahl der Merbeiulle ls| iJ o. Verh.dtmszahl auf das
Jahr und lmxi Linwohncr im allge menen b-.o <,o3), für die über
dem 1 . Lebensjahre stehende Bevölkerung iln yj* l .
• *) Die eilige’-.I.imrr.n * L n Za 1 , er I t k ;k? I I > r \ ^vi'<c ! c.
t. MuhlUt*lrr« UnOi un.i Kun.'.lM.iir» AO ... n
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Münchener Medizinische Wochenschrift erscheint wöchentlich
Im Umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nnmmer 80 -f. * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich*
•4t 6.—. • Übrige Bezugsbedingungen siehe auf dem Umschlag.
MÜNCHENER
Zusendungen Sind zu adressieren: Für die Redaktion Arnulf¬
strasse 26. Bureauzeit der Redaktion von B 1 /»—1 Uhr. • Für
Abonnement an J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15 a. * Für
• Inserate und Beilagen an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16.
Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
l.r.liftrer, Ch.Blomler, I.r.Bolliiger, LlmeluDi, H.BeKsrieh, V.v.Leibe,G.r.Herkel,J.r.lichel, P.Peozoldt, fLr.Banke, I.Spatz, f.i.lloekel,
Nürnberg. Berli
München. Freiburg i. B.
Leipzig.
Würzburg.
Erlangen.
München. München.
No. 32. II. August 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gest a t t et)
Originalien.
Balkenstich bei Hydrozephalien, Tumoren und bei
Epilepsie.
Ein therapeutischer Vorschlag.
Von Prof. Anton und Prof. v. Bramann in Halle a/S.
Es besteht kein Zweifel, dass die Ernährung der Nerven-
masse im Innerschädel sehr häufig-durch mechanische Ver¬
hältnisse dauernd gestört wird.
Es sind daselbst 1250—1480 g funktionstüchtig zu halten,
doch es gibt auch Gehirne von 1800 g und höherem Gewichte.
Als Normalmenge der Gehirnflüssigkeit können ungefähr 60 bis
150 g angesehen werden, doch kann diese Menge sich kolossal
steigern, auf das vielfache, so dass auch mehrere Liter Zerebro-
spinalflüsigkeit entleert werden konnten.
Die gesteigerte Ansammlung von Flüssigkeit in den Ge¬
hirnhöhlen geht zum Teil auf Kosten der Hemfephärenwand vor
sich, besonders wird der Gehirnbalken und seine Ausbreitungen
an der inneren Ventrikelwand (Tapetum) sehr stark in Mit¬
leidenschaft gezogen. Aber auch fernere Teile werden relativ
stark beschädigt; so ist es eine sichere Tatsache, dass bei
Wasserkopf und bei intrakranieller Steigerung des mittleren
Druckes das Kleinhirn nach dem Rückenmarkskanal verlagert
und deformiert wird (Chiari); ebenso ist es eine stetige Er¬
fahrung, dass die Kleinhirnbrücke samt Umgebung dabei platt¬
gedrückt erscheint. Es werden also dabei die einzelnen Ge¬
hirnbestandteile und Systeme in verschiedenem Grade
in Mitleidenschaft gezogen, wodurch im Vorhinein eine Ab¬
änderung, eine Verschiebung in den Funktionsbeziehungen der
einzelnen Gehirnteile gegeben ist.
Aber auch die Störung der arteriellen Zir¬
kulation betrifft in solchen Fällen die Hirnteile nicht in
gleichem Masse. Bei der Formveränderung, insbesondere bei
der Expansion des Grosshirns wird* das Zirkulationsgebiet des
Arteriennetzes an der Grosshirnoberfläche viel mehr verändert,
als das Gebiet der basalen Ganglien, welche von den End¬
arterien des Circulus Willisii versorgt werden. Auch hier wird
also das Funktionsverhältnis der niederen und höheren Nerven-
stationen zu einander weitgehend abgeändert. Beim Hydro¬
zephalus ist übrigens zu bemerken, dass sich bei längerer Dauer
bei kindlichen Gehirnen gewöhnlich die obersten Gross-
himteile des Stirn-Scheitelhirnes am meisten verdünnen, ob¬
wohl sie der Schwerewirkung der angesammelten Flüssigkeit
am wenigsten ausgesetzt sind. Dies dürfte daran liegen, dass
sie in der direkteren Richtung des Anstosses der arteriellen
Blutbewegung liegen, und dass nunmehr (wie in der Flüssig¬
keit überhaupt) der Stoss sich dorthin ungehemmter physi¬
kalisch fortpflanzt.
Auch bei den Störungen des venösen Blutlaufes
können die einzelnen Gehirnteile verschieden betroffen werden.
Ein direkter Druck auf die Vena Galeni, welche aus den ba¬
salen und ventrikulären Gebieten ihre Aeste bezieht, wird
Stauung und Transsudation in diesen Gebieten bewirken. Der
Abfluss der Venen an der Oberfläche nach dem Sinus der Ge¬
hirnsichel und nach dem Sinus transversus bis zur Vena jugu-
laris braucht damit zunächst nicht erheblich beeinträchtigt zu
sein.
Ueber die Allgemeinwirkung einer gesteigerten Flüssig¬
keitsansammlung im Ventrikel soll noch später berichtet
werden.
No. 32.
Zur Venenblutströmung in der Gehirnsichel darf folgendes
bemerkt werden.
Das Lumen des Sinus des Stirnhirns ist ungefähr viermal
so enge wie das im Scheitel-Hinterhaupthirne. Von den
Engländern* (Mott u. a.) wurde geltend gemacht, dass die
Venen der Gehirnoberfläche vom Stirnhirn zumeist entgegen
oder senkrecht zum Blutstrome in den Sinus daselbst siqh
entleeren, während die Venen des parieto-okzipitalen Gross¬
hirnes sich schon der Blutstromrichtung des Sinus daselbst in
spitzem Winkel nähern. Es steht also zu erwarten, dass bei
Hindernissen die Frontalvenen leichter stagnieren . Schon
wurde eine Beziehung hergestellt dieser anders gearteten
Venenversorgung mit der so häufigen prävalenten Erkrankung
des Stirnhirns bei der Paralyse. Auch Ranke hat in seiner
letzten Arbeit über Gehirnsyphilis beim Fötus und Kinde die
Veränderungen der Pia vornehmlich in den frontalen Gross¬
hirnteilen gefunden.
Wenigstens ist auch hier mit der Möglichkeit zu rechnen,
dass bei Stauungen im Gebiete der Venenblutleiter der Hirn¬
sichel die Grosshirnteile ungleich in Mitleidenschaft gezogen
sind.
Was nun die Ursachen der vermehrten Flüssigkeits¬
ansammlung in den Gehirnhöhlen betrifft, so sollen dieselben
nur in Kürze skizziert werden. Zunächst kann 1. die Ver¬
legung der Abfuhrwege des Liquor cerebralis zur
Retention führen. Als Wahlstellen kommen besonders in
Betracht der SyIv'iussche Kanal, also die Vierhügelgegend, die
Recessus laterales ^Foramen Luschka) des 4. Ventrikels und
die Gegend des Foramen Magendi. Leicht verständlich
ist die Wirkung von Geschwülsten in der hinteren Schädel¬
grube,-welche durch Nah- oder Ferndruck, durch kollaterales
Oedem und Schwellung die genannten Stellen verengen. Die
Tumoren der Brücke, ebenso die nicht so seltenen des Re¬
cessus acustico-cerebellaris (Akustikustumoren), lassen häufig
die Symptome der Stauung, sowie den Hydrozephalus ver¬
missen, ebenso der basale flächenhafte Tumor.
Weiterhin sind es aber entzündliche Schwellungen oder
Narbenbildungen, welche daselbst die Abfuhr sowie das Hin-
und Herströmen des Liquors verhindern.
Die Entzündungen können sowohl die Gehirnhäute
mit dem Gefässknäuel, als auch die Hirnsubstanz betreffen.
Nach Böninghaus gibt es bei rascher Exsudation einen
aktiven automatischen Abschluss dieser Wege im 3. und 4. Ven¬
trikel; der gesteigerte Wanddruck an sich hebt die beweglichen
Teile (Tela), welche die Zirbeldrüse und die Vierhügel mit
emporziehen und so den S y 1 v i u s sehen Kanal spaltförmig
verengern; endlich kommt es zu komplettem Verschluss durch
Anpressen an das starre Tentorium cerebelli. Ein ähnlicher
Mechanismus soll auch den aktiven Verschluss des 4. Ven¬
trikels nahe dem Foramen Magendie durch gesteigerten Wand*-
druck und* durch Anpressen an das Hinterhauptbein er¬
möglichen.
Wenn diese Annahme zutrifft, dann würde die zeitweise
Entlastung des Ventrikel-Wanddruckes auch eine Ursache der
Stauung überhaupt hinwegschaffen.
2. Vermehrung der Gehirnflüssigkeit: Weiterhin sind irri-
tative Einflüsse innerhalb der Ventrikelwandungen imstande,
die Flüssigkeit rapide zu vermehren, z. B. ein flottierender
Zystizerkus, eine »infektiöse oder toxische Entzündung der
Wandungen oder des Inhaltes der Gehirnhöhlen (Menim
ventricularis). Das Ependym ist ein Abkömmling des I
l
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1674
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
derms und es spricht doch vieles dafür, dass ihm eine aktive
drüsenähnliche Funktion zukommt, kurzum, dass das Fpendym
lebt, und zwar nicht bloss beim Fötus und beim Kinde.
Ob nun der Hydrozephalus durch Entzündung oder durch
Retention verursacht ist — es muss dabei mit der Tatsache ge¬
rechnet werden, dass die im Ventrikel vorhandenen Vorrich¬
tungen für Resorption und Filtration des Liquors also die
Plexus chorioidei und die grossen Venen nicht ausreichend
sind, der Flüssigkeitsvermehrung und der Druckerhöhung vor¬
zubeugen und genügend zu steuern.
Nach Q u i n c k e ist es auch wahrscheinlich gemacht, dass
die Absonderung des Liquor unter dem Einfluss der Innervation
sich steigern kann. Auch bei paroxysmalem Kopfschmerz und
bei Migräne wird Steigerung der Absonderung durch angin-
neurotische Einflüsse angenommen. Endlich kommen ursäch¬
lich jene Prozesse in Betracht, welche zu Hirnschwellung
führen, aber auch Hydrozephalus veranlassen können, prak¬
tisch kommen hiebei besonders oft vor das Trauma und
die allgemeine Kopferschütterung.
Beim Hydrozephalus der Kinder kommt es bei Fortdauer
der Ursachen zu grosser Schädel- und (iehirnexpansion mit
weitgehender Verdünnung der Hemisphärenwandung; dann zu
schw eren psychischen Fehlern, zu Bew egungsstorung, mitunter
zu Erblindung. Bei Tumoren entwickeln sich trotz aller Be¬
mühungen Stauungsneuritis mit Erblindung, schwere Kopf¬
schmerzen und Allgemeinstörung der (iehiruiunktion mitunter
— auch ohne besondere Erkrankung der motorischen Region
epileptische Krämpfe.
Die V e n t r i k e 1 p u n k t i o n e n schaffen oit kurz¬
dauernde Erleichterung —- doch es braucht keines Beweises,
dass dieser Erfolg nur ein kurzdauernder ist und dass diese
Operation nicht zu oft wiederholt werden darf. Das gleiche
gilt von der zeitweiligen Entlastung durch die Lumbal¬
punktion, welche übrigens bei (ieschwiilsten in der hin¬
teren Schädelgrube ernste (iegengriinde gegen sich hat. Wir
wollen nun folgende Erwägungen und o p e r a t i v e Vor¬
schläge darlegen:
Die freie Kommunikation der Ventrikelflüssigkeit mit dem
Subduralraum des (iehirns und Rückenmarkes ist eine Not¬
wendigkeit für die intakte Ernährung und iiir die ungestörte
gleichmässigc Funktion der Nervenkomplexe des (iehirns.
Diese Kommunikatiorswege passieren bekanntlich den
Sylvyschen Kanal und beim Menschen d^us Foramen Magen-
die. Letzteres ist beim Fötus nicht vorhanden und wird erst
allmählich durch (iewebsdehiszenz und Lockerung der zarten
Häute am Uebergange zum Rückgratkanal, also an der Stelle
intensiver F 1 ii s s i g k e i t s b e w e g u n g gebildet, und
zwar im extrauterinen Leben. Das Bedürfnis des (iehiru-
organes ist auch hier nach dem Pflüger scheu (iesetze die
Ursache der Befriedigung des Bedürfnisses.
Diese Selbsthilfe des () r g a n i s m u s w ird bei ver¬
schiedenen Erkrankungen unmöglich gemacht, welche die freie
Zirkulation der Oehirntlüssigkeit an einer „Wahlstelle" be¬
hindern. Um nun mit möglichster Schonung der Oehirnsub-
stanz eine Kommunikation des Liquor der grossen Hirnhöhlen
mit dem Subduralraum möglich zu machen und einen Ausgleich
der örtlichen Druckverhältnisse anzubahnen, erscheint es am
aussichtsvollsten den Balken zu öffnen, und zwar so zu
öffnen, dass dieser neue Weg dauernd erhalten bleibt. Um dies
zu erstreben, empfiehlt es sich, mit einem stumpfen Instrumente
den Stich und die Erweiterung vorzunehmen; damit wird auch
die Gefahr der Verletzung der Balkenarterie (Arter. cerebr.
anterior) tunlichst vermieden (in der Regel am rechten Ge¬
hirne.)
Wegen der geringeren Breite des venösen Sinus in der
vorderen Gehirnsichel, empfiehlt es sich, im allgemeinen den
Stiruhirnteil zu wählen, und zwar die Ouerebene der präzeu-
traleu Furche, weil diese schon hinter der Verdickung des
Balkens im Genu corporis callosi zu liegen kommt, andererseits
noch nicht in die Mitte der motorischen Zentralregion fällt; be¬
sonders aber, weil man hier mit Sicherheit in die Seitenven¬
trikel gelaugt und nicht wie bei der hinteren Balkenpunktion
riskiert, zwischen den Ventrikel in die Vierhügel zu gelangen.
Es können aber nach Bedarf auch andere Balkenpunkte, z. B.
die Parietalregion gewählt werden. Das stumpfe Instrument
No. A?.
mit dem der Balkenstich vorgeuommen wird, soll am besten
hohl sein, weil man dann durJi HeraiiMhessui oder Heraus¬
schiessen des Liquors ein sicheres oder rasches Signal erhalt,
dass der Balken nach dem Ventrikel zu durchtrennt ist. Die
Stichoitniu.g kann nach Belieben nach vorne und rückwärts
stumpf erweitert werden.
Behufs Eröffnung des Hirnschadeis ist zur Schot.urig des
Sinus seitlich der Mittellinie (Sagittalnaht) entweder e.ne kleine
I repanatiouM'ffuung anzulegen oder aber daselbst ein grosse¬
res Bohrloch (nach Doyen) zu benützen. In letzterem Falle
genügt eine subkutai e Infusion von Kokain unter die Kopfhaut¬
stelle ohne Narkt'■e. Mit dieser Operation ist der \entrikel-
fliissigkeit die Kommunikation wieder gegeben mit dem Sub¬
duralraum und damit auch bis zum Rimkgratskaual und bis zu
den Nervenscheiden. F.s steht zu erwarten, dass die stumpfe
Oeffuung, besonders m Fallen stärkeren Hirndnkks dauernd
bestehen bleibt, und zwar vermöge des Wanddriukes un \en-
trikel und durch die Strömung der Flüssigkeit, welche durch
die arterielle Pulsation, aber auch durch das Hm- und Her-
tliessen vermöge der Atmung (venöse Füllung) bewirkt wird.
Es sei nun eine Skizze über folgende Falle berichtet:
I. .1. .)., 11* Jahre ait. \ rbcitcrskmd.
Diagnose: ll\droerphaius internus congenitus o »mpressio
et iigcticsia ccrcbcili.
lieber erblühe Anlage ist nichts zu ermitteln: die gegenwärtige
Erkrankung: aullalb.ge timssc des Kopfes bestellt Non Jugend aut.
im 5. I.ebensialue sollen suh die Bewegungsstörungen an den Armen,
besonders aber an den Beinen starker ausgeprägt haben. \ oiii
Autnahmebeiimde sei folgendes erwähnt: Der Schädel ist stark aul¬
getrieben. die Mitnilocker stark \orgcwoibt. ebenso die beulen
Scheitelbeine. Der grösste Schadeluinlang betragt »ö cm. der
biternporale Durchmesser 15 cm. der biparietale Durchmesser 17 cm.
die l'ontanellen sind \ erst riehen. Der < ie sic htss v hadel ist re atu ge¬
ringer entwickelt. Die Augen hegen aun.iihg tiet mtoige des stark
entwickelten Augenbr auerihogeiis. Das (icr iu h\e r möge n ist \<«r-
liamlen. I>ie Augenhew egungen sind frei, die Akkommodation ist gut
erhalten. Es besteht die Neigung den Kopf muh reshts /u drehen.
Die grolie Kraft in der linken Band schwacher als redits. heim Vus-
streeken zittern heule Arme m gr obsc hiagiger Weise. Der Be-
w egungseflekt ist sehr geling. Beim Ergieiieu der Nadel zeigt suh
starker Intentionstremor. Bat. vermag sieh aiuh mit t nie rstut/urrg
der Arme nicht aus der Rückenlage zu erheben. Das I Dieben der
Beine erfolgt nur ungenügend unter lebhaltem Mm- und Mer-
scliw unken.
Der linke Arm und das linke Beirr sind deutlich parctisdi un
\'ergleicli zur rechten Mite. Die Kmc^chne nrcr'c\c beiderseits Sehr
lebhaft und mein sc hiagig; henkrseits bestellt \micuturg u<n lirss-
klonus. Die grossen /.eben sind beiderseits in li. >chgradi K er Dors.il-
flevion. Die Sensibilität ist m allen Dualitäten ungestört.
Beim passiNen Autset/en und bei sitzender Medung schwankte
der Kranke hm und her. Beim <ich\crsiuh geraten die Kusse in
Spit/fiissstelliing. die Kniegelenke sind überstreckt, so dass die Beine
eine Konvexität muh rückwärts bilden.
Eis besteht totales l riNcrmogcn zur aufrechten Kor[urb.iianz.
Der Kranke muss dabei Vollständig gehalten w er vielt
Eis fehlen auch ehe \ ersuche zu t iel'bew egungen d. h. Vorw arts-
bew egungen der Beine.
Zu Bette gebracht bleibt Der Kranke \olltg hilflos hegen um!
muss auch passiv in ehe entsprechende Lage gebracht werden. Es
bestellt zeitweise Erbrechen.
l'eber den Augeiibcfund ist folgendes zu erwähnen: Die Pupiiiem
sind weit Intel reagieren gut aut I uhts^ hw ankting. dagegen massig
auf Akkomodation. Die Spanbung De r Ang.ipicl Scheint benlerseits
deutlich erhob».
Die Net/haut\eilen sind breit. Die* \rterien eng. Die temporale
Paiulleiihallte ist etwas abge blasst. Die Ze ntralcvkavalio« der
Papille ist beträchtlich, doch nullt sicher glaukom.it. .s. die zentrale
Sehschärfe ist sicher vernmidert.
In ps\ chischer Beziehung kann das t\ pischc Verhalten eler
I h elro/ephaleii konstatiert weiden. Der kleine Buticmt erfasst lang¬
sam. seine Antworten Mild aiisscrst primitiv. Er vermag nur über
die einfachsten I e'bens\erliaItmsse Auskunft zu gelum. I r hat
keinerlei Schulbildung auf/iiw eisen. Seiner Umgehung ist er a*?a-
eliiert und beurteilt sie imuihaih pinmtiver <i r cn/en /utrc’Vnd.
Spontan bringt er selten W mische vor.
Operation am Jn. \. ns. in Lhiorofor mnarkocc wird etwa I cm
voll der Sagittalnaht und etwa ebensoweit \oii der hÖD-nu.naht em
etwa J em langer und ebenso breiter MnutpcrloM'appeti mit lateraler
Basis gebildet unD un \ er laut dieser Mimittc em ebenso grosser
Knochenlappen mit Sudecksdier Er.ist ge bildet und mit vlcn
\\ eiditeilen in Zusammenhang midi aii'-'un umgek'apnt Darauf
wird die anscheinend normale, nur stra’t gespannte Dura dicht
am Rande des Mnus und nahe von dem \ ordere« und hmte-en
Knodieiirande emgesdmitteii und der so gebildete’ viereckige
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-Original fröm-
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11 August 1$08.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1675
Lappen nach aussen umgeschlagen. Dem Versuche, nun den
medialen Rand der Hemisphäre durch vorsichtiges Einschieben
eines stumpfen Hakens in den Längslongitudinalspalt nach aussen
abzuziehen, stellten sich zwei grosse, von der Arachnoidea
zum Sinus ziehende Venen entgegen, die doppelt ligiert und
dann durchschnitten wurden. Nun liess sich der Rand der Hemi¬
sphäre so weit abziehen, dass die Falx sichtbar wurde und eine dünne
und etwas gebogene Kanüle mit stumpfer Spitze an der Falx entlang
vorsichtig tastend bis zum unteren Rande derselben eingeführt und
dann durch weiteres Vorschieben der Kanüle nach unten der Balken
perforiert werden konnte, worauf Liquor im Strahle aus der Kanüle
herausfloss. Nach Entleerungen von etwa 15 ccm wurde durch Ver¬
schieben der Kanüle in der Richtung von vorn nach hinten und umge¬
kehrt das Loch im Balken in einen etwa 1— fVa cm langen Längsspalt
verwandelt und die Kanüle entfernt. Es folgt dann noch die Naht der
Dura und nach Zurückklappen des Weichteilknochenlappens die Naht
der ganzen Wunde.
Der Wundverlauf war vollkommen reaktionslos, nur am 3. Tage
nach der Operation einmal Temperatursteigerung bis 38,1 infolge
einer leichten Angina. Am 6. Tage wurden die Nähte entfernt. Die
Wunde war glatt geheilt, das Allgemeinbefinden sehr gut. Kopfschmer¬
zen und Erbrechen verschwanden. Die Arme konnten besser gehoben
werden. Am 30., 10 Tage nach der Operation wurde der Kranke
nach der Nervenklinik zurückverlegt.
Befund nach der Operation (Mitte Juni). Der Kranke ist im¬
stande, sich prompt aufzusetzen und er balanziert in der sitzenden
Lage ohne viel Schwanken.
Der rechte Arm und die rechte Hand zeigte bei verschiedenen
Verrichtungen viel weniger Tremor.
Links ist noch Zittern hachweisbar, ebenso eine Parese der
Hand. Er vermag sich nach rechts und nach links zu drehen, die
Beine werden in liegender Lage in grösserem Ausmasse erhoben.
Auch'hier bleibt die linke Seite im Verhältnis zur rechten zurück.
Die Kniesehnenreflexe sind noch gesteigert, der Fussklonus ist
nicht auslösbar. '
Die Beugungen in den Hüftgelenken werden noch mit Schwan¬
kungen vollzogen.
Der Patient ist imstande, sich nicht nur aufzusetzen, sondern
auch die Beine selbst über den Bettrand zu heben und dort sitzen
zu bleiben. Auf die Beine gestellt vermag er noch nicht in aufrechter
Stellung zu verharren. Dagegen unternimmt er wenigstens die ent¬
sprechenden Bewegungen der Beine zum aufrechten Gange. Auch
hierbei bleibt das linke Bein einigermassen zurück.
In seinem Gestell mit Achselstützen hält er sich viel besser
aufrecht.
Die Kopfhaltung ist aufrechter, die Kopfwendungen ausgiebiger,
Ueberhaupt hat die Zahl der Spontanbewegungen beträchtlich zu¬
genommen.
Ueber den Augenbefund ist folgendes zu berichten: Von der
Zentralexkavation der Papille ist rechts nichts mehr zu sehen, links
besteht noch ganz flache Exkavation.
Bezüglich der Funktionsprüfung ist zu erwähnen, dass er nun¬
mehr auf 5 m Entfernung kleine Gegenstände z. B. ein Markstück
richtig erkennt.
Auffällig war die Aenderung im psychischen Verhalten.
Der Patient ist in der Mimik viel regsamer, in der Unterredung
ist die Aufmerksamkeit viel prompter, die Antworten erfolgen auf¬
fällig rascher. Er zeigt Interesse für die Umgebung, äussert spontan
Wünsche und Pläne. Sein rascheres und regsameres Wesen fällt
auch der Umgebung auf. Die zeitweisen Apathien haben einer gleich-
massigen Stimmungslage Platz gemacht. Es fehlen die Klagen über
nächtliches Bettpissen, ebenso über Kopfschmerzen.*)
II. Vinzenz R., 50 Jahre alter Arbeiter.
Diagnose: Meningitis serosa (Intoxikation?).
In der Familie sollen keine Geistes- und Nervenkrankheiten er¬
weisbar sein. Patient ist seit 5 Jahren in einer Anilinfabrik tätig.
Seit einem Jahre traten Kopfschmerzen auf, von der Stirn ausgehend
über den ganzen Kopf sich hinziehend. Vor drei Monaten waren
wiederholt Attacken von Kopfschmerz, Schwindel und Unsicherheit
auf den Beinen.
Von den Befunden bei der Aufnahme seien folgende erwähnt:
Es besteht beiderseitige Geruchlosigkeit (angeblich seit 10 Wochen),
der Schädel ist klopfempfindlich; das linke Auge zeigt an der Horn¬
haut eine weisse ausgebreitete Narbe; die rechte Pupille ist eng
und reagiert auf Lichteinfall nur minimal. Rechts ist Sehschärfe fast
*) Bei diesem Patienten hat die öfter wiederholte Untersuchung
einen Befund ergeben, welcher wegen der geringen Intelligenz des
Untersuchten noch der Bestätigung bedarf. Es erschien vor der
Operation der zentrale Farbensinn insofern gestört, als blau und gelb
in kleinen Flächen zentral nicht erkannt werden. Auch Prüfung mit
Holmgreen-Wollproben Hessen annehmen, dass Blau und Gelb un¬
sicher erkannt werden. Auch trotz der Besserung nach der Operation
blieb die Farbenempfindung für Gelb und Blau etwas unsicher
(Dr. Fischer). Es ist nicht entschieden, wie weit die bessere
Attentio hier in Betracht kommt.
normal, dagegen ist das Gesichtsfeld konzentrisch eingeschränkt für
weiss und für Farben. Mit dem Augenspiegelbefund wurde folgendes
erhoben: Die Papille ist rot-graugeblich verfärbt, sehr leicht ge¬
schwellt, nach aussen verwaschen. Die Venen sind breit und an
einigen Stellen leicht geschlängelt. Die Arterien erscheinen dagegen
enge.
Diagnose: Neuritis optica (Schmidt-Rimpler).
Der Patient selbst klagt über deutliche ständige Abnahme des
Sehvermögens. Die Augenbewegungen sind frei. Das Ticken der
Uhr wird beiderseits angeblich nur 5 cm vom Ohre gehört. Die
Hinterhauptsnerven und das Halsdreieck beiderseits stark druck¬
empfindlich. Ebenso die Austrittspunkte des Trigeminus. Von den
übrigen Befunden ist zu erwähnen ein beiderseitiges Zittern der Hand;
die Schlundwand ist glatt und ohne Vorwölbung. Wegen Zunahme
der Beschwerden und wegen der Klagen über die zunehmende
Undeutlichkeit des Sehens wurde die Operation vorgeschlagen, welche
in kurzem hiermit geschildert wird:
Operation am 30. VI. 08. In Chloroformnarkose wird aus dem
vordersten Teil des Scheitelbeines, etwa 13Vb cm von der ülabella
entfernt, durch einen viereckigen wagerechten Weichteilknochen¬
lappen in 5 cm Länge und 4 cm Breite der Schädel etwa 1 cm von
der Mittellinie entfernt eröffnet. Der Knochen ist enorm (1,7 cm) ver¬
dickt, die Dura ebenfalls verdickt, wird mit Kreuzschnitt gespalten.
Die Wandungen der Gefässe der Arachnoidea markieren sich als
breite, weissgrau verfärbte Stränge. Mit stumpfem Haken wird der
Rand der rechten Hemisphäre etwas nach aussen abgezogen und nun
eine gebogene Kanüle der Falx entlang bis zu dem Rande derselben
vorgeschoben und dann der Balken wie im ersten Falle eröffnet. Unter
mässig starkem, aber zweifellos erhöhtem Druck entleeren sich etwa
25 ccm Liquor, worauf nach Dilatation der Punktionsöffnung im Balken
die Kanüle entfernt, die Dura genäht und nach Zurückklappen des
Hautknochenlappens auch die Kopfwunde geschlossen wird bis auf
eine kleine Lücke am hinteren Winkel, in welche wegen der
abnormen Dicke des Schädels und des erheblichen Gefässreichtums
d^r Diploe ein kleiner Jodoformgazestreifen eingelegt wird.
Die Wundheilung verlief ohne Störung. Am 3. Tage nach der
Operation war ein leichtes Oedem des rechten oberen Augenlides
zu konstatieren, das offenbar durch den Austritt von Liquor cerebro¬
spinalis durch die mit der Fräse geschaffene spaltförmige Knochen¬
rinne unter den Weichteilen des Kopfes entstanden war und
nach Entfernung des Tampons die Entleerung einer geringen Menge
schwach blutig gefärbten Liquors wieder verschwand. Am 7. Tage
nach der Operation wurden die Nähte entfernt, die Wunde ist an¬
standslos geheilt und die Kopfschmerzen sind verschwunden. Patient
wird zur weiteren Beobachtung in die Nervenklinik zurückverlegt.
Befund nach der Operation: Der allgemeine Kopfschmerz sowie
der Schwindel ist seit der Operation nach täglich wiederholter Aus¬
sage verschwunden, der Patient ist im Sensorium freier und mit¬
teilsamer.
Die Geruchstörung ist andauernd. Dagegen gibt Patient an, dass
es mit dem Sehen wenigstens beim gleichen bleibe. Mit dem Augen¬
spiegel lässt die wiederholte Untersuchung der Papille überhaupt
keine Vortreibung mehr erkennen. Die Netzhautvenen zeigen keine
Abweichung von der Norm.
Die Pupillenbewegungen sind eben wahrnehmbar, bei Lichtein¬
fall, besser bei Akkommodation, die Distanzschätzung ist vorhanden.
Beim Gehen besteht leichtes Schwanken. Die Kniesehnenreflexc
sind eben nachweisbar.
III. O. St., 26 Jahre alter Schiffer.
Diagnose: Tumor in der hinteren Schädelgrube. Hydro-
cephalus internus.
Der Kranke war wegen Stauungspapille durch längere Zeit in
augenärztlicher Behandlung. Er kam darauf in die Halle sehe
Blindenanstalt, wo er im Verlaufe einiger Monate vollständig er¬
blindete.
Im November 1907 litt er an Kopfschmerz, Erbrechen und
Schwindelanfällen. Deswegen kam er am 7. April 1908 in die Be¬
handlung der Nervenklinik.
Aus dem Untersuchungsprotokoll sei in Kürze folgendes
entnommen:
Die Schädelform zeigt nicht auffällige Anomalien. Der Schädel
wird nirgends als klopfempfindlich bezeichnet. Der Geruch ist beider¬
seits kaum nachweisbar. Die Nervenaustrittspunkte des Trigeminus
sind nicht druckempfindlich, ebenso das Genick und das Halsdreieck.
Der Patient ist vollkommen erblindet, im beleuchteten Zimmer
besteht die Empfindung von grau. Nachts die Empfindung von
schwarz. Die Augäpfel sind in fortwährender, zuckender Unruhe.
Die rechte Pupille ist etw r as wxiter als die linke. Pupillenreaktion
auf Licht fehlt beiderseits vollkommen. Die akkommodativen Mit¬
bewegungen sind erhalten. Der Augenspiegelbefund ergibt beider¬
seits deutliche Stauungspapille mit eingetretener Atrophie.
Von den übrigen Befunden sei erw r ähnt. dass die Hände beim Vor¬
strecken zittern: die grobe motorische Kraft ist aber nicht erheblich
gestört. Die Trizepsreflexe sind beiderseits schwach, der Knie¬
sehnenreflex ist .rechts flicht auslösbar und links nur spurenw^eise vor¬
handen; das Muskel- und Lagegefühl an den Gliedmassen ist nicht
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1676
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3.\
erheblich gestört, wie der Versuch der Imitation passiver Stellungen
nachweisen lässt. Eussklonus, ßabinskisyrnptorne sind nicht vor¬
handen, kein Schwanken beim eichen und beim Stehen. Im Verlauie
traten öfter häufige Anfälle von Kopfschmerz auf. sowohl an der
Stirne wie am Hinterhaupt. Die intensiven Kopfschmerzen wurden
schliesslich ständig. Die Kniesehnenreflexe wurden wieder beider¬
seits gleich eben merklich. Hei liegender Lage steigert sich der
Kopfschmerz intensiv. Ende Juni trat häufiges Erbrechen,
taumelnder Qang (nach beiden Seiten gleich) dabei sehr hart¬
näckige Hinterhauptskopfschmerzen und Schwindel ein. Die Hintei-
hauptsnerven und oberen Zervikalnerven sind äusserst druck¬
empfindlich. Die Kniesehnenreflexe fehlten dabei beiderseits. Da
diese Beschwerden anhielten, so wurde zur Operation geschritten,
welche in Kurzem folgendermassen verlief:
Die Operation des Patienten St. wurde auf (irund der
bei den vorangegangenen Operationen gemachten Erfahrung, dass
bei Vorschieben der Punktionsnadel unter Führung der Ealx der
Balkenstich auch ohne grössere Schädellücke gelingen musste, ohne
Bildung eines Periostknochenlappens, in folgender, einfacherer Weise
ausgeführt. Etwas hinter demBregma und etwas rechts von der Mittel¬
linie wird ein etwa 3 cm langer, durch die Weichteile und das Periost
bis auf den Knochen dringender Schnitt geführt, die Wundräiidcr
werden auseinandergezogen, das Periost lateralwärts etwa 1 1 -■ cm
weit zurückgeschoben und nun mit stärkstem Doyen sehen Bohrer
der Schädel, der an dieser Stelle nur 4 mm dick war, bis auf die
Dura durchbohrt, so dass eine etwa K mm breite und 14 mm lange
schräg verlaufende Rinne im Knochen entstand. Durch ein kleines
Loch der Dura wird zwischen dieser und der Hirnoberfläche eine
etwas gebogene Hohlnadel ohne Verletzung des Sinus bis zur Ealx
vorgeschoben und an dieser entlang senkrecht nach unten zum Balken
geführt und dieser dann durchbohrt. Unter starkem Druck entleerte
sich ein kräftiger Strahl Liquor. Nach Abfluss von etwa 2 5 g und
nach Dilatation des Stichkanals im Balken wird die Nadel entfernt
und die Wunde vernäht.
Der Verlauf gestaltete sich ganz reaktionslos. Am 6. Tage
wurden die Nähte aus der geheilten W unde entfernt. Kopfschmerzen.
Schwindel. Erbrechen sind verschwunden. Das subjektive Befinden
auffallend gebessert.
Am 10. Tage nach der Operation erfolgte die Rückverlegung
des Pat. nach der Ncrvenklinik.
Von den Befunden nach der Operation sei folgendes
hervorgehoben:
Zunächst hat der Kranke seit dem Tage der Operation Kopf¬
schmerz und Schwindel verloren, auch das Erbrechen blieb aus. Da¬
mit hat sich auch die Benommenheit gebessert. Seine Auffassung ist
viel rascher, die Antworten prompt, sein Verhalten, seine Stimmungs-
lage gleichmässig. Auch die raschen Lageveränderungen werden
gut vertragen.
Von körperlichen Befunden folgendes: Die Pupillen sind weit
und reaktionslos; die Atrophie der Papille und die unscharfe Kontur
besteht weiter. Dagegen ist die Vortreibung der Papille sehr er¬
heblich zurückgegangen. Rechts ist überhaupt keine Refraktions¬
differenz zwischen Papille und Netzhaut zu konstatieren, links noch
Andeutung davon.
Die Herabsetzung des Oeruehes besteht fort, links wird Pfeffer¬
münz wahrgenommen und bezeichnet. Keine Druckpunkte an den
Nervenaustrittsstellen des Kopfes und Halses. Die Hände zittern
weniger, greifen viel prompter zu; au der rechten Hand ist das
Zittern noch deutlicher, die Beine werden in horizontaler Lage sicher
und beweglich gehoben, rechts ist das Zittern deutlicher.
Das Stehen erfolgt ohne Schwanken, beim (lange ist noch Ab¬
weichen nach rechts ersichtlich.
Die Kniesehnenreflexe fehlen beiderseits, das Lagerungsgefühl
(mittelst Imitationsversuch geprüft), lässt erhebliche Störung nicht
erkennen.
Im allgemeinen ist der Kranke weniger ermüdbar geworden
und vertrug seither unbequeme Transporte ohne Storung.
In dem vorliegenden Falle ist der Balkenstich nicht auf dem
Wege der Trepanation, der Schaffung einer grösseren Schädeldecke,
sondern von einem ganz kleinen Defekt des Schüdclkuocheus aus
erfolgt, der für sich allein eine Herabsetzung des gesteigerten Hiru-
druckes herbeizuführen nicht ausreichend war. Die Beseitigung der
Drucksteigerung ist also in diesem Falle einzig und allein Folge des
Balkenstiches. Ob und wie lange dieses Resultat vorhält, lässt sich
noch nicht Vorhersagen; bei der hier bestehenden erheblichen Druck-
Steigerung ist wohl anzunehmen, dass die in dem Balken geschaffene
Lücke dauernd bestehen bleibt.
IV. Lieselotte S., II Monate alt.
Diagnose: Hydrocephalns internus.
Patientin ist das (>. Kind, die Oeschw ister sind angeblich gesund.
Die (ieburt soll sehr schwer gewesen sein. Kurz nach der (ieburt
wurde nichts auffälliges am Kopf bemerkt; erst 3 Wochen nach der
(ieburt war auffällig, dass der Kopf grosser wurde. Damals traten
zeitweise blitzartige Zuckungen im ganzen Körpergebiete aui. welche
seither seltener w urden.
Im H. Monate soll der Kopfumtang 4b cm betragen haben; seither
vergrösserte sich der Kopf zusehends; nähere Angaben waren bisher
nicht erreichbar, insbesondere auJi nicht über das Körpergewicht
bei der (ieburt.
Der derzeitige Bciund ist m Kurze folgender: Die Koi perlange
beträgt 73 cm. Das Kind ist auliallig stark gebaut, mit sehr starker
Fettbildung. Der Schädel ist abnorm gi«»ss und zeigt einen l'mtang
von öl cm. | s besteht As\ mmetrie. da der Ding«uiaulurchmesser am
rechten Stirnhocker zum Scheite lliocke r links mcrkmii grosser ist.
Die Stirn- und Schlafegegend ist stark vorgewolbt; die Distanz
der Augenwinkel auftalhg gross, das Hinterhaupt breit und steil. \ mi
den Schadelmassen seien angeiulirt: l.augsdur Jimesser lio mm. bi-
temporaler Durchmesser I4n mm. bipui letaler Durchmesser 155» mm.
Diagoiiladurchmcsser 17o mm »Imker >chciteihockcr und rechter
Stirnhocker).
Die Augen sind in den Hohlen herabgedruckt und werden zum
grössten Teile vom unuien Augeiilide gedeckt. (ier u«. hsw ahr -
iiehmungen scheinen vorhanden zu sein.
Die grosse Fontanelle ist weit often. Längs- und Oucrdurchmesscr
je b cm. Beim aufrechten Mt/en sinkt die Eoiuanei.e ein. beim
Liegen wölbt sie sich sehr stark hervor. Neben viert Nasenbeinen
bilden sich beim Schreien starke \ or w olbungmi. welche ausgedrjekt
werden können.
Bei den mimischen Bewegungen scheint vier linke (iesuhtsnerv
etwas besser unters ic rt als der rechte. Die hintere Ruchcnw.uid ist
etwas vorgewolbt. Die Pupillen sind gleich weil und reagieren auf
Lichteinfall. Bei Annäherung des Lichtes unternimmt das Kind Orcif-
bew egungeti. Der Bmdehaiitretlex ist beiderseits vorhanden.
Der Brustkorb ist jassiornug, die Nerdickung der Rippenknorpel
ist nicht aufiaihg. An den inneren Oigaiien sind keine abnormen Be¬
funde. Die Knieselmeiiretleve sind eben nachweisbar. Eussklonus
ist nicht vorhanden.
Bestreichen vier Fussnhle bewirkt rechts Mrgckung der Zehen
(Ba bi ns kib Empfindung auf Berührung und Mkmcrz mt vor¬
handen. Die Nahrungsaufnahme ist normal.
Die Augenuntersuchung »wiederholt v orgeiiorntneti durch Herrn
(ieh. Rat S c h m i d t - R i rn p I e r) ergab foiguulcs: Die Augen¬
bewegungen sind nach oben zu bcvhr.mkt. Die Aug.tpfel meist muh
links gedreht. Beule Augaple! fühlen suh gesp.omt au.
An vier Sehnerv enpapille ist keine Abnormität festzusteden; sie
ist normal gefärbt, nicht vorgeWoll)t. Die (ictnsse vks Au»:enhmter-
grundes sind gut gelullt. Der Augeiilimtergrund enthalt vvemg
I hginent.
Operation am 11. Juli l'xis; Am lateralen Rande der grossen
Fontanelle rechts wird ein bogenförmiger, etwa 4 cm langer Mhmtt
durch Haut. Periost »geführt und die Dura un Bereuh der rechten
Hallte der Fontanelle an einer venenfreien Meile eroünet. In diese
Oeffnung wirvi nun eine in Form einer Ms r t e■nbiattsonde ange fertigte
Kanüle mit ohverifor migem Knöpfende parallel vier Hir fiobv.-rti.ig he bis
zur Ealx eiugefuhrt und au dieser entlang muh unten so weit vor¬
geschoben. bis Liquor sich entleert. Dieser fiiesst aber nicht durch
das Lumen des emgefuhrten kleinen Rohres, sondern nebenbei in
reichlicher Menge ab, was sich i.i nach phs sik.bisc hc n Regem
auch ohne weiteres erklärt. Das mit knopitor ungern Ende ver¬
sehene Röhrchen hat beim \ or schieben durch den otrenbar sehr ver-
dunnten Balken in diesen ein grosseres l.odi gistosseii. als dem Ka¬
liber des dem Knopf folgenden Rohrcheiiabschmttes entspricht. Der
Liquor entleert sich deshalb bequemer neben dem Rohr, ais durch
dessen Lumen. Nachdem ca. dir ccm Flüssigkeit abgetiossen und vbe
Punktioiisofiiiung im Balken entsprechend erweitert ist. wird die
Kanüle entfernt, das Perikiamum sowie vlie \\ eichiebw unde durch
Naht geschlossen.
Die (iegend der Fontanelle erscheint midi der Operation ein¬
gesunken. nicht, wie früher, vorgewolbt. Dieses Emgesnnkenseiri
bleibt auch wahrend vier midisten läge bei gutem \ bgemv. inbi imJcfi
des Kindes, vlas vlie Brust der Amme vom 2 . Jage nadi der Operation
mit regem Appetit nimmt, bestehen. Zugleich zeigt ehe Fontanelle
sehr viel deutlichere Mir npulsation wie vor der Operation, und 4 läge
nach vier Punktion erscheint vlas Kind lebhatter und reger wie vorher.
Ob auch hier vlas Resultat nachhaltig sein. d. h. die (»erniung im
Balken zur Kommunikation des Liquor vier \ entrikel und vles Mih-
durallaumes bestehen bleiben wirvi. kann erst die weitere Beob¬
achtung des Falles lehren.
Der \\ unvlver lauf war auch hier durchaus normal. Ehe Nahte
wurden am (>. Jage entfernt.
Die unter I 3 mitgeteilten Fälle konnten im vorhinein
nicht gerade als günstige bezeichnet werden. Sie sind aber
doch geeignet, zu erweisen, dass die vi»rgeschlageiie Operation
gut durchführhar ist, dass sie vmi Patienten ohne Nachteil
vertragen wird, ja es kann ansgesagt werden, dass in allen
3 Fällen subjektiv und obiektiv eine belangreiche Besserung
erzielt worden ist.
Der Fall J. betraf einen Hydm/ephalus mit Schweren
Bewegungsstörungen und eine Reihe von Symptomen,
welche wir auf Druck unJ Aplasie des Kleinhirns be¬
ziehen konnten. Trotzdem wurde der kleine Kranke naJt der
Operation unzweideutig verändert. Er war bald imstande,
zea
~6o gle
Original from
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II. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1677
sich selbst aufzurichten, an dem Bettrand sich aufzusetzen und
wenigstens eine Mithilfe bei der Lokomotion zu leisten. Es
war weiterhin zweifellos, dass die Apathie einer grösseren
Regsamkeit gewichen ist, dass er für die Unterredung zugäng¬
licher und tauglicher wurde, insbesondere dass seine Ant¬
worten weniger verlangsamt und präziser geworden sind.
Dergestalt wurde er auch geeigneter für die weitere, ortho¬
pädische Behandlung.
Der Fall St., nicht lokalisierbarer Tumor mit Atrophie des
Sehnerven nach Stauungspapille, also ein Fall, bei dem sich
die ärztliche Hilfeleistung gewöhnlich resigniert vorbeizu-
schleichen pflegt. Hier haben die intensiven Kopfschmerzen
bisher dauernd sistiert, das Erbrechen' hat aufgehört, ebenso
ist das Schwanken beim aufrechten Gang gebessert. Der
Kranke ist in seinem ganzen Sensorium freier geworden. Die
Druckentlastung ist evident und braucht nicht durch Lumbal¬
punktion bestätigt zu werden. Hier ist wohl die Annahme ge¬
rechtfertigt, dass die Erblindung durch Stauung vermieden oder
wenigstens hinausgeschoben wäre, wenn die Operation um ein
Jahr früher stattgefunden hätte. In diesem Falle bleibt aller¬
dings noch übrig, die nunmehr frustrierter gewordenen Klein¬
hirnsymptome zu verwerten: durch eine Punktion des Klein¬
hirns den Ort d-es (nicht malignen) Tumors zu bestimmen und
eventuell an die Exstirpation der Ursache, nämlich der Kleine
hirngeschwulst heranzutreten. Der Fall ist deswegen be¬
merkenswert, weil er eben häufig vorkommt.
Wie oft unterbleibt die Trepanation und die Ausschaltung
eines Tumors, weil er nicht präzis lokalisiert werden kann;
während dieser Zeit des Zauderns aber vollzieht sich das
wesentliche Unglück, nämlich die totale Erblindung.
Es wäre also von eminentetn Vorteile, bei Behandlung der
Tumoren, wenn es wenigstens gelänge, die Erblindung be¬
trächtlich hinauszuschieben, bis die Oertlichkeit erkannt und
die Gedanken des Arztes geklärt sind. Jedenfalls wurde auch
in diesem Falle Beachtenswertes geleistet.
per zweite Fall Rz. ist desgleichen kein günstiger; schon
deswegen nicht, weil er diagnostisch nicht klar war. Die hart¬
näckigen Kopfschmerzen mit Neuritis optica ohne lokalisier¬
bare Symptome Hessen an irgend eine Intoxikation oder an
seröse Meningitis denken. Bei der Probetrepanation schien
sich die letztere Diagnose zu bestätigen, denn die Gefässe der
zarten Hirnhäute waren von weisslichen Streifen umgeben.
Wir wollen den Fall zunächst verweisen in jene Sammel¬
gruppe, welche von Nonne, Weber u. a. als Pseudotumoren
beschrieben wurden. Auch hier wurde zunächst erreicht, dass
die nach Tagen progressive Abnahme des Sehvermögens auf¬
gehört hat und dass die schweren Kopfschmerzen verschwun¬
den sind. Falls unsere Diagnose richtig ist, dann kann erhofft
werden, dass die Meningitis serosa, wie so oft beobachtet, sich
allmählich zurückbildet und dass inzwischen das Sehvermögen
keine weitere Einbusse erleiden wird. Auch im Falle eines Re¬
zidivs steht zu erhoffen, dass die Folgen für das Sehvermögen
nicht so verhängnisvolle sein werden und dass die intensiven
Kopfschmerzen und die Benommenheit wegen ausbleibender
Stauung viel milder sich gestalten.
Nach den obigen Erwägungen und nach den — durch das
Material leider begrenzten — Erfahrungen erachten wir uns
berechtigt, für die beschriebenen Operationen folgende Er¬
krankungen in Vorschlag zu bringen:
1. Hydrozephalus.
Hierbei wird durch die mangelnde Kommunikation die
Ventrikelflüssigkeit vermehrt und die Gehirnhöhlen erweitern
sich in grossen Dimensionen. Dadurch wird das gesamte
Grosshirn, besonders die Marksubstanz, expandiert, gedrückt
und atrophisch, und dadurch eine schwere Schädigung der gan¬
zen Gehirnanlage hervorgerufen. Bei Kindern, wo der Schädel
noch vom Gehirn aus geformt wird, kommt es mitunter zu
kolossalen Schädelvergrösserungen. Durch die vorgeschlagene
kompensatorische Oeffnung im Balken wird voraussichtlich
jenes Resorptionsgebiet ganz beträchtlich erweitert, nach wel¬
chem zu die Ventrikelflüssigkeit ausweichen kann.
2. Tumoren mit Hydrozephalus und Stau¬
ungsneuritis.
Auch hier wird bei entsprechender Lokalisation der Ge¬
schwulst die Ventrikelflüssigkeit abgesperrt von der Kommuni¬
kation und — wie trotz Adamkiewicz vielfach er¬
wiesen ist — unter erhöhten Druck gesetzt. Das Grosshirn
mit den Windungen wird platt gedrückt und an den Schädel
gepresst . Der Schädel wird verdünnt und sogar stellenweise
lückenhaft. Die siubdurale Flüssigkeit weicht bis in die peri¬
vaskulären Scheiden aus, welche sie erweitert; durch alle diese
Folgen wird begreiflicherweise die Tätigkeit des Grosshirns
schwer geschädigt. Frühzeitig gibt es hier Stauung nach der
Sehnervenscheide und konsekutive Erblindung. Auch hier er¬
heischt es der Gesamtzustand des Gehirnes dringend, dass
durch eine kompensatorische Oeffnung der Ventrikelflüssigkeit
ein viel weiteres Kommunikationsgebiet ermöglicht wird.
Wenn damit auch noch nicht die Grundursache, das ist die
Geschwulst, hinweggeräumt ist, so steht doch zu erwarten,
dass hiermit neue diagnostische Anhaltspunkte gewonnen wer¬
den, dass weiterhin die Zeit der Erblindung hinausgeschoben
wird, bis durch die Symptome und durch die lokale Gehirn¬
punktion der Ort und die Art der Geschwulst eruiert sind.
3. Hypertrophie des Gehirnes.
Diese Krankheit besteht sicher häufiger, als sie beschrie¬
ben ist. Unsere Kenntnisse von den Entwicklungsstörungen
gestatten die Annahme, dass Gehirn und Schädel sich keines¬
wegs proportional und harmonisch im Wachstum entwickeln.
Es ist gewiss nicht Zufall, dass weitaus die grösste Zahl
der enorm hypertrophischen Gehirne (bis 2800 g) Epilepti¬
kern angehörten. Unsere bisherigen Erfahrungen haben uns
gezeigt, dass bei genuiner Epilepsie der Schädel häufig ent¬
weder papierdünn oder ganz ungewöhnlich verdickt bei den
Trepanationen erschien. Im ersteren Falle waren auch sonst
die Symptome der Raumbeengung des Schädelinhaltes nach
dem Tode nachweisbar.
In solchen Fällen kann wohl für das dauernd oder zeit¬
weilig beengte Gehirn nicht anders Raum gewonnen werden,
als nach den Ventrikeln zu, wenn der Ventrikelflüssigkeit die
Möglichkeit geschaffen wird, entsprechend auszuweichen.
4. Endlich kommen hier jene vielfachen Erkrankungen mit
Raumbeengung des Gehirns in Betracht, welche mit dem Sam¬
melnamen des Pseudotumors zusammengefasst sind.
Viele davon scheinen nach N o n n e s Beschreibung auf
Ueberresektion im Ventrikel zu beziehen zu sein, eine andere
Kategorie scheint zu Meningitis serosa nach Böninghaus
zu gehören.
Wie weit dabei das allgemeine und das umschriebene Ge¬
hirnödem mit in- Betracht kommt, muss weiteren Unter¬
suchungen überlassen bleiben.
Desgleichen sind wir in der Lage für weiterhin zu erörtern,
wie der Gefahr eines falschen Weges vorzubeugen ist in Fällen
von Tumoren im oder nahe dem Balken sowie in jenen Fällen,
wo die Gehirnschwellung zu einer Kompression der Ventrikel
geführt hat.
Aus der medizinischen Klinik in Göttingen.
Wie prüfen wir in der Sprechstunde die Funktion des
Herzens?
Von Professor Dr. Waldvogel.
Von- einer für die Sprechstunde idealen Funktionsprüfung
des Herzens werden wir verlangen müssen, dass der durch die
Systole geschaffene Kraftzuwachs in Zahlen bestimmbar ist,
dass Einflüsse des Herznervensystems ausgeschaltet werden,
dass die Methodik derselben relativ einfach und für die Sprech¬
stundenpraxis geeignet ist. Diese Gedanken leiteten mich, als
ich im Oktober vorigen Jahres anfing, den systolischen Blut¬
druck in der horizontalen Lage und gleich darauf im Stehen
zu bestimmen und zwar stets am Schluss der Untersuchung.
Ich übergebe die an 130 Patienten der medizinischen Poliklinik
gewonnenen Resultate der Oeffentlichkeit, um festzustellen,
ob diese Methodik sich zu einer Funktionsprüfung des Herzens
eignet. Ueber den Wert der Bestimmung des systolischen
Blutdrucks als Kraftmass für die Leistung des linken Ven¬
trikels werden sich Diskussionen kaum erheben. Eine andere
Frage war, ob diese einfache Veränderung der Körperhaltung
als Arbeitseinheit genügend grosse Ausschläge bei der Messung
des systolischen Blutdrucks ergibt. Wir werden an den mit¬
geteilten Zahlen sehen, dass das in der Tat der Fall ist. Unter-
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1678
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. 82.
suchungen gerade der letzten Zeit haben ja ergeben, wie gering
die körperliche Leistung sein kann und wie deutlich trotzdem
Ausschläge in der Pulszahl, ja der örösse des Herzens zutage
treten. Wenn dieser Ausschlag des systolischen Hlutdrueks
beim einfachen Erheben aus der horizontalen Lage zum Stehen
so deutlich hervortritt, so hat diese Arbeitsleistung als Mass
vor den bislang geübten Methoden den Vorzug einmal, dass sie
nie zur Ueberanstrengung des Herzens führen kann, ferner
dass nervöse Einflüsse fast völlig ausgeschaltet sind und dass
diese Arbeitsleistung für alle Menschen die gleiche ist. Nur
bei Aerzten, denen der Zweck der Methodik bekannt war und
die ausserordentlich leicht erregbar waren, kam ich mit der Be¬
stimmung erst zum Ziel, wenn ich die grossen Schwankungen
ihres systolischen Blutdrucks durch Ablenkung beseitigen
konnte. Bei den bislang zur Prüfung der Herzfunktion heran-
gezogenenEinwirkungen liegen die störenden Momente w ie z. B
bei der Arbeit am Ergostaten, dem Aufenthalt im Kohlensäure-
bad, einmal in der langen Dauer derselben, in der verschiedenen
Art der Ausführung der Arbeit, in der nicht auszuschaltenden
Mitwirkung der Psyche und in den unübersehbaren Ver¬
änderungen der peripheren Gefasst* namentlich bei Bädern.
Bei meinem Verfahren wird den auf einem 60 cm hohen Sofa
liegenden Patienten die R e c k I i n g h a ti s e n sehe Binde
umgelcgt, das Manometer von R i v a - R o c c i auf die Herz¬
gegend gestellt. Der Patient hält das Manometer mit der freien
1 Hand, man bestimmt schnell zweimal hintereinander den
systolischen Druck. Dann fordert man den Patienten ruhig auf.
aufzustehen, er hält das Manometer mit der freien Hand m Herz¬
hohe. man bestimmt wieder an dem schlapp herahhangerden.
im Ellbogen gebeugten, vom Entersuclicr am Handgelenk ge¬
stützten Arm schnell zweimal den systolischen Druck.
Diese Schnelligkeit ist notwendig, weil sehr bald der ursprüng¬
lichen Steigerung resp. dem (ileichbleiben des Drucks rach dem
Erheben eine Senkung folgt.
Ich habe nun, um test/nstellen, wie das normale und das
pathologische Herz auf diese Eimktu nsprtifung reagieren,
Bestimmungen ohne Wahl an gesunden und mit den ver¬
schiedensten Krankheiten behaftete” Menschen vorgenannten
und es wird daher aus den folgenden dm Resultate ei tlhi’:en¬
den Tabellen hervorgehen k<»ne.en. welche Zahlen für d.e
Leistungsfähigkeit des Herzmuskel* als Norm zu gelten haben
und ob sich eventuell für die verschiedenen Aeti"|ngieii der
Erkrankungen des Herzmuskels bestimmte Reaktionen ergeben.
Die erste Tabelle eii’liab die Angaben bei gleiJlbleibendem
syst! Iisehen Blutdruck im Liegen und im Stehen.
Was die Zahlen unter „Her/grosve“ anlargt. so sa d sie
mit der E b s t e i n sehen Resistcii/bcstimmuug gewonnen,
deren völlige Eehercinstimmung mit den Zahlui dis normalen
Orthodiagramms ich stets feststellte. Sie bezeichnen d;e Ent¬
fernung von der Mitte des Sternums.
Tabelle 1. (j 1 c i c h b I c i b c n d c r Bruck.
Fortlauf.
No.
Druck¬
zahlen
im Liegen
u. Stehen
Diagnose
1
1
Herzgrösse 1
Puls
Auskultationsbefund
1
i
Bemerkungen
1
105-105
Abgelaufene Tuberkulose, Ein-
l. u r. dilatiert
regelmässig
Humple I oue
physem, Arteriosklerose
2
, 130-130
Arteriosklerose, Koprostase
1. 1(1,5 cm, r. 5,0
104, regelmässig
l nreiner 1. Ton. Beringe Ver-
Stärkung des 2. Pulmonaltuns
3
120—120
Arteriosklerose
1. 8,5, r. 0,5
110
Reine loiie
Herz nach r. ver/ogen
4
1 10—110
Adipositas, Arteriosklerose
1. 9,0, r. 0,5
92
Svst"|. Berausch an der Basis.
verstärkt. 2. 1 hilmon.ilton
5
105-105
Hysterie
normal
--
Humple lune
6
140 140
Anämie, Hysterie
normal
keine I une
7
110-110
Bronchitis, Arteriosklerose
1. 9,0, r. 0,0
92
keine 1 une
8
170-170
Adipositas, Arthrit. rheum.
nicht zu bestimmen
—
keine dumple luiie, 2. Aurten
chron., Arteriosklerose !
tun etwas verstärkt
9
115—115
Koprostase
normal
90
—
10
110 — 110
Adipositas, Arteriosklerose,
1. verbr., r. normal
104
1. Tun unrein
11
120-120
(lastroptose
Hysterie Bronchitis
normal
1. Tun etwas unrein
12
155 -155
Alkoholismus, Arteriosklerose
1 15,5, r. o
1 kule 2 1 um- \ erstar kt
1 >uivh l.ungenschrumptg.
Her/ nach 1. ver/ugen
J3
135—135
Hysterie
normal
—
2. \urtentun etwas verstärkt
14
140-140
Adipositas, Alkoholismus
1. normal, r. \cil>r
—
2. Bulmunaltun verstärkt
15
115—115
, Chlorose, Koprostase
normal
—
Sv stoliM.lies (lerausdi
Unter diesen 15 Fällen sind 2 (No. 8 und 12) mit abnorm
hohen Anfangswerten 18 Proz., bei Adipositas und bei
Arteriosklerose, die Grenze des normalen Druckes wurde bei
140 mm angenommen. Die Herzgrösse war normal in 7 Eällen,
in 2 weitern zeigte der linke Ventrikel keine Verbreiterung,
normal grosser linker Ventrikel fand sich demnach in 9 von (
14 Fällen — in einem war die Grösse des Herzens unbestimm¬
bar —, das ist in 64 Proz.
(Tabelle 2.)
Uebcrblicken wir die Daten dieser Tabelle, so erkennen ,
wir, dass die Erwartung, eine Blutdrucksuikung sei das
Zeichen von Insuffizienz des linken Herzens, sich nicht be¬
stätigt. W 7 ir finden unter den 18 Patienten mit allerdings nur
5 mm betragender Senkung des systolischen Blutdrucks nach
dem Aufstellen 12 mit normal grossen Herzen, ein linker Ven¬
trikel ist bei Skrofulöse verkleinert (Fall 7), das sind 66* Proz.,
also ebensoviel wie bei den Patienten mit gleich bleibendem
Druck. In 2 Fällen (8 und 12) sind die W erte für den Blutdruck
hoch bei Schrumpfniere und Hypcrglobulic, das ist in 11,1 Proz.,
auch hierin wieder gute Ucbereinstimiming mit den Resultaten
in Tabelle 1. Dass wir es hier trotz der Senkung des systo¬
lischen Blutdrucks beim Uebergang in die aufrechte Stellung
mit normal funktionierenden Herzen zu tun haben, diese Ansicht
wird ferner gestützt dadurch, dass die Pulszahlen m der 2. Ta¬
belle normaler sind als in der ersten, dass weniger Abnormi¬
täten der Tone notiert sind bei den Patienten tmt Senkung um
5 mm als bei denen mit gleiclihk ;lu ink m B’iitdriuk, dass
mehrere Patienten in dieser zweiten Tabelle auJi sonst völlig
gesund sind, und durch die Kontrolle mittels der Alteration
der Pulszahl bei bestimmten Bewegungen (entsprechende Er¬
höhung der Pulszahlen nach 6 Kniebeugen. nnJi k 1 Minute
Pulszahl etwas niedriger als zu Begum der Prüfung). In
2 Bällen (4 und ln) wurde e.aJi 14 lagen ehe I>ruckmessiing
wiederholt und ergab Gleichheit desselben im Biegen und
Stellen; im 8. (12. tlyperglnbulie und Adipositas) stieg bei der
nach 14 Tagen vorgenommeneu W lederbe^tmimung der Druck
im Stellen um 15 mm. Her\ orge hoben zu werden verdaut
bei der Mitralinsuffizienz der Widersprach zwischen den \om
reellteil Ventrikel ausgehenden Mniiiij.gsersJk mutigen und der
erhaltenen Funktion des Imkern \enti:keN.
■ Tabelle T)
Während unter eien Fallen mit gle i JiMe ibei äem Pnuk
lind unter denen mit 5 mm Senkung nach dem Aufstehe n sich
18 und 11 Pro/, mit pathologisch erhöhtem DruA im Liegen
finden, beträgt die a 1 Zahl hier |o Proz. Euter den 82 Patienten
dieser Tabelle sir.J n< di 5 mit normal grossem He izer, d.i/ti
noch einer irti' normal gn sson Imker \e: tr,kel; das s j
19 Broz. mit in rmalem linken \em:T I. Et .ruh die Ab-
gle
~-Original frörri-
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1679
Tabelle 2.
Senkung um!
5 mm.
'S .
So
tz
Druck¬
zahlen
im Liegen
Diagnose
Herzgrösse
Puls
Auskultationsbefund
Bemerkungen
£
u. Stehen
i
l
1 120—115
Taenie
normal
Reine Töne
2
135-130
Icterus catarrhalis, leichte
normal
72
Reine Töne
i
Arteriosklerose
3
! 225 -220
Schrumpfniere, Urämie
r. u. 1. verbr.
—
Dumpfe Töne
4
| 135—130
Arteriosklerose Bronchitis
1. 9,0 r. 4,5
—
Svstol. Geräusch an der Basis,
Nach mehreren Wochen
2. Aortenton verstärkt
Nephritis acuta. Druck
1
165-165.
5
140—135
Hysterie
normal
—
Systol. Geräusch an der Basis,
verstärkt. 2. Pulmonalton
6
: 135—130
Anämie, D.latat. cordis
r. u. 1. verbr.
—
1. Ton unrein, 2. verstärkt
7
j 130-125
Skrofulöse
1. 8,2, r. 3,3
—
Svstol. Geräusch, 2. Pulmonal-
8
105-100
Chlorose
normal
_
ton klappend
Reine Töne
9
j 110-105
Phthisis pulmonum et laryngis
normal
152
Reine Töne
10
110—105
Anämie, Koprostase"
1. verbr.
88
Unreiner 1. Ton, 2. Pulmonal¬
2. Bestimmung nach 14
ton verstärkt
Tagen 110—110. Puls
nach 6 maligem Aufrichten
92.
ii i
135—130
Anämie, Mitralinsuffizienz
1. u. r. verbr.
148
Systol. Geräusch, 2. Pulmonal¬
ton klappend
Zyanose, kühle Extremi¬
täten, Leber vergrössert,
druckempfindlich.
12
195—190
Adipositas, Hyperglobulie
1. u. r. verbr.
—
Reine dumpfe Töne
2. Best. 185—200 nach
14 Tagen
13 j
140-135
Beginnende Arteriosklerose,
normal
_
2. Aortenton verstärkt,
Hysterie
1. Aortenton unrein
14 l
110—105
Nihil
1. 9,0, r. 4,0
—
Schwaches systol. Geräusch
15
130-125
Pharyngo-Laryngitis, Arterio¬
1. u. r. verbr.
80
Dumpfe Töne
Nach 6 Kniebeugen Puls
108, nach ‘/ 2 'Min. Ruhe¬
sklerose
lage 72.
16
125-120
Nihil -
1. 9,0, r. 4,0
72
Unreiner 1. Ton
Nach 6 Kniebeugen 88,
nach 1 Min. Ruhe 68 Pulse.
17
125-120
Alte Perikarditis, Pleuritis
normal
100
Reine Töne
Nach 6 Kniebeugen 120.
adhaesiva, Neurasthenie
.nach 1 Min. Ruhe 96 Pulse.
18
140—135
Koprostase
normal j
—
Reine Töne |
nähme der Zahl der normal grossen linken Herzen gegenüber
den beiden, ersten Tabellen eine eklatante, so muss sich doch
die Frage erheben, ob wir nun in jedem Fall von Blutdruck¬
senkung um 10—20 mm eine geschädigte Funktion des Herzens
annehmen dürfen, wenn es sich bei einem solch relativ hohen
Prozentsatz um Herzen handelt, deren Grösse völlig normal
ist. Normal gross ist der linke Ventrikel aus Tabelle 3 in den
Fällen 1, 11, 13, 18, 24 und 28, die entsprechenden Werte für
den Blutdruck im Liegen und Stehen sind 120—110, 110—90,
130—120, 125—105, 135—118, 130—120. In 3 von diesen Fällen
beträgt die Senkung nur 10 mm, in 2 von diesen (13 und 28) ist
das Herz wohl als absolut intakt anzusehen. Im 3. (No. 1)
mit Pericarditis tuberculosa erholt sich das Herz später, wir
bekommen nur 5 mm Senkung, dementsprechend tritt jetzt eine
physiologische Pulsbeschleunigung nach 6 Kniebeugen ein,
während bei der ersten Prüfung durch 6 Kniebeugen nur eine
Beschleunigung um 8 Pulse erzielt wurde. Letzteres ist jeden¬
falls auch ein Zeichen gestörter Funktion, womit übereinstimmt,
dass die bei der ersten Untersuchung gefundene Senkung eine
pathologische war, während bei der zweiten Bestimmung die
normale Senkung von 5 mm eintrat. Die Zahl 10 ist also wohl
die physiologische Grenze der normalen Senkungswerte für
den systolischen Blutdruck im Liegen und im Stehen und wie
alle physiologischen Grenzen unscharf. Das wird schon illu¬
striert durch den Fall von Pericarditis tuberculosa, vor allem j
aber dadurch, dass unter den übrigen 8 Fällen mit 10 mm
Senkung 6 ein beiderseits verbreitertes Herz, 2 eine Ver-
grösserung des linken Ventrikels aufweisen, dass in 6 von 8
Arteriosklerose der Gefässe bestand, dass in 3 Fällen der An¬
fangsdruck pathologisch gesteigert war, in 4 Geräusche resp.
unreine Töne bestanden, in einem der Puls irregulär und in¬
äqual war. Ich bin mir bei dieser Beweisführung be\vusst,
dass der Nachweis einer Funktionsuntüchtigkeit des Herzens
durch den objektiven Befund an Herz und Gefässen Einwände i
möglich macht, aber ich konnte mich nicht entschliessen, meine j
Funktionsprüfung in allen Fällen durch die bislang publizierten j
Methoden anderer Autoren zu kontrollieren, da deren Richtig-
keit mindestens ebenso wenig erwiesen ist, als die meiner, ja ,
die mir alle weniger ein^andsfrei erscheinen als meine. I
Die beete Kon'trollmethode für meine Methodik bleibt die i
Wiederholung derselben in einem Stadium, in dem das Herz
objektiv und subjektiv durch therapeutische Massnahmen er¬
holt ist, nachdem vorher meine Funktionsprüfung eine Ver¬
minderung der Herzkraft ergeben hatte. Solche Gelegenheiten
haben sich mir einige Male geboten, aber gerade in dieser
Richtung sind weitere Prüfungen erwünscht.
Eine Senkung des Blutdrucks um 10 mm beim Erheben aus
der horizontalen Lage kann also physiologisch und pathologisch
sein. Wir haben nur noch die Frage zu beantworten, wie sich
in der Tabelle 3 die Fälle 11, 18 und 24 erklären, bei denen
der systolische Blutdruck um mehr als 10 mm sank, ohne dass
der Befund am Herzen diesem Resultat entsprach, ln Fall 11
besteht eine progressive Paralyse, vielleicht ist diese Krank¬
heit die Ursache der starken Senkung von 20 mm bei intaktem
Herzen; in Fall 18 erschwerte Adipositas die Untersuchung des
Herzens; in Fall 24 glaube ich ebenfalls, dass der linke Ven¬
trikel nicht intakt war, zumal Arteriosklerose vorliegt. Diese
Ausnahmen werden uns demnach nicht berechtigen, von dem
Satz abzugehen, dass eine Senkung des systolischen Blutdrucks
um 10—20 mm nach dem Aufstehen eine pathologisch ver¬
änderte Herzaktion anzeigt, während eine Senkung um 10 mm
in einigen Fällen noch normal sein kann. Für die Richtigkeit
des ersten Teils dieses Satzes spricht ausser den angeführten
Tatsachen (hoher Anfangsdruck, abnorme Grösse des Herzens)
ferner, dass in dieser Tabelle zuerst unter der Rubrik „Puls“
die Ausdrücke irregulär, inäqual, wenig gefüllt, niedrig, klein
auftauchen, dass in einigen Fällen deutliche Stauungssymptome
nachweisbar werden (4, 5, 6, 8), dass bei geeigneter Therapie
die pathologische Senkung verschwand (Fall 1 und 30).
(Tabelle 4.)
Mit dieser Abtrennung in dieser Tabelle 4 haben wir offen¬
bar die insuffizienten Herzen bei vermehrtem Seitendruck aus
einer ziemlich umschriebenen Krankheitsgruppe ztmmmen-
gefasst; die Diagnosen in allen Fällen drehen sich nur um
Arteriosklerose, Alkoholismus, Adipositas und Nephritis inter-
stitialis chronica. Damit stimmt überein, dass der Druck im
Liegen bei zwei Drittel aller Fälle in Tabelle 4 schon patho¬
logisch erhöht ist, das sind 66 *73 Proz.; in den ersten 3 Tabellen
betrug diese Zahl 13, 11,1 und 19 Proz. Das Vorkommen
solcher Fälle in den Tabellen mit glcichbleibendem Druck, mit
Digitized b"
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1680
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
Tabelle 3. Senkung um 10—20 mm.
ll
£
Druck¬
zahlen
im Liegen
u. Stehen
• Diagnose
Herzgrösse
Puls
Auskultationsbefund Bemerkungen
irregulär u. inäqual
1
120—110
Pericarditis tuberculosa
normal
76
Perikarditisches (ieräusch Puls nach8 Kniebeugen 54
2. Best, nadi 2 Monaten
1! 5—1 ln. Puls nadi h
Kniebeugen b>". Trauma
10 läge \or d. 1. Best.
2
105—95
Arteriosklerose
1. verbr.
irreg.
Unreiner I. Ton am d Basis Hebender >pit/eiistoss
3
125-105
Arteriosclerosis cordis
1. 10, r. 5
» _
Sehr dumpfe Dme 1 abakabusus
4
110-95
Mitralinsuffizienz u. -Stenose,
1. 13, r. 4
128. klein
l eberall (ieräusche Stauimgsharn. Mauungs-
Aorteninsuffizienz
bmiK hitis
5
130-115
Emphysem, Arteriosklerose
1. 12, r. 6
80
Nur 2. Tone hörbar. 2. Aorten- Stauung in den Mals-
ton verstärkt umicii
6
125-105
Arteriosklerose
1. u. r. etw. verbr.
—
— Z\anosc
7
120—105
Angina pectoris
1. u. r. verbr.
_
2. Tom* verstärkt
8
145-130
Arteriosklerose, Hysterie
1. u. r. verbr.
—
Acusserst dumpfe Tone Etwas Zyanose
9
140-120
Alkoholismus
1. u. r. verbr.
niedrig, wenig
l nremer 1. Ton 2. Best, nach 3 Wochen.
gefüllt
Digitalis. Ruhelage, Ab-
stinenz. 1—b»5.
10
120—105
Arteriosklerose
1. verbr
wenig gefüllt
Sehr leise lone 2. Best, nach 0 Wochen
liier : Ruhe u. Jod.
1 15 - 1 ' * '.
11
110-90
Paralvsis progressiva
normal
—
Dumpfe Tone
12
140-125
Arteriosclerosis cordis
1. 13, r. 3
Svstol.(ieräusch uberm Sternum. 1 abakabusus
2. Aortenton verstärkt Her/ \er/<gen
13
130-120
Hysterie
normal
—
Reine lone
14
135-115
Anämie, Dilatatio cordis
1. verbr.
niedrig, wenig
Lauten svstol (ieräusch an der
gelullt, 12o
Basis
15
130—110
Arteriosklerose
1. u. r. verbr.
—
2. Aortenton verstärkt
16
135-125
Arteriosklerose
1. 11, r. 4,5
—
Tone dumpf, 1. unrein
17
135—125
Dilatatio cordis, Koprostasc
1. u. r. verbr.
88
Sehr diitnpie lone Trockene Bronchitis
18
125-105
Adipositas
1. norm., r. verbr.
—
Sehr duinpie lone
19
145-130
Enteroptose. Beginn. Arterio-
1. verbr., r. norm.
l nremer 1. Ton 1
20
125-105
Dilatat. et insufficientia cordis, 1. verbr., r. norm.
i
104, niedrig, wenig Unreiner 1. Ion, \ erst. 2. Pulm.- Hebender 8pit/enstoss
Mitralinsuffizienz?
gefüllt
I Oll
21
125—115
Hysterie, Dilatat. ventriculi
1. verbr., r. norm.
1. Ton etwas unrein
22
115-95
Chlorose, Eragnientärer Base-
1. verbr.
88
Unreiner 1. Ton. verst. 2 Pulm.- Nach (> maligem Aut-
dow
Ton richten b 2 Pulse
23
230—215
Schrumpfniere, Emphysem
1. u. r. verbr.
Verst. 2. Aortenton. Sehr
dumpfe lone
24
1 135-118
Arteriosklerose
normal
—
Verst. 2. Aorlcnton, 1. etwas
unrein
25
; 155—145
Arteriosklerose, Emphysem
1. u. r. verbr.
_
Reine lone
26
! 145-135
Arteriosklerose
1. u. r. verbr.
irreg. u. inäqual.
Reine Tone
27
: 175-165
Diabetes mell. Arteriosklerose
1. 11, r. 5
—
Keine Angabe
28
| 130-120
Chlorose
l. 9, r. 4
100
Reine lone Nach h Kniebeugen 14".
nuc h 1 Mm. Ruin, b 1 ’u.se
29
110-97
Arteriosklerose
1. 10, r. 4
—
Unreiner 1. Ton, gespaltener 2.
Diastolisches (ieräusch über d.
Aorta
30
140-120
Dilatatio cordis
1. u. r. verbr.
—
I. Ton unrein, 2. Pulm Dm 4 läge vorher Radwett-
klappend rennen. Druck nach
Mtaguer Bettruhe
; 185-13"
31
115-95
Dilatatio cordis
1. u. r. verbr.
108
2. Aorteiiton verstärkt
32
135-125
Enteroptose, Cor adiposum
1. u. r. verbr.
—
1 2. Aortenton verstärkt.
1 1. unrein
Tabelle 4. Senkung um mehr
als 2ti mm.
Druck¬
1
i
Jo
tz
zahlen
im Liegen
Diagnose
Herzgrösse
I Puls
Auskultationsbefund Bemerkungen
£
u. Stehen
i
1
1
120-95
Arteriosclerosis cordis,
1. u. r. verbr.
niedrig, %
Tone unhorbar Zvatn sc
Bronchitis
j
2
125-95
Alkoholismus
1. u. r. verbr.
i 76
— N.icil 14 lagen Bettruhe
3
215—180
Schrumpfniere, Alkoholismus
1. u. r. verbr.
—
— 115—115. nach weiteren
4
180-150
Arteriosklerose
normal
beschleunigt, regel-
Systolisches ( ieräusch über der 14 Tagen 1"s — 1"\ mich
massig
Aorta weiiereiil4lag.il"- ID*.
5
145-120
Alkoholismus
1. 10,5, r. 4,5
irregulär.
Unreiner 1. Ton
6
165-140
Adipositas, Koprostasc,
1 1. 10,5, r. 5,5
84
| — Starke Zvamse
Arteriosklerose
1
7
190—165
Schrumpfniere, Emphysem
1. verbr., r. norm
88
Unreiner 1. Dm, verstärkte 2. Diastolischer \cneiipuls
8
175-145
Arteriosclerosis cordis,
1. u. r. verbr.
—
1 Paukende Tone, 1. unrein
Emphysem
I
I
9
180—155
Adipositas, Arteriosklerose
! 1. u. r. verbr.
! —
Leber Aorta svstol (ieräusch
10
135-105
Alkoholismus
1. u. r. verbr.
—
■ 2. Aortenton verstärkt
11
175—150
Adipositas, Arteriosklerose
1. stark dilaticrt,
—
Svstol. < ieräusch über d. Aorta. Minima’e » >{'.i!es/eip im
1 r. dilatiert
verstärkter 2. A"rtcut u l • m
12
125—95
Adipositas
| 1. u. r. verbr.
76
Dumpfe 'Dme
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Gch igle
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
II. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1681
Senkung um 5 mm zeigt, dass diese starke Senkung in dieser
Tabelle 4 nicht die Folge des vermehrten Druckes im Gefäss-
system allein sein kann; das Steigen der Prozentzahlen in den
Talbellen 1, 2, 3 und 4 beweist, dass bei Arteriosklerose, Adi¬
positas, Schrumpfniere, Alkoholismus diese Art der Funktions¬
prüfung alle Uebergänge vom physiologischen Verhalten bis zu
schwerer Insuffizienz des linken Herzmuskels aufdeckt. So ist
denn auch unter diesen 12 Fällen der Tabelle 4 nur einer mit
normal grossem Herzen = 8,3 Proz.; in den Tabellen 1, 2
und 3 waren an normalgrossen Herzen 64, 66 2 /» und 19 Proz.;
in 9 der 11 Fälle mit Verbreiterung ist <t*s Herz nach beiden
Seiten verbreitert. Bemerkenswert ist, dass die Zahl der Pulse
die Insuffizienz nicht erkennen lässt, si£ kommt der normalen
nahe; wir wissen, dass das bei den erwähnten Krankheiten
ein häufiges Ereignis ist. Interessant ist das Verschwinden
der grossen Druckdifferenz im Fall 2 nach Entziehung des
Alkohols und nach Einhaltung der Ruhelage; durch die wieder¬
holten Bestimmungen mit demselben Resultat wird die Exakt¬
heit der Methodik dargetan. Die stärkste Senkung beträgt
35 mm in Fall 3 (Schrumpfniere, Alkoholismus).
Tabelle 5. Steigender Druck um bis 10 mm.
h
i
DruCk-
zahlen
im Liegen
u. Stehen
Diagnose
Herzgrösse
Puls
Auskultationsbefund
Bemerkungen
l
110-120
Neurasthenie
1. 9,0, r. 4
Unreiner 1. Ton
Hebender Spitzenstoss
2
115—125
Arteriosklerose, Koprostase
normal
normal
1. Ton unrein, verst. 2 Pulm.-
Ton
Dumpfe Töne
3
130-135
Emphysem, Arteriosklerose
1. u. r. dilatiert
_
4
110—115
Phthisis pulm., Arteriosklerose
normal
—
—
5
135—140
Arbeitshypertrophie d. Herzens
1. 10,5, r. 5,0
128
Systol. Geräusch, verstärkter
2. Pulm.-Ton
Schlosser. 2. Best, nach
14 Tagen 135—145,3. Best.
5 Mon. später 130—140,
Puls 88, nach 6 Knie¬
beugen 108, 1 Min. spät 88
6
110-115
Adipositas
1. 10,0, r. 7,5
68
Dumpfe Töne
7
110—120
Hysterie, Herzneurose
normal
—
Dumpfe Töne
8
125—135
Mitralinsuffizienz
1. dilatiert
Systol. Geräusch, verstärkter
2. Pulm.-Ton
Puls dikrot, wenig ge¬
füllt. Stark erweiterte
Halsvenen. Dyspnoe
trocken. Bronchitis, Leber
vergrössert
9
115—120
Koprostase, Anämie
normal
_
Dumpfe Töne, unreiner 1.
10
140-150
Arteriosklerose
1. dilatiert
—
Dumpfe Töne
Nikotinabusus
11
160—165
Adipositas, Arteriosklerose
Alkoholismus, Bronchitis
normal
—
Reine Töne
12
115-125
1. u. r. verbr.
96, wechselnd in
Füllung und Span-
Reine, dumpfe Töne
13
145—150
Mitralinsuffizienz
1. u. r. verbr.
irreg. u. inäqual
Systol. Geräusch, verstärkter
2. Pulm.-Ton
Zyanose, Halsvenen¬
stauung
14
115—120
Arteriosklerose, Emphysem
Skrofulöse, Koprostase
1. verbr.
2. Aortenton verstärkt
15
130—140
I. stark dilatiert
—
Systol. Geräusch, laut klap¬
pender 2. Pulm.-Ton
Als Landwirt schwer
arbeitend
16
120—125
Adipositas, Koprostase
1. u. r. dilatiert
108
Dumpfe Töne
17
110 115
Anämie, Koprostase
1. 9,0, r. 4,0
80
Ueber d. Basis lautes systol.
Geräusch
Systolisches Geräusch
18
115—125
Anämie
1. 10,0, r. 5,0
72
Undulierende Halsvenen.
19
110-115
Anämie
1. 12, r. 4,0
80
Unreiner 1. Ton
Dyspnoe
Hebender Spitzenstoss
20
125—135
Hysterie, Psoriasis vulg.
normal
—
Systol. Geräusch, leicht ver¬
stärkter 2. Pulm.-Ton
21
125—130
Anämie, Enteroptose
Dilat. ventriculi atonica, Hyper¬
azidität
normal
84
Systol. Geräusch a. d. Basis
22
120—125
normal
—
Reine Töne
23
125—130
Bronchitis, Arteriosklerose
I. verbr. u. ver¬
76
2. Aortenton verstärkt
24
110—120
Hysterie
längert
Geringe Verbr. 1.
100
Unreiner 1. Ton
Nach 6 maligem Auf¬
richten 100 Pulse
Nach 6 Kniebeugen 96,
1 Min. später 7o Pulse
25
140-145
Koprostase, Neurasthenie
normal
80
-
26
110—115
Bronchitis acuta
normal
—
Unreiner 1. Ton
27
85—90
Alkoholismus
l. u. r. 1 cm verbr.
68
Systolisches Geräusch
28
160-165
Nephritis par. chronica
1. 10,0, r. 4,0
irreg. u. inäqual
—
Starke Zyanose, diastol.
Venenpuls
Nach 6 Kniebeugen 72,
nach 1 Min. 58 Pulse
29
140—145
Abgelaufene Myokarditis nach
Trauma
1. 9,5, r. 4,5
60
1. Ton etwas unrein
30
125-130
Arteriosklerose, Alkoholismus
1. u. r. dilat.
—
Unreiner 1. Ton, verstärkter
2. Aortenton
31
125-130
Neurasthenia gravis
normal
—
Etwas unreiner 1. Ton
32
105-110
Skrofulöse, Bronchitis
normal
—
Systol. Ger. a. d. Basis, verst.
2. Pulm.-Ton
33
110-115
Hysterie, Koprostase, Chlorose
normal
88
Nach 6 maligem Auf¬
richten 96, nach 1 Min. 48
Betrachten wir zunächst die Zahlen für den Anfangsdruck
im Liegen, so ist derselbe pathologisch gesteigert nur in Fall 11,
13 und 28, das ist in 9 Proz., das ist die niedrigste Zahl von
allen Tabellen, doch ist der Unterschied gegenüber den Ta¬
bellen mit gleichbleibendem Druck (13 Proz.) und mit Senkung
um 5 mm (11,0) nicht ebenso gross. Normalgrosse Herzen
fanden sich in 16 Fällen = 48 Proz., in einem Fall war die Ver¬
größerung des linken Ventrikels zudem gering (24), weniger
No. 32.
als 1 cm, wir können daher wohl mit Recht 52 Proz. Herzen
in dieser Tabelle mit Blutdruckerhebung um bis 10 mm bei
Uebergang aus der horizontalen Lage zum Stehen als normal
ansehen; die Zahlen von normalen Herzen in den ersten beiden
Tabellen (64 und 66*/* Proz.) werden also in dieser Tabelle 5
nicht erreicht. Unter den 16 normal grossen Herzen haben
12, also *A, eine Blutdrucksteigerung von 5 mm, die übrigen
4 von 10 mm. Wir werden nun von vornherein geneigt sein,
2
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
i6s 2
alle Herzen, welche bei dieser Reaktion noch eine Steigerung änderter Herzen heim Erheben aus der Inmz.nmalcii Lage
des Druckes aufweisen, als normal funktionierend anzusehen, mit einer Erhöhung des Blutdruckes antwortet. Bei der Bc-
und es erhebt sich daher die Frage, lassen sich nicht aus dem antwortung dieser Frage fallen die eben besprochenen 4 Falle
Befund an diesen Herzen Zeichen auffinden, welche gegen eine natürlich aus, da wir eine Erklärung iur die Erhöhung des Blut¬
normale Funktion des Herzens sprechen und weiter, woher druckes trotz des Vorhandenseins von Stauuugssymptomen be¬
kommt es, dass eine Ueberzah! pathologisch veränderter ' reits gegeben haben; 17 Falle zeigen normale Her/grosse, es
Herzen auf das Erheben aus der horizontalen Lage zum Stand bleiben also für die Beantwortung Id. Als LrsaJie für die nun
mit einer Erhöhung des systolischen Druckes anworten. Was also als Zeichen der Hypertrophie des Herzens anzusdiende
den ersten Teil der Frage anlangt, so finden wir unter der 1 Erhöhung des Blutdruckes bei unserer Art der Funktions-
Rubrik „Bemerkungen“ in den Fällen 8, 13, 18 und 28 Zyanose, I Prüfung finden wir in diesen Id Fallen 5 mal Arteriosklerose.
Venenstauung, Venenpuls, Dyspnoe, Zeichen der Stauung in I mal mit Alkoholismus, d mal Adipositas. .Dual Alkoliohsmus
Leber und Lungen; damit steht die Druckzunahme doch zu- (1 mal mit Arteriosklerose, schon gezahlt), 1 mal Arbeitshypcr-
nächst in Widerspruch. Nun handelt es sich aber in Fall 8 trophie bei einem Schlosser, 1 mal Anämie mit hebendem
und 13 um Mitralinsuffizienzen mit hypertrophischem linken Spitzenstoss. Mit Ausnahme der letzten beiden Falle, von
Ventrikel, so dass die Druckerhöhung trotz der Stauungs- denen der zweite (Anämie) mir nach dem Protokoll nicht ganz
Symptome verständlich wird; im Fall 18 fanden sich nur geklart erscheint, hegen hier also dieselben Ursachen vor.
undulierende Halsvenen, die Beschleunigung der Atmung war welche in Tabelle *1 bei Insuffizienz des Herzens zu einer
nicht aufs Herz zu beziehen, wohl durch die Anämie und ner- Senkung um mehr als 2n mm geführt haben, nämlich Arterio-
vöse Momente bedingt, die Pulszahl war 72; im Fall 28 war | Sklerose, Adipositas und Alkohohsmus. Diese den Widerstand
bei chronischer parenchymatöser Nephritis der rechte Yen- i im Arteriensystem erhöhenden Faktoren eizeugen aber bei
trikel vorwiegend insuffizient, vor allem aber lässt die In- einem Herzen, das sich ihnen angepasst hat. eine vennehrte
äqualität des Pulses die Möglichkeit exakter Blutdruckbestim- | Arbeitsleistung, bei dem insuffizienten das stärkere Zutage-
mungen, welche für die Funktion des Herzens verwertbar sein | treten der mangelhaften Tätigkeit, zudem haben wir in 3
sollen, nicht zu. Diese 4 Fälle sind also keineswegs imstande, ; dieser 12 Fälle sJion in der horizontal«. | Lage, in der alle
den Wert meiner Methode für die Funktionsprüfung des Her- unsere Kranken untersucht werden, einen \ erstarkten zweiten
zens herabzusetzen. j Aortenton, in 2 Fällen war der zweite Pulmonalton verstärkt,
Wir haben also jetzt die Frage zu beantworten, ' in einem ist der Spitzenstoss hebend,
w'oher es kommt, dass eine Ueberzahl pathologisch ver- I
Tabelle 6. Drucksteigerung um in—2n in m und d a r ii b c r*.
| Fortlauf.
No.
Druck¬
zahlen
im Liegen
u. Stehen
Diagnose
Herzgrosse
!
Puls
1
Auskultatioiisbcfuiid
ln me kn,een
1
140—160
Pharyngitis, Koprostasc
1. 9 cm, r. 4.u
Peine I oiie
2
115-135
Abgeläufene Myokarditis,
Neurasthenie
1 11,5, r. 4,n
7b
t nreiner 1. I ori
1 r aller 1 \ j hus ,»Kb • t::.
3
145—165
Arteriosklerose, Purpura
1. 11.5, r. 4,5
i
—
1. I '>n iinrem, 2. Amtenbm
\erstarkt
4
155—175
Nephritis chronica
1 1. 11,5, r. 5,(1
bs
—
1 rain.s^ he >\ nipbune
5
140-155
Arteriosklerose
1 1. dilat,
bS
--
6
120-145*
Adipositas, Bronchitis
! 1. ln.n, r. b,n
—
Dumpfe 'Luie
7
■130—160*
Arteriosklerose
1 1. u. r. dilat.
i
—
Marker k’auJier
8
i
95-120*
Skrofulöse, Albuminurie
1. 6,5, r. 3,8
—
Svstol. Geräusch an d. >pit/e
2. 1 one verstärkt
9 '
110—135*
Arteriosklerose
1. in,u, r. 5.0
—
2. Tone etwas laut.
10 |
115-135
Neurasthenie, Albuminurie
normal
94
_
11 !
100—115
Neurasthenie
normal
; Ml
keine Tone
N.kIi <i k Mit brui.e;r Puls
12 !
85-105
Skrofulöse
1. 7,n, r. 3,5
_
* l ii reine r 1. 'L>n
P m
13
110—125
Potatorium, Anämie
1. ii. r. verbr.
—
Sehr dumpfe Lme
14
95—110
Aneurysma ?
1. verbreitert
1 SS
Svstol. Geräusch an d. Basis
15
110—125
Adipositas, Hysterie
1. norm., r. verbr.
iuaiiual
1. Lui unrein
16
110—140*
Myokarditis
1. Hi, r. 4 an
irregulär u. inuipial Svstol. Geräusch, 2. Pulnion.il-
i ' ton verstärkt
Vn h 1 v p 1 us
17
95—125*
Neurasthenie, Koprostasc
normal
1 l nremer 1. 1 on
18
120-135
Alkoholismus
1. u. r. verbr.
1 bb
Svstol. Gerauseh an d. Spitze
Vnh b k im-beiiceti Sm .
tun h : ; Mm. kuhe N< 1 ’uise
19
130 —150
Alkoholismus, Mitralinsuffizienz
1. 11), r. 5
144
■ Svstol. Gerauseh. verstärkt,
r; '2. Pulmoiialton
20
110-130
Adipositas, Arteriosklerose
1. dilat. |
Leicht unreiner 1. 1 mi. ver¬
stärkter 2 Pulniouaitoii
I lederne der Beine, n.nh
b KraebellCen 1SJ. muh
! .• Min kuhe 1 -H 1 hnse
Erhöhte Anfangsziffern für den Blutdruck finden wir in Die Tatsache, dass nur in dieser Tabelle die niedrigen Anfangs-
dieser Tabelle 6 in 2 Fällen — 10 Proz., an der oberen Grenze werte sich finden, erhält ihre Stutze ferner darin, dass unter
des normalen liegt er in weiteren 2. Auffällig ist die grosse den 11 Fällen mit normalen Werten 5 mit 1 ln mm Druck sich
Anzahl der abnorm niedrigen Werte für den systolischen Blut- finden, dass die Zahlen also an der unteren Grenze des Nor¬
druck bei horizontaler Lage nämlich 25 Proz., während wir malen sich halten. Dies Zusammentreffen illustriert den Wert
solchen kleinen Werten sonst nur einmal, nämlich in Tabelle 5 unserer Methode auch für die Abgrenzung bestimmter Krank-
begegnen. Und dabei also die starke Erhebung des Druckes beim ; lieitsbilder.
Uebergang zur aufrechten Stellung! Ja in Fall 8 und 17 ' Natürlich müssen wir in der Tabelle mit hohem Anstieg
werden 20 mm dabei überschritten. Diese Herzen müssen ; der Druckzahl beim Lebergang aus der horizontalen Lage in
demnach ausserordentlich ansprechbar sein und wenn wir uns I die aufrechte Stellung die Krankheiten finden, die in 'labeile 4
die Diagnosen ansehen, so handelt es sich in der Tat um Krank- die starken Senkungen um mehr als Jn nun verursacht haben,
heiten, in denen solche Verhältnisse durch das Wesen der So war Arteriosklerose vorhanden in 5 Fallen. Adipositas in 3.
Erkrankung durchaus verständlich erscheinen, in Fall 8 handelt Alkohohsmus in 3, Nephritis in 1 ; daneben bestanden \ibu-
es sich um Skrofulöse und Albuminurie, in Fall 11 um Neu- minurien in 2 Fällen, Myokarditis in 2, Neurasthenie in 4 . In
rasthenie, in Fall 12 wieder um Skrofulöse, in Fall 14 ist ein den Fällen, in denen die Steigerung des Blutdrucks 2u nun
Aneurysma fraglich, in Fall 17 liegt wieder Neurasthenie vor. überschreitet, lauten die Diagnosen : Adipositas. Arteriosklerose,
Digitized by L^ouQie
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1008.
MUfeNCHfeNEk MEDlZiNtSChE WOÖHENSCHkti*?.
Skrofulöse mit Albuminurie, Arteriosklerose, Neurasthenie.
Im Fall 16 ist der Puls bei Myokarditis inäqual und irregulär,
so dass die starke Erhebung des Drucks hierauf zurückzu¬
führen ist . Die andere Myokarditis (Fall 2) ist abgelaufen.
Die Mitwirkung nervöser Momente an dem Zustandekommen
der grossen Druckdifferenzen zwischen horizontaler Lage und
aufrechter Stellung ist also bei unserer Prüfungsmethode
überhaupt sehr gering. Ich hob das schon in der Einleitung als
einen Vorteil dieser Methode hervor.
Normal grosse Herzen finden sich unter den 20 Fällen mit
stärkerer Erhebung des Blutdrucks nur in4, das sind in 20 Proz.,
in 1 ist der linke Ventrikel normal, wir müssen also 25 Proz.
rechnen. Diese Zahlen stehen sehr nahe denen in Tabelle 3
mit 19 Proz., wo es sich um eine Senkung von 10—20 mm
handelt. In 3 von den 4 ganz normalen Herzen dieser 6. Ta¬
belle handelt es sich um Neurasthenie. Bei den kleinen Herzen
der Skrofulöse (Fall 8 und 12) ist die Drucksteigerung 25 und
20 mm, das kleine Herz macht eine grosse Anstrengung, um
den vermehrten Widerständen im Kreislauf bei aufrechter
Körperhaltung gerecht zu werden.
Nur in der vorigen Tabelle finden wir ebenso wie hier die
Tendenz zu niedrigen Pulszahlen. Allein bei der Mitralinsuffi¬
zienz ist die Pulszahl wesentlich erhöht, trotz des ausserdem be¬
stehenden Oedems steigt bei der Funktionsprüfung wie in
Tabelle 5 und zwar hier wie aus dem dort angeführten Grunde
der Druck um 20 mm. Die beiden in dieser Tabelle aufgeführten
anderen Funktionsprüflingen ergaben, dass die Pulszahl nicht
der Anstrengung entsprechend stieg, was ja mit der schon
hervorgehobenen Tendenz zur Pulsverlangsamung im Einklang
steht.
Fasse ich die Resultate meiner Methode, die freilich nur
in der Sprechstunde gewonnen sind und der Bestätigung durch
Nachprüfung auch im Krankenhausbetriebe harren, noch einmal
zusammen, so finden sich normal grosse Herzen ohne Zeichen
einer Klappenerkrankung und ohne eine sonst erkennbare Kom¬
pensationsstörung des Herzmuskels bei gleichbleibendem systoli¬
schen Blutdruck in horizontaler Lage und beimStehen in 64Proz.,
bei Drucksenkung um 5 mm unter denselben Verhältnissen in
66 Proz., bei Senkung um 10—20 mm im 19, bei Senkung
um über 20 mm in 8,3, bei Steigerung des Druckes um bis
10 mm in 52 Proz., bei solcher um 10—20 mm und darüber in
25 Proz. Gesteigerter Blutdruck im Liegen findet sich bei
gleichbleibendem Druck im Stehen und Liegen in 13 Proz., bei
Senkung um 5 mm unter gleichen Bedingungen in 11,1 Proz.,
bei Senkung um 10—20 mm in 19 Proz., bei Senkung
um mehr als 20 mm in 66 2 /a Proz., bei Erhebung des
Druckes im Stehen um bis 10 mm in 9 Proz., bei
solcher um 10—20 mm und darüber in 10 Proz. Die¬
selben Ursachen, welche in Tabelle 4 eine Senkung des Blut¬
drucks beim Aufrichten um mehr als 20 mm hervorrufen, sind
auch in erheblichem Masse an dem Zustandekommen starker
Erhebungen der Blutdruckzahlen beim Uebergang aus der
horizontalen Lage zum Stehen beteiligt in Tabelle 6, so lange
das Herz suffizient ist, nämlich Arteriosklerose, Adipositas,
Alkoholismus und Nephritis. Stauungszustände vom rechten
Herzen aus können wie bei der Mitralinsuffizienz mit Senkung um
5 mm, Steigerung um bis 10 mm, um 10—20 mm einhergehen,
mit Werten also, aus denen wir eine normale Funktion des
linken Ventrikels anzunehmen berechtigt erscheinen. Ein
inäqualer Puls macht die Anwendung dieser Funktionsprüfungs¬
methode unmöglich, während nervöse Einflüsse nur in sehr
geringem Masse bestehen und höchstens zu einer starken
Steigerung des Blutdrucks im Stehen führen. Die Methode
erscheint fast einwandsfrei und ist leicht zu handhaben.
Aus dem hygienischen Institut zu Halle a. S.
Untersuchungen zur Entstehung des Keuchhustens.
Von C. F r a e n k e 1.
Auf S. 731 ff. der Annales de llnstitut Pasteur 1906 ver¬
öffentlichten B o r d e t und G e n g o u als Ergebnis ihrer durch
mehrere Jahre fortgesetzten Erhebungen über dieUrsache
des Keuchhustens eine Arbeit, in der sie zu folgenden
Schlüssen gelangten. Danach konnten sie ein Stäbchen als
[ den Erreger der genannten Krankheit ansprechen, das nuf
auf besonderen, namentlich mit Blut vom Kaninchen oder
besser noch vom Menschen beschickten Nährböden gedieh, die
Gram sehe Färbung nicht annahm und sich als spezifisch vor
allen Dingen durch seine Komplementablenkung er¬
wies, indem das Serum von Keuchhustenrekonvaleszenten
sensibilisierte Ziegenblutkörperchen nicht auflöste, während
andere eine kräftige Hämolyse zeigten. Im Jahre 1907 teilten
die beiden Verfasser dann an der gleichen Stelle, in den An¬
nales Pasteur S. 720 ff. weiter mit, dass das Serum von kranken
Menschen nur eine wechselnde Agglutination bei dem Bazillus
hervorruft, dass dagegen das vom künstlich immunisierten
Pferde stammende sich durch sehr bemerkenswerte spezifische
Eigenschaften auszeichnet, und dass man endlich auch mit Kul¬
turen dieses Mikroorganismus bei Meerschweinchen eine In¬
fektion auslösen könne, die sich am besten von der Bauch¬
höhle aus einleiten lässt und die als eine eigentliche Vergiftung
erscheint.
Ohne Zweifel mussten die damit ganz kurz berichteten
Untersuchungen zweier so hervorragender Bakteriologen, wie
es die genannten Forscher sind, die allgemeine Aufmerksamkeit
erregen. Zwar war man gerade auf dem hier betretenen Ge¬
biet vor Enttäuschungen und Fehlschlägen nicht sicher; hatte
doch im Gegenteil schon eine reiche Fülle von Mitteilungen
der allerverschiedensten Art bald ein Bakterium, bald ein
Mikrobium des Keuchhustens beschrieben, von denen allen es
nach verhältnismässig kurzer Zeit jedoch schon wieder stille
wurde und die sich als apokryphe Erreger dieser Krankheit
erwiesen. Auf der anderen Seite trug freilich kaum irgend eine
andere Affektion so den Stempel eines ansteckenden, eines
übertragbaren Leidens an der Stirne, wie eben der Keuch¬
husten, und also musste es als ein bedauerliches Armutszeugnis
unserer Wissenschaft angesehen werden, dass es gerade hier
nicht gelingen wollte, zum Ziele zu kommen. Deshalb bedarf
es wohl auch keiner weiteren Erklärung, um es verständlich zu
machen, dass nach den Veröffentlichungen von Bordet und
Gengou auch in meinem Laboratorium sich die Neigung
regte, die Zuverlässigkeit der gemachten Mitteilungen nach¬
zuprüfen und also die Ursache der hier in Rede stehenden
Krankheit aufzuklären.
Leider war gerade in der hier in Betracht kommenden Zeit
der Keuchhusten in Halle nur verhältnismässig schwach ver¬
treten; ausserdem sei betont, dass das Sputum von Kindern, die
schon einige Wochen oder gar Monate an dem Uebel leiden,
nur ein ungünstiges und ungeeignetes Material liefert, dass
vielmehr schon in den ersten Tagen, ganz im Beginn des
Uebels, also zu einer Zeit, wo erfahrungsgemäss der Arzt
häufig noch gar nicht hinzugezogen ist, die besten Bedingungen
für eine weitere Verarbeitung des Auswurfes vorliegen. So
wird es sich verstehen, dass ich in 8 Monaten, d. h. seit No¬
vember 1907, nur in 8 Fällen aus dem Sputum von keuchhusten¬
kranken Kindern den gleich genauer zu besprechenden Mikro¬
organismus gewinnen konnte, während wohl 30 oder mehr
Versuche dieser Art misslangen.
... D * e Bakterien wurden gezüchtet, indem der schon durch
Waschen in sterilisiertem Wasser von allen anhaftenden,
namentlich aus der Mundhöhle stammenden Kleinwesen be¬
freite Auswurf alsdann auf feste Nährböden der verschiedensten
Art ausgestrichen wurde, die nur sämtlich in dem einem Punkt
übereinstimmten, dass sie mit reichen Mengen von
m.enschliehern Blut versetzt bezw. bestrichen waren.
Anfangs beschränkte ich mich hier auf ein Substrat, das ganz
nach den Angaben von Bordet und Gengou angefertigt
worden war, d. h. aus einem Glyzerinkartoffel-
e x t r a k t m i t Agar und menschlichem Blut be-
stand. Später, als ich mich davon überzeugt hatte, dass der
mer behandelte Bazillus auch auf einem gewöhnlichen
n U l . eiS o C ,j ,extrak 4 t* Pepton und Kochsalz auf¬
gebauten, 2A proz. Agar, das mit menschlichem
. yermischt worden war, ohne weiteres gedieh,
wandte ich auch diesen Nährboden an, und hier wie dort konnte
“*em zunächst langsames und zögerndes, meist aber schon
nach 2—3 Generationen üppiges und reichliches Wachstum
wahrnehmen. Die Kultur bezw. die einzelnen Kolonien zeich¬
neten sich durch einen gelblichen oder gelblichbraunen Farben¬
ton aus, waren anfänglich meist in zarter Schicht über die ganze
2 *
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1684
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. .LU
Oberfläche des Substrats ansgebreitet und Hessen erst später,
mit ihrer gesteigerten Anpassung an das Leben ausserhalb
des Körpers, aut unseren toten Nährböden einen etwas dickeren
und massigeren, über ihre Nachbarschaft hervorragenden Auf¬
bau erkennen. Nach durchschnittlich 8 Tagen habe ich jedes¬
mal eine Uebertragung der Bakterien auf frische Nährböden
vorgenommen. Kein einziges Mal habe ich bis jetzt eine auch
nur andeutungsweise vorhandene Fähigkeit dieses Bazillus be¬
obachtet, auf blutfreien Nährböden zur Vermehrung zu
schreiten; selbst in den älteren, jetzt schon seit 7 -8 Monaten
dauernd ausserhalb des Körpers gezüchteten Kulturen bleibt
jedes Wachstum aus, sobald an die Stelle der blut¬
haltigen gewöhnliche Substrate treten.
Auch in Fleischbrühe, und zwar gewöhnlicher oder
Olyzerinbouillon, die mit Blut versetzt ist und nun nach An¬
gabe von Bordet und (iengou in tunlichst dünner Lage
zur Verwendung kommt, um so dem Sauerstoff der Luft den
gehörigen. Eintritt zu ermöglichen, gedeiht der Bazillus ohne
besondere Schwierigkeiten, meist sogar üppig und in reich¬
licher Weise.
Den I n f 1 u e n z a b a z i 11 u s, dessen Unterscheidung von
den hier in Rede steheirden Stäbchen B o r d e t und <i e n g o u
in ihren zwei Veröffentlichungen des eingehenderen behandeln,
haben wir hier im Laufe der letzten Zeit überhaupt nur noch
selten angetroffen, so dass die Notwendigkeit einer Differen¬
zierung keineswegs so dringend erforderlich schien. Im
übrigen sei aber erwähnt, dass sie nötigenfalls unschwer mög¬
lich ist; der Influenzabazillus wächst anders, in feineren,
zarteren, blässeren Kolonien, und, vor allen Dingen, er hat ein
durchaus abweichendes Aeussere, er sieht schlanker, kleiner
und schmächtiger aus, als der hier auftretende Keuchhusten¬
erreger. Freilich kommen ihm diese letzteren Eigenschaften
nur anfangs, nur unmittelbar nachdem er aus dem menschlichen
Körper gewonnen ist, zu; später dagegen legt er einen mehr
oder minder ausgesprochenen Pleomorphismus an den Tag,
und häufig genug kann man aus älteren Influenzakulturen
Formen von mannigfachstem Aussehen zur Darstellung
bringen.
Der Keuchhustenerreger indessen zeichnet sich
durch eine bestimmte, auch im Laufe der Dinge kaum
veränderliche Gestalt aus. Er erscheint als ein ziemlich
kleiner Bazillus, unbeweglich, nach dem Gram sehen Ver¬
fahren nicht darstellbar, der die Färbung meist in toto an¬
nimmt und nur selten einmal die von Bordet und G e n g o u
hervorgehobene Achnüchkeit mit dem Bazillus der Hühner¬
cholera zeigt, d. h. also die Mitte nahezu ungefärbt lässt und
nur an den Polen eine starke Tinktion aufweist.
Dieser Mikroorganismus wurde, wie erwähnt, i n
8 F ä 11 e n v o n K e u c h h u s t e n, und zwar i n d e n e r s t e n
l agen der Krankheit gezüchtet. Mit seinen Rein¬
kulturen wurden dann auch T ierversue h e angestellt und
zwar an Meerschweinchen, Kaninchen und an Affen. Bei den
ersterwähnten. Geschöpfen konnten w ir nach Einspritzung einer
Oese des Kulturrasens in die Bauchhöhle nach 1 2 lagen
den Tod. der Tiere hervorrufen. Wie Bordet und G e il g o u
fanden alsdann auch wir die Zeichen einer stattgehabten Ver¬
giftung in Gestalt eines blutigserösen Exsudats in der Bauch¬
höhle, Verdickung der Leber usw\, jedoch ohne Vermehrung
der Bakterien, ja in der Regel sogar mit ihrem vollständigen
Untergange: die Flüssigkeit der Bauchhöhle erwies sich als
steril. Bei Kaninchen konnten w ir einige Male ähnliche Vor¬
gänge wahrnehmen, die jedoch längst nicht so ausgesprochen
waren, wie wir diese eben vom Meerschweinchen beschrieben
haben.
Besonders bemerken s w e r t waren die Ergebnisse,
die wir bei Affen erzielten. Zwei dieser Tiere wurden einem
dicht zerstäubten Schleier oder Nebel der Mikroorganismen
ausgesetzt und etwa 15 Minuten in dieser Wolke belassen.
Nach 5 oder 6 Tagen erkrankten di e T iere u n d z w a r
unter dem Bilde des Keuchhustens, d. h. mit
kurzen, krampfhaften, bellenden Hustenstössen, die etwa 8 bis
10 läge anhielten, in der letzten Zeit bereits seltener wurden
und dann verschwanden. Irgend eine Expektoration seitens
der Tiere wurde w ährend der ganzen Zeit nicht beobachtet.
i 1 s t d e r d a m i t g a n z k u r z g e s c h i I d e r t c Mikro-
o r g a n i s m u s nun als der Erreger des Ken c Ii -
h u s t e n s a n z u s e h e ii? Ohne Zw eitel sprechen eine An¬
zahl von Tatsachen für eine solche Annahme, namentlich die
Eigenart des Bazillus, der au sich gewiss manche Besonder¬
heiten eines pathogenen Mikroorganismus besitzt, sowie ferner
und vor allen Dingen das Ergebnis der l'ebertragiingen aut den
Affen. Auf der anderen Seite aber fehlt es doch auch nicht an
j Gründen, die eine solche Auffassung mindestens als vor-
schnell n n d ii h c r e i 1 t erscheinen lassen. Namenti. di ml
! hierbei der Befund genau der gleichen und ohne Frage \oi;.g
identischen Bakterien bei 2 nicht Keuchhusten-
k ranken Kindern zu rechnen. über den wir beruhtei.
können. Beide Male handelte es suh um Kranke, die der
i Tuberkulose verdächtig waren, ohne d.ms jednJi. wie nebenbei
bemerkt sei, Tuberkelbazilkn in ihrem Auswurf hatten nadi-
gewiesen werden können. Dagegen gelang es, die Bazillen des
Keuchhustens in freilich spärlicher Menge aui/utinden. m.d
wenn auch dieser Tatsache gegenüber an das Vorkommen der
Memngitiskokkeii, der Diplithe rieba/;llen. der 1 > phiislwilk n.
der Influenzabazillen u. s. i. bei ganz gesunden oder ander¬
weitig erkrankten Menschen erinnert werden kam;, s * han.de i:
es sich hier doch jedenfalls um eine Erscheinung, die muh
weiterer Prüfung bedarf und an der wir nullt ohne weiteres
\ oriibergclien dürfen.
Eiwahnt sei dann ferner noch, dass wir die \oi; Bordet
mal (iengou hervorgelu»bene und in ätiologischem >imie
verw ertete K o m p I e m e n t a h 1 e n k u n g des Blutserums
von keuchhusteiigeheilten Kindern unter 5 Fallen nur ein
einziges Mal zu bestätigen imstande waren. Es w urde
0.1 U,ö erhitztes, also inaktiviertes derartiges Menschen-
serum mit n,U5 (U ccm Akxin, d. h. Meerschw eiiuheuserum,
i und mit U,J ccm einer Aufschwemmung der Keuchhusten¬
bazillen vermischt; nach 4 ständigem Stehenlassen bei Z.mmcr-
wärme kamen darauf sensibilisierte Ziegenblutk*tfperdieii hin¬
ein, und nun sollten also die Röhrchen mit dem Serum der
Keuchhustengeheilten klar bleiben, wahrend suh m den anderen
eine starke Hämolyse zeigte. Indessen hess sich, wie schon
erwähnt, nur einmal eine derartige Erscheinung in ganz
zweifelloser Weise wahrnehmen, wahrend die übrigen A Male
das Ergebnis unsicher war odtgr \eilig ausblieb.
Endlich sei bemerkt, dass zu eben so u n s i c h e r e n Re¬
sultaten auch die Prüfung der agglutinierend e u
Eigenschaften sowohl des Krankenbiutes. wie auch des
Serums Veranlassung gab, das von immunisierten Fieren her¬
rührte. Das erstere kam von Kranken und Geheilten, das
letztere von Tieren, nämlich von Eseln und Kaninchen zur
Verwendung, die mit allmählich steigenden Mengen von Rein¬
kulturen des hier in Rede stellenden Bazillus behandelt worden
waren. Sowohl bei 87". wie bei 22% als auJi endlich bei 55°
wurden die Versuche äuge stellt und wiederholt, ohne dass suh
jedoch hier eine regelmässig j gU ichbk ibettde Beeiu-
tiiissung der Bakterien zu erkennen gegeben hätte. Unter Um¬
standen trat eine ganz deutliche und fraglose Agglutination ein.
in anderen Fällen dagegen, d. h. bei Anwendung eines anderen
8erums oder auch einer anderen Kultur demselben Serum
gegenüber, blieb jede Wirkung aus. und ich habe mich deshalb
des Eindrucks mellt entschlagen können, dass L -s suh hier um
ebenso regellose und willkürliche Wirkungen handelt, wie w;r
sie beispielsweise beim B. coli oder beim Tuberkelhazillus
ii. s. t. beobachten können.
In jedem Falle wird es also muh w eite rer. an tun¬
lichst z a h 1 r e i c h en vers c h i c d e u e n Stell e n u. te r-
nommener Arbeiten bedürfen, um über d,e R.cie des har be¬
schriebenen Mikroorganismus für die Entstehung des Keuch¬
hustens ein sicheres und abschliessendes Urteil abgeben zu
können. Mag man von der ursächlichen Uedeinmg des K,_
zillus auch im Innern seines Her/ens sdion uberzeugt sein.
wie das Verfasser dieser Zeilen i;i der Fat ,>t so w . rJ
doch noch einer ganzen Reihe genauerer l ntcfsndm gen be¬
dürfen, um die letzten hier bestehenden und gewiss bere d'mga n
Zweifel zu beseitigen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1685
Aus der Kgl. dermatologischen Universitätsklinik zu Breslau
(Direktor: Geh. Medizinalrat Prof. Dr. A. Ne iss er).
Experimentelle Untersuchungen über „tuberkulöse“ Ver¬
änderungen an der Haut ohne Mitwirkung von Tuberkel¬
bazillen (toxische Tuberkulosen) und die Bedingungen
ihres Entstehens.
Von Privatdozent Dr. Karl Zieler, Oberarzt der Klinik.
Da in der Literatur der letzten Monate immer wieder eine
von Wolff-Eisner herrührende einseitige bezw. irrtüm¬
liche Anschauung über das Tuberkulin und seine Wirkung auf
den menschlichen Körper bei Hautimpfungen nach v. Pir¬
quet zustimmend oder wenigstens ohne Widerspruch zitiert
wird 1 ), möchte ich schon jetzt kurz über experimentelle und
anatomische Untersuchungen berichten, die diese Frage be¬
treffen und die ich mit mikroskopischen Demonstrationen auf
der 2. Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie in
Berlin (Pfingsten 1908), z. T. auch schon auf der 12. Tagung
der deutschen pathologischen Gesellschaft in Kiel (Ostern 1908)
vorgeführt habe. Efa der experimentelle Teil dieser Arbeit
wohl in der Hauptsache, aber noch nicht in allen Einzelheiten
abgeschlossen ist, muss ich die eingehende Darstellung einer
späteren Veröffentlichung (im Archiv f. Dermatol.) Vorbehalten.
Seit etwa 2 Jahrzehnten hat die Frage der sog. „toxischen
Tuberkulosen“ die Gemüter besonders der Dermatologen be¬
wegt. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Frage kli¬
nisch eine Erledigung nicht finden konnte, so dass schliesslich
von manchen Seiten die Möglichkeit toxischer Tuberkulosen
überhaupt bestritten worden ist. Die Erkrankungen, bei denen
man an eine Entstehung durch gelöste Stoffe („Toxine“) des
Tuberkelbazillus gedacht hatte, betrafen eben stets Patienten,
die an irgend einer Form chronischer Tuberkulose litten. Man
Ist deshalb jetzt mehr geneigt, diese Erkrankungen als auf
hämatogenem Wege entstanden und durch wenig virulente
oder abgestorbene Bazillen bedingt anzusehen. Denn man hat
dabei gelegentlich Tuberkelbazillen gefunden. Wir denken ja
aber auch gar nicht daran, die histologischen Veränderungen
bei Tuberkulose allein auf die Wirkung der Bazillenkörper
zurückzuführerr. Wir nehmen vielmehr an, dass gerade den
löslichen Stoffwechselprodukten' und Leibessubstanzen
hierbei eine wesentliche Bedeutung zukommt, ja wir sind so¬
gar der Meinung, dass diffusible und resorbierbare Stoffe sich
im Körper verbreiten und so an weit entfernten Stellen, wo
sie gerade günstige Bedingungen vorfinden, Veränderungen
hervorrufen können, die wir dann ebenso zur Tuberkulose
rechnen müssen, wie das, was der Tuberkelbazillus selbst be¬
wirkt (J. Ort h).
Diese Frage hat nun in letzter Zeit ein erhöhtes Interesse
dadurch gewonnen, dass man bei Tuberkulinhautimpfungen
nach v. Pirquet Veränderungen beobachtet hat, die histo¬
logisch das Bild der Tuberkulose darbieten. Die infolge dieser
Hautimpfungen entstehenden Reaktionen können bekanntlich
in wenigen Tagen ablaufen, nicht selten bleiben sie aber
wochen- und selbst monatelang als fühlbare Knoten bestehen.
So haben B a n d 1 e r und K r e i b i c h, sowie Dou-
trelepont (bezw. König) wenig charakteristische, tuber¬
kuloseähnliche Veränderungen beschrieben. Ich selbst habe
dann weit über die Impfstelle hinausreichend im Verlauf der
Gefässe aus Epithelioid- und Rundzellen bestehende Tuberkel
(ohne Verkäsung) mit typischen L a n g h a n s sehen Riesen¬
zellen bis tief in die Subkutis hinein beobachtet. Ueber ähn¬
liche Befunde haben später Pick und D a e 1 s berichtet, doch
sind auch die von Daeis gegebenen Abbildungen nicht ge¬
rade sehr charakteristisch. Von Pick und Daeis ist nun
behauptet worden, „dass ein Tuberkulin, das von abgetöteten,
mit unseren gewöhnlichen Mitteln nachweisbaren Tuberkel¬
bazillen oder Tuberkelbazillenteilen frei ist und das lediglich
die in Lösung gegangenen Stoffwechselprodukte und Leibes¬
substanzen der Bazillen enthält, echte tuberkulöse Strukturen
nicht zu erzeugen vermag“; dass also nur lebende oder tote
1 ) Soviel ich sehe, widerspricht nur W. C z a s t k a (Beziehung
der Pirquetreaktion zum Gehalt an Antikörpern. Perlsucht-Pirquet.
Wiener klin. Wochenschr. 1908, No. 24 ) mit guten Gründen dieser
Anschauung.
färberisch nachweisbare Tuberkelbazillen das histologische
Bild der Tuberkulose erzeugen könnten. Bekanntlich hatte
Jadassohn zuerst die Vermutung ausgesprochen, dass ein
Tuberkulin, das tuberkulöse Strukturen erzeuge, wohl
wenigstens unsichtbare (ultramikroskopische) Bazillentrümmer
enthalte. Pick sagt sogar ausdrücklich, dass die Knoten¬
bildung der Dauerreaktion nach Tuberkulinhautimpfungen
„stets durch tote, nicht propagationsfähige Bazillen erzeugt“
werde; D a e 1 s meint, „dass die Papelbildung der Spätreaktion
im Sinne Stadelmanns nur den Ausdruck einer Bazillen¬
leiberwirkung darstellt“. Dass diese Auffassung, die eigent¬
lich schon vor mehreren Jahren von K I i n g m ü 11 e r wider¬
legt worden war, nicht genügend begründet ist, hoffe ich dar¬
legen zu können.
Von den erwähnten Dauerreaktionen nach Hautimpfungen
habe ich im Laufe der letzten Monate eine ziemliche Anzahl
(26) untersucht, die 6 Tage bis VA Monate nach der Impfung
exzidiert worden waren. Die histologischen Veränderungen
waren im Beginn wenig charakteristisch, doch traten sehr bald
aus Epithelioidzellen bestehende und von einer Rundzellenzone
umgebene Knötchen auf, die in wechselnder Anzahl Riesen¬
zellen verschiedener Form, vielfach ganz ausgesprochen vom
L a n g h a n s sehen Typus, enthielten. Ganz besonders be¬
merkenswert ist, dass diese Veränderungen in den ersten 3 bis
5 Wochen nach der Tiefe und in die Breite zunehmen, so dass
der Prozess nach allen Richtungen hin ein Gebiet von reich¬
lich 1 cm Radius einnimmt. Sehr charakteristisch ist nun
meines Erachtens das Auftreten der erwähnten histologisch
typischen Tuberkelknötchen im Verlauf der Gefässe, und zwar
besonders der Venen, deren Wand vielfach von ihnen auf¬
gelockert und durchwuchert wird, so dass dn teilweiser oder
völliger Verschluss der betreffenden Gefässe zustande kommt.
Diese Veränderungen finden sich ausserordentlich schön und
deutlich noch in weiter Entfernung vom Impfstich, z. B. in der
Tiefe der Subkutis direkt über der Faszie. In der Nähe des
Impfstiches sind sie, abgesehen von den zahlreichen Lang-
h a n s sehen Riesenzellen ,meist weniger charakteristisch, doch
besteht hier oft noch nach Wochen eine teilweise Nekrose
(Verkäsung), die in weiter entfernten Knötchen nirgends beob¬
achtet wurde. Diese Veränderungen heilen allmählich, doch ,
finden sich selbst nach VA Monaten noch immer Epithelioid-
zellentuberkel in der Wand der Gefässe, während die Narbe
an der Stelle des Impfstiches (in einem Falle) noch reichlich
Langhanssehe Riesenzellen enthielt.
Gelegentlich meiner oben erwähnten Demonstration hatte
ich schon darauf hingewiesen, dass für die Entstehung dieser
weit über den Impfstich hinausreichenden Dauerreaktionen
nur gelöste, diffusionsfähige Stoffe 9 ) (Toxine
im weitesten Sinne) verantwortlich gemacht werden könnten.
Erwähnen möchte ich gleichzeitig, dass wir in der Bres¬
lauer Hautklinik dauernd mit einem von den Höchster
Farbwerken hergestellten, alten Koch sehen Tuberkulin ge¬
arbeitet haben, das durch sorgfältige Filtration von Bazillen
befreit worden ist. Ausserdem habe ich mehrfach grössere
Quantitäten (10 ccm) ununterbrochen 72 bezw. 84 Stunden
zentrifugieren lassen; dann wurde der grössere Teil der
Flüssigkeit vorsichtig mit der Pipette abgesaugt und durch
Reichelkerzen filtriert. Die letzten Tropfen im Zentrifugier¬
glas wurden nach gründlichem Aufschütteln und Aufrühren mit
der Platinöse auf Objektträger ausgestrichen und gefärbt. Es
gelang hierbei niemals, trotz sorgfältigsten Suchens in den
Ausstrichen Tuberkelbazillen oder deren Trümmer nachzu¬
weisen, was ohne Schwierigkeit bei gleicher Behandlung
anderer Tuberkuline möglich war. Wir haben also sicher mit
einem nach den Pick sehen Ansprüchen absolut bazil¬
lenfreien Tuberkulin gearbeitet, das nach dem Zentri¬
fugieren und nachdem es nochmals durch Tonkerzen filtriert
worden war. im klinischen Versuch eher stärkereReak-
t i o n e n hervorrief als das ursprüngliche, direkt aus Höchst
gelieferte Präparat.
*) Neuerdings berichtet S i e g r i s t über Dauerreaktionen nach
Anwendung der Ophthalmoreaktion. Er fand Knötchen aus Epithe¬
lioidzellen und Rundzellen; in einigen auch typische Langhans sehe
Riesenzellen und selbst zentrale Verkäsung,
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1686 MUENCHENFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. T?.
Von einer Abschwächung durch die Filtration, wie sie
Wolff-Eisner von dem Tuberkulin (R u e t e - E n oc h)
berichtet, das zu den von Pick und D a e 1 s untersuchten
Reaktionen geführt hatte und das grosse Mengen toter Bazillen
enthielt, war also bei unseren Untersuchungen, über deren
klinischen Teil Herr Dr. Meirowsky berichten wird, keine
Rede. Nach der Anschauung von Pick und Dacls hätte
daher unser Tuberkulin überhaupt keine tuberkulösen Ver¬
änderungen hervorrufen dürfen!
Der theoretische Einwand, dass ultramikroskopische Ba-
zillentrümmer von den gewöhnlichen Filtrierkerzen nicht
zurückgehaltcn würden und dass auf diese der tuberkulöse j
Bau zurückzuführen sei (J a d a s s o h n), erledigt sich dadurch, \
dass inan Bazillenreste nur dann ultramikroskopisch diagnosti- j
zieren kann, wenn sie grösser sind als die (irenzc des Ab¬
bildungsvermögens des Mikroskopes und eine bestimmte ne¬
stalt haben. Andernfalls erscheinen sie wie die übrigen Beu¬
gungsscheiben. Demgemäss hat auch eine auf meine Bitte in
der Ze iss sehen Werkstättc von Herrn Dr. Ehlers vor- I
genommene ultramikroskopische Untersuchung des in Höchst !
hergestellten alten Koch sehen Tuberkulins nichts ergeben,
was als Bazillenreste hätte angesprocheii werden können, ;
w eder vor noch nach tagelangem Zentrifugieren und erneuter
Filtration. Jener Einwand ist daher weder zu beweisen noch
zu widerlegen.
Des Vergleiches halber hatte ich gemeinsam mit Herrn
Dr. Meirowsky bei einer Reihe von Patienten neben dem
alten Koch sehen Tuberkulin (vom Typus humanus und Typus
bovinus) und der Koch sehen Bazillenemulsion die Filtrate der
Kulturen menschlicher (Vacutim-Tuberkulin und T. A. O.) und i
Perlsuchttuberkelbazillen (P. T. O.) verwendet. Hierbei zeigte 1
sich nun, dass gerade Hautimpfungen mit der K o c h sehen
Bazillenemulsion (rein und zehnfach verdünnt), die doch
reichlichste Bazillen massen enthält, du r c h a u s
keine besonders starken Reaktionen hervorrieten. Auch
waren hier Riesenzellen nicht besonders häufig; jedenfalls
niemals häufiger als bei Hautimpfungen mit dem filtrierten alten
Tuberkulin.
Auf Qrund der erwähnten Befunde von Pick und D a e I s
haben nun Wolff-Eisner und nach ihm auch andere
Autoren angenommen, dass das Tuberkulin seine Wirkung
nur den in ihm enthaltenen Baktcrienleibern verdankt und dass
die La ngha ns sehen Riescnzellen „sich im Tuberkel dort
einfinden, wo eine langsame Bakteriolyse unter Freiwerden
von giftigen Leibessubstanzen stattfindet“, mit anderen
Worten: „dass die Tuberkelwirkung auf Tuberkelbazillen¬
splittern beruht, dass das Tuberkulin nicht weiter ist als
kleinste Tuberkelbazillensplittcr“. Demgemäss wird das Ent¬
stehen tuberkulöser Strukturen bei Hautimpfungen nach
v. Pirquet darauf zurückgeführt, dass sichtbare oder un¬
sichtbare Tuberkelbazillensplittcr in die Haut gelangen und
hier gelöst werden, dass also die „Endotoxine“, die man für
die beschriebenen Veränderungen verantwortlich macht, erst
im Körper unter dem Einfluss bakteriolytischcr Stoffe in Frei¬
heit gesetzt und zur Wirkung gebracht werden.
Diese Annahme scheint mir nach den Er¬
gebnissen unserer Versuche ebenso ge¬
zwungen wie überflüssig. Die allgemeine Bak¬
teriologie lehrt uns ja, dass schon in älteren Kulturen Bazillen-
Iciber gelöst werden, also „Endotoxin“ frei wird, wie viel mehr
wohl bei Eingriffen, wie sie z. B. die Herstellung des alten
Tuberkulins darstellt. Der Gedanke an unsichtbare, ungelöste,
aber filtrierbare Bazillensplitter zur Erklärung der Tuberkulin¬
wirkung ist also ganz unnötig. Denn sonst dürften die Filtrate
aus keimfreier Tuberkelbazillenbouillon (Vakuumtuberkulin,
A* D., P. T. O.) nicht histologisch dieselbe Wirkung haben,
aie sich von der des alten Tuberkulins nur quantitativ unter¬
scheidet. Bei ihrer Herstellung kann jedenfalls von einer
irgendwie nennenswerten Auflösung oder Zertrümmerung von
Bazillen keine Rede sein. Wenn diese Filtrate Endotoxine ent-
1 alten, die vielleicht die histologische Wirkung bedingen, so
missen sie vor der Filtration gelöst gewesen sein. Es wäre
sonst auch nicht verständlich, weshalb gerade die Bazillen-
emuLsion weit schwächer wirkt, als bazillenfreics Tuberkulin,
as Umgekehrte miistc der Fall sein, wenn jene Anschauung ■
richtig wäre. Es kann sich also bei unseren Befunden nur um
die W i r k u n g gelost e r, i m T u b e r k u I i n ent¬
haltener Stoiie handeln, die allerdings keine Toxine im
engeren Sinne zu sein brauchen und die sehr wohl Endotoxine
sein können, denn Endotoxine sind im Tuberkulin zweiielhs
schon in Lösung vorhanden.
Fs entsteht nun die Frage, ob zur Erzeugung tuberkulöser
Strukturen Endotoxine im gew uhnlichen Sinne notig sind. Diese
f rage muss verneint werden, ebenso wie wir nicht a n -
e r k e n n e u k ö n n eil, dass die w i r k s a m en Stoffe
erst i m K ö r p e r ge! ö st w erde n. Es genügt voll-
k o m m c n, dass zu d e n H a u t i m p f u n g e n gelost e
c h e m i s c h e. a u s d e n T u b e r k e I b a z i I I e n s t a m -
m e n d e S u b s t a n z e n v e r w e u J e t wer d e n b e i
völlig e m Ausschluss k o r p u s k u I ä rer (selbst un¬
sichtbarer) Bestandteile. Diesen Nachweis glaube i<Ji
auf folgendem Wege erbracht zu haben: In Kollodiums.uk-
eben wurden folgende Substanzen angebracht und nadi zu¬
verlässigem \erschhiss (d. h. das mit den MuKen verbunden,.
(ilasrohrchcii wurde zugeschmol/en) zur Dialyse bei ö7 " C in
mii all ccm (No. III nur gegen Jo ccm Wasser) sterilem destil¬
lierten Wasser gefüllte Reagenzgläser au einem Se-dc i.fadetl
aufgehängt, doch so, dass sie nur teilweise eintaiic fiten.
I. 4 ccm Alttuber'kiilm (Nn. Js fbu hsii.
II. .0 .■ ccm Aittuberkulm (No. Js Mi» eilst»,
III. 2 sein Alt-Tuber kiilm < R ii e t e - 1 n u c ii).
IV 4 ccm Nentuber kn!m k’ocli < H.i/illeiiemiUsii in r.
Lilie h w luge I uberkclb.i/ilieiikultnr auf < iIa /t r um. J -
mit 4 ccm pli\ sp >1o;js«Jict Koehs.ii/loMnig verrieben v\ -
den war.
I\' und \' blieben völlig steril, m dein Röhrchen I 111
wuchsen nach einigen Tagen Staphylokokken Deshalb wurden
die \ ersuche I und III nach A Tagen. II nach 1 r Tagen abge¬
brochen, IV und V erst nach SV Tagen. Die zur Dialyse ver¬
wendete 1 liissigkvit der \ersuche I III wurde u.uh Filtration
durch Reichelkcrzcn, die sterile Flüssigkeit der \ ersuche l\
und \' direkt im Vakuum eingeengt auf etwa ’ • des ursprüng¬
lichen Nolumeiis. Mit diesen eingeengten Dia!\zateu wurden
mm Haiitimpiiiugeri nach v. Pirquet bei Tuberkulosen
(Lupiiskranken) und einigen klinisch nicht tuberkulösen er¬
wachsenen Personen vorgeiiomnieiu Als Kontrolle d.eu.ten
Hautimpfungell mit *.• proz. KarboIk*sung und mit gewöhnliche?!
Nährbouillon. die nach 10 tägigem Auien’halt im Brutschrank
,iiif io ihres ursprünglichen Volumens eingeengt worden war.
Diese letzte Kontrolle wurde herangezogen, weil man meinen
könnte, die Reaktionen auf I uberkulinhautunpiun.ee n seien mit
j Reaktionen auf körperfremde Fiw eissubst.ti.ze n, \ <»n den.en
I 111 * 1 u* weiss, dass sie F.iteruug und Nekrose erzeugen können,
i ^_its^cn wir ja doch, dass ähnliche Dauernaktionvu m;t fil-
liierten Lxtrakteii aus eler Leber sypluhtis«. her l oten erzeugt
w erden können (Neisser und M e i r o w s k y). Audi hier¬
bei treten, wie ich gezeigt habe, tuberkuWahuliche Verände-
ruugen auf. Die Impfungen mit eingeengter Bouillon bewirke”
i nun ebensowenig DaiierreakMouen wie eile mit Mallem und
j Staphylokokkento\m (filtrierte eingeengte Bouiüorkmturen).
| Die Impfungen mit den Dialysaten ergaben hägende Re-
j sultate: Die schwächste Wirkung wurde erzielt mit dein
| 1 halysat II (JO mal posöiv s7 Proz.. önial negativ), dann
i fo, Ht I (1-Dnal positiv st, Proz., 2 mal negativ), etwas starker
j wirkte III ( Id mal positiv Proz., I mal negativ). Weit
deutlicher, d. h. länger dauernd und intensiver war die W ir-
kung des Dialysates IV (JJ mal positiv ss Rroz.. -Dual
negativ) und besonders die des I bal\ sates \ (J5 mal jx.Mtiv
-- 100 Proz., niemals negativ). IV und V erzeugten audi Re¬
aktionen. die den Dauerreaktionen nadi Tuberkuünhaut-
impfungen entsprachen.
Die Datier der Dialyse scheint also ebenso w R J| c Menge
der verwendeten toten oder lebenden Tuberke'baz.Ücn \..u
Einfluss auf den Gehalt an wirksamer Substanz zu se : n. D.e
Reaktionen waren allerdings ganz erheb”Ji sJiwächer. .,'s w ,r
sie nach TTiberknhnhautimpfürgcii s, lieg und sind m :h-er
Stärke nur als ganz schwache zu bezeichnen: sie wurd. u
aber nur dann als positiv gerechnet. wenn s :c sich gai 7 Jvutl.Ji
von der Kontrolle mit Karbol!« >s:n:g ur*ersJm den de in
sämtlichen JS Fällen negativ au-bc!. Die Koutnäle ’int ein¬
geengter Nahrboinläm (in 2> Kn'len) war 7ina' p n vo-
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1687
= 28 Proz., aber stets schwächer oder wenigstens weit
schneller ablaufend, als die mit den Dialysaten. Dazu wären
noch 4 zweifelhafte Fälle zu rechnen (= insgesamt 44 Proz.),
in denen eine Art positiver Reaktion eintrat, die aber nach
24 Stunden schon verschwunden war.
Bei 12 Fällen wurde gleichzeitig eine Hautimpfung mit un¬
verdünnter Bazillenemulsion vorgenommen, die zu einer er¬
heblich stärkeren Reaktion führte als die Impfung mit den
Dialysaten, aber in ihrer Stärke nicht die der Hautimpfungen
mit Tuberkulin erreichte, mit dem einige der Patienten früher
geprüft worden waren.
Die anatomische Untersuchung derartiger Reaktionen mit
Dialysat V von 3 Patienten, die auf die Impfung mit ein¬
geengter Bouillon gar nicht reagiert hatten, ergab nun das
bemerkenswerte Resultat, dass herdförmige Rundzellen¬
infiltrate, besonders im Verlaufe der Qefässe, zum Teil mit
epithelioiden Zellen, auftraten, in denen sich auch typische
Langhanssehe Riesenzellen finden. In einer 12 Tage nach
der Impfung exzidierten Impfstelle fand sich unter dem Epithel
von derartigen Zellinfiltraten mit Riesenzellen umgeben ein
nekrotischer Herd (Verkäsung), ein Bild, wie wir es auch bei
heilenden tuberkulösen Prozessen finden, besonders bei den
sogen, papulo-nekrotischen Tuberkuliden, die in erster Linie
als toxische Tuberkulosen angegeben worden sind. Es sind
das Veränderungen, die zwar weniger charak¬
teristisch sind, als die nach Tuberkulinhaut-
impfungen entstehenden, die aber von diesen
nur graduell verschieden sind und histo¬
logisch ebenfalls als tuberkulöse Strukturen
bezeichnet werden müssen.
Mir scheint hiermit der Beweis geliefert
worden zu sein, dass auch dialysierbare, aus
den Tuberkelbazillen stammende Stoffe fähig
sind, echte tuberkulöse Strukturen zu er,
zeugen und dass dazu weder Bazillen und ihre
Trümmer, noch gelöste Leibessubstanz (Endo¬
toxine) nötig sind. Damit ist auch bewiesen, dass nur ein
Teil (wenn auch vielleicht der grösste) der Wirkung des
Tuberkulins auf gelöste Eiweiss- bezw. einweissähnliche Stoffe
(Endotoxine, Kolloide) zurückgeführt werden und dass diese
Wirkung auch durch echte Lösungen erzeugt werden kann.
Vielleicht können zu diesen auch Abbauprodukte der Endo¬
toxine gehören, über deren Natur wir ja bishen eigentlich nichts
wissen.
Diese Frage ist zurzeit nicht zu entscheiden und für unsere
Untersuchungen auch von nebensächlicher Bedeutung. Das
Wesentliche ist, dass auch ohne Anwesenheit
von kbrpuskulären (selbst ultramikroskopischen) Be¬
standteilen der Tuberkelbazillen, also allein
durch echte Lösungen aus Tuberkelbazillen
stammender Stoffedas histologische Bild der
Tuberkulose erzeugt werden kann.
Was nun die Bedeutung meiner Befunde für die mensch¬
liche Pathologie anlangt, so ist, glaube ich, dadurch erwiesen,
dass „toxische“ Tuberkulosen Vorkommen können. Fast regel¬
mässig erweisen sich die sogen, toxischen Tuberkulosen (Ery¬
thema induratum, papulo-nekrotische Tuberkulide) im Tierver¬
such als avirulent, selbst wenn grosse Qewebsmengen verimpft
werden, trotzdem sie nicht selten sehr deutlich auf Injektionen
alten Koch sehen Tuberkulins lokal reagieren. Dass aber der
positive Ausfall der lokalen Tuberkulinreaktion nichts für eine
bazilläre Entstehung der Veränderungen beweist, geht auch
daraus hervor, dass Hautimpfungen nach v. Pirquet nicht
selten in weiter Ausdehnung (5 cm im Durchmesser und mehr)
auf solche Reaktionen reagieren und ebenso die Narben noch
monatelang nach erfolgter Exzision 3 ).
Die Lehre von den „toxischen Tuberkulosen“ hat jeden¬
falls damit eine Grundlage gewonnen, die ihr bisher fehlte.
Allerdings hat diese Frage mehr allgemein-pathologisches und
überhaupt theoretisches Interesse als praktische Bedeutung.
Es ist aber die Möglichkeit des Entstehens tuberkulöser Ver¬
änderungen ohne Mitwirkung korpuskulärer, aus den* Tuberkel-
fl ) Auch Impfungen mit Dialysaten aus Tuberkulin (histologisch
„Tuberkulose“) reagieren gelegentlich auf subkutane Injektionen
alten Kochschen Tuberkulins.
bazillero stammender Stoffe mit solcher Energie bestritten
worden, dass unsere Ergebnisse wohl der Mitteilung wert sind,
obwohl der von uns vertretene Standpunkt durchaus kein neuer
ist, sondern seitJahren den der allgemeinen Pathologie darstellt.
Es sei hier nur auf das Referat von J. Orth auf der 4. Versamm¬
lung der Deutschen pathologischen Gesellschaft hingewiesen
(Welche morphologische Veränderungen können durch Tu¬
berkelbazillen erzeugt werden? Hamburg 1901).
Aus dem Allgemeinen Krankenhause Eppendorf.
lieber die Much sehe granuläre Form des Tuber¬
kulosevirus.*)
Von Dr. Moritz W i r t h s, Volontärassistenten am patho¬
logischen Institut.
M. H.! Im Januar d. J. hat Herr Much im ärztlichen
Verein einen Vortrag gehalten über eine von ihm entdeckte
eigenartige granuläre Form des Tuberkulosevirus, über die er
bereits früher in den Beitr. z. Klinik d. Tuberkulose eingehend
berichtet hatte.
Much fand in Fällen von Tuberkulose, in denen trotz typi¬
scher histologischer Veränderungen und durch Kultur oder
Tierexperiment festgestellter Virulenz säurefeste Bazillen nicht
gefunden werden konnten, regelmässig verschieden grosse,
feine Körnchen, teils diffus zerstreut oder in Haufen zusammen¬
liegend, teils zu einer feinen Stäbchenform angeordnet. Diese
Körnchen unterscheiden sich von allen bisher gekannten For¬
men des Tuberkelbazillus dadurch, dass sie nur nach Gram
darstellbar, nach Z i e h 1 oder mit den sonstigen üblichen Me¬
thoden nicht färbbar sind 1 ). Ueber die Stellung dieser Körn¬
chen in der Biologie des Tuberkelbazillus gehen die Meinungen
auseinander: v. Behring erklärt sie gelegentlich einer Be¬
stätigung der Much sehen Befunde für auf bakteriolytischem
Wege entstandene Zerfallsprodukte des Koch sehen Tuber¬
kelbazillus, Much dagegen hält sie für eine Entwicklungsform
desselben, und zwar deshalb, weil er experimentell einmal
säurefeste Bazillen in die granuläre Form, dann diese wieder
in säurefeste Bazillen überführen konnte.
Much säte nämlich in Perhydrase-, also völlig keimfreie Milch
immunisierter Kühe eine Rindertubcrkelbazillenkultur ein; nach län¬
gerem Stehen bei 37° verschwanden die säurefesten Bazillen und es
waren nur noch die gramfärbbaren Körnchen übrig. Als jetzt der
Milch 2 proz. Glyzerin zugefügt wurde, traten wieder reichlich säure¬
feste Bazillen auf.
Die Much sehen Untersuchungen erstreckten sich haupt¬
sächlich auf tierische Tuberkulose; über einige weitere Gra¬
nulabefunde beim Menschen will ich Ihnen bereits heute be¬
richten, wenn auch die Untersuchungen noch nicht völlig ab¬
geschlossen sind.
Was zunächst die Untersuchungstechnik betrifft, so erweist
sich diese als bedeutend schwieriger und komplizierter, als es
nach den Much sehen Angaben den Anschein hat; diesem
Umstande ist es auch wohl zuzuschreiben, dass die Entdeckung
der Much sehen Granula so spät geschah.
Zur Darstellung der säurefesten Formen des Tuberkel¬
bazillus benutze ich die gewöhnliche Zrehl-Neelsen sehe
Methode: Färben mit konzentriertem Karbolfuchsin, Ausstriche
2 Minuten über der Flamme bei mehrmaligem Aufkochen
Schnittpräparate 1—24 Stunden bei 37° oder Zimmerterm
peratur; Differenzieren in verdünnter Schwefelsäure und abso¬
lutem Alkohol, bei Ausstrichen Gegenfärbung mit Löffler-
schem Methylenblau. Ich beschränkte mich auf diese Methode,
da sie nach vergleichenden im v. Behringseben Institut
ausgeführten Untersuchungen den übrigen, auch der Ehrlich-
schen völlig gleichwertig sein soll.
So sicher die Ziehl-Neelsen sehe Färbung, so unzu¬
verlässig die nach Gram.
*) Nach einem in der Biologischen Gesellschaft des Acrztlichen
Vereins Hamburg am 2. Juni 1908 gehaltenen Vortrage.
*) Auch die von E h r 1 i c h in den Charitee-Annalen, XI. Jahrgang.
1886 beschriebenen, mit Anilinfärbung und Differenzierung mit Na-
triumbisulfit dargestellten, an den Enden der Tuberkelbazillen ge¬
legenen eiförmigen Körperchen haben mit der Much sehen granu¬
lären Form nichts zu tun, da sie auch leicht bei starker Färbung nach
Ziehl gefärbt werden können.
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1688
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nu. 32.
Von den von Much angegebenen, zum Teil von anderen
modifizierten 3 Methoden:
1. Anilinwassergentianaviolett,
Lugo Ische Lösung,
Entfärben in Alkohol abs. und Nelkenöl
= Gram-Methode 1.
2. Methylviolett B. N-, 16 ccm gesättigte alkoholische Lösung in
100 ccm 2 proz. Karbolwasser (Aufkochen über der Flamme
oder 24 —48 Stunden bei 37 # ).
Jodjodkaliumlösung 1—5 Minuten,
5 proz. Salpetersäure 1 Minute,
3 proz. Salzsäure 10 Sekunden,
Azeton-Alkohol (ana)
— Qram-Methode 2.
3. Methylviolett B. N., Lösung wie oben (Aufkochen oder längere
Zeit bei 37°).
Jodkaliumwasserstoffsuperoxydlösung (5 g Jodkaliuni, 100 ccm
2 proz. H>0>) bis 2 Minuten,
Alkohol, abs.
~ Oram-Methode 3.
erwies sich mir die zweite als die einfachste und sicherste.
Es genügt aber meiner Erfahrung nach eine Färbedauer von
24 Stunden bei Zimmertemperatur. Bei längerer Einwirkung
der Farblösung treten leicht nicht mehr ganz zu entfernende
Niederschläge auf. Dagegen ist eine Verstärkung
der Jodierung auf 10—15 Minuten Dauer sehr zu
empfehlen; nur ist zu beachten, dass dann die an sich schon
rasche Differenzierung im Azetonalkohol noch schneller vor
sich geht. Zur Qegenfärbung bei Ausstrichpräparaten benutzte
ich eine stark verdünnte Karbolfuchsinlösung (1 Tropfen der
konzentrierten Lösung auf 1 Reagenzglas Wasser). Selbst¬
verständlich müssen sämtliche Lösungen kurz vor dem Ge¬
brauch stets von neuem filtriert werden.
Auch bei genauer Beobachtung dieser Vorschriften gelingt
die Färbung nicht immer. Es können natürlich nur völlig
durchdifferenzierte Präparate in Betracht kommen, da sonst
der Einwand erhoben werden kann, die Granula seien nichts,
als Niederschläge. Andererseits tritt schon bei geringer Ueber-
schreitung der Differenzierungszeit eine Entfärbung der Körn¬
chen ein. Erst nach längerer Zeit und Uebung gelingen die
meisten Präparate, auch dann hat man noch mit
häufigen Misserfolgen zu rechnen.
Von Bedeutung ist ferner die Tatsache, dass wie bei allen
Grampräparaten auch hier mit der Zeit Entfärbung eintritt;
und zwar erfolgt diese Entfärbung um so schneller, je stärker
die Jodierung war. Bei der angegebenen Jodierungszeit von
10—15 Minuten ist bereits nach 24 Stunden ein grosser Teil der
Granula entfärbt. Diese Entfärbung bietet aber wieder ein
nachträgliches Unterscheidungsmittel der Granula von Kohle
und anderem Pigment.
Man kann aber jederzeit die Präparate von neuem färben,
ohne dass Güte und Deutlichkeit darunter leidet.
Während bei der Tier- und zwar namentlich bei der
Rindertuberkulose säurefeste Bazillen verhältnismässig häufig
zu fehlen scheinen, ist dieser negative Befund bei menschlicher
Tuberkulose äusserst selten. Wenigstens fand ich unter dem
reichlichen Tubcrkulosematerial des Eppendorfer Kranken¬
hauses nur wenige Fälle, in denen eine sorgfältige Unter¬
suchung zahlreicher Präparate negativ ausfiel.
Eine Reihe von Fällen, in denen die Untersuchung nach
Z i e h 1 ein positives Resultat ergab, färbte ich auch nach
Gram. Ich fand regelmässig, wie ja auch von Much an¬
gegeben, mehr Stäbchen als nach Z i e h 1, ausserdem auch die
Much sehen Granula in ihren einzelnen Formen. Ich be¬
merke dabei, dass nur solche Fälle berücksichtigt wurden, in
denen durch die postmortale Blutuntersuchung eine Misch¬
infektion ausgeschlossen werden konnte. Die Granula lagen
stets intrazellulär, sowohl in den Riesen- wie auch in den
Epitheloidzellen, öfters auch in grossen, an der Peripherie der
Tuberkel gelegenen, an Makrophagen erinnernden Zellen.
Besonders schon war ein Fall von Miliartuberkulose bei einem
7 jährigen Kinde. Das Lungengewebe ist durchsetzt von teilweise
konfluierenden Fpitheloidtuberkcln mit zahlreichen Riesenzellen, aber
nur sehr geringer zentraler Nekrose. Kohlcpartikelchen sind reich¬
lich vorhanden, nicht aber im Zentrum der Tuberkel und in den
Riesenzellen. Im Ziehlpräparate finden sich typische Bazillen haupt¬
sächlich ln der Peripherie, nie mehr als 4-6 im Tuberkel, ganz ver¬
einzelt auch in den Riesenzellen, die meisten von diesen sind
aber frei.
Im Gram präparat sind ausser in der Peripherie auch
fast in allen Riesenzellen blauschwarz gefärbte Stäbchen und
Körnchen sichtbar, in geringerem Grade auch in den Epi¬
theloidzellen. Die Granula liegen stets intrazellulär, teils
isoliert, teils zu zweit oder zu dritt in einer Reihe, teils zu einer
feinen Stäbchenform angeordnet.
Interessant war auch ein Fall von isolierter Milztubcrkulnsc bei
einer 60 jährigen Frau. Bei der Sektion waren ausser alten Krcide-
herden in beiden Lungenspitzen sowie Verwachsungen beider Pleura¬
blätter keine tuberkulösen Veränderungen makroskopisch erkennbar.
In der Milz fand sich ein etwa erbsengrosses, derbes Knötchen mit
feiner strichförmiger Zeichnung, das das Aussehen eines Angmms
hatte, wofür cs auch anfangs erklärt wurde. Die mikroskopische
Untersuchung ergab das überraschende Resultat, dass der Tumor aus
kleinen Epitheloidtubcrkeln mit Riescnzellcn bestand: der tuberkulöse
Herd war scharf gegen die Umgebung abgesetzt, Riesen/cllen und
Zentrum der Tuberkel sind frei von Pigment. Nach Zieh! finden
sich keine Stäbchen, nur nüissig zahlreiche reihenweise angeordnete
feine Körnchen in den Epitheloidzellen. Im (i r a m - Präparat er¬
scheinen die Körnchen viel zahlreicher, sie liegen z. T. auch in
Reihen- und Stäbchenform, meist aber diffus zerstreut m den F.pi-
theloid- und den nach Ziehl freien Riesen/ellen. Beide Romchcn-
formen finden sich nur im tuberkulösen Gewebe.
Ich komme nun zu den Fällen, in denen eine genaue
Durchsuchung zahlreicher Präparate nach Ziehl negativ
ausfiel, in denen also weder Bazillen noch Körnchen gefunden
wurden. Es handelt sich um 3 Fälle von Drusentuberkulose
und 6 kalte Abszesse: bei letzteren ist das Fehlen säurefester
Bazillen ja das Gewöhnliche. Die Drüsen (2 mal Hals-, 1 mal
Mesenterialdriiscn) waren verkäst, teils mit hartem Käse, teils
mit flüssigem Eiter angefüllt. Das Vorhandensein anderer
Bakterien wurde stets durch genaue bakteriologische Unter¬
suchung (Ausstrich auf Blutagar. Glyzerinagar und Prygalski-
nührboden) ausgeschlossen.
In allen diesen Fällen fanden sich im G ram präparat die
M u c h sehen Granula, meist diffus zerstreut, seltener in Haufen
zusammenliegend, in einem Falle auch zu einer feinen Stab¬
ehenform angeordnet.
Bei einem Fall von Drusentiibcrkulosc. wo nur diffus zerstreut
liegende Granula sichtbar waren, brachte ich Stückchen der ver¬
kästen Drüse in Serumrohrchen. Nach s l agen oüncte ich ein Röhr¬
chen und untersuchte das (iew ebsstuckchen nach / i e h I und (i r a m.
Die Untersuchung nach Ziehl fiel rugativ aus. dagegen landen sich
nach Gram ausser den isolierten Granulis bereits ieme Mabchen-
forrnen. Nach weiteren 8 Tagen öffnete ich ein zweites Röhrchen:
die Stäbchenformen hatten im (i r a m - Praparat an Menge bedeu¬
tend zugenommen, nach Ziehl fand sich wieder nichts. Zweifeiios
werden sich bei den nächsten Fntnahmen auch nach Ziehl tarbbare
Stäbchen nachweisen lassen, wie dieses Much bei gleichen Ver¬
suchen mit Lungenstückchen perlsuchtiger Rinder gelungen ist.
In 5 anderen Fällen wurde zum Nachweis der Virulenz
3 resp. 4 ccm einer Boiiillonauischw emmimg des betreffenden
Drüsen- resp. Abszesseiters je 2 Meerschw emchen iniiziert. Bei
allen Tieren ergab die Sektion eine ausgedehnte Tuberkulose
der inneren Organe und zwar entsprechend der lnicktions-
weise der Mesenterialdriiscn, des Netzes. Milz. Leber. Hron-
chialdriiscn, in geringerem Grade auch d< r Lungen, ln Jen
Organen waren säurcieste Bazillen in Menge zu finden. In
sämtlichen Fällen gelang es ausserdem, im Peritoncalexsudat
nach einiger Zeit nach Ziehl färbbare Bazillen nach/uw eisen.
Das Peritonealexsudat wurde in Abstanden \on I 3 lagen
regelmässig entnommen und nach Ziehl und Gram unter¬
sucht.
Die Exsudatentnahmc erfolgt so, dass nach gründlicher
Reinigung der rasierten Bauchhaut mit Sublimat die Maut mit
kurzem Scherenschlag diirchtrcnut. dann mit einer über der
Stichflamme zu langer Spitze ausgezogener Glaspjpettc m die
Bauchhöhle eiugestocheu wird, worauf tlas Exsudat unter
stetem Heben und Senken der Pipette langsam in diese auf¬
steigt. Die kleine Wunde wird mit Kollodium verschlossen.
Anfangs fanden sich in den Exsudatzellen nur dieselben
Granula wie im injizierten Eiter, häufig aber schon zu einer
feinen Stäbchenform angeordnet: in der ruJiMcn Zeit traten
immer mehr nur rach Gram iärbbare Stäbcher.formen aut.
bis zuletzt auch im Z i e h I präparat typische Baz;!!cu sicht¬
bar wurden.
Es stimmt also das Ergebnis genau mit dem der gleichen
M u c h sehen \ ersuche überein : es wird die n u r n a c h
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1689
Gram färbbare granuläre Form in die säure¬
feste uni ge wandelt.
Das Umgekehrte trat ein, als ich gelegentlich einer anderen
Versuchsreihe einem Meerschweinchen eine Aufschwemmung
einer Reinkultur von säurefesten Bazillen injizierte 2 ).
Nach 24 Stunden fanden sich in den Exsudatzellen reichlich
nach Ziehl färbbare Stäbchen, aber bedeutend weniger als
man bei der injizierten Bazillenmenge erwarten musste. Nach
2 mal 24 Stunden hatte ihre Zahl noch mehr abgenommen, so
dass man annehmen konnte, ein grosser Teil wäre zu Grunde
gegangen oder bereits verschleppt worden. Wie irrig diese
Auffassung gewesen .wäre, zeigte das Gram präparat. In
den Exsudatzellen finden sich massenhaft Stäbchen mit allen
Uebergängen bis zu den isolierten Körnern. In den nächsten
Tagen wurde der Unterschied zwischen Gram- und Ziehl-
präparat immer geringer, doch war auch bei der letzten Ent¬
nahme noch eine deutliche Differenz zu erkennen.
Es wandelt sich also hier die nach Ziehl
färbbare Form in die nur nach Gram färbbare
granuläre um.
Das Peritonealexsudat bestand bei diesen Fällen aus poly¬
morphkernigen Leukozyten, grossen einkernigen Zellen und
Makrophagen — letztere in der Minderzahl. Stäbchen wie
Körnchen, bei Ziehl wie bei Gram, lagen fast ausschliess¬
lich in den grossen einkernigen Zellen und Makrophagen, häufig
von hellglänzenden Vakuolen umgeben. Aus der oben
beschriebenen intrazellulären Rückwand¬
lung der nur nach Gram färbbaren granulären
Form in die säurefeste ergibt sich meines Er¬
achtens für diese Fälle eine konservierende
Wirkung der grossen einkernigen Zellen und
Makrophag en.
Ein ganz anderes Bild erhielt ich, als ich einem anderen
Meerschweinchen Tuberkelbazillen in Reinkultur (0,01 g Tb.,
B. K. vom 8. IV. 08) + 2 ccm tuberkulösen Abszesseiter in¬
jizierte und das Peritonealexsudat mit dem zweier Kontrolliere
verglich, von denen das eine dieselbe Menge Tuberkelbazillen
+ 2 ccm NaCl, das andere 2 ccm desselben Eiters allein er¬
halten hatte. Hier waren die polymorphkernigen Leukozyten
bei weitem in der Mehrzahl und sie waren es hauptsächlich,
die Bazillen wie Granula aufgenommen hatten, während bei
den Kontrollieren der gewöhnliche obige Befund erhoben
wurde.
Mit demselben Eiter wiederholte ich einen Versuch, den
Much mit perhydratisiertem Streptokokkeneiter vorge¬
nommen hatte. Ich füllte je 2 com in 12 sterile Reagenz¬
röhrchen und fügte zu ledern 0,01 g Tuberkelbazillen (Tb., B. K.
vom 8. IV. 08) hinzu . In Abständen von 24 Stunden entnahm
ich regelmässig Proben, indem ich täglich ein Röhrchen mehr
öffnete. Bereits nach 24 Stunden stellte es sich heraus, dass
die säurefesten Bazillen zum grössten Teile verschwanden,
während das G r a m präparat, das alle Formen von Stäbchen
bis zu den isolierten Körnchen aufwies, annähernd gleich blieb.
Nachdem die Differenz in den nächsten 4 Tagen immer mehr
zugenommen hatte, vermehrte sich auf einmal die Zahl der
säurefesten Bazillen, wieder; bei der letzten Entnahme war eine
Differenz zwischen Ziehl und Gram nicht mehr zu er¬
kennen. Eine Wiederholung des Versuchs mit anderem tuber¬
kulösem Abszesseiter ergab das gleiche Resultat.
Wir haben also hier dasselbe Ergebnis, das Much bei
dem anfangs beschriebenen Versuche (Einsäen von Tuberkel¬
bazillen in Perhydrasemilch immunisierter Kühe) erhalten hatte,
d. h. es wandelt sich anfangs die nach Ziehl
färbbare säurefeste Form in die nur nach
Gram färbbare granuläre, später diese wieder
indiesäurefesteum. Dagegen stimmt es nicht mit dem
bei diem oben erwähnten Versuche Muchs mit Strepto¬
kokkeneiter erhaltenem überein; hierbei konnte Much kein
Wiederauftreten von nach Ziehl färbbaren Bazillen nach-
weisen, vielmehr verschwand hier auch der grösste Teil der
Granula.
*) Während es sich bei Muchs Versuchen um vom Rinde
stammende Tuberkelstämme handelte, benutzte ich stets vom Men¬
schen stammende Kulturen.
No. 32 .
Demonstration der Mikrophotogramme.
Fassen wir die Ergebnisse der Much sehen und meiner
Untersuchungen zusammen, so müssen wir zu folgenden
Schlüssen kommen:
Die Differenz im Z i e h 1 - und Gram präparat beruht, wie
Much bereits in seiner ersten Arbeit angab, darauf, dass der
I Tuberkelbazillus zwei färbbare Substanzen besitzt; von diesen
ist nach Much die eine nach Gram, die andere nach Ziehl
oder wie mir wahrscheinlich scheint, beide nach Gram, aber
nur die eine nach Ziehl färbbar. Diese nach Ziehl färb¬
bare Substanz geht unter gewissen Bedingungen verloren, die
nur nach Gram färbbare bleibt, indem die solide Stäbchen¬
form unter den beschriebenen Uebergängen in die isolierte
Körnchenform umgewandelt wird. Diese Körnchenform bleibt
virulent, ist also die resistenteste aller bisher bekannten Formen
des Tuberkelbazillus.
Die Umwandlung der säurefesten in die M u c h sehe Form
tritt ein, wenn säurefeste Bazillen in Perhydrasemilch oder
perhydratisierten Streptokokkeneiter wie bei den Much sehen
Versuchen oder wie bei meinen in die Bauchhöhle resp. das
Peritonealexsudat von Meerschweinchen oder tuberkulösen
Abszesseiter gelangen. Die Umwandlung muss also in Zu¬
sammenhang stehen mit gewissen in diesen Körpersekreten
suspendierten Substanzen, d. h. durch sie herbeigeführt
werden.
Dass ein Teil der Granula zerstört oder auch in eine andere
noch unbekannte Form überführt wird, erscheint wahrschein¬
lich, ist aber noch nicht bewiesen.
Wie dem auch sei, ein Teil der Granula hält sich konstant
und widersteht den einwirkenden, die nach Ziehl färbbare
Substanz auflösenden Stoffen. Haben sich diese erschöpft und
werden keine neuen produziert, so tritt eine Rückwandlung in
die säurefeste Form ein. So erklärt sich das Wiederauftreten
von nur nach Ziehl färbbaren Bazillen in M u c h s Milch- und
meinen letzten Eiterversuchen. Dasselbe geschieht, wenn nur
nach Gram färbbare Granula enthaltender Eiter in die Bauch¬
höhle der Versuchstiere gelangt: die Granula, die den ein¬
wirkenden Stoffen im Abszesseiter widerstanden haben, halten
auch den Angriff des Bauchhöhlenexsudates aus, und da sie
nachUeberstehendiesesAngriffesvor weite¬
ren Einwirkungen etwa neu produzierter
Stoffe im Zelleib der Exsudatzellen sicher
sind, steht auch hier einer Rückwandlung in die säurefeste
Form nichts im Wege.
Andererseits kann diese Rückwandlung im tuberkulösen
Abszesseiter in vivo nicht erfolgen, da ja immer neuer Eiter
und damit stets wieder neue Stoffe produziert werden, die die
etwa sich bildende nach Ziehl färbbare Substanz auflösen.
Es geht aus allem diesem ferner hervor, dass die an¬
fangs erwähnte Muchsche Auffassung zu
Recht besteht: die nur nach Gram färbbare
granuläre Form des Tuberkulosevirus ist
kein Zerfallsprodukt, sondern eine virulente
Entwicklungsform und zwar die resistenteste
allerbisher gekanntenFormendesKochschen
Tuberkelbazillus, sowohl des sogenannten
Typus humanus wie des Typus bovin us.
Die Bedeutung der Much sehen Entdeckung Hegt auf der
Hand. Sie erklärt uns manche bisher unverständliche Er¬
scheinungen im Verlauf der Tuberkulose, so das Fehlen oder
zeitweise Verschwinden von Bazillen trotz sicher bestehender
tuberkulöser Erkrankung. Sie ist ein weiterer Beweis gegen
die in anderen Ländern noch immer von vielen aufrecht er¬
haltene Behauptung, die Tuberkulose werde nicht durch den
Koch sehen Bazillus, sondern durch einen ganz anderen Er¬
reger hervorgerufen.
Durch sie wird auch vielleicht die noch immer strittige
Aetiologie der als glatte, gelatinöse Pneumonie
bekannten Form der Lungentuberkulose entschieden werden.
Es finden sich in solchen Fällen häufig weder Tuberkelbazillen,
noch andere Bakterien, und man betrachtet jetzt auf Grund der
Untersuchungen von F r ä n k e 1 und T r o j e diese Lungenver¬
änderungen als Effekte der giftigen Stoffwechselprodukte der
Tuberkelbazillen. Leider fand sich in den letzten Monaten kein
geeignetes derartiges Material, so dass ich die Anregung
3
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1600
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. !?.
von Herrn Fraenkel, diese Lungenveränderungen auf ;
Much sehe Granula hin zu untersuchen, noch nicht ausführen
konnte; ich behalte mir aber entsprechende Untersuchungen !
für die Zukunft vor.
Auf eine weitere, in letzter Zeit wieder aufgeworfene Frage
will ich noch kurz eingehen.
Bekannt ist die Idee M e t s c h n i k o f f s, die Larven der
Bienenmotte, die in ihren Körpersäften Wachs zu lösen im¬
stande ist, zu prüfen, ob sie auch die wachsartige Hülle der
Tuberkelbazillen auflösen könne, und diese gegebenenfalls zu
Immunisierungszwecken praktisch zu verwerten. M e t a 1 n i -
koff stellte tatsächlich ein Verschwinden der Bazillen fest;
Konstantino witsch, der die Versuche nachpriiite,
konnte dieses auch bestätigen, wies aber gleichzeitig nach, dass
ihre Virulenz bestehen bleibt. Dieser bisher unverständliche
Widerspruch erscheint mir jetzt geklärt: die injizierten säure- ,
festen Bazillen haben ihre nach Zichl färbbare Substanz ver- !
Ioren, sich in die nach Gram färbbare granuläre Form um¬
gewandelt und in dieser ihre Virulenz behalten. Den Beweis !
für diese Hypothese hoffe ich Ihnen demnächst erbringen zu j
können. |
Bekannt ist die vielumstrittene Lehre v. Bau nigartens |
von der kongenitalen Entstehung der Tuberkulose. Neuer- j
dings hat diese geistvolle Ansicht auf Grund klinischer Be¬
obachtung und anatomischer Erfahrungen durch K ra einer .
eine wichtige Stütze gefunden. Die als Erklärung für die re- |
lative Seltenheit tuberkulöser Veränderungen bei Neu¬
geborenen herangezogene Latenz der Tuberkelbazillen lässt j
sich vielleicht ebenfalls auf die granuläre Form zurückführen. ;
Die Entdeckung der M u c h scheu Granula gewährt uns (
also weiteren neuen Einblick in die Biologie des Tuberkel- |
bazillus. Sie bekräftigt ausserdem die alte Forderung, dass j
aus dem Fehlen oder Verschwinden von säurefesten Tuberkel- j
bazillen eine Tuberkulose weder für ausgeschlossen, noch für ,
geheilt erklärt werden darf, sondern dass hierfür einzig und 1
allein das Tierexperiment entscheidend ist. Aber eine
Reihe von Fällen, in denen begründeter Ver- !
dacht auf Tuberkulose besteht, säurefeste
Bazillen aber fehlen un d in denen es a u f ei n e
schnelle Diagnose a n k o ni m t, w i r d d u r c h d e u
Nachweis der nur nach Gram färbbaren g r a - '
n u 1 ä r e n Form des T u b e r k e 1 b a z i 11 u s künftig- !
hin zweifellos sofort entschieden werden
können. Diese konnte von S c h o 11 m ii 11 e r in¬
zwischen schon demonstriert werden.
Während der Drucklegung dieser Arbeit wurden mit
meinen die M u c h sehen Angaben bestätigenden Unter- 1
suchungen übereinstimmende Resultate von englischer Seite '
veröffentlicht. j
B i s Ii e r i g u L i t e r a t ii r. !
1. Much: Ucbcr die granuläre, nach Zichl nicht färbbare i
Form des Tuberkulosevirus. Beitr. z. Klinik d. Tuberkulose, Bd. VIII, |
H. 1. — 2. v. Behring: Beitrag zur Lehre von den Infektions¬
wegen der Tuberkulose. Tubcrkulosis, Vol. (>, September 1907. --
3. Michaelides: Line durch Ziehlfärbung nicht darstellbare l'orm
des Tuberkelbazillus. Beitr. z. Klinik d. Tuberkulose. Bd. VIII, M. 1.
— 4. Much: Ueber die nicht säurefesten bormen des K o c h sehen
Tuberkelbazillus. Beitr. z. Klinik d. Tuberkulose, Bd. s. 11. 4. -
5. Much: Die nach Zichl nicht darstellbaren bornien des Tuberkel- |
bazillus. Bcrl. klin. VVochcnschr. 1908, No. 14. — (>. C. A. I reu- i
holtz: Form of tubercle Bazils, which cannot bc coloured bv Ziehl j
System. Medical Record, January 11, 19ns.
Aus der Infektionsabteilung des Rtid. Virchow-Krankenhauses 1
(dirig. Arzt: Privatdozent Dr. J o c h m a n n) und der bakterio- |
logischen Abteilung (Vorsteher: Dr. T ö p i e r). j
Zur Frage der Spezifizität der Komplementbindungs- j
methode bei der Syphilis.
Von Privatdozent Dr. J o c h m a n n und Dr. T ö p f e r. j
Auf Grund ihrer Untersuchungen mit der Komplement- '
bindungsmethode bei nicht syphilitischen Kranken machten
Much und Eichelberg in der No. LS der medizinischen j
Klinik dieses Jahres die Mitteilung, dass im Serum von |
Scharlachkratiken in vielen Fällen Stoffe auftreten, die mit j
Wässerigem Luesextrakt die typische Komplementablenkungs-
■ klioii geben. Diese Mitteilung war geeignet, die praktische 1
Verwendbarkeit der W a s s e r m a n n sehen Syphihsreaktion
ganz erheblich zu beeinträchtigen.
Dass bei einzelnen, hierzulande nicht vorkommenden
Krankheiten, z. B. der Frambosie, die Reaktion positiv ausiallt,
ist für die Praxis nicht von grosser Bedeutung. Auch die
bereits wiederholt gemachte Beobachtung, die auch wir in
einem Falle feststellen konnten, dass bei der Lepra die Kom¬
plementablenkungsmethode positiv ausfallt, würde, wenn sie
sich als typisch für diese Krankheit erwiese, nicht so viel be¬
deuten als die Möglichkeit einer positiven Reaktion iniolge von
überstandenem Scharlach.
A priori wäre es ja denkbar, dass bei der noch unbekannten
Aetiologie des Scharlachs solche Erreger eine Rolle spielen,
die zu dem S\ philisv uns in naher verwandtschaftlicher Be¬
ziehung stehen, so dass hier eine Art Gruppenreaktion auftreten
könnte. Insofern hatte die Beobachtung von M u c h und
E i c h e Iber g, die sie unter 25 Fallen 15 mal gemacht haben,
auch ein ätiologisches Interesse. Aber stutzig musste man doch
werden bei der Ueberlegung, dass von den vielen Kontroll-
untersuchungen bei nichtsyphilitischen Kranken, die bei dem
Ausbau der Methode vorgenommen worden waren --
W a s s c r m a n n hat allein über Khki zusammengestellt --
niemals ein positiver Ausfall gesellen wurde, und doch hat
sicherlich ein hoher Prozentsatz dieser Nichtsyplulitischeii
früher Scharlach uberstanden.
Nun wäre es freilich noch denkbar, dass beim Scharlach
die Reaktion nicht so lange bestehen bleibt wie bei der Lues,
sondern bald nach Ablauf der KrankheitsersJieinungcii ver¬
schwindet. Jedenfalls war eine Nachprüfung der Angaben \on
A\ u c h und E i c h e I b e r g un Interesse der Brauchbarkeit der
Methode dringend erforderlich. Wir haben uns dieser Auf¬
gabe an dem Material der Infektionsabteilung des Rudolph-
Virchow-Krankenhauses alsbald unterzogen und können jetzt
über 33 Falle berichten.
Es wurden sämtliche in die Abteilung aufgen«•mmeiieii
Scharlachfalle untersucht, sowohl leichte wie schwere mit den
verschiedensten Komplikation«, n. Die Proben wurden an den
verschiedensten Kraukheitstagen entnommen, s.» dass w ir Unter¬
suchungen vom 1. bis zum 134. Jage nadi Beginn der akuten
Erscheinungen besitzen. In 12 Fallen wurde in verschiedenen
Stadien der Krankheit untersucht und festgestjlt, ub vielleicht
ein Serum, das im Anfang der Erkrankung negative Resultate
gab, im weiteren Verlauf des Scharlachs pos;u\ wurde. I eher
das Alter und den Krankheitstag der Geprüften gibt folgende
Aufzählung Rechenschaft:
Alter
KrlUg.
Alt- r
KrWtg.
1 .
M. M o r ne r
11
6
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S t
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9
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Wir wendeten die von Wassermann angegebene
Technik an, die auch Much und Eichelberg benutzten.
Als Antigen diente wässeriger Extrakt einer kongenitalen syphi¬
litischen Leber 1:5, der mit sicher luetischem Serum stets
Komplemeiitbindung gab, dagegen mit vielen Kontrollseris ver¬
schiedenster Herkunft keine Hemmung der Hämolyse ver¬
ursachte. Als Komplement wurde frisdies Serum von Meer¬
schweinchen verwendet, als hämolytisches System Serum
eines mit Hammelblntkorperchen behandelten Kaninchens nebst
einer 5 proz. Aufschwemmung von Manimcihiutkorpercheii in
physiologischer Kochsalzlösung.
Die zu untersuchenden Sera 1 ) wurden in Mengen von 0.4,
'I Lat I eil der Sera w urde gkich/«. ::,g /ur Km'tro .c vn
Pt. (i. M vier im Kgl. Institut für Infekt»i:>kran.r.he.lcn untersucht,
stets mit dem gleichen Resultat.
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11. August 1908 .
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1691
0,3, 0,2 ccm zur Reaktion verwendet. Als Kontrollen dienten
die gleichen Serummengen zusammen mit Extrakt einer nor¬
malen Kinderleber. Zur Bindung Hessen wir Komplement,
Serum und Extrakt eine Stunde bei 37 0 stehen. Darauf wurde
das hämolytische System hinzugesetzt und die Mischung so
lange im Brutschrank gelassen, bis die Kontrollen gelöst
waren. Nunmehr kamen die Gläser in den Eisschrank und am
nächsten Tage wurde das Resultat festgestellt.
Bei dieser Versuchsanordnung zeigten in 32 Fällen die
Röhrchen mit den Scharlachseris die gleiche Hämolyse wie die
Kontrolle; ein Fall (Gahr) verhielt sich etwas abweichend, hier
trat bei 0,4 ccm Serifm mit luetischem Extrakt eine volh-
kommene Komplementablenkung auf, bei 0,3 ccm geringe
Hämolyse, dagegen bei 0,2 ccm vollkommene Hämolyse,
während sämtliche Kontrollen dieses Falles mit 0,4, 0,3, 0,2 ccm
Serum und Normalextrakt vollkommene Hämolyse zeigten. Die
Untersuchung dieses Falles wurde nach 8 Tagen wiederholt
und gab diesmal auch bei Verwendung von 0,4 und 0,3 ccm
Serum ebenso wie mit 0,2 ccm vollkommene Hämolyse.
Es ist also zu betonen, dass auch in diesem Falle nur
vorübergehend und nur bei höheren Serummengen ein Unter¬
schied erkennbar war, während die bei der Syphilisreaktion
gebräuchliche Menge von 0,2 ccm Serum keine Spur von
Hemmung hervorrief.
Wir können also auf Grund der Untersuchungen von
33 Fällen die Angaben von Much und Eichelberg nicht
bestätigen. Die Komplementablenkungsmethode ist daher nach
wie vor für die Diagnose der Syphilis als praktisch brauchbar
und zuverlässig zu betrachten.
Ueber die Behandlung scharlachkranker Kinder/)
Von Karl Oppenheimer in München.
M. H.! Die Ankündigung eines Vortrages über die Be¬
handlung scharlachkranker Kinder könnte in einem Kreise von
Kinderärzten als ein merkwürdiges, fast als ein unbescheidenes
Unterfangen erscheinen. Die Tatsache aber, dass die Be-
handJungsweise beim Scharlach, wie ich sie in nunmehr
18 jähriger Praxis bei zahlreichen Fällen ausgeprobt habe, sich
wesentlich von der in sämtlichen Lehrbüchern angegebenen
Therapie unterscheidet, mag meinen. Wunsch begreiflich er¬
scheinen lassen, eine Aussprache unter Fachkollegen herbei¬
zuführen.
Zwei wichtige Fragen sind es, die bei der Scharlach¬
behandlung auftauchen:
1. Sollen Bäder gegeben werden?
2. Wie soll die Diät geregelt werden?
Heubner 1 ) gibt Bäder mit Uebergiessungen nur bei stärkerer
Benommenheit und heftigen Delirien; sonst rät er, wo das Bedürfnis
vorliegt, das Fieber zu beeinflussen, „fleissig kühle Umschläge über
Vorderfläche von Brust, Leib und Oberschenkel machen zu lassen“.
B a g i n s k y *) empfiehlt bei hohen Temperaturen kühlende
Bäder, „vorausgesetzt, dass Bäder überhaupt ertragen werden; ist
dies nicht der Fall, so rät er zu kalten Einpackungen“.
F i s c h 1 s ) empfiehlt bei hohem Fieber laue oder langsam abge¬
kühlte Bäder mit kühler Uebergiessung des Kopfes als sehr be¬
ruhigend. Kalte Bäder erklärt er für kontraindiziert.
Bohn 4 ) hält Eisblase bei 39 0 für genügend, eventuell Ab¬
waschungen mit kaltem Wasser; sowie aber die Temperatur 39,5
übersteigt, sollen kalte Bäder in Anwendung kommen. Seifert,
Unger und Frühwald empfehlen auch Einpackungen; bei
höherem Fieber dagegen Bäder. Nach Seitz s ) ist das initial hohe
Fieber zu bekämpfen nicht notwendig, doch erweisen sich weiterhin
laue Vollbäder von guter Wirkung.
Schick 6 ) hat Verordnung von Bädern mit kühlen Ueber¬
giessungen verlassen, weil sie keinen nachweislichen Nutzen boten.
Als Antipyretikum empfiehlt er bei Temperaturen von über 39,5
Packungen mit 15—20gradigem Wasser, doch seien diese mit Vor¬
sicht anzuwenden wegen der Gefahr der Unterkühlung.
*) Vortrag, gehalten in der Münchener Gesellschaft für Kinder¬
heilkunde.
*) Lehrbuch für Kinderheilkunde, 1903, Bd. 1 , S. 387.
*) Lehrbuch für Kinderheilkunde, 1902, S. 160.
*) Lehrbuch der Kinderkrankheiten von Biedert und F i s c h 1,
1902, S. 675.
*) Gerhardt: Handbuch der Kinderkrankheiten, 1877, S. 289.
5 ) Grundriss der Kinderheilkunde, 1894, S. 175.
®) Handbuch der Kinderheilkunde von Pfaundler und
Schlossmann, 1906, S. 702.
Die meisten deutschen Autoren raten also bei hohen
Temperaturen zur Verabreichung von Bädern mit kühlen
Uebergiessungen, wenn sie auch nicht so radikal Vorgehen
wie Leichtenstern 7 ), der täglich mehrmalige kühle Voll¬
bäder empfiehlt und zwar vorwiegend ihrer Fieber herab¬
setzenden Wirkung wegen.
In ausserdeutschen Lehrbüchern ist diese Therapie nicht
vertreten. J a k o b y 8 ) präzisiert seinem Standpunkt mit den
Worten: „Hohe Temperaturen bedingen kein Eingreifen, so
lange Herz und Hirn nicht in Mitleidenschaft gezogen sind“.
Dieselbe Ansicht vertreten auch R i 11 i e t und B a r t h e z 9 ).
Bei mir finden Bäder, Uebergiessungen und kalte Stamm¬
umschläge in der Behandlung Scharlachkranker keine An¬
wendung.
Ich bekenne mich zu den Anhängern der Anschauung,
dass im Fieber die erste natürliche Heilwirkung zu erblicken
sei, eine Ansicht, von der K r e h 1 10 ) sagt, sie habe die Geister
beherrscht bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts und sie
fange jetzt an, wieder modern zu werden.
Bäder mit kalten Uebergiessungen schätze ich sehr hoch
ein; ich wende sie aber nur an, wenn ich eine Einwirkung auf
das Nervensystem, besonders auf das Atemzentrum erzielen
will. Diese Indikation aber könnte beim Scharlach doch nur
in den schwersten Fällen in Frage kommen und da ist, wie wir
wissen, jede Therapie so ziemlich machtlos “). Manche
Autoren sind von der Anwendung der Bäder zurückgekommen,
weil sie einen schädigenden Einfluss auf das Herz befürchten.
Eimer anderen Gefahr, nämlich der Möglichkeit einer Er¬
kältung wird nirgends Erwähnung getan. Das ist um so auf¬
fallender, als der vielfach für veraltet angesehene Begriff der
Erkältung z. B. durch Heubner an anderer Stelle noch auf¬
recht erhalten wird. Heubner 12 ) lässt seine Masernkranken
nicht baden, „der möglichen Erkältung wegen“.
Was nun Heubner bei den Masern- offenbar für die
Lungen fürchtet, das fürchte ich beim Scharlach für das, bei
dieser Erkrankung am meisten gefährdete Organ, für die Niere.
Aus demselben Grund wende ich auch keine Stammumschläge
an. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass durch die 1 bis
2 stündlichen kalten Umschläge, wie sie von den meisten
Autoren empfohlen werden, eine beträchtliche Abkühlung der
Nieren hervorgerufen wird und das umsomehr, als ja diese
Umschläge gerade in der Nierengegend appliziert werden.
Die Richtigkeit dieser Vermutung ist gerade in den letzten
Wochen durch Siegel 13 ) in der Kraus sehen Klinik experi¬
mentell bewiesen worden.
Siegel legte bei Hunden Eis auf die Nierengegend; durch
dieses Verfahren konnte er bei sämtlichen Versuchstieren
Nephritis hervorrufen.
Er fasst die Resultate seiner Arbeit in die These zusammen:
„Die Tatsache der Entstehung einer akuten Nierenentzündung
durch Erkältung und zwar Durchnässung ist experimentell be¬
wiesen“.
Was aber bei einem gesunden Tier durch Applikation von
Eis bewirkt werden kann, das kann wohl bei einem zur Nieren¬
entzündung disponierenden Menschen durch weniger inten¬
sive Kälteeinwirkung auch erreicht werden.
Ich möchte hier erwähnen, dass ich in der Erkältungsfurcht
so weit gehe, dass ich ein scharlachkrankes Kind z. B. bei der
Untersuchung niemals ganz entblösse und dass ich laue
Waschungen nur in der Weise erlaube, dass Glied um Glied
rasch abgewaschen und sofort tüchtig abgetrocknet und wieder
bedeckt wird.
Im ersten Fieberstadium ist meine Behandlung rein expek-
tativ; sie passt sich vollständig dem Bedürfnis des scharlach-
kranken Patienten an; meist hat ein derartiges Kind nur das
einzige Verlangen, man möge es in Ruhe lassen. Diesem
Wunsch nun suche ich in weitgehendstem Masse Rechnung zu
tragen. Hat das Kind Kopfschmerzen, so lasse ich ihm kühle
Tücher auf den Kopf legen; wirft es die Kompressen unwillig
7 ) Deutsche med. Wochenschrift, 1882, S. 599.
8 ) Therapeutics of infancy and childhood, 1898, S. 236.
9 ) Traitö des maladies des enfants, 1843, S. 658.
10 ) Pathologische Physiologie von Ludolf Krehl, 1906, S. 495.
u ) Heubner: 1. c.. S. 389.
la ) 1. c. S. 308.
13 ) Deutsche med. Wochenschrift, 1908, No. 11.
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1692
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
weg, was häufig vorkonimt, so lasse ich den Versuch nicht
mehr wiederholen. Wenn das Kind Durst hat, lasse ich es
nach Belieben trinken und zwar Zitronenwasser, Himbeer¬
wasser oder reines Brunnenwasser, das manche Kinder vor¬
ziehen. Häufig überwiegt das Ruhebedürtnis den Durst; in
diesem Fall lasse ich natürlich das Kind nicht zum I rinken
nötigen. Ebenso wenig erlaube ich, dass die Eltern in ihrer
grossen Angst vor einer Entkräftung das Kind zum Essen
zwingen. Oft bedarf es grosser Ueberredungskünste, um
den Leuten begreiflich zu machen, dass das Kind nicht so
schnell Gefahr läuft, zu verhungern.
Uebrigens versuche ich schon am 2. oder 3. Tag dem
Patienten mit Thee verdünnte Milch zu reichen. Wird diese
verweigert, was häufig der Fall ist, so stehe ich nicht an, das
Kind ohne jede Nahrung zu lassen, bis nach wenigen 'lagen
mit dem Sinken des Fiebers und dem Abklingen der akuten,
schweren, toxischen Erscheinungen der Appetit zurückkehrt.
Nun beginnt ein wichtiger Teil der Behandlung: die Rege¬
lung der Diätetik. Bei keiner Infektionskrankheit spielt die
Diät eine so wichtige Rolle wie beim Scharlach und zwar
wegen der hier bestehenden bekannten Disposition zu Nieren¬
entzündungen. Als hauptsächlichste Nahrung für Scharlach¬
kranke wird von allen Autoren Milch empfohlen, obgleich von
den meisten der prophylaktische W ert dieser Diät bestritten
w ird. So sagt z. B. H e u b n e r "): „Zw ar ist die Behauptung
sicher falsch, dass man durch diese Massregel die Entwicklung
der Nephritis hindern könne, aber es ist nicht ausgeschlossen,
dass man durch zu frühzeitige Zufuhr von extraktivstoffreicher
Eiweissnahrung die Nieren reizt und so die Nephritis herbei¬
führen hilft“. Einzelne, wie Biedert*') geben ausschliess¬
lich Milch.
Fi sch 1 hält nicht viel von der ausschliesslichen Milch¬
diät, weil sie so häufig zur Inanition führt. Diese Ansicht wird
wohl die meisten Autoren bestimmt haben, neben Milch auch
Milch und Mehlspeisen einzuführen. Schick erlaubt neben
Milchspeisen auch Butter, falsche Suppen und Kompot.
Seitz gibt in der ersten und zweiten Woche vorwiegend
Milchdiät, dazu Getreidemehlsuppen und Eier, später Brei und
erst nach der dritten Woche Fleischkost. Baginskv
empfiehlt vorwiegend vegetabilische Kost; er leugnet den Wert
der prophylaktischen Diät, wenn er auch den Eindruck hat,
dass die bei vegetabilischer Kost entstandene Nephritis einen
leichteren Verlauf nimmt, eine Anschauung, die auch Schick
teilt.
Ziegler" 1 ) tritt lebhaft für die prophylaktische Diät ein.
Er gibt Milch bis zu 3 Liter, daneben Zwieback und Semmeln.
Bei Durchführung dieser Diät hat Ziegler keinen einzigen
Fall von Nephritis nach Scharlach beobachtet. Vergleichende
Untersuchungen haben den deutlichen Beweis für die Superiori-
tät der prophylaktischen Diät ergeben. Bei SU mit dieser
Diät behandelten Scharlachkranken kam kein Fall von Nephritis
vor, während unter den Patienten, die andere Kost erhalten
hatten, in 21 Proz. aller Fälle eine Nierenentzündung sich an
den Scharlach anschloss. Ein Resümee aus den gesamten
Literaturangaben zeigt, dass dem Scharlachkranken in erster
Linie der Genuss von Fleisch verboten wird. Wodurch aber
das Fleisch schaden soll, ob durch sein Eiwciss oder vielleicht
durch seine Extraktivstoffe wie H c n b n e r und Schick an¬
nehmen, wird zumeist nicht angegeben. Darüber, ob Eier
gegeben werden sollen oder nicht, finden sich in den meisten
Lehrbüchern überhaupt keine Angaben.
Einzelne Autoren, w ie Seitz und S t r ii m pell 17 )
führen sie direkt neben der Milch als erlaubt an; die meisten
aber tun, wie schon hervorgehoben, der Eier überhaupt keine
Erwähnung. Es ist dies umso merkwürdiger, als gerade über
die Beziehung des Eiergenusses zur Albuminurie und zur
Nephritis eine ziemlich umfangreiche Literatur besteht.
Als einer der ersten hat Senator |s ) für den Nephritiker
reine Milchdiät verlangt und sich gegen die Darreichung von
Eiern energisch ausgesprochen. Dieses strikte Verbot des
n ) 1. e. S. 387.
*’’) Lehrbuch der Kinderkrankheiten, ls‘M. S. 515.
’“) Berliner klinische Wochenschriit. I.xu2, S. 25.
1 *) Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie, l ( >u7, S. 5s.
Js ) Berliner klinische Wochenschrift, iss>, S. 7-42.
«ns Co gle
No. 32.
Eiergenusses bei Nephritis gründet er auf die Resultate der
Tierexperimente von Stock vis und Lehmann, d. h. auf
die Tatsache, dass nach Iniektion von Mul: .ereiw eiss eine
Albuminurie aufgetreten war.
Diese Versuche wurden des Heileren nachgepfuit unter
anderen auch von P r i o r. ,w )
Dieser Autor fand bei Darreichung \ koaguliertem
Eiweiss in der Regel keine Albuminurie. dodi kann eine
solche auftreten.
Wurde das Hühnere iw eiss in rohem Zustand gegeben, so
sah er schon bei Darreichung von kleinen Mengen Albuminurie
auftreten, wenn die Tiere gehungert hatten, also geschwächt
waren.
Beim chronisch nierenkranken Der rufen weder koagu¬
liertes noch rohes 1 luhucreiw eiss eine \ermdirung der Ei-
w eissaiisscheidung hervor. Ist dagegen die Nephritis akut,
z. B. durch Kantharidin hervorgeruien. so tritt bei E.weiss-
genuss erhöhte Albuminurie auf.
In neuerer Zeit wurden die betr. \ ersuche wieder aufge-
nonunen und durch A s c o 1 1 ;,, 1 mittels der biologischen Prä¬
zipitin renktion nachgeprüft.
Ascoli kommt zu dein Schluss:
„1 >as Liw eiss \ crur s.u lit. m massigen Mengen gestirnten In !i-
\ nliieil per os verabreicht, keine Albuminurie. Bei SiefenKranke n
hingegen kann es unter denselben Bedingungen \otn B.ute ui tän
Harn, das Niereiitiite r passierend, uhe i geben; dasselbe trp’t t. r d:e
alimentäre A Ihunnnnr ie nach < lemiss c\/essi\ er Mengen r« »her Der
bei Individuen mit sehembar intakten Nieren /u um! /war ist es in
beulen ballen möglich, im Harn sow.dil Dereiweiss a;s Blute iwensv
nach/uw eisen."
K I c m p e r c r *') zitiert die Ascolisdun \ ersudie: er
gesteht zu. dass der Nierenkranke empfindlicher ist für in
seinem Blut kreisendes natives Ovalbumm. aber er zieht aus
dieser Tatsache eine Schlussfnlgei img, die smh bei \scoli
nicht findet; Klein purer erklärt iiamlkh im \ erbot des
Fiergeimsses für den Nierenkranken nicht für gerechtfertigt,
sondern nur eine Einschränkung und auch diese eigentlich nur
in bezug auf rohes Eiweiss.
In Sperrdruck hebt er hervor, dass das Etv\eis> m massigen
Mengen genossen, dem Nierenkranken erlaubt ist; der Genuss
roher Eier mag ihm vorsichtshalber verboten werden.
Mit dieser These nun kann suh. glaube kh. der Praktiker
nicht einverstanden erklären. Wenn es sich darum handelt,
einen chronisch Nierenkranken zu ernähren, mag d,e Auf¬
fassung Klein perers zu Recht bestehen. Gerade beim
chronischen Nephritiker zeigt sich oft die Notwendigkeit, in der
Diät möglichst zu variieren, um Appetit und Stimmung dis
Patienten auf der Hohe zu erhalten.
Bei der prophylaktischen Di.it der S Jur Lu bk ra:;ke*t
kommen diese Bedenken kaum m Erage. weil es skh ia nullt
um eine lange Zeitdamr. sondern im Inubsun Fall JoJi nur
um b Wochen handelt. Ein Schaden für die < iesim.ihei! w ird dem
Patienten aus der Verordnung der prophv laktisdien I bat kaum
erwachsen. Wenn Prior bei liefen, die gehungert hatten,
also geschwächt waren, durch Darreichung Von geringen
Mengen Eiweiss hat Niplmtis erzeugen konm.ii. so kann ich
| mir vorstellen, dass der Sdiarludikranke. eiessen Niere durch
die Erkrankung an und für suh geschwächt ist. auf Eier eben¬
falls anders reagiert als der Gesunde.
I c h v erbiete als n d e m Schar! a c Ii k r a n k e n
v o n v o r n h e r e i n d eil G e miss v o n E i e r n und gehe
darin so weit, dass ich selbst Mehlspeisen. J.e mit Ehern zu-
bereitet werden, aus seinem Speise/eitel aussjiahe.
E.me Kost, die ausschliesslich aus Mi!di und Milchspeisen
besteht, würde ich fur altere Kinder für viel zu emtomg halten*,
sie würde auch auf die Dauer von b Wochen Schwerlich mit
Appetit genommen w erden.
Ich erlaube deshalb mit Ausnahme von Ehern. ELisdi und
Eleischsiippe. alles. Was ein gesucht, s Kind audi essm darf.
„Liegen Kdhlehv Jrate und Eeiie bestellen, w :e K I e m p e r e rd
sagt, von Seiten der erkrankten Niere kurte Bedenken. da die
’ Zeitschrift für klinische Mi •!: on. 1 s, B.mJ. S. 'b\
L '") Mimcli. ineil. \\ «>c Ia nsciir.. l'/o2. S. -Du.
•') Handbuch der Ernahf«ngstlierap:c und Ib.itet'tk. P *-4. II. BJ..
S. Dl.
-Ü I. c.
OflgEnab ftorri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Niere mit ihrer Verarbeitung direkt nichts zu tun hat.“ Auch
gegen Gemüse ist nicht das geringste einzuwenden; Schädi¬
gungen durch den Genuss von Gemüsen sind nicht bekannt.
Würde sich irgend ein Stoff als gefährlich für die Niere heraus-
stellen, so würde er natürlich sofort aus dem Speisezettel
eliminiert werden. Auf Grund der neueren Erfahrungen habe
ich z. B. seit 3 Jahren den Kochsalzgenuss noch mehr ein¬
schränken lassen. Eiin sehr starkes Salzen der Speisen kommt
ja ohnedies bei fleischloser Diät kaum in Frage.
Was ein scharlachkrankes Kind nach meinem Regime
ungefähr zu essen bekommt, mag aus folgenden Stichproben
hervorgehen, die ich den Aufzeichnungen einer Mutter ent¬
nehme.
Am 13. Tag ihrer Erkrankung bekam das 8jährige Mädchen:
Morgens 8 Uhr: Va Liter Milch, ein Butterbrot. 11 Uhr: Vi Liter
Milch, ein Zuckerbrot. 2 Uhr: 100g Spinat mit 15g Butter und
etwas Mehl zubereitet, 100 g Kartoffel, 2 Brote, 80 g gedünstete
Aepfel. 5 Uhr 30 Min.: 1 Butterbrot, !4 Liter Milch. 8 Uhr: 2 Zwie¬
back, Va Liter Milch.
Am 14. Krankheitstag:
6 Uhr: V* Liter Milch. 8 Uhr: Va Liter Milch, 2 Butterbrote.
11 Uhr: V i Liter Milch, ein Brot. 2 Uhr: 50g Reis mit Vz Liter
Milch und 25g Zucker zubereitet, 80g gedünstete Aepfel. 6 Uhr:
Va Liter Milch, ein Butterbrot. 8 Uhr: 50g Spinat mit 15 g Butter
und etwas Mehl, 2 Brote.
Um diesen Speisezettel möglichst variieren zu können,
habe ich seit ca. 8 Jahren eine Anzahl von Rezepten für Mehl¬
speisen ohne Eier gesammelt, die von den Kindern gern ge¬
nommen werden .
Bezüglich der übrigen Massregeln bei Behandlung der
Scharlachkranken kann ich mich sehr kurz fassen. Ueber das
Scharlachserum stehen mir Erfahrungen nicht zu Gebote.
Selbstverständlich bleibt der Scharlachkranke im Bett und
zwar, und darin gehe ich vielleicht etwas zu weit, 5 bis
6 'Wochen lang. Zu dieser weitgehenden Massnahme veran¬
lasst mich die Erwägung, dass nach 4—5 Wochen noch eine
Nierenentzündung entstehen kann. So lange diese Gefahr,
wenn auch nur entfernt besteht, halte ich den Patienten im
Bett. In der 5.-6. Woche pflege ich das Kind warm zu baden;
der Körper und der behaarte Kopf werden nach tüchtiger Ab-
seifung mit einer 1 proz. Sublimatlösung abgewaschen.
Bei der Scharlachbehandlung, wie ich sie eben dargelegt
habe lege ich das Hauptgewicht auf die Ausschaltung von
2 Faktoren, die meiner Ansicht nach eine Schädigung der beim
Scharlach ohnedies gefährdeten Niere hervorrufen könnten,
das sind:
1. die Bäder und kalten Einpackungen,
2. die Darreichung von Fleisch, Fleischsuppe und Eiern.
M. H.! In den 18 Jahren, seit ich Praxis ausübe, hatte ich
sicher schon über 150 Scharlachkranke zu behandeln; ich habe
alle erdenklichen Komplikationen gesehen, ich habe 3 Fälle
durch den Tod verloren — noch niemals aber habe
ich eine Nierenentzündung entstehen sehen.
Einer unserer hervorragendsten Kliniker, mit dem ich über
diese Erscheinung einmal sprach, führte sie auf einen Zufall
zurück.
Ich vermag natürlich nicht zu entscheiden, ob mir in der
Tat der Zufall so hold war. ob vielleicht die günstigen Resul¬
tate damit Zusammenhängen, dass es sich ausschliesslich um
Kinder gutsituierter Eltern handelt, da ich andere dem Spital
zu überweisen pflege oder ob die Vorsicht bei der Behandlung
das ausschlaggebende Moment darstellt.
Jedenfalls habe ich durch meine Therapie niemals einen
Schaden entstehen sehen und das ist fiir mich Grund genug,
nicht <nur diese Behandlungsweise weiterhin selbst beizu¬
behalten, sondern sie auch Ihnen, m. H., hiermit zur Nach¬
prüfung zu empfehlen.
Am Schluss meiner Ausführungen angelangt, sei es mir
nun noch vergönnt, eine Anregung bezüglich der Durchführung
der Prophylaxe zu bringen.
Die Verfasser unserer gebräuchlichsten Lehrbücher sind
ausnahmslos darin einig, dass bei Behandlung des Scharlachs
das Bestreben nach Einschränkung der Ansteckungsgefahr als
eine der wichtigsten ärztlichen Massnahmen zu gelten haben.
Wie Sie alle wissen, ist es oftmals sehr schwer, dieser theore¬
tischen Erkenntnis praktisch zur Durchführung zu verhelfen.
Will man die gesunden Geschwister eines scharlachkranken
169 3
Kindes ausserhalb des elterlichen Hauses unterbringen, so er¬
geben sich alle möglichen Schwierigkeiten . Da man niemals
mit Bestimmtheit sagen kann, ob derartige Kinder nicht schon
infiziert sind, werden sie nirgends gern aufgenommen; Familien,
in denen Kinder sind, scheiden von vornherein aus.
Eine Trennung der gesunden von den erkrankten Kindern
im elterlichen Hause selbst ist nur unter grossen Unbequem¬
lichkeiten durchzuführen und gewährt sehr geringe Garantien.
Unter diesen Umständen kann ich Heubners Vorschlag
vollkommen gutheissen, der dahin lautet, man möge das schar¬
lachkranke Kind sofort nach Feststellung der Erkrankung in
ein Spital verbringen. Dies würde mir in der Tat als die
glücklichste Lösung der Frage erscheinen. Praktisch wäre
diese Massregel, wenigstens in besser situierten Kreisen, mir
unter zwei Bedingungen durchzuführen:
1. Müsste der Mutter gestattet werden, ihr krainkes Kind
zu begleiten und es im Spital selbst zu pflegen.
2. Müssten die Eltern die Möglichkeit haben, dem Arzt
ihres Vertrauens auch weiterhin die Behandlung zu überlassen.
Wären diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so würde
sich,-wie Heubner meint, tatsächlich nur der Ort des
Krankenzimmers ändern. Die Privatindustrie, die Heubner
für ein solches Unternehmen interessieren möchte, wird meines
Erachtens kaum für die Sache zu haben sein. Vor kurzem
erst kam ich selbst in die Lage, einer Dame, die die Idee hatte,
eine Klinik für Infektionskranke einzurichten, von diesem
Unternehmen abzuraten, weil ich den finanziellen Zusammen¬
bruch voraussah.
Es besteht nach meiner Ansicht das dringende Bedürfnis
mach einer solchen Anstalt, aber sie müsste aus öffentlichen
Mitteln errichtet werden.
Der Gesellschaft für Kinderheilkunde möchte ich deshalb
die Erwägung anheimgeben, ob nicht an den Magistrat der An¬
trag zu richten wäre, bei Erbauung des neuen Krankenhauses
möge der Pavillon für Infektionskranke in der Weise ausser¬
halb des Reglements gestellt werden, dass dort jeder Arzt die
von ihm eingewiesenen Patienten weiter behandeln dürfte.
Zur Behandlung der Sommerdurchfälle der Kinder.
Von Dr. Max G o e t z in Leipzig-Plagwitz.
Mit der heissen Jahreszeit stellen sich, in ihrer Menge
ganz der Witterung entsprechend, die Durchfälle der Säuglinge
ein; ist der Sommer heiss, so ist die Sterblichkeit gross, ist
er kühl, so ist sie gering.
Die Erfolge der Behandlung mit Arzneien sowohl, als mit
sogen, physikalischen Heilmitteln sind die denkbar schlech¬
testen, am schlechtesten in den Krankenhäusern, selbst in gut
geleiteten.
Das einzige Mittel, was, bei Zeiten angewendet, helfen
kann, ist Entfernung der Kinder aus der Hitze!
Ich rate in jedem Falle von Brechdurchfall, das Kind von
früh 7 bis abends 10 Uhr in den Keller zu stellen, lasse, je
nach dem Fieberzustande, ein oder mehrmals baden und
1—2 Tage lang nur Thee mit Saccharin und etwas gutem Rum,
bei eintretender Besserung Grützenschleim, dem später konden¬
sierte Milch beigefügt wird, geben. Im übrigen können
selbstverständlich alle anderen geeigneten Mittel (gestrickte
wollene Leibbinde — bei armen Leuten aus einer in der Naht
aufgeschnittenen Strumpflänge billig herzustellen —, hydro-
pathische Dreiviertelseinpackungen, Kalomel, Resorzin, Wis¬
mut etc.) angewandt werden; nach jedem Bade lasse man die
Füsse, die nicht kalt bleiben dürfen, gut frottieren. Die Erfolge
sind, wenn meine Vorschläge ungefähr 4—8 Tage befolgt
werden und der Zustand noch nicht sehr lange besteht, vor¬
züglich; die Sache hat nur einen Haken, unter zehn Müttern
ist kaum eine dazu zu bringen, dass sie sich mit dem Kinde
in den Keller setzt; der ist entweder zu dumpf oder zu feucht
oder er enthält Ratten oder die Nachbarn sind nicht einver¬
standen — kurz, das durchschnittliche Arbeiterpublikum hie¬
siger Gegend ist nicht einsichtig genug, meinen Rat zu befolgen ;
bei verständigen Eltern und in Krankenhäusern sollte aber der
Versuch meines Erachtens entschieden gemacht werden. Die
Keller der Wohnhäuser in Leipzig haben durchgängig auch im
Hochsommer selten eine Temperatur über 18° C.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1694
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32 .
Ich füge noch ein Wort über die eingedampfte Milch
(Cham oder Pfund) bei, die ich seit vielen Jahren mit bestem
Erfolge als sommerliches Nahrungsmittel für kleine Kinder an¬
wende. Durch Billigkeit, Haltbarkeit und gute Bekömmlichkeit
übertrifft sie meines Erachtens alle anderen künstlichen Milch¬
präparate; noch nie habe ich nach ihrem — auch längerem
Gebrauche Rhachitis oder Barlowsche Krankheit entstehen
sehen. Trotzdem höre ich nicht selten, dass Herr Dr. X oder
Herr Dr. Y die „Schweizermilch“ für schädlich erklärt habe.
Ich kann nur jedem Arzte raten, den Versuch zu wagen;
man braucht dann weder einen teuren S o x h 1 e t sehen Ap¬
parat, noch die noch teuerere „Kindermilch“ oder „Trocken¬
fütterungsmilch“ in plombierten Flaschen; die kondensierte
Milch bewährt sich — wenigstens in meiner Praxis — gut für
Proletarier- wie für Bürgerkinder; als Zusatz verwende ich
am häufigsten, wie schon erwähnt, Gerstcnschleim *); man
kann aber selbstverständlich auch eines der vielen Kinder¬
mehle verwenden.
Zur Radikaloperation der Leistenbriiche. — Faszien-
Knopfnähte.
Von Dr. Hackenbruch, dirigierender Arzt am St. Joseph-
Hospital in Wiesbaden.
Die vielfachen Bestrebungen, die bei Leistenbrüchen zu¬
meist üblichen Radikaloperationsmcthoden (wie dieselben
grundlegend durch Czerny, Küster, L u c a s, Cham¬
pion n i 6 r e, Bassini und Kocher gegeben sind) mehr
oder weniger zu modifizieren, lassen deutlich erkennen, dass
eine ungetrübte Befriedigung bezüglich der Endresultate noch
nicht besteht. Wenn auch die erreichten Dauerresultatc gegen¬
über denen der letzten Jahrzehnte zurzeit ganz erheblich
bessere geworden sind, so dass nach Grasers Berichten,
fussend „auf dem Durchschnitt grosser Zahlen, nicht mehr als
5 bis höchstens 10 Proz. Rezidive zustande kommen“, so lehren
doch diese Ergebnisse, dass dieselben noch sehr besserungs¬
fähig sind.
Die Wege zur Erreichung dieses erstrebenswerten Zieles
sind gegeben:
1. in Anwendung strengster Asepsis (Gummihandschuhe,
Gesichtsschleier),
2. in Versorgung des Bruchsacktrichters im Sinne der
lateralen Verlagerung (Kocher),
3. in Benutzung von alleinigen Faszienknopf¬
nähten unter möglichster Zuhilfenahme
eines aponcurotischen Lappens (Faszien¬
verdoppelung).
Von ausserordentlicher Wichtigkeit für die Erreichung
einer Dauerheilung bei der radikalen Bruchoperation ist der
Eintritt einer völlig glatten Wundheilung durch prima intentio,
da nur die aus derselben hervorgehende Narbe erfahrungs-
gemäss von dauernder Haltbarkeit zu sein pflegt. Die Er¬
zielung dieser primären Wundheilung liegt jetzt fast aus¬
schliesslich in der Macht des Operateurs, welcher nach ent¬
sprechender Vorbereitung und unter Verwendung von Gummi¬
handschuhen sowie Gesichtsschleiern seitens aller bei der
Radikaloperation beteiligten Personen für den Eintritt glatter
Heilung eine so weitgehende Bürgschaft leisten kann, als dies
überhaupt menschenmöglich ist. Die Erkenntnis, dass die
Verwendung von Gummihandschuhen und Gesichtsschleiern
ein so überaus wichtiger Faktor zur Erzielung primärer Wund-
heilung ist, macht es uns zur Pflicht, dieser Hilfsmittel uns bei
den Radikaloperationen von Hernien stets zu bedienen, wenn
denselben auch mancherlei unleugbare Unbequemlichkeiten
anhaften.
Was nunmehr die Wahl der Operationsmethode bei der
Radikaloperation der Leistenbriiche anbelangt, so gibt ohne
Zweifel die Bassini sehe, zumal wenn die Leistenbrüche
nicht gross sind, recht befriedigende Erfolge, wie dies auch
bei der durch ihre Einfachheit sich besonders auszeichnenden
lateralen Bruchsackverlagerung Kochers der Fall ist.
Während Kocher bei der Radikalopcration der in Rede
stehenden Brüche für den springenden Punkt die laterale Yer-
*) I--2 Kaffeelöffel auf PLiter Wasser.
lagerung des Bruchsacktrichters gegen die intakte Rauchwand
und die straffe Anspannung des Peritoneums in der Gegend
der früheren Bruchpforte hält und auch C. H o f m a n n in einem
exakten Peritonealverschluss im Bereich des früheren inneren
Bruchringes ein w irksames Unterstützungsmittel gegen spätere
Rezidive erblickt, legt Bassini grösseren Wert auf die Naht
der Bruchpforte und die Herstellung eines die Bauchwand
schräg durchlaufenden Leistenkanals.
Seit vielen Jahren habe ich beide Methoden vereinigt bei
der Radikaloperation der Leistenbriiche angewendet in der
Weise, dass ich zu der Kocher sehen Bruchsackverlagerung
die Pfortennaht nach Bassini hinzufügte. Bei w eiten Bruch-
pforten lehrte aber die Erfahrung, dass cs nicht immer gelang,
eine befriedigende Bassini sehe Pfortennaht anzulegen, weil
in solchen Fällen die Spannung zu gross war. um eine sicher
schliessendc Vereinigung der Bruchpfortenpfeiler zu erzielen.
Da mir aber zur Erzielung guter D merresultate auch die
Pfortennaht von grösster Bedeutung erschien, so versuchte ich
zuerst am Kadaver den Gedanken einer Lappenbildung aus der
Aponeurose des M. obliqu. abd. extern., ohne Kenntnis von
dem Verfahren Girards zu haben, der in ähnlicher Weise,
wie weiter unten besprochen werden soll, schon einen apo-
neurotischen Lappen zur Verstärkung der Kanalnaht empfohlen
hatte. Beim praktischen Verfolgen dieser Idee durch Ver¬
suche an der Leiche und späteren Operationen am Lebenden
drängte sich mir der Gedanke auf. dass es zur Erzielung eines
dauernden, widerstandsfähigen Kanalverschlusses ausser der
Verwendung dieses aponcurotischen Lappens wichtig sei. nur
F a s z i e n k n o p f n ä h t e bei der Kanalnaht zu verw enden.
Die bis jetzt erzielten Resultate an 6N Radikaloperationcn
von Leistenbrüchen, welche in einem Zeitraum von gut
3 Jahren gewonnen wurden, sind so überaus günstige da bei
primärer Heilung in keinem der Fälle später ein Rezidiv zur
Beobachtung kam , dass ich glaube, es wagen zu dürfen,
das angewendete Operationsverfahren den Fachgenossen zur
Nachprüfung und Kritik vorlegen zu können. Was die Vor¬
bereitung der zu operierenden Kranken selbst anbelangt, so
sollen dieselben zweckmässig vor der Operation tüchtig ab-
fiihren, damit sie nach derselben etwa 4 5 Tage ohne das
Bedürfnis der Stuhleutleerung ruhig zu Bett liegen können.
In der üblichen Weise wird durch Schrägschnitt die silbrig
schimmernde Aponeurose des M. obliqu. abd. extern, frei¬
gelegt; die genannte Aponeurose wird sodann, am äusseren
Leistenring beginnend, von einem neben dem Scheitelpunkt der
äusseren Bruchpforte etwas medial hegenden Punkte b aus
(Figur 1) bis hoch über die Gegend des inneren Leistenringes
I »K. I.
gespalten, so dass die Schnittlinie a b mit dem medialen
Bruchpfortenpfeiler einen stumpfen, nach der .Mittellinie zu
offenen Winkel bildet. Von diesem Schnitt aus wird der
laterale Teil der durchtrennten Apor.eiitose von der Unter¬
lage stumpf gelost; den dadurch gebildeten Literalen aponeu-
rotischen Lappen fasst man zweckmässig an seinem freien
Rande mit ein oder zwei Peritonealklemmen und schlägt ihn
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Örrgiraal fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1695
seitwärts um (a—b Fig. 2). Die jetzt freiliegende Muskel¬
platte des M. obliqu. abd. intern, und transvers. wird vom
Bruchsackhals gelöst und abgeschoben, der Bruchsack selbst
vom Samenstrang und den Qefässen weit nach oben isoliert.
Nach eventuell erforderlicher Eröffnung des Bruchsackes und
Reposition seines Inhaltes wird derselbe stark vorgezogen und
möglichst hoch oben mittels Durohstechungsligatur abge¬
bunden, bei weitem Bruchsackhalse ebenfalls möglichst hoch
oben durch Tabaksbeutelnaht geschlossen.
Nach Abtragung oder auch Resektion des Bruchsacks
werden die beiden lang gelassenen Fäden der Durohstechungs¬
ligatur — bei primär gelegter Tabaksbeutelnaht entweder deren
Bruchsackknotens — beginnend durch einzelne Knopfnähte
(Katgut) auf die mediale Fläche der Aponeurose des M. obliqu.
abd. extern, so befestigt, dass der Samenstrang zwischen diese
beiden Faszienblätter zu liegen kommt (e—f Figur 4).
(Zuweilen und besonders bei mageren oder älteren Pa¬
tienten lässt sich die Gegend der Verlagerungsligatur noch
durch einige Invaginationsnähte (Kocher) verstärken, doch
dürfen diese Nähte nicht zu weit über die Gegend des Aus¬
trittes des Samenstranges fortgeführt werden, weil derselbe
dann an dieser Stelle zu sehr gedrückt werden kömite.)
Nach nochmaliger Kochsalzspülung wird jetzt die variabel
dicke oberflächliche Faszie samt bedeckender subkutaner Fett-
lang gelassene Enden oder die Fäden einer dicht an der Tabaks¬
beutelnaht angreifenden zweiten Ligatur — mit stumpfen halb¬
kreisförmigen Nadeln (von 4 cm Durchmesser) armiert; jede
dieser stumpfen Krummnadeln wird auf untergeschobenem
Finger nach oben aussen unter und durch die intakte Bauch¬
wand geführt, durch die Aponeurose des M. obliqu. abd. extern,
nach vorn durchgestochen und auf dieser Aponeurose unter
festem Zug geknüpft, so dass der Bruch sackstumpf im Sinne
Kochers nach oben und aussen von der Gegend des inneren
Bruchringes verlagert ist.
Während die kleineren und unverwachsenen Bruchsäcke
stets völlig entfernt werden, pflege ich die grösseren oder ver¬
wachsenen und zuweilen weit ins vergrösserte Skrotum hinein¬
ragenden Bruchsäcke nach vorheriger breiter Spaltung und
Jodierung der schimmernden Innenfläche unter Umkrempelung
in das zugehörige Skrotalfach zu reponieren.
Das Samenstrangbündel mit. den zugehörigen Gefässen
wird jetzt zweckmässig auf einen stumpfen Roux sehen
Haken genommen (Figur 3) oder in eine Samenstrangfasszange
gefasst und über den medialen Teil der Aponeurose des M.
obliqu. abd. extern, nach der Mittellinie zu weggezogen, so
dass der freie mediale Schnittrand dieser Aponeurose sowie
der in ihrer Verlängerung nach unten hinziehende mediale
Bruchpfortenpfeilerrand gut zugänglich wird.
Durch aufwärts gerichteten Zug an den Peritoneal¬
klemmen, welche den lateralen, vorher seitlich umgeschlagenen
aponeurotischen Lappen an dessen freiem Rande fassten, lässt
sich jetzt das Leistenband zuweilen über Erwarten weit auf-
rollen. Nunmehr wird, von der Gegend des Tuberculum pubis
beginnend, der mediale Bruchpfortenpfeiler sowie der gleich¬
seitige Rand der M. obliqu. *abd. extern.-Faszie durch einzelne,
gleich zu knüpfende Knopfnähte (Katgut) an die Hinterfläche
des aufgerollten Leistenbandes so weit befestigt, dass oben
aussen eine kleine Lücke für den Samenstrang übrigbleibt.
Hierauf wird der Samenstrang aus dem Roux sehen Haken
resp. der Fasszange genommen, auf die Aponeurose des M. I
obliqu. abd. extern, gelegt und gegen die eben geknüpfte Naht¬
reihe d—e (Figur 3) geschoben, wo er willenlos liegen bleibt.
Nach Abspülung der Wunde mit steriler physiologischer
Kochsalzlösung wird der laterale aponeurotische Lappen über
den Samenstrang hinweg nach der Mittellinie geschlagen und
von oben — unterhalb des Fadenknotens des verlagerten 1
Schicht durch einige Katgutnähte zur Vereinigung gebracht,
darauf die Hautwunde vollständig ohne jede Drainage durch
Michel klammern geschlossen.
Ein einfacher aseptischer Gaze-Durana-Pflasterverband
deckt die liniäre Naht, ein darüber gelegtes Wattestück zum
Schutze gegen etwaigen Stoss oder Druck wird durch Hand¬
tuchverband befestigt.
Sämtliche Ligaturen und Nähte pflege ich
stets mit Jod-Katgut (Claudius) auszuführen, das sich
mir bei über achtjährigem Gebrauch allemal aufs beste so
bewährt hat, dass ich die immerwährende Empfehlung der
Seidenfäden zur Ligatur und Nahtzwecken seitens unseres
Meisters Th. Kocher nicht recht begreifen kann, zumal ich
es relativ häufig an Beobachtungen auswärts operierter
Kranker erfahren habe, dass selbst primär in die Bauchdecken
eingeheilte Seidenligaturen später fistulöse Eiterungen verur¬
sachen, die erst nach Herausnahme nicht einheilen wollender
Fadenschlingen versiegten.
Die bekannten Vorzüge der Michelklammern gerade bei
der Radikaloperation der Leistenbrüche bedürfen keiner be¬
sonderen Empfehlung mehr; dieselben werden 6—7 Tage nach
dre Operation entfernt und ein gleicher kleiner Duranaheft-
pflasterverband schützt jetzt die junge Narbe.
Die Patienten selbst müssen nach der Operation 3 Wochen
lang das Bett hüten; denn erst nach Ablauf von 3 Wochen halte
ich — wohl mit den meisten unserer Fachgenossen — die
primär geheilte Narbe für widerstandsfähig genug, um den
Druck der Bauchpresse auf die Dauer ohne Veränderung aus¬
zuhalten. Alle Kranken werden ohne Bandage entlassen, und
die Patienten der arbeitenden Klassen werden bei der Ent¬
lassung besonders darauf aufmerksam gemacht, noch etwa ein
Vierteljahr lang sich des Hebens schwerer Laststücke zu ent¬
halten. '
Ausser der lateralen Verlagerung des Bruchsacktrichters
gegen die intakte feste Bauchwand im Sinne Kochers halte
i ich es zur Erzielung eines kräftigen Pfortenverschlusses für
sehr wichtig, als Angriffsgewebe für die anzu¬
legenden Nähte nur die Faszienblätter zu be¬
nutzen. Denn es wird manchem Fachgenossen, wie auch
früher mir, nicht so selten passiert sein, dass beim Vernähen
der Muskelplatte des Obliqu. abd., intern, und transvers. mit
1 dem Leistenbande nach B a s s i n i s Methode erstere leicht ein-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1696
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
rissen oder beim Fadenschluss einzureissen drohten, so dass
solche Muskelfasziennähte mutmasslich später nicht fest ge-
blieben sind. Muskelfasern sind ja an sich kein Objekt für eine
zuverlässige Naht, da sie fast stets einzureissen pflegen und nur
dann einigermassen Halt gewähren, wenn in ihnen verlaufende
Qefässe oder Nervenstämmchen in die Naht mitgefasst werden, !
was aber aus Gründen der dadurch leicht eintretenden Nekrose ,
mit konsekutiver Störung des Wundheil Verlaufes oder spä- i
terem Eintritt von Schmerzempfindungen (Neuralgien) zu ver¬
meiden ist.
Wie bereits oben kurz erwähnt wurde, hat schon Girard
zur Verstärkung des Pfortenverschlusses bei der Radikal¬
operation der Leistenbrüche einen lateralen Faszienlappen aus
der Aponeurose des M. obliqu. abd. extern, benutzt, wie auch
Graser „von dem Prinzip der Verdoppelung der Aponeu¬
rose sehr befriedigt ist, so dass er cs oft verwendet".
Girard lagert jedoch den Samenstrang unter diese Fas¬
zienblätter, nicht zwischen dieselben; auch ist die Schnitt¬
richtung bei der Ablösung des Faszienlappens eine andere wie
bei unserem Vorgehen, da dieselbe am Scheitelpunkt der
äusseren Bruchpforte beginnt und mehr dem Leistenband
parallel läuft. Durch unsere Schnittführung w ird nämlich der
laterale Lappen etwas grösser, während gleichzeitig dadurch
erreicht wird, dass durch das Herabziehen des medialen Randes
der Aponeurose des M. obliqu. abd. extern, die hinter und unter
ihr liegenden Muskelplatten des intern, und transvers. weit
heruntergezogen werden und indem dieselben ein mehr oder
weniger dickes, weiches Polster im Bereich der früheren
Bruchpforte bilden, so den Anstoss des durch die Bauchein¬
geweide beim Pressen sich vorwölbenden Peritoneums erheb¬
lich abstumpfen und mildern.
Eine Schädigung des zwischen die beiden Faszienblätter
gelegten Samenstranges habe ich bis jetzt in keinem meiner
Fälle beobachten können.
In ähnlicher Weise wie Girard verfährt auch Hal-
stedt, der bisweilen auch einen Faszienlappen aus der vor¬
deren Rektusscheide zur Verstärkung der Kanalnaht lateral
umschlägt. Es erscheint mir jedoch nicht zweckmässig, durch
mehr oder weniger breit greifende Matratzennähte (Mal¬
stedt) die Vereinigung der abgelösten Faszienblätter zu be¬
wirken, weil es durch diese leicht zu Ernährungsstörungen der
ohnehin gefässarmen Gewebe mit nachfolgenden Gewebs-
nekrosen kommen kann. Es empfiehlt sich daher, nur einfache
Knopfnähte (Katgut) bei den Faszien zu benutzen, zumal die
Erfahrung bei sonstigen Laparotomien uns gelehrt hat, dass
dadurch — primäre Heilung vorausgesetzt - - stets eine feste
und auf die Dauer widerstandsfähige Narbe erzielt wird.
Die Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit der durch
alleinige Faszienknopfnähte nach unserem Vorgehen
erzeugten Narbe illustriert ganz besonders ein Fall von Radi¬
kalheilung eines über doppeltfaustgrossen Skrotalbruches bei
einem 34 jährigen Potator. Am Tage nach der unter Rücken¬
marksanalgesie ausgeführten Radikaloperation trat bei diesem
Manne ein heftiger Anfall von Säuferdclirium auf, in welchem
sich der Patient seinen Verband abriss und sich so ungebärdig
benahm, dass er 6 Tage lang in der Tobzelle des städtischen
Krankenhauses gehalten werden musste, wohin er wegen
seines heftigen Tobens verlegt war. Nach der Rückver¬
legung in unser Hospital nach etwa 10 Tagen hatte er ein dick
geschwollenes, entzündlich gerötetes Skrotum, so dass ein
Einschnitt zur Entleerung oberflächlich gelegenen Liters nötig
wurde, worauf nach etwa 3 Wochen Heilung eintrat. Die
Faszienknopfnähte der radikalen Bruchoperation aber hatten
gut gehalten, und ein Rezidiv des Bruches die Radikal¬
operation wurde vor 2 Jahren gemacht ist bis jetzt nicht
eingetreten.
Auch bei den übrigen wegen Leistenbruch radikal nach
unserem Verfahren operierten Patienten ist bei primärer
Heilung bis jetzt, wie schon vorher gesagt, noch kein Rezidiv
beobachtet worden. Doch in einem unserer Fälle (der 7. in
der Operationsliste), als w ir noch nicht unter Verwendung von
Gummihandschuhen und Gesichtsschleiern operierten, trat eine
Eiterung ein, in deren Folge sich nach etwa einem Jahre ein
Rezidiv entwickelte.
Zu erwähnen bleibt noch, dass von unseren 6N Fällen
17 in allgemeiner Narkose (Aetherchloroform) und die übrigen
51 Fälle unter Verwendung der Rückenmarksanalgesie (Bier)
operiert wurden.
Anfangs habe ich nur grossere Brüche oder solche mit
weiteren Bruchpforten dem beschriebenen ()perationsveriahreii
unterworfen, später jedoch alle Falle so operiert. Zu einer
etwaigen Nachprüfung mochte ich zuerst die Anwendung an
grösseren oder w eitpfortigen Brüchen empfehlen, da bei
grosseren Schnitten die Technik eine entsprechend leichtere
ist. Zur Erzielung guter Resultate spielt ja bei allen operativen
Eingriffen das technische Können sowie die Gewissenhaftig¬
keit des jeweiligen Operateurs eine grosse Rolle; denn es lagt
klar zutage, dass die beste Operationsmethode einen guten
Erfolg nicht haben kann, wenn dieselbe nicht ganz bestimmt
nach gegebener Vorschrift ausgefuhrt wnd oder nicht ge¬
nügende* Erfahrung in solchen Operationen seitens des die
Operation ausfiihrendeii Arztes besteht.
Literatur.
Th. Kocher: Chirurgische (Ipcrati«uivkhrc. Jena l'X'7. —
Stlicki-Girard: Beitrage /ur Radikal« «per ati"M der l.e'Men-
hriiche. Thun isu.S. -- \\. S. Malsted: j he eure »>i the iti*« r e dm.-
cult as well as the simpler inguinal Ruptures. Ba tiumre l’>"v —
F. (Iraser: I he lehre vmi den Hernien. Mandl Mich der praknvj’.en
Chirurgie. Stuttgart WT. C. ID» i mann: Zur RaJis.D perata»n
der Leistenhernien mit besonderer Benu ksiehiignng der anatomischen
Verhältnisse. Zentral!'!, i. Clur. l'*»\ >. 11dl. Derselbe: Zur
Radiknioperation der Leistenhernien mittels der Puimiie%m usjituss-
methode. Zentral!’!, t. Chir. I'X'L >. .=>77.
Bemerkungen zur Behandlung der Hydrozele.
Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld.
I. A d r e n a 1 i n e i n s p r i t z u n g e n in de n Hydro-
z e I e ii s a c k.
Die sekretionshemmende be/w. aufhebende Wirkung des
Adrenalins und ähnlicher Präparate bei Einspritzung in seröse
Hohlen wurde zuerst von Barr |l| bei verschiedenen Fallen
von Pleuritis exsudativa, welche nach Punktion rasdi re/idi-
vierte. mit Erfolg benutzt. Auf Barrs Arbeit hissend, haben
dann Ruptle |J| und D z i e w oneki |3| m ie 3 Fallen von
Hydrozele, welche nach der Punktion sich sehr rasch
wieder füllte, Adreiiahiilosmigen in den Mv dm/elens.u k ge¬
spritzt. Ruptle sah nach Punktion, Entleerung und luicktmn
von 2 ccm einer Adrenalmlosung 1 : sooo zunächst leichte Fnt-
ziindmig und dann innerhalb weniger Wochen Aufsaugung des
mtzmullicheu Ergusses; ein Rezidiv war nach D Jahre noch
nicht wiederaufgetreten. D z i e w oncki l;css nach Punktion
des kleine n Sacks nur wenige Kubikzentimeter ahlaufen und
injizierte dann ccm einer Losung 1 : |»hn i ; zunächst keine
Reaktion, kein Schmerz; 5 b Jage spater Wiederholung der
Einspritzung, wonach vorübergehende eii r zni:d':Jie Reaktion
auftrat; nach 5 Monaten noch kein Rezidiv. Ganz ähr.hdi.
nur mit etwas grosseren Dosen (1 3 cun). verfuhr
D'M a e n e n s |-4]. erzielte iedoch in 13 Fallen nur 3 Heilungen.
Auch D'M a e n e ii s gibt an, dass in einzelnen Fallen eine er¬
hebliche Reaktion umritt.
In zwei Fällen umfangreicher Hvdro/de bei messer-
scheuen Individuell habe ich nadi Rn pi les \org.mg muziert;
es handelte sich um Falle, bei deren vorher jahrelang alle
3 5 Monate punktiert werden musste. und der frühere Ein¬
fang rasch wieder erreicht wurde. Bereits nadi der ersten
Einspritzung, welche stets in den völlig entleerten Sack vor-
genommen wurde, erfolgte die W ie de ransammlung langsamer,
die zweite Injektion war nach ö. die dritte nadi etwa 7 Monaten,
die vierte erst nadi ea. 1'» Jahren notwendig; dabei war der
w iede rerreiehte l mfang kaum halb sn gross. v\ ie früher v or
den einfachen Punktionen, dementsprechend waren anch d;e
Beschwerden in der Zwischenzeit geringer (eine Reaktion habe
ich nicht beobachtet. Schmerzen traten überhaupt nicht auf.
während bei früheren Jodiniekti neu der eine Ba' .ut sehr
heftige Schmerzen gehabt hatte. Etile wirkliche Me Jung habe
ich bisher nicht erzielt.
Demnach scheinen Adrenalininiehtame n in den Mvdro-
zelensack bezüglich dauernder Heilung ebenso m s;dier zu
wirken, wie alle übrigen ln : ektir.Msme , li< 'den. Wohl aber
scheint regelmässig ehe W iede run.sgrmmm g langsamer e:n-
ziitreten, und zwar um so langsame r. ie öfter in uz:ert wurde;
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Original fram
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1697
die Punktionen werden seltener nötig, der Umfang der Ge¬
schwulst bleibt kleiner. Ein grosser Vorzug vor den meisten
anderen Injektionsverfahren ist die viel geringere Schmerz¬
haftigkeit und Reaktion; beides scheint -- wenigstens bei Ein¬
spritzung in den völlig leeren Sack — manchmal sogar ganz
auszubleiben. Daher verdient die Adrenalininjektionsmethode
bei Hydrozelen, welche aus irgendwelchen Gründen nicht
operiert werden können, und sich nach der Punktion rasch
wieder füllen, weitere Anwendung, als sie bisher gefunden hat.
II. Operation der Hydrozele nach Klapp.
K1 a p p [5] berichtete 1904 über gute Erfolge bei folgender
Operationsmethode: Der gespaltene Hydrozelensack wird
aus der Hautwunde hervorgekrempelt und nun werden mit
feinen Seidennähten, welche nur die Tunica vaginalis propria
fassen, die Hydrozelenhüllen vom Schnittrand bis an den
Samenstrang zusammengerefft, wobei die serösen Falten der
Propria fest aufeinander gepresst werden.
Das Verfahren scheint bisher von anderer Seite nicht in
grösserem Umfang verwendet worden zu sein.
In zwei Fällen von seit langer Zeit bestehender, mittel-
grosser Hydrozele habe ich nach Klapp operiert, und zwar
unter regionärer Anästhesie und ambulant. Die
Patienten verhielten sich einige Tage ruhig, und nahmen nach
8—10 Tagen ihre Beschäftigung wieder auf. Die Hämatom¬
bildung im Skrotum war trotz der ambulanten Behandlung ge¬
ring, was ja auch bei der durch feste Reffnähte bewirkten
Blutstillung zu erwarten war. Die reponierten Konvolute der
gefalteten Hüllen resorbierten sich — wie auch in Klapps
Fällen — im Laufe einig*er Monate fast vollkommen, so dass nur
eine unbedeutende Verdickung des Hodens an der operierten
Seite zurückblieb.
Das Verfahren hat gegenüber den älteren Methoden von
Volkmann 1 und v. Bergmann den Vorteil, dass es be¬
quem unter Lokalanästhesie und ambulant durchgeführt werden
kann. Ein Vorzug vor der Winkelmann sehen Methode
ist, dass Rezidive ausgeschlossen sind, auch eine Knickung der
Samenwege und Blutgefässe mit Funktionsstörungen des
Hodens nicht Vorkommen kann.
Literatur.
1. Barr: British medical journal 1904, 19. März. — 2. R u p f I e:
Münch, med. Wochenschr. 1904, No. 48. — 3. D z i e w o n c k i: Revue
francaise de med. et de chir. 1905, No. 6. — 4. D’H a e n e n s: Progres
med. beige 1905. — 5. Klapp: D. Zeitschr. f. Chir. 1904, Bd. 74.
Aus dem Städtischen Krankenhause zu Bad Nauheim.
Zur Technik der Nadelextraktion.
Von Dr. Carl Haeberlin, leitendem Arzt.
Ein Vorkommnis, dessen Folgen der Arzt häufig zu sehen
Gelegenheit hat, ist das Eindringen von Nadeln in die Gewebe.
Fast immer handelt es sich dabei um Personen, die sich beim
Reinigen des Bodens den Fremdkörper „unter die Haut ge¬
fangen“ haben, wobei sehr häufig die Nadel zerbricht und ihr
eines Ende im Körper verbleibt. In der grossen Mehrzahl der
Fälle ist die Hand Sitz des Fremdkörpers, seltener die Sohle,
der Unterarm oder eine andere Körpergegend.
Nach Erfahrungen, die ich im Laufe der letzten Jahre mehr¬
fach gemacht habe, glaube ich auf ein einfaches, wie mir aber
scheint, nicht allgemein bekanntes Verfahren hinweisen zu
dürfen, das mich in einer ganzen Reihe von Fällen, die vorher
ohne dasselbe ergebnislos behandelt worden waren, nicht im
Stiche gelassen hat. Nicht selten lassen sich Aerzte durch die
Deutlichkeit des Einstichs und die in seiner Umgebung vor¬
handene Schmerzhaftigkeit dazu verleiten, auf ihn, als den
vermeintlichen Sitz der Nadel, einzuschneiden, dann weiter zu
sondieren, die Wunde zu vertiefen und zu erweitern, ohne aber
immer trotz langen Suchens den Fremdkörper dann finden zu
können. Ebenso falsch aber ist es, den Patienten in ein
Röntgenkabinett zu senden, dort eine Aufnahme machen zu
lassen, und nun, wenn man auf der Platte die Nadel sieht, auf
ihren scheinbar so deutlichen Sitz einzuschneiden — für Aerzte
und Patienten ist so schon manche Enttäuschung zustande ge¬
kommen, denn das flächenhafte Bild kann natürlich keinen Auf¬
schluss über die wirkliche Lage des Fremdkörpers zu seiner
Umgebung im dreidimensionalen Raume geben. Etwas weiter
kommt man, wenn- man Röntgenbilder in verschiedenen Ebenen
aufnehmen lässt und kombiniert, oder mit stereoskopischen
Aufnahmen. Aber während das erstere noch durchaus un¬
vollkommene topographische Resultate gibt, so erfordert das
letztere Verfahren wieder kompliziertere Apparate, die nicht
jedes Röntgenkabinett besitzt, und es erfordert vor allem auch
eine erhebliche, nicht jedem zu Gebote stehende Uebung im
Sehen. Die von manchen Seiten empfohlenen Kombinationen
von Operationstisch und Röntgeninstrumentarium dürften nur
selten zur Verfügung stehen.
Viel bessere Einsicht in die Topographie des Fremdkörpers
als die Röntgen Photographie ergibt die Durch¬
leuchtung vor dem Schirm, aber sie muss nicht nur in einer,
sondern in vielen Ebenen durchgeführt werden. Ich verfahre
stets folgendermassen: Die Gegend, welche den Fremdkörper
enthält, meist die Hand, wird vor den Durchleuchtungsschirm
gebracht und mit der Vola flach auf denselben aufgelegt, so
dass die Röntgenstrahlen zunächst senkrecht auf die Streck¬
seite auffallen. Erblickt man die Nadel, so stellt man zunächst,
indem man sie in den Zentralstrahl bringt, fest, über welchem
Knochen sie liegt und merkt sich dabei genau die Höhe des
Knochens, die dem Fremdkörper entspricht. Sodann wird die
Hand, die hier weiter als Beispiel diene, langsam um ihre
Längsachse gedreht; die dabei allmählich stattfindende Ver¬
schiebung des Fremdkörpers im Schattenbild gibt eine voll¬
kommene Vorstellung von der Tiefe, in der zwischen Haut und
Knochen in den Weichteilen das Objekt sitzt. Weitere Be¬
wegungen um die sagittale Achse, dann Flexion und Extension
im Handgelenk lassen allmählich auch die Richtung der grössten
Längsausdehnung erkennen. So prägt man sich durch längeres,
systematisches Hin- und Herbewegen des den Fremd¬
körper enthaltenden Gliedes das Bild seiner Topographie besser
ein, als es hier selbst mehrere kombinierte Plattenaufnahmen
ergeben können.
Palpiert man sich nun unmittelbar vor dem der Durch¬
leuchtung folgenden Eingriff die Knochen genau ab, so wird
man nach senkrecht zur Längsachse des Fremdkörpers er¬
folgter Spaltung der Haut bei stumpfem Vorgehen auf die
wohlgemerkte Stelle, auch in tiefen Muskelschichten, ohne
Schwierigkeit den Fremdkörper schnell fassen und dadurch die
besten Bedingungen für schnelle Heilung nach dem in Es-
marchscher Blutleere und strenger Asepsis vorgenommenen
Eingriff setzen können.
Beginn der Ophthalmozytoreaktion auf Tuberkulin. —
Natur des Exsudats.
Von Dr. J. S a b r a z 6 s und Dr. Ch. L a f o n in Bordeaux.
Wir haben mit Genugthuung konstatiert, dass die jüngst er¬
schienene Arbeit von Herrn Dr. Rudolf D i e t s c h y (Münch, med.
Wochenschr. No. 24, 16. Juni 1908, S. 1275) unsere ersten Feststel¬
lungen Punkt für Punkt bestätigte; nur hinsichtlich der Frage der An¬
wesenheit von Fibrin oder Muzin im Exsudat neigt der genannte
Verfasser zu dem Fibrin hin im Gegensatz zu uns. Wir teilen des¬
halb nachstehend einige neue Feststellungen mit und benützen die
Gelegenheit, um auch einige noch nicht veröffentlichte Konsta¬
tierungen über den Beginn der Ophthalmozytoreaktion mitzuteilen.
Die Färbetechnik war die folgende:
L May-Grünwald-Giemsa-Jenner oder Leishmannmischung;
2. Fixierung mit 1 proz. Chromsäure 2 Sekunden lang; waschen
in fliessendem Wasser auch 2 Sekunden, Färbung im polychromen
Methylenblau (Unna) 2—3 Minuten lang; Differenzierung in 90°
Alkohol. Dieses Verfahren wurde von F. Besang on und
I. de Jong 1 ) zum histochemischen Studium des Auswurfes benutzt;
mit diesem Verfahren erscheint der Schleim (Muzin) rötlich-violett,
das Albumin bläulich-violett und das Fibrin griin gefärbt.
Der Konjunktivalausfluss wird mittels Kapillarität in einer
Pasteurpipette entnommen.
Bei einem 16 jährigen jungen Manne (Gelenktuberkulose am
linken Knöchel) enthielt der Ausfluss vor der Instillation von Tuber¬
kulintest sehr wenig zellige Elemente: ungefähr in einem Gesichtsfeld
unter 5 und dann höchstens 3 Elemente. Der Prozentsatz ist folgender:
Polynukleäre neutrophile Leukozyten 14; Epithelzcllen 86, Poly¬
nukleäre oft stark beschädigt, Epithelzellen in gutem Zustand; hie und
da etwas faseriger Schleim, der hyaline ist selten.
Ophthalmoreaktion vorgenommen um 9 Uhr morgens.
') S. Israels de Jong: Etüde histo-chimique et cytologique des
crachats. These de Paris 1907, G. Steinheil, editeur, 2, rue Casimir
Dclavigne.
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1698
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .1?.
Ausstrich nach 1’4 Stunde (keine klinische Reaktion): die zelli-
gen Elemente sind zahlreicher; man trifft solche ungefähr in 3 Gc-
sichtsfeldern unter 5; Anzahl nicht über 5. Ausserdem, was bemer¬
kenswert ist, findet man in jedem Ausstrich 1 oder 2 Anhäufungen
von 20—30 Elementen. Prozentsatz: Polynukleäre Leukozyten 62;
Lymphozyten 19; Epithelzellen 19. Der faserige Schleim ist in
kleiner Menge vorhanden. Ausnahmsweise trifft man einige kleine
Haufen von körnigem grünem Fibrin.
.Abermaliger Ausstrich VA Stunden später (keine klinische Re¬
aktion). Die Ausstriche ähneln sehr den vorherigen. Prozentsatz.
Polynukleäre Leukozyten 68; Lymphozyten 26; Epithclzellcn 6. Viele
Polynukleäre haben einen pyknotischcn Kern.
Ausstrich VA Stunden später (keine klinische Reaktion).
Ausserordentlich viel polynukleäre neutrophile Leukozyten, oft in
sehr schlechtem Zustand; man kann in einem einzigen Gesichtsfeld
bis 80 Leukozyten antreffen. Prozentsatz: Polynukleäre Leuko¬
zyten 98; Lymphozyten 1; Epithclzellcn 0,69. Viele Polynukleäre
sind vollständig desorganisiert und bilden nur noch eine formlose
Masse mit einem Rest von neutrophilen Granulationen. Der Kern
der Epithelzellen erleidet eine violette Metachromasie (polychromes
Methylenblau). Sehr wenig Schleim, welcher faserig Ist. Dies ist
das Resultat 3 ! H Stunden (1 2 3 U Uhr nachmittags) nach Instillation.
Sehen wir. nun weiter:
Erneuter Ausstrich 3‘/ a Uhr nachmittags (keine klinische Re¬
aktion); gleiches Resultat wie oben. Prozentsatz: Polynukleäre
Leukozyten 98; Lymphozyten 1.74; Epithelzellen 0,35.
6. Ausstrich 5 Uhr abends (Beginn der klinischen Reaktion); viele
zellige Elemente, besonders in krümeligen Haufen; Mischung ver¬
schiedener Typen; man unterscheidet deutlich die neutrophilen Ele¬
mente von den Lymphozyten und den Mononukleären. Prozentsatz:
Polynukleäre Leukozyten 94; Lymphozyten 1,34; Mononukleäre 3.49;
grosse Mononukleäre mit gelapptem Kern 0,53; Epithelzellen 0,26.
Etwas Schleim. Einige Tropfen Albumin oder Seroschleim.
Ausstrich am nächsten Morgen um 10 Uhr. Die klinische Re¬
aktion ist auf ihrem Höhepunkt und immer finden sich viele
Zellen im Exsudat. Viel entartete Zellen mit violetter Meta¬
chromasie. Freiliegende, schwer zu identifizierende Kerne. Pro¬
zentsatz: Polynukleäre Leukozyten 96; Lymphozyten 2.50; Mono¬
nukleäre 0,71; Mononukleäre mit gelapptem Kern 0.35; Epithcl¬
zellcn 0,35. Etwas mehr faseriger Schleim als früher; einige Tropfen
hyaliner Schleim.
Also schon VA Stunden nach der Instillation tritt die zellige Re¬
aktion auf. das heisst fast 7 Stunden vor der klinischen Reaktion;
und die zellige Reaktion ist charakterisiert durch eine Vermehrung
der Polynukleären und auch durch Auftreten einer ziemlichen Anzahl
Lymphozyten. Diese beiden Zellarten vermehren sich dann noch
ungefähr in gleicher Weise während VA, d. h. 2 1 1- Stunden nach der
Instillation. Nach 3*» Stunden findet man überhaupt fast nur noch
die Polynukleären; indessen ist noch keine klinische Modifikation
wahrnehmbar. Die Polynuklcose dauert auch weiterhin an.
Zudem haben wir konstatiert, dass immer mehr oder weniger
Schleim vorhanden ist, aber nur ganz ausnahmsweise Spuren von
Fibrin.
Im Augenblick, wo die Ophthalmoreaktion auf ihrem Höhepunkt
ist, haben wir in ca. 10 Fällen folgendes gesehen: Schleim ist immer
vorhanden, aber wenig reichlich. Man findet den Schleim haupt¬
sächlich in Form von kleinen faserigen Häufchen (violett mit einem
Stich ins kastanienbraune). Der hyaline Schleim in Tropfen oder als
Fläche (rötlich-violett) ist seltener: oft dient ein Tropfen als Grund
für einen faserigen Haufen. Manchmal sieht man einige Tröpfchen
oder Flächen von albuminösen Substanzen (blau-violett) mehr oder
weniger mit hvalinem Schleim vermischt, was sehr verschiedene
Farbenkombinationen (seroschleimige Tropfen) hervorbringen kann.
Es ist ganz ausnahmsweise, dass man kleine grünliche körnige
Häufchen (Fibrin) findet.
Es ist zu bemerken, dass man genau dasselbe Resultat mit dem
Ausfluss der akuten Bindehautentzündung erhält (akute Konjunkti¬
vitis); der Schleim ist hier immer wenig reichlich.
Aus der Kgl. Chirurg. Universitäts-Klinik Berlin (Direktor;
Geh. Rat Bier).
Ueber Verwendung von Gummi als Zusatz zum Anästheti-
kum bei Lumbalanästhesie.
Bemerkungen zu E r h a r d t s Artikel in No. 26 d. Wochenschr.
Von Dr. Dönitz, Assistent der Klinik.
In Erhardts Artikel sind Behauptungen aufgestellt, die nicht
unwidersprochen bleiben können. Die von Erhardt in der hiesi¬
gen Klinik während des Chirurgenkongresses ausgeführte Anästhesie
hielt nur so kurze Zeit an. dass die Hautnähte nach der Appcndizek-
tomic schmerzhaft empfunden wurden. Der weitere Verlauf bot ein
höchst betrübendes Bild: einige Stunden nach der Einspritzung ant¬
wortete der Kranke nicht mehr auf Anrufen, bald trat völlige Besin¬
nungslosigkeit ein. Durch Lumbalpunktion wurde am Abend stark
getrübter Liquor entleert, aus dem nach kurzem Stehen grosse dicke
Flocken sich abschieden; sie bestanden fast ausschliesslich aus Eiter¬
körperchen. Bakterien nicht nachweisbar. Liquordruck •> m mm im
Liegen. Nachts Schüttelfrost und Erbrechen. Ausserordentlich starke
Unruhe, so dass Patient gefesselt werden musste. Alle Sehnen- unJ
Hautreflexe, desgleichen Korneareflex, waren erloschen. Am 3. ‘läge
machten sich die ersten Zeichen des wiederkehrenden Bewusstseins
bemerkbar. Vom 4. läge ab legte sich die auffallende Unruhe, Pa¬
tient erkannte den Arzt und wusste, wo er war. hatte aber eine
völlige Amnesie für die Operation und die Vorbereitungen dazu. Der
Puls w ar in der ganzen Zeit langsam, voll und kräftig.
Die weitere Besserung schritt nur sehr langsam fort, und noch heute,
etwa 3 Monate nach der Einspritzung bestehen zeitweilige Wallungen
nach dem Kopf mit Angst/uständen. (Die näheren Daten s<>!!en bei
einer anderen Gelegenheit mitgeteilt werden.) Es handelt sich dem¬
nach um eine eitrige aseptische Meningitis schwerster Art, die den
Kranken für 2 'läge an den Rand des Grabes gebracht hatte.
Mit diesem traurigen Ereignis findet sich Herr Erhardt sehr
leicht ab; er meint, die Spritzen und Kanülen seien in — Sodalosung
ausgekocht worden, entgegen seiner am l äge vorher ausgesprochenen
Bitte. „Der Aiisserachtlassung der notigen Kautelen“ Schreibt er das
schlechte Gelingen zu. Nun. ich habe selbst die Vorbereitungen
zur Injektion getroffen, und ich stehe dafür ein, dass die im Instru¬
mentenkocher sterilisierten Spritzen mul Kanülen, wie es in unserer
Klinik stets geschieht, auf das sorgfältigste mit steriler Kochsalz¬
lösung ausgespritzt worden sind, um eben jede Spur Soda zu ent¬
fernen. Den Yorwuri der „Ausceraehtlascung der notigen Kautelen’’
muss ich demnach zurückweisen. Die Kenntnis dieser Schulweisheit
von der Schädlichkeit der Soda hatte Erhardt um so mehr bei
unserer Klinik voraussetzen dürfen, als Bier und ich Schon vor
mehr als 4 Jahren auf diesen Punkt hingewiesen haben (s. diese
Wochenschrift 1904, No. 14).
Welche Erfahrungen E r h a r d t berechtigten, mit dieser Be¬
stimmtheit die Soda als Ursache der Meningitis zu beschulJigcn,
w eiss ich nicht, da ja alle (nimtmunusthesiem nach seiner eigenen
Angabe bisher gut verlaufen sind.
Ich fasse das Gesagte dahin zusammen: die Soda kann fiir die
unglückliche Meningitis nicht verantwortlich gemacht werden, erstens,
weil sie lege artis aus der Spritze usw. entfernt worden war. zwei¬
tens, weil eine tausendfältige Erfahrung dagegen spricht.
Demgegenüber führe ich zwei weitere Ealie an. bei denen nach
lumbaler Injektion von Mueilaginosis sehr heftige Nuchersc Meinungen
auftraten. Der erste stammt aus unserer Klinik; Klapp, der zuerst
den Gedanken hatte, die Mucilagiriosa für die l umbalan.istliesie
zu verwenden und die Rcsorptionsx erhaltnissc experimentell fest¬
zulegen. inii/ierfc einem Patienten eine Gelatine-Kokain-! osung. Der
Kranke litt 4 Tage lang unter derart heftigen Nacherschcimmgen.
dass wir von weiteren Versuchen bis auf weiteres absahcii.
Der zweite Fall ist von Erhardt selbst in Nu. 19 dieser Wochen¬
schrift |90S beschrieben: Kürette bei stark mazerierter, totfauler
Erlicht; Plazenta faul, stinkende, dunkelbraune Elusvi^Keit. 3 Stun¬
den nach der Injektion: Erost. Temperatur 3'>.n °. Delirien. Bin-.mmen-
lieit. Puls langsam, voll hebend (Verlauf s. Origm.d). Die
Frage, ob diese Folgezustümle durch einen septischen Prozess oder
durch eine aseptische Meningitis bedingt sind, lasst sich leicht ent¬
scheiden. Zunächst fällt die Aehnlichkeit auf mit dem EaM vom
Chirurgenkongrcss. bei dem die Meningitis durch l umbalpunktion
objektiv naeherw iesen war. Die Delirien sprecht n für eine Menin¬
gitis. Schliesslich ist die in beiden lallen beobachtete Inkon-
g i u enz zwischen Puls (längs a m. voll) u n d T e m ncra-
t u r (erhöht) höchst auffällig. Dieses Verhalten findet sich gewöhnlich
im Beginn der Meningitis (Vagus-Puls). Bei septischen Zuständen ist
der Puls fast a"snahms|us beschleunigt. Wir sind demnach ge¬
zwungen. auch in diesem Fall eine aseptische Meningitis anzunehmen.
Es besteht demnach die Tatsache, dass in mir einigen Dutzend
Mucilagiriosaanästhesien 3 Schwere Meningitis!.-fix* anfgetreten sind.
Demgegenüber ist die Zahl der v«»n E r h n r d t Publizierten Eaüe so
gering, dass eine allgemeine Empfehlung de«- Methode d.oanfhm nicht
angängig ist. auch wenn keine l’neliic ksf.dle vor gekommen wären.
Wir empfehlen deshalb, zunächst von totalen Anästhesien abzu-
sehen. deren Zustandekommen übrigens mit dem Gummizus.itz nichts
zu tun hat. lind erst grossere Erfahr urig im Gebiet der unteren
Korperhälfte zu sammeln: hier sind die Gefahren einer aseptischer»
Meningitis v er seine inde#vl gegenüber denen am llrn und verlängerten
Mark. W ir haben es uns deshalb zum IVmpp gemacht, neue Mittel
stets erst bei Hämorrhoidem und \riaFisteln zu erproben, und sind
stets gut dabei gefahren. W ir w erden das Verfahren mit Vorsicht
prüfen, denn wir können nur .w iinsc b*m. dass Klapps schöne Idee
auch fiir die Praxis brauchbare Früchte* zeitigt.
Schlusswort von Dr. Erhardt.
Auf dem sachlichem Teil obiger Ausführungen habe ich i-Igendes
zu erwidern:
Es genügt, dass Herr Pönitz zugibt, das InAfrume-ntarium in
Soda ausgekocht zu haben, entgegen meiner ausdrücklichen Bitte,
dies zu unterlassen. Nun ersuche ich Herrn D e< n i t z. e:n nicht zur
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1699
Lumbalanästhesie benutztes Instrumentarium z. B. mit Eosin- oder
Fuchsinlösung zu behandeln und einen darauffolgenden Spülvorgang
genau zu verfolgen. Seine Ansicht über die radikale Entfernung von
Substanzen durch Ausspritzen wird sich dann ändern.
Ueber Klapps Versuche habe ich in meiner Dissertation be¬
richtet. Es war nicht seine Idee, sondern es war in Fachkreisen all¬
gemein erkannt, dass nach geeigneten resorptionsverhindernden Mit¬
teln gesucht werden müsse. Klapps Versuche, die übrigens wegen
der ungenauen Angabe von Tiergewicht und Dosierung nicht den An¬
spruch auf volle Exaktheit machen können, wurden resultatlos ad acta
gelegt. Gelatine ist auch nach meinen Untersuchungen der un¬
geeignetste Stoff zu derartigen Experimenten. Bei Verwendung von
Gummi war ein ganz selbständiges Problem zu lösen, das auf chemi¬
schem Wege lag. Die Klapp sehe Gelatineanästhesie kann mit
meinem Verfahren nicht zusammengeworfen werden, letzteres hat
mit der Klapp sehen Idee nur das allen vorschwebende Ziel gemein,
sonst nichts. Gegen die Behauptung, der Gummizusatz habe mit dem
Zustandekommen der Totalanästhesie nichts zu tun, spricht schon die
Statistik. Bei höhergehenden Anästhesien ohne Gummizusatz traten
fast stets schwerste Atmungsstörungen, oft Respirationslähmung ein.
(Vergl. Bosse: Die Lumbalanästhesie, Urban & Schwarzenberg,
1907; auch wieder Spielmeyer, Münch, med. Wochenschr. 190S,
N °. 31.)
Nun komme ich zum Beweis für die Schädlichkeit der Soda:
Bei Klapps Gelatineanästhesie war wohl sicher das Instru¬
mentarium, wie es in Berlin üblich ist, auch in Soda sterilisiert;
die von mir beim Chirurgenkongress demonstrierte Anästhesie
war mit ebenso behandeltem Instrumentarium gemacht und
gerade bei dem von Dönitz zitierten Fall aus meiner Ver¬
öffentlichung in No. 19 dieser Wochenschrift kam auch ein in Soda
ausgekochtes Instrumentarium zur Verwendung, wie ich dies bereits
Herrn Geheimrat Bier gegenüber erklärt habe. In diesem Falle
war die Nachspülung wohl eine gründlichere, denn die Erscheinungen
waren dabei verhältnismässig so gering, dass es eine geradezu exorbi¬
tante Uebertreibung ist, bei dieser Anästhesie von schwerer Menin¬
gitis zu reden.
Die Zahl der jetzt vorgenommenen Gummianästhesien ist in¬
zwischen ziemlich gewachsen. Soweit ich unterrichtet bin, sind bei
denselben keine derartigen Fälle mehr zu verzeichnen.
Ich glaube, dass diese „drei schweren Meningitisfälle“, bei denen
allein ein in Soda ausgekochtes, mit Kochsalzlösung nachgespültes
Instrumentarium zur Verwendung kam, dem objektiven Leser das
richtige Urteil aufdrängen werden.
Zur Frage der Heilstättenbehandlung und der Anzeigen
für? dieselbe.
Entgegnung auf Dr. Frankenburger.
Von Dr. Bräutigam, Leiter der Heilstätte Engelthal.
In den Nummern 17 und 18 der Münch, med. Wochenschr. hat
Herr Dr. Frankenburger, der Leiter der Nürnberger Fürsorge¬
stelle für Lungenkranke und zugleich des Walderholungsheims
Rückersdorf, einen Artikel unter der Ueberschrift: „Zur Frage der
Heilstättenbehandlung und der Anzeigen für dieselbe“ veröffentlicht,
in dem er sich speziell mit den Heilstätten Fürth und Engelthal be¬
schäftigt. Herr Dr. Frankenburger wendet sich vor allem da¬
gegen, dass zum grössten Teil solche Kranke Aufnahme in die Heil¬
stätten finden, die sich im ersten Stadium der Krankheit befinden.
Obgleich er selbst zugibt, dass er bezüglich der Dauererfolge bei
Kraiiken im II. Stadium sehr skeptisch ist, verlangt er, es seien die
Heilstätten besonders den Kranken des II. Stadiums zugänglich zu
machen, weil dadurch der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit immerhin
noch auf längere Zeit hinausgeschoben werden könne; die Kranken
im ersten Stadium hätten keine Heilstättenbehandlung nötig, sie wür¬
den teilweise von selbst ausheilen; jedenfalls genüge es, wenn sie
Tageserholungsstätten (dem Walderholungsheim Rückersdorf) über¬
wiesen würden.
Wenn man nun bedenkt, dass die grosse Mehrzahl der Kranken
des II. Stadiums sich doch auch eine Zeitlang im I. Stadium befunden
haben und dass die Aussichten auf Dauererfolge bei den Kranken im
I. Stadium ungleich günstiger sind als bei denen im II. Stadium, so
ist schwer einzusehen, warum man die günstigste Zeit verstreichen
lassen und erst eingreifen soll, wenn es schon zu spät ist. Wir
haben überdies in den Heilstätten immer noch genug Fälle des II. Sta¬
diums und ich in Engelthal in diesem Jahre sogar mehr Fälle des
II. Stadiums als solche des I. Stadiums zur Aufnahme erhalten. Die¬
selben würden aber sicherlich weit günstigere Heilungsaussichten
bieten, wenn sie in ihrem I. Krankheitsstadium der Heilstätten¬
behandlung zugeführt worden wären. Denn der wichtigste Faktor
bei Heilung der Tuberkulose ist die Zeit, zu welcher die Behandlung
einsetzt.
Für die Heilstättenbehandlung stehen uns durchschnittlich nur
3 Monate zur Verfügung; bei dem langsamen Heilungsvorgang der
Lungentuberkulose ist diese Zeit so kurz bemessen, dass eigentlich
nur Fälle im allerersten Beginn für eine erfolgreiche Behandlung
auf so kurze Dauer in Betracht kommen. Abgesehen davon, dass
die Walderholungsstätte niemals die Heilstätte ersetzen kann, kommt
hinzu, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer in der Wald¬
erholungsstätte nach dem Bericht des Herrn Dr. Frankenburger
28 Tage dauert und dass eine derartig kurze Frist für die Behandlung
der Tuberkulose absolut unzureichend ist, Es Hesse sich ja an dem
Betrieb der Walderholungsstätte aussetzen, dass Rekonvaleszenten
mit Tuberkulösen zusammengebracht werden, da die Neigung zu In¬
fektionen bei geschwächten und in der Wiedergenesung begriffenen
Personen in erhöhtem Grade vorhanden ist. Wenn die Wald¬
erholungsstätte aber Tuberkulöse aufnimmt, so soll sie dieselben auf¬
nehmen während der Wartezeit, bis die Aufnahme in die Heilstätte
erfolgen kann, oder als Nachkur nach der Entlassung aus der Heil¬
stätte. aber niemals als Ersatz für die Heilstätte.
Herr Dr. Frankenburger spricht ferner den Wunsch aus,
dass die Voruntersuchung für die Prüfung der Aufnahmefähigkeit in
die Heilstätte Engelthai der Fürsorgestelle für Tuberkulose über¬
tragen werden möge. Die Erfüllung dieses Wunsches aber müsste
ich aufs tiefste beklagen, da ich bei den Anschauungen, die der der¬
zeitige Leiter der Fürsorgestelle hat, fürchten müsste, die Heilstätte
Engelthal würde ihrem eigentlichen Zweck vollständig entfremdet,
sie würde zu einer Pflege- und Versorgungsanstalt herabgedrückt
werden und alle die Mühe und Opfer des Heilstättenvereins wären
vergebens gebracht worden.
Zur Masernprophylaxe.
In No. 21, 1908 der „Münch, med. Wochenschr.“ glaubt Prof.
Langer in Graz nach Erfahrung an seinen eigenen Kindern in
Inhalationen von Wasserstoffsuperoxydlösung ein Mittel gefunden zu
haben, welches imstande wäre, die Infektion mit Masernvirus zu
verhindern.
Ohne bestreiten zu wollen, dass die Möglichkeit, auf diese Weise
die Infizierung mit Masern zu verhindern, vorhanden ist, möchte ich
nur kurz zwei einschlägige Erfahrungen mitteilen, welche beweisen,
dass ein Verschontbleiben von Masern auch ohne jegliche prophy¬
laktische Massnahme bei Kindern vorkommt, die im innigsten Kontakt
mit masernkranken Kindern sich befinden.
Vor 2 Jahren herrschte im Orte, wo ich meine Praxis ausübe,
eine ausgebreitete Masernepidemie. In einer Familie erkrankte der
8 jährige Knabe Franz H. an Masern und infolge beschränkter Woh¬
nungsverhältnisse und in der sichern Aussicht, dass bei der grossen
Empfänglichkeit der Kinder für Masern eine unvollkommene Isolierung
überhaupt unnütz sei, riet ich der Mutter, den 3 jährigen Bruder Karl
des erkrankten Franz ruhig im selben Zimmer zu lassen, da er ja
ganz sicher auch an derselben Krankheit erkranken werde. Die
Mutter aber tat noch ein Uebriges! Um den Ausbruch der Masern
beim zweiten Knaben zu beschleunigen und so gleichsam beide Krank¬
heiten in einem Aufwaschen durchzumachen. Hess sie den jüngeren
Bruder im selben Bett mit dem älteren schlafen und siehe da, die
täglich erwarteten Masern kamen nicht und erst bei der gegen¬
wärtig hier herrschenden Masernepidemie ist der jüngere Bruder von
den Masern wirklich ergriffen worden.
Bei der gleichen Epidemie vor zwei Jahren erkrankte in einer
Familie mit beschränkten Wohnungsverhältnissen von den zwei Kin¬
dern derselben der jüngere Knabe. Isolierung wurde gar nipht ver¬
sucht und trotzdem blieb das ältere von den zwei Geschwistern
damals von den Masern verschont und ist auch erst bei der heurigen
Masernepidemie von den Masern ergriffen worden. Dass weder
im ersten noch im zweiten Falle irgendwelche prophylaktische Mass-
regeln vorgekehrt wurden, brauche ich nicht eigens zu erwähnen.
Dr. Hans Degle, Kindberg (Steiermark).
Eine neue Anwendung der RSntgenstrahlen.
Schlusswort auf die Bemerkungen des Herrn Dozenten
Dr. Holzknecht.
Von Ingenieur Friedrich Dessauer in Aschaffenburg.
Mit Rücksicht auf die Geduld der Leser dieser Wochenschrift
und auf das doch immerhin beschränkte Interesse an einem Prioritäts¬
streite zwischen zwei Autoren, begnüge ich mich im nachfolgenden
mit Richtigstellung der wesentlichsten Punkte der Aus¬
führungen des Herrn Holzknecht. Auch das Unwesentliche der
Ausführungen des Herrn Holzknecht enthält zahlreiche Unrichtig¬
keiten — dass ich sie hier nicht erwähne, soll nicht bedeuten, dass
ich sie gutheisse:
1. Perthes hat sich nie das Problem gestellt, in der Tiefe so
wie auf der Oberfläche zu bestrahlen. Er erklärt es vielmehr in seiner
Arbeit als nicht gelungen, trotz verschiedener Modifikationen, eine
der Oberflächenwirkung nahekommende Tiefenwirkung zu erzielen.
2. Das Problem, in der Tiefe unter physikalisch gleichen Be¬
dingungen zu bestrahlen, wie letzt auf der Haut, dn« Problem der
Homogenbestrahlung findet sich zuerst in meiner Arbeit ..Beiträge
7Ur Bestrahlung tiefliegender Prozesse". Med. Klinik 1905. H. 21/22.
In dieser Arbeit findet sich auch die vollständige physikalische Lösung
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1700
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22 .
des Problems, und zwar so erschöpfend, dass ihr nichts mehr hin/.u-
zufügen bleibt. Diese Lösung besteht in der gleichzeitigen und kom¬
binierten Benutzung sämtlicher zur Erreichung der Homogenität not¬
wendiger Mittel und einiger weiterer, die zur Sache nicht er¬
forderlich, aber nützlich sind. (Notwendige Mittel: Betrieb sehr har¬
ter Röhren aus sehr grossen Abständen; nützliche Mittel: geeignete
Filtration, Betrieb mehrerer Röhren gleichzeitig. Verlagerung der Pa¬
tienten, so dass die Strahlung von verschiedenen Seiten eindringen
kann.)
3. Diese Methode ist in Och. Rat C z e r n y s Klinik in Heidel¬
berg 6 Monate 1905,06 in Betrieb gewesen -- Holzknecht be¬
schäftigte sich 1907 mit der Sache.
4. Holzknecht hat meiner Methode auch nicht das Geringste
hinzugefügt.
5. Holzknecht irrt, wenn er glaubt, die Homogenbestrahtung
sei nur von mehreren Seiten möglich. Aber auch wenn er recht hatte,
würde dadurch die Homogcnbestrahlung nicht weniger meine Arbeit
sein, da es offenbar ganz gleichgültig ist. ob man den Patienten von
mehreren Seiten durchstrahlt oder seine Lage verändert — ihn auf
den Rücken, auf die Seite usw. legt und die Strahlung von einer
Seite wirken lässt.
6. Hol zkn echt hat während der ganzen Dauer unserer ge¬
meinsamen Versuche nie bestritten, dass es sich um meine Methode
handle, er hat vielmehr ausdrücklich in enthusiastischen Ausdrucken
von dem gesprochen, was er bei mir sah. Die Angabe, dass
„Dessauers“ Apparat kein räumlich homogenes Licht liefere, be¬
zieht sich lediglich auf einen fehlgeschlagenen Versuch mit von dritter
Seite auf meinen Wunsch gebauten Rohren (siehe 10).
7. Der vollständig neue Weg, den Herr Heinz B a u e r auf Ein¬
ladung Holzknechts beschritten hat. d. i. die Benutzung von
Hochfrequenzströmen zum Betriebe von Röntgenröhren ist uralt. So¬
weit es sich aber um den Mehrfachbetrieb von Röntgenröhren mit
Hochfrequenzströmen zum Zwecke der Tietcnbestrahlung handelt, so
ist dieser ..neue Weg“ Herrn Holzknecht in meinem Labo¬
ratorium vor Zeugen viele Monate v o r h e r gezeigt worden.
8. Wenn H o I z k u e c h t also P e r t h e s benutzt, um eine Vor¬
erfindung der Tiefenbestrahlungsmcthode zu konstruieren und so sein
eigenes Verhalten zu rechtfertigen, so macht er den gleichen Ver¬
such, der fast bei jeder Neuerung von einiger Bedeutung gemacht
wird. Helfen wird das gar nichts, denn es ist nur notig, die
Perthes sehe und meine eigenen Arbeiten nachzulescn, um den
Sachverhalt einzusehen. Perthes’ Arbeit enthält weder das Pro¬
blem noch seine Lösung, meine beides.
9. Auch von einer Seite gibt es eine zureichende Tiefen-
bestrahlung. Dass Holzknechts diesbezügliche Ausfuhrungen
falsch sind, davon kann er sich aus jedem grosseren Physikbuch
unterrichten. Ich konstatiere also ausdrücklich: bei Bestrahlung von
einer Seite, auch dann, wenn man Patienten nicht wie ich es
tat, verlagert, gibt cs eine Tietcnbestrahlung, bei der hinreichend
absorbiert wird.
10. Holzknecht sagt, was er bei mir technisch gesehen habe,
sei unbrauchbar gewesen. In Wirklichkeit ist die Sache so: Als
Holzknecht zu mir kam teilte er mir mit. dass er meine Me¬
thode auf (irund meiner Publikation improvisiert habe und zu mir ge¬
kommen sei, um im Interesse seines Patienten Auskünfte zu holen.
Ich zeigte ihm u. a. wie ich zur damaligen Zeit bestrebt war. den
Funkeninduktor bei der Homogenbestrahlung durch eine andere Be¬
triebsart, einen Transformator und die Rohren durch Npczialrohrcn
zu ersetzen. Die Ausführung in Holzknechts Artikel, ich hatte
nach dem alten Prinzip Induktoren dabei verwandt, ist natürlich auch
irrig. Ich versprach mir von diesen Neuerungen viel. H olz-
k riecht und sein Patient baten mich, im vorliegenden Falle diese
neue Betriebsart zu versuchen. Ich w illigte ein. Der Transformator
ging gut, die neue Röhrentype, die Herr X auf meinen Yoischlag /u
diesem Zwecke angefertigt hatte, versagte. Da ausserdem bei den
Versuchen durch einen Angestellten des Patienten der Transformator
beschädigt wurde — der Kranke aber auf unsere Versuche nicht
warten konnte — machten w ir, II o I z k n e c h t und ich. w leder von
Funkeninduktoren Gebrauch. Daraus wird mm bei Holz kn echt
„Unverwertbarkeit, Unbrauchbarkeit des Technischen" usw. — eine
amüsante Umstellung der Tatsachen.
Zum Schluss: Die Geschichte der Tiefeiibestrnhlimg lässt sich in
Wirklichkeit folgeiidermasseu skizzieren:
1. Perthes untersucht, wie die biologische Wirkung der
X-Strahlen in die 'liefe geht und kommt dabei zu einem negativen
Resultat.
2. Einige Monate darauf stellt Dessauer das Problem auf. in
der Tiefe physikalisch so zu bestrahlen, wie jetzt auf der Oberfläche,
diskutiert das Problem, löst es physikalisch auf (Definition als Homo¬
genität der Penetration und Absorption) und findet die technische
Lösung durch Kombination, d. h. gleichzeitig e Anw endimg einer
Reihe von neuen und alten Mitteln.
3. Des sauer führt kurz darauf im Jahre 191)5 und Anfang 1 ( >n6
6 Monate lang einen solchen Betrieb in einer deutschen Universitäts-
ik durch und veröffentlicht die Ergebnisse in der deutschen
lischen Gesellschaft.
A. M o I z k n e c h t kommt P ■ Lilire nach diiwai praktischen Be¬
trieb zu Dessauer und teilt ihm mit. dass er auf t irund \on
Dessauers Publikation einen s.klun Pa trieb tmpr.A isitre und
bittet Dessauer um seine V Hat beit. Diese Mitarbeit eri-Lle
mehrere Monate lang an einem eliiUen Ort.
5. Holzknecht publiziert die ..end : ntige I osung des Pro¬
blems der Tiefenbest!ahlur.g” als eigene Leistung aut dem Roiitgen-
kongress luos.
laue ausfi.diiiiehe 1 Gr Stellung aller Vorgarne unter Beigabe der
Korrespondenzen wird in einer der ii.klisiiii Nummern des .. Archiv
für plu sikahsche Medi/m und niedizmis v he ledinik’ erfolgen.
Zum Schluss bedauere uh autr u uig. die < »ct'vnt :u hkeit mit
dieser leidu.eii Geschuhte notgedrungen m Npsprudi nehmen zu
müssen. Die Verspätung der I ntg.'gmmg rührt \on einer längeren
Auslandsfahr t hm.
A s v. h a i I e n b u r g. ihn 3!. Juli 1 ( >' V
__ _- —.— — r wE r~ ---
Dr. Karl Singer t-
Seit einigen J.ihren ist ein Zweig der Ihgicne zu Be¬
sonderer Entw 'ckking ge langt. d;e soziale Mvgtciie. Wah¬
rend Jahrzehnte lang der < icsnndheitspilege infolge der ep<»sbe¬
machenden Entdeckungen P e t t e n k o t e r s und Kochs so¬
wie deren Mitarbeitern mul Schule r 11 fast ausschliesslich v<m
der Chemie und Bakteriologie der Weg gebahnt
wurde, stutzt sich neuerdings die M>gicnc \ ieüadi audi aui
die Ergebnisse der V o I k s w i r t s c li a i t und Statistik.
Dieser junge Ast der h\giet is die ti W iss t rsdiatt. ehe Sozial¬
hygiene, verdankt zahlreiche Vhti’en. die zu tatkrattigem
Handeln die Grundlage bildeten. dem kur/lull lu ange gangenen
Direktor des statistischen Amtes der Stadt Muudicii. Dr. K a r I
Singer.
K a r I S i n g e r w urde im Jahre 1 s n> als Sohn eines Stuhl¬
stechers in Nürnberg geboren: nachdem er das Realgymnasium
absolviert hatte, bezog er ehe Unix erspar Muudieu, um sidi
dem Studium der Mathematik und Dh\s;k zu widmen. Nadi
bestandener Staatsprüfung war er als Ass.sjuit bei der
Kgl. Meteorologischen Zentralstation in Mnrdien tätig, wo er
bis /.um Jahre IVJO verblieb. Wahrend dieser Zeit \ erfasste
er mehrere meteorologische Arbeiten, ehe ä.ikli für eleu Hygieni¬
ker von Interesse sind, so „Die Bodciitemperutiiren an der
Kgl. Sternwarte zu München" (1 v n>) < ..Die Witterung in Sud
deiitsehland ls<d l v «'“ (erschienen 1 S ‘U). ..W < !keu täte in"
(1N‘C) u. a. m.
Im Jahre l^n trat er in das Statistische Amt der Stadt
München ein, dessen Leitung ihm im Jahre übertragen
wurde. Die neue Tätigkeit veranlasst»; ihn zu umfangreichen
volksw irtschaftlicheii und statistischen Studien; zahlreiche Rei¬
sen im Inland und Ausland, besonders m England, gaben ihm
Gelegenheit, sidi eingehende Kenntnisse über mustergültige
Einrichtungen von Stadtverwaltungen und gemeinnützigen
Vereinen an/iieige.eii. Das Ergebnis seiner mühevollen Arbeit
sind zahlreiche Schriften snziaihv gieiusdieii Inhaltes und dm
Gründung mehrerer Vorbild 1 1 die r Vereine, die der Volks-
gesiindimg dienen. Die \ er* üe nliidiurge n Singers haben
neben der auf griiiieUiybster Sachkenntnis beruhenden Ge¬
diegenheit noch zwei Vor/uge: sic beschäftigen skIi mit sn/ial-
I)\gietiischen Erageit. deren Lrmtei’uig düngend geboten ist
und doch von anderen EnrsJic-rii gar nidit oder imziireidicnd
in Angriff genommen worden wat; mul weiter zeiJmen sic
sich dadurch aus. elass sie zur V e rw itkhJiung der darge leg¬
ten Gedanken führten oder nodi führen werden, und allen,
die auf dem Gebiete de! V olksgc■sundheitsptk ge tätig sind, zu¬
verlässige Leitung und Rat zuteil werden lassen.
Wir können hier bei eier Beschränktheit des u's zur Ver¬
fügung stehenden Raumes nur einen kurzen l’eberbtick über
die* wichtigsten Arbeiten des Verstorbenen bieten. Seme Ver¬
öffentlichungen bestellen teils m statistischen Darlegungen, zu
denen seine amtliche Stellung die Veranlassung gab; hierzu
sind vor allem die permd.sdi ersJietuenden .. Wundicrcr
Jahresiibersiditen" zu rechnen. Aber andi über seine beruf¬
lichen Verpflichtungen hinaus hat er eine grosse Anzahl be-
deutender statistischer Arbe nett publiziert; wir Heimen nur
„Die Abmiiielermg der Sierbhdike itsz.ü'e r VV.iiichens" tl vi.h,
„(ieburten und Sterbcfaile in deiitsdieii Gross- und Mittel¬
städten löo.v* und ganz zuletzt ip'di ..Armenstatistik
Münchens; Untersuchungen aber die persMiihdiett V e i ha'tnisse
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1701
der von der Armenpflege unterstützten Personen im Jahre
1906“ (erschienen 1908). — Bei der umfassenden Kenntnis der
wirtschaftlichen Lage und bei dem starken Willen, Abhilfe zu
schaffen, soweit dies nur irgend möglich war, erkannte Sin¬
ger schon vor Jahren die Bedeutung der unverschuldeten
Arbeitslosigkeit und die Notwendigkeit eines öffentlichen
Eingreifens zum Schutze der Betroffenen. So entstanden seine
Veröffentlichungen, die sich mit der „Schaffung eines Ge¬
meindefonds zur Förderung der Arbeitslosenversicherung in
München“ (1903 und 1905) befassen. Vor einigen Wochen
erst hat sich* der Arbeiterfürsorgeausschuss der bayerischen
Abgeordnetenkammer mit der Arbeitslosenversicherung be¬
schäftigt; man beschloss, die Regierung zu ersuchen, dass diese
bei den grösseren bayerischen Stadtgemeinden die Errichtung
einer Arbeitslosenversicherung für ihr Gebiet anrege. Jeder
Kenner der einschlägigen Verhältnisse wird hier die Lücke, die
durch den Tod Singers entstanden ist, sofort empfinden.
Niemand hätte es besser als er vermocht, für die bayerische
Residenz ein vorbildliches System der Unterstützungs¬
gewährung für unverschuldete Arbeitslose ins Leben zu rufen.
Sein umfangreiches Wissen und sein praktisches Verständnis
hätten ihn dazu befähigt, auf diesem Gebiete etwas muster¬
gültiges zu schaffen; zu dieser Erwartung berechtigen seine
Massnahmen zur Verbeserung des Wohnungswesens. In der
Wohnungsfrage hat er, unterstützt von Prof. Max G r u b e r,
besonders Grosses geleistet. Auf seine Anregung hin entstan¬
den treffliche Arbeiterwohnungen, die bei verhältnismässig ge¬
ringen Mieten allen Ansprüchen der Hygiene gerecht werden,
und die sich durch die bedeutungsvolle Verwaltungsmassregel
der Unkündbarkeit und Unsteigerbarkeit sehr vorteilhaft von
ähnlichen Bauunternehmungen unterscheiden. Im Verein mit
Gruber ging sein Bestreben vor allem dahin, die Dezen¬
tralisation des Wohnens zu erwirken; diesen Bemühungen ver¬
danken die neuesten Münchener Bauten des „Vereins für Ver¬
besserung der Wohnungsverhältnisse in München“, dessen
langjähriger Leiter der Verstorbene war, ihre Entstehung; es
sind dies die gefälligen Häuser an der Rosenheimerstrasse, die
aus Erdgeschoss und nur zwei Obergeschossen bestehen und
neue Typen von Arbeiterwohnungen darstellen. Nicht un¬
erwähnt sei, dass S i n g e r als Schriftleiter der „Zeitschrift für
Wohnungswesen in Bayern“ sich grosse Verdienste um die
Aufklärung in allen Zweigen des bayerischen Wohnungs¬
wesens, das arge Missstände aufweist, erworben hat. — Von
nicht zu unterschätzendem Werte ist auch die wirtschaft¬
liche Frauenschule, ein Unternehmen, das seine Exi¬
stenz ebenfalls der Initiative Singers verdankt, und dessen
Vorsitzende die Gattin des Verstorbenen, Frau Gertrud
Singer ist; dieses Institut bietet jungen Mädchen eine un-
gemein hygienische Tätigkeit und gewährt ihnen eine gründ¬
liche wirtschaftliche Ausbildung, wie sie von der künftigen
Hausfrau dringend gefordert werden muss. — Auf seinen
häufigen Reisen, die dem Studium sozialer und hygienischer
Fürsorgeeinrichtungen gewidmet waren, lernte Singer in
London, Frankfurt a. M., Bremen und anderen Städten
Institute kennen, die für alle Zweige sozialer Arbeit eine
Sammelstätte darstellen.
Solche „Institute für soziale Arbeit“ sind in jeder Gross¬
stadt eine Notwendigkeit, einmal um alles einschlägige Material
zu sammeln, dann aber auch um Anregungen zu bieten und allen
Fragenden, besonders auch den Auswärtigen Antwort erteilen
zu können. Singer empfand sehr richtig das Bedürfnis nach
einer Belehrung über die wichtigsten sozialen und hygienischen
Einrichtungen, von deren Existenz nur sehr wenige Kenntnis
hatten. So entstand sein vortreffliches Buch „Soziale Fürsorge,
derWeg zumWohltun“(1904),das in knapperForm einenUeber-
blick über die gesamten Probleme der sozialen Fürsorge, ins¬
besondere über deren Organisation gibt; so veröffentlichte er
im Jahre 1907 eine ausgezeichnete Arbeit „Hygiene und soziale
Fürsorge in München“, die eine Ergänzung zu den üblichen
Reisehandbüchern dadurch gewährt, dass der Verfasser
hier eine Anzahl der wichtigsten Wohlfahrtseinrichtungen
Münchens, die in jenen Büchern recht stiefmütterlich behandelt
sind, ihrem hohen Werte gemäss gebührend würdigt und mit
Hilfe von Bildern und Zahlen für sie Interesse erweckt. Dies
Werkchen ist für jeden Besucher Münchens, der auf dem Ge¬
biete der sozialen Fürsorge tätig ist, ein ebenso wertvoller wie
notwendiger Führer. — Mit Recht strebte Singer jedoch vor
allem danach, dass in München ein Institut für soziale Arbeit
geschaffen werde, nach dem Vorbilde der erwähnten Ein¬
richtungen. Schon hatte er für dieses Institut alle Vorbe¬
reitungen getroffen, schon hatte er eine Propagandaversamm¬
lung einberufen und hierbei die Zustimmung von sozialhygie¬
nisch tätigen Aerzten, Volkswirten, unter ihnen auch Bren¬
tano, und anderen Interessenten gefunden, so dass die Eröff¬
nung dieses für die sozialhygienische Arbeit wichtige Institut in
Bälde zu erwarten war - da ereilte am 19. Juni den schaffungs¬
freudigen Forscher im besten Mannesalter nach kurzem
Krankenlager ein unerwarteter Tod. — Die Wissenschaft, vor
allem die Sozialhygiene, wird dem tüchtigen Manne ein ehren¬
volles Andenken bewahren; alle, die ihm persönlich nahe ge¬
treten sind, werden sich seiner stets mit Hochachtung erinnern.
Alfons Fischer- Karlsruhe.
Referate und BQcheranzeigen.
R. Tigerstedt: Handbuch der physiologischen Me¬
thodik. Leipzig 1908. S. H i r z e 1. I. Band. 2. Abteilung.
7.50 M.
Vor mehr als 30 Jahren haben nahezu gleichzeitig und
unabhängig von einander E. C y o n und R. Gscheidlen den
Versuch gemacht, die Forschungsmethoden der Psychologie
zusammenzustellen, wobei sie sich teils auf die in zahlreichen
Zeitschriften und Monographien zerstreuten literarischen An¬
gaben, teils auf die Tradition einzelner Laboratorien stützten 1 .
Gscheidlens Werk war von vornherein zu breit angelegt,
um die Fertigstellung zu erleben, während C y o n s Methodik
unter Beschränkung auf die rein physiologischen und nament¬
lich vivisektorischen Verfahrungsarten sich jahrzehntelang als
ein unentbehrliches, auch heute noch brauchbares Nachschlage¬
werk bewährt hat. Bei der raschen Entwicklung, welche in^-
zwischen die experimentelle Biologie nach Breite und Tiefe
erfahren hat, sind diese Werke längst unzureichend geworden
und es ist daher sehr zu begrüssen, dass R. Tigerstedt es
unternommen hat, im Verein mit zahlreichen Mitarbeitern ein
Handbuch der physiologischen Methodik nach ihrem gegen¬
wärtigen Stande herauszugeben.
Von dem auf 3 Bände berechneten Werk ist nunmehr die
zweite Abteilung des ersten Bandes als erste Lieferung aus¬
gegeben worden. Sie enthält die Methoden zur Erforschung
des Lebens der Protisten bearbeitet von V ü 11 e r - Göttingen,
die für wirbellose Tiere ausgearbeiteten Verfahrungsarten be¬
arbeitet von B e t h e - Strassburg und die in der Physiologie
gebräuchlichen physikalisch-chemischen Methoden bearbeitet
von A s h e r - Bern.
Bei der Durchsicht dieser Beiträge wird man sich über¬
zeugen können, dass das Studium der Lebensäusserungen der
niedersten Formen sowie der wirbellosen Tiere sich in sehr
erfreulicher Weise entwickelt hat, dass aber gerade auf diesem
Gebiete noch unzählige Fragen der Beantwortung harren. Der
letzte Abschnitt lässt erkennen, welche grosse Bedeutung die
physikalisch-chemischen Methoden innerhalb kurzer Zeit in der
Physiologie erlangt haben.
Man wird nicht fehl gehen in der Annahme, dass das Er¬
scheinen dieses Handbuches allen willkommen sein wird, die
sich mit den Lebenserscheinungen, normalen wie pathologi¬
schen, in experimenteller Weise befassen.
v. Frey- Würzburg.
The Bacteriology ol Dlphteria by Löffler, New¬
sholme, Mallory, Graham Smith, Dean, Park,
B o 1 d u a n. Edited by N u 11 a 1 and Graham Smith. Cam¬
bridge at the University Press 1908. 718 Seiten. Preis 20 M.
Das vorliegende grossangelegte Werk gibt eine um¬
fassende Darstellung unserer Kenntnisse von der Diphtherie
unter Ausschluss der Klinik. Im einleitenden Kapitel behandelt
Löffler die Geschichte der Erkrankung. Der zweite Ab¬
schnitt, der von' Newsholme stammt, beschäftigt sich, unter
Heranziehung eines grossen statistischen Materials, mit dem
Einfluss des Klimas und anderer meteorologischer Komponenten
auf das Auftreten und die Mortalität der Erkrankung. Gegen¬
stand des dritten Teils ist die pathologische Anatomie dr •
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1702
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Diphtherie (M a 11 o r y) sowohl wie der sie begleitenden Misch¬
infektionen, wobei der anatomischen Grundlage des Herztodes
wohl nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Den grössten Teil des Buches nimmt die umfassende Dar¬
stellung der Bakteriologie des Diphtheriebazillus von Graham
Smith ein. Im Mittelpunkt derselben steht, nach ausführ¬
licher Schilderung der bakteriologischen Diagnose, die Be¬
gründung einer scharfen Trennung des Diphtheriebazi Uns vom
Pseudodiphtheriebazillus (Hoffman n), der nach dem Ver¬
fasser durch das Fehlen der Polkörperchen, sein elektives
Wachstum auf gewissen Nährböden, seine Nichtpathogenität
für Laboratoriumstiere leicht vom eigentlichen Diphtherie¬
bazillus abzutrennen ist und der, im Gegensatz zu diesem, einen
nicht ungewöhnlichen Befund in den Hals- und Rachenorganen
noch nicht infizierter Individuen darstellt. Ein Uebergang des
einen Bazillus in den anderen ist auszuschliessen.
Es folgen die Ausführungen über die Diphtherie bei Tieren,
die Arten der Uebertragung der Diphtherie, wobei die Infektion
durch Bazillenträger eingehend gewürdigt wird, die Diphtherie- j
ähnlichen Erkrankungen, die aber durch andersartige Erreger
he rvorge rufen sind, das Scharlachdiphtheroid und die
Diphtherie bei Geisteskranken.
Die serologischen Fragen werden von Dean unter aus¬
führlicher Darlegung ihrer theoretischen Grundlagen erörtert.
Den Schluss bilden, die beiden Kapitel über die Sterblichkeit
der Diphtherie und die Serumkrankheit von Park und
B o 1 d u a n.
Dem vortrefflichen Werk sind eine Reihe von Tafeln bei¬
gegeben, unter denen die bakterioskopischen, was Klarheit und
Schärfe der Darstellung betrifft, den ersten Platz entnehmen.
Benjamin- München.
G. Maillard: Gonsidärafions sur la Maladle de Par¬
kinson et sur quelques fonctions nerveuses (tonus, equilibration,
expression). Paris, Jul. R o u s s e t, 1907. 155 Seiten. Preis
3 fr. 50.
Die Lehre von der Schüttellähmung bietet hinsichtlich der
Aetiologie umi der pathol. Anatomie grosse Lücken. Wissen
wir doch noch nicht, ob eine Erkrankung der Muskeln, der !
peripherischen Nerven oder des zentralen Nervensystems j
diesem Leiden zu Grunde liegt. Der Autor legt nun nach etwas j
langatmigen Auseinandersetzungen über das Wesen des Tonus,
des Gleichgewichtes und des Gesichtsausdruckes seine Theorie
dar, nach welcher eine Erkrankung des roten Kernes und
seiner Umgebung als Ursache für die Schüttellähmung anzu¬
sprechen ist. Tatsächlich kann M. aus der Literatur Beweise
dafür erbringen, dass Geschwülste (Solitärtuberkel, Gliome)
in dieser Gegend, dort also, wo vom Kleinhirn Fasern zu den
Hirnschcnkcln ziehen, die den Tonus der Muskeln beeinflussen
und welche das Gleichgewicht regulieren, auch schon bei
jugendlichen Individuen das Bild der Paralysis agitans ver¬
ursachen können. Wenn nun aber hauptsächlich alte Leute
von dieser Krankheit befallen werden, so ist der Grund dafür
in der Arteriosklerose der Gefässe, welche zum Mittel¬
hirn führen, zu suchen. Durch mangelnde Blutversorgung des
roten Kernes und seiner Umgebung wird der Tonus der Mus¬
keln (das Zittern ist nach M. auch auf eine Störung des Tonus
zurückzuführen) und das Gleichgewicht beeinträchtigt.
Da es sich meist nicht um eine isolierte Sklerose der Ge¬
fässe des Mittelhirnes, sondern um eine solche zahlreicher
Gehirngefässe handelt, so ist es verständlich, dass zu der
Hypertonie, zu der Steifigkeit der Muskeln, häufig auch see¬
lische Störungen treten. Stumpfheit, psychische Depression,
Gedächtnisschwäche, Erschwerung der Ideenassoziation sind
Symptome, die sich bei der in Rede stehenden Krankheit fast
regelmässig einstellen, die sich aber in keiner Weise von den
arteriosklerotischen Gehirnstörungen der alten Leute unter¬
scheiden.
Es lässt sich nicht leugnen, dass die hier entwickelte
Theorie viel, sehr viel für sich hat. Leider ist der Autor, ob¬
gleich ihm 4 Sektionen von Parkinson scher Krankheit zur
Verfügung standen, nicht im Stande, auf anatomisch-histo¬
logischem Wege den strikten Bew eis für die Richtigkeit seiner
Hvnnthese zu bringen. Falle von Einseitigkeit der Paralysis
von Kombination mit Erkrankung der Pyramiden¬
bahnen, von Vereinigung mit Kleinhirnstormigcn und schliess¬
lich von schwerer allgemeiner Arteriosklerose lassen aber die
von Maillard ausgesprochene Vermutung als redit plau¬
sibel erscheinen. Es wäre wünschenswert, wenn die I heorie
von der arteriosklerotischen Erkrankung der über den Hirn-
schenkeln gelegenen Partien des Mitte Humes auch in die
deutschen Lehrbücher mitgenommen wurde. Es ist damit doch
wenigstens der \ersuJi einer Erklärung gemacht, wahrend
mit dem Einruhen der Paralysis agitans unter die ,,Neu¬
rosen“ nur unsere mangelnde Kenntnis von der Aetiologie und
von dem Wesen dieser Erkrankung bemäntelt wird.
L. R. M ü 11 e r.
Dr. Wilhelm Stekel, Spezialarzt iur Psychotherap.c in
Wien: Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung. Mit
einem Vorworte von Prof. Dr. Sigmund Freud. Berlin und
W ien. Urban und S c h w a r z e n b c r g, löus. 315 Seiten.
Preis N M.
In der Psychopathologie äussert sich ein unterdrtukter
resp. „verdrängter" sexueller Wunsch als Angst. Diese druckt
sich nicht nur in dem bekannten psychischen Affekt aus, son¬
dern auch in körperlichen Storungen, die bisher nur zum Ted
hichergezahlt worden sind. Abgesehen von den bekannten
Arten von Angstanfallen und von den Erscheinungen von Seite
des Herzens und der Atmung geboren Indier auch gewisse
Storungen der Verdauung, nervöses Erbrechen. Kongestionen.
Ohnmächten, Schwindel, Zittern, Muskelkrampfe, Parastliesieii,
Schlaflosigkeit, vasomotorische und trophisjie Phänomene.
Auch im frühen Kmdesalter ist die Sexualangst nicht selten.
Die Angst kann auch ein Kouversionssymptom im F r e u d-
schen Sinne sein. d. h. eine unerträgliche Norsteüung kann wie
in körperliche Symptome so audi in Angst ..konvertiert“
worden sein. Sehr häufig mischen sich die Angstsymptome
mit Konversionss\mptomen. oder die Angst ist in einem ur¬
sächlichen Zusammenhang mit der Konversion. Dann haben
w ir die „A n g s t h y s t e r i e“ Mir uns, v ahrend Stekel die
Formen mit bloss körperlichen Zeichen der Angst ..Angst¬
neu rose“ nennt. Zu den Symptomen der Angsthv sterie ge¬
hören u. a. audi die Obsessionen, viele Phobien, Berufs¬
neurosen, Eisenhahnangst, Pitifungsaugst, psydnsche Impo¬
tenz, Stottern.
Beide Krankheitsformen lassen sich durch Psvdianalv se
auf ihre meist recht komplizierten und immer in d.e Sexualität
reichenden Wurzeln veriolgen und dadurch zugleich heilen.
Bei den therapeutischen Massregelu wird man aber deshalb
nicht auf die Unterstützung von Ihat, Luft, Wasser und Medi¬
kamenten verzichten, wenn diese Mittel audi nicht das wesent¬
liche der Behandlung sind.
Diese Darlegungen des Verfassers sind illustriert durdi
öS Krankengeschichten und gefolgt von einer allgemeinen
Diagnostik der Angstzustande, einer Besprechung der Therapie
und von Ausblicken ins Normale einerseits und in die' eigent¬
lichen Psychosen anderseits.
Wie es auf einem so neuen und komplizierten Gebiete nicht
anders sein kann, enthält das Buch nodi viel fliessendes und
nicht allseitig bewiesenes. Die Ableitung der Angst aus unter¬
drückten sexuellen Wünschen ist theoretisch durchaus nicht
fettig und klar. Es finden sich in dieser Beziehung audi mehr¬
fache Auffassungen, die mit einander nicht ohne weiteres ver¬
einbar sind. Ref. vermag auch nicht zu glauben, dass das
Buch dem „hartherzigen Tyrannen Materudismus“ viel an-
haben wird; psychologische Vertiefung und Materialismus
können ja sehr gute Freunde sein. Ich halte cs ferner nicht
für gut, dass Verfasser mehrfach auf Flicss zuriickgreift,
dessen Mathematik doch nichts weniger als überzeugend ist.'
Vor allem aber empfinde ich es als Mangel, dass Stekel
nirgends vor verfrühter Verallgemeinerung der an Neu¬
rotischen gewonnenen Resultate warnt. Vergisst man. nach
welchen Gesichtspunkten sein .Material gewählt ist, so konnte
man leicht geneigt sein zu glauben, die geringste Keuschheit
sei auch dem Gesunden gefahrlub. Das wäre ein bedauer¬
liches Missverständnis. - - Audi mit des Verfassers Auffassung
einzelner Psychosen bin ich nicht ganz einverstanden. Demen¬
tia präcox lässt sich überhaupt nie sicher ausschhessen und auf
keinen Fall so billig, wie Veriasser tun niodite.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
li. August 190&
MU£NCH£NER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1703
Diese Ausstellungen sind aber Neben¬
sachen. Ich halte Stekels Buch für eine hoch¬
wichtige Erscheinung. Das Material, das er uns da
bringt, ist ein sehr interessantes, mag man es deuten, wie
man will. Ich glaube aber, dass er in der Hauptsache
recht behalten wird, d. h. dass pathologische Angst und
Sexualität in irgend einem nahen Zusammenhang stehen. Ich
weiss, dass gute Beobachter das auch früher schon geahnt
haben, aber der Nachweis wird doch eigentlich erst auf diese
Weise geleistet. Ich weiss auch, dass es neben der Sexual¬
angst eine Individualangst gibt, aber ich habe diese trotz allem
Suchen in der Pathologie noch nicht gefunden. Gewiss werden
nicht alle der vielen Geistesblitze auf die Dauer der Kritik stand
halten können, aber welche untergehen werden, das zu ent¬
scheiden, hält Referent im gegebenen Moment noch für unmög¬
lich. Man wird auch die „Deutekünsteleien“ bei den Traum¬
analysen tadeln wollen. Da möchte ich aber folgendes zu be¬
denken geben: wer Traumanalysen selbst gemacht hat an
sich und an andern, der weiss, dass solche Deutungen, wie
Verf. sie bringt, im Prinzip richtig sind, und dass es ein Ding
absoluter Unmöglichkeit ist, in einem Buche, das auch ein
Ende haben muss, alle die Gründe anzugeben, auf die sich die
sogenannte Deutung stützt; gedeutet werden nämlich nur
nebensächliche Details; im wesentlichen handelt es sich nicht
um Deutung, sondern um Zusammenfassung von durch den
Patienten gegebenem Material . Es ist auch vollstän¬
dig gleichgültig, wie viele der Auslegungen
von kleinem Detail nur als geistreiche Ap-
per<?us aufzufassen sind, die das Bild vervoll¬
ständigen. Ob diese richtig oder falsch sind,
die Hauptsache bleibt doch bestehen, die Be¬
obachtung, dass unsere intimsten und uns
selbst oft unbewussten Gefühle und deren
komplizierte Verbindungen sich in den T räu¬
men ausdrücken und dase1bstdurch Analyse
aufzudecken sind.
Wer psychologisch denken und beobachten kann, der lese
das Buch, ohne Vorurteil aber mit Kritik; massgebende Kritik
wird allerdings nur der anwenden können, der sich im Laufe
von Jahren in die Eorschungsweise hineingearbeitet haben
wird. ' Bleuler- Burghölzli.
J. Ebner: Selbsthilfe in Frauenleiden. Hausärztliche
Winke für Frauen' und Jungfrauen. 192 Seiten, Preis 2.80 M.
Verlag von M. B e r g e n s, Tilsit 1907.
Das in der zweiten Auflage vorliegende Büchlein soll als
Ratgeber in Fällen der Krankheit, gleich wie ein Kursbuch auf
Reisen, die Frau durch Zeiten des Bangens und Leidens be¬
gleiten, also in der Hauptsache den Zweck eines Nachschlage-
buches erfüllen. In gedrängter Kürze und übersichtlicher
Form ist zunächst ein Ueberblick über die normale Schwanger¬
schaft . gegeben, das Verhalten darin vorgeschrieben, ihre
wichtigsten Unregelmässigkeiten kurz dargelegt mit ge¬
nauer Anweisung, in welchen Fällen sofort ohne vorherige
Anwendung von Hausmitteln der Arzt zu rufen ist. Ein
Anhang zu diesem Abschnitt enthält die Zeichen, an welchen
die Schwangere Leben oder Absterben des Kindes während der
Schwangerschaft erkennt, und eine Beschreibung der Entwick¬
lung der Frucht in den einzelnen Monaten. Hieran schliesst
sich eine kurze Anatomie der Genitalien, sowie der der Frucht
zugehörigen Teile, Beschreibung des Geburtsverlaufes, der
Vorbereitung dazu, der Tätigkeit der Hebamme und der
Fälle, in denen der Arzt unverzüglich nötig ist, auch ge¬
gen den Willen der Hebamme, Störungen während der Geburt
und Nachgeburtszeit. Der Schilderung des Wochenbettes
folgt ein Kapitel über die Vorbeugung der Empfängnis; den
Schluss bilden die normale Periode und die Unterleibserkran¬
kungen mit einem Anhang über Onanie und Sterilität.
Dem Buche gebührt zweifellos in der populär-medizini¬
schen Literatur eine hervorragende Stellung, es kann wegen
seiner Leichtverständlichkeit jeder, auch der weniger gebildeten
Frau in die Hand gegeben werden und wird sicher da, wo es
gebraucht wird, Gutes stiften. Eine ausgedehnte Verbreitung
ist dem Buche um so mehr zu wünschen, als heute in den
Familienbibliotheken die medizinische Literatur meist nur aus
den von Nichtärzten, häufig im Gegensatz zur ärztlichen
Wissenschaft geschriebenen, durch geschickte Reklame ver¬
breiteten, vielbändigen, wertlosen Büchern besteht.
A. Rieländer-Marburg.
Bericht über urologische Forschungsergebnisse aus dem ersten
Halbjahr 1908.
Von neueren Werken unseres Spezialgebietes sind der zysto-
skopische Atlas von Stöckel sowie der von Kn eise, welcher
den besten bis jetzt erschienenen Handatlas darstellt, an erster Stelle
zu nennen; sie sind hier bereits besprochen worden. „Die Zysto-
skopie und Urethroskopie beim Weibe" behandelt ein jüngst er¬
schienenes Werk R. Knorrs, das in einer der nächsten Nummern
eingehender gewürdigt werden soll. Eine hübsche Monographie ist
ferner von E. Enderlen („Ueber Blasenektopie“ in Volkmanns
Sammlung klinischer Vorträge 1908) veröffentlicht worden, welche die
mannigfachen instrumentellen und operativen Massnahmen, die bei
Blasenektopie vorgenommen werden, kritisch beleuchtet.
Eine ganz ausserordentlich grosse Anzahl von Arbeiten des
letzten Halbjahres beschäftigt sich mit der Pathologie, Dia¬
gnose und Therapie der Nierenerkrankungen.
Dr. Keersmacker stellt sich in seiner Abhandlung „Les
albuminuries, les nephrites chroniques et le bacille de Koch" Fol.
urol., Bd. II, No. 1, 1908 auf einen ganz neuen Boden. Er geht
von der Tatsache aus, dass eine Infektion mit Tuberkelbazillen
eine einfache Entzündung nichtspezifischen Charakters hervorrufen
kann, die ohne Tuberkelbildung zu Sklerose führt. Diese Entzündung
ist auf die im Gewebe vorhandenen Tuberkelbazillen zurückzuführen.
Eine Tuberkulose im wahren Sinne des Wortes kann man diese Ent¬
zündung nicht nennen; K. bezeichnet sie mit „Tuberculo-Ba-
z i 11 i e s". Jede zur Sklerose führende Entzündung unbekannter
Ursache kann also durch Tuberkelbazillen erzeugt worden sein.
Hieher rechnet Verfasser die Prostatitis, Nephritis, Hepatitis etc.
dunklen Ursprungs (Albuminurie, Diabetes, Prostatismus).
Die A e t i o 1 o g i e der verschiedenen Arten von Albumin¬
urie und von chronischer Nephritis ist uns in den meisten
Fällen noch unbekannt. Diese Erkrankungen, welche einfache, zu
Sklerose führende Entzündungen darstellen, können der Infektion
mit dem Tuberkelbazillus zuzuschreiben sein. Abgesehen von Ei-
weiss mit Zylindern finden wir meist noch Eiterzellen, welche den
gewöhnlichen Nährboden steril lassen. Nun reagieren nach K.s Ver¬
suchen alle diese Kranken in klassischer Weise auf Alttuberkulin
Koch und werden durch die Behandlung mittels der Tuberkuline auch
beeinflusst. Als „Tuberculo-Bazillies“, welche einerseits aus dem
Harnbefunde, andererseits aus dem Symptomenkomplex: Schmerzen,
Temperaturkurven und Albumenkurven diagnostiziert werden, spricht
der Verf. an: Die meisten Fälle Brightscher Krankheit, die
einseitige Nephritis, dann die orthostatische, phy¬
siologische und Schwangerschaftsnephritis, endlich
die zyklischen oder Pavyschen Nephritiden usw. Ihre
Behandlung sei die gleiche wie die der anderen Tuberkulosearten.
Zu verwerfen ist hier die absolute Milchdiät und Bettruhe in her¬
metisch geschlossenem Zimmer, sowie eine empirische Therapie.
Zum Gegenstände sehr eingehender, praktisch recht wichtiger
Untersuchungen macht Albarran die Veränderungen, welche
bei einseitiger Nierentuberkulose die andere Niere auf¬
weisen kann. (Lösions du rein du cote opposö dans la tuberculose
renale unilaterale". Annal. des malad, des org. gönit.-urin., Bd. 26,
H. 2, 1908.) Er teilt sie in 5 Gruppen ein. In 1. eine ganz wenig
ausgesprochene Albuminurie mit oder ohne Polyurie; sie vermindert
sich kurze Zeit nach der Operation des tuberkulösen Schwester¬
organs und verschwindet dann nach einiger Zeit: die zurückgelassene
Niere scheint zu ihrem normalen Zustand zurückzukehren. 2. Eine
Albuminurie mit oder ohne Polyurie und Zylindrurie; sie bleibt
mehrere Jahre bestehen; durch geringe Ursachen kann sie sich ver¬
schlimmern. 3. Eine parenchymatöse oder „hydropigene" Nephritis
mit langsamen oder rascherem Fortschreiten. 4. Eine hämorrhagi¬
sche Nephritis und endlich in 5. eine einfache Zylindrurie. Alle
diese klinisch verschiedenen Zustände scheinen verschiedenen Graden
ähnlicher Affektionen zu entsprechen.
Vom klinischen Standpunkte aus ist es wichtig, die Dif¬
ferentialdiagnose zwischen beiderseitiger Tuberkulose und
den aufgezählten nichtspezifischen Läsionen der anderen Nieren zu
stellen; es ist ferner wichtig, die gutartigen Formen von den
schweren zu unterscheiden. Folgende Merkmale sind es besonders,
durch welche sich die beiden Affektionen unterscheiden: der ge¬
sondert aufgefangene Harn der obengenannten Gruppen (mit oder
ohne Polyurie und Zylindrurie) ist schön klar und von bernstein¬
gelber Farbe. Mikroskopisch findet man keinen Eiter, höchstens ein
paar Zellen nach Zentrifugieren. Keine Tuberkelbazillen. Bei der
funktionellen Untersuchung durch die experimentelle Polyurie sieht
man in der Mehrzahl der Fälle, dass diese Nieren das Wasser gut
ausscheiden. Die Ausscheidung von Phloridzin ist normal ebenso
wie die des Harnstoffes und der Chloride; Methylenblau erscheint
prompt. In schweren Fällen sieht man, dass eine solche Niere we¬
niger gute Ausscheidungsverhältnisse zeigt als eine normale. $
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1704
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. .1?.
sonders dem Phloridzinzucker gegenüber. Im Gegensatz dazu findet
man bei der doppelten Nicrentuberkulose auf der weniger kranken
Seite einen Harn, der blass und trübe ist und oft kleine Krümmel in
Suspension enthält. Zahlreiche Leukozyten; Bazillenbeiund positiv
oder auch negativ. Die Eunktionsprüfung ergibt eine mehr weniger
grosse Schädigung dieser Niere.
Bei den Eiillen vno einfacher Albuminurie kann die Exstirpation
der anderen Niere ohne Gefahr vorgenommen werden; und zwar
sollte dieses so bald als möglich geschehen, um den schädlichen Ein¬
fluss auf die andere Niere hintanzuhalten. Pie Operation ist dagegen
kontraindiziert in den nicht allzuhäufigen Eällen einer schweren
Affektion der anderen Seite: abundante Albuminurie mit Zylindrurie
und Polyurie sowie schlechtes Ergebnis der verschiedenen Arten der
funktionellen Prüfung.
Ueber „Diagnosen und Operationen bei ver¬
schmolzenen Nieren“ spricht der bekannte Berliner Chirurg
Israel in den Eolia urolog., Bd. I, No. ft, löns. Während Hufeisen¬
nieren in nur 0,1 Proz. der Sektionen gefunden wurden, begegnete .1.
unter ca. 800 Nierenoperationen 7 mal verschmolzenen Nieren. Pie-
Missbildung wird vor der Operation nur selten erkannt; dass dies
aber auf Orund sorgfältiger Palpation möglich ist, bew eisen 3 seiner
Beobachtungen, auf welche sich allerdings die Zahl der bisher über¬
haupt diagnostizierten Bälle beschränkt. Die sichere Diagnose der
Hufeisenniere ist nur durch Palpation zu erbringen, sie w ird möglich
sein bei einem mageren Individuum mit nachgiebigen Bauchdecken
und leeren Därmen. Entweder lässt sich dann das ganze Organ
abtasten oder man fühlt den unteren Nierenpol einer Niere in einen
schmalen, wurst- oder walzenförmigen Portsatz ausgehen, der ipier
vor die Wirbelsäule zur anderen Körperhälfte zieht. Unterstützen¬
des Moment ist der radiographische Nachweis einer charakteristi¬
schen Abweichung des Ureterverlaufes; besonders bei einseitigen
Langnieren ist die Darstellung wertvoll. Aufmerksam wird man
werden müssen durch eine auffällig mediane Lage einer Nieren¬
geschwulst sowie von Nierensteinen, die durch Palpation oder Radio¬
graphie erkennbar wurden; auszuschliessen ist dabei, dass es sich
um Geschwulst oder Stein einer dislozierten Niere handelt.
Die Erkennung einer Hufeiscnnicre während der Operation er¬
gibt sich aus dem Verlaufe des Ureters über die Vorderfläche des
Organs; ausserdem liegt sie gewöhnlich tiefer und medianer als nor¬
male Nieren. J. hat an den 7 verschmolzenen Nieren 11 Operationen
mit Glück ausgeführt: Nephrektomien, Nephrotomien. Pyeloliilm-
tomien und Dekapsulationcn. Der Gefahr der Blutung aus der
Nierenschnittfläche kann in verschiedener Weise begegnet werden:
durch Kompression mit dem Gazebauschen, durch Berührung durch
den Thermokauter, durch partienweise Umstechung vor der Durch¬
trennung, durch isolierte Unterbindung blutender (iefässe nach der
Durchschneidung oder durch die Vernähung der Ränder der Schnitt¬
fläche. Nach Resektion einer Nierenhälfte ist die Wunde zu drai-
nieren, weil die Trennungsfläche bisweilen einige Zeit Urin absondert.
Zur nichtoperativen Behandlung der Nicrentuberkulose
werden auch diesmal vereinzelte Vorschläge gemacht. So empfiehlt
E. B i r c h e r (diese Wochenschrift 1 öo7. No. 51) die B e h a n d -
Jung mit Röntgenstrahlen; er hatte in 2 Eällen eine er¬
hebliche Besserung erzielt.
J. Go dl ec („Prognosis in relation to treatment of tuberculosis
of the genito-urinary organs“. British med. .lourn., Dez. I‘>n7) be¬
fürwortet für die Nierentuberkulose ein mehr konservatives
Verfahren; die kranke Niere sei bloss bei ausgedehnten, scliw eren
Veränderungen zu entfernen; bei leichteren Eällen gelinge die Ent¬
fernung des Krankheitsherdes allein. Dieser von den gewöhnlichen
Anschauungen abweichende Standpunkt ist im Interesse der Kranken
nicht zu teilen. Wer je das Präparat einer mit Tuberkulose durch¬
setzten Niere genau studiert hat, wird zugeben müssen, dass es
meist unmöglich ist. sicher alle Herde zu entfernen; und bleibt
auch nur einer zurück, so liegt für die weitere Infektion der Niere
die grösste Wahrscheinlichkeit vor. Dagegen ist dem Vcrf. nicht
Unrecht zu geben, wenn er sagt, die Blasentuberkulose gebe eine
um so bessere Prognose, je weniger lokale Eingriffe gemacht werden.
O. P i e 1 e k e spricht der A 111 u b e r k u I i n b e h a n d I u n g
das Wort (Tuberkulin gegen Nierentuberkulose“, Vörtr. geh. in der
Berl. med. Gesellsch. s. diese Wöchenschr. S. lsu). In der Dis¬
kussion wendet sich Israel gegen diese Therapie. Bei dem Charak¬
ter der Erkrankung sind Besserungen ohne Beweiskraft: eine wirk¬
liche Heilung der Erkrankung ist bis jetzt noch nicht erwiesen.
Dagegen habe er selbst durch die Verzögerung der operativen Be¬
handlung schwere Schädigungen beobachtet; jedenfalls sei die
andere Niere immer in Gefahr. Tuberkulin solle man bloss anwen¬
den für Nachbehandlung nach der Exstirpation.
Demnach bleibt, nach den Resultaten, die bis jetzt veröffentlicht
wurden, voll und ganz der Satz bestehen, dass eine als sicher er¬
kannte Nicrentuberkulose der chirurgischen Behandlung unterworfen
werden müsse.
Eiir den Praktiker höchst interessant sind die Ausführungen
R. Lichtensterns „U eher die Resultate der opera¬
tive n B e h a n d 1 u n g der Nicrentuberkul o s e“ (Zeitsdir.
f. Urol., Bd. 11, H. 3, 1908). Wenn wir frühere Statistiken über diesen
I unkt befragen, so finden wir ausser in einem Bericht Israels
kaum irgendwo systematische l ntci su Jiungui in dieser Richtung.
L. wählte zur Nachprüfung aus der Zahl der Nun < >. Z ii c k e r k a n d I
und ihm selbst operierten Nierentuberkuh>scn 17 I .nie. die sich des
besten Wohlseins erlreuteu und nach unseren früheren Anschau¬
ungen als geheilt betrachtet wurden. Zum Nachweis von Bazmen un
Harn bediente er sich der einzig einwandfreien Methode, des I icr-
experinients. Diese 17 so untersuchten Labe konnte er m drei
Gruppen cmteileii. Einmal m Kranke, bei denen die In piuug der
Meerschweinchen stets negatives Ergebnis hatte <7 laich Bei
einem Teil dieser Gruppe standen die I l.u nbesciiw er den im Hinter¬
gründe des Krarikhcitshiidcs, ihre Blasen zeigten nur geringe \ er-
anderungeri vor der Operation. Dass diese Kranken keine Ha/d en
mehr ausscheulen wurden, war also wohl /n erwarten. Dem stellen
4 andere lalle derselben Gruppe gegenüber mit Schweren eiit/unJ-
lichen Veränderungen der Blase, die nach der Operation andauerten,
ja sogar exazyrInerten. Die hier amtrete:ndeii Beschwerden müssen
nun bei dem negativen Baznlenbe imid aut emi.iche Z.vstitis /uriuk-
gefuhrt werden, die sich in der iriiher tiiherk.nl- s v eraiidc rten Base
entwickelt hat. Dieser Befund ist deshalb wichtig, weil er über
spater aultretende Blutungen, die ein I «uisdireiten der spe/üisdieii
Infektion Vortäuschen konnten, beruhigt: sie können sehr wohl durch
/estnische \ eraiiderungen licrhcigclüiöt sein. Bei der zweiten
Gruppe (3 Lalle) ergaben die ersten Impfungen ein posm\es, ehe
weiteren ein negatives Resultat. Wir weiden nnht tehiccheu. wenn
wir anriehmen, dass Meide, welche entweder im l lc r usstumple oUcr
in der Blase noch vorhanden waren, zur Ausheilung gekommen sind.
Die dritte Gruppe endlich betnitt 7 l aiie, in denen die Impimuen
dauernd ein positives Resultat ergabe n. \ it.ihs/iis, hu Ken ist hier,
dass eine Infektion eie*r zweiten Niere, soweit unsere bisherigen Mills-
mittel dies diagnostizieren lassen, aus/uvehhesseu ist. Die Patien¬
ten erfreuen sich 5, 3 und 2 Jahre nadi der Operation des besten
Wohlbefindens. Körpergewicht normal. Ar beitslaingkent erhalten, der
Harnbefund spricht für völlige I imktionstalugke it der Testierende u
Niere. Nach unseren früheren Anschauungen mussten diese Kranke
als geheilt betrachtet werden; die Nachprüfung des Harns aut Bazillen
zeigt, dass diese Annahme falsch ist. \mi diesem M.mdpunkt aus
darf auch einem wegen Nicie ntuber kulose operierten Kranken nur
dann ein Meiratskoiisens erteilt Weiden, wenn sein harn dauernd
frei von Bakterien ist.
Ueber seine Erfahrungen mit der von V oelcke r und Joseph
in die Diagnostik der Nierenkrank heilen cingel ihrteu Indigkar-
tu i n ui e t h o d e referiert I. Suter (..Wert des Indig -kar mms zur
iimktioneflVn Niereiuliagmisnk' , Zeitsdir. f. I roh. Bd. II. M. 5. l'A's».
Auf Grund eines gi oss V i ei) operativen Materials »das sich ledodi
hauptsächlich auf lalle von Nierentuberkuiose erstreckt) sehucsst
sich S. der von den meisten Lioiogcn anerkannten Ansicht an. elass
das Indigkarmm ein braudibares Mittel zur I unkfi -uspniitmg der
Niere ist. Gesunde Nieren Scheiden mich seinen E r tahruu gen den
E'arbstoff (in ö3 Proz. der lalle) <► 12 Minuten nadi der lircktum
aus. bei 7 Proz. verzögert sich der Moment des Ausscheidens ins aut
15 Minuten. Die lnteusit.it der Aussdieudimg ist auch normalerweise
stark wechselnd, tdimir gisdi kranke Nie re n Seheule n je nadi der
Grosse des zerstörten Bezirkes den larbstotj weniger intensiv aus
als d.is gesunde Sdiw esterm gan. Nieren, welche d.e Barbe spate-'
als 15 Minuten aus-sdie ideal. sind nach Ss Irtahnmgen der operier¬
ten Lalle ausgedehnt t-. krankt. Nicien. die gar kernen Barbst-.n aus.
scheiden, sind schwer krank. Bei <> beobachte Je n Mv daom. phn-s^n
konnte S. eine Aussdieuiimg mdit bemerken, obwohl bei einem I eil
derselben noch leadmdi Ni. r cupa i e ru h v rn vorhanden war; cs
scheint, dass die eh l) iarbsyr .«ussdie .dendeii lene des Niere n -
parenclivnis durdi Stauung i.isdi .-'diaden U .de n.
Auch I h e I e ii (.3 d’cr eleu diagnostische n Wed eie r Cir-ano-
zystoskopie bei ciiirur grsdien Nie-rencr k t am, urteil“. Zeitsdir. f. I r«* 1..
Bd. II, 11. 7) ist v on den Leistungen dieser l nte Tsudmr.gsmeth--de-
äusserst befriedigt. Er hat sie bei al.cii nn-didicri Erkrankungen
der Niere diagnostisch verweilet, bei Nu r cn.tibe r kulose. bei grossen
Abehnnmaltumoi eil. um ft stzustc ilcn. weichem (»r gan elcr I nnio-
angehort. bei l te r uskat ziin>m zur 1 ntsdie i lung emer Koiuprtssinii
eines Ureters durdi Metastasen und \ er vv .-.chsungin. bei X retero-
vagmalfistein usf. I s bot ihm diese- Methode in vielen E dlen die¬
selben funktionell diagiiostisdi-.il \ orteile, w ie die Kr v oskopic und
die Phlnridzmprobe, deren Resultate audi mdit immer eiuw.in.lirci
und deren Austuhiung für den Pr akt'scr icdit zeitraubend lind kom¬
pliziert Seien.
E x p e r i in enteil sudit-n sidi ul-er eleii Wert der Indig-
karmmprobe N. I’ctr o w und >. I’crischive k i n (..Zur I rage dm
eliagnostisclien Bedeutung elcr ln.!i s karn.mpr.-l>e“. Rusk. W ratsgn
1‘xis. S. 355) zu orientieren. An Mumien und kanindcn wurde nadi
I arbstoffmiektion der normale Aussd+^upji-gstv pus elcr Nieren fest-
gestellt, hierauf die eine Nut«- cnn. rnt: der I v pus des ztinick-
gclasscneu Scliw esteroigans Hieb derselbe. Nachdem diese Niere
durch chemische Mitei geschädigt wurde, raten jetzt, je nadi de r
Schwere elcr herbeigefnhi teil Erk rankimg. \ erandc r ungeri elcr Aus¬
scheidung auf: bei pureiichv niatoscr Nephnfs waren sie gering, bei
Uebergang der Ent/iufdung am das Inte 'sptialge w che dagegen war
die Ausscheidung schwer gesdwidtgt. Audi durdi klmisdie Ik-obaJi-
tungen konnten die beiden Verfasser zu ähnlichen Rcsu,taten kmn«
Digitizea hy Ci,ouQie
Original fro-rri
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1705
men, wie sie bereits von einer Reihe deutscher Forscher berichtet
wurden.
Eine grössere Reihe von Versuchen hat D. P. Kusnetzky
(„Ueber experimentelle Polyurie“, Zeitschr. f. Urol., Bd. II, H. 6,
1908) angestellt, um den Wert der von A1 b a r r a n 1905 angegebenen
Methode der funktionellen Nierendiagnostik nachzu¬
prüfen. Bekanntlich besteht diese in der vergleichenden Funktions¬
prüfung beider Nieren vor und nach einer vermehrten Wasserzufuhr,
wonach die Sekretionsfähigkeit jeder einzelnen Niere bestimmt wird.
K. gibt zu, dass diese experimentelle Polyurie eine theoretisch recht
interessante, physiologische Untersuchungsmethode für die relative
Funktionstüchtigkeit gesunder und kranker Nieren sei; es sei aber
nur dann auf absolut zuverlässige Werte zu rechnen, wenn man den
Harn aus beiden Nieren auf die nämliche Weise, d. h. durch beider¬
seitigen Ureterenkatheterismus gewinnt ,im Gegensatz zu Albar-
r a n, der nur einen Ureterkatheter einführt und durch einen zweiten,
in die Blase eingelegten gewöhnlichen Katheter den Harn der anderen
Seite auffängt. Eine bedeutende Einschränkung erfährt diese Methode
durch den Umstand, dass es bei Männern oft unmöglich ist, beide
Harnleiter mit genügend starken Kathetern zu sondieren, was zur
Vermeidung des Vorbeifliessens von Harn ja notwendig ist. Zudem
ist ihre Ausführung mit manchen technischen Schwierigkeiten ver¬
bunden, benötigt einen grösseren Aufwand von Zeit und kann in ein¬
zelnen Fällen sogar zu Fehlschlüssen führen. Aus diesen Gründen
sollte die experimentelle Polyurie nur in denjenigen, diagnostisch be¬
sonders schwierigen Fällen zur Anwendung kommen, in denen die
einfachen Untersuchungsmethoden im Stiche lassen.
Bereits von A 1 barran wurde der Harnleiterdauer¬
katheter zu präventiver und auch zu kurativer Behandlung der
auf Nephrostomie folgenden Nierenfisteln angewendet. Nun macht
L. Cardenal („Ueber Dauerkatheterismus der Ureteren in der
chirurgischen Behandlung verschiedener Blasenleiden und der Pro¬
statahypertrophie“, Zentralbl. f. Chir., No. 21, 1908) auf neue An¬
wendungsgebiete aufmerksam. Aus eigenen Versuchen schliesst C.,
dass die Harnleiter des Menschen und der Tiere ganz gut mehrere
Tage und sogar besser als die Harnröhre einen Dauerkatheter ver¬
tragen, ohne dass bei einigermassen guter Asepsis eine aszendierende
Infektion hinzutritt. Dieses Verfahren bietet besondere Vorteile bei
Blasenoperationen, die leicht heftige Blutungen im Gefolge haben, bei
suprapubischer Prostatektomie, Blasentumoren u. a. Wird wegen
einer solchen Blutung die Blase tamponiert, so macht der hinzu-
fliessende Harn, der die Gaze durchtränkt, die Tamponade illu¬
sorisch. Ferner wird bei offen gelassener Blase eine schnellere
Wundheilung garantiert, wenn die Wundränder durch den Harn nicht
durchfeuchtet werden. C. geht nun in der Weise vor, dass er nach
beendeter Blasenoperation unter Leitung des Auges beiderseits einen
Ureterenkatheter (9—10 Charr.) in den Harnleiter und das schräg ab¬
geschnittene Ende in die Harnröhre einführt. Während der nächsten
Tage sind die Katheter sorgfältig auf ihre Permeabilität zu prüfen,
indem man häufig kleine Mengen 4 proz. Borsäure oder 1 prom.
Argentumlösung einspritzt.
Gerade letzterer Punkt scheint mir jedoch die Hauptschwierig¬
keiten zu bereiten. Wer auf der Abteilung eine grössere Zahl von
Harnröhrenverweilkathetern liegen hatte, wird mir zugeben, dass
trotz guten Sitzes und weiten Lumens des Katheters ein Verstopfen
recht oft vorkommt. Wie viel häufiger wird dies der Fall sein, bei
den dünnen Ureterenkathetern! Auch das doch nötige Wechseln
über dem Mandrin wird sich nicht immer glatt bewerkstelligen
lassen.
(Schluss folgt.)
Neueste Joumalllteratiir.
Zentralblatt für Innere Medizin. 1908. No. 29 bis 31.
No. 29. H. C. T. 01 r u m - Kopenhagen: Die Funktionsprüfung
der Nieren, besonders mit Jodsalzen.
Die Prüfung der Ausscheidung von Jodsalzen ist ein gutes und.
praktisch recht brauchbares Verfahren zur Bestimmung der Nieren¬
funktion. Der Patient erhält 2 Tabletten mit 25 egr Jodkalium. Der
Gesamtharn wird gesammelt und gemessen. Man löst nun in einer
der Gesamtharnmenge entsprechenden Menge Wasser eine Tablette
zu 25 egr und befreit aus dieser Lösung und aus dem Harn das Jod
mit rauchender Salpetersäure. Darauf schüttelt man mit Benzin
(10—20 ccm) Proben von beiden Flüssigkeiten in zwei gleichweiten
Reagenzgläsern aus. Man stellt nun kolorimetrisch einen Vergleich
an und verdünnt, wenn nötig, das Benzin der wässrigen Lösung bis
die Farben gleich sind. Die Methode der kolorimetrischen Bestim¬
mung der Jodmenge der ersten 24 Stunden ergab bei etwa 50 Nieren¬
kranken folgende Resultate:
1. Bei Granularatrophie bedeutend verspätete Ausscheidung
(Dauer bis 187 Stunden), bei parenchymatöser Nierenentzündung da¬
gegen eine normale oder vermehrte Ausscheidung, ausgenommen Fälle
mit sekundärer Schrumpfung.
2. In 12 Fällen von orthostatischer und zyklischer Albuminurie
war die Ausscheidung normal oder vermehrt.
3. Arteriosklerose ohne Granularatrophie ist ohne Einfluss auf
die Ausscheidung.
4. Die funktionelle Prüfung mit Jodsalzen lässt sich bei der
azetalbuminurischen Form chronischer Nierenentzündung, der sog.
latenten Nephritis, anwenden, und die Unterscheidung der inter¬
stitiellen und parenchymatösen Nierenentzündung ist dadurch sehr
erleichtert. •
No. 30. Ohne Originalartikel.
No. 31. Wiens: Weitere Untersuchungen über die Antlterment-
reaktlon des Blutes. (Aus der med. Klinik in Breslau.)
An Stelle des früher zu den Untersuchungen benützten Kokken¬
eiters verwendet W. jetzt eine Fermentlösung (Leukoferment Merck),
welche normales Blutserum im Verhältnis von 2:1 verdaut. W. wen¬
det die Oesenverdünnung an. Jede mit einer schweren Allgemein¬
schädigung des Organismus verbundene konsumierende Krankheit
(z. B. Karzinom, Tuberkulose) führt zu einer Vermehrung des Anti¬
fermentgehaltes, zu einer Steigerung der hemmenden Kraft des Blut¬
serums. W. Zinn- Berlin.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 93. Band, 4. u. 5. Heft.
Juni 1908.
20) W i 1 m s - Basel: Eine neue Methode der Prostatektomie.
W. empfiehlt einen an 3 Fällen erprobten Schnitt zur Prostatek¬
tomie, der am absteigenden Schambeinast 4—5 cm lang angelegt
wird; der M. ischio-cavernosus und die A. pudenda interna werden
nach median verschoben. Die totale Aushülsung geschieht wie bei
der vesicalen Methode, eine Verletzung des Rektums ist ganz un¬
möglich.
21) R. M i 1 n e r - Leipzig: Historisches und Kritisches über
Knochenzysten, Chondrome, fibröse Ostitis und ähnliche Leiden.
In der umfassenden historisch-kritischen Arbeit kommt M. zu
folgenden Schlüssen: Virchow hat weder für seinen eigenen Fall
von Knochenzyste, noch für die Fälle Froriep. Langenbeck
die Entstehung aus echten Chondromen gelehrt. Die Fälle gehören
zur Ostitis fibrosa. Auch alle anderen Fälle der Literatur lassen sich
wahrscheinlicher aus der Ostitis fibrosa ableiten.
Eine Identifizierung der Ostitis fibrosa in ihren verschiedenen
Typen mit der Osteomalazie ist erst nach der Kenntnis der Ursache
der Osteomalazie möglich.
„Die Erfahrungen bei Ostitis fibrosa und bei Knochenzysten
erinnern daran, dass Knorpelinseln im Knochen nicht ganz selten
metaplastisch ausgebildet werden und vielleicht auf diesem Wege die
erste Anlage mancher Chondrome zustande kommt.“
22) R. V ö c k 1 e r - Magdeburg: Eine seltene Form Innerer In-
karzeratlon.
Bei einer 63 jährigen Frau fand sich eine durch Schlingenbildung
der lang ausgezogenen Tube bewirkte Strangulierung zweier Dürin-
darmschlingen. Die strangulierten, kaum veränderten Schlingen wer¬
den gelöst und können zurückgelassen werden.
3 ähnliche Literaturfälle.
Auffallend war das Missverhältnis zwischen Dauer des Ileus
(ca. 8 Tage) und dem guten Aussehen der inkarzerierten Schlingen
nach Art der „schlaffen Einklemmung“ (W i I m s), die noch nicht
genügend geklärt ist.
23) Enrico M a r t i n i - Turin: Ueber einen neuen Apparat für
die Behandlung der Frakturen des Armes.
Portativer Apparat zur Behandlung der Frakturen des Ober¬
arms, der durch Extension und Gegenextension wirkt, eine gute
Adaption der Bruchenden, Kontrolle und Massage der Bruchstelle und
eventuell gute Behandlung offener Frakturen ermöglicht
24) I s e 1 i n - Basel: Tetanie Jugendlicher Ratten nach Para-
thyreoldektomie. Steigerung der tetanlschen Reaktionsfähigkeit
jugendlicher Ratten bei Nachkommen parathyreoldektomlerter Ratten.
J. fand, dass bei 5—12 Wochen alten, gefleckten, gesunden Rat¬
ten nach doppelseitiger Exzision der Epithelkörperchen eine akute,
innerhalb 2 Tagen tödlich verlaufende Tetanie auftritt; ferner, dass
die jugendlichen Nachkommen parathyreoidektomierter Ratten diese
Empfindlichkeit in weit stärkerem Grade besitzen.
25) B1 e c h e r - Strassburg: Ueber die-Behandlung akut ent¬
zündlicher Erkrankungen mit künstlicher Hyperämie (auf Grund von
500 Fällen).
Bl. behandelte 505 Fälle akuter Entzündung mit Stauung.
Die Erfahrungen sind im allgemeinen günstige bei Behandlung
der Furunkel, Lymphdrüsenentzündungen. Panaritien. Gelenkeite¬
rungen, Zellgewebsentzündungen, Lymphangitiden, weniger günstig
bei Osteomyelitiden.
Bei Streptokokkeninfektionen hatte auch Bl. zahlreiche Miss¬
erfolge.
Ausserdem wandte Bl. noch in 66 Fällen frischer Verletzungen
prophylaktische Stauung an mit zufriedenstellendem Erfolge.
26) Albert Dreifuss -Hamburg: Beiträge zur Pankreas¬
chirurgie.
Anschliessend an einen Fall von subkutaner Verletzung des Pan¬
kreas durch stumpfe Gewalt, der durch Tamponade geheilt wurde,
bespricht D. Kasuistik (23 Fälle), Genese (das Organ wird gegen die
Wirbelsäule gedrückt); Symptomatologie und Diagnose (Lokalisation
der Krafteinwirkung, eventuell isolierte Blutansammlung in der Bursa
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1706
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. .U.
nmentalis). Die Therapie kann nur in möglichst frühzeitiger Opera¬
tion bestehen.
Ob man die Pankreaswunde näht oder tamponiert, immer soll
drainiert werden.
Sodann bringt Dr. einen Fall von akuter hämorrhagischer Pan¬
kreatitis mit Ausgang in Erw eichung und Platzen des Exsudats in die
freie Bauchhöhle, der Eall ging nach 2 maliger Laparotomie in Heilung
über.-
Weiter beschreibt Dr. einen Fall von akuter Pankreasnekrose
mit Ausgang in Abszedierung. Spaltung des Abszesses brachte
Heilung.
Zur Pankreasnekrose können führen: Entzündungen, Blutungen
und schwere Traumen des Pankreas und eventuell Erkrankungen in
der Umgebung der Drüse.
Findet man Fettgewebsnekrose in der Bauchhöhle, so ist man
berechtigt, auf das Pankreas bezw. dessen Umgebung loszugehen.
Die Pankreasnekrose ist ein Leiden des Alters zwischen 3) bis
60 Jahren.
Akute Pankreatitis und traumatische Erkrankungen befallen zu¬
meist kräftige Männer.
Diagnostisch von gewissem Wert für die gewöhnlich nach der
Mahlzeit mit paroxvsmalen Schmerzen einsetzende Erkrankung ist
Schmidts Säckchenorobe. lieber andere Reaktionen (Carn-
m i d g e, Sahli) fehlt dem Verf. die Erfahrung.
Eine grosse Anzahl aller Fälle geht an Trypsinintoxikation zu¬
grunde. Bei Ausbildung einer pcripankrcatischen Nekrosehohle tritt
die Krankheit in ein subakutes Stadium. Durch Infektion der Ne-
krosehöhlc kann cs zu peritonitischen und pyämischen Prozessen
kommen, falls nicht operiert wird.
Der moderne therapeutische Weg ist die sofortige Laparotomie
und Drainage eines etwa vorhandenen Exsudates gegenüber den
früheren Warnungen vor Operation im ersten Stadium.
Interessant ist, dass auch Verf. im Verlauf der Nachbehandlung
seines 3. Patienten eine Fistel nach Darreichung der Wohl¬
gemut h sehen Diät sich prompt schliessen sah.
27) E. v. F C‘ I c g y h ä z i - Klausenburg: Beiträge zur Erklärung
der Wirkungsweise der BIersehen Stauung Im Granulationsgewebe
fistulöser funoröser Herde.
F. untersuchte tuberkulöse Fisteln. Lymphome und Granula¬
tionen. die durch Stauung und Saugen behandelt wurden, histologisch
und bakteriologisch und glaubt, dass die günstige Wirkung der
Hyperämie in der Einwirkung wiederholter passiver Hyperämie auf
das Bindegewebe zurückzuführen ist.
28) Ernst Hagenbach: Symmetrische Lymphangiome der
Mundspeicheldrüsen.
Bei dem 5 Monate alten Kinde fanden sich im vorderen Hals-
dreieck und vor dem Ohr aufwärts symmetrische Tumoren von im
ganzen schwammiger Konsistenz, die bei der Adspektion an Miku¬
licz sehe Krankheit erinnerten.
Nach der mikroskopischen Untersuchung handelte cs sich um
ein in und um die Submaxiilaris entwickeltes Lymphangioma caver-
nosum.
Bei der Sektion des unter Diarrhöen zugrunde gegangenen Kin¬
des fanden sich überall in den Speicheldrüsen und im Sinus pvriformis
Zysten von der gleichen histologischen Beschaffenheit.
Aus der Literatur erhellt das seltene Vorkommen von Lymph¬
angiomen der Speicheldrüsen.
29) Hans I s e 1 i n - Basel: Wachstumshemmung infolge von Para-
thyreoldektomie bei Ratten. Ein Beitrag zur Kenntnis der Epitliel-
körperchcnfunktion.
.1. stellte fest, dass bei Ratten, bei denen die Entfernung der
Epithelkörperchen gelang. Verzögerung, ia sogar Stillstand in Ge¬
wichtszunahme und Wachstum auftritt. Sektionsbefund fehlt vor¬
läufig. jedoch glaubt J. Schädigungen der Schilddrüse, die den Wachs¬
tumsausfall erklärten, ausschliesscn zu dürfen.
30) Kurze Mitteilung.
A. Kirchner - Göttingen: Tahisluxatlon oder Luxatio pedls
sub talo?
Entgegnung auf den Aufsatz des Herrn Geheimen Sanitätsrates
Reismann im Maiheft 1908. H. E I ö r c k c n - Wiir/burg.
Beiträge zur klinischen Chirurgie, red. von P. v. Bruns
58. Band, 1. Heft. Tübingen, Lau pp. 1908.
H. v. Bayer bespricht aus der Münchener Klinik Fremdkörper
Im Organismus, Einheilung etc. und teilt die Ergebnisse von auf
Prof. Langes Anregung unternommenen Experimentalunter¬
suchungen mit, um den Zusammenhang zwischen der eliemisch-physi-
kalischcn Natur der Stoffe und ihre Wirkung auf den Organismus
zu studieren. B. kommt nach seinen Versuchen am Kaninchen mit
Einführung 15 mm langer Walzen mit abgerundeten Enden oder
kurzer 5 10 mm langer Dralitstiickcheu nach eingehenden histo¬
logischen Untersuchungen zu der Ansicht, dass es eigentlich chemisch
"der phvsikalisch indifferente Fremdkörper nicht gibt, dass auch
chemisch völlig inaktiv geltende Stoffe doch noch immer eine ge»
'■mge Reizwirkung entfalten können. B. untersuchte den Einfluss von
Gewicht, Grösse, Konsistenz. Porosität. Oberfläche, Bewegung und
elektrische Eigenschaften und prüfte Silber, Aluminium. Eisen.
Kupfer etc. in ihrem Verhalten als Fremdkörper und studiert die ver¬
schiedenen histologischen Befunde der Kapselbiidtmgen. Scliaum-
zcllen und eigentümlich epithelartig angeorduetc Bmdegcw ebs/ellui.
auch den Einfluss des Gewebes, des Oites auf die Einheilung ‘das Ver¬
halten im lockeren Bindegewebe, im Muskel, m der freien Bauch¬
höhle. im Gelenk und Knochen). Er kommt u. a. /um Schluss, dass
das Bindegewebe um grosse chemisch aktive Fremdkörper einen
hyalinen Charakter aiiniiiinit, dass weiche Fremdkörper i Paraffin)
lind pomse Fremdkm per durchwachsen, harte cnigehapscit werden,
dass verschiedene < »bei IG chciibeSehatü nhc it «Rauheit oder <i;:itte)
bei ruhenden Fremdkur pem nur wenig Wirkung hat und erst /ur
Geltung kommt, wenn sich der Fremdkörper im Gewebe bewegt. Im
letzteren Fall entsteht meist eine tlussigkeitshaltigc Zvste oder bei
phvsikalischen oder chemischen Besonderheiten des Lremdkor p t -rs
kommt es noch zu Veränderungen der Wände der Kapsel. zu W an Ir¬
rung resp. Ausstossung des Fremdkörpers. I he Bmdegew ebskor ver¬
dien seheinen sich mit ihrer Laugsachse: in die Richtung c'ektns,. her
Kraftlinien zu stellen. I he Kapseln um Nienbeiu imd Hartgummi
bestehen aus einer schmalen Schicht parailcitascrigcn Bindegewebes
(Orthohlille): Mornwal/eri rufen dickere zweischichtige Kapsel her¬
vor; Silberw alzcn bewirken meist zw ciscluchtige Kafsei; ähnlich
Aluminium, in dessen Umgebung an Parasiten erinnernde ZU'en in.it
starker Färbbarkeit des Protoplasmas und homogenen, stark tarb-
baren. kugeligen Kernen) auffallen. Bei den Kapseln um 1 isen ist be¬
sonders das Verhalten des Fremdkor perpigmentes beachtenswert.
Bei chemisch stark differenten Fremdkörpern besteht die eigent ije;
Kapsel aus 2 Sehictiieii der Ortholmlle m.uli aussen gegen die ge¬
sunde Umgebung hm), gegen den Fremdkörper hm die Metahu ! e.
Zwischen der Kapsel und dem Fremdkörper liegt eine metaahn,:.he
Fiillmasse (Basthuffy). Die Metalmüe bietet in ,i leren Kapse ln meist
das Bild spongiusen Bindegewebes, die (»rthofmiie bestellt aus pa¬
rallelfaserigem Bindegewebe, die I ’aralm i 1 e aus nicht ana!\sicrha'cm
Detritus, letzter kann allmählich v o tfeg verschwinden. Vn Video Prä¬
paraten um chemisch aktive Fremdkörper f.olt eine den I ntemzedeti
ähnliche Zellform auf. ehe oft mit Pigment beladen. meist zu ha'b-
moiulfoimigen Gruppen an vier Peripherie der Kapsel angeorduet
sind "iid sieh von ehn Polv bias»m abieiteii. Besonders grosse
Mannigfaltigkeit herrscht in den Vorgängen an den Muskcdek menten
nach kur/ erfolgter Fiuv eflviburig der l'remdkvdper. Zw ischcn einer
Kapsel und de-r Muskulatur sieht man häufig ein an Fettgewebe
erinnerndes Net/ge-webe. das auf leere Sarkolemmsch ,uu he zuruck-
/ufnhron ist. In der Bauchhöhle lagen ehe Fiemdkorper n.uli langem
Verweilen entweder ohne Kapsel oder eilige kapselt, mit B.tUchwarul
oder einem Organ verklebt neler m freier Kansel (ähnlich treten
Unleiikkor pei n). Di*- Fremdkörper winden in der Bauchhöhle we¬
niger angegriffen als im Muskel oeler lockeren Binde ge vv c be Der
ausführlichen Arbeit ist eine grossere Ruhe histoh>gischer Tafe’r. bei¬
gegehen.
Aus der Tiibinger Klinik berichtet Max v. B r u n n über die
schnellende Hüfte und schildert einen durch Operation geheilten
Fall dieses Leidens bei 1.5 lahrtgem Mädchen «bei dun die \fnktioii
nach Operation der einen Seite auch auf der anderen anttr.it und
hier ebenfalls erfolgreich operiert wurde), v. Br. stellt aus der Li¬
teratur ö genauer beschriebene Falle zusammen, schildert Aeti*ö*>gic.
Mech anismus. Svmptniiie und Behandlung des I udetis.
Blauei referiert aus der gleichen Klmik über die Entfernung
von Gebissen aus der Speiseröhre mit Hilfe des Oesophagoskops
und weist an der Hand zweier naher milgeteiiter gegluckter 1 x-
traktionen von 2 resp. 35 läge im Oesophagus steckender Piecen
und den Mitteilungen von Starek etc. die Vorgänge der os .phag*>-
skopisehen Extraktion gegenüber der Oesophag*•tomie nach, beson¬
ders trägt Bemnsehmg der Sc hleimhaut mit ln pro/. Kokamlosmeg.
zu der 3 4 Tropfen einer 1 pr*»m. Vdiuiahnlosung zugeset/t sind,
durch Altschwellung der Schleimhaut /ur l rleichtenmg der Extrak¬
tion b»-i (ein ringförmiger Wulst geschwellter Schleirwiliaut. der den
F'remdkor [>er z. T. bedeckte, w ar nach der Fmpinselurig w osenPich
ziiriickgvgangen). Die Sonde ist nur ein sehr wenig verläseäuies
diagnostisches Hilfsmittel; in S von ln Fallen gelangte selbe neben
einer feststeckenden Piece vorbei m dui Mau n. auch die Röntgen¬
durchleuchtung kann im Stiche lassen, iedt utn .s dar f der negative
Ausfall der Untersuchung nicht zu dem Schluss berechtigen, dass ein
F’renulkorper nicht im Oesophagus sei: nur das Ogsoph.igoskop kann
hier EiPscheidung bringen und ist zu vermeiden, dass durch Ver¬
schuldet? des Ar/tes die Entfernung des F’rem dk or«>ers hm.iusge*
schoben werde, ie frulier die «»sophagosk ■ i * i s ^ Ir- Fxöakti >n ausgcP.Vt
wird, um so besser werden die Resu'rate sein, /um Sdihiss ste’lt
Bl. kurz ID Fälle gelungener osopha/oek-tpisc her Gc bise»uin\ r mmgen
und 10 misslungene ösopliagoskopische F\traktions\e r siic 1 e bei ( ie-
bissen zusammen.
F.berhard Krieg berichtet aus der Tdunger Klinik über die
primären Tumoren der Trachea und gdt da in eine Entsetzung de*
v. B r li n s sclien Statistik der Trach- a dirm ( u (147 Falle? fuhrt 2
neue Fälle (1 der brtr. Klinik. 1 aus f r e \ s Br Gm htiuig) rüd er au
lind bringt zur Statistik ( ns) .5.; Fdd'e .ms der I :!e f afi;r weitv-Gti
bei (2 zu den Fibromen. 5 /\\ den 33 Pam "■ -m, n d.r v. Bru nsvh'ii
Statistik. 1 Lipom. 13 Cfpunirf^stemuc zu den jv Ea'Vn der Bru r. s -
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1707
sehen Statistik, 7 intratracheale Strumen zu den ebensoviel schon
von v. Bruns gesammelten Fällen, 7 zu den 14 Sarkomen, 9 zu den
31 Sarkomen der v. Bruns sehen Statistik). Auch nach der so er¬
örterten Statistik ist die Frequenz der bösartigen Geschwülste eine
ungünstige, indem sie Va der Gesamtzahl ausmachen, während sie
im Kehlkopf nur Vs beträgt. Für die gutartigen, zumal etwas ge¬
stielten Tumoren ist die Operation durch den Tubus ein sehr scho¬
nendes, technisch elegantes Verfahren, im grossen ganzen besonders
bei erwiesener Bösartigkeit bleibt das Eingreifen von aussen (ev.
Wegnahme einer ganzen Reihe von Knorpelringen) allem anderen
überlegen.
Aus der gleichen Klinik berichtet Meissner (über Hautdesin¬
fektion nur mit Alkohol) über die guten Erfolge der an der
v. Bruns sehen Klinik seit ca. VI* Jahr geübten Desinfektion
des Operationsfeldes und der Hände ausschliesslich mit 96 proz. Al¬
kohol, die er in tabellarischer Uebersicht betreff ihres bakteriellen
Verhältnisses mit den bisherigen Desinfektionsmethoden (Für¬
bringer, Heusser, Döderlein etc.) vergleicht. Er. hält das
5 Minuten lange Abreiben der Haut mit 96proz. Alkohol (sterilen
Tupfern) für das einfachste und zur Zeit beste Verfahren. Stich¬
kanaleiterung ist geradezu zur Rarität geworden, die Gummihand¬
schuhe werden für den klinischen Betrieb beibehalten. Die Alkohol¬
desinfektion ist berufen, das Desinfektionsverfahren des Praktikers
zu werden, als einfach, schonend und billig, da sich nach Schum¬
burg auch der gewöhnliche, überall erhältliche Brennspiritus (90
proz. Alkohol) verwenden lässt. M. empfiehlt dieses Verfahren vor
allem dem Praktiker und Kriegschirurgen.
Des weiteren berichtet Meissner über Frakturen beider
Femurkondyien und bespricht im Anschluss an 5 betreffende Fälle
der v. Brunsschen Klinik, sowie 3 Präparate der Sammlung. Aetio-
logie und Entstehungsmechanismus dieser Brüche unter Mitteilung
eigener experimenteller Forschungen; 1 grosser Teil der Fälle ist
jedenfalls als Stauchungsfraktur aufzufassen (Fall auf die Füsse oder
Knie). Bezüglich der Behandlung reicht bei starker Verkürzung und
Npigung zur Dislokation der Fragmente die gewöhnliche Volk-
ni ann sehe Extensionsmethode nicht aus und sind die Extensions¬
methoden mit flektiertem Knie (Zuppinger, Henschen) vor¬
zuziehen. Zur Verhütung von Funktionsstörungen des Kniegelenkes
ist eventuell orthopädische Nachbehandlung angezeigt. Von 26 zu¬
sammengestellten Fällen Hess sich nur in 6 Heilung mit gutem funk¬
tionellen Resultat berichten, 6 (meist durch Infektion komplizierte
Frakturen) endeten tödlich.
Max v. Brunn gibt (ebenfalls aus der Tübinger Klinik) weitere
Erfahrungen über die Behandlung der appendizitischen Abszesse mit
Naht und plädiert anschliessend an seine Arbeit im 52. Band der
Beiträge warm für die R e h n sehe Behandlungsmethode. Diese
hat allerdings zur Voraussetzung die Entfernung des Wurmfortsatzes,
die Lösung möglichst aller Verwachsungen und die gründliche Ent¬
fernung des infektiösen Materials mittels Kochsalzlösung mit Ab¬
leitung der Spülflüssigkeit durch ein ins kleine Becken geführtes
Drain. Unter diesen Voraussetzungen ist die breite Eröffnung der
freien Bauchhöhle während der Abszessoperation ungefährlich. Nach¬
teile für die Nachbehandlung ergeben sich aus der Beckendrainage
nicht, v. Brunn geht sogar noch weiter als Reh n, indem er ge¬
wöhnlich auf die Drainage der eigentlichen Abszesshöhle verzichtet,
resp. nach Lösung der Verwachsungen und Spülung nur den Drain
ins kleine Becken legt, das Peritoneum wird mit nicht zu grossen
Abszessresten fertig. Anderes Verfahren (Drainage der Abszess¬
höhle) ist nach v. Brunn dann nötig, wenn bei sehr starken Adhä¬
sionen Netz und Darm mit der Umgebung fest verwachsen ist, so dass
eine Lösung der Adhäsionen sich als unmöglich erweist. Hiebei ist
Drainage wie bei jedem anderen Abszess nötig, bis Verkleinerung der
Höhle durch die Heilungsvorgänge eingetreten ist. v. Br. stützt sich
jetzt auf 78 nach der R e h n sehen Methode behandelte Fälle (davon
24 bei Kindern, 9 Frühoperationen, 19 im intermediären Stadium,
49 im Spätstadium ausgeführte Operationen). Die Operation ist um
so leichter und ungefährlicher, je früher der Abszess in Behandlung
kommt und empfiehlt es sich, jeden abszessverdächtigen Fall sofort
zu operieren. Eine besondere Gefährlichkeit des Intermediärstadiums
(3.—5. Tag) ist durch Br.s Material nicht zu erweisen; bei 21,1 Proz.
der Fälle wurden Bauchdeckenabszesse beobachtet, die in der Hälfte
der Fälle eingetretene Primaheilung ist aber immerhin ein weiter
Vorteil zu gunsten der Methode. Kotfisteln rechnen zu den Selten¬
heiten danach und wurden bei 2,6 Proz. beobachtet (gegenüber
7,4 Proz. der offen behandelten Fälle). Die Zahl der Douglas¬
abszesse ist keine grössere. Die Mortalität, die bei den offen be¬
handelten Fälle 15,5 betrug, ist bei den genähten Fällen nur 5,1
Proz. Somit ist die Behandlung der appendizitischen Abszesse mit
Naht der offenen Behandlung weit überlegen durch ihre Gründlich¬
keit und den kürzeren und leichteren Heilverlauf. Die 4 letalen Fälle
(2 mit subphrenischem Abszess) werden näher angeführt, ebenso
einige seltenere Fälle (retrozoekale Abszesse der Lumbalgegend, Fälle
mit multiplen Abszessen). Schreiber.
Zentralblatt für Gynäkologie, No. 31, 1908.
P. E s c h - Marburg: Zur Klinik des Sklerema neonatorum.
Neuerdings unterscheiden die Autoren das Sklerema
oedematosum vom a d i p o s u ni, die allerdings beide nur atro-
| phische Säuglinge befallen und fast stets zum Tode führen. E. be-
I schreibt einen Fall, wo sich beide Arten des Skierems an demselben
Kinde vorfanden. Dasselbe war sehr kräftig, aber scheintot zur Welt
gekommen. Durch längeren (12 Tage dauernden) Aufenthalt im
Wärmeofen und Massage nebst kräftiger Ernährung (Backhausmilch)
gelang es, das Kind am Leben zu erhalten.
K. W i 11 h a u e r - Halle a. S.: Jothion als Hautdesinfiziens bei
Operationen.
W. empfiehlt an Stelle der üblichen Jodpräparate (Jodtinktur,
Jodbenzin) das Jothion in 12 proz. spirituöser Lösung zur Desinfek¬
tion der Bauchdecken bei Operationen. Bauchdeckenabszesse oder
Stichkanaleiterungen hat er seitdem nie wieder beobachtet.
L. Friedmann -Krakau: Ein neues Pessar gegen Uterus- und
Scheidenvorfall.
Das Pessar besteht aus 2 Teilen, einem Ringe und einem Bügel,
durch Scharnier miteinander verbunden und aus Stahl mit Hart¬
gummiüberzug angefertigt. Zu haben bei H. Reiner in Wien.
' J aff € - Hamburg.
Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie.
5. Bd. 1. Heft.
1) A. O r g I e r: Ueber den Einfluss von Schilddrüsendarreichung
auf den Stickstoffwechsel von Kindern. (Aus der Breslauer Uni¬
versitäts-Kinderklinik.)
Bei 4 Kindern im Alter von 7—9*/* Jahren wurden die Ein¬
nahmen an N in der Nahrung, w r elche aus Milch und Zwieback be¬
stand, sowie die N-Ausfuhr in Harn und Kot während mehrerer Tage
und die Harnsäure bestimmt, dann zur Nahrung mehrere Tage lang
je 20 g frischer, von Fett und Bindegewebe freipräparierter Schild¬
drüsen zugelegt, ausserdem wurde noch bei 2 von den Kindern je
ein Versuch mit Jodkalium, Jodeigon und Thymusdrüsen (150 bis
250 g) gemacht. Allgemeinbefinden, Puls und Atmung wurde bei
keinem Versuch durch die Schilddrüsendarreichung beeinflusst; da¬
gegen traten beträchtliche Schwankungen des Körpergewichtes bei
einem Teil auf, dieselben waren hauptsächlich durch Veränderungen
des Wassergehaltes veranlasst, da häufig bei gleichzeitiger negativer
N-Bilanz das Körpergewicht zunahm, ohne dass nach der Menge der
zugeführten Kalorien auf einen Fettansatz hätte geschlossen werden
können. Negative N-Bilanz nicht unbeträchtlichen Grades wurde bei
allen Schilddrüsenversuchen beobachtet.
2) A. A 1 b u : Ueber den Aschengehalt einiger Se- und Exkrete
des Körpers (Magensaft, Fäzes, Sperma). (Aus der chemischen Ab¬
teilung des pathologischen Institutes der Universität in Berlin.)
Der Magensaft eines Falles von Hypersekretion und Hyper-
chlorhydrie (0,33 Proz. freie HCl) enthielt 97,47 Proz. Trocken¬
substanz. Von der Asche bestanden 98,31 Proz. aus Chloriden der
Alkalien, ferner trafen 52,87 Proz. auf Chlor, 34,83 Proz. auf KaO,
22,87 Proz. auf Na-O; von SOa, PaO» und Ca, Mg und Fe w r aren
Spuren vorhanden. In dem Magensaft, der von der bekannten
Bickel sehen Magenfistel stammt, waren 49,73 Proz. CI; 35,62 Proz.
KaO; 22,65 NaaO vorhanden. Die Analysen des Kotes von 3 ver¬
schiedenen Personen, welche die Schmidt sehe Probediät genossen
hatten, (bei einer war 1 Liter Milch durch 1 Liter Kakao, mit 60 g
Kakao V* Liter Milch und 20 g Zucker ersetzt worden) ergaben
folgendes: In 100 Teilen Gesamtasche waren bei Kot I 5,66 g CI;
13,90 g NaaO; 27,25 g KaO; 24,11 g Pa0 6 ; 10,89 g CaO; 3,53 g MgO;
2,03 g SOa; 0,52 g SiOa; bei Kot II 5,62 g NaaO; 7,26 g KaO; 39.59 g
Pa0 5 ; 33,22 g CaO; 7,87 g MgO; 2,89 g SOa; 1,59 g SiOa; bei Kot III
2,92 g NaaO; 12,42 g KaO; 22,18 g PaO s ; 19,98 g CaO; 5,11 g MgO;
2,97 g SOa; 1,29 g SiOa. Die Aschenbestimmung von menschlichem
Sperma ergab: 16,6 Proz. Gesamtasche, davon waren 3,17 Proz. S;
9,828 Proz. P; 1,91 Proz. Ca; 2,14 Proz. Mg; 0,269 Proz. K;
9,3 Proz. Na.
3) J. B i b e r f e 1 d: Pharmakologische Studien über einige
Pyrazolonderivate. (Aus dem pharmakol. Institut in Breslau.) Zu
einem kurzen Referate nicht geeignet.
4) R. Quest: Ueber die Bedeutung der Nebennieren in der
Pathologie und Therapie der Rhachitis. (Aus dem Institut für allge¬
meine und experimentelle Pathologie in Lemberg.)
Der Verfasser bestimmte in 3 Versuchen an jungen Hunden die
Ausgaben und Einnahmen an N und CaO. Die Hunde erhielten als
Futter Maisabkochung, im 3. Versuche auch Milch. Nachdem der
N- und CaO-Stoffwechsel unter normalen Verhältnissen in der
I. Periode festgestellt worden war, erhielten die Tiere in der
II. Periode bei der gleichen Ernährung 1—2 g Adrenalinlösung
1:10 000 subkutan: in dieser Periode machte sich starke Unruhe be¬
merkbar, in der III. Periode wurde die Adrenalinzufuhr wieder weg¬
gelassen. Eine günstige Beeinflussung des Kalkstoffwechsels im Sinne
einer Retention war nicht zu beobachten; meist war sogar eine ver¬
mehrte CaO-Ausscheidung zu konstatieren. Der N-Ansatz in der
Adrenalinperiode war meist vermindert; es ist demnach vom Adre¬
nalin keine günstige Wirkung auf rhachitische Prozesse zu erwarten.
5) A. Hei mann: Vergleichende Untersuchungen über den
Komplementbestand im Körper natürlich und künstlich ernährter
Tiere. (Ans der Universitäts-Kinderklinik in München.)
Der Verfasser injizierte jungen Hunden desselben Wurfes 8 Tage
nach der Geburt inaktiviertes durch Vorbehandlung von Kaninchen
mit Hundeblut gewonnenes Immunserum; der eine Teil des Wurfes
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1708
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
wurde an der Mutterbrust ernährt, der andere Teil vom 3. bis 5. Tage
ab künstlich mit Kuhmilch. Ein analoger Versuch wurde auch an
Kaninchen gemacht. Die natürlich ernährten Tiere erlagen den
Injektionen mit Immunserum rascher und zeigten bei der Sektion
schwerere Veränderungen als die künstlich ernährten Tiere. Es ist
demnach anzunehmen, dass die Hämolyse intra vitam bei den natür¬
lich ernährten Tieren stärker ist als bei den künstlich ernährten, dass
demnach der aktuelle und potentielle Komplementbestand bei den
künstlich ernährten Tieren ein reduzierter war.
6) L. H o f b a u e r - Wien: Zur operativen Behandlung gewisser
Lungenkrankheiten (Emphysem und Tuberkulose). II. Teil.
Nur in den Fällen, bei welchen durch Verknöcherungen die Be¬
hinderung der respiratorischen Beweglichkeit der oberen Thorax¬
partien anatomisch.,»begründet ist, bei Verknöcherung der Rippen¬
knorpel und bei Immobilisierung des Sternalwinkels ist eine opera¬
tive Behandlung indiziert, und zwar womöglich vor Abschluss der
Wachstumsperiode, um den phthisischen Habitus zu beseitigen und
dauernde Kräftigung der Lungenspitzen zu erzielen. Für das Em¬
physem wird die Mobilisation des Thorax durch chirurgischen Ein¬
griff kaum jemals nötig. Die hauptsächlich nötige Förderung der
Ausatmung wird, wie auch Tierversuche von Aron erweisen, durch
Kompression des Bauches und die dadurch bedingte Hochtreibung
des Zwerchfells physiologisch richtiger und wirkungsvoller als durch
Mobilisierung des Thorax herbeigeführt. Auch die Förderung der
Zirkulation wird hauptsächlich durch die Bewegung des Zwerchfells
bewirkt.
7) H. Eppinger und E. v. K n a f f 1: Ueber Herzinsuffizienz.
(Aus dem Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie in
Graz.)
Die Verfasser prüften die Leistungsfähigkeit des Herzens beim
Kaninchen dadurch, dass sie den Blutdruck in der Aorta durch ein
in die Karotis eingeführtes Manometer aufzeichnen Hessen, während
die absteigende Aorta abgeklemmt wurde. Der Blutdruck steigt
dabei am normalen Tier sehr bedeutend an, oft fast bis aufs Doppelte,
fällt dann aber allmählich wieder und erreicht nach 40 Minuten den
ursprünglichen Wert. Beim hungernden Tier erfolgte der Abfall meist
steil, d. h. die Insuffizienz der Herzmuskulatur setzte früher ein.
Von Tieren mit Hypertrophie des linken Ventrikels infolge von künst¬
lich erzeugter Insuffizienz der Aortenklappen, welche hungerten,
wurde die Aortenabklemmung meistens nicht ertragen; nach kurzem
Anstieg sank der Blutdruck sofort. Da aber anatomische Verände¬
rungen in der Herzmuskulatur auch bei nicht hungernden Tieren sich
finden, so ist die mangelhafte Ernährung nicht allein die Ursache der
Abnahme der Herzkraft. Durch intravenöse Injektion von Dextrose,
Lävulose, Glykogen, nicht aber von Rohrzucker oder von Gelatine,
beim hungernden Tier, gelang es nicht nur, das Sinken des Blut¬
druckes nach Aortenkompression aufzuhalten, sondern auch den schon
gesunkenen Blutdruck wieder zu steigern und dann einige Zeit auf
beträchtlicher Höhe zu erhalten. Beim Aorteninsuffizienztier war
Dextroseinjektion wirkungslos.
8) L. Hess und P. S a x 1: Die Einwirkung des Arsens auf die
Autolyse. (Aus der I. med. Klinik in Wien.)
Zusatz 5 ccm einer lVaproz. wässerigen Aufschwemmung von
arseniger Säure zu Leberstückchen, welche der Autolyse überlassen
waren, ergab deutlich hemmenden Einfluss der arsenigen Säure in
den ersten Stadien der Autolyse. Auch ganz verdünnte Lösungen
von arseniger Säure waren noch wirksam. Auf die gewöhnlichen
Verdauungsfermente, Pepsin, Trypsin, Erepsin, war arsenige Säure
ohne Wirkung. Arsen wirkt demnach wie der Phosphor nur in den
Anfangsstadien der Autolyse, aber in entgegengesetzter Richtung als
hemmender Katalysator.
9) W. Spitta t: Ueber Morphiumdiabetes. (Aus der med.
Klinik der Akademie für prakt. Med. in Düsseldorf.)
Aus dem Harn eines Morphinisten konnte die reduzierende Sub¬
stanz als kristallisierendes Chininsalz isoliert werden; aus dem
Chininsalz konnte die freie Substanz nicht in trockener Form dar¬
gestellt werden; die freie Substanz war mit basischem Bleiazetat fäll¬
bar, reagierte starke sauer, reduzierte alkalische Kupferlösung, bildete
ein Osazon, gärte mit Bierhefe, drehte aber nicht. Die Reaktionen
für Pentosen und Glykuronsäure waren negativ, die Seliwanoff-
sche Reaktion war positiv: die Substanz war demnach eine der Fruk¬
tose sehr nahe stehende Säure.
10) H. G e r h a r t z - Berlin: Die Aufzeichnung von Schaller¬
scheinungen, insbesondere des Herzschalles.
Zu einem kurzen Referate nicht geeignet.
11) H. K i o n k a: Beiträge zur Kenntnis der Gicht. 8. Das Auf¬
treten von Glykokoll im Blute. (Aus dem pharmakologischen Institut
in Jena.)
Die Untersuchungen des Verfahrens ergaben, dass noch ge¬
ringe Mengen von #-NaphthalinsuIfoglykokolI und ß-Naphthalinsulfo-
jeuzin,' sowie ß-Naphthalinsulfamid auf kristallographischem Wege zu
identifizieren sind, während dies bei ß-Naphthalinsulfoalanin nicht ge¬
lang. Dass nach Zusatz von Harnsäure zum Blute Glykokoll in dem
Blute auftreten kann, wurde dann durch Identifizierung der mit ß-
Naphthalinsulfochlorid aus dem Blut gewonnenen Kristalle nachge¬
wiesen. Durch alleinige Behandlung von Harnsäure mit Natronlauge
in verschiedenen Konzentrationen konnte jedoch kein Glykokoll er¬
halten werden.
12) Derselbe: Beiträge zur Kenntnis der Gicht. 9. Weiteres
über das Ausfallen der Urate.
In Harnsäurelösungen mit oder ohne Zusatz von Soda bewirkt
Zusatz von Glykokoll, Leuzin, Alanin oder Allantoin früheres Aus¬
fallen der Urate; am schwächsten wirkt Leuzin; Glykokoll kann
wegen seiner leichten Löslichkeit in grösseren Konzentrationen an¬
gewendet werden und damit die stärkste Wirkung entfalten. Die Sub¬
stanzen wirken als Katalysatoren, den schon normalerweise ein¬
tretenden Fällungsvorgang beschleunigend.
13) P. Knapp: Experimenteller Beitrag zur Ernährung von
Ratten mit künstlicher Nahrung und zum Zusammenhang von Er¬
nährungsstörungen mit Erkrankungen der Kon]unktiva. (Aus dem
Laboratorium der med. Klinik in Basel.)
Die Versuche des Verfassers ergaben folgendes. Es gelingt nicht,
Ratten mit künstlicher Nahrung dauernd am Leben zu erhalten, haupt¬
sächlich weil die reizlose einförmige Kost Appetitlosigkeit verursacht
und auch weil die Nahrung bei zunehmendem Appetitmangel immer
schlechter ausgenützt wird. Ratten, welche in ihrer Nahrung nur
einzelne Eiweisskörper, Fett, Kohlehydrate und Salze bekommen,
zeigen gegen Ende des Lebens Neigung zu starker Konjunktivitis. Bei
Ernährung mit komplizierteren künstlichen Gemischen oder bei natür¬
licher Nahrung besteht diese Neigung nur ausnahmsweise und in ge¬
ringerem Grade. Es scheint demnach auch die Art der Nahrung
für derartige Konjunktivitiden prädisponierend zu wirken. Bei länger
fortgesetzter Fütterung mit nukleinsaurem Natron können sich
schwere Nephritis, sowie fettige Degenerationen in der Leber ein¬
stellen.
14) G. Diesselhorst: Beitrag zur Quecksilberausscheidung
nach Thiopinolbädern bei Schmierkur. (Aus dem Laboratorium der
hydrotherapeutischen Anstalt der Universität in Berlin.)
Die Untersuchungen des Verfassers an einem Fall von tertiärer
Lues, welcher neben der Schmierkur mit Schwefelbädern behandelt
wurde, ergab, dass die Ausscheidung des Hg in Harn und Stuhl durch
das Schwefelbad nicht völlig verhindert, aber weit unter jene Grösse
herabgedrückt wird, welche sie bei reiner Schmierkur annimmt.
15) J. Meine rtz: Ueber das Venenphänomen. (Aus der
II. med. Klinik in Berlin.)
Der Verfasser prüfte das Gärtner sehe Venenphänomen an
34 Fällen, bei welchen kein Grund für die Annahme einer Zirkulations¬
störung vorlag. Bei 11 davon zeigte sich, dass der Venenkollaps nach
körperlicher Arbeit (Drehen an einer Zentrifuge) auf höherem
Niveau erfolgte als vorher; diese Niveauerhöhung war aber * nur
an den Venen derjenigen Hand zu beobachten, mit welcher die Zentri¬
fuge gedreht worden war. Diese Erhöhung beruht also auf peri¬
pheren Ursachen (veränderter Füllung der Gefässe). Bei 67 Patienten
mit Zirkulationstörungen waren die Werte ebenfalls innerhalb der
normalen Grenzen. Man kann also aus dem Venenphänomen keinen
Schluss ziehen auf die Höhe des Druckes im rechten Vorhof und auch
nicht den Grad eventueller Stauung beurteilen.
16) D. Pletnew: Vergleichende Ausnutzungsversuche an nor¬
malen und habituell obstipierten Menschen. (Aus der II. med. Klinik
in Berlin.)
Die Versuchspersonen erhielten Schmidtsche Probediät; es
wurde in der Nahrung und in den Ausscheidungen N, Kohlenstoff,
Fett und Kohlehydrate, sowie der kalorische Wert der Nahrung und
des Kotes bestimmt. Die Untersuchungen ergaben gewisse Unter¬
schiede zwischen den Normalen und den Obstipierten; diese Diffe¬
renzen fallen aber noch in den Bereich des Normalen und sind dem¬
nach als individuelle Schwankungen aufzufassen, die wohl haupt¬
sächlich von den individuellen Unterschieden in der Sekretion des
Darmes herriihren.
17) E. H a r n a c k - Halle: Ueber die Wirkungen des Physostig¬
mins auf muskuläre Organe. Mit Beziehung auf die Untersuchungen
von Dr. H. W i n t e r b e r g.
Zu einem kurzen Referate nicht geeignet.
Linde mann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908. No. 31.
1) C a s p e r - Berlin: Einige diagnostisch bemerkenswerte Fälle
von Nierentuberkulose.
Vortrag im Verein für innere Medizin zu Berlin, 1. VI. 08, ref.
Münch, med. Wochenschr. No. 23, S. 1261.
2) Wechselmann und Georg M e i e r - Berlin: Wasser¬
mann sehe Reaktion in einem Falle von Lepra.
Obwohl in dem beschriebenen Lcprafall kein Anzeichen für Lues
vorhanden war, gab das Serum starke Komplementbindungsreaktion;
auch die Lezithinausflockungsreaktion fiel positiv aus; mit Zerebro¬
spinalflüssigkeit blieben diese Reaktionen negativ.
3) Curt Seidel- Dresden: Die Behandlung septischer Erkran¬
kungen mit Kollargolkiysmen.
S. gab bei über 100 zum Teil sehr schweren Fällen Kollargol,
anstatt intravenös, per Klysma in den vorher gut gespülten Darm
und hatte überraschend gute Erfolge, nicht nur bei eigentlicher Sepsis
sondern auch bei anderen Infektionskrankheiten, z. B. Arthritis gonor¬
rhoica.
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1709
4) Dörrien-Metz: lieber Lähmung des N. suprascapularis.
Bei einem Soldaten entwickelte sich nach Fall auf die ausge¬
streckte Hand eine isolierte Supraskapularislähmung, offenbar infolge
Quetschung des Nerven zwischen Schlüsselbein und erster Rippe.
Infolge Atrophie des Supra- und Infraspinatus blieb eine Stellungs¬
anomalie der Schulter zurück. ,
5) Munter- Berlin: lieber Pneumokokkenaffektion des Magens.
Beschreibung eines Falles von Gastritis phlegmonosa, hervor¬
gerufen durch Pneumokokken. Klinisch war, ausser Fieber und Leib¬
schmerz, blutiges Erbrechen, Unruhe und stärkere Vortreibung der
Magengegend auffällig. Sektionsbericht.
6) O e 1 s n e r - Berlin: Ueber das erschwerte Decanulement
Verf. empfiehlt, nach der Tracheotomia inferior (Operation der
Wahl bei Kindern) möglichst bald mit Decanulementversuchen zu be¬
ginnen. Erschwerend wirkt die Gewohnheitsparese der Kehlkopf¬
erweiterer, welche durch systematische Versuche und Uebungen
unter Aufwand von viel Zeit und Geld zu bekämpfen ist.
7) M i n t z - Moskau: Eine eigenartige Form progressiver seit¬
licher Kieferdeviation myogener Natur.
Bei der geschilderten Kranken hatte sich im Anschluss an eine
2'/-* ständige zahnärztliche Sitzung eine Verschiebung des Unterkiefers
nach links entwickelt. M. erörtert die Frage, welche Muskeln infolge
Ueberdehnung gelitten haben mussten (r. Pterygoideus ext. und 1.
Pterygoideus int.).
8) E. Scheidemandel -Berlin: Ueber Pyelitis bei Frauen
und ihre Beziehungen zur Menstruation.
Beschreibung des Krankheitsbildes, das oft verkannt wird: plötz¬
liche Temperatursteigerung, Schmerzanfälle; Febris continua 5 bis
6 Tage, dann lytischer oder kritischer Abfall. Nach 2—3 Anfällen in
der Regel Heilung. Ursache meist aszendierende Infektion vom Anus
her, am häufigsten mit B. coli comm., das auch im Harn zu finden ist.
Die Anfälle kommen gerne 3 Tage vor der Menstruation.
9) V. Z i m m e r m a n n - Duisburg: Die Bedeutung des Pfan¬
ne n s t i e I sehen Faszienquerschnitts.
Verf. wandte den Faszienquerschnitts in 134 Fällen an und
rühmt dessen Vorzüge; auch eitriger Inhalt der Adnextumoren bildet
keine Gegenindikation. Verf. mahnt, bei chronischen adhäsiven
Beckenperitonitiden und bei entzündlichen Adnextumoren von oben
einzugehen, namentlich mit Rücksicht auf etwaige Beteiligung der
Appendix.
10) M. A 1 s b e r g - Berlin: Das ärztliche Berufsgeheimnis.
R. Grashey - München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 31. M. Benedikt-Wien: Johann Oppolzer.
Ein Gedenkblatt zum hundertsten Geburtstage (4. August).
A. v. Eiseisberg und L. v. F r a n k 1 - H o c h w a r t - Wien:
Ein neuer Fall von Hypophysisoperation bei Degeneratio adiposo-
genitalis.
Der dritte Fall dieser Art, nach Schloffer operiert: Angio-
sarkom. Das Befinden hat sich durch Abnahme des Kopfschmerzes
und Zunahme des Sehvermögens gebessert. Ueber einen früher ope¬
rierten Fall wird berichtet, dass 10 Monate nach der Operation sich
die früher fehlenden Erektionen einstellten und Scham- und Achsel¬
haare auftraten.
A. v. Reuss: Sehnervenleiden infolge von Gravidität.
Krankengeschichte eines Falles. Erhebliche Abnahme des Seh¬
vermögens, welches besonders nach Eintritt der 15. Schwangerschaft
eine starke Verschlechterung, nach der Geburt wieder eine Besserung
erfährt, im Beginn der nächsten Gravidität neue Verschlechterung.
Diagnose: genuine Sehnervenatrophie und temporale Hemianopsie.
Einleitung des Abortus. Das Sehvermögen besserte sich etwas und
hat sich in den letzten 34 Jahren nicht weiter verschlechtert. Viel¬
leicht handelt es sich bei dem Leiden um abnorme Schwellungen der
Hypophyse oder um anatomische Abnormitäten der Sella turcica.
K. Ha rt-Schöneberg-Berlin: Thymushyperplasie bei Morbus
Addisonii.
Krankengeschichte eines kurze Zeit nach einer explorativen
Kolpotomie an Herzschwäche gestorbenen Mädchens. Die Sektion
ergab totale käsig-fibröse Entartung der Nebennieren, Hyperplasie der
persistierenden Thymusdrüse und des lymphatischen Apparates.
Hypoplasie des Herzens und des Arteriensystems. Der Fall kann zur
Bestätigung der von Wiesel und H e d i n g e r betonten häufigen
Kombination von Morbus Addisonii und Status thymolymphaticus
dienen.
E. Zak- Wien: Ueber die diagnostische Verwertbarkeit der Zu¬
sammensetzung des Harns bei der Lungenentzündung. (Schluss folgt.)
H. v. Schroetter und M. W e i n b e r g e r - Wien: Zur
Kenntnis der Kolibazillose der Respirationsorgane. (Schluss.)
Abschluss der genauen Beschreibung eines Falles (vergl. No. 14,
24 und 30 der Wiener klin. Wochenschr.) Der Fall zeigt, dass das
Bacterium coli als selbständiger Erreger einer Bronchopneumonie vor¬
kommt. Die Infektion erfolgte vermutlich vom Rachen oder Darm
aus auf hämatogenem Wege. Möglicherweise spielt der Bazillus öfter
eine Rolle bei Fällen von katarrhalischer Pneumonie bei Erwachsenen.
Der Nachweis der Kolibazillose erfolgte durch eingehende bakterio¬
logische Untersuchung, welche auch durch verschiedene Kulturver¬
fällen, die Einwirkung von Radiumstrahlen und Pyozyanase gewisse
Variationen des zur Polymorphie neigenden Bazillus erzielte. Die Ein¬
wirkung der Radiumstrahlen rief regelmässig eine Fadenbildung,
Filidien bis zu 40 ß Länge, hervor.
P. Clair mont-Wien: Chirurgische Eindrücke aus Nord¬
amerika. (Fortsetzung.) Bergeat - München.
Französische Literatur.
O e 11 i n g e r und Fiessinger: Ueber die B a n t i sehe
Krankheit mit 2 Fällen primärer Milzvergrösserung und Endo-
phlebitls spleno-portalis. (Revue de mödecine, Dezember 1907.)
In den beiden Fällen, einen 65 jährigen und einen 51 jährigen
Mann betreffend, handelte es sich um eine primäre hypertrophische
Zirrhose der Milz, kompliziert mit Endophlebitis der Milzvene, welche
auf die Vena portarum in deren Verlauf ausser- und innerhalb der
Leber überging und ein mit Lebererkrankung identisches Symptomen-
bild hervorrief, während die Leber selbst beinahe frei von jeder
Art zirrhotischer Veränderung war. Das Symptomenbild dieser
beiden Fälle, die nicht operiert wurden und allmählich tödlich ende¬
ten, ist ähnlich dem von Hayeffi unter dem Namen „chronischer,
infektiöser, mit Lebervergrösserung verbundener Ikterus" beschrie¬
benen (Milzvergrösserung, Ikterus, Anämie). Die Frage der Opera¬
tion kommt in solchen Fällen stets in Betracht, sollte aber erst
nach genau festgestellter Diagnose (Blut-, Stoffwechselunter¬
suchungen usf.) entschieden werden, da die Milzexstirpation nur bei
ganz bestimmten Fällen indiziert ist, bei Leukämie, Lymphadenitis
usf. aber ganz klägliche Resultate liefert.
Michel Mar morst ein-Odessa: Beitrag zum Studium des
Pankreaskarzinoms und der Leberdegeneration Im Verlauf des letz¬
teren. (Ibidem.)
In beiden Fällen von Pankreaskarzinom, welche M. beobachtete,
war das klinische Bild besonders ausgezeichnet durch das Vorwiegen
einer hartnäckigen Lumbalneuralgie und in dem einen der Fälle liess
sich sowohl die Fettentartung der Leber wie das Uebergreifen des
karzinomatösen Prozesses auf den Psoas feststellen. M. kommt
daher zu folgenden Schlussfolgerungen. Im Verlaufe des mit völliger
Zerstörung des normalen Gewebes einhergehenden Pankreaskarzi¬
noms kann man nach einer Grössenzunahme eine beträchtliche Atro¬
phie der Leber, die auf Degeneration des Leberparenchyms beruht,
konstatieren. Diese Leberentartung ist auf toxische Produkte, welche
durch die Vena portarum eintreten, zurückzuführen. Neben einer
Neuralgie des Coeliacus findet man auch eine Pseudoneuralgie des
Plexus lumbalis, welche durch Uebergreifen der krebsigen Erkran¬
kung auf den Psoas entsteht. Der Umstand, dass trotz völliger Zer¬
störung des normalen Gewebes kein Zucker im Urin vorhanden ist,
lässt annehmen, dass es andere Wege, andere Organe gibt, welche
die Eigenschaft haben, ein glykolytisches Ferment zu bilden.
E. Sacquepöe: Die paratyphoiden Infektionen. (Ibidem.)
Kurz zusammengefasst bezeichnet man unter diesem Namen
Krankheiten, welche durch die Paratyphusbazillen, A und B, hervor¬
gerufen werden; diese Mikroorganismen sind beide verschieden vom
E b e r t h sehen Bazillus und vom Bacillus coli, während ihre Ver¬
wandtschaftsbeziehungen mit verschiedenen Erregern alimentärer
Intoxikation sehr nahe, aber noch wenig genau definierte sind. Das
gewöhnliche klinische Bild ist das des Typhus mittleren Grades,
mit einigen kleinen Variationen, die für den einen und anderen
Typus (A oder B) etwas verschieden, aber immer ungenügend sind,
um dem praktischen Arzte eine sichere Diagnose zu ermöglichen.
Die paratyphoiden Infektionen nehmen oft auch das gewöhnliche
Aussehen einer gastrischen Erkrankung an. Die Diagnose kann nur
vermittels bakteriologischer Untersuchung (Reinkultur aus dem
Blute) gestellt werden; die anderen Methoden (Untersuchung der
Stühle, Agglutination) sind viel trügerischer und ihre Resultate dür¬
fen nur mit grosser Vorsicht und Reserve verwandt werden.
Maurice Patel: Slgmoldltis und Perisigmoiditis, einfache ent¬
zündliche Erkrankungen des S romanum. (Revue de Chirurgie, Okto¬
ber und Dezember 1907.)
P. unterscheidet hiemit zwei Hauptkategorien einfach entzünd¬
licher Erkrankung des S romanum. Die Sigmoiditis ist charakteri¬
siert durch Veränderungen, welche innerhalb des S romanum bleiben;
sie kann dreierlei Art sein: eine akute, nicht eitrige oder chronische.
Die Perisigmoiditis zeichnet sich durch Veränderungen aus, welche
vom Innern des S romanum ausgehen und sich dann in dessen
äusserer Umgebung weiter verbreiten; es kann auch hier eine eitrige
(mehr akute) und eine chronische, nicht eitrige Form unterschieden
werden. Zum grossen Unterschied von der Appendizitis kommt die
Sigmoiditis beinahe in jedem Alter vor, das weibliche Geschlecht,
besonders zur Zeit des Puerperiums, scheint mehr dazu disponiert
zu sein. Prädisponierende Ursachen bilden ferner habituelle Obsti¬
pation, allzu starker Gebrauch der Abführmittel. Eingeweidewürmer
und auch die anatomische Disposition, wie die physiologische Rolle
des S romanum und in demselben vorhandene Divertikel. Die Dia¬
gnose der Sigmoiditis erfordert in erster Linie, dass man überhaupt
an diese Affektion denkt; die Hauptsymptome sind heftiger, fixer
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1710
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. Ä>.
Schmerz an der linken Seite, plötzlicher Beginn und deutliche
Schwellung an der schmerzhaften Stelle, zuweilen Erbrechen und
Schüttelfrost in ganz akuten Füllen. Bei der physikalischen Unter¬
suchung konstatiert man, dass der Unterleib meteoristisch auf-
getrieben, unbeweglich ist, die Palpation ergibt eine vhiiuse Re¬
sistenz an der linken unteren Bauchseite (etwa 4 Finger unterhalb
und ausserhalb des Nabels), die Perkussion absolute I kimpfuug im
Bereich der Schwellung. Immerhin können bei vorhandener Eite¬
rung je nach dem Sitz des Abszesses die physikalischen Zeichen
verschieden sein, die Reaktion von seiten des Bauchfells ist zwar
stets eine sehr ausgeprägte. Ebenso verschieden w ie der Sitz ist
der Verlauf der eitrigen Fälle: selten resorbiert sich der Eiter, meist
bricht er nach dem Darm (häufig), nach aussen, ins Peritoneum oder
(selten) in die Blase durch. Komplikationen sind relativ selten, es
ist nur von einer linksseitigen Phlebitis bis jetzt berichtet woideii.
Die chronische Sigmoiditis kann auf die akute iolgen, ihr Ver¬
lauf ist jener der Enterocolitis muco-membranacea, d. h. von beinahe
unbestimmbarer Art, so dass zuweilen die Diagnose Schwierigkeiten
macht. Bei der chronischen Perisigmoiditis sind die
Symptome nahezu dieselben, wie bei der vorhergehenden, die linke
Fossa iliaca scheint vielleicht hiebei von Anfang an noch mehr aiii-
ziert, der Schmerz mehr lokalisiert und die Zeichen von spastischer
Obstruktion noch ausgeprägter zu sein. Die e n t z ii n d I i c he Ste¬
nose der Schleimhaut scheint das Endstadium der Sigmoiditis und
besonders der Perisigmoiditis zu sein, mag es sich hiebei um akute
oder chronische Entwicklung handeln: klinisch unterscheidet sich
das Bild in keiner Weise von irgend einer Stenose des S romanum.
Die Rolle des Divertikel scheint aber auch bei der Entstehung dieser
entzündlichen Verengerungen eine bedeutende zu sein. Diffe¬
rentialdiagnostisch kommen bei der chronischen Sigmoi¬
ditis besonders das Karzinom des S romanum. aber auch Aktmo-
mykosis u. a. m. in Betracht. Bezüglich der B e h a n d I u n g
kommen bei der akuten, nicht eitrigen Form Eis und Opium. Rizinus¬
öl erst am 3. oder 4. Tag in Betracht, bei vorhandener Eiterung ist
operativer Eingriff angezeigt. Bei der subakuten Perisigmoiditis,
ebenso bei den chronischen Formen ist die Behandlung in erster
Linie eine medikamentöse, nur bei ausgesprochener Obstruktion, all¬
gemeiner Peritonitis und Erscheinungen von Darmruptur käme
wiederum Operation in Erwägung. Der ausführlichen Arbeit schliesst
sich die Zusammenstellung der Literatur und der aus derselben ge¬
sammelten 70 Fälle an.
Massabu au-Montpellier: Die histologische Struktur und der
embryonale Ursprung der Mischtumoren der Speicheldrüsen.
(Ibidem.)
Im Anschluss an 6 selbst beobachtete und histologisch genau
untersuchte Fälle, welche die Parotis, die (llandiila submaxillaris,
den Gaumenbogen betrafen, stellt Verfasser eine Reihe von Be¬
trachtungen über diese Mischgeschwülste an und kommt zu folgen¬
den Ergebnissen. Die Mischgeschwülste der Speicheldrüsen werden
von zweierlei (lewebsarten: Bindegewebe und Epithel, zusammen¬
gesetzt. Letzteres hat wiederum 2 verschiedene Formen: Platten-
und reines Drüsenepithel, die an manchen Stellen sich vermischen
und decken. Wenn man die Beziehungen des polymorphen Binde-
gewebsstroma mit den Epithclmassen genau untersucht, so kon¬
statiert man, dass zwischen beiden (lewebsarten keine Kontinuität,
sondern einfache Kontiguitüt, wenn auch innig verbunden, besteht.
Weder die epithelio-glandulüre noch die endotheliale Theorie können
die histologische Struktur dieser Mischtumoren erklären, sondern
nur jene Theorie, welche deren Entwicklung auf Kosten der Ekto-
Mesodermreste des zur Bildung dieser Drüsen selbst bestimmten
embryonalen Keimes annimmt. Mit dieser Theorie wird ebenso die
Neubildung von Plattenepithel wie von normalem Drüsen- oder
adenomatösem Epithel verständlich. Der Arbeit sind eine Anzahl
Abbildungen zur Erklärung der histologischen Einzelheiten bei¬
gegeben.
Maurice B o u r c a r t - Genf: Der vergleichende Wert der ver¬
schiedenen Operationen bei der Retroverslo oder Retroflexlo uterl.
(Annales de gynecologie et d’obstetriquc, Dezember 1907).
In dieser allgemeinen vergleichenden Uebersicht, wobei die zahl¬
reichen gegen die Riickwärtslagcrung der Gebärmutter empfohlenen
Operationen einer kritischen Besprechung unterzogen werden, führt
Verfasser aus, dass die noch häufig vorkommenden schlechten Resul¬
tate darauf beruhen, dass viele Operateure nur den rein anatomi¬
schen Gesichtspunkt und viel zu wenig den Allgemeinzustand und
die früheren Leiden berücksichtigen. Wenn die Operation nicht nur
genau nach der S c h u 11 z e sehen Vorschrift ausgeführt w ird, son¬
dern nach den durch den Allgemeinzustand verlangten Bedingungen
und den Gesetzen des intraabdominalen Gleichgewichts, so werden
die Resultate viel befriedigender sein und das würde die Indikationen
der Operation erweitern und nicht mehr notig machen, abzuwarten,
bis sich durch die Verlagerung schwere lokale oder Allgemein¬
störungen entw ickelt haben. Die moderne A I C x a n d e r s c h e
Operation eignet sich vorzüglich für junge Frauen, die noch
Kinder haben können, und junge Mädchen, bei denen ernstere Arten
von Verlagerung vorhanden sind; auf dem vaginalen Weg konnte
man die erkrankten Organe (Thromben und Ovarien) erreichen,
wenn die Verwachsungen gleich Null oder relativ geringfügig sind.
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Die V e n t r o t i x a t i o n hingegen verdient den Vorzug bei Frauen,
die in der Menopause sich beieits heimden oder durch eine not¬
wendige Operation steril geworden sind; die beste Methode der
Yentrotixalion w ird von den l mMandeii abtmngen und soiite d.e
Möglichkeit von Komplikationen, wie /. B. Dar m\c i w achMingeii oj-, r
Einschnürungen, berücksichtigen. Die V a g i n ! i \ a t i *• u vü
eine Ausnahmeoperation oder den kimstktn des Messers überlass, a
sein, die mit Absicht sich >chw leiigkeiteii sjia':e:i.
E. E o r g u e und II. Roger- Montpe.nei : Die chirurgische
Intervention bei der nekrotisierenden S> philis des Schädeldaches.
(Arcluves provinctalcs de Chirurgie. Dezember 1 '* s i
Verfasser hatten Gelegenheit, m ä 1 allen \oii ausgehrcite-ter
svphilitischer Nekrose des >chadei<laches Operationen \o«t smTener
Ausdehnung vornehmen zu müssen in einem der I .d.e uu lawty
die Kramektomie beinahe die ganze Knoehenlmiie und s :L -
sehhessen aus diesen erfolgreich operierten I a.ieii. dass zu oft d.e
()steos\ plnlorne des >chadels vier meJik.muntosui lUhau.'.in.g
allem überlassen w erden, der dmtirgische I tngr m derseben "I! zu
spat oder m zu gelinget Aus U hmmg \ or gemutum n und und last
alle Ins jetzt vcrotieutlkIlten balle einfache >equestrot. .not n. di\ vdi
aui Abtragung frei beweglicher oder lekht enlk r nburcr . ikle...
t iscli.gr Eragmente beziehen, i'etreften. \ er lasser besprechen ind:
des näheren die Indikationen vier ()pt r atmiu n ie nach dem Grade
vier S\ phllltisellell Elkrailkllllg. vlie Resultate der Operation und deren
Technik. Die Antisepsis vier \ er bamle muss der i uvenst.-.'id g-oss-
ter Sorgfalt sein und die bestell Ei lahm:.gen bezu K .kh \v:r uoi:y
septischer Komplikationen haben I. und R. n.it <iaze. w o«.:;e mit
antiseplischer \ aseim durchtrankt ist i\.ist,in Ree üs-i er gi:es i ge¬
macht. Nach dem Eingriff muss die spi / i! sJu 1 herapie ui/wtl.* gt
fortgeset/t w erden, da sonst neuerdings I rvliqiuingen autt'e'Te n.
Die Knoeliv ns\ philis bet.nlt selten die >J»ade basis g'r.c- kKer-
WeiseWeise, da es hiebei sehr /weileihalt w.re. m Wem* er W eme
ein chirurgischer Eingriff \ orzmiehmeii ist; troi/.;i:ii konnte n an
m dem balle, wo ein nekrotisches und bewegliches >b.kk, z. B. \ o-t
Osteitis vles Spheiioidale vor handelt wäre, dasse.be aut retropha: \ rv-
jg ea I e m Wege entfernt w erde n. Ist vlie k ink iuiiv' k < aukung aut das
I elsenbem ovler vlen W .if/enio» ts.itz lokalisu. it. so kommt die spe¬
zielle bei diesem Knochen an/uw endende ledimk in Betracht. In
dem Falle \'>n Bari v, wo ein operativer I ngnii /iirt.*kgew lesen
wurde, trat vier 1 od durch Thromb -piiielntis des >inus iaieraus ein.
Literaturverzeichnis und einige «G Abbildungen zur I . u s t r ie r mig
der operieTteii balle.
B r e t o n - Dijon ; Eine Influen/acpldemie bei Kindern. 'Re\u,
mensiielle des maladies ile l'eiitaru e. Novni.t i i 1 •>< s.)
B. hatte < ielegenheit. eilte sehr grosse \ • • /. t:. 1 \ mt Inütien/a -
fällen, die im Laute vles Winters Inno 1 >7 \m'Eit.> ii. zu beobach¬
ten; zwei Drittel eler I aiie betiaien via bei h tnder ie dv u Alters, und
zwar schon vom dritten Lehensmonate an bis zu 14 Jahren. Trotz
aller Nachforschungen war es nicht möglich. bei vier Imnien/a ein
Stadium der Inkubation festzuste Ken. Die Zaimm mmg spielt eine
pradispnuiereikle Rolle, daher ehe liaiüukeit vier < r ip:»e t'ei den
kleinen Kmvlern zur Zeit der Dentition. \oii den n<• k.iüern hatten
ein I mI einfache Influenza, ein aiulei er Komp.ikat; neu. wie f e-
sonders Bronchopneumonie, Lvtnphademns, Angma. Der Verlaut
war in vielen ballen ein ;*horti\cr. ui anderen. Wo besonders |.up.
roiiren- und Limgenkomphkatuneu vorhanden wäre 1 ', trat vke Hei¬
lung kaum m dn 3H l agen ein, erfolgte aber Sc'mess.kh m sämt¬
lichen behandelten <H 0 ) ballen. Die I herapie umiasste a ge me ne
und für teilen lall augepasste Indikationen; in Zeiten \ori f m \ v
sinvl Isolierung der Kranken mul sogar vier Re kom \ s/e me m Des.
infekimn vier Krankenzimmer tisw. angezeigt. Man muss c.- ,.t
den ersten Ausgang überwachen; die gegen die Lungern.- >r..\ ■■ ■* a-
tionen anzuwymleiuieii Mitte! sind die gebräuchlichen. wie ivikik-
Wkkel. Seiilpapier. Von vlen inneren Mitteln schien e;u einziges.
Guaiakolphosphit in vier Dosis von 0,15 n.5 pro lag. zügle uh aut
Lunge und Temperatur zu wirken, «legen ehe Magi "sp.mngen hat
die Wasserehat Wunder gewirkt: das Erbrcehy.it \ e: s v Lw mdet rasch
ovler bessert sich m kurzem, (legen vlie I >t isenscbw cKuege U gd't
rohes Knochenmark, m vier I >osis \,.n 15 d5 g lange Zeit b>rt-
gegebeu. vorzügliche Resultate und sollte in ausgede iintern Masse
angewamlt werden.
(i u i n o u mul V i e I I i a r d : Die schmerzhaften Darmanlallc Im
Verlaufe der Purpura im Kindesalter. •Revue n envu de des um.a-
dies de I cnfaiicc. Dezember l'X'7 )
Diese schmerzhaften Darmaiiiude kommen Ksonders bei Kindern
im Alter von S 15 Jahren, bei iimgeu I ernten und üeuropatbischeu
Individuen vor. Der Verlaui ist gew ohuikh .kr. dass piotzlkh vlie
kleinen Patienten, die seit einigen lagen >ch:ner/en m der Um¬
gebung der Gelenke, besonders der Unte'evfcmitaten. und -g'.e.ch-
zeitig in deren Nachbarschaft Hedem ur\! k vme rote-, et" a in;s L u-
grosse blecken haben, von aussiroukm g 'i>. ttigen. k" mrigvii
L e i b s c h m e r z e n ergriifeu werden; se nr f .• ! tritt w iedt -''.es
Erbrechen, zuerst mit Blut, viaun nur < i.o e geur.s^ht. aut m. I
schliesslich vliarrlmischc. blutig g e i a r b *. e >* b i e. \m n.ich-
Sten lag ist der Anfall vorüber, aber wa ; '-:.j - \. iv bt bat s u
eine Eruption liischer Uiirtün afie.cken eine«, sp. :it. V*. der \u-
fälle befinden sich die l’aticntcn in cuiem seb.r ,.u«. regten.
OriginBl from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
)L August 1903.
• MUENCHENEfe MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1711
ruhigen Zustande, werfen sich hin und her usw. Bei der Unter¬
suchung des Leibes findet man zweierlei verschiedene Zustände:
entweder er ist stark eingezogen, die Bauchwand unbeweglich, resi¬
stent oder — was weniger häufig der Eall ist — es besteht mehr
weniger ausgesprochener Meteorismus. Die Temperatur ist oft nor¬
mal oder nur in geringem Masse erhöht. Die ganze Dauer des
schmerzhaften Anfalls wechselt von einigen Stunden bis zu 1 bis
2 Tagen; selten bleiben sie aui einen beschränkt, sondern es stellen
sich nach Tagen oder auch mehreren Wochen immer wieder neue
Anfälle ein, die meist mit Purpura, Gelenkschmerzen, blutigem Er¬
brechen koinzidieren. In der Zeit zwischen den Anfällen ist das
Allgemeinbefinden ein ziemlich gutes, mit Ausnahme der zuweilen
beträchtlichen Abmagerung. Zur Diagnose genügt meist nur eine
geringe Spur des Ausschlages. An Komplikationen wurde, wenn
auch nur in wenigen Fällen, Darminvagination und hä¬
morrhagische Nephritis beobachtet. Mit Ausnahme dieser
Zufälle bieten diese schmerzhaften Krisen der Purpura rheumatica
eine relativ gute Prognose. Was die Pathogenese dieser An¬
fälle betrifft, so neigen Verfasser von den 2 Haupttheorien (Bildung
blutiger Ergüsse in Darm und Peritoneum und rein nervöser Ur¬
sprung) mehr der letzteren zu. Was die Behandlung betrifft,
so genügen gegen die leichten Formen feuchtwarme Wickelungen, bei
schwereren muss man zu Morphiuminjektionen (0,1 :20,0, 2 Tropfen
pro Lebensjahr) greifen; gegen die hämorrhagische Erkrankung hat
Chlorkalzium (1,0—2,5 g pro Tag) keine konstanten Erfolge gegeben,
vielmehr jedoch gepulverte Schweinsleber (5 g) oder noch besser
dieselbe in Natur (50 g) als Einlauf in physiologischer Kochsalzlösung.
Vielleicht könnte man, wie Verfasser schliesslich meinen, subkutane
oder intravenöse Injektionen normalen oder antitoxischen Serums
anwenden. Anführung der (5) selbst beobachteten und (weiteren 11)
aus der Literatur entnommenen Fälle.
Osswald Goebel: Prophylaktische und Heilwirkung des Men-
schenbtutserums bei der Trypanosomeninfektlon Nagana. (Annales
de l'institut Pasteur, November 1908.)
Das vom Menschen stammende Blutserum besitzt, wie La-
v e r a n und M e s n i 1 zuerst erkannt haben, eine gewisse präventive
und eine beschränkte heilende Wirkung gegen die Trypanosomen¬
infektion der Mäuse. Nach den neuerlich eingehenden Unter¬
suchungen G o e b e 1 s aus dem hygienischen Institut der Universität
Gent hat dieses Blutserum dieselbe prophylaktische* Wirkung gegen
die Infektion des Meerschweinchens mit diesem Parasiten, aber es
sind dazu gewisse Bedingungen, wie längerer Kontakt der Para¬
siten mit dem Serum bei Brutofentemperatur, Injektion der Mischung
unter die Haut usf. nötig. Das vom Menschen stammende Blut¬
serum, bei 37° mit den Trypanosomen verrieben, verliert weder seine
prophylaktische noch Heilwirkung, es verliert aber erstere, wenn
es auf etwa 64° erhitzt und wenn es mit einem Alkali behandelt
worden ist; es behält seine Eigenschaften, nachdem es mit Hefe in
Berührung gebracht wurde. Die präventive Substanz verhält sich
wie eine Globuline, sie wird mit gesättigtem Magnesiumsulfat prä-
zipitiert. Die prophylaktische und Heilwirkung des vom Menschen
stammenden Serums ist nicht auf einen Mechanismus, der jenem
der hämolytischen Sera durch Zuhilfenahme einer Alexine- und einer
sensibilatorischen Substanz entspricht, zurückzuführen. Der Verlust
seiner Eigenschaften durch Erhitzung, durch Einwirkung von Al¬
kalis usf. kann anders als durch eine Alexinzerstörung erklärt wer¬
den. Das Menschenserum zeigt keinerlei opsonische oder zyto-
tropische Wirkung gegenüber den Trypanosomen, jedenfalls modi¬
fiziert es nicht in der Weise die Parasiten, um daraus eine leichte
Beute für die Leukozyten zu machen.
Cazalbou: Beitrag zum Studium der Trypanosomenerkran-
kung Westafrikas. (Ibidem.)
Die in den letzten Jahren unternommenen Forschungen in West¬
afrika ebenso wie die Arbeiten Laverans aus dem Institut Pa¬
steur haben gezeigt, dass die durch die Trypanosomen bewirkten
Krankheiten die erste Stelle in den nosologischen Reihen dieser aus¬
gedehnten Landflächen einnehmen. Die Untersuchungen, welche C.
vor allem bezüglich Veränderung der Virulenz an Tieren mit 3 Arten
von Trypanosomen vornahm, ergaben folgende Hauptschlüsse. Die
aus der endemischen Zone stammenden Hunde boten im Krankheits¬
verlaufe eine chronische Entwicklung, dieselbe ist jedoch eine akute
bei Tieren derselben Art, welche aus wahrscheinlich krankheits¬
freien Gegenden stammten, wenn man ihnen Gift, das im Augen¬
blick des Todes entnommen wurde, injiziert. Trypanosoma dimor-
phon, welches in Gambien und Guinea existiert, kann im ganzen
oberen Teil des Niger, vielleicht bis Timbuktu, angetroffen werden,
aber es dürfte im Wüstenteil (Sahara) dieses Flusses sehr selten
sein, Trypanosoma Evansi und Trypanosoma sudanense sind letz¬
terer und der Suaheligegend eigentümlich. Obige Tatsachen könnte
man mit der Beobachtung erklären, dass die Hunde durch Genuss
von Toxinen, die in den Leichenabfällen der Haustiere (Dromedare,
Herde) eingeschlossen sind, in der endemischen Zone dem Immuni¬
tätszustande sich nähern und in den epidemiefreien Gegenden ihre
ganze Empfindlichkeit für das Virus bewahren. Die Virulenz ver¬
stärkt sich durch eine Reihe von Ueberimpfungen bei derselben Art
(Ratte, Hund), unter der Bedingung, dass diese mit Blut, welches im
Augenblick des Todes entnommen wird, ausgeführt werden.
M e s n i 1 und N i c o 11 e: Behandlung der experimentellen In¬
fektionen mit Trypanosoma gambiense, Spätresultate. (Annales de
l’institut Pasteur, Dezember 1908.)
Auch die Spätresultate, d. h. bei den nach 1—2 Jahren wieder
kontrollierten Tieren, Ratten, besonders aber den (12) geimpften
Affen, ergaben die völlige Heilung mit Atoxyl, wie es sich auch bei
den Frühresultaten gezeigt hatte.
A. Calmette und L. Masso 1: Die Beziehungen zwischen
dem Kobragift und seinem Antitoxin. (Ibidem.)
Trotz der zahlreichen wichtigen Arbeiten, welche im Laufe der
letzten Jahre über die Beziehungen zwischen Toxinen und Anti¬
toxinen veröffentlicht worden sind, ist bis jetzt noch nicht genau
ermittelt worden, ob sich bei der Mischung beider Stoffe eine
neue chemische Substanz bildet, deren Eigenschaften von jenen
seiner Komponenten ganz verschieden sind oder ob die letzteren,
einfach einander beigesellt, ihre speziellen Charaktere bewahren.
Verfasser fanden nun bei ihren vorliegenden Untersuchungen, dass
ersteres der Fall ist und dass man die Hypothese einer dissoziablen
Kombination zwischen Toxin und Antitoxin annehmen muss. Von
allen toxischen Eiweisskörpern, welche imstande sind, Antikörper
zu bilden, schienen die Schlangengifte am geeignetsten zur Lösung
des vorliegenden Problems. Die toxische Substanz des Kobragiftes
ist löslich in Flüssigkeiten, die mit 50—80 Proz. Alkohol titriert sind,
in Gegenwart des Antitoxins hingegen beginnt das Gift in 50 proz.
Alkohol unlöslich zu werden und die Unlöslichkeit wird bei 64 Proz.
eine beinahe vollständige. Das Antitoxin allein ist in Alkohol un¬
löslich und wird nach kurzer Berührung von diesem zerstört. Die
toxische Substanz des Kobragiftes wird durch Erhitzen bei 76—80"
nicht koaguliert, das Antitoxin wird bei 68° zerstört. In Gegenwart
von Aethylalkohol (50 proz.) und von freien Mineral- oder organischen
Säuren kann die ungiftige Verbindung: Serum + Gift bei Labora¬
toriumstemperatur aufgelöst werden: das Antitoxin ist nach 10—15
Minuten genügend modifiziert, dass es möglich ist, wenigstens zum
Teile die primäre atoxische Verbindung wiederherzustellen, das Gift
ist durch das Antitoxin nicht zerstört und man kann es quantitativ
fast völlig wieder finden. Die ungiftige Verbindung Serum T* Gift
besitzt also Eigenschaften, die ganz verschieden von jenen seiner
Komponenten sind.
J. G. Sleeswijk-Leyden: Beitrag zum Studium der Opso¬
nine. (Ibidem.)
Wenn man sich die Zusammensetzung und Wirkungsweise der
Opsonine im allgemeinen vorstellen will, so dünkt es Verfasser ge¬
mäss seinen Untersuchungen, dass man sehr wohl der figürlichen
Sprache E h r 1 i c h s sich bedienen kann: Das Opsonin ist eine Sub¬
stanz mit 2 Gruppen: eine, die bakteriophile Gruppe, mit einer spe¬
zifischen Affinität versehen, heftet sich an den Mikroorganismus und
gerade durch diese Fixation wird die andere, die phagozytophile
Gruppe in Tätigkeit gesetzt, der Phagozyt wird angezogen und kann
seine Arbeit verrichten. S. fand ferner bei seinen Untersuchungen
mit Froschserum und Milzbrandbazillen, dass in ersterem eine Sub¬
stanz, welche die Milzbrandbazillen zur Phagozytose vorbereitet
(Opsonin) und eine Substanz, welche die Milzbrandbazillen agglu-
tinieren lässt, vorhanden sind; erstere wird bei 56° Hitze, letztere
erst bei 70 0 zerstört. Das Opsonin fixiert sich in gleicher Weise aui
die virulenten und die toten Bazillen, aber nicht auf einen indifferenten
Körper, wie Karminpulver. Die Lymphe des Lymphsackes und das
peritoneale Exsudat haben opsonische Wirkung wie das Serum. Man
kann die Phagozyten des Frosches ihrer phagozytären Wirkung be¬
rauben, indem man sie zweimal 5 Minuten lang mit gewöhnlicher
physiologischer Kochsalzlösung oder mit wässerigem Rindssaft
wäscht; durch frisches Froschserum können die Phagozyten wieder
ihre Wirkung erhalten, während das erhitzte Serum sie indifferent
lässt.
Belonovsky: Einfluss des Milchferments auf die Darm¬
bakterien der Mäuse. (Ibidem.)
In vorliegender Arbeit wird der Versuch gemacht, experimentell
die Wirkungsart des speziellen, unter dem Namen Yoghurt in Bul¬
garien und Rumänien bekannten Milchfermentes festzustellen. B.
fand, dass dieses Ferment die Zahl der Bakterien im Darm der
Mäuse vermindert, deren Fähigkeit, Fäulnis zu bilden, herabsetzt und’
die Exkremente weniger virulent macht. Die Wirkung des Fer¬
ments kann nicht ausschliesslich auf die Bildung von Milchsäure zu¬
rückgeführt werden, sondern die von den Bakterien des Ferments
sezernierten Substanzen spielen dabei ebenfalls eine bedeutende
Rolle. Das Ferment akklimatisiert sich nach einer gewissen Zeit
(10 Tage für ausgewachsene Mäuse). Hat man aufgehört, es weiter
zu geben, so verbleibt es im Darm noch mehr weniger lange Zeit
(bis zu 6 Wochen). In weiteren Tierversuchen hat B. die heilsame
Wirkung des Bulgarenfermentes auf einige Darmerkrankungen fest-,
gestellt. Stern.
Inauguraldissertationen.
Stäbchen zellen bei progressiver Paralyse.
Von Margarete D u p r 6. Freiburg i. Br. 1908. 31 S.
Bei der progressiven Paralyse findet sich regelmässig eine Zell¬
art, die auf Grund ihrer Gestalt von Nissl Stäbchen zellen
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1712
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
genannt wurden. Nach Nissl und Alzheimer sind sie mesoder¬
malen Ursprunges, nach CerlettiundSträussler sind es Glia-
elemente. Ihre Bedeutung ist noch unbekannt. Cerletti schreibt
ihnen phagozytäre Eigenschaften zu. Ihre Verteilung in der Gross-
hirnrinde erfolgt nach demselben Gesetze, das von Nissl über die
Topographie des paralytischen Prozesses aufgestellt worden ist: die
Hauptmenge der Zellen tritt in Frontal- und Zentralwindungen auf,
geringere Mengen im Temporal- und Okzipitallappen. Eine grössere
Ansammlung von Zellen ist in der Schicht der grossen Pyramiden¬
zellen und eine geringere in den äussersten Randpartien. In den
Randteilen der Rinde zeigen die Zellen keine bestimmte Richtung, je
näher die grossen Pyramidenzellen liegen, umso regelmässiger liegen
die Zellen. In der dritten bis fünften Reihe der grossen Pyraniiden-
zellen liegen sie parallel dem Achsenzylinderfortsatz. Im Marke
liegen sie wieder unregelmässig. Die Grösse und Form ist wechselnd.
Es scheinen aber fast immer die grössten Zellen im Gebiete der
grossen Pyramidenzellen zu liegen. Nach dem Marke und der Rand¬
zone zu finden sich die kleineren Formen. Einer starken Beteiligung
der Adventitia scheint zahlreiches Vorkommen von Stäbchenzellen
parallel zu gehen. Oft findet sich Uebereinstimmung im Bau der
Adventitialzellen und der Stäbchenzellen. Bildung'von Stäbchenzellen
scheint unabhängig zu sein von starker Intimawucherung und Nei¬
gung zu Gefässsprossbildung. Infiltration der Gefässscheiden ist auch
ohne Einfluss. Da die Stäbchenzellen hauptsächlich bei
der progressiven Paralyse Vorkommen, kann ihr Vor¬
handensein dazu dienen, die Annahme zu unterstützen, dass pro¬
gressive Paralyse vorliegt. Fritz L o e b.
Alexander Avsarkissoff stellt auf Grund seiner patho¬
logisch-anatomischen Studien zur Genese der
Coryza syphilitica folgende Thesen auf: Die Bindegewebs¬
wucherung in der Nasenschleimhaut bei Coryza syphilitica ist bedingt
durch die Anwesenheit von Spirochäten. Die Vermehrung des Binde¬
gewebes in der Nasenschleimhaut bei Koryza kann als Heilungsvor¬
gang angesehen werden. (Berlin, 1908, 30 S.) Fritz L o e b.
Neu erschienene Dissertationen.
Universität Berlin. Juli 1908.
Nathansohn Joseph-Girscha: Ueber die Methoden und Resultate
der operativen Behandlung des Kryptorchismus.
Funk Otto: Ueber die Richtung des Bauchschnittes bei der Laparo¬
tomie.
Br au de Isaak: Elephantiasis der unteren Extremitäten.
Schweikert Alexander: Ein Beitrag zur Kenntnis der melano-
tischen Geschwülste.
Wossidlo Erich: Experimentelle Untersuchungen über Verände¬
rungen der Nissl sehen Granula bei der Lumbalanästhesie.
Janulaitis Veronika: Ueber die Tarsalfollikel beim Trachom.
Sandberg Jakob: Ueber einen Fall von angeborenem partiellen
Riesenwuchs.
Wagner Franz: Beitrag zur Frage der kongenitalen Hüftgelcnks-
verrenkungen und deren Behandlung.
Universität Erlangen. März-Juli 1905.
Holzinger Joseph: Ueber Assoziationsversuche bei Epileptikern.
Lotthammer Hans: Kraniometrische Bearbeitung der Schädel¬
sammlung des Erlanger Anatomischen Institutes.
Giesen Rudolf: Mit Erfolg operierte Einklemmung einer Hernia
Treitzii.
Krempl Alfons: Ueber Patellarfrakturen.
Hafermann Caspar Egbert: Ein Fall von allgemeiner Argyrie
durch innerlichen Gebrauch von Höllenstein.
Nagel Martin: Der physikalische Nachweis vergrössertcr Bronchial-
und Mediastinaldrüsen.
Mebert Fritz: Ein Fall von Lupus erythematodes disseminatus acu¬
tus (Kaposi).
Zrenner Bernhard: Ein Fall von traumatischer Hämatomyclic.
Förster Heinrich: Ueber einen Fall von doppelseitiger kongenitaler
Zystenniere mit angeborenem Verschluss der Harnröhre.
Weylandt Ludwig: Ueber interparoxysmale transitorische Sym¬
ptome der Epileptiker.
Universität Freiburg. Juli 1908.
Harms Christoph: Zur Prophylaxe der Thrombose und Embolie
im Wochenbett.
David Erna: Beitrag zur Atmokausis uteri.
Duprg Margarete: Stäbchenzellen bei progressiver Paralyse.
Hey mann Hans: Ueber die moderne chirurgische Behandlung der
diffusen eitrigen Peritonitis.
Chwiliwizkaja Paulina: Ueber die klinische Stellung der
Involutionsmelancholie.
Ter-Mowsisjanz Johannes (Melik Nubarjanz): lieber die
Enteroptose.
Langenbach Wilhelm: Implantation der Ureteren ins Rektum.
Henius Kurt: Ueber die Abhängigkeit der Empfindlichkeit der Netz¬
haut von der Flächengrösse des Reizobjektes.
Auswärtige Briefe.
Wiener Briefe.
(Eigener Bericht.)
Zur Eröffnung der zwei neuen Frauenkliniken. — Erhöhung
der Verpflegungstaxen an den neuen Kliniken. — Eine neue
Heilstätte für Ltipuskranke. — Reichsorganisation der Heb¬
ammen. — Gesetzliche Regelung der Kinderarbeit. — „An
unsere Frauen."
Die zwei neuen geburtshilfiiJi-gynäkolugischcn Kliniken,
welche seit Monaten fertiggestellt waren und mit schwangeren
resp. kranken Frauen hätten belegt werden können, werden
nun endlich eröffnet werden, zunächst iur die hilfesuchenden
Frauen, zu Beginn des Wintersemesters in feierlicher Weise
auch für die Studenten. Wir haben vor Wochen an dieser
Stelle die Differenzen in den Anschauungen des L’nterrichts-
und Finanzministers einerseits und des mederostcrreichischen
Landesausschusses anderseits bezüglich der Stellung der drit¬
ten, sog. Hebammenklinik dargelegt und wollen darauf hin-
weisen, dass wir es schon damals iur angezeigt hielten, dass
auch die dritte geburtshilflich-gynakolngische resp. die Heb-
ammenklinik verstaatlicht wurde. Das ist nunmehr ge¬
schehen, die Verhandlungen haben dahin geführt, dass der
Wiener Krankenanstaltenfonds auch den Betrieb der mit der
Hcbammenlehranstalt verbundenen dritten (iebarklimk über¬
nimmt. Ein zwischen den beiden neuen Frauenkliniken stellen-
gebliebenes Gebäude wird baulich adaptiert, zwei Flugeitrakte
werden dazugebaut und so die entsprechenden Raume ge¬
schahen für die Installierung vollkommen modern ausgestatte¬
ter Kreiss- und Wochnerinnenzmimer, einer gynäkologische»
Abteilung und der eigentlichen hebammenschule. Die dritte
Klinik erhält die Bezeichnung „Niederosterreichische Landes¬
gebärklinik und k. k. Hebammenlehranstalt". Was die Haupt¬
sache anbelangt, weshalb die mehrmo.nailichen Verhandlungen
zwischen Staat und Land gepflogen wurden die Aufteilung
des geburtshilflichen Materials - so wurde sie ebenfalls
in einer für beide Teile befriedigenden Weise vorgenommen;
die Aufnahmskanzlei wurde schon bei den zwei neuen Frauen¬
kliniken eingerichtet. Der Landesausschuss muss schliesslich
dem Staate dafür, dass ihm der Neubau einer Landesgebar-
anstalt erspart bleibt, einen vereinbarten Betrag von
840(XX) Kronen bezahlen. Bisher waren alle drei Gebar-
kliniken im allgemeinen Krankenhause in der Alserstrasse in¬
stalliert; mit dem Auszuge der drei (iebärklmiken wird der
erste gewichtige Schritt getan, der mit der völligen Nieder¬
legung des riesigen Komplexes von Hufen und Gebäuden
enden wird.
Die Verpflegstaxen in den öffentlichen Spitalern Wiens
sollen erhöht und die Eröffnung der zwei neuen Frauenkliniken
soll mit dieser odiosen Neuerung verknüpft werden. I he all¬
gemeine Teuerung, die wachsenden Kosten für Verbandzeug,
die strenge Durchführung der Antisepsis und die individuali¬
sierende Behandlung werden vom Wiener Krankenaiistalten-
fonds als Gründe für die Erhöhung der Spitalstaxen angeführt.
Die Kranken der III. Vcrpflegstaxe müssen schon jetzt täglich
2 K 40 h bezahlen und wenn sie es nicht bezahlen können, so
wird die Heimatsgemeinde herangezogen resp. werden die
Krankenkassen für ihre Mitglieder zur Zahlung verpflichtet.
Als vor einigen Jahren die Taxe der allgemeinen Nerpflegs-
klasse von 2 K auf 2 K 40 h erhobt wurde, da waren es vor
allem die sozialdemokratischen Organe, welche sich im Inter¬
esse ihrer Krankenkassen dagegen auflehnten; es ist also zu
erwarten, dass sic gegen die neuerlich geplante Erhöhung der
Spitalstaxen noch ärger Sturm laufen wer Jen. Die Taxe iur
die II. und I. Klasse, derzeit schon ö resp. 12 K täglich, soll,
da die Zahlstöckc jetzt an den neugebauten Kliniken „sana-
tot iumartig" ausgestaltet wurden, ebenfalls in entsprechender
Weise erhöht w erden.
Im heurigen Jahre soll auch mit dem Neubau einer zur
Aufnahme von (>4 Kranken bestimmten ..Heilstätte für Lupus¬
kranke" und eines sich hieran anschliessenden eigenen ..Heim
für Ltipuskranke“ begonnen werden. Das neue Ltipusspital
und das „Heim", in welch letzterem die zur ambulatorischen
Behandlung geeigneten Luposeti Unterkunft finden sollen, wer¬
den sieh an das Wilhehninenspital in Ottakring baulich an-
DiqTUzsc by
r Go* igle
Original Fr om
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1713
schliessen und von der Verwaltung dieses grossen Spitals
auch adriiinistriert werden. Die Baukosten von mehr als einer
halben Milion Kronen sind durch öffentliche Sammlungen auf¬
gebracht worden. Hofrat Prof. Dr. Eduard L a n g hat sich um
das Zustandekommen dieser segensreichen Anstalt bleibende
Verdienste erworben.
Die Hebammen haben in Wien und in anderen grossen
Städten seit Jahren Vereine gegründet, in welchen sie über die
Besserung ihrer traurigen Existenzverhältnisse Beratungen pflo¬
gen* und sich von gefälligen Aerzten über Neuerungen auf
dem Gebiete der Antiseptik oder der Kinderpflege Vorlesungen
halten Hessen. Nun haben sie sich zusammengetan und in
einer grossen, von nahezu 700 Hebammen Wiens und der
grösseren* Provinzialstädte besuchten Versammlung die Grün¬
dung einer Reichsorganisation beschlossen. Die
Regelung des Honorars für eine Entbindung streben die Heb¬
ammen in der Weise an, dass in den Städten, besonders Wien,
als Massstab der jährliche Mietzins der hilfesüchenden Partei,
auf dem Lande die Anzahl der Joch Grund, welche die Familie
besitzt, genommen werden. Das Mindesthonorar für eine Ge¬
burt wurde mit 10 Kronen bestimmt, ein Honorar, welches auch
die Gemeinde Wien für eine sog. Armengeburt bezahlt. Wei¬
ters streben die Hebammen an, dass ihr Lehrkurs nicht wie
bisher nur 6 Monate, sondern ein volles Jahr andauere, wo¬
durch sie einerseits besser ausgebildet würden, anderseits der
Zuzug zu diesem Berufe eingeschränkt werden könnte. In
ärmeren Familien müssen die Hebammen bei ihren Visiten
auch die beschmutzte Kinderwäsche waschen. Diese Be¬
schäftigung betrachten sie als eine für ihren Beruf unpassende
und die Reinhaltung ihrer Hände beeinträchtigende, weshalb
die Reichsorganisation beauftragt wurde, die Hebammen in
Stadt und Land von dieser Verpflichtung zu entheben*. Die
Versammlung verlief ernst und friedlich, man wählte einen
Zentralausschuss, welcher die Aufgabe haben wird, diese und
noch andere Wünsche und Forderungen der Hebammen an ge¬
eigneter Stelle geltend zu machen.
Der sozialpolitische Ausschuss des Abgeordnetenhauses
hat den Entwurf eines Gesetzes über die Kinderarbeit
fertiggestellt, der Entwurf kam jedoch wegen Vertagung des
Hauses noch nicht zur Beratung. In diesem Gesetze wird unter
anderem bestimmt: Kinder dürfen nur insoweit zu Erwerbs¬
arbeit verwendet werden, als sie dadurch weder in ihrer Ge¬
sundheit geschädigt, noch in ihrer geistigen oder körperlichen
Entwicklung gefährdet oder in der Erfüllung ihrer Schulpflicht
behindert werden. Die Verwendung der Kinder vor vollende¬
tem 12. Lebensjahr ist verboten und nur zu leichteren land¬
wirtschaftlichen Arbeiten gestattet; doch dürfen auch in der
Landwirtschaft Kinder vor vollendetem 10. Lebensjahr zu Er¬
werbsarbeit nicht verwendet werden. In weiteren Para¬
graphen des Gesetzes werden die Arbeitszeiten und -pausen
genau geregelt, die Verwendung der Kinder zu bestimmten
Arbeiten verboten, die Beschäftigung der Kinder bei öffent¬
lichen theatralischen Vorstellungen und sonstigen öffentlichen
Produktionen und Schaustellungen untersagt (Ausnahmen für
besondere Fälle werden zugelassen), endlich werden scharfe
Bestimmungen für die Verwendung fremder Kinder (sol¬
cher, die nicht zum Familienhaushalt gehören) getroffen. Wer
solche Kinder verwenden will, hat der politischen Behörde
genaueste Anzeige zu erstatten und ein Verzeichnis der ver¬
wendeten Kinder der Behörde stets bereit zu halten. Hegt
die Gemeindebehörde oder die von ihr einvernommene Schul¬
leitung Zweifel an der körperlichen oder geistigen Eignung des
Kindes, so ist auf Kosten des Arbeitgebers die ärztliche Unter¬
suchung des Kindes zu veranlassen und nur, wenn kein Scha¬
den für das Kind zu befürchten ist, dem Arbeitgeber für jedes
Kind eine besondere Arbeitskarte, die für ein Jahr gilt, aus¬
zustellen. Die Verabreichung gebrannter geistiger Getränke
an Kinder — mögen es eigene oder fremde sein — ist unter¬
sagt. Die politischen Behörden sollen die Aufsicht über die
Einhaltung des Gesetzes haben und Uebertretungen sogar mit
Arrest, mit Entziehung des Verwendungsrechtes fremder Kin¬
der etc. bestrafen. Die Gemeindebehörden, die Schulleitungen
und die Gewerbeinspektoren haben die Mitaufsicht über die
Beobachtung des Gesetzes.
„An unsere Franc n“ betitelt sich eine kleine Schrift,
welche Belehrungen* und Ermahnungen enthält, herausgegeben 1
von der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien. Auch die Frauen
sollen zur zielbewussten Bekämpfung weit verbreiteter Volks-
krankheiten, in erster Linie derjenigen, welche sie selbst und
ihre Kinder bedrohen, der Geschlechtskrankheiten, heran¬
gezogen werden. Sie sollen über das Wesen der ansteckenden
Geschlechtskrankheiten und über die Folgen derselben auf¬
geklärt werden, um rechtzeitig die Hilfe gewissenhafter Aerzte
in Anspruch nehmen resp. sich und ihre Kinder vor der An¬
steckung bewahren zu können.
Es wird also vorerst das Wesen der Infektion erörtert,
speziell das Wochenbettfieber, dessen Häufigkeit und Gefähr¬
lichkeit. Sodann wird auf die Geschlechtskrankheiten selbst
eingegangen und der Modus ihrer Uebertragung besprochen.
„Man schätzt die Zahl der in Wien alljährlich (an Geschlechts¬
krankheiten) Erkrankenden auf ca. 7000 Menschen, sie ist aber
sicher eine viel grössere.“ Die Lues und die Gonorrhöe, die
Vererblichkeit der Syphilis, die grosse Verbreitung des Trip¬
pers, das traurige Schicksal der von den Männern angesteck¬
ten Frauen, die wichtigsten Erscheinungen einer Tripper¬
erkrankung des Weibes, die Sterilität der Weiber und die Er¬
blindung der Neugeborenen infolge gonorrhoischer Affektion,
die Notwendigkeit sorgsamer Behandlung dieser Leiden, „die
Mission der wissenden Mutter, die physische und moralische
Reinheit ihrer Söhne und Töchter zu pflegen und zu schützen“:
all dies wird eingehend und gemeinverständlich erörtert. „Die
statistisch erwiesene Tatsache, dass 7—8 Proz. unserer Mittel¬
schüler bereits vor Ablegung der Reifeprüfung infiziert sind,
muss die Eltern mit den schwersten Sorgen erfüllen. Sie zeigt,
wie gross und stark die Versuchungen sind, die ausserhalb des
Hauses auf die heranwachsenden Knaben hereinstürmen, sie
enthüllt den Abgrund von Leichtsinn, Genussucht und Un¬
wissenheit, in dem die Jünglinge untertauchen, ahnungslos,
dass sie dabei ihr Bestes, ihre physische und moralische Ge¬
sundheit verlieren“. Es wird die Abstinenz junger Männer vor
der Ehe, das Eingehen früher Ehen, die Untersuchung der Be¬
werber durch einen der Familie vertrauenswürdigen Arzt bei
Verheiratung einer Tochter etc. etc. gepredigt. „Die wissende
Frau, das wissende Mädchen übt eine zutreffendere Auswahl
als die AhnungslQse, die Wahlfremde.“ Dann werden auch die
Männer nicht mehr jene unehrliche Scham besitzen, das Be¬
stehen ansteckender Geschlechtskrankheiten den* Frauen mög¬
lichst zu verheimlichen, ihre Ehre wird es ihnen verbieten,
Gesundheit und Glück eines unberührten Mädchens, der unge¬
borenen Kinder auf das Spiel zu setzen.
Die 20 Quartseiten starke Broschüre ist um den Preis
von 30 Hellern von der Buchhandlung Wilh. Braumüller
erhältlich. Sie verdient wahrlich die grösste Verbreitung in
Frauenkreisen.
Römische Briefe.
(Eigener Bericht.)
„Folia ginecologica“. — Leonardo GI g 11 t. — Das zm-
rückgewiesene Gesetz der Professorengehaltsaufbesserung.
Zu den verschiedenen „Blättern“, die in den letzten Jahren
in England und Deutschland erschienen sind, gesellt sich nun
auch ein italienischer Genosse: „Folia ginecologica“
geleitet von Prof. Clivio, Direktor der Frauenklinik zu
Pavia. Vor mir liegt die erste Nummer der Zeitschrift und ich
kann nur sagen, dass sie, sowohl was Inhalt und Ausstattung,
als auch Zahl und Wert der Mitarbeiter betrifft, den denkbar
besten Eindruck macht. Ich bin überzeugt, dass dieses neue
italienische Periodikum einen ehrenvollen Platz neben den
anderen „Blättern“ jenseits der Alpen erringen und behaupten
wird. Die Leiter der meisten gynäkologischen Kliniken zählen
zu seinen Mitarbeitern und das erste Heft enthält wichtige
Arbeiten aus der Klinik von Pavia: Ueber Wanderung der
Darmparasiten bei Aetiologie des Wochenbettfiebers —
Innervation der Gebärmutter — aus jener von Turin:
Graduelle und spontane Expulsion des Eies in einer an
Fibromyom erkrankten und extrahierten Gebärmutter;
Venedig: Spontangeburt bei engem Becken. Zahlreiche,
gute Illustrationen sind dem Text beigefügt, Druck, Papier
und Format sind vorzüglich und elegant. Diese gynäko¬
logischen Blätter füllen in Italien eine Lücke aus, denn es fehlte
bei uns eine gynäkologische Veröffentlichung, die ein wahres
Archiv für nur originale Arbeiten bildete. Sie erscheinen in
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1714
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32.
zwanglosen Perioden (nicht zu bestimmter Zeit), werden jähr¬
lich einen Band von ca. 500 Seiten bilden und kosten in Italien
10 L, im Ausland 12 L Ich weiss nicht, ob cs in der Absicht
der Redaktion liegt, nur die italienische Sprache zuzulassen,
aber ich meine, dass Artikel in anderen Sprachen der Zeit¬
schrift einen internationalen Charakter geben würden, der
nicht ohne Nutzen für die Bildung der Leser und den Fort¬
schritt der Wissenschaft wäre.
Die genannte Nummer enthält auch einen kurzen Nachruf
für Leonardo Q i g 1 i. Dieser bedeutende Gynäkologe hat
seinen Namen durch eine Operation verewigt, die in diesen
letzten Jahren zahlreiche Diskussionen hervorgerufen und sich
auch das praktische Feld erobert hat, gestützt besonders von
der Florentiner Schule und vielen Publikationen G i g I i s
selbst; ich meine den Lateralschnitt des Beckens. Fs ist be¬
kannt, dass durch die Anwendung seiner Drahtsäge die Hebo¬
steotomien eine grosse Förderung erfahren haben. Gigli
wurde durch einen Zufall auf die Idee dieser Drahtsäge ge¬
bracht, nämlich durch die Beobachtung, wie die Schnur, die
ein Packet zusammenhielt, in den Finger einschnitt. Fr erhob
seine Stimme zur Bekämpfung der Symphysiotomie, als diese
Operation gerade in den italienischen und auswärtigen Kliniken
ihren Höhepunkt erreicht hatte, indem er auf die häufigen post¬
operativen Komplikationen hinwies. Gigli beobachtete, dass
der Knorpel schlechter heilt als der Knochen und dass die
Symphyse, die ein Gelenk ist, nicht so gut heilen könne wie
der Knochen und andererseits auch die Asepsis schwerer zu
w r ahren sei. Dem tüchtigen, auch in Deutschland hoch-
geschätzten Forscher, den leider in noch jungen Jahren eine
kurze Krankheit dahingerafft hat, unser treues, wehmütiges
Gedenken.
Gelinder Aufruhr herrschte im verflossenen Monat in den
Universitäten wegen der Frage der Gehaltsaufbesserung und
der Neuorganisation der Universitätsstudien. In einem meiner
letzten Briefe hatte ich schon Gelegenheit, ausführlicher über
die vom Minister des öffentlichen Unterrichts dem Parlament
eingereichte Gesetzvorlage zu sprechen. Die Vorlage hatte
schon heftige Kritiken erregt, sei cs bei denen, die sich durch
die neuen Bestimmungen betroffen fühlten, als auch bei jenen,
die eine durchgreifendere, mutigere Reform zum Besten des
Universitätsstudiums wünschten. Vielen lag auch besonders
die Gehaltserhöhung der Professoren am Herzen, die zurzeit
so wenig ausreichend bezahlt sind, dass viele durch Neben¬
beschäftigungen ihr Einkommen zu verbessern gezwungen
sind, w enn sie nur einigermassen den erhöhten Anforderungen
des Lebens genügen wollen. Ein grosser Fehler der Vorlage
war auch der, dass man zum Teil die Privatdozenten geopfert
hatte, indem man die Einschreibungen zu ihren Kursen be¬
schränkte, und dass man, sehr mit Absicht, die Assistenten
ihrem durchaus nicht beneidenswerten Schicksal überlassen
hatte, ungeachtet der zahlreichen Versprechungen einer ver¬
nünftigen Regelung ihrer juristischen und finanziellen Position.
Davon abgesehen enthielt das neue Gesetz aber doch sehr viele
Bestimmungen, die man als erste und wichtigste Schritte auf
dem Weg der Reform unbedingt gutheissen musste. Nun
wurde das (iesetz aber in einer der letzten Sizungen der schon
sehr arbeitsmüden Kammer vorgelegt und in der Diskussion
erhob sich sogleich sehr lebhafte Opposition und ziemlich
schwere Anklagen gegen das Milieu der Universitäten. Laut
einigen dieser Oppositionsredner ist die Untätigkeit und Nach¬
lässigkeit die Regel an unseren Universitäten, und diese Ver¬
allgemeinerung einiger beklagenswerter, aber zum Glück ver¬
einzelter Fälle, verfehlte nicht, ihren Eindruck auf die Kammer
zu machen. Die Herren Professoren sollen erst einmal brav
und regelmässig ihre Vorlesungen halten, dann kann man über
die Verbesserung sprechen; das war das Leitmotiv der Ver¬
handlungen! Aber trotz dieser gegnerischen Redner kam es
bei der offenen Abstimmung der einzelnen Artikel der Vor¬
lage doch zu deren Annahme, so dass man denken musste, dass
das Gesetz auch in der geheimen Abstimmung durchgehen
würde. Bei der geheimen Abstimmung gaben aber viele Ab¬
geordnete, die damit allerdings sehr wenig Mannesmut be¬
wiesen, schwarze Kugeln ab, so dass das Gesetz abgelehnt
wurde. Die Ueberraschung war eine allgemeine. Das war
eine moralische Ohrfeige, welche die Kammer den Universi¬
täten gab, und zw ar feige und hinterrücks, durch das Geheimnis
der Urne gedeckt, statt ehrlich, mit offenem Visier zu kämpfen.
Dieser Vorfall erzeugte einen wahren Aufruhr; der Minister
des Unterrichts reichte seine Demission ein, die aber vom Mi¬
nisterrat nicht angenommen wurde, der akademische Rat. die
Rektoren der Universitäten, einzelne Professoren erhoben
einen Chor von Protesten, offenen Briefen, Demissionen und
unendliche Polemiken in den Zeitungen, in welchen die merk¬
würdigsten Vorschläge zutage gefordert wurden. Schliesslich
vereinigten sich zahlreiche Professoren, die Repräsentanten
der verschiedenen Universitäten, in Rom und machten in einer
Tagesordnung ihrem Merzen Luft. ..entrüstet die ungerechte
Anschuldigung zurückw eisend, die leichtfertig gegen die All¬
gemeinheit der l’ni\ersitatsproiessoreii geschleudert worden
war und den Wunsch aussprechenJ. dass zum Wohl der natio¬
nalen Kultur bald der Tag kommen möge, welcher der Klasse
der Universitätslehrer die gerechte Ehrenerklärung bringt, auf
welche sie Anspruch erheben dürfen."
Jetzt ist die Frage wieder m das Anfangsstadium zunuk-
getreten; der Minister hat versprochen, wahrend der Ferien cm
neues und verbessertes Gesetz aus/uarhuten; die Professoren
haben weitere Zusammenkünfte für den Oktober bestimmt und
den \\ misch ausgesprochen, dass in den Eröffnungsreden für
das kommende Studieniahr die einzelnen Professoren die Ge¬
legenheit wahrnehmen, die Fortschritte der Wissenschaft in
den letzten 40 Jahren zu beleuchten, um so besonders auch
dem Laienpublikum zu zeigen, dass die Universu.iisprofessorcn
im allgemeinen stets ihre Pflicht getan und dass eine für das
Wohl und die Kultur des Landes so wichtige Klasse, wie jene
der Universitätslehrer die Anerkennung und Unterstützung
jedes Gutdenkenden verdient. Hoffen wir, dass die Bewegung
ein günstiges, reelles Resultat zeitigt!
Giovanni Galli.
Aerztlicher Verein in Frankfurt a. ■.
(Offizielles Protokoll.)
Ordentliche Sitzung v o m 4. M a i löns abends 7 Uhr
im Hörsaal des Dr. Senckenbe rgschen Bihhothekgvbäudes.
Vorsitzender: Herr E d i n g e r.
Schriftführer; Herr S c h e v e n.
Herr Goldtchnid: Demonstrationen.
Herr SippeL: Bradykardie und Arrhythmie nach Myom¬
operation.
Hei einer robusten -14 jährigen vullsaitigen Frau musste ein
grosses Myomkonglomerat \uan raschen Wachstums und zu¬
nehmender Beschwerden durch 1 anarotorme entfernt werden. Per
teilweise in die Ligamente entw.ckc te Tumor, welcher bis ä Oucr-
finger über den Nabel reichte., wurde unter Aether narkose supra-
vaginal amputiert. Pie Opera: mi \erlief g alt und ohne rede
Blutung. 1 he Narkose war ungestört. Per \ er aut war ein v.d g
reaktionsloser. Temperatur me aber TT.r Parm- und B'userittmkton
traten Sofort in Eiligkeit. Ms aun.i'T mies >\ u pt«>m entw ekelte v di
im Anschluss au die (Ip'-ratnm « m • |* u I s \ e r I a n g s a m u n g,
welche sich ständig unter t*n hn.lt, bis auf 5_> l’ef^bgnv: und s läge
dauerte. Palm hob sich der Ihi’s auf norrr.Le Immen/. Weiche auch
Nor der Oper ation bestand und fortan anhie't, 1s war schwer, cne
Fiklurung für d’ese FT sehe irnmg /u fr*.len. I me :m d. kauten tose l.m-
w ir kling war ausgeschlossen. Mens., bestund kette MoghJ’keit
einer sonstigen \ agusr ei/uiig sei es zentral oder im peripheren Ver¬
lauf. Auch licss sich eure Reflex w ir k in g nuht amtebmen. da alle
Mvomoperationen bei uns m uTtcher We.se aus.’emhrt werden, ohne
dass je eine solche Mi euiilti.ssue.g des llt t/uis aiiUifrifm wäre. Man
hafte daran denken komm, dass jn- | hl s\et. rngs.irmmg m gleicher
Weise zustande gekommen Ware, w c man dies bei W-h hnentmen
aummmt. Wenn man g'aitht. d..ss bei d men d e ITuTlkard e da¬
durch entsteht, dass nach der Oeburt durch de Kontraktion des
Uterus ein grosses artendes <ietasvgi b:et ansgesc haltet wird imd
infolge dessen m dem grossen Kreis aut e ne zur W'angsamung der
Mei/aktiou führende Pr ricksterge r uug auitrdt. so konnte man auch
anriehmeii. dass durch die bnt!einii''g der grossen, stark \askuian-
siei teil ,Mvotmnassen ein gleicher I.UeH erreicht se.. um so mehr,
als die Operation ohne jeden Büx i: hist ausgc'hrt wurde und
vor Schluss der Bauchhöhle ein I , t e r ph\ swe .-softer Kod’sa'/-
losung emgegossen wurde. Pme zunächst gefasste Annahme er¬
wies sich iedoch als unhaltbar, dum es bestand n dit mir e.ne Ihils-
n erlaiigsamiing. sondern auch eine regi'ose \ r r v t h m i e. Vus-
1 ultatorisch waren die Herztöne recht \ eramk rt. Ibensowcn.g war
das Befinden der Operierten s * • 1 ’ j e T1 1 \ oder oheMix It '"ilinst.
(iieicliw oh| zwang die Beschaffenhe.t des l’.ih.s, e . ir e w i r k I . c b e
Digitized b"
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1715
Schädigung des Herzens selbst einzunehmen. Wir wissen
aus einer Reihe von genauen, durch Autopsie bestätigten Beob¬
achtungen, dass es namentlich die Erkrankungen des Septum der
Vorhöfe sind, welche zu solcher verlangsamten, unregelmässigen
Herzaktion führten. Auch die vorliegende Beobachtung weist auf
eine Schädigung dieses Teils des Herzens hin. Theoretisch ist sie auf
folgende Weise möglich: Die Frau war sehr robust und vollsaftig.
Die Operation wurde mit vorgängiger Ligatur der Spermatica und
Uierinae ohne jeden Blutverlust ausgeführt. Sie fand statt in steiler
Beckenhochlagerung. Auch nach der Operation wurde die Ope¬
rierte in, wenn auch weniger steiler, Beckenhochlagerung belassen,
wie dies bei mir grundsätzlich zur Prophylaxe von Thrombosen in
den Beckenvenen geschieht.
Wenn man alle diese Umstände berücksichtigt, so muss man es
für möglich halten, dass bei der vollsaftigen,durch keinen Blutver¬
lust gecshwächten Frau, deren Gefässintiendruck durch die peri¬
toneale Infusion von 1 Liter Kochsalzlösung nach der Operation noch
gesteigert wurde, infolge der Beckenhochlagerung bei und nach der
Operation ein so starker venöser Zufluss zu dem rechten Vorhof statt¬
fand, dass dadurch eine Ueberdehnung dieses Vorhofs, eine Schädi¬
gung des Septum und somit Bradykardie und Arhythmie hervorge¬
rufen wurde. Die eingehendsten Erwägungen über diesen Fall und
das Fehlen jeder anderen Erklärung für das Auftreten der ge¬
schilderten Herzsymptome lassen mich in der Tat die gegebene Er¬
klärung für zutreffend halten. Auch in dem. nach 8 Tagen spontan
zur Norm zurückkehrenden Verlauf bin ich geneigt, eine Bestätigung
der Annahme zu sehen, dass es sich um eine reparabele
traumatische Schädigung des Septum atriorum
gehandelt hat. Es ist selbstverständlich, dass der Beweis für
die Richtigkeit dieser Annahme mit mathematischer Sicherheit nicht
erbracht werden kann. Jedenfalls aber fordert die mit-
g,e teilte Beobachtung dazu auf, mit der steilen
Beckenhochlagerung bei solchen vollsaftigen Individuen
vorsichtig zu sein, namentlich aber mit der.längere
Zeit nach der Operation fortgesetzten Becken¬
hochlagerung, wie dieselbe von mir zur Prophy¬
laxe der Embolie nach gynäkologischen Ope¬
rationen empfohlen wurde.
Der entfernte, myomatöse Uterus mit zugehöriger Pulstem¬
peraturkurve wird vorgezeigt. Im Anschluss daran wird vom Vor¬
tragenden weiter demonstriert:
1. Kindskopfgrosses links vorn vom Uterus ausgehendes voll¬
kommen extraperitoneal zwischen Uterus und Blase entwickeltes
Myomi durch Laparotomie bei einer 51 jährigen Frau ent¬
fernt. f Die Geschwulst wuchs nach eingetretenem
Klimakterium weiter und veranlasste die heftigsten Blasen¬
beschwerden. Der, Uterus wurde erhalten. Ursache des im
Klimakterium fortschreitenden Wachstums: Schleimige Ent¬
artung des Myom in seinen peripheren Teilen. Heilung.
2. Hühuereigrosfes submuköses Myom mit zugehörigem Uterus.
Das unter Wehentätigkeit und sehr profusen Blutungen mit
seinem unteren Pol bis in das Orificium externum geborene
Myom wird auf vaginalem Wege enukleiert.
Wegen anhaltender, durch keine Tamponade zu stillender Blutung
muss der Uterus 8 Stunden später total exstirpiert
werden. Dies geschieht, um jeden weiteren Blutverlust zu verhüten,
bei dem unbeweglichen Organ durch Laparotomie. Als Ursache der
nach Enukleation des Myoms anhaltenden Blutungen ergaben sich
multiple erbsen- bis kirschgrosse kleine Myome im Geschwulstbett,
die schon vor der Totalexstirpation nachgewiesen waren, sich aber
in ihrer enormen Multiplizität nicht entfernen Hessen. Heilung.
3. Uterus mit apfelgrossem submukösem Myom von einer
33 jährigen Frau, das beinahe zum Verblutungstod geführt hatte.
Wegen der hochgradigen Anämie zum Sparen jedes Tropfen Blutes
supravaginale Amputation. Heilung.
4. Uterus mit grossem Sarkom von der Innenfläche
der linken Korpusseile ausgehend, welches unter
dem Bilde eines verjauchten Myoms in Erscheinung
trat.
Die 56 jährige, gesund aussehende Frau erkrankt nach 5 jährigem
Klimakterium unter heftigen Wehenschmerzen an enormen Blutungen.
Ausfluss oder blutiger Abgang hatte vorher nicht bestanden. Der
Hausarzt sendet die aesgeblutete Frau mit der Diagnose: In die
Scheide geborenes gangränöses Myom. Man findet einen bis in
den Introitus herabragenden, aus dem weit eröffneten Uterus kom¬
menden, faulig zerfallenen, aashaft stinkenden Tumor. Derselbe
wird mit der Hand in Stücken entfernt. Er ist so zerfallen, dass
es einer instrumenteilen Nachhilfe nicht bedarf. Im ganzen handelte
es sich um eine gut doppeltfaustgrosse Geschwulst. Es bleibt eine
flache, gesund sich anfühlende, rauhe Erhabenheit zurück. Man
fürchtet, durch eine Beseitigung auch dieser geringen Reste bei der
fieberfreien Kranken Eingangspforten für infektiöse Vorgänge von
dem stinkenden Uterusinhalt aus zu schaffen. Da ein verjauch-.es
Myom angen >mmen wurde, konnte n.an seine nichtveriauckten Reste
unbedenklich im Uterus lassen. Am Schluss br Operation hatte
man eitlen 7 offenstehenden Uterus, dessen Inncnilä :'ie- überall ent
glatter Schleimhaut ausgekleidet war. Links hinten im Korpus war
eine im kontrahierten Zustand talergrosse raune Stelle, das 'ver¬
meintliche Myombett mit kleinen Myomresten. Jodolormgazetampon
in den Uterus. Reaktionsloser Verlauf. Nach 12 Tagen wird ‘die
Patientin mit gut zurückgebildetem Uterus ohne Ausfluss und Blutung
scheinbar gesund in vollem Wohlbefinden entlassen. Nach 6 Wochen
erscheint die Kranke wieder mit der Angabe ihres Arztes, dass
ein neuer Polyp aus dem Uterus herabgetreten sei. In der Tat
findet man einen aus lockerem Geschwulstgewebe und Blutkoagulis
zusammengesetzten, mehr als hühnereigrossen, von der alten Ge¬
schwulststelle ausgehenden, neuen Tumor, der zum Teil in die Scheide
geboren und ebenfalls verjaucht ist. Es wird sofort entfernt und
seine Basis mit dem scharfen Löffel ausgeschabt. Hierdurch gewinnt
man frisches Gewebe, aus welchem die Struktur der Neubildung zu
erkennen ist. was bei der zuerst entfernten, als Myom gedculeten
Geschwulst wegen der fortgeschrittenen Fäulnis nicht möglich ge¬
wesen war. Der bei der Beseitigung der zweiten Geschwulst als¬
bald ausgesprochene Verdacht auf Sarkom wird durch das Mikro¬
skop bestätigt. (Grosszelliges Rundzellensarkom.) Im Anschluss an
die Ausschabung Abendtemperaturen bis 38,5. Um einen sicheren
Schutz gegeii den infektiösen Uterusinhalt zu gewinnen und um jede
Blutung bei der aufs äusserste ausgebluteten Patientin zu vermeiden,
wird der vergrösserte matsche Uterus nach vorgängiger gründlicher
desinfizierender Ausspülung, sorgfältiger Vernähung des Mutter¬
mundes und Umschneidung des Scheidengewölbes durch Laparotomie
entfernt. Dabei reisst die teilweise von oben ausgelöste Zervix quer
ein. Nach sorgfältiger Umpolsterung wird das Korpus völlig abge¬
tragen und die Zervix für sich herausgenommen. So weit man den
Vorgang beobachten konnte, war nichts von dem Uterusinhalt mit
der Bauchhöhle und Bindegewebswunde in Berührung gekommen.
Daher typische Naht des Beckenperifoneum. Das Scheidengewölbe
. bleibt offen. Der retroperitoneale Bindegewebsraum wird mit Jodo¬
formgaze nach der Scheide drainiert. Von einer Drainage der Bauch-
, höhle wird Abstand genommen. Die Operierte übersteht den Ein¬
griff sehr gut. Zunächst glatter Verlauf bei vollkommen normalem
Verhalten von Puls und Temperatur und ungestörtem Allgemein¬
befinden. Der von Anfang an funktionierende Darm wird träg. Bis
zum 7. Tag entwickelt sich ein paralytischer Ileus bei immer noch
normaler Temperatur und gutem Puls von 75—80. Es wird rechts
unten ein abgesacktes Exsudat nachgewiesen, das aus dem kleinen
Becken in die Höhe kommt. Breite Eröffnung des unteren Ab¬
schnittes der Bauchdeckenwunde. Es entleert sich ein ziemlich
reichliches, trübes, übelriechendes Exsudat. Vorsichtige Ausspülung
mit Borlösung unter minimalem Druck. Drainage. Sofort kommt die
Darmtätigkeit gut in Gang. Man glaubt die Kranke gerettet, jedoch
entwickelt sich eine sekundäre Infektion der Bauchdeckenwunde,
w'elche breit offen gehalten wurde. Dieser vermochte die hoch¬
gradig ausgeblutete schwache Frau nicht mehr zu widerstehen. Unter
Temperaturen bis zu 38,4 geht sie nach weiteren 5 Tagen an rasch
zunehmender Herzinsuffizienz toxisch zu gründe.
Epikritisch sind 2 Punkte hervorzuheben: 1. Es
handelte sich nicht um ein primäres Sarkom, son¬
dern um ein sarkomatös entartetes Myom. Dafür
spricht die Grösse der Geschwulst, das Fehlen von Ausfluss und
Blutung vor der unter Wehenschmerzen erfolgenden Ausstossung in
die Scheide, sowie der flache Uebergang der Neubildung in die
eigentliche Uteruswand.
2. Es war ein Fehler, die Bauchhöhle nicht zu
drainieren. Obwohl prinzipieller Anhänger der Drainage in
allen unsauberen oder verdächtigen Fällen, habe ich in diesem Falle
dieselbe aus folgenden Gründen unterlassen: Ich glaubte sicher zu
sein, dass eine Verunreinigung der Bauchhöhle vermieden sei. Selbst
wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, konnte es sich nur um
i Hineingelangen minimaler, wenig virulenter, weil putrider Stoffe
handeln. Eine Wunde oder eine sonstige Schädigung des Bauch¬
fells blieb nicht zurück. Unter diesen Umständen glaubte ich die
Bauchhöhle schliessen zu können ohne zu drainieren. Dass dieses
j Vorgehen falsch war, lehrt der Ausgang. Es unterliegt für mich
i keinem Zweifel, das die Kranke mit sachgemässer Drainage ohne
! iede Störung genesen wäre. Man soll demnach in solchen zweifel¬
haften Eällen lieber einmal zu viel als zu wenig drainieren. denn
ein Unterlassen der Drainage bedeutet hier das
Geschick eines Menschenlebens dem blinden Zu¬
fall anheim geben! Dies möchte ich gegenüber den Gegnern
der Drainage besonders hervorheben.
Herr Bingel: Beitrag zur Aetiologie der sog. ortho-
tischen Albuminurie.
In der Münch, med. Wochenschr. No. 1, 1908 veröffent¬
lichte J e h 1 e aus der Escherisch sehen Kinderklinik
Untersuchungen an Patienten mit sog. orthotischer Albuminurie.
Es gelang J e h 1 e, für seine Fälle eine besondere Aetiologie der
Eiweissausscheidung, nämlich eine lordotische Haltung
der Lendenwirbelsäule nachzuweisen. Die Befunde Jehles
wurden auf der medizinischen Klinik des städt. Krankenhauses
dner‘ Nachprüfung unterzogen und vollauf bestätigt. Bei
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1716
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
* No. .1?.
den seit der Veröffentlichung J e h I e s beobachteten Fällen von
sog. orthotfscher Albuminurie konnte festgestellt werden, dass
die* Eiweissausscheidung auftritt, sobald die Wirbelsäule lor-
dcitisch gekrümmt wird, ganz gleichgültig, ob der Pat. im
Bette lag, stand oder umher ging. Die Eiw eissaiisscheidung
trat nicht auf, wenn eine kyphotische Haltung eingenommen
wurde, trotzdem die Pat. in dieser Haltung standen, gingen oder
auch stärkere Bewegungen machten, z. B. H Stunde lang
Velotrab traten. Ebenso w ie J e h 1 c nimmt der Vortragende
an, dass durch die Lordose bedingte Zirkulationsstörungen die
Eiweissausscheidung hervor rufen. Die Therapie hat sich da¬
her gegen die Lordose zu richten. Die Konstruktion eines ent¬
sprechenden Korsetts befindet sich in Vorbereitung.
Diskussion: Herr Sch m i e d i c k e: lm < Jegensatz zu dem
von Herrn Bingel erwähnten negativen Ergebnis der Versuche bei
Erwachsenen, durch künstliche Lordosestellung vorübergehend Al¬
buminurie zu erzeugen, kann ich über 2 Fälle* berichten, bei denen
dies gelang. Es handelte sich um 2 Soldaten. 21 und 22 Jahre alt.
welche nur bei bestimmten, mit länger — 2U-25 Minuten an¬
haltender Lordosestellung verbundenen Uebungen vorübergehend
Albuminurie zeigten. Für uns Militärärzte ist diese Erfahrung sehr
wichtig wegen der eventuellen Begutachtung der weiteren Dienst¬
fähigkeit.
Herr Lüthje: Meine Herren! Die Beobachtungen von .1 e h I e
und die Bestätigung dieser Beobachtungen, die sich in unseren dies¬
bezüglichen Versuchen ergaben, werden vielleicht Veranlassung
geben, in den therapeutischen Massnahmen gegenüber der ortlio-
tischen Albuminurie etwas weniger rigoros zu verfahren, als das
bisher vielfach üblich war. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass
ein grosser 'Feil der Fälle, vielleicht alle, ätiologisch zuriickzuiuhren
sind auf leichte architektonische Anomalien im Körperbau, wie sie
irn jugendlichen Alter häufig vorzukommen scheinen. Es erscheint
mir wahrscheinlich, dass, wenn auch in letzter Linie die Lordose
als auslösendes Moment für die orthotische Albuminurie in Betracht
kommt, die unmittelbare Ursache doch die bei der lordotischen Hal¬
tung entstehenden leichten Zirkulationsstörungen sind. Wir wissen
ja aus den klinischen Beobachtungen und dem Tierexperiment. wie
ungemein leicht nach den minimalsten künstlich erzeugten Zirku¬
lationsstörungen Albuminurie und Zylindrurie auftreten. Wir wissen
aber ebenso sicher, dass die durch solche Zirkulationsstörungen her¬
vorgerufenen funktionellen Schädigungen der Niere ebenso schnell
wieder, aufhören nach Beseitigung der veranlassenden Ursache.-
Ich glaube in der Tat, wir haben kein Recht jugendliche Pa¬
tienten mit orthotischer Albuminurie wie Nephritiker zu behandeln,
sie zu Sklaven ihrer Diät und ihrer Lebensweise zu machen, und
zw'ar einmal deshalb nicht, weil die nosologische Stellung der ortho-
tischen Albuminurie keinesw egs sicher ist, vielmehr heute alles dafür
spricht, dass es sich um durchaus vorübergehende Zustände handelt,
auf der anderen Seite aber deshalb, weil unsere rigorosen, öfter so
ausserordentlich schematisch gehandhabten Vorschriften der Ne¬
phritistherapie z. T. wenigstens von äusserst problematischem Wert
sind.
Ich möchte daher raten, in allen Fällen von orthotischer Al¬
buminurie die Therapie etwas weniger zwangvoll zu gestalten, vor
allen Dingen auch hinsichtlich der diätetischen Vorschriften. Es ist
vollkommen ausreichend sich mit denjenigen diätetischen Vorschriften
zu begnügen, wie sie überhaupt die Hygiene des jugendlichen Alters
gebietet. Im Uebrigen aber soll man die betreffenden Patienten
sich frei bewegen lassen, vielleicht unter der öfter wiederholten
Mahnung, alle forciert lordotischen Stellungen zu unterlassen. Event,
wird man auch daran denken können, die von Haus aus vorhandene
übermässige lordotische Haltung der Wirbelsäule durch systemati¬
sche Schulung auszugleichen, resp. ein korrigierendes Korsett in An¬
wendung zu bringen.
Herr Sippe I: Jehl e hält es in seiner Arbeit für möglich,
dass auch die S c h w a n g e r s c h a f t s a I b ti m i n u r i e eine lor¬
dotische sein könne, da die Schwangeren ja in vorgerückter Zeit in
lordotischer Haltung stehen und gehen. Ob diese Entstelnmgsweise
zutrifft, will ich hier nicht entscheiden. Bezüglich des einzmielimen-
den therapeutischen Standpunktes gegenüber der lordotischen Al¬
buminurie wird es ausschlaggebend sein, ob durch die anhaltende
oder immer wiederkehrende Zirkulationsstörung, welche bei Lordose
die Eiweissausscheidung hervorruft, schliesslich wirkliche Erkran¬
kungen der Niere herbcigefiihrt werden können oder ob es ständig
bei unschuldigen funktionellen Störungen bleibt. .1 e n a c h d e m d i e
in dieser Richtung a n z us t e 1 I c n d e sorgfältige Be¬
obachtung das eine oder a n d e r e e r g i b t. w i r d die
Therapie eine aktive oder z u w a r t e n d e i n Z u k ti n f t
zu sein habe n.
Herr Heichelheim erwähnt seine vor mehreren Jahren
vorgenommenen eingehenden klinischen Untersuchungen in dieser
Frage, wobei er in einer grösseren Reihe von Füllen neben zxklisch
auftretender grosser Eiweissausscheidung zahlreiche l'ormelcmente
fand. Auf Eirund seiner chemischen und mikroskopischen Duter-
■oichungen des Urins und sphygmographischen Aufnahmen am (iefäss-
system bei solchen Kranken mochte er nicht iur alle 1 aiie eine
einheitliche Ursache zu gründe legen und ganz besonders diese
Form der Albuminurie von der Nephritis trennen.
Herr Sippel: Um Missx erstarulmssen vorzubeugen bemerke
ich. dass eine eventuelle aktixe Therapie, von der ich sprach, g e t e n
die Lordose zu richten xxare als gegen den ex entliehen Aus¬
gangspunkt der Erkrankung. Die Austuhrungen x<ui Herrn Lut h je
werden durch meine Bemerkungen nicht berührt.
Herr H. Vogt: Gegenwärtiger Stand der Lehre von der
Idiotie.
Vortr. geht ans von der Tatsache, dass eine nähere Durch¬
forschung der idiotischen Zustände eine ungemeine Reich¬
haltigkeit von K ruhkheitszustüiukn, die sich unter diesem
Sammelbegriff verbergen, zu Lage fordert. Die Idiotien sind
weder durch die Gleichartigkeit des S\mpiomenbiMes. m»Ji
durch die Gleichartigkeit der Vorlauter - es gibt akute
Formen. noch durch übereinstimmende Aeliofogic gekenn¬
zeichnet. Vortr. erörtert die eigenartigen klinisch-psycho¬
logischen Symptomctikomplcxe. bespricht die Anforderungen
für eine Bearbeitung der Zustande midi dieser Seite und kommt
schliesslich auf die pathologisch-anatomischen Fragestellungen.
Auch liier ergaben sieb eigenartige Verhältnisse: Alle
idiotischen* Zustände sind im weiteren Sinne Fntw icklungs-
krankheiten des Gehirns. Sie smd Inst« logisch charakterisiert
durch zwei Momente, einmal das der Fntw icklungsluitmumg.
ferner das jener eigenartigen morphoh g.sJnu Rcaktions-
weise des unreifen (fötalen und kindlichen) Hirngewebes
gegenüber einem pathologischen Reiz. So ergaben mJi patho-
logisch-histologisch ganz eigenartige Pikkr. d:c nicht nur iur
die Erkenntnis der Krankhcits/ustai.dc selbst, s< ndern auch für
unsere allgemein anatomischen Anschauungen von Bedeutung
sind. Die Erkenntnis dieser Zustande hat Fortschritte erst zu
verzeichnen, seitdem die w issciischuilli Jic Medizin sich dieser
Zustände aummmt: sie geboren m den ür/tbclicn Wirkungs¬
kreis! Vortr. bespricht nur die einzelnen Typen, die bislang
die Erforschung abzuglenzen vermocht hat: zunächst die
familiäre amaurotische Idiotie, dann die Idi *1 1 e
mit Scliädelverbildungeti; bei der Mikrozephalie betont
Vortr., wie sehr anatomisch und genetisch die Falle ver¬
schieden sind: es werden Belege iur die endogene Natur dieser
Erkrankung hcigcbracht (familiäre Mikrozephalie)); der Name
Mikrozephalie ist eine rem äusserliche. nichtssagende Bezeich¬
nung. Vortr. erörtert dann den psycludogisch-klmisdien Unter¬
schied zwischen Mikrozephalen und anderen Formen, schliess¬
lich die klinischen Symptome der Hydrozephalie. Bei
der T u r m s c h ä d c I i d i o t i c fallt die \ erhmdung mit
Optikuserkrankm gen auf. Vortr. geht dann auf die Sb ff-
w echselpathoh gie ein. den K r e t i n i s in a s und verwandte
Zustände. Bei Erörterung der Idiotie und Epilepsie
weilt Vortr. langer bei der tuberösen Sklerose,
jenem timiorarligcn Krankheitspro/ess. der wegen seiner Ver¬
bindung mit den Erkrankungen der inneren Organe nun auch
klinisch diagnosti/ierbar ist. Fs folgen M o n g o I i s m u s und
einige seltenere Formen: dnnidrodystrop bische
Idiotie, Nanosomie etc. Zu allen Gruppen werden
epidiaskopisdi Krankentypen und eine grosse Zahl histo¬
logischer Präparate und ’lateln demonstriert.
Wissenschaftliche Vereinigung am städL Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 7. April l‘x»s.
Vorsitzender: Herr R e h n.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr Sch naud Igel: Leber Iridotomie und Schwarten¬
operation.
Der Vortragende erwähnt zunächst, dass die xo.äge \bschiies-
sung der vorderen Augeftkanimvr uacii M,tT'**l'erati-^n se teil gc-
w di den ist. da der Ibi.zenTsat/ der mgimstre \e:lautenden >tar-
operationen infolge der modernen J'edjiuk u::.| der \scpsis sdir
gering geworden ist. Dir Abschduss der \>r icun Kater- 4* k.i*'n
eunral erfolgen duich einen grossen Ir ist .n.ns rmt c"! ’ 1 v ; i.n
Prozessen. so dass nach Abklingen der Medurg die mdi r \.on c
zu straff g'-spannte Ins une buken'.-sc Memb r .m h «.< der o
bildet sich durch die lauew lerige Entzündung bei r:P ’c -.Vagcter
Iris eine mehr oder weniger dicke beim arte aus, du < • t’c-.mx er Be¬
handlung sehr Schwer zugangig ist und iit.rnet die k ix de Opera-
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11. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1717
teure gebildet hat. Es folgt die Schilderung der alten Verfahren,
die Methoden von Wecker, Manolescu, Kugel u. a.; speziell
hervorgehoben wird die traurige Statistik K u g e 1 s über 250 Fälle
aus dem Orient, wo die Schwartenbildung bei Aphakischen infolge
der primitiven, durch Laien ausgeübten, Staroperation sehr häufig ist.
Die - von Kugel angegebene Methode der Zerstückelung der Mem¬
bran mit nachfolgender Ausziehung der Membranfetzen, wobei durch
eine hinter der Iris eingeführte Nadel die Schwarte gestützt wird,
ist ein ziemlich gefährlicher Eingriff, bei dem Zerrungen auch nicht
zu vermeiden sind. Nun hat schon in den 70 er Jahren Krüger
eine Lochzange angegeben, die von L u e r konstruiert und als Em-
porte-piöce vertrieben worden ist; sie gibt gute Resultate, da sie dem
ersten Postulat der Operation genügt und ein Stück der Schwarte
aus dem Au&e entfernt. Aber sie ist ziemlich .plump und sperrt die
Wundränder bedrohlich. Schnaudigl hat durch die Firma Walb-
Heidelberg einen Schwartenlocher bauen lassen, der die Form der
Pince-ciseaux hat und leicht durch eine Lanzenwunde, die Hornhaut
und Schwarte durchtrennt, eingeführt werden kann. Bis jetzt sind
3 Fälle mit ausgezeichnetem Erfolg operiert. Ein vorgestellter Pa¬
tient hat durch eine chronische Iridozyklitis mit Starbildung das
rechte Auge verloren. Das Auge wurde von anderer Seite vor
7 Jahren nach oben iridektomiert, dann nach unten, dann liess man
die Extraktion folgen und macht no<^h einen Iridektomieversuch. Das
Auge wurde phthisisch. Das linke Auge erkrankte kurz darauf, wurde
iridektomiert und heilte mit totalem, schwartigen Pupillarverschluss
aus. Nach 5 jähriger Blindheit entschloss sich der Patient zu einer
Schwartenoperation, die mit dem Schwartenlocher ausgeführt wurde
und per primam heilte. Visus mit Korrektion 5 lu — 5 /io, feiner Druck
wird fliessend gelesen. Das Auge ist reizfrei und hat sich bis jetzt
seit 8 Monaten, sehtiiehtig gehalten. Der Vortragende demonstriert
das neue Instrument und mikroskopische Präparate, die über die
Natur der Schwarten Aufschluss geben.
Herr Propping berichtet über die Ergebnisse klinischer Un¬
tersuchungen über die Differenz zwischen Rektal- und Axillartempe¬
ratur und kommt zu folgenden Schlüssen:
1. Der grosse Temperaturunterschied zwischen Axilla und Rek¬
tum wird beim gesunden wie beim fiebernden durch niedrige Axillar-
temperatur hervorgerufen.
2. Die Axillartemperatur ist direkt proportional der Grosse der
Wärmebildung in den Muskeln, die Grösse der Temperaturdifferenz
ist also umgekehrt proportional der in den Muskeln stattfindenden
Wärmebildung.
Herr v. jVLettenhelmer: Ucker Alkaptonurie.
Bericht über den Stand unserer heutigen Kenntnis dieser sel¬
tenen Stoffwechselanomalie im Anschluss an Beobachtungen bei
6 Kindern mit Alkaptonurie.
Diskussion: Herr B i n g e 1 erzählt einen von Prof. Lüthje
beobachteten Fall eines 9 jährigen Mädchens mit chronischem
Ekzem, das grosse Temperaturunterschiede zwischen Rektum und
Achselhöhle zeigte. Diese Unterschiede wurden bei körperlichen Be¬
wegungen noch stärker. Zur Erklärung des Phänomens wurde eine
Störung der Wärmeabgabe durch die Haut angenommen.
Herr Bing ei stellt vor: 1. den Pat. R., einen Fall von Myotonie
(T h o m s e n scher Krankheit) mit ausgedehnten Atrophien. Der Fall
ist von J. Hoffman n, Strümpell, Steiner t, Schultz e,
Mendel, Mannei, Hans Curschmann u. a. eingehend be¬
schrieben worden. Der Vortragende schliesst sich den Autoren an,
die in diesem Falle nicht eine Kombination von Myotonie mit einer
Form der Muskeldystrophien sehen, sondern eine Krankheit sui
generis, eine myatrophische Myotonia acquisita.
2. Ein 24 jähr. Mädchen mit periodischer Okulomotoriuslähmung,
die unter heftigem, halbseitigem Kopfschmerz, Schwindejgefühl und
Erbrechen sich entwickelt hatte, seit mehreren Wochen bestand und
sich langsam zurückbildete. Schon zweimal, im 8. und 14. Jahre hat
die Pat. die Erkrankung, die jedesmal einige Wochen gedauert hatte,
durchgemacht. Die begleitenden hemikranieartigen Erscheinungen
sprechen für eine Verwandtschaft mit dieser Krankheit.
3. Einen Fall von linksseitiger Sympathikuslähmung und rechts¬
seitiger Sympathikusreizung, hervorgerufen wahrscheinlich durch
Druck eines Struma.
Medizinische Gesellschaft in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 19. Juni 1908 in der chirurgischen Klinik.
Herr Anschütz demonstriert zunächst einige interessante
Fälle von Knochentumoren:
1. Knochenzyste des linken Humerus (Ostitis fibrosa).
13 jähriger gesunder Junge. Vor 5 Jahren Fractura humeri, Fall
auf den Arm. Volle Heilung. Vor IM» Jahren neue Fraktur an gleicher
Stelle. Glatte Heilung innerhalb 4 Wochen. Eine leichte Schwellung
soll zurück geblieben sein. Vor Vs Jahr nach plötzlich heftigem Zug
beim Hängen am Reck Schmerzen und Schwellung an gleicher Stelle.
Der Arzt fand keine Fraktur, nur Verbiegung. Bei der Aufnahme am
4. XII. 07 zdgte das Röntgenbild das typische Bild einer Knochen¬
zyste im oberen Drittel des linken Humerus. Am Skelett sonst
keine Veränderungen (Röntgenbilder). Exzision eines Teiles der
Knochenwand und Auskratzung der Höhle, die mit grauroten gelati¬
nösen Massen gefüllt war, in der kleine Knochenstückchen eingebettet
lagen. Die Wände grau und speckig. Inhalt der Höhle steril. Mikro¬
skopisch finden sich reichliche Bindegewebszüge, Knorpelzellen¬
konglomerate, vereinzelte Riesenzellen, viel Hämosiderinpigment,
auch in den Riesenzellen. Jetzt nach einem halben Jahre hatte die
Dichtigkeit der Knochen erheblich zugenommen. Die Kompakta ist
viel fester geworden.
Der Krankheitsprozes ist als eine Ostitis deformans fibrosa
localisata aufzufassen; ein Krankheitsbild, welches mit der von
v. Recklinghausen beschriebenen Ostitis deformans fibrosa
generalisata und wohl auch mit der Pag et sehen Krankheit und den
Fällen von multiplen Riesenzellensarkombildungen in den Knochen
in engsten Beziehungen steht oder sogar nahezu identisch ist. Vor¬
tragender hat vier ausgesprochene Fälle dieser seltenen Krankheit
gesehen. Bei einem anderen Falle, bei dem man zuerst auch glaubte,
eine lokalisierte Erkrankung vor sich zu haben, zeigten sich im Laufe
der Jahre an anderen Stellen noch weitere Krankheitsherde. Es wird
auch in diesem Falle genau weiter beobachtet werden. Bemerkens¬
wert ist auch hier wieder der anscheinend traumatische Beginn des
Leidens in so kindlichem Alter, vorauf v. Mikulicz besonders
hingewiesen hat. Die Fraktur wird aber in diesem Falle wottl als
Folge der Knochenveränderungen anzusehen sein. Der Befund von
Knorpelzellennestern ist von hohem Interesse, er hat früher zu
manchen Missdeutungen des Krankheitsbildes Anlass gegeben. Der
Fall scheint einen gutartigen Verlauf zu nehmen.
2. Multiple Enchondrome in Femur und Tibia bei einem gesunden
9 jährigen Mädchen.
Vor 3 Jahren nach Stoss Schwellung am rechten Schienenbein.
Vor 2 Jahren Fraktur des rechten Femur im unteren Drittel. Feste
Heilung mit Verkürzung von 10 cm. Das Röntgenbild zeigt im unteren
Drittel des Femur an der Bruchstelle hochgradige Verbiegung nach
innen und Auftreibung. Kompakta stellenweise stark verdickt, stellen¬
weise vermindert. Die Markhöhle von Knochenleisten und unklaren
Knochenschatten durchsetzt, daneben kleine rundliche scharfe
Schatten, welche die Grösse und Form von Hühnerschrot zeigen.
Dieser Prozess hat Ausdehnung und Grösse eines Hühnereies. Ein
zweiter Herd im mittleren Drittel des gleichen Knochen walnussgross,
leichte Auftreibung. Hier wiederum eine Gruppe von 8—10 der
gleichen scharf kugeligen Schatten. Ein dritter Herd im oberen
Drittel der rechten Tibia und ein vierter im unteren Drittel nahe dem
Fussgelenk von> gleicher Beschaffenheit. Das sonstige Skelett frei.
Die Herde wurden in mehreren Sitzungen durch Auskratzung und
Ausmeisselung entfernt. Mikroskopische Untersuchung zeigt: Kon¬
glomerate regelmässig gebauter, typischer, hyaliner Knorpelzellen,
Knochensubstanz in der Umgebung nur wenig rarefiziert, nirgends
Bindegewebszüge, jedenfalls ein von der Ostitrs fibrosa ganz ab¬
weichendes Bild. Nur die Frakturstelle am Oberschenkel zeigte im
Röntgenbild einige grössere Hohlräume, die den Verdacht auf Ostitis
fibrosa hätten erwecken können.
3. Sarkom der Fibula näch Fractura malleoli.
Dezember 1907 Fractura malleoli, Schwellung. Nach 3 Wochen
heftige Schmerzen im Gipsverband. Bei der Abnahme halbapfel¬
sinengrosser halbkugeliger Tumor. Die Punktion ergab reines Blut.
Bei der Aufnahme im Juni 1908 Grösse angeblich unverändert. Die
Probeinzision ergibt Sarkomgewebe. Im Röntgenbild reichliche
periostale Knochenbildung, Zerstörung des Knochens. Tumor gut
abgekapselt. Resektion des unteren Drittels der Fibula. Der
Malleolus ist ganz durchsetzt von weichem Gew r ebe, nirgends Ver¬
härtung des Knochens. Der dem Gelenk zu gelegene Knorpel ist zum
Teil zerstört. Es liegen zwischen Konstatierung des Tumors durch
den Arzt und Unfall 3 Wochen, eine für die traumatische Entstehung
des Tumors recht kurze Frist. In einem anderen Falle konnte aus
der Eburnisierung des das Sarkom umgebenden Knochens ge¬
schlossen werden, dass der Tumor schon vor dem Trauma bestanden
haben muss. Hier, wo das Gewebe rings erweicht ist, ist der Zu¬
sammenhang zwischen Sarkom und Unfall weniger unwahrscheinlich,
w r enn auch die Möglichkeit, dass die Fraktur bereits eine spontane
war, zugegeben werden muss.
4. Lieber palliative Trepanationen bei Hirntumoren oder Hirn¬
drucksteigerungen unbekannten Ursprungs.
Demonstration eines Falles, bei welchem w'egen Verdacht auf
Tumor im rechten Okzipitallappen trepaniert und, da der Tumor nicht
gefunden, durch Entfernung des Knochens eine dauernde Druckent¬
lastung herbeigeführt wurde.
30 jähriger Patient, der seit einem halben Jahr heftige Kopf¬
schmerzen hatte; einige Male Erbrechen und Verminderung der Seh¬
kraft, Abnahme der geistigen Funktionen. Es fand sich eine aus¬
gesprochene linksseitige Hemianopsie und Stauungspapille beiderseits.
Pupillenreaktion vorhanden. Störung rechts im Geruchssinn. Am
linken Fussriicken und der Planta eine kleine Zone herabgesetzter
Schmerzempfindung. Linke obere Extremität Tastlähmung. Störung
der Lageempfindung. Luetische Infektion wahrscheinlich. Serum¬
reaktion negativ. Quecksilber und Jodkalikur ohne Erfolg. Der Herd
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Original fro-m
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1718
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. oJ
wurde im Kuncus oder Präkimeus vermutet. Bei der Operation
wurden diese Rindenpartien breit freigelegt, kein pathologischer Be¬
fund. Nach Entfernung des Knochens und der Dura Miutnaht. Schon
8 Tage nach der Operation war die Störung im Tastsinn verschw lin¬
den, Lageempfindung noch gestört. Wesentliche Besserung: des (ic-
sichtsteld’es, Verschwinden der Stauungspapille. Zurzeit ist die
Hemianopsie noch deutlich. (ieriuge Optikusatrophie. Hemianopische
Pupillenreaktion. In den d Monaten nach der Operation hat sicli eine
etwa fauste rosse Hirnhernie gebildet.
Es muss zweifelhaft erscheinen, ob in diesem Ealle wirklich ein
Tumor dem Krankheitsbilde zu (irunde liegt. Möglicherweise handelt
es sich doch um eine Lues cerebri, die aui die gewöhnliche Therapie
nicht reagierte. Pur Palte unklaren Ursprungs der Hirndruckerschei-
nungen, wie sie jetzt immer häufiger beschrieben werden, empfiehlt
der Vortravter.de die Druckentlastunvt, w ie sie von H e r I e v.
S ä n g e r, C u s h i n n u. a. ausgcfiihrt worden ist. Man soll gerade
in den zweifelhaften Eällen, wo die Diagnose Lues, Tumor, livdro-
cephalus internus etc. nicht präzisiert werden kann, früher openeien
als bisher, um nicht irreparable Sehstorimgen entstehen zu lassen.
Man sollte überhaupt der Druckentlastung ein immer weiteres l eid
einräumen, auch bei akuten Prozessen, 'Traumen, Meningitis etc. Aui
ürund von persönlichen Eriahrunvten wird darauf hmgew lesen, dass
auch kleine, gut operable 'Tumoren unerwartet schnell zu tödlichen
Hirndrucksymptomen führen können. Er drängt sic.li bei diesen
kleinen Tumoren, bei denen der Hirndruck das Leben des Patienten
vernichtet, der Vergleich mit den kleinen. gut operablen szirrhösen
Dickdarmkarzinomen auf, bei welchen gar nicht seiten der Ileus zu
laschem Tode führt. Ileus wie Hirndruck sind so veihängmsvolle
Krankheitszustände, dass sie allein ein energisches chirurgisches Ein¬
greifen erfordern, dort die Entlastung des Darms, hier die Entlastung
des üehirns.
5. lieber plastischen Verschluss von Schädeldefekten.
Der Vortragende berichtet über seine guten Erinlge, die er mit
der von 0 a r r e angegebenen (fälschlich I) u raut e zugeschriebenen)
Methode der Schädelplastik vermittels der Periostknochciilappciiv cr-
schiebung erzielt hat. Es w ird der Defekt nach einer Inzision m der
alten Narbe oder mit Hautlappenbildimg freigelegt. Nach sorg¬
fältigem Abpräparieren der das Ptriosi bedeckenden Teile wird m
näherer oder fernerer Nachbarschaft des Defektes ein gestieltes Stuck
Periost, das etwas grösser sein muss als der Peiekt, umsciinitteii und
mit einem geraden Meissei unter vorsichtigen Schlägen mit einem
kleinen Teil der Lamina externa zusammen allgetragen. Durch
Drehung an dem Stiel, den man ziemlich lang bilden kann, gelingt es
überraschend leicht, den Schädekletekt mit dem Periostknochen¬
lappen zu bedecken. Mit einigen feinen Seidennähten wild der Lappen
an den narbigen Rändern des Periostes, welches den Defekt umgibt,
befestigt, die Haut wird darüber verschlossen. Bei grosseren De¬
fekten muss man event. mehrere solche Lappen bilden. Die Knochen-
stiickchen dienen nur dazu, die Knochenneubildung besser anzuregen.
Bei der Lösung der Weichteile vom Schädel muss man sich, speziell
in Eällen, wo ein Schädeltrauma früher stattgefunden hatte, vorsehen,
dass man nicht bei der Ablösung der (ialea zugleich das Periost ab-
rcisst. Die Methode hat in allen Eällen sicheren und bisher bleibenden
festen Verschluss gegeben, sie zeichnet sich aus durch ihre grosse
Einfachheit. In einem Lalle wurde sie, nachdem ein dckal/inicrtes
implantiertes Knochenstück resorbiert worden war, mit gutem Er¬
folge angewendet. Da man bei den verschiedenen Krankheiten, die
mit Hirndruck einhergehen, mit der Oeffnung des Schädels immer frei¬
gebiger werden sollte, so ist es angenehm, eine so einfache und zu¬
verlässige Methode zum event. Verschluss derartiger Lücken zu
besitzen.
Herr Baum stellt einen Eall von schwerer Aktinomykose der
Brustwand mit Beteiligung von Lunge und Zwerchfell vor, der nach
ausgedehnter Resektion von Rippen und Zwerchfell zur Heilung ge¬
kommen. Ausgangspunkt der Erkrankung wahrscheinlich Oesophagus.
Eerner ward ein junger Mann mit diffusen ßronchiektasieii
des linken Lungenunterlappens demonstriert, bei dem durch eine
grosse Thorakoplastik nach Schede eine Schrumpfung der er¬
weiterten Bronchialäste erzielt wurde. Die Sputiimmenge ging von
ö f H) auf lüü ccm pro die herab, das (jewicht nahm um Jo Pfund zu.
Herr Käppis demonstriert das Präparat einer Patientin, die an
Ileus peptlcum oesophagl und Sauduhrmagen infolge l lcusnai De ge¬
litten hatte, zu denen als schwerw iegende Komplikation ein äusserst
schwerer und langwieriger O e s o p h a g o s p a s m u s und P y 1 o r o-
s p a s m u s hinzugetreten waren. Die Patientin w ar trotz viermaliger
Operation ((iastrostomie, (iastroenterostomie, Enteroanastomose,
.leiucostomie) ad e.xitum gekommen.
Im Anschluss hieran wird eine Patientin mit Narbenstenosen des
Oesoj iiagus und Pylorus durch Salzsüiireät/.uiig, bei der eine gleich¬
zeitig angelegte (iastrostomie und (iastroenterostomie sehr guten
Erfolg gehabt hatte, und eine Patientin mit Sanduhrmagen durch
Llcusnarbe und motorischer Insuffizienz des Pylnriisteils vorgestellt,
bei der durch eine (iastro-tiastrostomie und (iastroenterostomie fast
\o!'iges. Verschwinden der vorher sehr bedeutenden Beschwerden
cizied worden war.
Herr Zoepprltz demopstr.e; t c.ncn 1 ad \ <m Arthropathla
tabica pedis. Diese Diagnose ist iet/t angesichts des attsgespr««cherum
Schlottergelenks und der auf die l mgebung des l ussge enks be¬
schränkten Schwellung leicht zu steilen. Anders bei der Aumuhme
des Kranken m die Kiimk, wo die l nterMichung hegendes ergab: Ln
Januar zog sich Patient, angeblich mfo.ge v<m suidJaiä, tu ne
kleine Wunde im unteren Drittel Oes r. I ntcrsvhcnkc s zu. die ircht
heilen Wollte. Nach Zirkiimzisioii des I icsvhw ars liebte Jussc be ludi
mehrriioiiathclier Behandlung aus. Obgleich e ne ge:.tue >chvv e urg
in der l mgebung der Narben dauernd vorhanden war, g ng Pat ent
seiner Arbeit nach, bis J Inge V or der Aufnahme :n d e K ..mR ganz
plötzlich unter geringen Schmerzen die Sdnv e.amg des Beines stark
zunalim.
Bei der Aufnahme: Starke Sv hw e^iirrg im untueri Dritte! des
r Luter v clte : nkels. besonders ist die Pait.c /w isvheii den beiden
Zirkiim/isionsuarben beu'enlonmg v i<r K e tr.ebe n und fiuktn.e: e nd,
E'ussgelenk und Eussr licken suui etwas vv eitigei gesv iiwd'oi. (ie ringe
Selinier/Iiaftigkeit. Temperatur do.JP.it.e iit ist zu 1 uss m Je
Klinik gekommen.
Enter Berücksichtigung der Au eure sc. vier 'Temperatu* und de s
Befundes wurde na t ui gemäss eine cht ■ ii.sv’ ie 1 nl/noduug ar gern-•Mi¬
nien und eine Inzision in die beulei'lorrmge \ ftie l ang /w .Sviien den
leiden Narben gemaeht: kein E.tei. nur o.len.atoses (iiwc’c. Das
Rontgeubild vom unteren Drittel des 1 ater'd oiki s erg.bt rm.be
\ ei liaitllisse.
1-4 Tage nach der Aufnahme SvhwmJct mnc-ha'b 24 Stunden
ehe Schwellung des l nter Schenkels last ganz. d:c Svi:w e "artig in der
l mgebung des Tussgebeiikes geht etwas znriivk und !'e: der l nter-
suchnrig lasst sich nun ein SvJ.lottern des I ussgereiikes ttsjste .'eit.
letzt vom I'iisse aufgeinm.ttieiie Röntgen!*.! der er K e bell eme vo ue
Zertrümmerung eles I a ; us, dessen Mas ultt. das Os tuvioi re er¬
scheint wie bi eitgeili Uckt, die /eiviMinig des Ka'katieiis ist ver-
selivv ommen.
Die nun vorgcnoinmetic Nerv enuntersuv innig Mel’t eias gen
einer Tabes dois.bis, die sich wohl Modi mt i>: aatakt.sv hert Madam
Iietmeiet, fest.
Das Interessante au dem lall liegt daun. dass zu-achst nichts
auf die schwere /.erstoruug der Eussvv urzc knoenen hmvo.ev Der
Mt/ iles Leidens seinen vielmeh.r das untere Dutte! des l ntcr-
Schenkels zu sein.
Der völlige Zusammenbruch des I ussgewo bes muss vv.dil J l.ur
vor der Aufnahme ei folgt sein, a's die p.ot/i.vhe M iivv el ting auTt-.it.
Dass Patient mit derart /er s.tor teil I ussvv ur/e kmuhell n<>vh zu Euss
in die Klinik kommen koimte. erklärt s,,h atis vier t.iiusvIren Au-
lesp. Hvpalgesie. 1 abische Arthropntlucn der Eussvv uf/e! sind
selten; auf UM Talle von I abes d<>rs.,,>s kommt e n t a l v->n Euss-
arthiopathie (o.os Pro/.); am hantigsten smd ehe Kniegelenke cr-
Krifre 11 : m 4 8 Pro/, der Tabeser kr ti'ktingeii muh Marie, in
lo Pro/., nach L o t h e i s e n.
Behandlung: Rulngstcliung.
Herr Noesske: 1. stellt einen bemerkenswerten E.ba v-n
kongenitaler Syphilis bei einem Id uh-igen Jungen vor. Dre Er¬
krankung bestand m einer sv mmetrlsgbui subakuten <i->m.t.s nut
Verdickung der kondvlcii und reuhliciic n scr«mb:iiiosen Exsudat und
ei weckte unter Bcnicksicht.gnrg dit. nuanmest-sv neu Daten den \ er¬
dacht einer goimri Emi-Sv heu Infektion. lt’i v\ eiteren \ et.autc ent¬
wickelt sich eine i.isvli zunehmende beide* sc.r ge kerabt.s par-
encliv matosa. 11 u t c Ii : n s o m sehe /a!m v erauderuu gv n waren eben¬
falls. wenn auch nubt iuisgcsptnvhcu. uauhw c.sbar. D;e Serod.agnose
war stets positiv, die ( fphthalmo:eaktioii und P i r g ii e t sehe Probe
völlig negativ ausgefallen.
J. spricht kurz über die m der elmurgisvheii Klinik zu Kiel geübte
Technik der SaiighchandliiitK der Extremitäten und demonstriert de
/um grössten Teil mit eiiilavheil Mitteln i Moi/sp.mgcsu Ii. il.is mit
(iipshmdeu zu einer ( iiockc modeiiiert und beimts DuJmmg ri.it dumier
/elliiloulhisimg imprägniert wird) impi ov is,er U n >auga[>pai ate.
Matt einer 8augspi ,t/u wild eme W ass V -st' ahl'.uttpumpe mt regu-
Itubarem >u hei heitsv eiitii und Oiku ksi, bet ter benutzt. N.
Iw richtet über gute Ttfolge bet chromsvhen. rhcumat.s v hen und nach
D i s t o i s io n von (le'enken, Kontusioiun von km-cuii und W i u htei'.eti.
nach fl ischen (fperatioiien. Tiaktureii u. a. .mit: elenden >v hmer/eii.
Die Saiigbehaiiillung bewahrte siih häutig besser a:s ILisslutt- und
Massagekur.
Verschiedenes.
Wann ist eine Operation als widerrechtliche Körperverletzung an-
/uschen?
In einem Rechtsstreit eines Mifm.es dis 1 .s t nbäLute ^ ( |j^ikers (i
/ii Mannheim gegen eitlen Piojess-.r der clmutgie in H. h.ittt d.is
Reichsgericht sich ul'er die Trage der ei .rihu n ir.l um • .auideii
<)peration und die d null letz tele bedingten M i.uoe : r e ' s.it/.insp-i, w he
naher aus/usprecheii. Der Beklagte hatte d.m.a’s dm (• -uh - igeÄ
Klager, der mit sogen, angeborenem Ihuhst.m-.U des revhteii >vlm.ter-
blattes und A'erk rumiming der Wirbelsäule Kmötit in seiner oittio-
padischeu Anstalt auigeiiommen. I r iialmi .ruh Svlmess !v h e me
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
il. August 1006.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1719
Operation vor, von welcher der jetzige Kläger behauptet, dass der
Beklagte ohne seine Eltern zu fragen oder auch nu* zu benach¬
richtigen, die gewagte, übrigens fehlgeschlagene Operation unter¬
nommen und dadurch oder auch durch einen dabei begangenen
Kunstfehler den Kläger dauernd an seiner Gesundheit geschädigt habe.
Der Kläger verlangt deshalb eine Kapitalabfindung von 15 0(10 M.,
event. 5 000 M. und eine Rente von 900 bis 1500 M. jährlich. Das
Landgericht Heidelberg erkannte auf Abweisung des Klägers. Da¬
gegen erklärte das Oberlandesgericht Karlsruhe auf die Berufung des
Klägers den Anspruch von 5000 M. und Zinsen dem Grunde nach für
gerechtfertigt. Gegen dieses Urteil hatte der Beklagte Revision beim
Reichsgericht eingelegt, welches jedoch die Entscheidung des Ober¬
landesgerichts bestätigte. Aerztl. Mitt. a. u. f. Baden.
Frequenz der Schweizerischen medizinischen
Fakultäten im Sommersemester 1908: Basel 172 Stu¬
dierende (davon 166 männliche, 6 weibliche); Bern 512 (195 m.),
317 \v.); Genf 465 (199 m., 266 w.); Lausanne 348 (132 m., 216 w.);
Zürich 507 (261 m., 246 w.). Total an allen schweizerischen Uni¬
versitäten 2004 (953 m., 1051 w.), worunter 530 (497 m., 33 w.)
Schweizer.
Therapeutisch^ Notizen.
F. Nagelschmidt berichtet in einer Arbeit aus der
Finsenklinik über die Quecksilberbehandlung der
Syphilis und berücksichtigt dabei besonders das Mergal. In
seiner Verabreichung als M e r g a 1 ist das Quecksilber genau dosier¬
bar und gelangt mit grösserer Sicherheit In bestimm¬
baren Dosen in die Zirkulation als bei irgend einer anderen Kur,
mit Ausnahme vielleicht von der nur selten anwendbaren intravenösen
Verabreichung des Sublimats. Es ist ebenso frei von unangenehmen
oder gefährlichen Nebenwirkungen wie irgend eine andere Appli¬
kationsmethode; Störungen werden gelegentlich bei jeder beobachtet.
Mergal wird schnell und in relativ grosser Menge resorbiert und
zeigt eine lange Remanenz. Es besitzt somit alle Eigenschaften eines
guten internen Antisyphilitikums. In einer Beobachtung von 103
Fällen hat sich das Mittel klinisch durchweg gut bewährt, auch bei
maligner Lues. Für gewöhnlich genügt eine Tagesdosis von 6 bis
8 Kapseln und eine Gesamtzahl von 300—350 Kapseln für eine Kur.
(Dermatologische Zeitschrift H. 3, 1908.)
A. J. Grünfeld - Odessa gibt in der deutschen Medizinal¬
zeitung (No. 30, 1908) einen zusammenfassenden Bericht über den
gegenwärtigen Stand der Frage über die Behandlung der Syphilis mit
M e r g a,l. Die Anwendung des M e r g a 1 s ist angezeigt vor allem
in denjenigen Fällen von Lues, wo Quecksilber zur Verordnung
kommen muss, d. h. bei sekundärer und tertiärer Form. Eine Aus¬
nahme sind die Fälle, wo die Lues schwere oder direkt lebensgefähr¬
liche Erscheinungen aufweist, event. wo ganz besonders energische
Kuren angezeigt sind. In der Latenzperiode, sowie bei der chronisch¬
intermittierenden Methode im Sinne Fournier-Neisser kann
das Mergal sehr gute Dienste leisten. Bei den parasyphilitischen
Erkrankungen kann man stets an die Verordnung des Mittels in
gleicher Weise wie an eine Inunktionskur oder Injektionskur denken.
G. bezeichnet das Mergal als das beste interne Antisyphilitikum
(Quecksilberpräparat), da es vor allem sicher wirke, gut vom Ver-
dauungstraktus vertragen werde, keine Störungen hervorrufe. F. L.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 10. August 1908.
— Den badischen Landständen ist der Entwurf eines Ge¬
setzes betr. die Irrenfürsorge zugegangen. Das Gesetz,
das sich im wesentlichen mit der Unterbringung und Zurückhaltung
Geisteskranker in der Irrenanstalt ohne oder gegen ihren Willen
befasst, wird, der Psych.-neurol. Wochenschr. zufolge, ergänzt wer¬
den durch eine landesherrliche Verordnung, die das ganze Irrenfürsorge¬
wesen — Aufnahme- und ßntlassungsverfahren — neu regelt. Der
vorliegende Entwurf ist in einem Teil der Fachpresse scharf kritisiert
worden, weil er die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses
für die Verbringung eines Kranken ohne oder gegen seinen Willen
in die Anstalt verlangt. Diese Bestimmung wird jedoch wesentlich
eingeschränkt dadurch, dass in dringenden Fällen die sofortige Auf¬
nahme erfolgen kann, wenn dies zum Zwecke der Heilung des Kranken
oder zur Vermeidung von Gefahren nötig ist. Auch kann, wenn die
Unterbringung in eine Privatirrenanstalt erfolgen soll, das bezirks¬
ärztliche Zeugnis ersetzt werden durch das Zeugnis eines Arztes der
Privatirrenanstalt, sofern dieser Arzt vom Ministerium des Innern
hierzu besonders ermächtigt ist. In solchen Fällen ist der Kranke
binnen 24 Stunden nach der Aufnahme vom Bezirksarzt zu unter¬
suchen.
— Die bayerische Abgeordnetenkammer bewil¬
ligte in ihrer Sitzung vom 3. ds. für Erbauung eines die
Universitätskliniken und die Krankenhäuser für die städtischen
und klinischen Kranken umfassenden Krankenhauses in
Würzburg als 1. Rate 500 000 M. Der Regierungsantrag, wonach
das mfue Krdnkenhäus auch die juliusspitälischen Kranken umiassen
sollte, wurde von der 1 Zentrumsmehrheit gegen die Stimmen der
übrigen Parteien abgelehnt. Die Zentrumspartei, so erklärte ihr Wort¬
führer Dr. Gerstenberger, würde ihre Grundsätze verleugnen,
wenn sie einem Postulat zustimmen würde, das die Simultanisierung
und’Säkularisierung einer alten katholischen Stiftung zur Folge haben
würde. Dass Staatsminister v. Brettreich erklärte, dass die
Staatsregierung jedem Versuch zur Säkularisierung des Juliusspitales
entgegentreten werde, half nichts. Die Bedeutung dieses bedauer¬
lichen Beschlusses für die Universität Würzburg wurde schon früher
besprochen.
— Die bayerische Reichsratskammer nahm in ihrer
Sitzung vom 8. ds. das Beamtengesetz an, strich jedoch dem Aus¬
schussantrag entsprechend die Bestimmung, wonach die K o 11 e g i e n-
gelder der Universitätsprofessoren, sofern sie die
Summe von 6000 M. überschreiten, zur Hälfte zu gunsten eines Hoch¬
schulfonds eingezogen werden sollen. Im Ausschuss hatten besonders
die Professoren v. H e r 11 i n g - München und S c h a n z - Würzburg
die Ungerechtigkeit dieser Bestimmung und ihre Schädlichkeit für die
bayerischen Hochschulen nachgewiesen. Es bleibt nun abzuwarten,
ob die wenig professorenfreundliche Abgeordnetenkammer dieser Aen-
derung des Gesetzes zustimmen wird.
— Gesuche um Zulassung zur Prüfung für den ärzt¬
lichen Staatsdienst in Bayern 1908,09 sind unter
Vorlage der Originale des Approbationszeugnisses und des
Doktordiploms der medizinischen Fakultät einer Universität des
Deutschen Reiches bei Vermeidung des Ausschlusses von der
Prüfung spätestens bis 30. September 1. Js. bei jener Kreis¬
regierung, Kammer des Innern, einzureichen, in deren Bezirk der
dermalige Wohnsitz des Gesuchstellers sich befindet. Im Gesuche ist
zugleich die Adresse für die seinerzeitige Zustellung des Zulassungs¬
dekretes genau anzugeben.
— Von der Kaiscrl. Leopold-Karolinischen deutschen Akademie
der Naturforscher in Halle wurden als Mitglieder aufgenommen:
Prof. Dr. Friedrich Schenck, Ordinarius der Physiologie und
Direktor des physiologischen Instituts an der Universität in Marburg
und Dr. Otto Wilhelm Thilo, praktischer Arzt und Leiter einer
orthopädischen Anstalt in Riga.
— Mit Bezug auf das in No. 18 d. W. von Dr. Kretzschmar
in Leipzig beschriebene Stethoskop mit Reflektor und
Ohrtrichtern schreibt uns Herr Dr. E. N e u h a u s in Hagen i. W.,
dass er ein ganz ähnliches Instrument schon vor einer Reihe von
Jahren angegeben habe, das durch die Firma E v e n s und P i s t o r
in Kassel in den Handel gebracht wurde. Es hat sich aber, wohl
wegen des hohen Preises (16 Mk.), damals nicht eingebürgert.
Cholera. Britisch-Ostindien. In Kalkutta starben in der
Woche vom 21.—27. Juni 49 Personen an der Cholera. — Russland.
Laut amtlicher Bekanntmachung ist am 21. Juli im städtischen
Krankenhause zu Astrachan ein aus Baku zugereister Arbeiter an
der Cholera gestorben und ein Bewohner der Stadt an der Cholera
erkrankt; vom 24.—27. Juli sind in Astrachan 11 Personen erkrankt
(und 4 gestorben), seit dem 21. Juli insgesamt 13 (5).
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 5.—25. Juli an der Pest
18 Personen erkrankt (und 16 gestorben), im ganzen seit dem 7. Mai
101 (58). In Adalia (Wilajet Konia) sind am 26. Juli 2 Pestfälle fest¬
gestellt worden. — Portugal. Vom 21. Juni bis 16. Juli sind auf der
Azoreninsel Terceira nach neueren Nachrichten 19 Personen an der
Pest erkrankt und 9 gestorben. — Aegypten. Vom 18.—24. Juli sind
an der Pest 13 Personen erkrankt (und 7 gestorben). — Britisch-
Ostindien. Während der am 20. und 27. Juni abgelaufenen Wochen
sind in ganz Indien 692 + 563 Erkrankungen und 699 + 483 Todes¬
fälle an der Pest zur Anzeige gelangt. — Venezuela. Am 3. Juli
wurde die Pest in La Guayra regierungsseitig für erloschen erklärt;
dagegen sollen in der Hauptstadt Caracas, wo vom 26. April bis
Mitte Juni 12 Erkrankungen mit 7 Todesfällen festgestellt waren,
noch weitere Pestfälle aufgetreten sein. — Ecuador. Zufolge einer
Mitteilung vom 3. Juli ist in Guayaquil seit Mitte Juni nur noch
1 Pestkranker in Zugang gekommen.
— In der 30. Jahreswoche, vom 19.—25. Juli 1908, hatten von
deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblichkeit
Zabrze mit 40,7, die geringste Schwerin mit 6,0 Todesfällen pro Jahr
und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb
an Scharlach in Königshütte, Zabrze, an Masern und Röteln in ülei-
witz, an Keuchhusten in Oberhausen. V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Habilitiert: Dr. Paul Bartels für Anatomie und
Anthropologie, Dr. Ulrich Friedemann für Hygiene, Dr. Walter
T h o r n e r für Augenheilkunde und Dr. Gustav v. Bergmann für
innere Medizin. — Als Privatdozent für Anatomie und Anthropologie
wurde Dr. Paul Bartels zugelassen. Seine Habilitationsschrift
„Das Lymphgefässystem“ erscheint als ein Band des Handbuches
der Anatomie des Menschen von v. Bardeleben (Jena). (hc.)
Bonn. Dem Privatdozenten für innere Medizin und Assistenz¬
arzt an der medizinischen Klinik Dr. Rudolf Finkelnburg und
Dr. Joseph Esser, sowie dem Privatdozenten für Geburtshilfe und
Gynäkologie und Oberarzt an der Frauenklinik Dr. Carl Reiffer¬
scheid ist der „Professortitel“ verliehen worden. — Die 50 jährige
Doktorjubelfeier begeht am 12. August der ord. Honorarprofessor und
Direktor der Klinik und Poliklinik für Syphilis und Hautkni nk-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1720
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22.
hcitcn an der Universität Bonn, Cich. Med.-Rat Dr. ined. Josef
Doutrelepont. die.)
Breslau. Zum Dekan der medizinischen Eakultät wurde (ich.
Medizinalrat Prof. Dr. Eilehne gewählt. -- Habilitiert inr
Chirurgie: Dr. med. Hermann C o e n e n, Assistenzarzt an der chirurgi¬
schen Klinik. Habilitationsschrift: Die praktische Bedeutung
der Seruindiagnostik bei chirurgischen Erkrankungen, insbesondere
bei Knochenkrankheiten. Antrittsvorlesung: Die Bedeutung
des Druckdiftcrcnzverfahrens für die Chirurgie des Thorax.
Er ei bürg i. Br. E'ur Laryngo-Rhinologie habilitierte sich der
Assistent an der Laryngo-Rhinologischen Klinik. Dr. med. et phil.
Wilhelm Brünings, früher Privatdozent in Zürich. (hc.)
Leipzig. Ernannt wurde der a. o. Professor. Assistent am
physiologischen Institut der Universität Leipzig. Dr. med. >icgined
Oarten vom 1. Oktober ds. Jrs. ab zum ordentlichen Professor und
Direktor des physiologischen Institutes in (iiessen. <hc.)
Cambridge. Dr. J. H. Mc C o I I o m wurde zum Pmiessor
der Infektionskrankheiten an der Harvard-Universität ernannt.
Charkow. Der ausserordentliche Professor der Neurologie
und Psychiatrie Dr. J. O. Orchansky wurde zum ordentlichen
Professor ernannt.
Kasan. Dr. T s c h n i e w s k y, Privatdozent an der medi¬
zinischen Eakultät zu Charkow, wurde zum ausserordentlichen Pro¬
fessor der Pharmakologie ernannt.
Lemberg. Dr. M. E ranke habilitierte sich als Privatdo/ent
fiir innere Medizin.
Moskau. Erau Dr. Vera Dantschakow habilitierte sieh
als Privatdozentin für Histologie.
Neapel. Dr. A. Pirera habilitierte sich als Privatdo/ent tur
interne Pathologie.
Ofen-Pest. Als Privatdozenten wurden aufgenommen:
Dr. Wilhelm Mannin ger für chirurgische Propädeutik. Dr. Tibor
Verebely für Infektions- und chirurgische Krankheiten. Dr. Heinrich
Benedict für Pathologie und Therapie der Konstitutionskrank¬
heiten, Dr. Karl Borssek v für chirurgische Operationslehre. Dr.
Desider Raskai für klinische Diagnostik der Erkrankungen der
Harn- und Geschlechtsorgane und der Chefarzt des staatlichen
Kinderasyls Dr. Eranz Tordav fiir Kinderheilkunde mit besonderer
Berücksichtigung der Pathologie und 'Therapie der Säuglinge. (hc.)
St. Petersburg. Dr. Zyto witsch habilitierte sich als
Privatdozent für Oto-Rhino-Laryngologie an der militär-medizinischen
Akademie.
Rom. Dr. V. Gaudian i habilitierte sich als Privatdozent für
externe Pathologie.
Siena. Dr. A. Altobelli habilitierte sich als Privatdozent
für Hygiene.
Wien. Ein Freund der Wissenschaft, der anonym zu bleiben
wünscht, hat der kais. Akademie der Wissenschaften ange/eigt. dass
er bereit sei. die Kosten der Errichtung eines Instituts i u r Ra¬
diumforschung und dessen Ausstattung mit den notwendigen
Instrumenten bis zur Höhe von einer halben Million Kronen zu tragen.
Da man aber jetzt an den Neubau eines physikalischen Institutes
schreitet, so ist projektiert, in dessen unmittelbare Nähe auch das
Röntgeninstitut zu errichten, vorausgesetzt, dass das hiefiir bestimmte
Territorium sich als genügend gross erweist. - Als Privatdo'enten
wurden zugelassen: Dr. Erwin Stransky fiir Psychiatrie und
Neurologie, Dr. Wilhelm Wal lisch für Zahnheilkunde.
Berichtigungen. In No. 31, S. Köl. Sp. I ist bei „Rachisan“
zu lesen: Eerrum matmo — v i t e I I i n a t u m (statt destillatum).
ln der Arbeit K a r o 11 e n s u p p e bei E r n ä h r u n g s -
Störungen der Säuglinge von E. Moro soll es auf S. H.37
anstatt: „Die Brühe wird aus 50 g Rindfleisch hergestellt“ richtig
heissen: „Die Brühe wird aus 500 g Rindfleisch hergestellt“.
In No. 31, S. 1663, Spalte 2 (Eloesser: Opsoninbestimmung
bei Abszessen) ist in Zeile 35 v. u. statt 0,0 zu lesen: 1,(».
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Versetzt: Der Oberarzt Dr. W i c I vom 4. Inf.-Reg. zum
2. Eeld-Art.-Rcg.
Bewilligt: Dem Assistenzarzt Dr. Karl Schwarz der
Reserve (Hof) das Ausscheiden aus dem Heere behufs Pebertritts in
das aktive Sanitätskorps der Kaiserlichen Marine.
Befördert: Der Oberstabsarzt Dr. \\ ürdinger im Kriegs¬
ministerium zum Generaloberarzt ohne Patent.
Korrespondenz.
Die Beibehaltung der Karenzzeit In München.
Sehr geehrte Redaktion!
Die Vorstandschaft der Abteilung fiir freie Arztwahl ersucht Sie,
folgende sachliche Aufklärung in Ihrer Zeitschrift autnchmeii zu
wollen:
Auf Seite 1071 der ...Mimdi. med. W odiciisdir." \«*m 4 . \ III. l‘>os
findet sich an der Spit/e der I agcsgesdiichtiiciien Noti/m“ eine die
Abschaltung der Karenzzeit bezügliche Beriiei kling, die zum len
Wold durch eleu luckeuhalle u Sitzungsbericht über die Mitgiicderv er-
sarrimlung der Abteilung mr freie Arztwahl Oute 1 **<.•>» veranlasst
wurde. Es wird von dem \ or sitzende n Dr. Bauer behauptet, dass
er m der Diskussion lebhaft für die Beibehaltung der Karenzzeit p.a-
diei t habe mul der \ or standschalt selbst der \<»rwurf gemacht, d.iss
sie nielit für die Auihebimg eler Karenzzeit emgetre tc n sei. Be.des
eiitspiieht mellt den 1 atsadien. Herr Dr. Bauer hat zwar die v<m
den Gegnern der Aulhebung (liecht. Mut Iler) äugt lahrtcn
(iruiule als beae hteiisw ert anerkannt, sidi ted, <c h mit RicSsidit aut
die Aer/tetagsbcsciuussc h<<n aus dis/ip.marcti (irmivleu b r die
Aufhebung eler Karenzzeit auvgespn>cheil und für ihre Beseitigung
gesummt. Audi ein anderes Mitglied der \ <»rStands*.halt, v.m der
zur Zeit drei in l ilaub sind, Herr Dt. Epstein, hat sich v < >r t'e ha.t-
los aus prin/ipieileri (ir linden fiir ehe Auihebimg einge setzt und ausser¬
dem aus Zw ec kmassigkeitsglßnden auf die grosse- ( Klahr, w tldie die
Beibehaltung der Karenzzeit bei eintretenden Kontakten mit den
Kassen haben kann, hmgew lesen.
Das entscheidende Wort hat die Mitglieder v ersinmilültg und es
darf wohl hier daraui hmgew lesen werden, dass seitdem die Herren
Lukas u. (i. ihren Antrag auf Auihebimg der Karenzzeit seinu/e;:
gestellt haben, dieser Punkt bereits zweimal .us \ntr,.g der \orst.mi-
Sv.halt und nunmehr zum dritten Maie ais Ij-udenijüg der (>rtsk r auKeti-
kasse w eshalb audi die \ orstam!s v halt se bst keinen euer en
Antrag zu stellen brauchte am der I ages.u duung gesunderi hat.
ohne elass die ui spnmgik heil Anti agsteiier es tar u<*tig gtlwubcn
hatten, für den Antrag m einer Mitgiiederv e r s.itnmhmg em/utreten.
Bei der vorletzten Behandlung des \ntrages I e Ulte n nur wenige
Stimmen. die von den dem Herrn Kritiker nahe stdu nde ti Herr n
leicht halten aufgebläht werden können. I m dr her es I •
treten der \ or standsdiatt in vier letzten Sitzung sdnen aussichtslos
angesichts der duidi Torrn und Inhalt auswärtiger 1 inmisdinuge n ge¬
reizten Miinniung der \ ei Sammlung.
Auf die Delegation nadi R-un soll heute mdtt cmgeg.tugtM
v\ erden, nachdem die Von der \ oi st.nuisji.iit gew.u: teil MelHn v-
gieiv.li nach Scjjduss der Sitzung (w aliuiut der Be li.ir.diuug der I r .ue
war ausser dem \ m sitzenden kein Delegierter anwesuu:» dire V.m-
date der \ or slandsgl.j^fl zur \ etliuung gesteht lial-ui u: d viie Aiue-
legenheit die nächste .Mitglieder v er sarmmung nov.ii besc h.ut .ge n wird.
Mit kollegialer Hochachtung
die VorstarnlsJiaft inr ireie Arztwahl.
Dr. Trieilrich Bauer, \ or sitzender.
Wir bemerken dazu kurz folgendes; Unser Bericht gibt ein
zutreffendes Bild Von dem \eriaul mul vier Stimmung der fr.u u hen
\ ersammlung. Herr Dr. Bauer hat mit bered,teil Worten die (ie-
faliren, welche die AbschaUuiig vier Karenzzeit mit sich bringen \v mdc
gesv. lnhlert. Wellll er elailii erk.aitc. '.rot/deiii aus dis/, ,ina r eil (j r • s *1-
eie ii. d. h. mit Rücksicht auf die Ae r zlrtagsbe s v tm.sse. tr den \ntrj K
zu stimmen, so konnte diese \it Je s l mtretens mr vk n \nt-.:g aut d:e
(iegner des Antrages keinen TmdiUck machen. Herr Ik. Bauer
w eiss andere I oiie zu finden wenn ihm eine Sache wirUuh am Herzen
liegt. Auch die Kabine tsfiage hat er Schon ans \p'ass t u \..n weit
geringerer Bedeutung gestellt. I'ass m der Sitzung I reitt'de des An¬
trages fehlten, hangt elamit zusammeu. elass v ,ie Sitzung 1 2'K lu!i> m
die Teilen fiel. So wichtige Tragen sollten wahrend des \r b c j*s.
jaliies entschieden v\ er Jen. Redaktion.
Uebersicht der Sterbefälle in München
wahrend der 3<k lahreswodie vom lü. bis 25. Julr lkos.
B*-v olkeruugs/ahl 55», mi,
Todesursachen: Angeborene lebvnsschw. il. leb.-Mi 13 1 1 r i.
Altersschw . (ub. (»n .1.» s <Ji. k mdd ettUe K r - < i, and To!gm der
Geburt 1 l I, Scharlach 1 r 1 i. Masern u. R-teni ub. Diphth. u.
Krupp 3 (11, Keuchhusten • u’i. I \ jdms 2 tH, id e rtra 1 ie rkrankh.
- ( ). Rose 11 rv sipe ii I 1 1 1 . and. W iindink k1 1 * »nsf.r. u ms v iil. Hiut-
U. Eitervergift.» - iJi. I uberkul. d J ungen 33 ij'o. 1 über kuI. and.
Org. b (5), Miliartuber kul. 2 tJi. I inigi-ne nt/.md i Pik »rftf-«n. i h i5i,
Imlueii/a ( ), and. ubertragfi Kraiir.li. 5 Ui, I nt/.md. d Atmumgs-
orgaue 1 (1). Sonst. Kraukh. derseib. 1 i i, nr 0 m. 1 i«. r /: c i J 15
sonst. Kr. d. Kretsj-autsorg le mschl. Her/Scdioigi ,s i5». < leiarnsdnag
7 (in. (ieisteskraiikh. J 1 1 i. Traisen, t kiamps. d. Kinder 2 <»>i, atul
Kraukh. d. Nerv elisvstems 4 1 1 i. Magen- u. Dctfcn.-Kat . Brcdidurdiiail
(einsdil. Ab/ehrungi 37 (3si. Kransii d. leier 4 <*K Kr.nihii. des
Hauditells — (I), and. Kraukh. d. \ er v!.mtrV,gsorg. 2 i s i. K rankh. d.
Harn- u. (iesdileditsorg. <> t5i. Krebs i K arzmorn. Krarrsr*-idi Io i^i,
and. Nenbilelg. (einsdil. S;irk"i!M 2 i3», Se / 3 1 1,, 1 od durch
fremde Hand 1 < I. 1 ngde kst.de <3.. a e übrig. Km:>!i 4 1 4
Die (iesamt/ah! vier Stert et..de 1'^, ds] *. \ ert..et;- v/., ;; .tut das
Jahr und 1 "mi I.iiiw ohner itn augertie:r-en 1>.3 i t:.r di»* uber
dem 1. Lebensjahre stellende Hevoikerurg 1 ill.3i.
*) Die emgeklamtnertui Zaiben bedeateti J.e 1 a..e der \ ..rw
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
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Abonnement an j. P. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a. • Für
• Inserate und Beilagen an Rudolf Mosse, Promenadeplatz 16. •
München. Freiburg L B.
Erlangen.
München. München. München.
No. 33. 18. August 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet.)
, Originalien.
Aus den Universitäts-Frauenkliniken in Tübingen und München
(Vorstand: Professor Dr. D ö d e r 1 e i n).
Zur Sterilisation und Verwendung der Gummihandschuhe.
Von Dr. A. F i e s s 1 e r und Dr. Y. I w a s e.
Dass der erstmals von Zoege v. Manteuffel 1 )
empfohlene, von Friedrich 2 ) und D ö d e r 1 e i n 3 ) in zweck¬
mässiger Form in die Chirurgie und Geburtshilfe eingeführte
Gummihandschuh heute zu einem integrierenden Bestandteil
des modernen aseptischen Apparates und zu einem unerläss¬
lichen Erfordernis in einer rationellen Prophylaxe des Puer¬
peralfiebers geworden ist, steht ausser allem Zweifel. Die Ver¬
handlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie zu
Dresden, Mai 1907, in denen die Asepsis ein Hauptthema
bildete, haben dies unumwunden anerkannt, wie andererseits
die ausserordentlich zahlreichen Untersuchungen über die
Händedesinfektion mit dem sicheren Resultat geendet haben,
dass die Hände des Arztes und Operateurs mit keinem der
uns bis jetzt zu Gebote stehenden Mittel keimfrei gemacht
werden können. Auch der von Menge*) eingeführte Paraffin-
Xylolüberzug bietet einen ungenügenden Schutz gegen Ueber-
tragung von Keimen, die Verwendung von durchlässigen Hand¬
schuhen vollends bewirkt das direkte Gegenteil des erstrebten
Zieles. Bezüglich der Literatur über diese Dinge können wir
auf die Abhandlungen von Franz (in Veits Handbuch) und
W. Kohn (Monatsschrift für Geburtsh. und Gyn., Band 25)
verweisen, wo in Kürze eine gute Uebersicht über die ein¬
schlägigen Verhältnisse gegeben wird.
Der Einwand der Handschuhgegner, dass der Gummi¬
handschuh das Gefühl beeinträchtige und durch seine Glätte
und Schlüpfrigkeit beim Operieren hindere, ist schon so oft
widerlegt, erst kürzlich wieder 8 ) von Franz Fritsch und
K ü s t n e r, dass es verwunderlich erscheint, dass er immer
wieder auftaucht. Ist es doch bei einiger Gewöhnung an den
Handschuh gut möglich, sogar bei hohem Blasensprung und
mangelndem Vorwasser das Intaktsein der Eihäute im Bereich
des Muttermundes sicher zu erkennen, gegenüber dem Befund
bei gesprungener Blase. Feinere Unterschiede als diese fühlen
zu müssen werden Aerzte und Operateure wohl selten in die
Lage kommen. Die erforderliche Gewöhnung kann sich auch
der praktische Arzt dauernd dadurch sichern, dass er eben
auch in der kleinen Chirurgie und bei der gynäkologischen
Untersuchung sich der Handschuhe bedient. Die oft beklagte
Unbeholfenheit bei „seltenem“ Gebrauch wird dadurch bald
überwunden.
Weit mehr als die angebliche Schwierigkeit der Ge¬
wöhnung an den Handschuh stehen seiner allgemeinen Ver¬
breitung andere Momente im Wege: Seine beschränkte Lebens¬
dauer und sein hoher Preis. War in den ersten Jahren seiner
Verwendung der Preis bei einem relativ schlechten Präparat,
wie es die amerikanischen Handschuhe waren, in Wirklichkeit
sehr hoch, so ist dies in letzter Zeit wesentlich besser ge-
*) Zentralbl. f. Chir. 1897, No. 20.
*) Zentralbl. f. Chir. 1898, No. 17.
*) Chirurgenkongress 1898 und Hegars Beitr. I, 1; Zentralbl. f.
Gynäkol. 1898, No. 26.
*) Münch, med. Wochenschr. 1898, No. 4.
Ä ) Verhandl. d. D. Qesellsch. f. Qynäkol., Dresden 1907.
No. 33
worden. Die von Zieger und Wiegand, Leipzig ge¬
fertigten Handschuhe bestehen aus wirklich gutem Kautschuk
von hoher Festigkeit, bei sehr hoher Elastizität und kosten pro
Paar doch nur etwa M. 1.50. Ja es sind sogar noch billigere
Sorten im Handel empfohlen. Doch darf man in dem Preise
nicht zu weit zurückgehen, da bei diesem die Qualität wesent¬
lich schlechter und ihre Haltbarkeit ausserordentlich verringert
ist, so dass sie die erforderliche Desinfektion nicht mehr aus-
halten. Diese leichte Verletzbarkeit und die rasche Abnahme
der Elastizität sind es hauptsächlich, die das Arbeiten mit
Gummihandschuhen so verteuern, dass sowohl die Bonner, wie
auch die Breslauer Frauenklinik ihren jährlichen Etat mit etwa
M. 2000.— für Gummihandschuhe belasten müssen, eine
Summe, die auch für unsere hiesigen Verhältnisse passt. Dabei
ist allerdings zu bemerken, dass gerade an den Universitäts-
Frauenkliniken der Verbrauch ein exzessiv hoher ist, da die
Verwendung bei Touchierübungen, bei denen ungeübte Unter¬
sucher erst lernen müssen, mit dem Handschuh umzugehen,
sehr viele Opfer fordert.
Die Tatsache, dass der Kautschuk ein häufig wiederholtes
Auskochen oder häufige Sterilisation im Dampf schlecht ver¬
trägt, und darauf mit sackartiger Erweiterung unter Verlust
der Elastizität reagiert, führte dazu, nach anderen Methoden
zu suchen, den Handschuh keimfrei zu machen. Zugleich
wollte man dem praktischen Arzt Mittel an die Hand geben,
sich von einem Sterilisationsapparat zu emanzipieren, und ihm
zu gestatten, die Handschuhe unsterilisiert mitzuführen und an
Ort und Stelle durch einfache Manipulationen zu säubern. So
stellte Dettmer 8 ) Versuche an, auf rein mechanische Weise
die Keime von der Handschuhoberfläche zu entfernen und kam
zu dem Resultat, dass %—1 Minute langes Abspülen mit
sterilem Wasser, das einmal gewechselt werden muss, völlig
genüge, „selbst höchstgradig infizierte Gummihandschuhe
keimfrei zu machen“. Auch Wandel und Höhne 7 ) glauben
in wenigen Minuten durch Waschen mit Seife und Wasser
„auch ohne Anwendung der Bürste“ Sterilität zu erreichen. Ja
sie können sogar berichten, dass „sich die seit 2 Monaten aus
ökonomischen Gründen in der Frauenklinik Kiel erfolgte prak¬
tische Verwertung der blossen mechanischen Reinigung gut
bewährt habe“. Diesem bedenklichen Verfahren treten als¬
bald Fromme und Gawronsky 8 ) entgegen, indem sie den
Voruntersuchem technische Fehler nachweisen, die irrtüm¬
licherweise Keimfreiheit vortäuschten. Eine wirkliche Sterilität
der Handschuhoberfläche könne erst nach Behandlung mit
einem Desinfiziens erreicht werden. Sie empfehlen daher
4 Minuten langes Waschen mit heissem Wasser, Seife und
Bürste, darauf 2 Minuten in Sublimat 1 zu 1000. Bei der Emp¬
fehlung für den Praktiker schiessen aber auch sie über das
Ziel hinaus, indem sie die Methode ohne vorausgehende Des¬
infektion der Hände anraten zu können glauben, ein Vorgehen,
vor dem kurz vorher Fehling®) aufs eindringlichste warnte,
und das auch von D ö d e r 1 e i n 10 ) bei jeder Gelegenheit, bei
der er für die Verwendung der Handschuhe eintrat, widerraten
wurde. Ein solches ist nur aus vitaler Indikation zu so¬
fort i g e m Eingreifen als Ausnahme zu gestatten, für gewöhn-
e ) v. Langenbecks Archiv, 62, 1900.
7 ) Münch, med. Wochenschr. 1903, No. 9.
8 ) Münch, med. Wochenschr. 1903, No. 40.
e ) Münch, med. Wochenschr. 1903, No. 33.
,0 ) Berl. klin. Wochenschr. 1898, No. 50.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ko. 33.
<1722
liehe Fälle aber — und das sind die allermeisten — als sehr
gefährlich zu verwerfen, denn sobald der Handschuh auch nur
eine geringe Verletzung aufweist, oder erhält, bildet der ent¬
stehende Handschuhsaft von der nicht sorgfältig desinfizierten
Hand eine äusserst keimreiche Flüssigkeit, die, in einen puer¬
peralen Uterus übertragen, die unheilvollsten Folgen nach sich
zieht. Aehnlich, wenn auch nicht in so hohem ürade gefähr¬
lich, liegen die Verhältnisse, wenn die Handschuhinncnflächc
nicht desinfiziert war, wie dies nach Wandel und Höhn e
geschah. Wir versuchten deshalb, ob es nicht möglich sei,
durch Auffüllen des Handschuhes mit einem chemischen Des-
infiziens und folgendes Untertauchen darin derart, dass die
Fingerspitzen nicht durch Luftblasen über der Flüssigkeit ge¬
halten werden, völlige Sterilität zu erzielen. Wir verwendeten
zu diesem Zwecke erst 2 prom. Sublamin- und Sublimat¬
lösungen, nachdem wir an die Handschuhe Tctragenuskulturcn
hatten antrocknen lassen. Doch zeigte es sich, dass diese
Lösungen nicht imstande waren, den Tetragenus abzutöten,
ja es wuchsen sogar reichlich Kulturen, nachdem die Hand¬
schuhe 3 Tage lang in 2 prom. Sublaminlösung gelegen hatten.
Bezüglich der Technik, die wir dabei gebrauchten, ist zu be¬
merken, dass wir nach der beabsichtigten Dauer der Ein¬
wirkung des Desinfektionsmittels die Handschuhe mit aus¬
gekochten Klammern aus der Lösung in Schwefelammonium
übertrugen, von da in steriles Wasser, dann auf einem sterilen
Tuch ausbreiteten, das auf einen mit Blech beschlagenen 'l isch
gelegt wurde, welcher sorgfältig mit Alkohol abgerieben war.
Die abnehmende Person war desinfiziert und mit ausgekochtem
Handschuh bekleidet. Die Abnahme geschah teils mit in Dampf
sterlisierten Wattetupfern, teils mit ausgekochten Platinlöffeln.
Die Wattetupfer wurden stets mit nur einmal verwendeten,
sterilen Klammern gefasst, ebenso der Handschuh mit steriler
Klammer festgehalten. Die Abnahmen wurden teils in Agar
auf Platten, teils in BouiJlon übertragen und 4N Stunden
bei 37 °. 9 im . tt fu Lschrank aufbewahrt. Es zeigte sich nun,
dass völlige Sterilität der Handschuhe erst nach 10 Minuten
langem Einlegen in % proz. Sublimat, oder 15 Minuten in
34 proz. Sublaminlösung zu erreichen war. Es bedurfte also
wesentlich höherer Prozentgehalte der Desinfektionsflüssigkeit
als sie gewöhnlich verwendet wurden, um eine Sterilität durch
rein chemische Einwirkung zu erreichen. Derartig konzen¬
trierte Lösungen sind aber für den Operateur nicht ohne un¬
angenehme Wirkung (Ekzeme). Aehnlich wie die proz.
Sublaminlösung w irkte 5 proz. Formalin, das aber für die
Praxis unbrauchbar ist. Waren somit unsere Versuche, durch
rein chemische Einwirkung auf Aussen- und Innenfläche die
Handschuhe zu sterilisieren, hinsichtlich der praktischen Ver¬
wertbarkeit der Methode als gescheitert zu betrachten, so w ar
es bei der geringen Wirkung, die die gewöhnliche Konzen¬
tration der Desinfektionsmittel gezeigt hatte, nötig, nochmals
zu prüfen, wie weit wir durch Kombination mit mechanischer
Wirkung kämen, analog den Versuchen von Fehling,
Fromme und Q a w r o n s k y. Natürlich musste damit auf
eine Einwirkung auf die Handschuhinnenfläche verzichtet
werden. Immerhin würde ein positives Resultat in solchem
Falle den Wert haben, dass wir die Möglichkeit besitzen, bei
Beschmutzung mit Eiter während einer Operation die nunmehr
nur an der Aussenseite infizierten Handschuhe w ieder in einen
Zustand zu versetzen, der den Anforderungen der Asepsis ge¬
recht wird, oder dass wir zwei oder mehrere Operationen
hintereinander ausführen können, ohne die Handschuhe zu
wechseln, w T enn diese nicht gerade bei der Operation verletzt
wurden. Wir nahmen deshalb, w ährend wir in Minuten lang
die Handschuhe in fliessendem, heissem Wasser mit Seife und
Bürste bearbeiteten, in Zeitabständen von je 2 Minuten Proben
zu bakteriologischer Untersuchung ab. Dabei fanden wir be¬
reits nach 2 Minuten eine hochgradige Armut von Keimen, die
indessen nie, auch nicht nach 10 Minuten, zur Sterilität herab-
sank. Letztere erreichten wir erst durch eine Bearbeitung
mit einem Desinfiziens, wobei sich nunmehr allerdings die
2 prom. Sublamin- und 1 prom. Sublimatlösung als völlig aus¬
reichend herausstelltcn Durch W aschung mit 70 proz. Alkohol
konnten wir keine Sterilität erreichen, wenn wir nicht die
, armwasserseifcnw aschung vorausschickten. Wir können
daher resümieren, dass unsere diesbezüglichen Versuche auf
das Resultat von F r o m m e und < j a w ronsk y und F e h -
ling hinausliefen; die Behandlung der Handschuhe nach
D e t t m e r, W a n d e 1 und H ö h n e bew irkt indessen keine
Sterilität, sondern nur eine Keimarmut, wir erreichen mit ihr
nicht mehr als mit der gewöhnlichen Desinfektion unserer
Hände. Wenn diese Autoren mit den nach ihrem Re/ept be¬
handelten Handschuhen befriedigende Resultate erzielten, so
bew eist dies nur, dass der menschliche Körper über eine ziem¬
lich grosse Menge von Abwehrkräften verfugt, um über die
implantierten Bakterien Herr zu Werden.
Ist es uns hiernach erlaubt, mehrere Operationen hinter¬
einander mit demselben Handschuh aiis/ufuhren, wenn wir
ihn nur dazwischen mit Waser und Seife und einem Des¬
infiziens einer gründlichen, etwa 5 ö Minuten dauernden
Säuberung unterziehen, so ist zwar damit schon Erhebliches
im Verbrauch von (iummihandschuhen gewonnen, doch
kommen wir nicht um die immer wieder notwendige Sterili¬
sation durch Auskocheu, strömenden oder gespannten Dampf
herum. Am schädlichsten wirkt das Auskocheu. Der Hand¬
schuh wird dadurch schlaff, unförmig und verliert in kurzer
Zeit vollkommen seine Elastizität, ln diesem Zustand aller¬
dings beeinträchtigt er das (iefulil, da er sich mellt mehr den
Fingergliedern anschmiegt, sondern Falten bildet und bei der
Untersuchung nicht mehr streng den Bewegungen der Finger¬
spitzen folgt. Beim Operieren hindert ein weiter schlaffer
Handschuh beim Knoten der Faden; daher sind solche ver¬
dorbene Handschuhe nur noch zu gröberen Arbeiten zu ge¬
brauchen, bei denen es weniger auf < ieschi.kh Jikeit und
sicheres Oefiihl, als darauf ankommt, Jauche oder Eiter von
der Hand des Arztes fern zu halten. Wie schädlich der Ein¬
fluss des Wassers wirkt, zeigt folgender Versuch: Legt man
neue, ungebrauchte und noch nie sterilisierte Handschuhe in
kaltes Wasser oder wässerige Lösung (wir nahmen 4 proz.
Formalin, 1 proz. Sublimat und reines Wasser), andere in
bö proz. Alkohol, wieder andere in (ilyzerm und lasst d.e
Proben 3 läge stehen, so haben sich nach dieser Zeit die
Wasserhandschuhe stark getrübt, erweitert und sind wesentlich
weniger elastisch; die in Alkohol liegenden sind ebenfalls etwas
getrübt, doch lange nicht in so hohem (irade. Die (ilyzerm-
haudschuhe sind gut durchsichtig, doch haben auch «sie an
Elastizität cingebusst und sehen gequollen aus. Bewahrt man
einen Handschuh längere Zeit in (ilyzerm auf, so wird er hart
und brüchig. Ein solcher kann bis zu einem gewissen (irade
seine frühere Elastizität wieder erlangen, wenn man ihn
~4 Stunden in Schw eielkohlenstoffdampfe bringt und darauf
einen lag über in Petroleumdampfen aufbewahrt. Doch ist
, s \j r, " a ^ren nicht sehr lohnend. Der Versuch zeigt indessen,
dass M e n d e") nicht ganz recht hat. wenn er glaubt, dass sein*
Verfahren (5 Minuten langes Aufkochen. Aulbewahren in
Subhmatglyzerin 2: loon) den Handschuhen nicht schade
Immerhin halten wir es für den Praktiker ebenfalls für eines
der besten.
Die Sterilisation in Dampf, gespannt oder strömend
schadet dem Handschuh weit weniger, als das Auskochen, w ij
schon W o r m s e r’) nachgewiesen hat. Für die Dumpfstenli-
sation spricht ferner noch, dass nach ihr der Handschuh trocken
angezogen werden kann und sich infolgedessen niJit der
ommose Handschuhsatt bildet. Wird mm durJi Unvorsichtig¬
keit der Handschuh angestochen. (der sonstwie verletzt, so
tliesst nicht so leicht bakterienhaitiger Saft über die W und-
nachen. Das trockene Arbeiten bietet daher einen weit siche¬
reren Schutz Iiir den Patienten und ist ausserdem für den
Operateur angenehmer. Die Haut wird selbst nach mehr¬
stündigem Operieren nicht mazeriert, was wiederum Jas Em¬
porkommen der Hautkeime aus den tieferen Schichten der
Haut wesentlich hmtanhält. Leider ist die Dampfstenl.sation
nicht so einfach. Legen wir die Handschuhe ohne Vorsichts¬
maßregeln _ mit den übrigen (iege ns;ar;den m den Dampftopi.
so kleben sie m grosser Ausdehnung fest zusammen und sind!
wenn überhaupt, nur mit Muhe zu trennen. Oit reissen sie
dabei ein. I m dies zu verhindern, müssen sie vor der Sterih-
^tioii innen und aussen mit Talkum eingepudert werden
n ) P. Mied. W < »clieiis. fi i. Juni,
) La Seinamc meJicaic. Baris |wum \m
W fichensclir. lyo-l, No. u . 45,
und [). rr.eJ.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
IS. August 1908.
MÜFNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
(Wormser). Küstne.r la ) und Franz 11 ) empfehlen Einlegen
eines Trikothandschuhes in den Gummihandschuh. Fritsch 1 ')
äussert Bedenken, ob trotz dieser Vorsichtsmassrcgeln Dampf
in die Fingerkuppen dringe, und so die Handschuhinnenfläche
mit Sicherheit steril werde. Dies zu untersuchen, war der
Zweck der folgenden Versuche:
Um sogleich das Experimentum crucis zu erproben, wurde als
Testobjekt der Bacillus subtilis gewählt, der Sporen bildet und an
Resistenz selbst den Milzbrandsporen überlegen ist. Bouillonkulturen
dieses Bazillus wurden an Qranatperlen angetrocknet und diese in
die Fingerkuppein der eingepuderten und mit Trikothandschuhen aus¬
gestopften Gummihandschuh eingelegt. Diese wurden einzeln in
Filtrierpapier eingeschlagen und in einer Blechkapsel ln den Sterili¬
sator verbracht; Stunde Einwirkung von Dampf von 0,8 Atmo-
spären Ueberdruck. Die Handschuhe waren in der Blechkapsel, die
etwas zu kurz war, geknickt. Nach dem Herausnehmen, das mit
sterilen Pinzetten geschah, wurden die Perlen auf ein steriles Tuch
ausgeschüttet und einzeln in Bouillon übertragen, wobei für jede
Perle eine besondere ausgekochte Pinzette genommen wurde, deren
Spitze noch vor Gebrauch abgegliiht war. In der Bouillon wurden
die Perlen je 2 Minuten lang kräftig geschüttelt, wobei der Watte¬
pfropf nicht benetzt werden durfte, und dann in Agarplatten über¬
tragen. Diese wurden 48 Stunden im Brutschrank unter 37° C auf¬
bewahrt. Das Resultat dieses Versuches war, dass von 15 Platten
nur 4 steril waren, von den nicht sterilen enthielten 3 Platten wenige
Kulturen von Kokken, die wohl beim Plattengiessen aufgefallen
waren. 8 Platten hatten einen membranartigen Ueberzug von Ba¬
cillus subtilis. Angesichts dieses betrübenden Resultates wurde der
Versuch gemacht, den Dampf durch Formalindämpfe zu ersetzen.
Nach gleicher Präparation wurden die Handschuhe in einen Glas¬
zylinder verbracht und eine Stunde lang Formalindämpfe mit der
nötigen Menge Wasserdampf darüber geleitet; die abziehenden
Dämpfe wurden in Ammoniaklösung aufgefangen und neutralisiert.
Das Resultat war nur wenig besser, von 18 Platten nur 10 steril.
Ausserdem hatten die Handschuhe sehr gelitten. Wir gaben deshalb
weitere Versuche in dieser Richtung auf und wandten uns wieder
dem gespannten Dampf zu. Wir Hessen wiederum bei Handschuhen
mit Trikoteinlage Dampf von 0,8 Atm. Ueberdruck V* Stunde lang
einwirken, doch wurde diesmal streng darauf geachtet, dass die
Handschuhe in keiner Weise geknickt oder stärker gedrückt wurden.
Der Erfolg war, dass nur in einer Platte Subtilis zur Entwicklung
kam; in 5 Platten einzelne aufgefallene Luftkeime, 21 Platten steril.
Wir schrieben diesen Erfolg dem sorgfältigen Einlegen der Hand¬
schuhe zu. Um dies zu erhärten, machten wir nochmals die Gegen¬
probe mit Knickung der Handschuhe. Nur 6 Platten von 25 blieben
steril, was uns zur Genüge darzutun scheint, welcher Wert der Lage¬
rung der Handschuhe bei der Sterilisation beizumessen ist. Da das
exakte Einlegen der Trikothandschuhe sehr umständlich Ist und doch
auclr manches Opfer fordert, suchten wir in folgendem ohne diese
Einlage auszukommen. Wir puderten die Handschuhe innen und
aussen gut mit Talkum ein, legten sie einzeln zwischen Filtrierpapier
und sorgten, dass sie nicht geknickt wurden. Dampfdruck 0,7 Atm.,
Dauer 1 Stunde: nur 8 Platten steril, 16 infiziert, davon 14 mit Sub¬
tilis. Dies kam uns sehr überraschend. Wir machten daher einen
gleichen Kontrollversuch, wobei auch Subtilisperlen offen in einer
Petrischale in den Dampftopf gestellt, wurden. Wiederum wuchsen
in 9 von 22 Handschuhplatten Subtilis; aber auch in einer grossen
Anzahl der Kontrollplatten von den offen dastehenden Perlen kam
der Bazillus zur Entwicklung. Wir mussten also annehmen, dass die
Subtilissporen eine einstündige Einwirkung von Dampf von 0,7 Atm.
Ueberdruck aushalten. Eine Erhöhung der Dampfspannung und da¬
mit der Temperatur ist aber für die Handschuhe verhängnisvoll, da
der Kautschuck zu weich wird und beim blossen Anfassen zerreisst.
Wir sahen uns also gezwungen, mit einem anderen Bakterium zu
arbeiten und kehrten zu einem solchen zurück, das nur vegetative
Formen bildet. Wir wählten den Staphylococcus pyogenes aureus,
den wir aus den Uteruslochien einer an puerperaler Sepsis gestor¬
benen Wöchnerin gezüchtet hatten; sie war der Aureusinfektion in
kurzer Zeit erlegen, der Kokkus also sehr virulent. Die Technik des
Versuches wurde nicht geändert. Unter 28 Platten war eine Platte
mit 2 noch punktförmigen Aureuskolonien; 16 Platten aber waren
mit Subtilismembranen überzogen. Auch unter den Kontrollplatten
war Subtilis gewachsen, kein Staphylokokkus. Ein zweiter Versuch
hatte dasselbe Resultat. Da die Granatperlen und alle in Anwendung
kommenden Gegenstände nochmals vor dem Versuch aufs peinlichste
sterilisiert worden waren, so konnte die Subtilisinfektion nicht durch
Verunreinigung der gebrauchten Sachen erfolgt sein, sondern es be¬
stand nur die Möglichkeit, dass Sporen in der Luft unseres Labora¬
toriums vorhanden waren, die beim Plattengiessen und den sonstigen
Manipulationen auffielen. Wir zogen uns daher bei den folgenden
Versuchen mit den sterilisierten Handschuhen in die reine Luft des
13 ) Verhandl. d. D. Gesellsch. f. Gynäkol., Dresden 1907.
Veits Handbuch f. Gynäkol., 2. Aufl., Wiesbaden 1907.
i5 ) Verhandl. d. D. Gesellsch. f. Gynäkol., Dresden 1907.
1723
Operationssaales zurück mit dem Erfolg, dass 25 Platten steril blieben,
2 waren noch mit Subtilis verunreinigt, Staphylokokken wuchsen
keine. 2 weitere Versuche lehrten urts, dass derselbe Erfolg schon
bei 30 Minuten langer Einwirkung von Dampf von 0,7 Atm. Ueber¬
druck erzielt wird. In beiden Fällen waren von je 21 Handschuh¬
platten jedesmal 19 völlig steril, die übrigen 2 zeigten das eine Mal
je einen punktförmtgen Luftkeim, das andere Mal eine Subtilis-
membran. Wir bemerken noch zu diesen Versuchen, dass wir jedes¬
mal eine grössere Anzahl Kontrollplatten anlegten zur Ueberwachung
der Petrischalen des Agars der Bouillon, sowie der verwendeten in¬
fizierten Perlen. Die Kontrollplatten gaben stets die gewünschten
eindeutigen Resultate.
Diese Versuche berechtigen uns zu der Annahme, dass die
Gummihandschuhe auch ohne Trikoteinlage, oder sonstige Vor¬
richtungen, wie sie neuerdings Flatau 1 ") angegeben hat, ledig¬
lich nach Einpudern bei sorgfältiger Lagerung — sie dürfen
nicht gepresst und nicht geknickt werden — durch 30 Minuten
lange Einwirkung von gespanntem Dampf von 0,7 Atmosphären
Ueberdruck mit Sicherheit an ihrer ganzen Innenfläche bis zu
den Fingerkuppen steril werden, wenn es sich nur um
Abtötung vegetativer Formen handelt. Für Sporen allerdings
dürfte diese Methode wahrscheinlich nicht volle Sicherheit
garantieren, doch kommen diese nur in den seltensten Fällen
in Betracht. Die von Fritsch gehegten Zweifel dürften
daher bei Befolgung obiger Vorschriften zerstreut sein. In¬
dessen hat das Einpudern der Handschuhe auch seine Schatten¬
seiten. Der Puder wird nicht gleichmässig im Handschuh ver¬
teilt. Die dazu verwendete Menge ist in der Regel viel grösser
als nötig; oft beträgt sie das Mehrfache. Die Folge davon ist,
dass sich in den Fingerkuppen grössere oder kleinere Massen
ansammeln, die dann doch bei der Operation hinderlich werden
können. Ausserdem hat dies den Nachteil, dass bei einer
während der Operation eintretenden Verletzung des Hand¬
schuhs sich eine kleine Wolke von Talkum auf das Operations¬
feld niedersenkt. Diese Wolke ist zwar, wie wir bakterio¬
logisch feststellen konnten, in der Regel harmlos. Von
10 Platten eines entsprechenden Versuches, bei dem wir eine
volle y* Stunde reibende und quetschende Bewegungen mit den
Fingern gemacht und dann die Fingerkuppen mit steriler
Schere angeschnitten hatten, war nur eine Platte mit wenigen
Staphylokokkenkulturen infiziert. Eine Entfernung dieser in
den Fingerkuppen angesammelten Mengen von Talkum ist vor
der Operation nicht immer gut möglich, man müsste denn
jeden Finger einzeln ausschütteln; dazu wäre ein wieder¬
holtes Anfassen nötig, was sich mit der Sterilität der Hand¬
schuhe nicht gut verträgt. Ein weiterer Uebelstand war bisher
der, dass man genötigt war, die Handschuhe nach dem
Waschen zu trocknen, bevor man sie einpuderte und sterili¬
sierte, Wir versuchten dies dadurch zu umgehen, dass wir uns
Aufschwemmungen von Talk in Wasser und in Alkohol her¬
stellten, in denen wir die gewaschenen Handschuhe unter¬
tauchten», so dass sie innen und aussen überall mit dieser Auf¬
schwemmung bespült wurden. Dann wurden sie gut entleert
und darauf horizontal in den Dampftopf gebracht. Nach dem
Herausnehmen zeigte sich, dass die mit der Alkoholaufschwem¬
mung behandelten Handschuhe überall einen gleichmässigen,
dünnen Belag von Talkum hatten. Das Anziehen gestaltete
sich überaus leicht, nirgends waren Verklebungen vorhanden.
Die auch hierbei ausgeführten bakteriologischen Prüfungen er¬
gaben völlige Sterilität in den Fingerkuppen. Bei den mit der
Wasseraufschwemmung behandelten Objekten war der Tal¬
kumbelag nicht so gleichmässig, sondern teilweise in kleine
Klumpen geballt, weshalb wir uns später nur noch des Alkohol¬
talkums bedienten in einem Mengenverhältnis von 1:5, mit
dem wir jederzeit voll zufrieden sein konnten.
Ist es somit möglich, die Handschuhe auf einfache Weise
ohne besondere Vorrichtungen oder schwierigere, für sie ge¬
fährliche Manipulationen im Dampf mit Sicherheit zu sterili¬
sieren, so ist andererseits die Einwirkung des Dampfes nicht
ohne Schaden für den Kautschuk. Nach der Herausnahme aus
dem Dampftopf ist er weich, hat seine Elastizität ebenso seine
Durchsichtigkeit grossenteils verloren. Die Ursache hierfür
liegt darin, dass er in gespanntem Dampf Wasser aufnimmt,
wenn auch nicht in dem Grade wie beim Auskochen. Er kann
indessen seine frühere Elastizität, Durchsichtigkeit und Festig-
1# ) Münch, med. Wochenschr. 1907.
1 *
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1724
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
keit wieder erlangen, wenn man ihn nach der Sterilisation sorg¬
fältig trocknet. Auf diese Trocknung der Handschuhe möchten
wir zur Verlängerung der Lebensdauer der Handschuhe be¬
sonderen Wert legen. Auf die Wiedergabe der zahlreichen, zu
diesem Zweck ausgeführten Versuche glauben wir im Interesse
der Kürze verzichten zu können. Wir konnten dabei die Er¬
fahrung machen, dass die Intensität und Raschheit des Trock¬
nens wesentlich abhängt von der Lagerung und Verpackung
der Handschuhe. Die Verhältnisse liegen ebenso wie bei der
Sterilisation. Auch hier ist erforderlich, dass der Handschuh
möglichst frei liegt, nicht gedrückt oder geknickt wird, ferner
dass die Luftzirkulation eine ungehinderte ist.
Als nach jeder Richtung hin bestes und dabei einfachstes Mittel
verwandten wir ein Eachwerk aus horizontalstehenden Siebgeflech¬
ten, welche wir in einen Sterilisationskasten mit Schiebeoffnungen
in Boden und Deckel einsetzten. Die Höhe des Zwischenraumes be¬
trug 1 Vu cm, die Maschenweite 4—6 mm. In diesem Lachwerk w ur¬
den die Handschuhe durch durchstreichende Luft von 7ü -so 0 C ge¬
trocknet, was eine Zeit von etwa ; >i Stunden erfordert. Die hu
unseren Versuchen gemachten technischen Erfahrungen wurden aus-
genützt in einem von der Firma E. F. (). Küster, Berlin (). 21,
Krautstrasse 5—6, angefertigten kombinierten Sterilisationsapparat.
Dieser besteht aus einem Untergestell mit Heizschlange. In dieses
ist ein Wasserbehälter, der zugleich Dampfentwickler ist, und neben¬
bei zum Auskochen von Instrumenten verwendet werden kann, em-
zuziehen. Es ist nicht allein die aus den bakteriologischen
Untersuchungen sich ergebende, beruhigende Sicherheit der
zuverlässigen Desinfektionsw irkung, die die AussenfläJie
ebensowohl wie die Innenfläche der Handschuhe betrifft, son¬
dern es ist auch der Umstand, dass die Handschuhe bei der
Präparatir n sowohl, wie beim An- und Ausziehen mehr ge¬
schont werden, so dass deren Verbrauch dadurch ein ge¬
ringerer wird, und endlich hat der Operateur die Anr.ehmhJi-
keit, trockene Hände zu haben, wodurch die Bildung des ge¬
fürchteten Handschuhsaftes vermieden wird.
Zur Sterihsitation und zum Aufbewahren der Handschuhe
hat sich uns in der Münchener Frauenklinik ein von Brod-
ii i t z in Frankfurt a. M. nach dem Schi n; m e 1 b u s c h sehen
Prinzip gebauter Kasten *) als sehr zweckmässig erwiesen, den
ich hiemit empfehlen mochte. Aus beiliegender Abbildung ist
die Einrichtung dieses praktischen Kastens leicht zu ersehen.
Er bietet gerade die Vorteile, auf die die Herren blessier
und Iw ase so grossen Wert legen, nämlich, dass die Hand¬
schuhe ohne Knick hinein- und übereinander gelegt werden
können; um ein Verkleben der Handschuhe im Dampf zu ver¬
hindern, werden sie beim Einlegen in den Kasten aussen und
innen gut eingepudert; zwischen jedes Paar kommt ein Strei¬
fen Filtrierpapier. Besonders vorteilhaft erwies sich uns ge¬
rade auch für die liandschuhsterihsation der
neue, in Schrankform gebaute, grosse Dampf¬
sterilisator von L a u t e n s c h I ä g e r. Es
hat dieser vor den früheren, älteren Modellen
den Vorzug, dass man zuerst durch Emlassen
des Dampfes in den Aussenmantel die im
Innern befindlichen Gegenstände vorwärmen
kann, so dass der dann in den Innenraum ein¬
gelassene Dampf nicht aut kalte Wasche usw.
kommt und sich hier niederschlagt. Nach be¬
endeter Sterilisation wird durch eine Dampf¬
strahlpumpe zuerst der Dampf aus dem
Innenraume ab- und sodann durch Watte fil¬
trierte Luft durchgesaugt. W ahrei JJessen
werden durch weiteres Erwärmen des Au^seii-
mantels die im Innern betir dachen Ciegen-
stände nachgetrocknet. Die Untersuchungen
der Herren Fiessler und Iw ase ze.gcn.
dass dies gerade tur die Sterilisation und den
Gebrauch der Handschuhe von bes: nderem
\orteil ist, so dass uns diese Einrichtung
unseres grossen Dampfsterilisators d»ifur be¬
sonders zustatten kommt.
gelassen. Ueber diesem Behälter ist ein 2. Kasten mit Schiebc-
öffnungen in Boden und Deckel eingepasst, der das obengenannte
Fachwerk zum Einlegen der Gummihandschuhe trägt und nebenbei
auch zur Sterilisation von Verbandstoffen verwendet werden kann.
Der Gebrauch gestaltet sich derart, dass in dem Wasserbehälter das
Wasser zum Sieden gebracht, alsdann der zweite Kasten mit geoffne- ,
ten Bodenlöchern aufgesetzt wird, worauf der Dampf während einer !
halben Stunde auf die Gummihandschuhe einwirken kann. Nunmehr
wird der Wasserbehälter herausgenommen, an seiner Stelle eine bei¬
gelegte Asbestplatte eingelegt, der Handschuhkasten direkt auf den
Untersatz aufgestellt und nunmehr auch bis zur vollendeten Trock¬
nung die Löcher im Deckel des Kastens geöffnet. I m ein Nass-
werden der obersten Handschuhe durch Kondenswnsser nach der
Sterilisation zu verhindern, empfielt es sich, zu oberst eine dünne
Lage von Watte oder ein Handtuch ein/ulegen. Die 'Trocknung der
Handschuhe geschieht rasch und vollkommen. Der Apparat ist von
uns eingehend nachgeprüft und hat sich dabei in bakteriologischer
Hinsicht als völlig sicher arbeitend erwiesen.
Bei dieser Behandlung halten sich die Gummihandschuhe
sehr lange, wie wir an unseren Versuchsobjekten ersehen
konnten, die wir oft tagelang in W asser liegen Hessen, bis sie
weite unförmige Säcke geworden waren, um sie dann wieder
durch sorgfältiges Trocknen in brauchbaren Zustand über¬
zuführen.
Nachtrag von Prof. D öd erlein in München.
Die von den Herren Fiessler und Iwase hier mit¬
geteilten Untersuchungen haben mich veranlasst, diese Dampf¬
sterilisation und Trockenbchandlung der Gummihandschuhe in
der Praxis durchzuführen, und ich stehe nicht an, diese Be-
handlurgsweise aus verschiedenen Gründen den anderen vor-
’) Erhältlich bei den Instrumentenmachern Ludwig Dröll in
Frankfurt a. M. und Frohnhäuser in München.
D igitizec ff 0( ole
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
IS. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1725
Aus der medizinischen Klinik des städtischen Krankenhauses
zu Frankfurt a. M. (Dir.: Prof. Lüthje).
Beitrag zur Klinik und Bakteriologie des Paratyphus.
Von Dr. Adolf B i n g e I, Oberarzt.
Durch die Entdeckung des Bac. paratyphi durch A c h a r d
und B e m s a u d e in Frankreich und Schottmüller und
und Kurth in Deutschland wurde die ätiologische Einheit des
klinischen Begriffes Typhus abdominalis in Frage gestellt. Be¬
kanntlich gelang es den Autoren in Fällen, die klinisch unter
dem Bilde des Typhus verlaufen, einen Bazillus zu finden, der
zwar sehr grosse morphologische und kulturelle Aehnlichkeit
mit dem Eberth-Gaffky sehen Bazillus hatte, der sich aber
von ihm durch ganz charakteristische Eigentümlichkeiten
unterschied. Schottmüller nannte das neue Bakterium:
den Bac. paratyphi. ^
Der Befund dieses neuen Krankheitserregers wurde bald
von zahlreichen anderen Autoren bestätigt. Kayser be¬
schrieb zwei Typen des Paratyphusbazillus, den Typus A und
den Typus B, die sich durch geringfügige Eigenschaften unter¬
scheiden. Doch scheint sich diese Abtrennung nicht durch¬
führen zu lassen. Jedenfalls ist der Typus B der bedeutend
wichtigere und- derjenige, der im folgenden schlechtweg als
Paratyphusbazillus bezeichnet wird.
Die anfangs beschriebenen Fälle von Paratyphus waren
sporadisch aufgetreten oder sie fanden sich während Epidemien
von gewöhnlichem Abdominaltyphus.
Später wurden dann Massenerkrankungen, die nur durch
den Paratyphusbazillus hervorgerufen waren, beobachtet, so
von de Feifer und Kayser, Hünermann, Sion und
N e g e 1 u. a. Ausserhalb des menschlichen Körpers fand man
die Bazillen im Wasser, B r i o n beschuldigt auch die Milch
und das Fleisch als Wohnstätten des Krankheitserregers.
Die anfangs beschriebenen sporadischen Fälle und auch
die Epidemien von Paratyphus unterscheiden sich klinisch
wenig oder gar nicht vom klassischen Abdominaltyphus,
B r i o n schrieb daher noch in seiner Monographie über den
Paratyphus: „Symptomatologisch ist Paratyphus vom Typhus
nicht zu trennen; es gibt kein einziges Symptom, das beim
Paratyphus zur Beobachtung gekommen wäre und das nicht
dem Bilde des Typhus angehört.“
Einen ähnlichen Standpunkt nahm Jürgens in einer
Arbeit aus dem Jahre 1904 ein. Derselbe Autor beurteilt aber
heute die Stellung des Paratyphus zum Typhus anders.
„Manche Erkrankungen“, so sagt er, „gehören zum Typhus
als eine bakteriologisch besondere Form, andere fallen ganz
ausserhalb des Typhusbegriffes.“
Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass manche Fälle von
Paratyphus klinisch unter dem Bilde des Abdominaltyphus ver¬
laufen sind und verlaufen, sehr viele jedoch, besonders aber
auch die Epidemien unterscheiden sich schon klinisch sehr
deutlich von ihm.
Die neuere Literatur unterscheidet im wesentlichen zwei
klinische Krankheitsbilder des Paratyphus, eines, das dem Bilde
des klassischen Abdominaltyphus durchaus gleicht und ein
anderes, von ihm abweichendes, das — wie ich vorweg
nehmen will viel mehr der akuten Gastroenteritis als dem
Typhus gleicht.
Es kann sogar häufig gelingen, ohne die Hilfe der Bak¬
teriologie nur aus den klinischen Symptomen wenigstens die
Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Paratyphusinfektion zu
stellen.
Selbstverständlich bedarf jede klinische Diagnose auf Para¬
typhus der bakteriologischen bezw. serologischen Bestätigung.
Die bis heute vorliegenden anatomischen Untersuchungen
sind noch spärlich. Die älteren Befunde, so von B r i o n und
Kayser unterscheiden sich nicht von d-en bei Typhus er¬
hobenen. Man fand die charakteristischen Läsionen im unteren
Ileum und Kolon. Neuere Arbeiten jedoch, z. B. von Traut-
mann, v. Drigalski, Kutscher zeigen, dass häufig die
Mitbeteiligung des lymphatischen Apparates des Darmes fehlt,
dass die anatomischen Veränderungen vielmehr dem ana¬
tomischen Substrat der schweren Gastroenteritis gleichen.
Auch wir verfügen über eine Sektion, bei der nur gastro-
enteritische Veränderungen nachzuweisen waren.
Auszug aus dem Sektionsprotokoll.
No. 725. K. R., 49 Jahre. 28. VIII. 07.
Klinische Diagnose: Paratyphus. Nephritis chronica?
Tumor in abdomine oder Peritonitis tub.? Emphysem, Bronchitis,
Arteriosklerose, Insufficientia cordis.
Anatomische Diagnose (Dr. Jacobsthal). Akuter
Katarrh des Magens, des Dünn- und Dickdarms. Atrophisches fett¬
reiches Herz, Bronchopneumonie im rechten Unterlappen. Atelek¬
tasen in beiden Unterlappen. Spitzenherde beiderseits mit anthra-
kotischen Herden. Anthrakose der Hilus- und Bronchialdrüsen beider¬
seits. Kalkherde in rechtsseitigen Bronchialdrüsen. Alte Drüsen¬
narben am Halse beiderseits. Verkäsung von pankreatischen Drüsen.
Knochensystem frei von Tuberkulose. Chronische fibröse Peritonitis,
wahrscheinlich auf gonorrhoischer Basis. Trübe Schwellung der
Nieren. Infantiler Typus der Genitalien. Niereninfarkt bei ausge¬
heilter Endokarditis mitralis. Cholezystitis. Cholelithiasis. Abge¬
kapselter käsiger Herd einer Bifurkationsdrüse. Luetische (?) Narben
der Nieren. Zystitis geringen Grades. Kolpitis. Diphtherischer
Zervixkatarrh.
Aus dem Protokoll ist hervorzuheben:
Die Milz ist in derbes fibröses Gewebe eingebettet, nicht ver-
grössert, ziemlich derb, Kapsel gespannt. Follikelzeichnung deut¬
lich. Pulpa nicht vorquellend.
Die obere Dünndarmschleimhaut ist in ihrer ganzen Ausdehnung
leicht geschwollen, im unteren Dünndarm neben der Schwellung an
einer Stelle ausgesprochene Rötung. Der Dickdarm zeigt etwas ge¬
schwollene Schleimhaut. Die Schleimhaut des Kolon und des Sig-
moideums ist ziemlich stark gerötet. Die P e y e r sehen Plaques,
die Follikel und die Mesenterialdrüsen sind nicht gerötet und nicht
geschwollen. Der Wurmfortsatz ist klein und mit engem Lumen.
Die bakteriologischen und klinischen Daten dieses Falles folgen
unter den später mitgeteilten Krankengeschichten.
In neuerer Zeit haben sowohl die klinischen als auch
die anatomischen Anschauungen über den Paratyphüs ver¬
schoben und zwar in der Richtung, dass man heute vielen
Fällen von Paratyphus ein besonderes klinisches und anato¬
misches, vom Abdominaltyphus durchaus abweichendes Bild
einräumen muss.
Ich skizziere zunächst das Krankheitsbild, das durch die
Infektion des Organismus mit dem Bac. paratyphi hervor¬
gerufen wird auf Grund unserer Beobachtungen an etw'a
40 Fällen, um später auf die Fälle im einzelnen einzugehen.
Gewöhnlich bald, oder 1—2 Tage nach der Infektion setzt
ziemlich plötzlich, oft aus der vollen Gesundheit heraus, die
Erkrankung mit steilem Temperaturanstieg ein. Es geht nicht,
wie beim Typhus, eine längere Inkubation und ein Stadium
des langsam ansteigenden Fiebers voraus, während dessen
der Patient nur über allgemeine Erscheinungen, wie Kopfweh,
Uebelkeit und- Abgeschlagenheit zu klagen hat. Heftiges Er¬
brechen und sehr diffuse Durchfälle beherrschen das Bild der
ersten Krankheitstage, während ja Erbrechen bei Typhus sehr
selten zu den initialen Symptomen gehört. Auch die Intensität
und Häufigkeit des Erbrechens und der Durchfälle dürfte bei
Paratyphus eine viel grössere sein.
Oft wird jeder Versuch, Nahrung oder auch nur Flüssigkeit
einzunehmen, mit heftigen Würgbewegungen beantwortet.
Nicht selten werden die Patienten durch enorme Wasser¬
verluste derart mitgenommen, dass sie mit eingefallenen
Wangen, tiefliegenden Augen aufs äusserste erschöpft daliegen
und durch subkutane Flüssigkeitszufuhr wieder belebt werden
müssen. Dabei besteht aber häufig nicht jener eigenartige,
benommene Zustand wie bei Typhus, der der Krankheit ihren
Namen gegeben hat.
Die Patienten erinnern so an die Bilder bei schwerer
Gastroenteritis, an die Bilder bei Cholera nostras.
Der weitere Verlauf des Fiebers gestaltet sich so,
dass eine Kontinua nur selten beobachtet wird; es treten schon
bald Remissionen ein und nach wenigen Tagen erreicht die
Temperatur normale Werte.
Die relative Verlangsamung des Pulses springt
nicht so in die Augen wie bei Typhus. Wieso das kommt,
ist unklar. Oft hat es wohl seine Ursache darin, dass bei
Paratyphus die Temperatur meist nicht so hoch und nur
für kürzere Zeit ansteigt.
Die Diazoreaktion des Urins ist meist negativ, oder
die positive Reaktion besteht nur kurze Zeit, sie tritt event.
w ieder auf beim Einsetzen eines Rezidives.
Das Verhalten der Leukozyten zeigt meist nur
eine relative Leukopenie. Unsere Zahlen liegen zwischen 5000
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1726
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
und 7000. Absolute Leukopenien, dass die Zahlen wie hei
Typhus auf 4000 und 3000 sinken, habe ich bisher bei Para¬
typhus nicht gesehen.
Ab und zu ist M i 1 z t u in o r nachweisbar. Auch ich habe,
wie Lentz, kleine, derbe Milzen gefühlt, während ja bei
Typhus die Milz gross und weich ist.
Herpeseruptionen habe ich in meinen Eiillen nicht
beobachtet.*) Merkwürdigerweise auch nur zweimal ganz
spärliche Roseolen.
Bronchitis fehlte meist oder war sehr gering.
Auch Rezidive kommen vor. sie sind charakterisiert
durch eine 1—2 Tage andauernde Temperaturerhöhung und
durch geringe Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Sie
scheinen erheblich kürzer zu verlaufen als beim Typhus. Pas j
Wiederauftreten der Diazorcaktion macht es oft wahrschein- '
lieh, dass der Fieberanstieg ein Rezidiv und keine Komplikation :
bedeutet.
Fast stets gelingt der Nachweis der Bazillen in den Fäzes
und stellt die vielleicht noch nicht sichere Diagnose klar.
Weniger häufig gelingt die Züchtung aus dem Blute. Sie
scheinen ziemlich frühzeitig aus dem Blute zu verschwinden
und sich dadurch dem Nachweis zu entziehen. Ich glaube aber
nicht, dass man unbedingt für die Diagnose den Nachweis der
Bazillen verlangen muss. Im Verein mit den anderen klinischen
Zeichen des Paratyphus dürfte der positive Ausfall des Ag-
glutinationsphänomens bei einer Verdünnung des Serums von
über 1:80 die Diagnose sichern, besonders auch in den Fällen,
in denen sich die Agglutininbildung erst im Verlauf der Er¬
krankung einstellt. Einige Besonderheiten im Ausfall und Ab¬
lauf der Reaktion werden bei den Epikrisen der Kranken¬
geschichten besprochen werden.
Von Komplikationen beobachtete ich zw eimal akute
hämorrhagische Nephritis. Aehnlich wie beim sogen. Nephro-
typhus wurde sofort bei den ersten Untersuchungen die nephri-
tische Veränderung des Urins festgestellt. Im übrigen boten
beide Patienten die klinischen Erscheinungen des Paratyphus
in geringer Schwere dar. Da die beiden Patienten in der¬
selben Fabrik arbeiteten, muss man im Hinblick auf die (ikich-
artigkeit der klinischen Erscheinungen, speziell der Kompli¬
kation, auf eine gemeinsame Quelle der Iniektion schliessen,
trotzdem dieselbe nicht auffindbar war.
Anderweitige Komplikationen, etwa von
seiten des Zirkulationsapparates, Eiterungen sollen ebenso wie
beim Typhus Vorkommen. Ich habe sie in meinen Fällen aber
nicht beobachten können.
Die Prognose ist durchaus günstig. Todesfälle
kommen vor, doch betreffen sie meist Individuen, die durch
andere Erkrankungen geschwächt sind. In dieser geschilderten
Weise erschien mir im allgemeinen auf Grund meiner Beob¬
achtungen das Bild der sporadisch auftretenden Fälle von Para¬
typhus.
Ich lasse nun die Krankengeschichten meiner Fälle in
kurzen Auszügen folgen.
F a 11 I. K. R., 49 Jahre alt.
Die Pat., Puella publica, erkrankte 3 Tage vor der Aufnahme
ins Krankenhaus mit heftigen Schmerzen im Leib, Erbrechen und
starken Durchfällen.
Ausser einem, vor einigen Jahren durchgemachten Lungcir-
katarrh will sie stets gesund gewesen sein; sie ist aber wohl ziemlich
sicher gonorrhoisch infiziert gewesen.
Die Untersuchung ergab eine kleine, schlecht genährte, kvplio-
skoliotische Patientin in sehr kollabiertem Zustand. Am Hals einige
Narben von Drüsenoperationen, über den unteren Lungenpartien hört
man spärliche bronchitische (ieräusche. Der Puls ist unregelmässig,
ungleichmässig, frequent, klein, weich, kaum fühlbar. Die Per¬
kussion des Herzens gibt wegen L'eberlagerung durch die Lungen
kein sicheres Resultat.
Der Leib ist aufgetrieben, links vom Nabel fühlt man eine tumor¬
artige. sehr druckempfindliche Resistenz. Aszites ist nicht nachweis¬
bar. Leber und Milz sind nicht deutlich fühlbar. Ls bestehen
starke wässerige Durchfälle ohne Beimengungen von Blut oder
Schleim. |
") Nach Abschluss der Arbeit beobachtete ich einen l all von
I aratyplms mit Herpes labialis; ferner einen Lall von (iastroenteri-
tis. die klinisch w ie ein Paratyphus aussah, der aber weder bakterio¬
logisch noch serologisch bestätigt w erden konnte, mit Herpcseruptioii
nn Verlauf des linken Nervus occipitalis minor.
Es gelingt die Züchtung von Paratyphusba/dlcn aus dem Stuhl,
dagegen nicht aus dem Blute.
Der l rin enthalt massige Mengen von Liweiss, In ahne unJ
granulierte Zylinder.
Das Blutserum agglutimcrt Paratv phusbazrUen in einer V erdün¬
nung von I : -4(1.
Die I emperatur. die bei der Aufnahme 37" betragen hat, sinkt in
den folgenden lagen auf 3t».7 und 35.0.
Umer zunehmender Her zschw ac!;c tritt der Tod am 6. Jage
nach der Aufnahme ms Krankenhaus, am V läge der Erkrankung
cm. Die anatomische Diagnose und das Wichtigste aus dem Stk-
tionsprotokoll habe ich oben arigeluhrt.
Fs handelte sich also um eine durch Her/msuifi/ienz.
Kyphoskoliose. Emphysem. Bronchitis und chronische Peri¬
tonitis geschwächte Person.
Die auf Paratyphus hinweisenden Symptome waren ledig¬
lich das Erbrechen und der Durchfall, objektiv nachweisbare
Organveränderungen, die durch die Paratyphusiufckiion her¬
vor ge rufen sein konnten, fehlten. Der stark geschwächte
Körper konnte die Infektion nicht überwinden.
Fall II. A. Sch.. 22 Jahr. EhePau.
Die Patientin erkrankte 7 läge vor der Aufnahme ms Kranken¬
haus plötzlich mit heftigem Erbrechen. Purcht.oi und Appetitlosigkeit.
Die [ ntetAucfiung ergab eine grosse, kr.niige flau m recht
reduziertem Ernähr uugsziistaiul.
Ls bestellt keine Bronchitis, kein Mil/tunmr. keine Roseolen.
Ls gelingt Weder der Nachweis der I ’aratv p?msh,i/»;.cn irn >tuhi
n "ch im Blute. Dagegen aggüitmmile das B iitserum P;rat\phus
m einer Verdünnung v.»n t : 3Jn. Die Körpertemperatur war stets
normal. Der Durchfall stand bereits am 2. Jage n.idi der Autn.dimc.
Erbrechen wurde m der Klinik überhaupt iiiclil tc.h.uhtet. Am
Tage nach dem Amtreten der ersten Erscheinungen wir Je me
Patientin geheilt entlassen.
Bei dieser Patientin waren die auf Para!\phus hinweisen¬
den Symptome ebenfalls nur das Erbrechen und der Durchfall.
Der Befund war, abgesehen von dem stark positiven Ausfall
der Agglutinatunsprohe. ein durchaus negativer.
Die Diagnose konnte aber wohl bei dem Zusammentreffen
der gastrocntcritischen Symptome u d der hoben Aggluti-
nationsfähigkeit des Blutserums niJit zweifelhaft sein.
f '.. a 1 1 f| l. M 1... 4<> Jahr. Musiker, gibt an. vor etwa M lagen
Kartone- und Dur keiisal.it gegessen zu haben. Er habe dar.nu
heftige Leibschmerzen. Purchti.il um] Irhrcchcn bekommen. die Ir-
Sehemuiigeii hatten ba'd nachgelassen, aber seit (» lagen bestunden
sie m erneuter Heftigkeit und zwar v. sta-k. dass er überhaupt keine
Nahrung, nicht einmal fDss.ee, he. sich hcha’ten könne Ir sc,
dadurch so henmtergekomm.-M und schwach geworden, dass er mehr¬
mals vor >chwache hinge! dien sei.
Die l iitersuchung ergibt einen grossem kräftig gebauten M imi
in ausscTst heruntergekommenem Zustand. Die Haut im trocken imd
laltig. das Besicht emgciahen, der Puls sehr klein und weich, aber
regelmässig.
Es besteht geringfügige Bronchitis, aber weder Mil/tuumr. imdi
Koseoien, auch die Dia/oreaktmn ist negativ, die Zahl der wissen
Blutkörperchen betragt fön. Das >erum agglutimcrt Paratvphus ,n
der Verdiinnung von j : mi
Patient erbricht fast fortwährend, schon bei der geringsten
Nahrungsaufnahme. V ie.rtelMund.ich erfolgen gom idie u .ssene-
Entleerungen, aus denen die Kultur des Paralv phusba/.drs gelingt'.
Wegen der starken VV usserve rarmung wc e'i b 'iiCj*mc:i \ .1
Physiologischer Kochs,iId,»surre vor geriomn em Die I emperatur be¬
trug am I. lag»- m aviila 3s.S und sank am i.-ken.Jen läge zur
Norm al), um sidi nicht mehr darüber zu e-iieberu
Nach 3 lagen lassen die Durditaile und das Erbrechen nadi.
i-S trat ungestörte Rckoirv aleszciiz ein.
, Auch bei diesem Patienten, der seine Erkrankung auf den
(icnuss von Kartoffelsalat beziehen zu müssen glaubt ver-
möseti wir alle S\mptome, die den Verdacht auf eine t'yphns-
almliebe Erkrankung lenken konnten. Er bietet das H;ld der
schweren t iastroenteritis mit gern ger Temperatnrs
Die Kultur der I’aratypliusl'aZilleti aus den w a-
■sichert die Diagnose.
l ull IV. B. f .. J5 Jahre, k >dun.
Die Patientin fühlte sidi seit 7 |.,g.-u \
Klinik nicht recht Wohl. s;c hatte kmnweh
""d appetitlos, doch hatte sic weder E»
und auch keine l.eibschmm/eii.
Es handelte sidi um eilt grazil gebautes Mädchen
I.rrialiriiugs/ijstand. das einen recht »ti.ofvr’ aber I-1
menen Eindruck madne.
Der Drganbei.md war negativ. insK s-m Je ■ c bestand keine Born,
slntis. kein .Mi/tumor. keine R..sc..\„. I.e»n |»od;a I. de» t r.u wa»
hvi. zeigte auch kerne Pi.i/.»rc.ik:i m. Ii : wir Kn IVatvphu's-
ge rillig,
asserigeti MtihYn
!er \ufrah.me in d.e
^ Mw in ie’get P'.l. w a•
U.eri nogh Durch tu I
in rr assi^m
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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bazillen nicht nachgewiesen. Die Zahl der Leukozyten betrug 7600.
Das Blutserum agglutinierte Paratyphus in einer Verdünnung von
1:320 stark (bei 3 Untersuchungen an verschiedenen Tagen).
Die Temperatur betrug 38,'um am nächsten Tage noch auf
38,7 anzusteigen und dann in den nächsten Tagen auf 37,2, 37,4, 37,0,
37,4 abzufallen, am 15. Krankheitstag trat nochmals eine Steigerung
auf 38,0 ein. Die Pulszahl bewegte sich zwischen 80 und 86.
Der Verlauf war günstig, die Patientin wurde am 32. Krank¬
heitstag geheilt entlassen, nachdem sie 5 kg an Gewicht zugenommen
hatte.
Bei dieser Patientin bestanden also lediglich Allgemein¬
erscheinungen; Erbrechen und Durchfall, die sonst immer das
äussere Bild der Paratyphuserkrankung beherrschten, fehlten
bei ihr. Die Diagnose wurde bei Ausschluss anderer Er¬
krankungen, nur aus der hohen Agglutinationsfähigkeit des
Blutserums, den Allgemeinerscheinungen und der Temperatur¬
erhöhung gestellt.
Interessant ist die Temperaturerhöhung am 15. Tage, die,
da eine andere Ursache fehlte, wohl als ein ganz leichtes
Rezidiv gedeutet werden kann.
F a 11 V. B. R., 20 Jahre, Arbeiterin.
Die Patientin erkrankte 2 Tage vor der Aufnahme in die Klinik
mit heftigem Erbrechen, angeblich alle 3 Minuten und zahlreichen
Durchfällen, nachdem sie sich etwa schon 6 Tage lang nicht
ganz wohl gefühlt hatte. Sie glaubt sich die Erkrankung durch den
Genuss von Fleischwurst zugezogen zu haben.
Die Untersuchung ergab ein kräftig gebautes Mädchen in mas¬
sigem Ernährungszustand. Sie machte einen recht geschwächten,
aber keineswegs einen „typhösen“ Eindruck, die Augen lagen sehr
tief, die Extremitäten waren kühl, der Puls war sehr klein, weich und
frequent, 120 Schläge in der Minute.
Der Organbefund war negativ, es bestand keine Bronchitis,
keine Roseolen, kein Milztumor.
Es besteht heftiges Erbrechen und starke Durchfälle. Para¬
typhusbazillen konnten weder im Stuhl noch im Blut nachgewiesen
werden. Dagegen agglutinierte das Serum der Patientin Para¬
typhus in der Verdünnung 1:80 bei 2 maliger Untersuchung an ver¬
schiedenen Tagen.
Die Temperatur betrug am ersten Tage 38,5 und sank dann im
Laufe von 3 Tagen zur Norm ab, um sich nicht wieder darüber zu
erheben.
Die anfangs starke Schwächung des Gesamtzustandes wurde
durch Infusionen von physiologischer Kochsalzlösung wirksam be¬
kämpft. Der Verlauf war ein durchaus günstiger. Die Patientin
wurde am 17. Krankheitstag als geheilt entlassen.
Bei dieser Patientin, die den Genuss von Fleischwurst für
ihre Krankheit verantwortlich macht, standen die gastro-
enteritischen Beschwerden absolut im Vordergrund des Krank¬
heitsbildes. Das überaus heftige Erbrechen und die ganz
profusen Durchfälle hatten eine so hochgradige Wasserver¬
armung und Schwächung des Organismus hervorgerufen, dass
Injektionen reichlicher Mengen physiologischer Kochsalz¬
lösung vorgenommen werden mussten. Wenngleich die
Agglutinationsfähigkeit des Serums keine hohe war, durfte man
sie wohl doch im Verein mit den klinischen Erscheinungen für
die Diagnose einer paratyphösen Erkrankung verwerten.
F a 11 VI. T. L., 18 Jahre, Hausbursche.
Seit 4 Tagen fühlt sich der Patient matt und elend, er ist
schwindelig und zittert an allen Gliedern. Am 2. Tag der Erkrankung
trat heftiger Durchfall ein ohne Erbrechen oder Aufstossen.
Die Untersuchung bei der Aufnahme ergab einen schmächtigen
jungen Mann in mässigem Ernährungszustand. Er macht einen recht
apathischen, etwas somnolenten Eindruck.
Die Zunge ist ziemlich stark belegt, es besteht keine Bron¬
chitis, kein Milztumor, keine Roseolen.
Der Urin zeigt schwach positive Diazoreaktion, im übrigen
nichts krankhaftes.
Die Zahl der Leukozyten beträgt 5400, das Blutserum aggluti¬
nierte Paratyphus am ersten Tag in einer Verdünnung von 1 :160,
am folgenden Tage bereits über 1 :320.
Im Stuhl konnten Paratyphusbazillen nachgewiesen werden.
Die Temperatur zeigte in den ersten 5 Tagen abendliche Spitzen
bis 38,0. Die Pulszahl bewegte sich um 80.
Der Verlauf war durchaus günstig. Am 17. Krankheitstag trat
eine abendliche Temperaturzacke auf 39,1 ein, ohne dass eine Ursache
dafür bemerkbar gewesen wäre.
Die Rekonvaleszenz war dann ungestört. Am 25. Tage nach
dem Einsetzen der Erkrankung konnte der Patient geheilt entlassen
werden mit einer Gewichtszunahme von 7 kg.
Dieser Pat. war der einzige unter den von mir beob¬
achteten, der sich in einem typhösen Zustand befand. Im
übrigen bot auch er nur die Zeichen der' schweren (jjastro-
enteritis, deren' Aetiologie durch die Agglutiinationsfahigkeit
des Blutserums und durch die Züchtung der Paratyphus¬
bazillen aus dem Blute klar wurde. Auffallend war die Tem¬
peraturzacke am 17. Krankheitstage, für die ich eine Erklärung
nicht zu geben wage. Für ein Rezidiv dauerte die Temperatur¬
erhöhung wohl etwas zu kurz an.
Fall VII. W. Br., 24 Jahre, Schlosser.
Der Kranke, der sich auf der Wanderschaft befand, bekam am
Tage vor der Aufnahme plötzlich auf dem Marsche Leibschmerzen,
Erbrechen und profuse Durchfälle.
Die Untersuchung bei der Aufnahme ergab einen kräftigen, gut
aussehenden, jungen Mann in gutem Ernährungszustand.
Es besteht mässiger Milztumor, aber keine Roseolen, keine
Bronchitis.
Die Zahl der Leukozyten beträgt 5000. Der Urin zeigt schwache
Diazoreaktion, aber keine pathologischen Bestandteile.
Es gelingt die Züchtung der Paratyphusbazillen aus dem Stuhl,
dagegen nicht aus dem Blute.
Auffallend war die sehr geringe Agglutinationsfähigkeit des Blut¬
serums. Erst am 17. Krankheitstage trat das Phänomen bei einer
Verdünnung von 1 :40 ein, um nach wenigen Tagen wieder zu ver¬
schwinden.
Die Temperatur betrug 38, sank schon am nächsten Tage zur
Norm ab. Am 9. Krankheitstage trat ohne besondere Störung des
Allgemeinbefindens ein plötzlicher Aufstieg auf 39,2 ein, noch am
nächsten Tage bestand Fieber von 38,9. Am folgenden Tage sank
dann die Temperatur wieder zur Norm, um bis zum Tage der Ent¬
lassung, 32 Tage nach dem Beginn der Erkrankung, normal zu
bleiben.
Auch bei diesem Pat. standen die gastroenteritischen
Störungen durchaus im Vordergrund der Erscheinungen. Von
objektiven Symptomen bestand nur ein mässiger Milztumor.
Auffallend war bei diesem Fall der plötzliche abermalige
Anstieg der Temperatur am 9. und 10. Krankheitstage.
Fall VIII. R. P., 32 Jahre, Schreiner.
8 Tage vor der Aufnahme hatte der Patient einmal starken
Durchfall, seitdem ist sein Stuhl verstopft. Wegen zunehmender
Müdigkeit, Schwäche und Appetitlosigkeit suchte er die Klinik auf.
Es handelt sich um einen ziemlich grossen, grazil gebauten
jungen Mann, in leidlichem Ernährungszustand. Auf der Haut des
Bauches und der Brust sieht man einige roseolenähnliche Fleckchen.
Die Brustorgane bieten ausser mässiger Bronchitis keine Ver¬
änderungen.
Die Milz überragt den Rippenbogen um 1 Querfinger und fühlt
sich ziemlich derb an. Der Urin ist frei und zeigt keine Diazo¬
reaktion.
Die Zahl der Leukozyten betrug 6500 und 7900 bei verschiedenen
Zählungen. Es gelang die Züchtung von Paratyphusbazillen aus dem
Blute, während sie aus dem Stuhl nicht gelang.
Das Serum des Patienten agglutinierte trotz 3 maliger Prüfung an
verschiedenen Krankheitstagen weder Paratyphus noch den eigenen
Stamm noch 3 weitere Stämme des hiesigen Institutes für experi¬
mentelle Therapie
Die Temperatur betrug am 1. Tag 37,8 und stieg nicht über 37,
abgesehen von einer kleinen Spitze von 37,2 am 28. Krankheitstag.
Der Kranke wurde geheilt entlassen, die Milz war kleiner ge¬
worden, aber noch deutlich fühlbar. Eine andere Ursache als die
Paratyphusinfektion konnte für den Milztumor nicht gefunden werden.
Der Fall ist insofern bemerkenswert, als die eigentlichen
Darmerscheinungen schon 8 Tage zurücklagen, und dass erst
zunehmende Schwäche den Patienten veranlasste, das Kranken¬
haus aufzusuchen.
Von objektiven Symptomen zeigte er einen ziemlich derben
Milztumor und leichte Bronchitis und Roseolen. Die Tem¬
peratur stieg nicht über 37,8.
Dieser Fall bot also doch wenigstens einige klinische
Zeichen, die den Verdacht auf Typhus abdominalis erwecken
konnten, nur war der Milztumor im Gegensatz zu den bei
Typhus zu beobachtenden, ziemlich derb.
Ganz besonders auffällig verhielt sich das Serum. Es
agglutinierte niemals, trotz dreimaliger Untersuchung an ver¬
schiedenen Krankheitstagen und zwar agglutinierte es weder
den gewöhnlich zu den Agglutinationsproben benutzten, noch
3 weitere Stämme des Instituts für experimentelle Therapie,
noch endlich den aus dem Blute des Patienten gezüchteten
Stamm.
Merkwürdiger Weise gelang die Züchtung der Paratyphus¬
bazillen aus dem Blute, während sie aus den Dejektionen des
Patienten nicht gelang.
F a 11 IX. H. Fr., 33 Jahre, Dachdecker.
Der Pat. erkrankte einen Tag vor der Aufnahme in die Klinik an
Leibschmerzen und sehr häufigen wässerigen Durchfällen ohne Er¬
brechen. Er macht für seine Erkrankung einen Trunk kalten Wassers
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No. 33.
verantwortlich. Er glaubt, schon seit einer Reihe von Jahren be¬
obachtet zu haben, dass ab und zu an den Genuss kalten Wassers
sich derartige Darmerscheinungen anschliesscn. Vor einigen Jahren
hatte er ein schweres Kopftraumä erlitten, das aber fiir die Be¬
urteilung des vorliegenden Krankheitszustandes keine Rolle spielt.
Es handelte sich in diesem Falle um einen mittelgrosscn, kräfti¬
gen Mann in gutem Ernährungszustand. Abgesehen von den durch
das erwähnte Trauma bedingten Erscheinungen lagen objektiv nach¬
weisbare Organveränderungen nicht vor. Es fehlten insbesondere
Milzschwellung, Roseolen, Bronchitis, Diazoreaktion.
Die Widalsche Reaktion war am 3. Krankheitstage positiv in
einer Verdünnung von 1:80, am 9. in einer Verdünnung von 1: Um»,
am 17. Krankheitstage war sie negativ.
Die Kultur der Paratyphusbazillen aus Stuhl oder Blut gelang
nicht.
Wir hatten es also auch hier mit einen» Krankheitsbilde zu
tun, das nur die Züge der akuten Gastroenteritis aufwies, das
die Symptome des Typhus abdominalis vermissen liess. Die
Diagnose der Aetiologie der Gastroenteritis durfte man wohl
auf Grund des Auftretens und Verschwindens der W i d a I -
sehen Reaktion auf Paratyphus stellen.
F a 11 X. P. Sch., 31 Jahre, Schlosser.
Der Patient erkrankte 2 Tage vor der Aufnahme in die Klinik
mit heftigem Erbrechen und intensiven Durchfällen, allgemeiner
Mattigkeit.
Die Untersuchung ergab einen kräftigen Mann in gutem Er¬
nährungszustand.
Lungen und Herz zeigten keine Besonderheiten. Die Zunge w ar
stark belegt. Der Leib zeigte einige Roseolen, Die Milz war nicht
fühlbar. Es bestehen sehr häufige, krümelig-breiige und wässrige
Stuhlgänge, aus denen die Züchtung der Paratyphusbazillen gelingt.
Das Blutserum agglutinierte Typhusbazillen nicht, dagegen Para¬
typhusbazillen in einer Verdünnung von über 1:320, dieser hohe
Agglutinationswert, war gleich bei der ersten Untersuchung vor¬
handen und schwand nicht während der 33 tägigen Beobachtungs-
zeit.
Die Zahl der Leukozyten beträgt 5500. Der Urin enthält 5 Prom.
Albumen nach Esbach; das Sediment zeigt reichlich rote, wenig
weisse Blutkörperchen, viele granulierte und Blutkörperchenzylinder
und Nierenepithclien. Die Diazoreaktion ist negativ.
Die Kultur der Paratyphusbazillen aus dem Urin gelingt nicht.
Die Temperatur beträgt in axilla 39,8, sinkt am folgenden Tag
auf 39 und kehrt am 3. Tag zur Norm zurück.
Der Krankhcitsverlauf war günstig, die Durchfälle standen nach
5 Tagen, nachdem das Erbrechen sofort aufgehört hatte. Die Nephri¬
tis ging zurück, ist aber am 36. Krankheitstag, an dem der Patient
gegen ärztlichen Rat das Krankenhaus verlässt, noch nicht geheilt.
Fall XI. VV. O., IH Jahre. Schlosser.
Erkrankte 4 Tage vor der Aufnahme in die Klinik plötzlich mit
starken Durchfällen, Schmerzen in der Magengegend, Kopfweh und
dem Gefühl grosser Mattigkeit.
Es handelt sich um einen schlanken jungen Mann in gutem
Ernährungszustand. Die Zunge war nüissig belegt. Die Brust- und
Bauchorgane zeigen keine erkennbare Veränderung, insbesondere
besteht keine Bronchitis und ist die Milz nicht vergrössert. Roseolen
sind nicht zu sehen, traten auch später nicht auf.
Die Züchtung der Paratyphusbazillcn aus dem Stuhl oder dem
Blut gelingt nicht, trotz 4 maliger Untersuchung an verschiedenen
Tagen.
Das Blutserum agglutinierte anfangs weder Typhus- noch Para¬
typhusbazillen. Erst am 9. Krankheitstag trat Agglutination gegen
Paratyphus in einer Verdünnung von 1:80 ein und war 10 läge
später noch vorhanden.
Die Temperatur stieg nie über 37,3 in axilla.
Der Urin enthielt geringe Mengen Albuinen, das Sediment zeigte
sehr viele rote, wenig weisse Blutkörperchen und granulierte
Zylinder.
Dieser Patient war in derselben Fabrik wie der vorige, P. Sch.,
doch weiss er ebensowenig wie der andere irgendwelche Angabe
über eine mutmassliche Infektionsquelle anzugeben.
Die Diagnose möchte ich in diesem Falle aus dem Auftreten
der Agglutinationsfähigkeit des Serums sowie in Anlehnung an den
vorigen Fall stellen.
Nach 4 Wochen konnte der Patient als geheilt entlassen werden.
Die beiden letztgenannten Fälle, von denen der eine als
typhusähnliches Symptom einige Roseolen erkennen liess,
zeichneten sich dadurch aus, dass eine akute hämorrhagische
Nephritis das Bild eines Paratyphus mittlerer Schwere, der
durch die Züchtung der Bazillen aus dem Stuhlgang des einen
Patienten sichergestellt war - , komplizierte. Aelmlich wie
beim sog. Nephrotyphus wurde sofort bei der ersten Unter¬
suchung die nephritische Veränderung des Urins festgestellt.
Es fanden sich in dem trüben, schon makroskopisch sich als
bluthaltig erweisenden Urin mikroskopisch die Zeichen der
akuten hämorrhagischen Nephritis.
Beide Pat. hatten in derselben Fabrik gearbeitet, aber in
getrennten Räumen.
Ihr Essen stammte aus verschiedenen Küchen.
Man muss aber trotzdem im Hinblick auf die Gleich¬
artigkeit der Infektion und der klinischen Erscheinungen, so¬
wie der Komplikation auf eine gemeinsame Duelle der Infektion
schliesscm, obwohl sie nicht auffindbar war.
Fall XII. M. Seh., 21 Jahre. Apotheker.
Der Patient erkrankte 3 Tage \<>r der Aufnahme ins Kranken¬
haus mit Schüttelfrost, heftigen Durchfallen. Brechreiz, allgemeiner
Schwäche und Abgeschhgenheit.
Bei seiner Aufnahme ins Krankenhaus bestand mir poch ganz
wenig Durchfall bei gutem Wohlbefinden. Orgam erandeningen
waren nicht nach/uw eisen, insbesondere bestand keine Bronchitis,
kein Milztumor, keine Roseolen.
Die Diazoreaktion war negativ.
Aus dem Stuhl gelang die Züchtung vonTvphus- unJ Parat\phus-
bazillen. Die Widalsche Reaktion war m den ersten lagen nega¬
tiv. Am 13. J age aber agglutinierte das Serum J \ plins- und Para-
t\ phusbazillcn in einer Verdünnung von 1 : ln».
Am 32. läge nach Beginn der Erkrankung wurde der Pat. ge¬
heilt entlassen, nachdem 2 mal Bazillen»reihen des Stuhls n.ich-
gew iesen war.
Dieser Fall bietet dadurch besonderes Interesse, als bei
ihm Typhus- und Paratyphusbazillen im Stuhle nachgewiesen
werden konnten, auch das Serum agglumr.erte sowohl Typhus
als Paratyphusbazillen in einer Verdünnung von 1: U«o
Trotz des Befundes von Typhusha/illeu zeigte der Patient
keinerlei klinische Erscheinungen von Typhus abdominalis.
Das Kranklleitsbild entsprach vielmehr nur dem einer
leichten Gastroenteritis.
Einer besonderen Besprechung bedürfen meines Erachtens
die Massenerkrankimgen durch Paratyphusbazillcn. da s;e wie
alle Massenerkrankungen ihre besonderen Eigentümlichkeiten
haben und oft von dem Bilde der sporadisch auftretenden lalle
abweichen.
Ich hatte Gelegenheit, eine solche Massenerkrankung, her¬
vorgerufen durch den Bacillus paratxphi. zu Tv< baJitcn.
Ich nehme die bakteriologischen Untersuchungen bei dieser
Massenerkrankung vorweg. Sie wurden ebenso wie die bak¬
teriologischen und serologischen Prüfungen der sporadischen
Fälle im Frankfurter Institut für experimentelle Therapie von
Herrn Dr. Gins unter Leitung von Herrn Prof. Ne iss er
vorgenommen.
Diesen Herren erlaube ich mir fnr ihre grosse Mühe¬
waltung und die liebenswürdige Ucbcrlassuug ihrer Unter¬
suchungsergebnisse meinen verbindlichsten Dank auszu¬
sprechen.
Bakteriologische Untersuchungen über die
Mass e n e rkrank u n g.
Die Züchtung des Bacterium paratyplu gelang aus den
StiiIllen fast aller Erkrankten.
Aus vielen Stühlen wurde ein Stamm gezüchtet und einer
genauen bakteriologischen Analyse unterworfen. Die Rcin-
ziiehtung wurde durch Ausstreidieii auf Endoplattensatzc be¬
werkstelligt und gelang meist. Als typisches Beispiel fahre
ich das kulturelle Verhalten des Stammes I auf. das ans felgen¬
den Tabellen ersichtlich ist.
Kultur I. I kitnm: 5. \ |||. ti7.
T ;u’ <•
1 2 3 4 5
lS;»rsi«kt<wsUckmn*-
Nutr.-setehrh.wlen
Beweglichkeit....
Cir.im ..
In<lollti|ilunsr.
Mikh/.urkmirar. .
Traubpn 7 . 11 cker. 11 r. 1 r
L:trkmii^uiolk« 1 . . .
Mileli^orinmuiLT . .
Kmloplatten.
beweglich beweglich
negativ
nicht
kein*
nicht zeriss.
zeriwn
rot bläulich M.iu M.m
keine
weiss
mit M.mnit: r--t. g*-
rc*n:;en,
mit Mil< lizu< k«T: un-
t*r.tndert,
mit Traubon/u- k»*r: r-t.
cef-nn*-!..
| Es wurden ferner J terversuche mit Stamm I vorge-
i nommen. Am o. \ III. 07 wurden m,t t.i.a 24 gen
' Bouillon killt 11 r folgende liefe geimpft:
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18. August 1908.
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1. Maus, Nase rot, 0,2 ccm intraperitoneal, + am 7. VIII. 07.
2. Maus, Nacken rot, 0,3 ccm subkutan, + am 7. VIII. 07.
3. Maus, Rücken rot, 0,3 ccm intrastomachal, stirbt am
8. Tage.
4. Meerschweinchen, rechter Hinterfuss braun, 0,4 ccm
intraperitoneal, + am 7. VIII. 07; aus dem Herzblut bewegliche
Stäbchen.
5. Taube, Kopf rot, 0,4 ccm intramuskulär. Nach 4 Wochen
geschlachtet, Brustmuskel paratyphös.
Des weiteren wurde die Agglutination geprüft, die poly¬
valentes Sclnveinepestserum bei dem Stamm I und bei einem
Stamm des Institutes für experimentelle Therapie, der von einer
Fischvergiftung 1 ) herrührte, hervorrief.
7. VIII. Polyvalentes Schweinepestserum gegen
StammT: Stamm Fischvergiftung:
V 400 4 - -f- 1 Uoo -j—f- --
'/SOO -j-f“ 'iSOO -i- -j-
’/iaoo -f- ? V 1600 -|-j-p
’/aaoo — *, f 3800 4*
1 /d400 -p
1 i 18800 - ?
Schliesslich wurde die Agglutinationsfähigkeit des Serums
einer Patientin noch genauer analysiert.
■ Patientenserum }
Gegen Stamm I: Gegen Schottmüllers Paratvphus B:
v*» + f f J /«o 4- 4- +
' 1*0 4--p 1 .40 -1— 1 —p
1 /so 4* -- '/so -j- 4 —P
'/ioo -p -- '/leo 4" 4—P
V 3*0 -f- -f- 1 !ato 4" 4 —1
15. VIII. Patientenserum (Fall 1857 und 1858, gemischt) gegen:
Ma (Aertryk) Na (Psittakose)
l !w— l i sw negativ. 1 i- 2 o— l l 320 negativ.
W. A. (Enteritis Gärtner).
V*o — l iat 0 negativ
L. (Mäusetyphus)
V *o +
V 40 —'/aao negativ.
Z. (Paratyphus Lipstein)
1 +
1 40 4"
Vso —'lato negativ.
Klinisches über die Massenerkrankung.
Im Juli 1907 trat unter unseren Schwestern eine Massen¬
erkrankung auf. Im Laufe zweier Tage erkrankten von 54
Schwestern die Hälfte, mit starker Beeinträchtigung des All¬
gemeinbefindens, Kopfweh, heftigem Erbrechen und profusen
Durchfällen, die bis zu 20 und 30 Mal in 24 Stunden sich wieder¬
holten und erbsenbreiartige bis wässerige Beschaffenheit
zeigten.
Das Fieber stieg bei einigen bis auf abendliche
Höhen von 40° und hielt 2—3 Tage an. Ich füge einige
Kurven bei.
An den inneren Organen der Erkrankten traten
objektiv nachweisbare Veränderungen nicht auf, insbesondere
waren Roseolen, Milzschwellung etc. nicht nachweisbar.
Der Verlauf der Erkrankungen war ein durchaus gut¬
artiger, spätestens am 3. Tage trat Entfieberung ein, während
die Durchfälle bei einigen erst nach 6—8 Tagen schwanden.
Doch machte sich bei den meisten der Erkrankten noch einige
Zeit nach dem Ueberstehen der Infektion eine starke
körperliche Schwäche bemerkbar, die ganz im Einklang stand
mit den starken Gewichtsverlusten der Patientinnen.
Das Körpergewicht sank, grösstenteils wohl infolge
der grossen Wasserverluste, durchschnittlich um 2,5 kg.
Neben dieser Form der Erkrankung, die mit starken
Störungen des Allgemeinbefindens einherging, kamen solche
vor, bei denen nur leichtes Unbehagen und wenig aber gar
keine Durchfälle beobachtet wurden.
Zwischen beiden Extremen fanden sich alle Uebergänge.
Als Ursache der Erkrankung konnte fast bei allen
Patienten der Bacillus paratyphi B aus den Stuhlgängen ge¬
züchtet werden. Dagegen gelang es nicht sicher, die doch
gewiss gemeinsame Quelle der Infektion nachzuweisen. Mit
Wahrscheinlichkeit ist Aufschnitt als Infektionsträger verant¬
wortlich zu machen.
*) Vergl. Erkersdorff, Heft 4 der Arbeiten aus dem KkI. In¬
stitut für experimentelle Therapie 1908 (Gustav Fischer. Jena).
No. 33
Die Agglutinationsfähigkeit des Serums wurde aus
äusseren Gründen bei den meisten der Erkrankten erst am
9. Tage nach dem Einsetzen der klinischen Erscheinungen ge¬
prüft. Sie wurde bei allen stark positiv gefunden, über 1:320.
Bei den 4 Patientinnen, die am stärksten mitgenommen
waren, wurde sie schon am 5. Tage angestellt. Sie fiel negativ
aus bei dreien. Bei einer agglutinierte das Serum jetzt schon in
einer Verdünnung von 1:80. 4 Tage später agglutinierte auch
bei ihnen das Serum in sehr starken Verdünnungen. Der stark
positive Ausfall der Wi da Ischen Reaktion war am 12. Tage
nach Eintritt der ersten Krankheitszeichen noch vorhanden,
aber bei 6 Erkrankten machte sich schon jetzt ein Rückgang in
der Stärke der Reaktion bemerkbar. Nach weiteren 6 Wochen
war das Phänomen bei einigen darauf Untersuchten nur noch
in ganz schwachen (1:20) Verdünnungen positiv.
Auch das Serum von 27 gesund gebliebenen Schwestern
wurde untersucht. Es ergab sich die Tatsache, dass 3 von
ihnen, obwohl sie nicht die mindesten Erscheinungen gehabt
hatten, starke Agglutinationsfähigkeit, über 1:320, einige
schwächere, nämlich 1:80, und die übrigen keine Aggluti¬
nationsfähigkeit des Serums zeigten. Man muss wohl an¬
nehmen, dass der Organismus derjenigen, deren Serum Aende-
rungen der Agglutinationsfähigkeit aufwies, zwar infiziert
worden ist, dass er aber dieser Infektion Herr geworden ist,
ohne im klinischen Sinne zu erkranken.
Kurz zusammengefasst handelt es sich also um Erkran¬
kungen, die das Bild der leichten bis mittelschweren Gastro¬
enteritis ohne Organveränderungen darboten.
Charakteristisch war die Plötzlichkeit, mit der die Er¬
scheinungen einsetzten, die das Allgemeinbefinden stark beein¬
trächtigenden Magendarmerscheinungen und der doch milde
und gutartige Verlauf.
Diese Beobachtungen an einzelnen Fällen und an einer
Massenerkrankung zeigen wohl, dass die Paratyphusinfektion
meist ein besonderes Krankheitsbild, das zwischen den Bildern
des Typhus und der Gastroenteritis steht, bietet.
Doch lässt sich eine scharfe klinische Trennung häufig
nicht durchführen, es kommen vielmehr Uebergänge nach
beiden Richtungen hin vor. Immerhin scheint die Er¬
krankung, wenigstens auf Grund meiner Beobachtungen,
häufiger der akuten Gastroenteritis und
jenen Erkrankungen, die als Nahrungsmittel¬
vergiftungen beschrieben worden sind, zu
gleichen, wie ja überhaupt diese Erkrankungen durch die
Entdeckung des Paratyphusbazillus und der ihm nahe stehenden
Bazillen in ein anderes Licht gesetzt sind. Höchst wahr¬
scheinlich sind doch früher unter dem Namen der Fleisch-,
Fisch- und Wurstvergiftung Paratyphusinfektionen beschrieben
worden.
Mit dem Bilde des klassischen Typhus abdominalis hat die
Paratyphusinfektion häufig gar keine Züge gemeinsam. Auch
die Prognose ist bei Paratyphus eine ungleich günstigere.
Es ist daher auch wohl der Name Paratyphus, der ge¬
wissermaßen eine Unterart des Typhus andeutet, als klinische
Bezeichnung der Krankheit nicht besonders glücklich gewählt.
Besser zutreffen mag er als Name für das Bakterium, das in
der Tat ja dem E b e r t h sehen Bacillus typhi nahe steht.
Zur Erklärung des Auftretens verschiedenartiger Bilder
bei der Paratyphusinfektion kann man sich vorstellen, und
dieser Gedanke ist in der neueren Literatur einige Male aus¬
gesprochen worden, dass die Menge der Toxine, die in den
Körper gelangen, eine gewisse Rolle spielt und zwar so,
dass die Erkrankung mit typhusähnlichem Verlauf zustande
kommt, durch Infektion des Körpers, durch die Bazillen allein
ohne ihr Toxin. Während der Inkubation und der Zeit der
Prodrome wird das Toxin im Körper gebildet und erst dann,
wenn die Toxinbildung eine gewisse Höhe erreicht hat, treten
speziellere und schwerere Symptome auf.
Das gewöhnliche Bild der Erkrankung jedoch wird her¬
vorgerufen durch eine Schädigung des Organismus durch die
Bazillen plus den Toxinen. Diese sind von den Bazillen ausser¬
halb des Körpers in den infizierten Nahrungsmitteln gebildet
worden. Die Inkubation und die Zeit der Prodrome verläuft
also gewissermassen ausserhalb des menschlichen Körpers,
wenn dieses Bild gestattet ist.
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1730
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Es dürfte möglich sein, dass manche akute Gastroenteritis,
bei der wir das krankmachende Agens nicht nachweisen
können, eine Intoxikation mit den Toxinen des Paratyphus¬
bazillus darstellt, ohne dass die Bazillen in den Organismus
gelangt wären, dass es sich also um eine ähnliche Erkrankung
wie beim Botulismus handelt. Jedenfalls aber wird cs nötig
sein, in Zukunft alle Fälle von Gastroenteritis zu untersuchen
auf Paratyphus, wie es bei uns getan wird. Eine ganze Reihe
von Fällen, die früher als „Gastroenteritis“ gingen, werden
dann als Paratyphus erkannt werden.
Als Ergebnis meiner Beobachtungen an Paratyphus¬
infektionen möchte ich zusammenfassend sagen:
Die Infektion des Organismus mit dem Bacterium para-
typhi kann das klinische Bild des Typhus abdominalis hervor-
rufen.
Sehr häufig jedoch verläuft sie unter einem anderen,
ziemlich scharf zu umgrenzenden Krankheitsbild. Dieses
Krankheitsbild zeigt mit dem Bilde des Typhus abdomi¬
nalis meist mir wenig gemeinsame Züge. Es gleicht vielmehr
dem Bilde der akuten Gastroenteritis. Die Erkrankung ist
daher nicht als eine Abart des Typhus aufzufassen, sondern als
eine Gastroenteritis, die durch den Befund eines besonderen
wohlcharakterisierten Bakteriums sich aus der grossen Gruppe
der Gastroenteritiden heraushebt.
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1906. — Jürgens: Berl. klin. Wochenschr. 1907, No. 37. — Der¬
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Zentralbl. f. Bakteriol., Bd. 40. — Körte: Zeitschr. f. Hygiene u.
Infektionskrankh. 1903, Bd. 44. — Kurth: D. med. Wochenschr.,
S. 501 u. 515. — Kutscher: Zeitschr f. Hygiene u. Infektions¬
krankheiten. — Derselbe: Berl. klin. Wochenschr. 1907,
No. 40. — Lembke: Zeitschr. f. Medizinalbcamte 1905, H. 8. —
Lentz: Klin. Jahrb. 1905, Bd. 14, H. 5. — Derselbe: Münch,
med. Wochenschr. 1906, S. 1733. — Levy und Jakobsthal:
Archiv f. Hygiene 1902, S. 113. — Rings: Med. Klinik 1907. —
Rolly: D. Archiv f. klin. Med., Bd. 85. — S c h o 11 in ü 11 e r:
D. med. Wochenschr. 1900. — Derselbe: Zeitschr. f. Hygiene u.
Infektionskrankh., Bd. 36, S. 308. — Sion und Negel: Zentralbl.
f. Bakteriol., Bd. 32. — Suter: Fleischvergiftungen. I.-D., Zürich
1884. — Trautmann: Berl. klin. Wochenschr. 1906, S. 1102. —-
Derselbe: Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh. 1903, Bd. 45,
S. 135. — Vagedes: Klin. Jahrb. 1905, Bd. 14, H. 5. — U. a. in.
Die Technik der Wassermann-Neisser-Bruck-
schen Serodiagnostik der Syphilis.
Von Dr. Karl Ta ege, Hautarzt in Freiburg i. Br.
Bei der Untersuchung eines Menschen auf Syphilis wird
heutzutage sicher öfter nach Spirochäten gefahndet, als die
Wassermann-Neisser -Bruck sehe Serumreaktion
angestellt wird. Nicht in allen Fällen besteht aber die Ge¬
legenheit der Spirochätensuche und dann ist die Möglichkeit
einer anderen Untersuchung gewiss sehr angenehm.
Dazu kommt, dass die Vornahme der Reaktion schon bis¬
weilen vom Patienten selbst gefordert wird; und dass ihre
Ergebnisse derartig belehrende sind, dass eine eingehende
Untersuchung nicht mehr als völlig ausgebaut bezeichnet
werden darf, wenn diese besondere Prüfung fehlt.
Wenn sie nur nicht so verzwickt wäre! klagt derjenige,
welcher sie allein vom Zusehen oder Lesen kennt.
Dass sie das in Wirklichkeit nicht ist, das sollen die
nachfolgenden Seiten auseinandersetzen. Sie erfordert keine
grösseren Anstrengungen, als das ihr verwandte Arbeiten in
der titrimetrischen Chemie; worin sie aber besonders den
Anfänger bisweilen nervös macht, das sind ihre Ansprüche an
Sauberkeit und Genauigkeit, und worin sie ihn leicht ermüdet,
das sind ihre stets wiederkehrenden Warnungen vor Fehlern,
deren Aufdeckung sie seiner Ueberlegung überlässt.
Bestchenbleiben w ird diese Methode sicherlich. \ lelleicht
w ird ihre Technik einmal vereinfacht w erden.
Und diese Technik, wie sie gegenwärtig geubt wird, will
ich so ausführlich beschreiben, dass ein jeder an der Hand
der vorliegenden Anweisung sie beherrschen lernen kann.
Die Deutung der Ergebnisse muss ihm selbst überlassen
bleiben: diese auch zu vermitteln, ginge über den Rahmen
dieser Auseinandersetzung hinaus.
So wie hier die Reaktion geschildert wird, wird sie in
der N e i s s e r sehen Klinik angestellt, dem Orte in Deutsch¬
land, an dem wohl das meiste einschlägige Material verarbeitet
wird. Ich bin mir deshalb auch ganz und gar bewusst, hier
nicht eine wissenschaftliche Arbeit geleistet zu haben: Ich
möchte vor allem denjenigen helfen, welchen es nicht vergönnt,
ist, sich an einem Institut selbst zu unterrichten.
Dem Leiter der Klinik, meinem mnigst verehrten einstigen
Lehrer, danke ich auch hier nochmals iur die Gastfreundschaft,
die er mir angedeihen hess, ebenso bin ich Herrn Dr. Bruck
und Frln. Margarete Ste r n. Assistentin an der Serodiagnosti¬
schen Abteilung der Hautklinik, aufrichtigst verbunden, welche
trotz der vielen Mühe mit ihren eigenen Untersuchungen, es
sich nicht verdriessen liessen, mich wieder und wieder auf
die Einzelheiten aufmerksam zu machen, mich zu belehren und
zu fördern.
I. Was will die W .-N.-B.-Reaktion.
Sie will erhellen, ob bei dem Untersuchten es sich sehn n
lim eine Allgemeininfektion handelt oder ob er noch syphi¬
litisch ist.
So oft die äusseren eindeutigen Erscheinungen einer Syphi¬
lis vorliegen, kann diese Frage ja auch anderseitig entschieden
werden, und die Reaktion scheint nur von theoretischem Werte
zu sein. Aber sofort tritt ihre Bedeutung m ein anderes LiJit.
w enn es sich um eine DiffercntiaIdiagnos c oder einen Fall han¬
delt, dem sonst diagnostisch schlecht bei/ukommen ist.
Ist dieses krateriormige Geschwür der Zunge ein Gummi
oder ein Karzinom; ist diese vorliegende Knochcnjuitrubung
ein Sarkom oder eine syphilitische Periostitis; handelt es sich
bei meinem Patienten um eine Paralyse (»der eine anderweitige
Hirnerkrankung, um eine Tabes oder ein nervöses Magenleiden
usf. Und weiter: Ein Patient, den ich schon lange wegen
einer Syphilis behandelt habe, stellt sich wieder vor, um eine
neue Behandlung zu beginnen. Welchen Anhalt habe ich bis¬
her für meinen Entschluss, ihn abermals aniangen zu lassen,
gehabt? Das Schema der chronisch intermittierenden Behand¬
lung! Aeussere Erscheinungen sind nicht vorhanden ob er
noch krank ist, weiss ich nicht: aber - sicher ist sicher: der
Mann muss also schmieren. Heute kann ich ihm mit einer an
Gewissheit grenzenden Genauigkeit sagen, ob er noch krank
ist und kann meinen Entschluss darnach emnJiteii. Weiter:
Ein Neurastheniker, Syphihphobe sucht mich auf. Ich zeige
ihm das Reaktionsergebnis einmal, zweimal, und der Arme hat
seine Ruhe wieder gefunden bezw. er wird zielbewusst be¬
handelt. Oder ein Patient will möglichste Gewissheit haben, ob
er gesundet in die Ehe tritt; oder eine UnkdlvcrsiJierm.gs-
gesellschaft bestreitet, dass ein aufgetretenes nervöses Leiden
mit dem erlittenen Unfälle im Zusammenhänge steht, behauptet
vielmehr, es sei die Folge einer Infektion: oder eine Lebens¬
versicherungsgesellschaft verlangt Auskunft über die sie
interessierenden Yorerkrankungeii des betr. Kandidaten.
Und so gibt es eine Unzahl von Fragen, die bisher fast un¬
lösbar waren, bisweilen mit wahrscheinlicher Richtigkeit ge¬
löst werden konnten, und von welchen heute dank der Re¬
aktion ein grosser Teil völlig sicher erledigt werden kann.
Ich weiss wohl, dass die Tragweite der Reaktion von den
verschiedenen Untersuchen! verschieden bewertet wird. Auf
diese Meinungsverschiedenheiten einzugehen ist jedoJi nicht
meines Amtes.
II. Worin besteht Ihr Wesen?
1. DieReaktion verdankt ihr Bestehen der Ueberlegung. dass
bei dem Syphiliskranken* wie bei einem jeden anderen an einer
Infektionskrankheit leidenden, das \ orhandensem eines -\uti-
gens und seines Antikörpers angenommen werden müsse, dass
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUFNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1731
man also vielleicht auch imstande sein könne, mit Hilfe des
Antigens den Antikörper nachzuweisen. Die Spirochäte, so
nahm man an, oder ihre Stoffwechselprodukte ist das Antigen.
Da nun diese noch nicht gezüchtet werden kann, so griff man
zu dem Auszug aus stark spirochät?nhaltigen Organen, z. B.
der Leber eines syphilitischem Fötus. Den Antikörper suchte
man im Blute des Patienten.
Die Ueberlegung schien sich als ricL.'j zu bestätigen.
Analog anderen Infektionserkrankungen gelang mit Hilfe des
Stoffes, den man als Antigen zu bezeichnen sich für berechtigt
hielt, der Nachweis eines anderen Stoffes im Blute des Patien¬
ten, den man als Antikörper bezeichnete. Beide verketten sich
auch im Reagenzglasversuche.
Ob nun wirklich der im Blute kreisende Stoff, dem wir
suchen, ein wahrer Antikörper ist und ob wir mit Recht von
einem Antigen im eigentlichen Sinn sprechen dürfen, ist bis¬
her noch nicht entschieden. Vielleicht ist es ein Stoff, der schon
ohne Infektion im tierischen Körper vorhanden ist, dessen
Menge aber durch die Anwesenheit der Spirochäte ungemein
vergrössert wird. — Es spielt dies auch für die Reaktion gar
keine Rolle. — Vorderhand steht uns eine eindeutige Erklärung I
nicht zur Verfügung.
Zu ihrer Bindung gebrauchen Antigene und Antikörper
einen dritten Bestandteil, das Komplement.
Das Komplement ist ein Stoff, welcher in jedem normalen
Blute vorhanden ist. Er wird schon durch Erwärmen auf
56° vernichtet.
2. Spritze ich einem Kaninchen während einiger Wochen
in Abständen rote Hammelblutkörper ein, so hat sein Serum die
Eigenschaft gewonnen, im Reagenzglase, bei 37°, zugesetztes
Hammelblut aufzulösen. Was da im Serum lösend wirkt, nennt
man Hämolysin. Dieses ist kein einheitlicher Stoff, sondern
setzt sich zusammen aus obenerwähntem Komplement und
einem spezifischen, durch die Vorbehandlung erst entstandenen
Körper, dem Ambozeptor. Letzterer wird durch Erwärmen auf
56° nicht inaktiv.
Erwärme ich also Hammelblutkaninchenserum auf 56° und
setze Hammelblut zu, so löst es nicht, denn das Komplement
ist zerstört. Füge ich dagegen wieder ein passendes Komple¬
ment zu, z. B. normales Meerschweinchenserum, so gewinnt
es seine Lösungsfähigkeit zurück. Ueber den Ambozeptor als
Brücke schreitet das Komplement Sum Angriff auf die roten
Blutkörperchen.
3. Mische ich in einem Reagenzglas Antigen (Leberextrakt),
Antikörper (Syphilisserum), Komplement (Meerschweinchen-
serupi), Ambozeptor (Hammelblut-Kaninchenserum) und Ham¬
melblut und erwärme die Mischung bei 37° 1—2 Stunden, so
tritt keine Hammelblutkörperauflösung — Hämolyse — ein.
Die roten Blutkörperchen bleiben unverändert. Grund: Das
Komplement, welches zur Hämolyse notwendig wäre, ist zur
Bindung von Antigen und Antikörpern verbraucht worden.
Es ist verankert, abgelenkt; die Hämolyse ist gehemmt worden.
Aus diesen 3 Sätzen ergibt sich, was ich alles zur Anstel¬
lung der Reaktion gebrauche.
Das Antigen. Dieses liefert mir der Auszug eines
syphilitischen, Spirochäten reichen Organes, z. B. der Leber
eines syphilitischen Kindes.
Den An t i k ö r p e r. Ihn stellt das Blutserum meines
Patienten dar.
Das hämolytische System, d. h. Ambozeptor,
Komplement und Hammelblut.
III. Mit welchen Hilfsmitteln muss mein Ai;beitsraum aus¬
gestattet sein?
1. Ich gebrauche eine Fleischhackmaschine, um die Leber zu zer¬
kleinern.
2. Einen Eisschrank, um die Organe oder Säfte frisch zu halten,
am einfachsten verwende ich einen Zinkblechkasten, welcher in einem
grösseren Gefäss steht. Den Zwischenraum fülle ich mit Viehsalz und
Eis, und stelle beide in einen gewöhnlichen Eisschrank.
3. Einen heizbaren Vakuumapparat, um die Auszüge bezw. das
Kaninchenserum einzuengen.
4. Eine Schüttelvorrichtung zum Auswaschen der Blutkörper; zur
feinen Verteilung des Antigens in Kochsalzwasser.
5. Eine Zentrifuge mit 4—5000 Umdrehungen in der Minute, zum
Klären der Sera, zum Ausschleudern der Hammelblutkörper.
6. Ein Tierbrett.
7. Einen Brutschrank.
8. Einige Reagenzgläsergestelle, Reagenzgläser, graduierte Pi¬
petten zu Vx, 1 und 10 g, Messglaser zu 10 g, 100 g, 200 g, Kochkolben,
ein Wasserbad, Thermometer, eine eingeschmolzene Platinnadel,
Scheren, Fettbleistift, absoluten Alkohol, physiologische Kochsalz¬
lösung, destilliertes Wasser.
Ausserdem muss ich natürlich einen Käfig für meine Tiere,
Meerschweinchen und Kaninchen haben.
IV. Die Gewinnung der zur Reaktion nötigen Körper.
1. Antigen.
Die Leber eines syphilitischen Fötus wird ganz fein zerhackt
oder in der Fleischmaschine zerkleinert, der Brei gewogen und mit
der vierfachen Menge absoluten Alkohols in einem Kolben vermischt.
Das Gefäss bleibt 24 Stunden im Zimmer stehen oder es kommt in den
Schüttelapparat und wird über Nacht geschüttelt. Alsdann wird fil¬
triert. Das Filtrat, in einer flachen Schale, wird in einen Vakuum¬
apparat gestellt und wird bei 40 0 und 60 mm Hg Druck zu einer Art
Salbe eingedickt.
Den einfachsten Vakuumapparat baut man sich in folgender
Weise. Eine abgeschliffene Glasglocke mit einer grossen Oeffnung
wird geschlossen durch einen dreifach durchbohrten Gummistopfen.
Durch ein Loch geht ein Thermometer, durch das zweite der
Stutzen eines Manometers, durch das dritte ein gebogenes Glasrohr.
Dieses letzte wird durch einen dickwandigen Schlauch mit einer
Wasserstrahlpumpe verbunden. Die Glocke steht auf einer polierten
Eisenplatte, welche durch einen Gasbrenner erwärmt werden kann,
oder die auf einem Wasserbad ruht. Ob das Einhalten der Tem¬
peratur von 40° und des Unterdrucks von 60 mm Hg nötig ist, kann
ich nicht beurteilen. Hier in der Klinik wird darauf gehalten.
Ein Gramm der fertigen Salbe wird in 100 ccm 0,85 proz.
Kochsalzlösung fein aufgeschwemmt und 24 Stunden lang im Schüttel¬
apparat geschüttelt. Man erzielt dadurch eine milchige, gleichmässige
Verteilung der Salbe im Kochsalzwasser. Das „Leberextrakt“ ist
dann fertig und wird im gewöhnlichen Eisschrank aufbewahrt. Neuer¬
dings wird der Kochsalzlösung 0,3 proz. Karbolsäure zugesetzt.
Eine andere Darstellungsweise, welche das Einengen im Vakuum
umgeht, ist die, dass ein Teil der klein zerteilten Leber mit 10 Teilen
absolutem Alkohol versetzt und mit einigen Glasperlen 24 Stunden
lang geschüttelt wird. Das Filtrat ist das fertige „Leberextrakt“.
2 . Rote Hammelblutkörperchen.
Man fängt im Schlachthause einen Viertelliter Hammelblut in
sterilem Kolben mit einer Hand voll Stahlspähne auf und schüttelt es
so lange, bis es defibriniert ist. Es hält sich einige Tage im Eis¬
schrank frisch. Die notwendige Tagesmenge wird in ein Zentrifugen¬
gläschen abgegossen, mit der doppelten Menge Kochsalzlösung ge¬
mischt, umgeschüttelt und bis zum völligen Absetzen der Blutkörper
geschleudert. Die klare überstehende Flüssigkeit wird wieder ent¬
fernt und durch neues Kochsalzwaser ersetzt. Abermaliges Ab¬
setzen, Schleudern, Entfernen des Waschwassers. Die gewaschenen
roten Blutkörperchen sind jetzt fertig: Sie dienen zur Vorbehandlung
des hämolytischen Kaninchens und zur Reaktion selbst.
3. Antikörper.
Zur Entnahme des Blutserums des Patienten wird der Oberarm
mit einer Gummibinde umwickelt, so dass die Venen anschwellen.
Die Haut wird kräftig mit Alkohol abgerieben, und ungefähr in der
Ellenbogenbeuge eine Vene mit einer Hohlnadel angestochen. Nach
dem Abziehen wird die Stichöffnung mit Pflaster bedeckt. Das Blut,
etwa 20 ccm, wird in einem dicken Reagenzglas aufgefangen und
zwei Stunden der Ruhe überlassen. Mit einer geraden Platinnadel
wird alsdann der Blutkuchen von der Glaswand abgelöst und das
ziemlich klare Serum in ein Zentrifugenröhrchen gegossen. Es wird
geschleudert, bis es völlig blank geworden ist und bei 56 0 eine halbe
Stunde erhitzt: Inaktiviert. Im Eisschrank aufzuheben.
4. Ambozeptor.
Einem starken Kaninchen wird in eine Ohrvene (Rand durch
Fingerdruck anschwellen lassen!) ein halber Kubikzentimeter ge¬
waschene Hammelblutkörperchen ganz langsam eingespritzt. Die
Einspritzung wird im ganzen viermal vorgenommen, jede Woche ein¬
mal, und nach Ablauf der 5. Woche das gesamte Blut entnommen.
Vorher ist es ratsam, aus der Ohrvene einige Gramm zu gewinnen,
und das Serum auf seine Lösungsfähigkeit zu prüfen. Diese Prozedur
der Entblutung ist gerade nicht sehr erbaulich. Das Tier wird auf
ein Vivisektionsbrett gebunden, der Bauch nach oben. Die Halsgegend
wird mit Alkohol so gut wie möglich gereinigt. Mit einer Pinzette
wird über dem Kehlkopf eine Hautfalte straff hochgezogen und ganz
schräg zur Längsachse mit einer Schere eingeschnitten. Es klafft
dadurch eine offene dreieckige Stelle. In der Mittellinie präpariert
man sich jetzt die Luftröhre frei, so offen wie nur angängig. Neben
der Luftröhre geht man dann mit einem Scherenblatt in die Tiefe, so
dass man Karotis und Jugularis zwischen der Schere hat, und
schneidet beide mit einem Schlage durch. Das mit Macht aus¬
strömende Blut wird in einem weiten Zylinder von etwa 300 ccm
aufgefangen. In dem Masse, wie es langsamer fliesst, bekommt das
Tier Krämpfe. Durch Drücken auf den Bauch sucht man die Blut¬
menge zu vermehren. Fliesst nichts mehr aus, so durchschneidet man
auch die Blutgefässe auf der anderen Seite. Einige Kubikzentimeter
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1732
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn. 33.
erhält man dadurch immer noch. Schliesslich wird durch einen
kräftigen drückenden Schercnschlag Luftröhre und Rückgrad durch¬
trennt. Das Tier ist dann sofort tot. Wir erhalten ungefähr Jot» ccm
Blut.
Das Blut bleibt zwei Stunden mit Watte verschlossen stehen;
der Blutkuchen wird mit einer Platinnadel von der (ilaswaml ab¬
gelüst, und nach 12 Stunden wird das Serum abgegossen, Joo ccm
geben ungefähr 80 ccm Serum. Durch Erhitzen im Wasserbad auf
56" während einer halben Stunde wird sein Komplement zerstört;
das Serum wird inaktiviert. Darauf wird es in einem Vakuum bei
40° und 60 mm Hg-Druck zur Staubtrockne eingeengt. Um es un¬
verändert aufzuheben, wird es in kleinen braunen Röhrchen, in Menge
von 0,3 g eingeschmolzen. Zum Gebrauch wird der Inhalt eines
Röhrchens in 3 ccm destillierten Wassers aufgelost.
5. Komplement.
Es empfiehlt sich, das Komplement für jeden IJntersuchungstag
frisch herzustellen, da es beim längeren Aufbewahren bisweilen un¬
brauchbar verändert wird. Seine Gewinnung ist genau dieselbe, wie
die des Ambozeptorscrums, nur wird das 'Tier nicht aufgebunden,
sondern von einem Diener gehalten. Als serumgebendes Tier dient
ein Meerschweinchen. Das Serum wird nicht eingetrocknet, sondern
als solches verwendet. Es darf ja nicht erhitzt werden und muss
event. gefroren aufgehoben werden. Das Tier muss einen Tag vor
der Tötung hungern.
V. Die Vornahme der Reaktion selbst.
Man arbeitet stets mit verdünnten Körpern. Verdünnungsmittel
ist 0,85 proz. Kochsalzlösung. Man stellt das
Anti gen dar durch Lösung von 1 ccm „Leberextrakt“ in
3 ccm Kochsalzlösung;
den Antikörper, d. h. das fragliche Paticntenscrum, durch
Verdünnen von 1 ccm mit 4 ccm Kochsalzlösung;
die Hammelblutkörper werden durch Aufschwemmen von
1 ccm gewaschenem Hammelblut in 19 ccm Kochsalz gewonnen;
der Ambozeptor durch Mischen von 0,1 ccm der Ambo¬
zeptorpulverlösung mit 60 ccm Kochsalzlösung;
das Komplement durch Zufiigen von 9 ccm Kochsalzlösung
zu 1 ccm Meerschweinchenserum. Die Zubereitungen erfolgen prak¬
tisch in graduierten kleinen Zylindern.
Wenn also im folgenden die Rede ist von Antigen, Hammelblut
usw., so sind immer diese eben besprochenen Verdünnungen gemeint!
Wichtig.
Wie man sich nun bei besonders wichtigen titrimetrischen Ar¬
beiten im chemischen Laboratorium stets die Lösungen auf ihre che¬
mische Reinheit und ihren Titer untersucht, so hat man auch hier
gewisse unerlässliche Vorarbeiten zu erledigen, wenn man von
Ueberraschungen und später gar nicht aufzuklärenden Misserfolgen
verschont bleiben will. In der Breslauer Klinik wird jeden lag zu¬
erst die Kochsalzlösung untersucht. Sie könnte vielleicht nicht iso¬
tonisch sein. Es klingt das kleinlich, die Erfahrung spricht jedoch
für den Nutzen dieser Art von Kleinlichkeit. Je schematischer und
peinlicher gearbeitet wird, desto schneller und sicherer wird die
Arbeit vollendet.
Vorprüfung.
Die Kochsalzlösung.
1 ccm Hammelblutkörper mit 4 ccm Kochsalzlösung wird eine
Viertelstunde in den Brutschrank gestellt: es darf keine Spur von
Hämolyse sich bemerkbar machen.
Komplement und Ambozeptor.
Das Komplement muss jeden Tag aufs neue titriert werden. Die
feste Grösse, von der ich ausgehe, ist der Ambozeptor. Das Hammel¬
blut entspricht dem Indikator in der chemischen Titrimetrie; das
System ist in Ordnung, wenn 1 ccm „Hammelblut“ -\~ 1 ccm „Kom¬
plement“ + 1 ccm „Ambozeptor“ — immer in den eben erläuterten
Verdünnungen — bei 37° nach 15 Minuten eine klare Losung geben;
ferner soll das System folgendes leisten: Es soll gelost werden 1 ccm
Hammelblut + 1 ccm Komplement T* V* ccm Ambozeptor in einer
halben Stunde. I ccm Hammelblut -\- 1 ccm Komplement i ‘ j be/w.
V* ccm Ambozeptor in 30—45 Minuten. 1 ccm Hammelblut 1 1 ccm
Komplement -f Vo bezw\ V» ccm Ambozeptor in 2 Stunden.
Gewöhnlich genügt es, wenn nach einer Stunde der dieser Zeit
entsprechende Erfolg eingetreten ist. Dasjenige Komplement ist das
stärkere, bei dessen Verwendung in kürzerer Zeit Losung eriolgt.
Vollzieht sich die Lösung zu schnell, so muss der Ambozeptor mit
der gleichen Menge Kochsalzlösung verdünnt werden. Vollzieht sie
sich zu langsam, so muss der Ambozeptor derart verstärkt wer¬
den, dass nicht, wie sonst in 60 ccm 0,1 der Ambozeptor pul Verlosung
enthalten ist, sondern 0,2.
Ich habe in einem Reagenzgläsergestell, welches leicht im Brut¬
ofen untergebracht werden kann, 6 Gläser vor mir stellen, die fort¬
laufend numeriert sind.
In No. 1 pipettiere ich 2 ccm Kochsalzlösung. In No. 2 2 1 L* ccm,
in die folgenden je 2 ccm.
Zu No. 1 lasse ich mit einer neuen Pipette zulaufen 1 ccm Ambo¬
zeptor, zu No. 2 % ccm, zu No. 3 Va ccm, d. h. 1 ccm einer Ver¬
dünnung von 1 ccm meines Ambozeptors mit 2 ccm Kochsalzlösung.
Zu No. 4 1 i ccm. d. h. 1 ccm einer Verdiinnung von 1 ccm
meines Ambozeptors mit 3 ccm Kochsalzlösung.
Zu No. 5 1 n ccm. d. h. 1 ccm einer \ erdunnung. welche ivh ge¬
winne. wenn ich zu dem Rest der Nn.-3-\crdtmming die gleiche Mengt?
Kochsalzwasser zusetze.
Zu No. 6 schliesslich 1 ccm einer Verdünnung, die sich durch
Vermischen des No.-4-Restes mit dun gleichen Nolumen Kochsalz¬
lösung ergibt.
ln jedem Glas sind jetzt also 3 ccm Flüssigkeit. Zum Schluss
setze ich je 1 ccm Komplement und 1 ccm Hanmielbliit zu. schüttele
die Gläser tüchtig um und stelle das Gestell ui den Brutschrank. Nach
einer Viertel-, einer halben, 1 und 2 Munden wird nachgesehen, und
die jeweilige Beobachtung notiert.
Diese Konipleuieutpruiting gibt mir also zu gleicher Zeit über die
Stärke des Komplementes, wie über die des Aiü>o/e pbTs Xiivkuptt.
Da aber, wie gesagt, der letzte für uue grosse Reihe um Pruhmgin
immer der gleiche un\eraiulei liehe ist. so tritt bei ihr die 1 estMel ung
des Konipletiientw ertes allein in den \ order gf und.
1 >as A ii t i g e n.
Dieses kann bisweilen, auch ohne Antikörper, sdum für sich, die
Hämolyse leicht hemmen. Darüber muss man sich versichern: Zu
2 ccm Antigen — der Sicherheit w egen nehme ich giuch die doppelte
Menge — setze ich das lianmU tische System zu. d. h. 1 ccm Kom¬
plement. 1 ccm Ambozeptor. I a m Hammeiblut und stelle die W irkung
nach einer Stunde fest (Brutschrank». Es soll glatte H.iifnB se cm-
treten.
Der Antikörper.
Auch das syphilitische Serum allem hemmt ab und zu. ohne
Antigen. Wieder pruie ich, in doppelter Menge, also 2 ccm. sein
Verhalten zum System. Ebenfalls hier soll völlige Ha:imj\se ent¬
stehen. Versäume ich diese Prüfung von Antigen ur.d Antikörper
und wären zufällig beide, ein jedes iur sich, wenn auch nur gering
hemmend, so wurde ich natutlich eine Häutung der Hemmungen er¬
halten können, welche sehr störend wäre.
Zu jeder vollständigen Untersuchung gehört schliesslich noch,
festzustellen, wie sich mein
hämolytisches S y s t e m
verhält zu sicherem, schon untersuchten Svphilitikersernm, und zu
sicherem normalem Serum. Ich setze also noch 2 \ ersuche an. Ein
Reagenzglas mit 1 ccm Syphiiitikerscrums, ein anderes mit 1 ccm
normalen Serums, dazu je 1 ccm Antigen. 1 ccm R'ortvpicment und
1 ccm Ambozeptor und 1 ccm Hammelblut. Hier vo.hge Losung --
dort völlige Hemmung.
Die Voruntersuchung hat hier demnach gezeigt, dass ich mich
verlassen kann auf die Kochsalzlösung, auf Kösfiplemcnt und Ambo¬
zeptor be/w . das hämolytische S\ stein, auf das Antuen und den
Antikörper.
In der Praxis würde ich natürlich nach Titneumg des Komple¬
ments — diese muss immer den Anfang der Arbeit 1 m. den —. die
Untersuchung von Kochsalzlösung und Antigen. den \ orgleichsversuch
mit sicherem syphilitischem Serum und normalem Serum zu gleicher
Zeit mit meiner eigentlichen Untersuchung des unbekannten Serums
anstellen.
Um auch einen Einblick in die Grosse der hemmenden Kraft des
fraglichen Serums zu bekommen, ist es endlich ratsam, n-ch nach¬
zusehen, wie schon die Hallte von Antikörper und Antigen auf das
System w irken. Ich nehme also 1 _• ccm Serum. 1 ccm Ant;gen. 1 ccm
Kochsal/w asser. dazu je 1 ccm des Svstcms. Tritt auch hier eine
Komplementablenkung ein. so soll das ein Hinweis auf die Marke der
Reaktion sein.
Die endgültige Untersuchung
vollzieht sich demnach für einen einzelnen Lall wie iolgt:
Im Gestell habe ich S numerierte Reagcii/g .iser.
No. 1 wird beschickt mit 1 ccm IlammtlMut und 4 ccm philo¬
logischer K> ichsalzlosung.
No. 2 mit 1 ccm Komplement. 1 ccm Hammeiblut. 1 ccm Ambo¬
zeptor und 2 ccm Kochsalzlösung.
No. 3 mit 1 ccm normalem Serum. 1 ccm Aut,gen. 1 ccm Kom¬
plement. 1 ccm Hammeiblut, 1 ccm AmboZcpt'$&
No. 4 mit 1 ccm sicherem s\ pliiiuisjicn i Vergleichs-) Serum.
I ccm Antigen, 1 ccm Komplement. 1 ccm Hammel 'lut. 1 ccm Ambo¬
zeptor.
No. 5 mit 0 ccm Serum. 2 ccm Aut.gen. 1 ccm Komplement.
1 ccm Hammelblut, 1 ccm Ambozeptor.
No. (» mit 1 ccm Unterst!diungsser ufft, 1 ccm Au!: s en, 1 ccm
Komplement, 1 ccm Hammelblut. 1 can Ami /eptor.
No. 7 mit ccm Untersuchungsserupö ; .• ccm Antigen. 1 ccm
Komplement. 1 ccm Hammeiblut, 1 ccm And - '/epp**-. 1 cctÜ Koch¬
salzlösung.
No. h mit 2 ccm l'ntersuchiingsseium. b ccm Antigen, 1 ccm Kom¬
plement, 1 ccm Hammeiblut, 1 ccm \mb> /ep: r.
Dr. Bruck, weicher ja eine ausserordentliche l’ebung und Er¬
fahrung auf diesem Gebiete hat. halt darauf, dass die M^Jtung von
den ersten 3 Teilen immer für eine stunde in den Brutschrank kommt,
bevor Hammeiblut und Ambozeptor zugeSet/t werden. Auch lasst
er Hammeiblut und Ambozeptor in Voran* mischen um! zu gleicher
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1733
Zeit mit obiger Mischung warm setzen. Es soll sich die Bindung des
Komplements so leichter vollziehen.
Nach einer Stunde gilt die Untersuchung als abgeschlossen.
Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig es, zumal für den
Anfänger, ist, über den Versuch genau Buch zu führen und sich von
vornherein an eine bestimmte Reihenfolge zu gewöhnen.
Werden mehrere Sera auf einmal untersucht, so genügt es selbst¬
verständlich für alle die Proben No. 1, 2, 3, 4, 5 ein einziges Mal vor¬
zunehmen. Ich füge hier ein Schema zum Einträgen der Unter¬
suchungsergebnisse bei, für ein bezw. etliche Sera.
1
2
3
4
5
6
ii
8
9
10
11
13
14
15
Serum 312
n
7
I 1 /»
2
Ser. 313
1
l k
2
Ser. 314
1
l /9
2
Antigen 84
1
1
2
i
V*
0
l l 2
0
1
0
Komplement 95
i
1
1
1
i
1
1
1
1
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Hammelblut
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Ambozepter 18
i
1
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1
NaCl
Norm.-Serum
Syph.-Serum
4
2
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1
1
l
1
Das Ablesender Reaktionsergebnisse.
Welches Serum ist nun sicher das eines Syphilitikers,
welches das eines Gesunden?
Ist die Gesamtflüssigkeit im Reagenzglase klar rot, liegt
auf seinem Boden nur ein Schleier farbloser Blutkörper, so war
das Serum normal. Ist die Flüssigkeit farblos, ruht am Grunde
ein Kuchen roter Blutkörperchen, so war es syphilitisch.
Schwierigkeiten macht aber die Erkennung der zwischen
den beiden Grenzen stehenden Ergebnisse. Ich beobachte
ein Reagenzglas, in welchem eine rötliche, trübe Brühe
ist, ganz ohne Bodensatz oder mit geringem Bodensatz:
Wie fälle ich die Entscheidung? Ueber solchen
Zweifel hilft mir meistens der Vergleich mit der Reaktion
eines sicheren spezifischen und der eines sicheren normalen
Serums, und deshalb soll diese Probe auch stets eingeschoben
werden. Das Auge bekommt recht bald den Blick für die
positive Reaktion. Uebung macht dabei viel aus. — Immerhin
gibt es eine Anzahl von Fällen, in denen man sich nicht für ja
oder nein entscheiden kann: wie übrigens so oft in der Medizin.
Dann bleibt nichts anderes übrig, als in einigen Tagen von
neuem Blut zu entnehmen und die Probe zu wiederholen.
Leider gibt es aber auch eine Anzahl von Fehlerquellen, die
trotz grösster Sorgfalt kaum vermieden werden können, weil
aus ihnen nur ab und zu, ganz unvermutet, ein Irrtum fliesst.
Erwähnt habe ich schon das allein hemmende Antigen;
das alleinhemmende Serum. Bisweilen, wenn auch selten, be¬
obachtet man jedoch, dass ein sich richtig verhaltendes nor¬
males Serum mit einem guten Antigen Hemmung hervorruft.
Man spricht in solchem Falle von einer unspezifischem Bin¬
dung. Nach Angabe von Frl. Margarete Stern schützt man
sich dagegen dadurch, dass man das Antigen erst dann in Ge¬
brauch nimmt, wenn man es gegen 10—12 normale Sera ge¬
prüft hat, ohne diese Erscheinung anzutreffen.
Oder das Antigen hat zu wenig Antigenstoff. Es kann
auch hierbei eine zweifelhafte Hämolyse entstehen. Man muss
also durch Neuversuche feststellen, in welcher Menge das Anti¬
gen dem System zugesetzt werden muss, um Hemmung zu
erhalten. Dann wendet man für den entscheidenden Versuch
die Hälfte dieser ermittelten Menge an.
Oder ein sicheres syphilitisches Testserum hört ganz plötz¬
lich, mit Antigen zusammen, zu hemmen auf, ist also für die
Vergleichsprobe unbrauchbar. Daher soll man möglichst viele
syphilitische Sera sich im Vorrat halten.
Um die Möglichkeit zu haben, Versuche zu erneuern, muss
ich also mindestens die Seraverdünnungen so lange aufheben,
bis meine Arbeit endgültig erledigt ist.
Sicher erkannte Sera können lange Zeit im Eisschrank auf¬
bewahrt werden. Deshalb dürfen sie auch nicht verunreinigt
werden: die Gebrauchsmenge darf nicht mit einer Pipette ent¬
nommen werden, sondern muss in ein Messgläschen abge¬
gossen werden, und das Gefäss wieder mit Watte verstopft
werden.
Es wird gegen die ganze Methode eingewendet, dass sie
nicht spezifisch sei, weil auch andere Körper, Extrakte aus
gesunden Organen, Aufschwemmungen von Lezithin, Lösungen
von Natriumoleat, ja selbst Vaselin als Antigen dienen können.
Für uns gilt aber als spezifische Hemmung nur diejenige,
welche mit Hilfe des syphilitischen Leberantigens hexvor-
gerufen wird.
So wenig Schwierigkeit nun auch das Arbeiten selbst
bietet, so schwer ist es, ein gutes Antigen zu erhalten. Woran
es liegt, dass Lebern von heredosyphilitischen Kindern, von
Spirochäten wimmelnd, ein gänzlich unbrauchbares Extrakt
liefern, ist unbekannt. Und deshalb ist es jedem Arbeiter auf
diesem Gebiete zu empfehlen, sich gutes Ausgangsmaterial bei
Zeiten anzuschaffen. Sonst ist er gänzlich der Gnade des Zu¬
falls übergeben.
Hoffentlich gelingt es einem der vielen Serumforscher, uns
bald von dieser Plage, der Jagd nach Antigen, zu befreien. —
Aehnlich wie mit dem Antigen geht es mit dem normalen Blut¬
serum. Auch dieses kann im besonderen Falle nicht zu ver¬
wenden sein, weil bisweilen, wenn auch selten, schon im nor¬
malen Blute Antikörper sich vorfinden.
Nach der geschilderten Methode führen wir jetzt auch die
Untersuchungen an der Universitätshautklinik (Prof. J a c o b i)
in Freiburg aus. Mit den Ergebnissen sind wir nach jeder
Richtung hin zufrieden.
Aus der biochemischen Abteilung des Instituts für experimen¬
telle Therapie zu Düsseldorf.
Narkose und Lezithin.
(Vorläufige Mitteilung.)
Von Oberarzt Dr. J. N e r k i n g.
Die Wirkung der Narkotika auf den Organismus besteht
nach der heute wohl die meisten Anhänger zählenden Theorie
von H. Meyer und E. O v e r t o n darin, dass dieselben von
den Lipoiden spez. dem Lezithin des Zentralnervensystems
aufgenommen werden und damit gewissermassen eine feste
Lösung bilden. Nach dieser Theorie wirkt daher ein Nar¬
kotikum um so stärker, je grösser seine Löslichkeit in den
Lipoiden ist bezw. je grösser der sogen. Teilungskoöffizient
von öligen Lipoiden und wässeriger Lymphflüssigkeit ist. Die
Narkotika könnten sich nun an die Lipoide des Zentralnerven¬
systems fest verankern und dadurch das Zustandekommen der
Narkose bewirken. Von dieser Ansicht ausgehend, drängt sich
unwillkürlich die Frage auf: wie verhält sich ein in Narkose
versetztes Tier, wenn man ihm längere oder kürzere Zeit nach
Eintritt der Narkose eine Aufschwemmung von Lezithin etwa
in physiologischer Kochsalzlösung in die Blutbahn bringt?
Ist es möglich dadurch, dass man den Narkotizis andere Lezi¬
thinvorräte bietet, sie aus ihrer Verankerung mit den Lipoiden
des Zentralnervensystems loszureissen ? Seit längerer Zeit
schon beschäftigte ich mich mit diesbezüglichen Versuchen und
wenn auch die Versuchsreihen noch nicht sehr zahlreich und
abgeschlossen sind, so scheint doch daraus hervorzugehen, dass
es in der Tat gelingt, die Narkose abzukürzen oder gar aufzu¬
heben, wenn man nach nicht allzu langem Eintritt der Narkose
den narkotisierten Tieren eine Lezithinaufschwemmung intra¬
venös unter allen Kautelen beibringt. Ich habe mit ver¬
schiedenen Narkotizis gearbeitet und meistens die Beob¬
achtung machen können, dass bei den Tieren, denen eine
Lezithinaufschwemmung beigebracht war, die Narkose viel
kürzer andauerte als bei den Kontrollieren. Ich behalte mir
vor, die genauen Versuchsbedingungen, Dosierung etc. in einer
gewissen Reihe von Tierversuchen festzustellen und beab¬
sichtigte mit dieser vorläufigen Mitteilung nur, mir dieses Ar¬
beitsfeld zu sichern und die Priorität zu wahren.
Aus dem Röntgenlaboratorium des Krankenhauses 1. d. Isar in
München (Leiter: Prof. Dr. H. Rieder).
Ueber MagenmotilitätsprOfungen mit Hilfe der RSntgen-
strahlen.
Von Dr. med. C. Kaestle, Arzt an der Kuranstalt Neu¬
wittelsbach.
Vor wenigen Jahren sind von Rieder die Grundlagen
geschaffen worden für die Röntgenuntersuchungsmethode des
menschlichen Magen-Darmkanales mit Hilfe wismuthaltiger In-
gesta. Er und andere haben die Methode weiter ausgebildet;
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
ihr hoher wissenschaftlicher und praktischer Wert ist heute
bewiesen.
Lage, Form und Grosse des Magens lassen sich mit Hilfe
der Röntgenstrahlen zweifellos am besten darstellcn, und die
mechanischen Vorgänge am Magen-Darmkanal sind mit keiner
anderen Methode in ähnlich vollkommener Weise zu be¬
obachten.
Die Verdauungsleistung des Magens und ihre Bedeutung
für den Organismus hat zu verschiedenen Zeiten ungleiche Be¬
urteilung erfahren. Das Hauptzentrum der Verdauung ist der
Dünndarm. In der Norm aber scheint — nach Tierversuchen
der letzten Zeit — der Magen die Verdauung weiter zu führen,
als man früher angenommen hat. Indessen fehlen über die Aus¬
nützung der verschiedenen Speisen im Magen ausgedehntere
Erfahrungen.
Für die ausgefallene Magenverdauung tritt in der Regel
mehr oder weniger vollkommen die Darmverdauung ein.
Die rechtzeitige Entleerung des Magens, das Resultat nor¬
maler „motorischer Funktion“, hängt neben der Beschaffenheit
des Mageninhaltes in erster Linie ab von der Intaktheit des
Magenmuskelschlauchcs und dem Freisein des Magens von
Hindernissen für die Fortbewegung des Speisebreies.
Die klinische Prüfung auf die motorische Leistungsfähig-,
keit des Magens besteht bekanntlich in der Ausheberung
desselben bestimmte Zeit nach einem „Probefrühstück
oder einer „Probemahlzcit“. Die Methode stammt von
Leube, der die Ausheberung 6— 7 Stunden nach Verab¬
reichung der „Probemahlzeit“ vornahm. \Yi- 2 Stunden nach
Einnahme des „Probefrühstückes“ hebert E w a 1 d den Magen
aus; der normal funktionierende Magen ist beide Male nach
den angegebenen Zeiten leer. Eine grosse Zahl vergleichender
Untersuchungen hat ergeben, dass der Magen seine Leistungs¬
fähigkeit Anforderungen im kleinen gegenüber ebenso verrät
(„Probefrühstück“), wie gegenüber der „Probemahlzeit“ unter
Berücksichtigung der jeweils in Betracht kommenden Zeiten.
Schon von klinischer Seite hat man versucht, die An¬
wendung des Magenschlauches zur Motilitätspriifung für be¬
stimmte Fälle zu umgehen.
Ewald und S i e v e r s haben zu diesem Zweck die Ver¬
wendung von Salol empfohlen. Salol — eine Verbindung von
Phenol und Salizylsäure — wird in säuern Medien nicht ver¬
ändert, wohl aber in alkalischen; Salizylsäure wird frei und
als Salizylursäure durch den Harn ausgeschieden. Während die
Salizylurreaktion normalerweise im Harn durchschnittlich nach
40—60 Minuten positiv ausfällt, wenn 1 g Pulver während der
Verdauung gegeben wird, soll eine Verspätung im Eintritt der
Reaktion auf motorische Insuffizienz hin weisen. Die Methode
ist als unzuverlässig längst erkannt. Die Voraussetzung für
ihre Verwertbarkeit beruht auf einer irrigen Annahme.
Auch Hubers Modifikation der Methode, nach der unter¬
sucht wird, wie lange nach Einnahme von Salol die Salizylur¬
reaktion noch positiv ausfällt, ist nicht zuverlässig, wenn
auch besser als die von Ewald-Sievcrs.
Die Mängel der Salolmethode haften nun der Unter-
suchungmitHilfederRöntgen strahle n nicht an.
Mittels des Leuchtschirmes beobachten wir bei dieser die ver¬
abreichte Probemischung auf ihrem Wege durch den Magen-
Darm. Zweifel über den jeweiligen Ort innerhalb der Ver¬
dauungwege, an dem sich die Mischung befindet, kommen nicht
auf oder lassen sich leicht heben. Ausserdem aber leistet die
Röntgenuntersuchung noch Anderes als die Ausheberungs¬
methode, ist somit eine wertvolle Ergänzung derselben.
Rieder hat in seiner Arbeit: „Beiträge zur Topographie
des Magendarmkanales beim lebenden Menschen, nebst Unter¬
suchungen über den zeitlichen Ablauf der Verdauung“ (Fort¬
schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahleii, Bd. VIII) u. a.
auf die Möglichkeit hingewiesen, die motorische Funktion des
Magens mit Hilfe der Röntgenstrahlen zu untersuchen.
Er hat ebendort angegeben, für mit Bismutum subnitricum
versetzte Speisen dieselbe Magenaufenthaltsdauer gefunden zu
haben, wie für die gleichen Speisen ohne Wismutzusatz: Bei
Einnahme massiger Mengen Flüssigkeit 1 3 Stunden, bei festen
Speisen ca. 5 Stunden.
Eine Reihe verschiedener Fakt*neu beeinflussen bekannt¬
lich — abgesehen von den Ingesten selbst - die Magen*
motilität. Genannt seien nur thermische Einflüsse, der Ein¬
fluss der Ruhe und Bewegung, der I uü'.mgszustaiul des
Darmes, seelische Momente etc.
Wir müssen bei Untersuchung der m< torischen Funktion
des Magens - - klinisch und röntgenologisch - deshalb syste¬
matisch Vorgehen, um verwertbare Resultate zu erzielen. \ on
röntgenologisch*, r Seite ist dies im Anschluss an obengenannte
Publikation Rieders von Jo lasse (Fortschritte auf d«.m
Gebiete der Röntgenstrahleii, Bd. XI: „Zur Motilitä'sprtjlurg
des Magens durch RontgeriMrahlen“). dann ferner v m
S c Ii w a r z und Kreuzt u c h s (W kn. klm. \\ ochcusJir.
10H7. No. 15) geschehen.
Unter Einhaltung geeigneter YersuJisKärgungen wurden
zur Erreichung von Noimnlzeiten -- magengeMindcn Per¬
sonen Mischungen von 2<H) g Milchgriesbrei und .*«• g Bismutum
subnitricum im nüchternen Zustand verabreicht. Der Magen
erwies sich dabei nach 2 d Stunden als leer.
Ein interessantes Resultat der Untersuch);: gen von,
S c h w a r z und K r e u z f u c h s ist die Beobachtung der s< g.
..Schlusskontraktion“. Die Arbeit von Schwarz m-J
K rcuzfuchs ist mir erst gegen Ei de meiner eigenen l nte r -
suchungen zu Gesicht gekommen: meine in dieser RiJm.mg
an einem umfangreicheren Material erhobenen Befinde be¬
stätigen die der beiden Wiener Autoren.
Jolassc hat darauf hingewiesen, dass Bismutum sub¬
nitricum die Verdauung von 2 <hi h Brei \ e r langsame, dass der
in der letzten Zeit der VeuUimngsprnoJe mi Magen sichtbare
Schatten nicht mehr von Brei p’us Pasm. subn. herruhre. son¬
dern von letzterem allein. Im \ erlauf de r Magens erdauimg
sedimentiere das spezifisch schwerere U>m. subn. aus dem
mehr und mehr flüssig werdenden Mageninhalt aus und setze
sich im tiefsten 'Feile des Magens ab. Jolassc hat J.esui
Vorgang auf Schirmbildern lu-oluJitet und durJi \ushebertin.g
des Magens in der letzten Yerdauui gMvri< de nachgew ieseiu
dass der schattengebende Rest keinen Brei mehr enthalte,
lediglich vom Bism. subn. herrühre. Fr sprüht direkt von
einer „Schwierigkeit“ des Bism. subn.. aus dem Magen zu ver¬
schwinden. Bism. subn. allein in Miich oder W.nnr ge¬
geben, brauche dieselbe Zeit, wie 2« *• g Griesbrei mit 2" g
Bism. subn. - nämlich 2-2 Stirn Jen - und sei in Fallen,
in denen der Patient nicht in der l äge sei. Jih) g Brei mit
Wismut zu essen ausreichend zur Uptersiiclumg des motori¬
schen Verhaltens, etwa mit 15 g MiMiziukcr angenihrt.
Um die Röntgenuntersuchung der motorischen Fimk’ioii
des Magens auf eine breitere Pasis zu stellen, habe iJi au
SO mageiigesunden Versuchspersonen beiderlei < ies Jilvchts und
verschiedener Altersk'assen m über 2'«> F:i:/c!\ersuchen das
Verhalten des Magens wahrend der Entleerung imi gegenüber
verschiedenartigen Wismutgemischen untersucht. Die ver¬
hältnismässig grosse Zahl von Untersuchungen und die wieder¬
holte Prüfung der Einzelnen geben cin ReJit zu der Annahme,
dass Zufälligkeiten nach Möglichkeit ausgeschlossen sind und
das Gcsetzmässigc erkannt worden ist.
Zur Methode selbst kurz fo!gct|*jks:
Pie nüchternen Versuchspersonen crhie iten i nbogens bei ent¬
leertem 1 lärm I die ieweils /u u o.*e Ws v hirig u”d bin Pen w.ih-
reiid der Yersuchselaiier ruhig sitzend io W- mt. on aum. I he k nie he
Untersuchung des Magens war in der u’-e : w u gendeu Mehrzahl der
Faile vorhergegangen und nur \ er mk Iimh : s. m n mit normalen. Be¬
fund sind zur Aufstellung von Si.rni.ouiat f r die l ute: mu hurus-
metliode mit Milte der Rontgeustr a li e n \ewcM worden.
Pie Purchletichtniig wurde im Veher' \ - .r gi n- ” ”'e zmu.JiM
unter \ rrwetuiung weiter Binden. I he l ”ti • vi, ! 'i:'ueii . rn 1 n-
zeliien folgbm si h ade du Mm'fr* n. e " 1 n V de r Mauerte "t-
leerung alle IO- 15 Minuten und /war net b •• h' e-Ue v 'er 1 miee'mig
unter \ et w eiulung engerer Blenden. \ui Ceti We/t V ei> inru
mochte ich besonders huiw eien. M 'ave de' l 'V’vi^ ; e f cdi \<u
Beginn der l 'ntersiiclnmg an die PurVe ; e;t g-, v ■ '• , e 1 ’ nn mn aut
elem Leuchtschirm detulie.li zu sehen. InanJ;: ”.ht bet "t zu we¬
ifen.) Rohre und PurchlctichttmgNS,. )n"v. I . w . . •< n hvu'mnc :
auf jedesmalige möglichst gleieh.n t:ce 1 v ‘e m c de ^ v t ■.•■v B : e i-
marke gekennzeichneten Nabels aut de”' cboit "g n c im I
Haltung eles /u Fntersuchenden vk. M /u ad o. n. we’ n v an e.:g
einzelnen Schirmbilder untereinande r \ c' : e ; J eil w ; .
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1735
Orthodiagraphische Kontrolle wurde zum Teil vorgenommen und
ist nötig, wenn zahlenmässige Angaben über Lageverschie¬
bungen und Formveränderungen gemacht werden sollen. Zur Unter¬
suchung des Entleerungsvorganges des Magens schlechtweg ge¬
nügt das Schirmbild unter Berücksichtigung obengenannter Kautelen.
Jede Röntgenröhre kann verwendet werden, die bei genügendem
Härtegrad (ca. 15 parallel) die erforderliche Belastung erträgt.
Von einer tabellarischen Wiedergabe meiner Unter¬
suchungsresultate sehe ich ab, um oftmalige Wiederholungen
zu vermeiden. Ich fasse die Resultate möglichst kurz zu¬
sammen.
Eine Anzahl von Motilitätsprüfungen des Magens an den¬
selben Individuen durchgeführt, bald mit einem Mittagessen
unter Bism. subn.-Zusatz, das etwa der L e u b e sehen Probe¬
mahlzeit entsprach, bald mit einer der später zu besprechenden,
etwa einem Probefrühstück gleichkommenden Mischung, hat
— wie zu erwarten war — ergeben, dass für die Diagnose
beide Methoden gleichwertig sind. Da wir mit den dem Probe¬
frühstück entsprechenden Mischungen rascher zum Ziele
kommen und die geringeren Mengen leichter bewältigt werden,
habe ich von weiteren Untersuchungen mit Probemahlzeiten
abgesehen und lediglich dem Frühstück entsprechende Mi¬
schungen gebraucht. Hier wieder hat sich gezeigt, dass Ver¬
wendung von geringen Mengen Bism. subn. (10—20 g) bei
schlanken Menschen zu befriedigenden Beobachtungen ge¬
nügen kann, dass bei kräftigen aber die Schattenbildung und
damit die Darstellung des Magendarmkanals zu wünschen übrig
lässt. Der zeitliche Gewinn, der durch Verabreichung ge¬
ringerer Bismutummengen infolge etwaiger rascherer Ent¬
leerung des Magens erreicht wird, ist so gering, dass dies
Moment ausser acht gelassen werden kann. Eine Menge von
30 g Bism. subn. entspricht für unsere Zwecke, was Schatten¬
bildung anbelangt, völlig. Die Gefahr einer Intoxikation ist
nach Verabreichung dieser Dosis bei Erwachsenen ausge¬
schlossen.
Dass diese Gefahr bei grösserer Bi.-subn.-Menge oder Kindern unter
Umständen gegeben sein kann, steht fest. Ich habe — nachdem ich
selbst hunderte von Magenuntersuchungen mit Mengen bis zu 50 g
Bi. subn. an Erwachsenen beiderlei Geschlechts ohne belangreiche Be¬
schwerden durchgeführt habe, bei 3 Patienten schwerere Zufälle ge¬
sehen, die einige Stunden nach Einnahme der Mahlzeiten eingetreten
sind. Es handelte sich um 2 Personen weiblichen Geschlechts und
einen Mann, alle 3 ziemlich elende, reduzierte Personen, welche vor
3—6 Monaten Gastroenterostomieoperationen wegen Ulcus und Hyper-
azidität durchgemacht hatten. Sie hatten je 50 g Bi, subn. in 400 g
Griesbrei erhalten. Nachdem sich die nächsten 2—3 Stunden nach
Einnahme der Mischung lediglich ein leichter „Magendruck“ bemerk¬
bar gemacht katte, traten dann ohnmachtsähnliche Anfälle (ohne Be¬
wusstseinsverlust) ein mit mehr oder weniger starker Zyanose des
Gesichtes, der sichtbaren Schleimhäute und Hände unter Aus¬
bruch von Schweiss, besonders auf der Stirn. Der Puls wurde klein,
Uebelkeit stellte sich ein und die Patienten hatten ein Gefühl von
Hinfälligkeit. In den 3 Fällen gingen die Störungen bald vorüber,
in einem völlig spontan, in den beiden anderen wurde der Darm
je mit einem hohen Einlauf entleert und Analeptika gereicht.
Aeussere Umstände machten es mir unmöglich, das Blut der
Untersuchten im Anfall zu prüfen und so die Beweiskette zu
schliessen, dass in den 3 Fällen die Intoxikation auf die Nitritkompo¬
nente der Wismutverbindung zurückzuführen ist, wofür das klinische
Bild durchaus spricht 1 ).
Ausgeschlossen ist die Gefahr der Nitritvergiftung natür¬
lich bei Gebrauch des Bism. carbon. Eine belästigende Ent¬
wicklung von Kohlensäure tritt im Magen nicht auf. Magen¬
druck oder Völlegefühl werden sich aber auch bei Verab¬
reichung von Bism. carbon. nicht ganz vermeiden lassen, doch
wohl nur bei empfindlichen Personen zu beobachten sein.
*) Auf die Literatur der Nitrit- und Wismutvergiftung kann hier
nicht eingegangen werden. Ich will nur darauf hinweisen, dass
H e f f t e r zuerst die eigenartigen Vergiftungserscheinungen nach Ver¬
abreichung von Bism. subn. in einem Teil der Fälle als Nitritwirkung
erkannte und Böhme in einer schönen Arbeit die Annahme Heff-
ters experimentell belegte (Archiv f. exper. Pathol. u. Pharmakol.
1907). In etwa dieselbe Zeit wie meine eigenen Beobachtungen fällt
eine solche Erich Meyers in der hiesigen II. medizinischen Klinik.
Der von Meyer beobachtete Fall endete letal unter den Erschei¬
nungen der Nitritvergiftung. Die Verhältnisse lagen bei diesem Fall
aber ganz exzeptionell ungünstig. (In den Therap. Monatsheften
im Erscheinen.)
Das Bism. carbon., von Hannon dem Anzneischatz ein¬
verleibt, von Boas therapeutisch empfohlen, wurde auf Erich
Meyers Rat im Röntgenlaboratorium des Krankenhauses
1. d. Isar (Prof. Rieder) angewendet und als brauchbar er¬
kannt.
Auch ich kann das K a h 1 b a u m sehe, stark basische Prä¬
parat empfehlen (BiO)aCOs. Vermöge seines höheren
prozentualen Bi-Gehaltes kommen wir zur Motili-
tätsprüfung mit geringeren Dosen aus: statt 30 g Bism. subnitr.
gebrauchen wir ca. 28 g Bism. carbon.
Aehnlich liegen die Verhältnisse beim Hydrat. Ich habe
alle in Betracht kommenden Bi-Präparate genau untersucht
und werde darüber berichten.
Heute schon möchte ich mitteilen, dass mich auch das Wis¬
mut su 1 f i d, BiaSs, das bis jetzt, so viel ich weiss,
in der Medizin nicht gebraucht worden ist,
für bestimmte röntgenologische Zwecke
befriedigt hat. Weitere Untersuchungen gerade damit
sind noch im Gang .
Man könnte nun daran denken — und J o 1 a s s e hat dies
auch vorgeschlagen — die Magenmotilität mit 30 g Bism. subn.
allein zu untersuchen, lediglich mit etwas Wasser angerührt
(28 g Bism. carb. wäre etwa dasselbe).
Dies empfiehlt sich nicht.
Um die Magenform auch nur einigermassen darzustellen
und die mechanischen Vorgänge an ihm zu beobachten, ist
eine gewisse Füllung des Magens nötig. Dies trifft bei dem
geringeren Bodensatz im untersten Teil des Magens, den die
30 g Bismutsalz darstellen, nicht oder ungenügend zu. Die
Verhältnisse im Darm werden unübersichtlich. Statt der
Bism.-Aufschwemmung in Wasser, schlage ich die von mir an¬
gegebene, unten noch zu beschreibende Bism.-Bolusmischung
vor. Sie hat sich mir gut bewährt und kann diagnostisch
wertvolle Aufschlüsse geben, wie ein gleich zu schildernder
Fall zeigen wird, dem ich folgende erklärende Betrachtung
vorausschicke.
Die „motorische Funktion“ des Magens hängt nicht nur von
seiner muskulären Kraft oder Schwäche allein ab. Die che¬
mischen Vorgänge in ihm dürfen nicht ausser acht gelassen
werden, und diese wieder sind beeinflusst neben anderem
bekanntlich von der Art der Ingesta, dem Anreiz, welchen
diese für die Sekretion in den Magen geben.
Nun wird Bism. subn. bekanntlich init Erfolg gegen Hyper-
chlorhydrie angewendet; ein etwa durch Hyperchlorhydrie
bedingter reflektorischer Pylorospasmus könnte also unter dem
Gemisch des Bism. und dem indifferenten Bolus alba aus-
bleiben.
Ich verfüge über eine Beobachtung, welche diese Ver¬
hältnisse illustriert und die deshalb hier kurz wiedergegeben sei.
Patientin, 45 Jahre alt, leidet seit längerer Zeit an Magenbe¬
schwerden. Vor Monaten war Blut im Erbrochenen. Starke Hvüer-
chlorhvdrie des nach Probefrühstück ausgeheberten Magensaftes.
6Vs Stunden nach Leubes Probemahlzeit stark saure Reste im
Magen, flüssig, verhältnismässig gut durchgearbeitet, frei von
Brocken.
Erste Röntgenuntersuchung. Patientin erhält fol¬
gende Mischung: 30 g Bism. subn., 60 g Bolus alba werden in einem
250 ccm fassenden Glas mit Wasser zu einem dünnen, trinkbaren Brei
angerührt. Bi. fällt während der Beobachtungszeit nicht aus, die
Masse bleibt homogen, wie Röntgenogramme bewiesen haben.
Der Magen zeigte die R i e d e r sehe Angelhakenform und war
völlig normal, was seine Laee anbetrifft. Nach 2 Stunden
25 Minuten war er leer; diese Zeit ist — wie wir später sehen wer¬
den — für diese Mischung völlig normal.
Versuch 2 (3 Tage nach 1). In der gleichen Menge Wasser
wie bei Versuch 1 werden 30.0 g Bi. c a r b o n. morgens nüchtern —
wie zuerst — verabreicht. Auch diesmal war der Magen genau nach
2 Stunden 20 Minuten leer.
Unser Verdacht auf Stenose am Pvlorus wurde nicht bestätigt.
Woher die Dissonanz zwischen klinischem und röntgenologischem
Befund?
Versuch 3. Es werden 30g Bi. carbon. in 200g Mehlbrei
gegeben. Nach über 5 Stunden finden sich noch deutliche Reste Im
Magen. Patientin gab starkes Brennen im Magen an. wie es jedes¬
mal auftrete, wenn sie „irgend etwas Nahrhaftes“ zu sich nehme
(besonders nach Fleisch, aber auch nach Brot. Brei etc.).
Die Ausheberung, die zur weiteren Bestätigung in mehrfacher
Hinsicht wünschenswert gewesen wäre, konnte aus äusseren Orfin-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1736
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
den und mit Rücksicht auf die Patientin selbst nicht durchführt
werden. Aber ich glaube, die Resultate vereinen sich aufs Beste
mit denen der früheren klinischen Untersuchung. Bi. subn.. Bi.
carbon. und Bolus alba haben die Hyperazidität nicht auftreten oder
zur Wirkung kommen lassen; wohl aber die Breimischung. I ic
Retention des Chynuis im Magen ist die Holge eines reflektorischen
Pylorospasmus auf Grund der — klinisch festgestellten rl\ per-
a/.idität.
Als „Normalmethode“ empfehle ich die (auch von Jo lasse und
Schwarz und Kreuzfachs angewandte) Bi.-Breimischung nn
Verhältnis von 30 Bism. subnitr., besser 2K Bism. carbon. am
200 g Milchgries- oder Mehlbrei. Auf sachgenuisse Herstel¬
lung des Breies und seine richtige Konsistenz muss geachtet
werden; diese soll ein gleichmüssiges Mischen mit dem in wenig
Wasser aufgeschlemmten Bi. eben noch ermöglichen. Nach der
Vermengung stellt das ganze eine von Knollen freie eigentümlich
dickrahmig aussehende Masse dar. Zusatz von Geschmackskorn-
gentien unterbleibt bei beabsichtigter Motilitätspriifung besser.
Das Resultat derartiger Untersuchungen ist folgendes:
Mit Ablauf der zweiten Stunde nach Verabreichung der
Probemischung hatten von 80 Versuchspersonen 2 d. h.
2,5 Proz. einen leeren Magen. Es waren dies junge magen-
gesunde Männer im Alter von 18 und 22 Jahren.
Ein grösserer Teil — und hierunter waren von 30 Männern
25 — hatte das Resultat mit Ablauf der dritten Stunde erreicht.
55 Proz. der Versuchspersonen, darunter 3 Männer, die
übrigen Frauen, wiesen erst nach 3U Stunden einen leeren
Magen auf; sie hatten nach 3 Stunden geringe, aber einwand¬
frei nachgewiesene Schatten im Magen. Bism. carbon. und
Bism. subn. haben sich prinzipiell gleichartig verhalten, was
ihr Verschwinden aus dem Magen anbelangt. Wir haben als
Normalzeit also 2—314 Stunden anzusehen; eine dünnere Brei¬
mischung mag etwas rascher passieren.
Die von J o I a s s e erhobenen Befunde, nach denen 30 g
Bism. subn. allein in wenig Wasser oder mit 15 g Milchzucker
genau so lange im Magen verweilen wie mit 200 g Mehl oder
Griesbrei, kann ich nicht bestätigen. Bei 28 von 30 Unter¬
suchten hatten 30 g Bismutum allein mit Wasser angerührt den
Magen 20- 60 Minuten früher verlassen als in der Breimischung
bei denselben Individuen.
Dass unter bestimmten Verhältnissen ein deutliches Aus-
sedimentieren des Bismutum aus der Breimischung stattfinden
kann, ist unbedingt zuzugeben; es handelt sich dann meist um
Fälle, die motorische Störungen aufweisen. Dies gilt auch
für den Fall des Bestehens von Sanduhrmagen, von dem
Jo lasse, zur Illustrierung dieser Verhältnisse, seiner oben
zitierten Arbeit eine verkleinerte Schirmpause mitgibt. Die
motorische und mechanische Funktion ist offenbar sehr herab¬
gesetzt bei erhaltener Sekretion: Der Magen ist nach 2 Stunden
noch fast voll und zeigt deutliche Schichtung seines Inhaltes.
Im Verlauf meiner Untersuchungen sind mir ähnliche
Schichtungen 2 mal begegnet.
In beiden Fällen hat es sich um Herabsetzung der moto¬
rischen und mechanischen Funktion gehandelt (sie wurden bei
der Feststellung von Normalzeiten natürlich nicht verwertet).
An anderer Stelle (Fortschritte auf dem Gebiet der
Röntgenstrahlen Bd. XI, S. 266, K a e s 11 e, Bolus alba und
Bism. subn., eine für die röntgenologische Untersuchung des
Magendarmkanals brauchbare Mischung) habe ich darauf hin¬
gewiesen, dass Bism. subn. in bestimmten Verhältnissen mit
Bolus alba und Wasser gemischt sehr gut in Suspension ge¬
halten wird, um so besser, wenn die Mischung, wie dies im
normalen Magen der Fall ist, fast ständig in Bewegung bleibt.
Die oben angegebene Mischung von 30 g Bism. subn.
oder 28,0 Bism. carbon. mit 60 oder 65 g Bolus alba in
einem 250 ccm haltenden Glas mit Wasser vermengt bis zur
eben trinkbaren Konsistenz verlässt den Magen gesunder Er¬
wachsener in etwa 1 K* — 3 Stunden, etwas rascher als die Brei¬
mischung bei denselben Individuen, wahrscheinlich infolge der
dünnbreiigen Beschaffenheit. Diese Mischung erhält sich im
Magen gleichmässig, füllt ihn zur Uebersicht genügend und gibt
gute Bilder. Sie ist da verwertbar, w o eine konsistentere Brei¬
mischung nicht genommen werden kann. Verzögerung der
Entleerung über die dritte Stunde hinaus zeigt Störung der
motorischen Funktion an.
Die Bismutum-Bolusmischung ist nicht eigentlich einer
Probemahlzeit gleich zu setzen. Sie gibt der sekretorischen
Tätigkeit des Magens keinen Anreiz und keine Auigabe: da¬
durch und weil es sich um verdauliche Massen handelt,
kommt eine Verdünnung des Mageninhaltes nicht oder kaum
zustande und ein Sedimentieren des \\ ismut bleibt ganz aus.
Wir beurteilen mit Hilfe dieser Ingesta die muskuläre Kraft
oder Schwäche des Magens schlechthin und sein Freisein von
organischen Hindernissen.
Wie gestaltet sich nun im Allgemeinen die motorische
Funktion des normalen Magens nach \ crabreichung einer
unserer Mischungen und w as beobachten w ir am Schirm 2
Wir sehen, wie die ersten eingefuhrten Mengen der
Mischung nach einem kurzen Aufenthalt in der Hohe der
Magenblase (am Eingang des Magens) den tiefsten Punkt des
Magens aufsuchen. Bei weiterem Nachfullen selbst mit
grösseren Mengen senkt sich der untere Magenpol nicht oder
nicht wesentlich tiefer. (S c h warz und Kreuztuch s).
Schon kurze Zeit nach Einführung der Ingesta beginnt
die Entleerung. Wir sehen über die Magenwände peristaltische
Wellen ablaufen und in regelmassigen Intervallen sidi das
Anthrum pylori abschniiren. Nash der auf dem Schirm zu be¬
obachtenden energischen Entleerung desselben, während der
es für uns auf dem Leuchtschirm mehr und mehr verschw indet,
sehen wir es sich wieder füllen.
Der untere Magenpol bleibt nun bis ca. 1 (»der *» Stunden
vor völliger Entleerung des Magens in annähernd der gleichen
Höhe stehen, abgesehen von den vorübergehenden Lagever¬
änderungen durch die Peristaltik; dann aber steigt er ziemlich
unvermittelt manchmal beträchtlich. Gleichzeitig damit nickt
der Pylorus nach links und mehr oder w eniger nach oben.
Dieses Gehoben werden des tiefsten Magenpoles ermög¬
licht erst die Entleerung der letzten Reste aus dem Magen.
Die ansaugende Kraft der Oeffnungcn des Anthrum pylori
w ürde mit den regelmässigen peristaltischcn Wellen allem nicht
ausreichen um die. eventuell noch festeren. Teile aus den
tiefsten Partien des sonst schon leeren Ma gens herauf7uh«*len.
Die „S c h I u s s k o n t r a k t i o n“ schüttet die Nahrungsreste
dem Anthrum pylori entgegen, in dieses hinein.
Eiir die Passage des Dünndarms brauchen die Massen 2
bis 3 Stunden. Im Kolon geht die Fortbewegung wesentlich
langsamer von statten und die individuellen Schwankungen
werden hier beträchtlich.
Die Peristaltik des Magens zeigt nun bei pathologischen
Fällen oft deutliche und mit Hilfe der Röntgenmethode früh¬
zeitig erkennbare Veränderungen.
Hindernisse am Pylorus verraten sich durch Verlang¬
samung der Entleerung bei manchmal auffallend gesteigerter
Lebhaftigkeit der Peristaltik im Anfang der Erkrankung: in
späterer Zeit durch Herabsetzung auJi der mechanischen
Funktion, dann meist mit Formveränderung des Magens.
Bei Atonie habe ich neben grosserer Ruhe verspätetes oder
mangelhaftes Eintreten der ..Sclilusskontraktron“ beobachtet.
Zur Untersuchung der mechanischen Funktion des Magens
dienten früher der E i n h o r n sehe < ia^trograph und die Me¬
thode von H e m m e t e r - M o r i t z. Näheres über sie findet
man z. B. in Einhorn: „Die Krankheiten des Magens.“ Die
Bewegungen des Magens sind zwiefacher Natur: 1. aktiver
(Peristaltik) und 2. passiver (übertragene, respiratorische und
pulsatorische).
Dass beide heute am besten mit Hilfe der Röntgenmethode
beobachtet werden, braucht naJi allem Yorhergegangeiieii
rieht besonders betont zu werden.
Auf diese Dinge und d.e kurz zuvor berührten Eunktiors-
störimgeii des Magens bei ..Atome", HiuderrVKse n am Pv-
lorus etc. kann ich hier nicht emgeheu. l'cber sie lieget: eine
Reihe vorzüglicher Arbeiten verschiedener Autoren vor.
Statt auf Vieles verweise ich nur auf die vor kurzem er¬
schienene ausgezeichnete Arbeit E a u I h a b e r s; .,1 fty Rönt¬
genuntersuchung des Magens". Sie fahrt auJi die Literatur
vollständig bis fast in die allerletzte Zeit an.
Nachdem wir die normale Entlref ungs/ L -.t für bestimmte
Bism.-Mischungen genau keimen, ist die M<-g’iJikeit gegeben,
den Einfluss von M e d i k a m e n i e n u n d a n d e r e n E i n -
griffen auf den Ablauf der Magerer,t’eerung zu studieren.
Den Einfluss verschiedener ..Magern :”e!" auf d e Peristaltik
habe ich zu untersuchen begonnen..
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f&. August 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1737
Der Einfluss der Massage auf den Magen lässt sich am
Schirmbild sehr schön beobachten; ebenso der Einfluss des
elektrischen Stromes im Sinne einer Anregung.
Meine Beobachtungen über den Einfluss von Abführ¬
mitteln auf die Magentätigkeit sind noch wenig zahlreich
und die Resultate bis jetzt teilweise widersprechend. 2 )
Bei den engen Wechselbeziehungen zwischen Funktion und
Form der Organe wird es von Interesse sein, zu sehen, welche
Magenformen die hier dargelegten funktionellen Re¬
sultate ergeben haben. Alle Untersuchten — Männer und
Frauen — mit zwei Ausnahmen zeigten „Angelhakenform“
des Magens. Eine jugendliche gesunde Person (22 Jahre)
weiblichen- Geschlechtes und ein 18 jähriger Bursche hatten
einen Magen mit „Rinderhornform“.
Bezeichnen wir als „normal“ das am häufigsten Vorkom¬
mende, das Regelmässige, dann ist normal fraglos der „Angel¬
hakenmagen“. Funktionell habe ich keinen Unterschied ge¬
sehen. Die Rinderhornmagen arbeiteten vorzüglich; der des
Mädchens von 22 Jahren z. B. hatte seine Breimischung
nach 2 Stunden und 20 Minuten restlos entleert. Aehn-
Iiche Resultate haben aber Angelhakenformen auch er¬
reicht; ja ich habe — wie auch Jolasse — verschie¬
dene Mägen mit auffallend tief stehendem unteren Pol mit
und ohne tiefer stehendem Pylorus gefunden, die sehr gute
Funktion gezeigt haben; ihre Besitzer hatten nie die geringsten
Magenstörungen, keine Erscheinung hatte auf die Andersartig¬
keit der Lage hingewiesen. Diese als „ptotisch“ bezeichneten
Mägen haben sich auch bei der klinischen Funktionsprüfung als
tüchtig erwiesen.
Im übrigen zeigten die Magenformen im allgemeinen
bei Männern und Weibern die schon von Rieder hervor¬
gehobenen, auf dessen Anregung von G r ö d e 1 III im hiesigen
Institut näher untersuchten morphologischen Verhältnisse: ver¬
glichen mit dem Weibermagen zeigte der Männermagen ge¬
ringere Höhe, grössere Breiten und im ganzen höhere Lage¬
rung.
Diese groben morphologischen Details und einige
andere, die gröbste Gliederung des Organs bedingende
waren, was Form an belangt, aber auch das einzige, wo-
nach man die Mägen etwa rubrizieren könnte — mehr
oder weniger gewaltsam. Die zahlenmässige Aufstellung
von Normalgrössen für Geschlechter, Körpergrössen etc.
ist eine Sache — mehr als heikel. Es sind mir
unter gesunden Personen gleichen Geschlechtes, Alters und
ähnlicherKonstitution stark variierendeGrössen vorgekommen,
und umgekehrt haben Personen desselben Geschlechts, aber
sonst verschiedenster Körperbeschaffenheit ähnliche Grössen¬
verhältnisse etc. gezeigt. Der Formenreichtum ist gerade hier
ausserordentlich gross und die Verhältnisse für zahlenmässige
Normierung liegen weit, weit weniger günstig als z. B. am
Herzen.
Wir werden bei der Beurteilung der „Normalität“ eines Ma-
gens mehr funktionell diagnostisch als morphologisch zu ent¬
scheiden haben, wenn auch nicht zu leugnen ist, dass bestimmte
Magenformen und Lagen erfahrungsgemäss mehr zu Funktions¬
störungen disponieren event. auch der Ausdruck solcher sind
als die normalen, regulären.
Wegen der Abhängigkeit der motorischen Funktion des
Magens von einer grossen Zahl von Momenten ist die Wieder-
holung der Motilitätsprüfung an verschiedenen Tagen unter
Berücksichtigung der einschlägigen Verhältnisse zu empfehlen.
Veränderung der motorischen Funktion innerhalb kurzer
zeit ist — wie auch Jolasse hervorhebt — ein Mahnruf;
hier kann die Funktion früher Aufschlüsse geben als die Ver¬
änderung der Form.
Dass sich gröbere Veränderungen, eine Insuffizienz
zweiten Grades, eine Stauungsinsuffizienz bei Anwendung
der geschilderten Methode wahrnehmen lassen, ist wohl selbst¬
verständlich; schwere Fälle weisen selbst nach Ablauf von
24 Stunden und mehr noch Schatten im Magen auf.
Zur Anstellung der geschilderten Untersuchungen des
*) Entgegen klinischen Angaben habe ich auch bei Durchfall in
2 Fällen raschere Entleerung des Magens gesehen.
No. 33
Magens hat mir Herr Professor Dr. H. Rieder in liebens¬
würdigster Weise das Röntgenlaboratorium des klinischen In¬
stitutes zur Verfügung gestellt und mit förderndem Interesse
den Gang der Arbeit verfolgt
Den Herren Aerzten das Krankenhauses links der Isar, ins¬
besondere Herrn Dr. Levy, verdanke ich einen Teil der Ver¬
suchspersonen, Einen anderen Teil habe ich in dem mir unter¬
stehenden Röntgenlaboratorium der Kuranstalt Neuwittelsbach
durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Herrn Dr.
v. H ö s s 1 i n anstellen können.
Den genannten Herren möchte ich auch an dieser Stelle
danken.
Aus der chirurgischen Universitätsklinik in Marburg (Direktor:
Geheimrat Prof. Friedrich).
Eine Modifikation der Verlagerungsmethode bei der
Koch ersehen Bruchoperation.
Von Dr. H. T a k a t a in Tokio.
Unter den neueren Methoden der Bruchoperation nimmt
durch Originalität und physiologische Begründung neben der¬
jenigen B a s s i n i s wohl die erste Stelle die Operation
Kochers ein. Kocher hat in der neuesten Auflage seiner
Operationslehre die zwei Arten des Vorgehens als Invagi-
nationsverlagerung und laterale Verlagerung im wesentlichen
wie folgt beschrieben.
I Er legt einen 6 cm langen, über den vorderen Leistenring
■ hinaus gehenden Hautschnitt an, macht die Obliquussehne breit
I frei, spaltet vom skrotalen Leistenring abwärts die Fascia
Cooperi, danach die Tunica vag. com. und löst nun den Bruch¬
sack vom Samenstrang stumpf los, so hoch hinauf wie möglich.
Gelingt jetzt die Einstülpung des Bruchsackes d. h. diejenige
seiner unteren Kuppe hinein in die Bruchsacklichte, so macht
Kocher die Invaginationsverlagerung. Gelingt
die Einstülpung nicht, so führt er die einfache laterale
Verlagerung aus.
Kocher hält die Invaginationsverlagerung für das
bessere Verfahren. Er führt sie im weiteren so durch, dass er
die in den Bruchsack eingestülpte Bruchsackkuppe dicht hinter
der vorderen Wand des Leistenkanales bis zum abdominalen
Leistenring in die Höhe schiebt und nun die Spitze der Zange,
welche die Bruchsackkuppe gefasst hatte, an die Aponeurose
des Obliquus andrückt, wonach, um der Zange den Durch¬
tritt nach aussen zu ermöglichen, die Aponeurose und das
parietale Peritoneum gespalten werden. Durch den Schlitz
führt er den nunmehr umgestülpten Bruchsack mit jetzt nach
aussen gekehrter Serosa hindurch, zieht den Bruchsack straff
an, bindet den Stiel des Bruchsackes an der Basis ab und lässt
nach Abtragung des Bruchsackes den Stumpf in die Bauch¬
höhle zurückschlüpfen. Nach Naht des kleinen Aponeu-
rosenschlitzes sichert eine Faltungsnaht der vorderen Wand
des Leistenkanales den Abschluss des letzteren.
Es wird sonach — zunächst die Ausführbarkeit der Invagi¬
nationsverlagerung vorausgesetzt — ausser der Bruchsack¬
abtragungswunde eine zweite Peritonealwunde an der Stelle
der Durchführung des Bruchsackes durch den Bauchwand¬
schlitz gesetzt und es wird der zurückgestülpte Bruchsack erst
nochmals durch den Bauchfellraum hindurchgeführt bis zum
abdominalen Leistenring. Der Aponeurosenbauchfellschlitz in
der Höhe des abdominalen Leistenrings dient nur zur Bruch¬
sackabtragung und die Schnürbasis des Bruchsackes schnellt
durch den Schlitz dann wieder in die Gegfend des abdominalen
Leistenrings zurück.
Die laterale Verlagerung gestaltet sich insofern einfacher,
als der Bruchsack an der Kuppe gefasst, ohne Einstülpung an
der hinteren Seite des vorderen Leistenkanales in die Höhe
geschoben und dann in gleicher Weise durch einen Aponeu-
rosenschlitz nach aussen gebracht wird. Bei diesem Vorgehen
braucht sonach das parietale Peritoneum nicht gespalten zu
werden, sondern man schnürt, den Bruchsackhals dicht an der
Aponeurose mit kräftigem Faden zu, trägt ihn ab und lässt
den Stumpf zurückschlüpfen. Die kleine Aponeurosen-
öffnung wird vernäht und ebenfalls die Faltungsnaht der vor¬
deren Leistenkanalwand hinzugefügt.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1738
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Die von Kocher mitgeteilten Berichte über eigene Er¬
folge und die anderer Autoren sind so vortreffliche, dass es fast
gewagt erscheint, die Methode zu modifizieren und doch hat
Prof. Friedrich in mehreren Punkten Abweichungen be¬
vorzugt, schon von der Zeit ab, als Kocher die erste Mit¬
teilung bekannt gegeben hatte.
Prof. Friedrich ist durch alle die letzten Jahre der von
ihm gewählten Modifikation treu geblieben. Ich habe die
Operation in seiner Hand kennen gelernt und er hat mir ge¬
stattet, dieselbe hier zu schildern.
1. Prof. Friedrich macht zunächst nur einen kleinen
Hautschnitt, gerade gross genug, dass er die Schenkel des
Obliquus mit dem Durchtritt des Bruchsackes freilegt; er löst
nun den Bruchsack in gleicher Weise aus.
2. Wird nach Friedrich der Bruchsack nicht am
inneren Leistenring abgetragen, sondern vielmehr zwischen
der Muskulatur der vorderen Bauchwand und
demsieauskleidendenparietalenPeritoneum
weit in die Höhe geschoben, unter Umständen bis
nahe an die Spina ant. sup. ossis ilei. Hierbei wird gewisser-
massen der ganze Bruchsack nochmals zwischen parietalem
Peritoneum und Bauchwandmuskeln ausgestreift.
3. Die Bruchsackkuppe wird nun in gleicher Weise wie
bei Kocher durch einen kleinen Schlitz nach aussen hin¬
durchgeführt. Entsprach der Bruchsack in seiner Länge der
Länge dieses Weges, so wird seine Kuppe ohne Abtragung in
dem kleinen Schlitze eingenäht; war der Bruchsack länger, als
dieser Weg, so wird der überschüssige Teil in der Höhe
dieses Bauch wandschlitz es abgetragen und der
Bruchsackstumpf auch hier angenäht. I)iescn
Bauchwandschlitz macht Friedrich sehr klein.
4. Es wird, nach der Durchführung des Bruchsackes durch
den Schlitz, der Bruchsack vor seiner Anheftung straff an¬
gezogen und damit das Peritoneum seiner abdominalen Ocff-
nung, gewissermassen seine Basis am abdominalen Leisten ring,
mit unter das parietale Peritoneum nach der
Spina zu verlagert. Der ganze Bruchsack liegt so mit ver¬
lagerter Basis hart zwischen parietalem Peritoneum und
Bauchwandmuskulatur, ist fixiert durch die Naht an dem
kleinen Endschlitze und heilt rasch auf diesem Wege zwischen
Serosa und Muskulatur ein.
5. Durch den Zug aber wird nicht nur die abdominale
Pforte des Leistenbruchs mit unter die Serosa parietalis ver¬
lagert, sondern auch das laterale Ende der hinteren Wand des
Leistcnkanales gegen die vordere Wand angepresst. Durch
diese beiden Akte erfolgt ein solider, glatter Abschluss der ab¬
dominalen Leistenpforte.
6. Erscheint es nach der Weite des Leistcnkanales
wünschenswert, den Kanal des Leistenringes noch im ganzen
zu verengern (aber auch nur dann!), so wird der kleine Haut¬
schnitt über dem skrotalen Leistenring noch um 2 Finger breit
nach oben verlängert und dann die Kanalwandfaltennaht in
2 bis 4 Nähten hinzugefügt.
Fig. L
Bei sämtlichen nach dieser Modifikation Behandelten ist
ein Bruchrezidiv, soweit spätere Kontrollen möglich waren,
nicht beobachtet worden. Die älteren Fälle Prof. Fried¬
richs liegen bereits über 10 Jahre zurück; bei zweien von
den Greifswalder Fällen wurde Nahtinfektion an dem oberen
Durchtrittsschlitz beobachtet, ohne dass es zu nennenswerten
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Komplikationen gekommen wäre; alle übrigen Fälle wurden
ohne Reaktion per primam geheilt. Die Operierten wurden
durchschnittlich 6—14 Tage im Bett gehalten. Unter den
Operierten befinden sich Angehörige aller Stände in jetzt
voller Berufstüchtigkeit.
Eilt. 2.
Fig. 3.
lm*tw * * 0 *»i
Nach Kocher II (schematich).
Fig. *1.
Nach Friedrich (1. Art) (schematisch).
Fig. 5.
Nach Friedrich (3. Art) (schematisch).
Die Durchführbarkeit der Methode hat natürlich ihre
Grenzen, wie das Koche rsclie Verfahren überhaupt.
Brüche mit Verwachsung des Inhaltes oder starker Bruch¬
sackwandverdickung eignen sich im allgemeinen für keine
dieser Methoden und man wird hier immer der Methode
Bassin is den Vorzug geben. Bei einfachen, nicht ver¬
wachsenen Brüchen aber stellt die geschilderte Modifikation
ein geradezu ideales Verfahren dar.
Ihre Vorzüge bestehen, um das nochmals kurz zusammen¬
zufassen, in folgendem:
1. in der Geschwindigkeit der Ausführung,
2. in der physiologischen Berücksichtigung des Bauch¬
wandmuskelapparates,
3. in der geringen Zahl notwendiger Nähte,
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UNIVERSITY QF MINNESOTA
IS. August 1908.
MUBNCHEttER MEDIZINISCHE WOCHEMSCHfelFt.
4. in der sehr geringen äusseren späteren Narbenbildung,
5. in dem guten Dauererfolg.
Die Operation wird von Prof. Friedrich in Spinal¬
analgesie oder Narkose ausgeführt, während die örtliche An¬
ästhesie mit Rücksicht auf die wünschenswerte Ausschaltung
jedes Pressens seitens des Kranken hierbei nicht angewendet
wird.
Aus der Chirurgischen Klinik zu Heidelberg (Direktor: Geh.
Hof rat Prof. Dr. N a r a t h).
Die Operation von Leisten- und Schenkelhernien in
lokaler Anästhesie.
Von Dr. A. Nast-Kolb,
früherem Assistenzarzt der Klinik, zurzeit Oberarzt am
Katharinenhospital Stuttgart.
Die Frage der verschiedenen Anästhesierungsverfahren
hat besonders in den letzten Jahren wieder zahlreiche Be¬
sprechungen gefunden. Allgemeinnarkose, lumbale Anaesthe-
sie und örtliche Schmerzbetäubung konkurrieren vielfach mit¬
einander. Ueber ihre Vor- und Nachteile, über die Indikationen
der einzelnen Methoden sind die Akten noch nicht geschlossen.
Diese Unsicherheit wird namentlich der Praktiker un¬
angenehm empfinden. Dieser braucht ein Änästhesierungs-
verfahren, das neben sicherer Wirkung und möglichster Ge¬
fahrlosigkeit auch ein möglichst geringes Hilfspersonal er¬
fordert. Der letzteren Anforderung genügt die Lumbal¬
anästhesie, der ersteren nicht, oder wenigstens noch nicht. Da¬
gegen hat sich die lokale Anästhesie ein immer grösseres Feld
erobert; sie ist bei richtiger Technik in ihren Wirkungen zu¬
verlässig, völlig gefahrlos und die Grenzen ihres Anwendungs¬
gebietes können sehr weit ausgedehnt werden. Es ist hier
nicht der Ort, die grossen Verdienste Schleichs, Brauns,
Hackenbruchs, Obersts, Cushings und anderer um
dieses Verfahren zu besprechen. Ich möchte nur kurz die An¬
wendung dieser Methode beschreiben, wie sie sich uns an der
Heidelberger Klinik bei einem grossen und praktisch wichtigen
Gebiete, bei der Operation von Leisten- und Schenkelhernien
bewährt hat.
In einer Arbeit über Lokalanästhesie aus der hiesigen Klinik
konnte L i e b 1 *) 1906 unter 198 mit diesem Verfahren aus¬
geführten Operationen nur von einer Radikaloperation einer
Hernie berichten. Seitdem haben wir gelernt, diese Methode
in immer ausgedehnterer Weise zu verwenden, so dass wir
jetzt, wie schon Roith 2 ) in einer Anmerkung zu seiner
Publikation: „Zur Indikationsstellung für die verschiedenen
Anästhcsierungsverfahren“ erwähnt, fast alle Hernien, auch
sehr grosse, in lokaler Anästhesie operieren. Wir sind mit dem
Verfahren ausserordentlich zufrieden und ziehen es für diese
Operationen der lumbalen Anästhesie weit vor. Fast in allen
Fällen gelingt es, die Operation schmerzlos durchzuführen.
Nur bei besonders ängstlichen Patienten oder dann, wenn wir
uns in der Ausdehnung der Operation getäuscht hatten, mussten
wir die Inhalationsnarkose zu Hilfe nehmen. Als solche ver¬
wandten wir die W i t z e 1 sehe Aethertropfmethode. Man
kommt dann mit ganz auffallend geringen Mengen des Narkoti¬
kums aus.
Als Anästhesierungsmittel benützen wir ausschliesslich
eine I proz. Novokainlösung. Diese wird zu jeder Operation
frisch durch Auflösen von Novokain-Suprarenin-Tabletten
(Tabl. A., Farbwerke Höchst) in steriler, physiologischer Koch¬
salzlösung hergestellt. Man kann von ihr ruhig bis zu 50 ccm
injizieren, wir haben davon nie Nachteile weder örtlicher noch
allgemeiner Natur gesehen. Oft kommt man aber mit weit ge¬
ringeren Mengen aus, mit 25—30 ccm. Zum Injizieren ver¬
wenden wir stets eine Schleich sehe 5-g-Spritze. Eine
grössere Spritze hat den Vorteil, dass man sie nicht so oft
wieder aufzuziehen braucht, man arbeitet aber mit einer kleinen
Spritze zweifellos sparsamer. Die Injektionsnadel sei nicht
zu kurz, 5—6 cm lang.
Ehe ich auf die spezielle Injektionstechnik eingehe, möchte
ich kurz noch die Indikationsstellung besprechen. Alte Leute
*) Liebl: Münch, med. Wochenschr. No. 5, 1906.
*) Roitb: Beiträge zur kiin. Chirurgie, Bd. 57, H. 2.
1139
sind mit ihrer normaler Weise schon herabgesetzten Schmerz¬
empfindlichkeit sehr geeignet für die Lokalanästhesie. Aus¬
geschlossen von der Lokalanästhesie haben wir grundsätzlich
Kinder unter 10 Jahren. Aeltere Kinder sind zuweilen der
Lokalanästhesie zugänglich, aber im allgemeinen bleibt das
Verfahren für Erwachsene reserviert, an deren Willenskraft,
Geduld und Mut es immerhin einige Anforderungen stellt.
Denn der Gedanke ohne Narkose operiert zu werden, ist den
meisten Patienten noch ein zu ungewohnter und schrecken-
erregender, doch lässt sich diese Angst durch freundliches Zu¬
reden meist ganz gut überwinden. Nach der schmerzlos ver¬
laufenen Operation sind die Kranken ausserordentlich dankbar,
dass man ihnen die Unannehmlichkeiten der Narkose erspart
hat. Die Zahl der Patienten, die ausdrücklich wünschen, ohne
Narkose operiert zu werden, ist mit der sich verbreitenden
Kenntnis des Verfahrens bei uns dauernd im Zunehmen be¬
griffen.
Von Hernien haben wir in Lokalanästhesie operiert:
1. inkarzerierte Schenkel- und Leisten¬
hernien. Bei inkarzerierten Hernien gelingt die lokale An¬
ästhesie stets. Hier genügt sogar häufig die Anästhesierung der
Haut. Die Patienten mit eingeklernmten Brüchen befinden sich
meistens in einem gewissen Aufregungszustand und all ihre
Gedanken sind nur auf den Wunsch gerichtet, so rasch wie
möglich von ihren Schmerzen und aus der Lebensgefahr befreit
zu werden. Auch eine etwaige Darmresektion erfordert nicht
die Narkose, sofern man nur unnötige Zerrungen am Mesen¬
terium vermeidet.
2. freie Leistenhernien. Die Grösse bietet kein
Hindernis; wir haben über kindskopfgrosse Hernien in ört¬
licher Anästhesie ohne Schwierigkeiten operiert. Bei sehr
grossen Hernien lassen wir, wie es von anderer Seite vor¬
geschlagen wurde, den peripheren Anteil der Bruchsackes zu¬
weilen zurück, nachdem der zentrale in üblicher Weise isoliert
und abgebunden worden ist. Als Radikaloperation haben wir
entweder die B a s s i n i sehe Operation gemacht oder die von
Ferrari angegebene ohne Verlagerung des Samenstranges,
die den Vorteil hat, dass die Gebilde des Samenstranges mehr
geschont werden. Zu dieser haben wir öfter die Faszienver¬
doppelung hinzugefügt.
3. freieSchenkelhernien. Die Bruchpforte wurde
durch Naht der Fascia pectinea an das Poupartsche Band
nach Abtragung des Brucksackes geschlossen. Hier handelt
es sich ja meist um nur kleine Brüche.
Für kontraindiziert halten wir das lokale Anästhesierungs¬
verfahren bei Hernien mit ausgedehnten Verwachsungen zwi¬
schen Bruchsack und Bruchinhalt. Diese Operationen gestal¬
ten sich oft sehr schwierig, es lassen sich Zerrungen am Peri¬
toneum und Mesenterium nicht vermeiden, die Reposition des
Bruchinhaltes in die Bauchhöhle stösst häufig auf Hindernisse;
da reicht die örtliche Anästhesierung nicht aus und es bleiben
solche Fälle der Allgemeinnarkose bezw. der lumbalen An¬
ästhesie Vorbehalten. Dagegen geben umschriebene Verwach¬
sungen, besonders des Netzes, keine Kontraindikation ab.
Vor der Operation geben wir, meistens etwa eine halbe
Stunde vorher, 0,01—0,015 Morphium subkutan, zuweilen auch
Skopolamin 0,0005. Bei ängstlichen und aufgeregten Patienten
empfiehlt sich das sehr, um sie über die psychische Erregung
hinwegzubringen. Bei ruhigen, verständigen Kranken ist es
aber nicht nötig, denn die Anästhesierung ist fast stets eine
vollkommene.
Die Technik der Injektion, wie wir sie jetzt anwenden,
schliesst sich natürlich an die von Braun u. a. beschriebene
an. Sie gestaltet sich bei einer freien Leistenhernie beim
Manne folgendermassen: Nachdem man sich Richtung und
Länge des beabsichtigten Hautschnittes (wir schneiden parallel
dem P o u p a r t sehen Bande, einen guten Querfinger medial
von diesem ein) festgestellt hat, sticht man 1 cm oberhalb des
voraussichtlichen Endpunktes des Schnittes ein (durch Auf¬
spritzen von Chloräthyl kann man die nötigen Einstiche auch
noch ganz schmerzlos machen) und infiltriert das subkutane
Gewebe in der ganzen Länge des Hautschnittes. Dann in¬
jiziert man von derselben Stelle aus unter langsamem Vor¬
schieben der Nadel in die Tiefe durch die ganze Dicke der
Bauchdecken hindurch. Einmal etwas mehr medial von
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1740
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
subkutanen Hautinjektion, ein zweitesmal mehr lateral nach
der Gegend des P o u p a r t sehen Bandes zu. Man kann die
Nadel während des Füllens der Spritze im ersten Einstich
stecken lassen, wodurch man mehrere Einstiche vermeidet.
Dann macht man einen neuen Einstich 2 Querfinger unterhalb
des äusseren Leistenringes über dem Samenstrang und injiziert
unter Anheben des Samenstranges in den Samenstrang hinein,
indem man die Nadel bis in den Leistenkanal hinein vorschiebt.
Und nun noch von demselben Einstich aus wie vorher je eine
Spritze lateral und medial vom Samenstrang schräg in die
Tiefe in die Bauchdecken seitlich vom Leistenkanal. Nach
Ausführung der Infiltration bis zum Beginn der Operation warte
man 2—3 Minuten bis die Anästhesie völlig eingetreten ist.
Damit kommt man bei kleineren Brüchen aus und man kann
schmerzlos alle Schichten der Haut und der Muskulatur durch¬
trennen, den Bruchsack spalten, auslösen, abbinden, wenn
nötig den Samenstrang verlagern und die Naht ausfiihren. Bei
sehr fettreichen Patienten empfiehlt es sich, zuerst subkutanes
Gewebe und Faszie gut in der Schnittlinie zu infiltrieren, nach
Spaltung dieser Gebilde erst die tiefe Muskulatur und das
Poupartsche Band zu anästhesieren. Dann eröffne man
den Bruchsack und injiziere von innen her nach oben zu das
präperitoneale Gewebe im Bereich der Bruchpforte. Nament¬
lich bei sehr grossen Bruchpforten ist das anzuraten, weil man
bei diesen von oben her nicht genügend das präperitoneale Ge¬
webe in seinem ganzen Umfange erreichen kann. Wenn man
so etappenweise injiziert, muss man zwischen den einzelnen
Akten etwas abwarten, doch haben wir kaum je länger als
2—3 Minuten auf den Eintritt der Empfindungslosigkeit warten
müssen. Bei sehr grossen Bruchsäcken haben wir, wie er¬
wähnt, den peripheren Anteil des Bruchsackes ruhig liegen
lassen, doch kann man auch ihn schmerzlos exstirpieren, wenn
man die Basis des Skrotums gut umspritzt. Das wichtigste
ist: man infiltriere reichlich und dringe mit der Nadel gut in
die Tiefe vor; wenn man immer gleichzeitig die Nadel vor-
scliiebt und dabei injiziert, so ist dies schmerzlos und ungefähr¬
lich.
Etwas modifizieren muss man natürlich bei Schenker¬
hernien. Besonders sorgfältig hat man bei ihnen das präperi¬
toneale Gewebe des Bruchsackhalses zu anästhesieren, das
versteckt unter dem Poupart sehen Bande hegt. Am besten
gelingt dies nach Eröffnung des Bruchsackes von innen her.
Einige Vorsicht ist hier wegen der Nähe der grossen Gefässe
geboten, die natürlich mit der Nadel vermieden werden müssen.
Bei inkarzerierten Hernien genügt meist die subkutane
Injektion der Haut in der Schnittlinie, der man noch einige
Injektionen beiderseits in die Tiefe neben die Bruclipforte und |
den Bruchsack hinzufügt. Will man an die Lösung der Inkar- !
zeration die Radikaloperation anschliessen, so ist die etappen- |
weise Anästhesierung wie oben beschrieben anzu wenden. 1
Wird eine Darmresektion wegen Gangrän der eingeklemmten
Schlinge nötig, so sei man beim Vorziehen des Darmes recht
vorsichtig. Jedes Zerren am Mesenterium löst starke Schmer¬
zen aus. Die schonende Unterbindung und Durchtrennung des
Mesenteriums ist schmerzlos, ebenso, wie bekannt, die Resek¬
tion und Naht des Darmes.
Ich habe absichtlich die Technik der Anästhesierung so
ausführlich geschildert. Wir hatten anfangs manche Miss¬
erfolge zu verzeichnen, aber mit der zunehmenden Erfahrung
sind diese jetzt recht selten geworden. So mussten wir in
diesem Jahre bei bis jetzt 54 Hernien nur ein einziges Mal die
Inhalationsnarkose zu Hilfe nehmen.
Es gibt Patienten, bei denen die Anwendung der lokalen
Anästhesie völligen Schiffbruch erleidet. Das sind ängstliche,
sehr erregte Kranke, die schon vor dem ersten Nadelstich
schreien und jammern, jedem vernünftigen Zuspruch unzu¬
gänglich sind, bei denen auch eine vorausgeschickte Morphium¬
dosis in ihrer Wirkung versagt. Bei diesen die lokale An¬
ästhesie erzwingen wollen, hiessc die vorzügliche Methode in
Misskredit bringen.
Durch dieses Verfahren gelingt es uns, die Schmerzemp- ,
findung im Operationsgebiet aufzulieben, dagegen bleibt das
1 astgefiihl erhalten. Der Kranke fühlt jeden Druck, jedes Stär- !
kere Zerren, jedes brüske Anfassen der Gewebe. Man muss !
sich daher ein zartes, behutsames Operieren zur Regel machen. 1
Das gelingt ganz gut. indem man möglichst ausgiebig mit
Messer und Schere scharf arbeitet, alles Zerreissen von Ge¬
webeteilen vermeidet, die Haken vorsichtig einsetzt und zart
tupft. Besondere Vorsicht ist bei der Behandlung des Bruch¬
sackes geboten. Wir wissen aus den Untersuchungen Len¬
ti a n d e r s, w ie empfindlich das parietale Peritoneum gegen
jeden Zug ist. Jeder starke Zug am Bruchsack oder auch am
Mesenterium wird ganz ausserordentlich schmerzhaft emp¬
funden. Durch zartes Arbeiten kommt man aber gut über diese
Gefahren hinweg und lernt allmählich diese Klippen vermeiden.
Das klingt vielleicht alles selbstverständlich; wenn man aber
gewöhnt ist, in Narkose zu arbeiten, achtet man aut diese
Kleinigkeiten nicht und erst der Aufschrei des Patienten, sobald
man den Bruchsack unsanft in die Hand nimmt, ruft einem ein¬
dringlich die Mahnung zur Vorsicht ins Gedächtnis zurück.
In dem Verlaufe der Wundheilung haben wir keine Sto¬
rungen beobachtet, die wir auf den Einfluss des Lokalanästheti¬
kums zurückführen konnten. Auch die InfektionsmogliJikeit
Schien keine grossere zu sein. Nekrosen oder Nachblutungen
haben wir nicht erlebt. Die Heilung erfolgte in der Regel per
primam. Kleinere Eiterungen der oberil.ichiidien Nahte haben
wir bei der grossen Reihe von Operationen natürlich auch ge¬
sehen, aber nicht mehr als früher und namentlich die tuten
Pfeilernähte - ■ wir nähen mit Seide sind durchweg re¬
aktionslos eingeheilt.
Eine Beobachtung soll nicht unerwähnt bleiben: Das ist
der recht lebhafte Nachschmerz. Er beginnt etwa eine Stunde
nach Beendigung der Operation und halt 3 -4 Stunden an, um
dann vollständig zu verschwinden. Eine Morphaimimektion
hilft über diese schmerzhafte Phase leicht hinweg.
Es wurde schon betont, dass wir auch bei redit hohen
Dosen Novokain niemals Vergiftungserschemungeti erlebt
haben. Die Anästhesie wurde durchweg ausgezeichnet ver¬
tragen. Doch schützt die Lokalanästhesie nicht, wie schon
früher Mikulicz berichtet hat. vor postoperativen Lungeii-
komplikationen. Es haben ja die Hernienoperationen an suh
schon einen hohen Prozentsatz an postoperativen Luiigenatfek-
tionen. Diese Gefahr wird durch die Anwendung der lokalen
Anästhesie nicht ausgeschaltet. Wir haben eine Reihe mehr
oder weniger ausgebreiteter Bronchitiden und lobulärer Pneu¬
monien nach unseren Hermenopcrationen beobachtet; sie
waren aber alle gutartiger Natur und haben den Heilungs-
Verlauf nicht gestört.
Welche Nachteile hat die lokale Anästhesie bei Hernien?
Für den Patienten keine; die einzige Unannehmlichkeit ist wohl
das Bewusstsein, in wachem Zustande operiert zu werden.
Mancher Kranke sagt: Nur nichts hören und nichts sehen.
Letzteres lässt sich durch Bedecken der Augen leicht erreichen,
ausserdem kann man noch die Ohren mit Watte verstopfen,
oder man lässt sich eine dritte Person mit dem Operierten
Unterhalter und so seine Aufmerksamkeit ablenken. Pur den
Operateur hat das Verfahren einige Unannehmlichkeiten: Er
muss die Geduld haben, zu warten bis die Anästhesie eir-
getreten ist. er muss zart operieren; hat man sehr reichlich
infiltriert, so ist zuweilen die Orientierung etwas erschwert.
Ich mochte nn ht vergessen, zu bemerken, dass der Arzt mit
Aeiisserimgen wahrend der Operation sehr vorsichtig Sem
muss und am besten überhaupt nicht spricht. Die Patienten
passen meist gespannt atii und kontrollieren genau jedes Wort
des O peri ereil dein Einige teilnehmende Bemerkungen an den
Patte ulen direkt gerichtet verfehlen dagegen nie ihre beruhi¬
gende Wirkung. Das sind aber alles do a nur kleine Un¬
bequemlichkeiten. die jeder m den Kauf nehmen muss, der
überhaupt in lokaler Anästhesie operiert, und d.e gar nicht
in Betracht fomrnen gegenüber den grossen Vorzügen des
Verfahrens. In allererster Linie seine Gefahrlos.gkeit. dann
das Leiden von Erbreche ri wahrend und mich der Operat. n.
d : e Möglichkeit mit dem Patienten zu sprechen, dm z. B. hasten
oder pressen zu lassen, w as bei kleinen Brüchen oft recht an-
g'-'iielna ist. für den Praktiker scheint uns m-Ji besonders
vorteilhaft, dass die Methode einer; Narkotiseur entbehrlich
macht und die Möglichkeit gibt, den Kranken gleich rach der
Operation ganz ruhig zu verlassen, ohne abw arten zu müssen,
bis er ans der Narkose erwacht und die Gefahr der Aspiration
durch Erbrechen nicht mehr zu beiareilten ist.
Digitlzed by Co gle
— Origin&Hmm
UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. _ 1741
Wir hoffen, durch diese Mitteilungen zu einer recht weiten
Verbreitung der lokalen Anästhesierungsmethode, die wir für
eine ausserordentlich einfache und vielseitig anwendbare hal¬
ten, beizutragen. Jeder, der sich mit den Indikationen und der
Technik vertraut gemacht hat, wird die grossen Annehmlich¬
keiten der Methode zu schätzen wissen und den Kreis ihres
Anwendungsgebietes immer weiter auszudehnen sich bemühen.
Zum Schluss seien kurz noch die Zahlen der in lokaler An¬
ästhesie operierten Brüche (aus den letzten 17 Monaten) an¬
geführt. Es wurden operiert: freie Leistenhernien 63, freie
Schenkelhernien 9, eingeklemmte Leistenbrüche 2, ein¬
geklemmte Schenkelbrüche 7, davon 2 mit Resektion des bran¬
digen Dünndarms; ausserdem noch 4 Nabelbrüche und 7 epi¬
gastrische Hernien, deren Anästhesierung nach den obigen
Ausführungen sich ohne weiteres ergibt und nach denselben
Grundsätzen durchgeführt wird.
Aus der Kgl. chirurgischen Universitätsklinik in Berlin
(Geh. Rat B i e r).
Die Technik der Gehgipsverbände.*)
Von Dr. James F r ä n k e 1, Assistent der Klinik.
Sehr gross ist die Anwendungsmöglichkeit des Gips¬
verbandes als Gehverband. Denn in seinen Indikationsbereich
gehören die ambulant zu behandelnden Frakturen der unteren
Extremität, die Massenerkrankungen an Knochen- und Gelenk-
tuberkulöse und viele rein orthopädische Fussleiden.
Den mit solchen Leiden behafteten Kranken die Möglich¬
keit und Annehmlichkeit der freien, selbständigen Fortbewe¬
gung zu verschaffen, ist ein Gebot der Humanität, ja vielfach
eine strikte ärztliche Vorschrift. Fragen wir uns, ob und wie
die Technik bisher diese Forderung erfüllt hat, so kann man im
allgemeinen sagen, dass das Problem noch nicht zur Zufrieden¬
heit gelöst ist.
Am besten ist es, wenn wir von der heute üblichen Me¬
thode der ambulantem Behandlung der Unter- und Ober¬
schenkelfrakturen ausgehen, als deren zweckmässigstes Ver¬
fahren dasjenige von D o 11 i n g e r gilt. Die drei zu stel¬
lenden Forderungen, Reposition, Fixation, Entlastung, erfüllt
D o 11 i n g e r, indem er unter starker Extension des ge¬
brochenen Gliedes einen an den knöchernen Stützpunkten
(Condylus medialis der Tibia, Tuber ischii) gut modellierten
Gipsverband anfertigt, nachdem unter die Fussohle eine dicke
Wattelage als Trittsohle gelegt ist. Diesem Verbände nun macht
man den Vorwurf im besonderen, dass die aus Gips ge¬
bildete Fussplatte bald nachgibt und damit die Entlastung
illusorisch wird, und im allgemeinen wirft man der Methode
vor — in allen Lehrbüchern der Chirurgie ist die warnende
Vorschrift zu lesen —, dass der Verband nur besonders tech¬
nisch geschulten Chirurgen überlassen werden darf.
Verfolgen wir den erstgenannten, sehr berechtigten Ein¬
wand weiter, so kommen wir zu den Bestrebungen, die auf
eine sichrere Entlastung im Gipsverbande hinzielten. Man
stülpte über den Gipsverband eine Thomas sehe oder
Bruns sehe Schiene oder befestigte über dem Gipsver¬
band mit Organtin- oder Wasserglasbinden den nach Lorenz
benannten Tretbügel aus Bandeisen.
Sonderbarerweise hat man die letztere allerdings einwand¬
freie Entlastungsvorrichtung nur für die Gehverbände bei der
Gelenktuberkulose benutzt, nicht aber ebenfalls zur ambulanten
Frakturenbehandlung herangezogen.
Dadurch, dass wir bei Frakturen, namentlich der Malleolen
und der Unterschenkeldiaphyse, in den nach der üblichen Art
angelegten Verband einen Gehbügel eingipsten, wurde er¬
reicht, dass die Kranken sofort nach Anlegung ihres Verbandes
ohne Schmerzen gehfähig waren, und vermöge der absolut
gewahrten Entlastung des gebrochenen Gliedes vollzog sich
die Heilung stets in vollkommenster Weise. (Fig. 1.)
Bei Knöchelbrüchen ohne Dislokation der Fragmente
nehmen wir neuerdings Fuss und Fussgelenk nicht in den Gips¬
verband hinein, sondern fixieren den frei schwebenden Fuss
elastisch durch zwei kreuzförmig angeordnete Gummizüge,
*) Nach einem Vorträge auf dem 37. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Chirurgie, 1908.
die vom Vorderfuss zum oberen Teil des Gipsverbandes
laufen.*) Wir verfahren so in prophylaktischer Absicht. Denn
unsere Resultate lehren, dass sich auf diese einfache Weise
Versteifungen im Fussgelenk und Belastungs¬
deformitäten (Pes valgus traumat.) sicher ver¬
hüten lassen .
Betreffs der Technik ist hauptsächlich zu
berücksichtigen, dass über der vorderen Tibia¬
kante, am Condylus internus tibiae und am
Capitulum fibulae sehr reichlich zu postern ist
und der Gips am Kondylus der Tibia exakt
modelliert werden muss.
Unter Berücksichtigung dieser Vorschrif¬
ten ist der ambulante Frakturenverband nicht
sonderlich schwer und durchaus ungefährlich.
Allerdings ist die Beherrschung der Gips¬
technik Vorbedingung, und es kann nicht ge¬
leugnet werden, dass das Erlernen der Gips¬
technik nicht ganz leicht und schnell zu er¬
ledigen ist.
Neben guter Technik ist gutes Gips¬
material eine conditio sine qua non. Man
kommt mit den selbstbereiteten Gipsstärke¬
gazebinden ganz gut aus, sollte diesen aber,
um die Dauerhaftigkeit des Verbandes nicht
zu schädigen, keinen Alaun zusetzen. Grosse
Erleichterung bieten die in der Kgl. Klinik
gebräuchlichen fertigen Gipsbinden von Cosack & Co.,
Düsseldorf, die sofort erstarrende, leichte, dauerhafte, ala-
basterfarbene Gipsverbände liefern.
Das geschilderte Verfahren kann ohne weiteres über¬
tragen werden auf die ambulante Behandlung der an fixierten
Plattfüssen Leidenden, wo ein adressierender Gipsverband
für mehrere Wochen angezeigt ist, und es kann ebenso Ver¬
wendung finden für Verbände, die einen operierten Fuss oder
Unterschenkel vor Belastung schützen sollen. Auch imK r i e g s-
f a 11 kann, wie ich mir denke, dieses Bedürfnis vorliegen. Um
die Leistungsfähigkeit des Gehbügelgipsverbandes zu be¬
weisen, führe ich den Fall eines 15 jährigen Jungen an, dem
wegen Lähmung am Fusse eine Sehnenplastik gemacht war
und der, zu unserem eigenen Erstaunen, sofort nach der Opera¬
tion, ohne jeden Schmerz und ohne Störung des Heilungsver¬
laufes, im Gehbügelgipsverband nach Hause lief.
Dem Stiefel des gesunden Fusses geben wir die not¬
wendige Erhöhung durch eine feste Korksohle oder auch durch
eine in verschiedener Dicke vorrätige Sandale, die unter den
Stiefel bandagiert wird. (Fig. 2.)
Fig. 2.
Der Gehgipsverband, wie er im vorhergehenden geschil¬
dert ist, erfüllt die wichtigste Bedingung, die an ihn gestellt
werden muss, er entlastet absolut. Aber ein Nachteil
haftet ihm an, er zwingt, die Pflege der Haut und Muskulatur
an dem kranken Körpergliede zu vernachlässigen und ver¬
bietet die gleichzeitige Applikation anderer Heilmittel, wie
der Bier sehen Stauung bei der Behandlung von Gelenk¬
tuberkulosen. Wohl machte man abnehmbare Gipsver¬
bände, indem man den Verband an zwei Seiten aufschnitt,
ein Gehbügel aber, ohne den, wie ich oben ausgeführt habe,
eine zuverlässige Entlastung unmöglich ist, liess sich dann nicht
an dem Verbände anbringen. Die Unmöglichkeit, ent¬
lastende, abnehmbare Gipsgehverbände her¬
zustellen, hat auch Lorenz beklagt.
Diese Lücke glaube ich ausgefüllt zu
haben durch die Konstruktion eines Gehbügels, der aus einer
einfachen Aenderung des Lorenz sehen Bügels entstanden ist.
*) J. Fränkel: Zur Behandlung der Malleolarfrakturen. Freie
Vereinig, d. Chirurgen Berlins, 15. Juni 1908.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1742
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
An dem einen Schenkel der Doppelschiene,
2—3 cm über dem queren Verbindungsstück
befindetsicheinkräftiggearbeitetesHaspen-
scharniergelenk, das ein Auf - und Anklappen
des mit dem Qelenk versehenen Schienenteils
gestattet |Fig. 3] *).
Mittels dieses Qehbügels gestaltet sich die Anlegung eines
abnehmbaren Qipsverbandes folgendermassen:
Eine einfache Lage Wiener Watte umhüllt zunächst das
kranke Glied. Das Festwickeln dieser Watteschicht mit einer
Mullbinde ist nicht nötig und hier unzulässig, weil sonst das
Abnehmen des Verbandes Schwierigkeiten macht. Auf die
Watteschicht wird an der Vorder- und Hinterseite des Beines
in der Mittellinie ein 2—3 cm breiter Zinkstreifen von der Länge
des beabsichtigten Verbandes aufgelegt. Jetzt folgt das
schnelle Abwickeln der vorher in Wasser eingeweichten Gips¬
binden. Vor der letzten Gipsbinde wird der oben beschriebene
Gehbügel so angelegt, dass das Gelenk an die Aussenseite des
Beines zu liegen kommt und das Querstück 4—8 cm von der
Sohle des Fusses bezw. der Verbandsohle entfernt bleibt. Die
letzte Gipsbinde, die mit den vorhergehenden sorgfältig ver¬
rieben werden muss, befestigt den Gehbügel im Verbände.
Sofort wird der Verband mit scharfem Messer über den Blech¬
streifen aufgeschnitten, so dass harte, feste Ränder entstehen,
dann in dem Gelenk aufgeklappt, abgenommen und an den
Rändern ausgeschnitten (Fig. 4). Soll der Verband gleich be¬
nutzt werden, was zulässig ist, polstert man ihn durch Einlegen
glatter Wattelagen. Im allgemeinen lassen wir, da der Ver¬
band als Dauerverband bestimmt ist, ihn nach dem Trocknen
mit gutem Flanell auskleben. Ueber die Ränder des Ver¬
bandes, die gleichfalls mit Stoff eingefasst werden, setzt sich
an den Längsseiten der Innenschale der Futterstoff in zwei
Laschen fort, die mittels einiger an ihnen befestigter Bänder
übereinandergezogen werden können. Diese Vorkehrung ist
nötig, weil dadurch das Einklemmen von Haut zwischen den
beiden Schalen des Verbandes verhütet wird. 2 Gurt¬
bänder mit Schnallen halten die Schalen gegeneinander fest.
Ich sagte, dass dieser Verband als Dauerverband be¬
stimmt ist. Wir wissen, dass Okklusivgipsverbände bisweilen
recht lange halten. Von einem abnehmbaren Gehverband da¬
gegen, der schon durch das häufige An- und Ablegen viel mehr
geschädigt wird, sollte man eine lange Lebensdauer nicht er¬
warten. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass die Verbände
bereits 6 Monate ohne Schaden überdauert haben und zwar
nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen, die sich
der Apparate bei Ausübung ihres Berufes bedienten.
Sollte ein Verband schadhaft sein, so ist in wenigen
Minuten eim neuer gemacht. Die Kosten des Materials sind
ganz geringfügig.
Die Technik dieser Verbände ist leicht und sicher, wenn
man mit dem Gips schnell arbeitet, ihn möglichst nass aufträgt,
*) Der Gehbiigel wird in verschiedenen Grössen von H. Wind-
1 e r, Berlin geliefert.
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die einzelnen Gipsschichten gut ineinander verreibt und exakt
an den Knochenstützpunkten anmodelliert.
Nimmt man den Fuss in den Gipsverband hinein, so ist der
auf die Vorderseite des Unterschenkels gelegte, zum Aufschnei¬
den bestimmte Blechstreifen bis zur grossen Zehe fortzuführen,
während die hintere Schnittlinie im Verbände dicht über der
Ferse spiralförmig nach aussen abbiegt und entlang dem Klein¬
zehenrand des Fusses nach vorn verläuft.
Der mit dieser Technik hergestellte abnehmbare Geji-
verband eignet sich besonders für Fusstuberkulosen jeden
Alters, für Malleolenfrakturen von Kindern und Erwachsenen,
für Knietuberkulosen von Kindern und Halberwachsenen.
Den Entlastungsapparat für Fussfungus bis zum Sitz¬
knorren hinaufzuführen, wie Lorenz es tut, halte ich nicht
für nötig. Denn am Knie findet ein exakt gemachter Verband
vollkommensten Halt.
Wir verzichten bei der Behandlung der Gelenktuberkulose
auf die Feststellung des kranken Gelenkes. Deswegen be¬
ginnt der Verband für Fungus pedis erst oberhalb der Knöchel
und lässt das Fussgelenk frei, so dass die Form äusserst ein¬
fach wird. Ganz analog beginnt der Gipsverband bei Knie¬
fungus oberhalb des Kniegelenks. Dementsprechend sind die
Schenkel des Gehbiigels für diesen Verband nach oben ver¬
längert; sonst ist der Gehbügel für Knietuberkulose nach der
in Fig. 2 gezeigten Form gearbeitet.
Dass die Spitze des freischwebenden Fusses den Boden
berührt, wird durch genügende Bemessung der Distanz
zwischen Sohle und Tretbügel vermieden. Wer den Fuss in
den Verband hineinnehmen will, kann es ja tun. Eine Trennung
von Fixationsverband und Entlastungsschiene, wie sie neuer¬
dings von Ducroquet empfohlen wird, ist dann aber nicht
nötig.
In Ermangelung des abnehmbaren, entlastenden Gipsver¬
bandes griff man bisher zur Erreichung desselben Zieles zu den
komplizierteren Modellapparaten, als deren gebräuchlichste
Vertreter der Zelluloid- und der Hessingapparat gelten. Auf die
Stellung des abnehmbaren Gehgipsverbandes zu den Modell¬
apparaten, deren Schöpfer Hessing ist, muss hier kurz ein¬
gegangen werden.
Der Wert und die vorzügliche Wirkung des Hessingappa¬
rates beruht bekanntlich darauf, dass resistenteres und ange¬
nehmeres Material als es der Gips ist, nämlich Stahl und Leder
nach einem aus Gips geformten Modell zu einem Apparat zu¬
sammengesetzt werden. Vergleichen wir die Wertigkeit des
Gips- und des Modellapparates als solchen, so muss doch ge¬
sagt werden, dass auch der beste Modellapparat kaum so
genau den Körperformen sich in allen Einzelheiten anpassen
kann, wie ein guter Gipsverband, der ja das Modell selbst ist.
Hinzu kommt, dass ein guter Hessingapparat nur von einem
annähernd ebenso geschickten Mechaniker gemacht werden
kann, wie es Hessing ist. Die guten Apparatmechaniker
aber sind nicht zu reichlich gesät. Ohne den wohl unver¬
gänglichen Wert des Hessingapparates zu verkennen und ohne
das Bedürfnis zu unterschätzen, das wohl für jeden Chirurgen
vorliegt, sich in geeigneten Fällen der Hilfskraft eines geübten
Mechanikers zu bedienen — für Becken- und Oberschenkel¬
apparate Erwachsener ist der Hessingapparat unersetzlich —
muss das Bestreben als berechtigt gelten, sich von dem Ban¬
dagisten, der überdies nicht jedem zugänglich ist, möglichst
unabhängig zu machen. Das gestattet aber allein der Gips¬
verband, den H o f f a die Seele der Orthopädie nennt.
Was den Zelluloidapparat betrifft, der von Lorenz in
die orthopädische Technik eingeführt wurde, so zeichnet er
sich durch geringes Gewicht, gefälliges Aussehen und ver¬
hältnismässig leichte Handhabung aus. Diese Eigenschaften
machen ihn sehr geeignet zur Verwendung von Hülsen für die
obere Extremität und für Korsette. Soll das Zelluloid aber
als Gehapparat verwendet werden, so muss auch hier wieder
der Mechaniker zur Mitarbeit herangezogen werden, und dann
werden die Anschaffungskosten nicht viel geringer als beim
Hessingapparat.
Auch der Gipsverband hat Licht- und Schattenseiten.
Man wirft ihm vor, dass er plump, schwer und wenig haltbar
sei. Diese Nachteile sind aber durch eine gute Technik auf ein
Minimum zu reduzieren und überdies sollte auf dieEleganz in der
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1743
Medizin weniger Wert gelegt werden als auf die Zweckmässig¬
keit. Die Vorzüge des Gipsverbandes auf der anderen Seite
sind, dass er besser als alle anderen Materialien die Körper¬
formen wiedergibt, dass er einfach
ist, der Mitwirkung des Mechanikers
nicht bedarf und, was die Haupt¬
sache ist, dass er billig ist.
Um dem Gipsverband seine Ein¬
fachheit zu lassen, sehen wir auch
von Schieneneinlagen u. dergl. ab.
Der Wert der einfachen
Herstellung des abnehmbaren Geh¬
gipsverbandes ist besonders ein¬
leuchtend in seiner Anwendung als
Entlastungsapparat bei Fussfungus.
Einen wirklich entlastenden Hes¬
singapparat fiir das Fussgelenk her¬
zustellen, gehört zu den grössten
mechanischen Schwierigkeiten, die
bei Innehaltung der bisher für diesen
Zweck üblichen Form selten über¬
wunden werden. Daraus ist viel¬
leicht auch zu erklären, warum die
Resultate Anderer bei der konser¬
vativen Behandlung der Fusstuber-
kulose vielfach im Gegensatz zu den
unserigen so schlecht sind.
Uebrigens kann man das Prin¬
zip des von mir empfohlenen ab¬
nehmbaren Gehgipsapparates auch
durch einen Schienenhülsenapparat
leicht verwirklichen (Fig. 5).
Der Hauptvorzug des Gips¬
verbandes ist seine Billigkeit.
Die Bezahlung der oben beschriebenen abnehmbaren Gehver¬
bände kann der Aermste leisten und kann auch in Ausnahme¬
fällen gern von der Klinik übernommen werden. Dagegen
halten wir eine Massenbehandlung der Gelenktuberkulose an
der unteren Extremität mittels entlastender Modellapparate —
seien es Zelluloid- oder Hessingapparate — für ausgeschlossen.
Durch die heutige Medizin geht ein sozialer Zug. Einfache
Mittel müssen an die Stelle der komplizierten treten, nicht
zuletzt in der Orthopädie, der ja ein wichtiger Teil der sozialen
Fürsorge zufällt.
Kleine Verbesserungen der S c h u 11z e sehen Schwingungen.
Von Dr. Robert Ziegenspeck in München.
Die Ausführungen des Herrn Dr. Schwab in No. 3 des
Zentralbl. f. Gynäkol. 1908 *) über die angebliche Modifikation
der S c h u 11 z e sehen Schwingungen, welche O g a t a in den
Beiträgen f. Geburtsh. u. Gynäkol. XII veröffentlicht hat, ver¬
anlasst mich, einige kleine Verbesserungen der Schultze-
sehen Schwingungen bekannt zu geben, wie sie sich mir im
Laufe von Jahrzehnten als zweckmässig erwiesen haben und
nebenbei S c h w a b s Ausführungen auf das richtige Mass zu¬
rückzuführen. Die von Schwab selbst 1. c. angegebene
Verbesserung von Ogatas Modifikation halte ich für zweck¬
mässig und in geeigneten Fällen für empfehlenswert. Ogatas
Methode hat aber mitSchultzes Schwingungen nichts gemein¬
sam, als dass beide Methoden durch mechanische Erweiterung
und Verengerung des Thorax die Lungen ventilieren sollen und
dabei den bei der natürlichen Respiration entstehenden nega¬
tiven Druck im intrathorakalen Raum entstehen lassen,
während das alte Scheel sehe Verfahren, die Katheterisation
der Trachea mit Lufteinblasen, einen positiven Druck erzeugt,
welcher dor Wiederbelebung der erlöschenden Zirkulation
nicht förderlich ist. Denselben Fehler hat das Lufteinblasen von
Mund zu Mund, bei welchem beim Neugeborenen nicht die mit
Mekonium und Vernix verklebten Lufwege, sondern zumeist
der Magen ventiliert wird (eigene Erlebnisse). Beide Methoden
kehren den Atemmechanismus um, indem sie einen posi¬
tiven und noch positiveren Druck im Thorax erzeugen. Im
*) Zur Wiederbelebung scheintot geborener Kinder durch
Schultzesche Schwingungen. Zentralbl. f. Gynäkol. 1908, No. 3.
Digitized by GOGSflC
übrigen sind die Bewegungen Ogatas nichts anderes als
die altbekannten „Beugungen oder Wiegebewegungen“ von
Schröder, wie sie noch bis in die neueste Auflage im
S c h r ö d e r sehen Lehrbuche der Geburtshilfe beschrieben
werden.
Von dem Erfinder selbst, wie von dessen Schülern und den
späteren Herausgebern dieses lange Zeit allein herrschenden
Lehrbuches wurden sie nur in sehr bescheidenem Masse emp¬
fohlen und den S c h u 11 z e sehen Schw ingungen an Wirksam¬
keit durchaus nicht gleichgestellt.
Der Grund w r ar der, dass vergleichende Manometer¬
messungen bekannt gegeben worden waren, welche die ge¬
ringe Wirksamkeit der Beugungen erwiesen.
Die ältere Arbeit war von Champneys, einem
Engländer, und die spätere war von T o r g g 1 e r, damaligem
Assistenzarzt in Innsbruck, jetzt Professor in Czernowitz, ver¬
fasst. Marschall Halls Methode und Schröders Beu¬
gungen ergaben ja nur 1 cm Ausschlag am Manometer,
welcher mit Tracheotomiekanüle und Gummischlauch mit dem
Kinde in Beziehung gebracht worden war. Die Schwankungen
von Lahs ergaben 5, Sylvester allein ergab 7 und mit
den Verbesserungen von B e h m und P a c i n i 9 cm Ausschlag
am Manometer; während die Schwingungen nach Champ¬
neys ca. 12, nach Torggler bis je 15 cm Ausschlag am
Manometer ergaben. Im Jahre 1885 Hess ich drei von mir in
meiner Assistentenzeit bei Schultze behandelte Fälle in der
Dissertation des Dr. Clemens-Czipulka verwerten und
hob darin als Vorzug hervor, dass bei den Schwingungen ge¬
rade in d e m Moment, wo das mit Sauerstoff beladene Blut
aus dem Herzen und dem intrathorakalen Raume gedrängt
wird, beim Exspirium, auch gerade das Kind auf dem Kopfe
steht, wodurch dieses zur Wiederbelebung der Medulla be¬
sonders geeignete Blut noch durch die Gravitation dahin
gedrängt wird.
Den gleichen Vorzug hat auch Schwab s Verbesserung
der „Methode“ Ogatas. Schröders Beugungen ist auch
immer der Vorzug grösserer Bequemlichkeit zuerkannt worden,
welche ihr nach ihrer Wiedergeburt durch Ogata mit der
Verbesserung Schwabs gewiss nicht abgesprochen werden
dürfte. Auch die Gruppe der Hautreize ist inzwischen um
einen sehr bequemen und eleganten bereichert werden. Nie¬
mand wird mehr das Kind mit nassem Zeuge oder nasskaltem
Handtuche abklatschen oder es gar in Eisw r asser tauchen, wenn
er, mittels Pinzette an der Zunge rhythmisch ziehend, einen
besseren Erfolg erzielen kann. Allein: ich lasse mir doch
immer noch den Eimer mit Eiswasser herbeischaffen, falls die
Methode La borde mit der Pinzette nicht ausreichen sollte.
Das kalte Wasser als Kontrast nach dem warmen Bade w r ar
noch immer der mächtigste aller Atemreize.
In leichten Fällen, ja auch noch in den Uebergangsstadien
vom blauen zum bleichen Scheintod mögen sie ihre Anwendung
finden, man übersieht immer, dass Schnitze selbst die
künstliche Atmung für die schwerste Form, für den bleichen
Scheintod Vorbehalten wissen will.
Athmet das Kind schon oder athmet es noch, dann kann
man w'ohl mit obengenannten eleganten und bequemen Metho¬
den auskommen. Handelt es sich aber um leichenschlaffe,
bleiche welke Kinder, mit herabhängendem Untorkiefer, zu¬
rückgesunkener Zunge, wo nur noch 50—60 Herztöne an¬
deuten, dass das Leben noch nicht ganz erloschen ist, wie in
den 3 von Clemens-Czipulka mitgeteilten Fällen, dann
kann nur die wirksame Methode von Schultze noch in
Betracht kommen.
Die Gefahr der Abkühlung wird vermieden, indem nie
mehr wie 10 Schwingungen auf einmal angew'endet werden
und dann sofort das Kind wieder in das warme Bad von 38° C
zurückkehrt. Weitere Hautreize, als wie sie die kühle Zim¬
merluft beim Hindurchbewegen des feuchtwarmen Kindes¬
körpers darstellt, sind in diesem Stadium verboten, weil durch
Kontraktion der peripheren Gefässe das Blut erst recht in die
an und für sich überfüllten grossen Gefässstämme des Rumpfes
gedrängt würde. Bleicher Scheintod = künstliche Atmung,
blauer Scheintod = Hautreize, lautet die Indikationsstellung.
Sobald dann einige, wenn auch noch so oberflächliche,
selbständige Atembewegungen vom Kinde unternommen wer¬
den, treten die Hautreize in ihr Recht. Dann kommt das Kind
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Fig. 5.
1744
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT»
No. 33.
aus dem warmen Bad in den Eimer mit Eiswasser und sofort
zurück in das warme Bad. Weitere Schwingungen bei schon
rhythmisch atmendem Neugeborenen wären nur geeignet,
diesen natürlichen Rhythmus zu stören.
Die Schwingungen selbst sind nun aber, wenn sie richtig
ausgeführt werden, vollkommen ungefährlich und wenn immer
und immer wieder von Verletzungen durch dieselben berichtet
wird, so muss das immer und immer wieder auf mangelhafte
Technik zurückgeführt werden. Es ist unglaublich, was ich
schon unter dem Namen der S c h u 11 z e sehen Schwingungen
gesehen habe.
Nach den Beugungen von Schröder habe ich
eine Leberuptur in Autopsie nachgewiesen. Andererseits
habe ich nach Katheterisation der Trachea schon mächtiges
Randemphysem der Lungen gefunden, trotzdem die abhängigen
Partien noch atelektatisch waren. Nach Schwingungen aber
nichts dergleichen.
Von S c h u 11 z e selbst sind diese Bewegungen so oft und
so meisterhaft beschrieben worden, dass ich darauf verzichten
muss, sie von neuem zu beschreiben. In jedem Hebammen¬
buche kann man darüber lesen. Man lernt solche komplizierte
Bewegungen nur vom Sehen. Ich bin bereit, sie jedermann zu
zeigen.
Der Hauptvorzug der Schwingungen neben dem Oben¬
genannten besteht darin, dass durch die geschickt ausgenützte
Gravitation der Leber nicht nur die kostale sondern auch die
abdominale bezw. phrenale Atmung künstlich erzeugt wird.
Die von mir erprobten kleinen Verbesserungen bestehen
nun darin, dass ich:
1. den Kindeskopf zwischen die Kleinfingerballen der
Hände nehme und den Körper herabhängen lasse, bevor ich
die Schultern und den Thorax des Kindes mit den Fingern.
S c h u 11 z e s Vorschriften gemäss, ergreife, um zuerst einmal
Trachea und Wirbelsäule parallel zu heben, bevor ich mit
den Schwingungen beginne.
2. Beim Aufwärtsschwung (Exspirium), welchen ich,
S c h u 11 z e s Vorschriften entsprechend, sanft und mit ge¬
ringer Kraftentfaltung vornehme, lasse ich nicht erst in Kopf¬
höhe mit dem Schwünge nach, sondern schon unter Brusthöhe
und vollende diese Bewegung mit einer Vorwärtsbewegung im
Winkel von 45° gegen den Horizont, damit ja der Unterkörper
des Kindes sanft überfällt und das „Ueberkippen“ vermieden
wird.
S c h u 11 z e selbst warnt wiederholt vor dem „Ueber-
kippenlassen“, weil dies den Effekt der Exspiration vermindere.
Doch gibt er als Probe, ob man die Grenze nicht überschritten
habe, an: man möge zum Schlüsse der Bewegung, wenn der
kindliche Thorax auf beiden Daumen ruhe, alle übrigen Finger
entfernen. Bleibe das Kind ruhig auf den Daumen liegen, dann
habe man weder zu viel noch zu wenig nach oben geschwun¬
gen. Das ist nach meiner Ueberzeugung schon zu viel „über¬
gekippt“.
Beim zu starken Ueberkippen wird nämlich der Effekt der
Exspiration, welcher durch Kompression des Thorax durch die
Daumen erzielt wird, dadurch wieder parallisiert, dass die
Leber aus der Zwerchfellkuppel bauchwärts gedrängt wird und,
indem sie das Zwerchfell mitnimmt, die Raumabnahme durch
eine kompensatorische Raumzunahme wieder ausgleicht. Bei
der von mir eingeführten Bewegung hört man oft, wie die
Leber in die Zwerchfellkuppel hineingravitiert und die Luft aus
den Atemöffnungen herauspfeift.
3. Um den Uebergang von dieser sanften Aufwärtsbewe¬
gung zu der vernunftmässigen kräftigen Abwärtsbewegung
besser finden zu können, ordne ich eine kurze Pause an, ich
lasse absetzen und lasse dann für den kräftigen Abwärts¬
schwung förmlich ausholen.
Bedauerlicherweise lassen sich die sicherlich vorhandenen
stärkeren Druckschwankungen und grösseren einströmenden
Luftmengen nicht leicht messen (S c h u 11 z e hat 26 ccm als
Durchschnitt für eine Schwingung spirometrisch bestimmt).
Ich bin der Ueberzeugung, dass sie durch meine kleinen
Verbesserungen beträchtlich grösser sein werden. Ver¬
gleichende spirometrische Messungen müssten angestellt
werden. Auch graphische Darstellungen in Diagrammen w ären
erwünscht.
Die Borsäurebehandlung bei Mittelohreiterungen.
Von Stabsarzt Dr. R. Dölgcr in Frankfurt a. M.
Be z old hat im Jahre 1S79 als erster die Borsäure zur
Behandlung der akuten und chronischen Mittelohreiterungen
empfohlen. Die von ihm damals angegebene Methode, die
sogen. Borsäurebehandlung, setzt sich aus folgenden Momenten
zusammen:
1. Ausspritzung mit warmer 4 proz. Borlosurig vom Gc-
hörgang aus zur Reinigung des Gehorganges und der Pauken¬
höhle (neuerdings vielfach ersetzt durch Fmgiessen einer er¬
wärmten 3 5 proz. \\ asserstoffsupero\\dioMing in den Ge¬
hörgang, die man etwa 5 Minuten emwirken kost).
2. Luiteintreibimg durch die Ohrtrompete, sofern nicht
Unreinigkeiten, z. B. Schnupftabak, oder Fnt/iinJimgscrschu-
nungen in der Nase und im Nasenrachenraum dagegen
sprechen.
3. Gründliche Austrocknung des Gehorganges und der zu¬
gänglichen Teile des Mittelolires mittels w atteumw ickelter
^onde.
4. Insufflation von fein zerstäubtem Borpulver (es genügt
so viel des Pulvers, dass das Trommelfell, die etwa frei¬
liegende Paukenhöhle und die Gehörgangswäudc dünn bestäubt
sind; es schadet aber auch nichts, wenn ein grosseres Ouan-
tum eingeblasen wird).
5. W atteverschluss.
Bei stärkerer Eiterung bezw. bei üblem Geruch des Se¬
krets findet diese Behandlungsw eise täglich, bei Nachlassen
der Eiterung bezw . Aufhoren des üblen Geruches 2 3 mal
wöchentlich statt.
Die Methode hat sich bald viele Anhänger erworben. DoGi
auch gegnerische Stimmen blieben nicht aus. die ihre Um¬
wände vor allem gegen die unterschiedslose Durchführung der
Borsäurebchandlimg bei der Gesamtheit der Mittel»’hreite-
rungen, insbesondere bei kleinen und hochgelegenen Per¬
forationen geltend machten, indem dadurch „Retentionen des
Eiters" und „sekundäre Entzündungen am Warzentcil mit
allen ihren verhängnisvollen Konsequenzen' 4 veranlasst
würden.
Diesen Einwändeu trat Be z old im Jahre 1S S 7 entgegen
in einer Arbeit „über die Borsüurebehandiuug bei Mittelohr-
citerungen und die gegen dieselbe erhobenen Emwiirfe“. an
deren Schluss er sagt: „Seine taulnisw idrigen Eigenschaften,
seine nicht reizende Form (ausser in den seltener. Fallen von
Idiosynkrasie), sein geringes spezifisches Gewicht, seine Lös¬
lichkeit, seine kapilläre Attraktionsiähigkeit und seine leichte
Entfernbarkeit, das sind Vorzüge genug, wcUhc dieses Anti¬
septikum in glücklicher Weise in sich vereinigt, um dem¬
selben, nachdem es so rasch allgemeine Einbürgerung ge¬
funden hat, seinen Platz in der Therapie der Mittelohreiterungen
zu wahren." Neuerdings wäre dem noch ha znzuiugen die
spezifische Wirkung der Borsäure gegen den Pyozyaneus,
sowie die prognostische Bedeutung der Borsäurebehandlung
bei chronischen Mittelohreiterungen, insofern als anhaltender
übler Geruch auf Knojicnprozcsse oder auf entferntere,
unserer gewöhnlichen Behandlung nicht zugängliche Erkran-
kungsherde hinweist.
Trotz dieser sachlichen Widerlegung und der mit der Bor¬
süurebehandiuug erreichten günstigen RcMibate. wie sie in den
zahlreichen Berichten aus der Br/ftld vheii Klinik und in
vielen Arbeiten von Bezolds Schülern und Anhängern zum
Ausdruck kommt, verstummten die obigen Umwände nicht.
Immer wieder wird da und dort selbst von zuverlässigster
Seite der Vorwurf geltend gemacht, dass die Borsäure mit dem
Eiter zusammenhacken und kleinere Perforationen verlegen
kann, so dass nachteilige Eiterverhabungen entstehen.
Dies hat mich veranlasst, einmal Versuche darüber an-
zu stellen, ob nicht etwa in der Beschaffenlu ;t des Borpu’vers
selbst die Ursache der verschiedenen Beiir'c !..■ / und Erfolge
gelegen sein könne. Auf meine Veranlassung hin hatte Herr
\p» dieker l’r. E r e s e n i u s. M;rschjp-'*bUM’ in Frank¬
furt a. M., die I.iebetisw iirdigke ix. eine Vvahl fe i st ge¬
pulverter Borsäure aus vereine,!» reu f a v -».en kommen zu
lassen und gemeinsam mit mir auf ihre l. v Jtkeit. d e ja der
I beste Massstab für ihre Gute iiberlnnm* zu untersuchen.
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1745
Diese Versuche nun haben folgendes ergeben:
Es lösten sich unter genau gleichen Verhältnissen
Probe 1 und 5 in je 30 Sekunden,
Probe 3 in 40 Sekunden,
Probe 4 in 1 Min. 30 Sek.,
Probe 6 in 2 Min. 30 Sek.,
Probe 2 in 4 Min. 30 Sek.
Bei den letzteren: Proben ist noch als ganz besonders be¬
merkenswert hervorzuheben, dass das Pulver zunächst eine
unlösbare Schicht auf der Flüssigkeit bildete, die erst bei
kräftigem Umschütteln unter Bildung kleiner zusammen¬
geballter Kügelchen allmählich in der oben angegebenen Zeit
zur Auflösung kam. Im Gegensatz hierzu verteilte sich bei
den crsteren Proben das Pulver sofort in gleichmässigen
feinen Partikelchen in der Flüssigkeit, ohne zusammen¬
zubacken, um sich dann in den oben angegebenen Zeiten ganz
aufzulösen. Interessant ist, dass die beiden Proben 1 und 2
verschiedene in den Handel kommende Präparate ein und der¬
selben erstklassigen Firma darstellen.
Es folgt hieraus, dass die im Handel befindlichen Borsäure¬
präparate in ihrer Wasserlöslichkeit ausserordentlich variieren.
Wahrscheinlich findet diese Verschiedenheit schon ihren Aus¬
druck in den sehr verschiedenen Preisen, zu welchen die Bor¬
säure im Handel ist. Die Preise schwanken in Differenzen
von 10 M. und mehr pro 100 kg, obwohl auch das billigste
Präparat noch den Anforderungen der Pharmakopoe entspricht,
welche ihrerseits nur eine langsame Löslichkeit in 25 Teilen
kalten Wassers vorschreibt.
Die obigen Ergebnisse berechtigen nun zu der Annahme,
dass auch beim Mittelohreiter die verschiedenen Borsäure¬
präparate sich verschieden verhalten und lassen es notwendig
erscheinen, künftighin mehr als bisher bei der therapeutischen
Verwendung der Borsäure auf Reinheit und gute Löslichkeit
derselben zu achten. Wird dabei noch die Bezoldsche Me¬
thode genau befolgt, so darf wohl mit Recht erwartet werden,
dass die bisher vorgebrachten und nach den jetzigen Fest¬
stellungen sicher vielfach auch berechtigten Einwände gänz¬
lich verstummen werden.
Zum Schlüsse spreche ich auch an dieser Stelle Herrn
Dr. F r e s e n i u s für die liebenswürdige Unterstützung meinen
verbindlichsten Dank aus.
Aus der Kgl. Universitäts-Augenklinik München (Vorstand:
Professor Eversbusch).
Ein weiterer Fall von Augenerkrankung mit einem künst¬
lichen Düngemittel.
Von Dr. Richard Hessberg, ehemaligem I. Assistenten
der Klinik.
Wenige Tage nach dem Erscheinen der Mitteilung von B o n d i 0
über einen Fall von Augenerkrankung nach Arbeit mit einem künst¬
lichen Düngemittel trat am 17. April a. c. der Schuhmacher Franz K.,
62 J. alt, aus Leidling bei Neuburg a. D. in die Behandlung der
Kgl. Universitäts-Augenklinik mit der Angabe, es sei ihm am 9. IV.
beim Ausstreuen von Kunstdünger — und zwar von Superphosphat —
durch den Wind etwas davon in das Auge geflogen. Das Auge habe
nur wenig gebrannt. 2 Tage später sei eine heftige Entzündung ein¬
getreten. die ihn auf Rat seines Arztes veranlasste, die Klinik auf¬
zusuchen.
Die Untersuchung ergab einen mittelgrossen Mann von senilem
Habitus mit gesunden Organen.
Das rechte Auge ragte mit den Lidern 2’A* cm gegen das linke
Auge vor (cf. Abbildung). Ober- und Unterlid waren blaurot ver¬
färbt, bretthart infiltriert und so stark geschwellt, dass der Lidspalten¬
bezirk um 8 mm offen stand und die Lider nicht ganz geschlossen
werden konnten. Die Infiltration und Schwellung ging nach innen bis
zum Nasenrücken, nach oben bis zum Supraorbitairand. nach aussen
bis zur äusseren Lidkommissur und nach unten bis zur Nasolabial-
falte. In der Gegend des Tränensackes war noch eine besonders iso¬
lierte blaurote Infiltration der Haut, auf deren Kuppe ein kleines
Abszesschen sass. Im Lidspaltenbezirk lag reichlich gelblich-eitriges
Sekret. Nach seiner Entfernung erschien in dem kleinen, schmalen
Bezirk, der sich bei der äusserst schmerzhaften und prallen Infiltration
der Lider freilegen liess, die Conjunctiva bulbi mit dicken nekro¬
tischen grau-gelblich-grünlichen Fetzen und Membranen belegt, die
sich jedoch nur in der dem normalen Lidspaltenbezirk entsprechen¬
den Zone finden. Die übrige Conjunctiva bulbi erschien, soweit dies
*) Münch, med. Wochenschr. 1908, No. 15, S. 802.
durch Empordrängen der Lider sichtbar gemacht werden konnte, frei
von diesen Auflagerungen, jedoch hochgradig infiltriert und ge¬
schwellt. Die Hornhaut war z. T. von den fetzigen Belägen der
Conjunctiva bulbi überlagert, mit tiefen ringabszessähnlichen Ulzera-
tionen bedeckt und total gelblich getrübt. Die Kammer war an¬
scheinend sehr tief. Die Iris hochgradig schmutzig-eitrig belegt und
verfärbt. Die Pupille war eng, völlig reflexstarr, das Auge selbst
unbeweglich.
V. c.: Amaurose.
Auf Sublimatumschläge 1:5000 ging zunächst die Schwellung
der Lider etwas zurück, so dass der Lidspaltenbezirk sich um 2 bis
3 mm weiter öffnen liess. Im weiteren Verlauf bildete sich am Unter¬
lid eine Fistel, aus der sich reichlich Eiter entleerte. Die Infiltration
des Oberlides nahm wieder so zu, dass das brettharte Lid sich nicht
über die Hornhaut wegschieben liess. — In den angelegten Kulturen
wuchsen nur weisse Staphylokokken. — Unter stärkerem Tempera¬
turanstieg nahm am 21. April die Infiltration des Oberlides noch zu
und verursachte heftige Schmerzen. Mit einer fast septischen Fieber¬
kurve bis zu 39,5° wurde am 24. IV. die jetzt stark fluktuierende
Geschwulst des Oberlides durch Inzision bis auf den Knochen eröffnet,
wobei sich reichlich Eiter entleerte. Darauf trat plötzlicher Tempera¬
turabfall ein.
Am 26. IV. bildete sich spontan unter dem Unterlid nach aussen
nahe dem äusseren Augenwinkel eine tief in die Orbita hinein¬
reichende ca. 3 cm lange Abszesshöhle, aus der sich ebenfalls reich¬
lich Eiter entleerte. Auch in den aus diesem Eiter angelegten Kul¬
turen wuchsen nur weisse Staphylokokken. — Im weiteren Verlauf,
wobei die Behandlung in täglicher Tamponade der Abszesse und
feuchten Verbänden bestand — schmolz die Hornhaut eitrig ein und
perforierte am 30. IV. Daraufhin stand der Prozess. Konjunktiva und
Irisprolaps reinigten sich unter Wärmeapplikationen. Gleichzeitig
ging die Protrusion des Bulbus erheblich zurück. — Nach erfolgter
Herauslassung der Linse durch Spaltung des Prolapses, wobei der
abfliessende trüb gelblich gefärbte Glaskörper zeigte, dass der Pro¬
zess auch bis hierhin vorgedrungen war, trat allmähliche Heilung in
Phthisis bulbi und Vernarbung des Irisprolapses ein, mit gleich¬
zeitigem Verschluss der Abszesshöhlen durch Granulationsbildung.
Am 19. VI. konnte Patient als fast geheilt entlassen werden.
V. c. oc. dextr.: Amaurose.
Das ist in kurzen Zügen der Verlauf dieser überaus
schweren — unter dem Bilde der Panophthalmitis — ver¬
laufenden Erkrankung. Es handelte sich in dem vorliegenden
Falle um Hineinfliegen von Superphosphat, das von Aug¬
st e i n 2 ) „als das hauptsächlichste — vielleicht sogar allein
schädigende — Düngemittel angesehen wird“. Der vorliegende
Fall ist um so bemerkenswerter, als keiner der bisher be¬
schriebenen mit derartig schweren Erscheinungen der Mit¬
beteiligung des ganzen Orbitalinhaltes einherging. Auch in
dem A u g s t e i n sehen Fall war in dem gebrauchten Kunst¬
dünger Superphosphat enthalten. Die Folge war eine bläulich-
weisse Trübung und Stippurig der Hornhaut mit einzelnen
nekrotischen Stellen. Auch hier waren die Augen prominent
und die Lider so prall geschwellt, dass sie nur mit Mühe von
den Augäpfeln abgezogen werden konnten. Es traten jedoch
keine Symptome von Panophthalmitis hinzu, ja es konnte spä¬
terhin durch eine Iridektomie eine wenn auch geringe Besse¬
rung der Sehschärfe erzielt werden. — In dem zweiten, auch
von A u g s t e i n mitgeteilten Falle des Herrn Hofrat Rhein-
5 ) Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 45. Jahrg. 1907, II., pag. 563.
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1746
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
München trat durch Superphosphat eine eitrige Bindehautent¬
zündung an einem kurz vorher wegen hochgradiger Myopie
operierten Auge ein, durch welche „die junge Operationsnarbc
erweicht und infiziert wurde“ — so dass Ausgang in Erblin¬
dung eintrat. Auch hier ist nichts von den Erscheinungen
eines panophthalmitischen Prozesses erwähnt. Die anderen,
durch Kainit oder Thomasschlacke entstandenen Verätzungen
— es sind mit dem Bon di sehen Fall jetzt im ganzen 5 be¬
schrieben — verliefen wesentlich weniger gefährlich. Die
Augen behielten alle eine mehr oder weniger gute Sehschärfe.
Es kann daher, wie auch jüngst wieder aus der Aug¬
st e i n sehen 1 Klinik von Sommer 3 ) betont wurde,- nicht
genügend auf die Gefahren beim Gebrauch von künstlichen
Düngemitteln — insbesondere des Superphosphat - aufmerk¬
sam gemacht werden.
Man kann sich den Vorschlägen Sommers nur an-
schliessen: „Das Ausstreuen sollte möglichst mit Maschinen be¬
sorgt werden. Stets muss mit dem Winde und nie gegen
ihn gearbeitet werden . Die Arbeit ist eventuell mit Schutz¬
brillen zu verrichten. Berührungen der Augen mit den Händen
sind dabei zu vermeiden (auf diese Weise dürfte im vorliegen¬
den Falle nicht zuletzt die Sekundärinfektion mit Staphylo¬
kokken zustande gekommen sein).
Als besonders günstiger Umstand konnte cs betrachtet
werden, dass das gesunde linke Auge unverletzt blieb.
Meinem hochverehrten Chef, Herrn Geheimrat Prof. Dr.
Eversbusch bin ich für die Ueberlassung des Falles und
die Anregung zu dieser kleinen Mitteilung zu besonderem
Danke verpflichtet.
Nachträglicher Zusatz bei d *■ r Korrektur. In
dem Bericht über die Sitzung der „Vereinigung der Augenärzte der
Provinz Sachsen *Tc.“. Klin. Monatsblätter I9us. Junihcft, ist ein
weiterer von S c h m i d t - R i m p I e r vorgestellter l all von Kunst¬
düngerverletzung (Superpliosphaat) des Auges spez. der Hornhaut
reieriert. Schmidt-Rim plcr bemerkt dazu, dass er mehryre
Fälle der Art gesehen habe und betont besonders als Beweis für die
direkte Verätzung, dass niemals ein Ulcus serpens dabei beobachtet
wurde.
Ueber Zystenbildung aus Resten des Processus vermi¬
formis.
Von Mannestabsarzt Dr. MacLean, s. Z. ord. Arzt der
Chirurg. Abteilung des Gouvernemehtslazarctts in Tsingtau
(Kiautschou).
Unter vorstehendem Titel veröffentlichte in No. 41 des
52. Jahrganges dieser Wochenschrift K 1 e tu ju 3 Fälle, die das
Gemeinsame hatten, dass sich infolge eines appendizitischen
Anfalles eine spontane Trennung der Appendix vom Zockum
vollzogen hatte, und dass von dem getrennt zurückbleibenden
Teil des Wurms schwere Rezidive ausgingen, die erst nach Ent¬
fernung der zystischen Appendixreste geheilt wurden.
Da derartige Fälle einerseits selten, andererseits mir für
die Praxis nicht ohne Wichtigkeit zu sein scheinen, teile ich
im folgenden einen ähnlichen Fall mit:
Matrose M, 20 Jahre alt, gibt an, im 12. Lebensjahre eine Blind¬
darmentzündung, vor etwa 14 lagen 2 aufeinanderfolgende Anfälle
von Schmerzen in der Blinddarmgegend Überstunden zu haben.
Heute morgen sei er dann plötzlich mit sehr starken kolikartigen
Schmerzen in der Gegend des Blinddarms, aber auch des Oucr-
kolons und Erbrechen erkrankt; Stuhl sei noch heute morgen ei folgt.
Da auf seinem Torpedoboot kein Arzt sei, komme er — zu Buss —
ins Lazarett.
Status praesens 7. XI. Ob 10 Uhr vormittags: Kräftiger
Mann in gutem Ernährungszustand. Er liegt wimmernd, zusan men¬
gekrümmt, ständig aufstossend und zuweilen erbrechend auf der
rechten Seite. Temperatur: 37.8", Puls 94 regelmässig. Klopfschall
über dem ganzen Bauch tympanitisch. Abdomen kaum aufgetrieben,
links weich, rechts deutliche Muskelspannung und ungemein starke
Druckempfindlichkeit in der Blinddarmgegend bei leisester Be¬
rührung. Resistenz nicht nachweisbar, auch nicht per rectum.
Sofortige Operation vorgeschlagen, aber abgelehnt. Ord.:
Beuchter Verband, völlige Enthaltung von Nahrung und Getränk.
Nachdem im Laufe des Nachmittags der Puls auf 113, die Tem¬
peratur auf 39,0" gestiegen ist, willigt M. 8 Uhr abends ca. 12 Stunden
nach Beginn des jetzigen Anfalls, in die Operation, die sofort in
Mnrphiiuu-Clilorofnfinnarku.se ausgefiihrt wird :
3 ) Wochensehr. f. Tlierap. u. Hygiene d. Auges, 1908, No. 22,
S. 173.
Schnitt rechts neben dem äusseren Rektusrand. Parmschlingcn
mit glasigen, gelatinösen Massen und flachenhaitcn Eibrmauflagc-
rungen belegt, allseitig durch derbe aber ziemlich insehe Adhäsionen
verwachsen und am parietalen Bauchfell angelotet. Besonders starke
Verwachsungen zwischen Zockum und Darmbeinschauiel. Nach
Trennung der oberflächlichen Verklebungen und Abschluss des
Operationsgebietes gegen die freie Bauchhöhle wird beim Losen des
Zoekums von der Bcckcnschauiel ein w .ilnussgrosser Abszess er¬
öffnet und ausgetupft, dessen Wand zum Teil vom oralen 1 eile des
Wurmfortsatzes gebildet wird. Noch ein zweiter kleiner Abszess
w ird eröffnet beim Versuch, die Appendix, die in ihrem \ erlauf nadi
dem kleinen Becken weist, stumpf zu isolieren, dann von weiteren
Lösungsversuchen Abstand genommen. Das gut zugängliche. biei-
stiftdieke und kaum veränderte orale Lude des Wurms wirJ n;iJi
doppelter Unterbindung dui chsehmtteu. der Mump! unter Man-
schettenbildung ins Zockum cingcstulpt, das andere Lndc am l nter-
bindungsfaden zur Wunde herausgeleitet, diese locker tamponiert.
8. IX. Temperatur 3o.il. Puls 73, W ohibetnidcn.
10. IX. Sehr gelinge Sekretion aus der Wunde, sekundäre Nabt
des oberen Teiles derselben im Actheiausji. Abtragung des aus der
Wunde herausragenden Teiles des Wurms mit dem Paquchn. Tam¬
ponade.
IS. IX. Temperaturanstieg bis 3\4 *. Wunde reizlos.
Am nächsten Morgen inulet sich im Verband eine grossere
Menge kotig riechenden Liters, die augenscheinlich neben dem Wurm
aus dem kleinen Becken nach der Wunde durchgehrochen ist. Is
erfolgt iiini rasche Heilung. M. wird mit fast stnchfornngcr. fester
Narbe am IS. X. zur Erholung ins Gebirge geschickt.
liier erkrankte er am So. \. unter Schmerzen in der rech,teil
Unterbauehgegeiid, IToSt, Temperatur 3 V» “, Puls b«h Bei somr
am 4. XI. erfolgenden Wiederaufnahme ms Krankenhaus war er
lieber- mul fast beschwer Je frei, nur jiihlte man zwischen dem
unteren Teil der festen Narbe und der rechten Beukcnschauiel eine
seharf umgrenzte, glatte, massig druckempfindliche. htihner eigrosse
Geschwulst. Ord.: Bettruhe, feuchter \crhaiul.
Die Geschwulst wird regelmässig kleiner, macht gar keine Be¬
sehwerden. ist aber bei der am 7. XII. erfolgenden Entlassung noch
als etwa walmissgrosse, unempfindliche Resistenz deutlich zu fühlen.
Ich sah nun den Kranken 3 Monate lang nuht. Erst am
14. III. 07 kam er wieder ins Lazarett mit der Angabe, er habe in¬
zwischen 3 weitere Anfälle von ..Bhudarrncntzimdurig'’ gehabt, einmal
mit hohem Eicher; er hatte sich aber jedesmal lladi 1 3 lagen
wieder wohl gefühlt, .letzt habe er wieder seil 3 Tagen heilige
Schmerzen ohne Storung des Allgemeinbefindens.
14. III. 07. Status praesens: Puls (>3. Temperatur 3»».n •.
Am unteren Ende und etwas ausserhalb der iast strubn r mige n.
festen Operationsnarbe fnlili man. der rechten Beckensdtaufel an¬
liegend. eine umschriebene, in der Mitte staik elnukcn.pf udlmkc.
fast faustgrosse Geschwulst. Sonst regelrechter Befund.
3. IV. i»7. Nach fast 3 w oc Inger Ruhe hat sich die Geschwulst auf
Hühnereigrosse verkleinert und ist uncniptiridlich geworden.
4. IV. 07. Operation in M<»rphiiini-Lh!orof..rmtiarkove: 10 em
langer Schnitt etwas ausser- und untei halb der Narbe. An dein etwas
schwartig verdickten Zockum ist die seinerzeit mit Mule ubern.dite
Amputatiorisstcllc trotz genauesten Zusehens mdit zu entdecken. In
der liefe nach dem kleinen Hecken zu fühlt mail eine rundliche, gut
walnussgrosse Geschwulst, die deutlich fluktuiert und sich bequem
mit den sie umgebenden Schwarten und einer lest adh.ircnten Diinn-
darmsehlinge vor die Wunde lagern lasst. Da die \ erw aehsungeii
sehr fest sind, wird scharf Vorgegangen und \ er sucht, die Zvste
subseros auszusehaien. was zu etwa A gelingt. Darm platzt die
Zvste und entleert etwa einen I hveloiiel v<A| trüber, schleimiger.
Blocken enthaltender Elnssigkeit. ehe teils aut-gi langen, teils abge¬
tupft wird. Der Zvstensack wird nun schart abgetragen, der etwa
2 cm lange. 1 cm breite, in den Schwarten zur iickbie ibcnJe I eil der
Wand wird mit dem Paqtielm \erodet. das Bett der Aste grössten¬
teils übernäht. Von hier aus ein Gazestreifen nach aussen geleitet
und die Bauchwunde bis auf die Kieme Dramageoffnung in I tagen
vernäht.
Nach 3 Tagen wurde der Tampon entfernt. Es erfolgte glatte
Heilung, so dass M. 14 Tage nach der Operation mit fester Narbe
beschwerde-frei entlassen werden konnte. Bis Oktober l»7 ist cm
Rückfall nicht wieder aufgetreten.
Die cxstirpicrtc A Steilwand erwies sidt makroskopisch und
mikroskopisch zweifellos als Darmw and. Die Mukosa war mit
punktförmigen Blutungen diifchset/t. wie man sie bei irischen
Appendizitiden so häufig findet, die Musku’.tris war stark h\ per-
trophiseh. Im Aslcmnhalt landen sidj im Ausstrich keine Bakterien,
kulturell spärliche kohkötönicn. Der Dur c Inriesser vier fast Kugel¬
runden Zyste bet i ug etwa 3 em.
Die 3 Fälle von K I e in m iir.J der nie.tilge bähen das Ge¬
meinsame. dass ein Teil des \\ iirni4t>m.i;/cs abgetreimt war.
bei den Klemm sehen Laden durch Schwere appeudi/ftisdic
Anfälle, bei meinem Patienten durch das Messer. Aus den
Wurmresten entwickelten Meli in a’Yn 4 1 a bn /.\stcn dadurch,
dass die Mukosa iortmhr, m se/ernurui. I Le Zy^ic Schwoll
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1747
— so nehme ich für meinen Fall an — allmählich an, ohne son¬
derliche Beschwerden zu machen, bis ein gewisser Spannungs¬
grad erreicht war, dann platzte sie und ergoss ihren Inhalt in
die durch die früheren Prozesse veränderte Umgebung. Es
entstand ein „Anfall“, wie er bei meinem Patienten sich 5 mal,
in dem ersten der Klemmschen Fälle sogar 12mal wieder¬
holte. In dieser Zeit war dann ein faustgrosser, schmerzhafter
Tumor fühlbar, der nach einer gewissen Zeit resorbiert war.
Die Perforationsöffnung schloss sich wieder, die Mukosa sezer-
nierte weiter und das Spiel begann von neuem. Dass die An¬
fälle so relativ gutartig abliefen, erkläre ich mir einerseits aus
•den schwartigen Veränderungen der nächstem Zysten-
umgebirng, andererseits aus der geringen Virulenz des nur
spärliche Kolistäbchen enthaltenden Sekretes.
Die Diagnose war bei meinem Fall im Qegensatz zu den
von Klemm mitgeteilten sehr leicht zu stellen. Wenn ich
ihn trotzdem für ausführlicher Mitteilung wert gehalten habe,
so ist es folgender Umstand: Es ist nach meiner Erfahrung
nicht ganz selten, dass sowohl im entzündlichen Stadium wie
im freien Intervall sich nach Eröffnung der Bauchhöhle das
distale Ende der Appendix fest in Schwarten eingemauert er¬
weist, deren Lösung bei den entzündlichen Fällen ein Einreissen
des morschen Wurms oder eine Infektion der freien Bauch¬
höhle, bei den Intervalloperationen eventuell ein Abreissen der
stellenweis obliterierten Appendix fürchten lässt. (Ich erinnere
nur an die von Prof. La n z-Amsterdam in No. 4 dieser
Wochenschrift 1906 mitgeteilten beiden Fälle.) Im ersteren
Falle wird man dann, wie ich, gezwungen sein, die „Appendiko-
stomie“ auszuführen, im zweiten sich vielleicht verführen
lassen, den Rest der Appendix ruhig in der Bauchhöhle zu
lassen und sich mit dem Gedanken zu trösten, dass der zurück¬
gelassene Teil wohl gänzlich obliteriert und damit unschädlich
sein werde.
Die angeführten Fälle beweisen, dass ein solcher zurück-
gelassener Teil schwere Anfälle auszulösen imstande ist, dass
also eine radikale Entfernung, eventuell durch Nachoperation,
in jedem Falle amzustreben ist. Vielleicht lohnt es noch, auf
die Möglichkeit hinzuweisen, dass ein solcher unvollkommen
operierter Patient mit einem seiner Rückfälle zu einem anderen
Arzt, vielleicht zu einem Internen geht, der dann ohne Kennt¬
nis von dem Zurückbleiben eines Wurmrestes einmal dem
Kranken nicht helfen kann, dann aber auch einen der beliebten
Fälle von „Appendizitis nach Appendizektomie“ konstatiert,
die beim praktischen Arzt und beim Publikum auch jetzt noch
mancherorts geeignet sind, an der segensreichen chirurgischen
Therapie der Appendizitis Zweifel aufkommen zu lassen.
Zur Therapie der Narbenkontraktur der Hand.
Von Dr. K. Vogel, Privatdozent für Chirurgie.
In No. 28 dieser Wochenschrift beschreibt Herr Qeheimrat Reis¬
mann- Haspe ein Verfahren, hochgradige narbige Kontraktur der
Hohlhand, entstanden durch Verbrennung, zu heilen. £r sucht zu¬
nächst den Zustand der Hand, wie er bald nach dem Unfall bestanden
hat, wieder herzustellen, indem er die Finger in stärkster Flexions¬
stellung haltenden Narbenmassen quer bis auf die Sehnen spaltet,
mit einer ganzen Reihe von Schnitten; dann gelingt die Streckung.
Die Finger werden ietzt in Extension gehalten bis zur Ueberhäutung
der geschaffenen Wunden. Es tritt ein teilweises Rezidiv ein, jenes
Verfahren wurde wiederholt und eine dann noch Testierende Span¬
nung der Narbe der Hohlhand in bekannter Weise beseitigt durch
Mobilisierung dieser Narbe in Form proximaler Umschneidung und
Unterminierung, Distraktion des Defektes durch maximale Extension
der Finger und T h i e r s c h sehe Transplantation.
Das Resultat ist ietzt, nach zwei Jahren, ein sehr schönes.
R. erwähnt dann einen von mir vor ca. 2 Jahren operierten
ähnlichen Fall 1 ), in dem ich die Narbenkontraktur dadurch be¬
seitigte, dass ich die Schwiele im Gesunden entfernte und in
den Defekt die Haut des Zeigefingers, den ich im übrigen opferte,
einnähte. R. ist geneigt, sein Verfahren vorzuziehen gegenüber dem
Opfer eines Fingers, „zu dem sich mancher Patient und Arzt wohl
nicht leicht entschliessen wird 4 *.
Ich möchte dazu zunächst bemerken, dass es sich in meinem
Falle nicht um Kontraktur nach Verbrennung, wie R. an¬
nimmt, handelte, sondern um eine Maschinenverletzung, die den
Zeigefinger frakturiert hatte. Diese Fraktur war mit Dislokation und
*) Diese Wochenschrift 1907, No. 4: Ueber Operationen an den
Händen und deren Vorbereitung.
totaler Ankylose des I. Interphalangealgelenkes geheilt, der Fin¬
ger also nicht nur unbrauchbar, sondern hinder¬
lich. Seine Entfernung war demnach kein Opfer, sondern auch an
sich durchaus indiziert.
Hiervon aber ganz abgesehen möchte ich, trotz des zweifellos
schönen Erfolges in dem Falle von R., auch jetzt noch an meinem
damaligen Vorschläge festhalten, „dass man auch dann, wenn kein
Finger ganz unbrauchbar ist, sondern mehrere Finger zwar narbig
kontrakturiert, aber alle beschränkt tüchtig sind, oft besser tun wird,
einen zu entfernen, um mit der dadurch gewonnenen Haut narbige
Defekte der anderen zu decken und so diese voll funktionsfähig zu
machen.“
Dass man auch durch Jenes konservative Verfahren unter Auf¬
wand von unendlicher Arbeit, Konsequenz und Geduld seitens des
Arztes und des Patienten Erfolg erzielen kann. Ist nicht zu be¬
streiten, aber ich glaube, diese guten Erfolge werden seltene Aus¬
nahmen sein. Wieviele Patienten werden sich dreimal operieren
lassen und sich der schmerzhaften und langwierigen Nachbehandlung
unterziehen, insbesondere wieviele Unfallversicherte?
Dazu kommt, dass die Methode zweifellos immer im Erfolg un¬
sicher ist. Oft werden Rezidive eintreten. R. beruft sich auf günstige
Erfahrungen bei Kindern, die er sofort nach der Verletzung analog be¬
handelte. Es besteht aber auch wohl ein Unterschied zwischen der
Restitutionsfähigkeit der kindlichen Gewebe und der Möglichkeit
der Wiederherstellung ihrer Elastizität gegenüber dem Erwachsenen,
besonders einer schwieligen Arbeiterhand.
Dazu kommt, dass die sozialen Momente, die dem Erwachsenen
eine so lange Behandlung oft unmöglich machen, beim Kinde weg¬
fallen.
Ich habe meinen Patienten noch wiedergesehen. Seine Hand ist,
abgesehen von dem Defekt des Zeigefingers, ganz normal,. Schon
2 Monate nach der Operation hatte die in die Hohlhand eingeschlagene
Haut vom Zeigefinger vollkommen den Charakter der Haut der Vola
manus angenommen, die Furchen waren genau wie auf der gesunden
Seite. Der Patient war nur drei Wochen im Krankenhause gewesen,
die Operation war einfach, jede Nachbehandlung, ausser leicht aus¬
zuführenden und unempfindlichen Gelenkbewegungen, unnötig und
das Resultat, auch für die Zukunft, so gut wie absolut sicher.
Diese Möglichkeit, dem Patienten so gut wie sichere Heilung
in kurzer Zeit, mit wenig Mühe und Schmerz, versprechen zu können,
fällt doch sehr in die Wagschale gegenüber der unsicheren Prognose
jenes konservativen Verfahrens und dürfte meist die Scheu des Pa¬
tienten vor dem Verlust eines Fingers besiegen. Er kommt doch mit
vollkommen unbrauchbarer Hand zum Arzt und dürfte meist beglückt
sein, wenn man ihm die. Wiederherstellung von vier Fingern ver¬
spricht, wenn auch unter Opferung des fünften. Diese Methode
möchte ich auch den vielfach empfohlenen zweizeitigen Verfahren, die
die Haut von entfernteren Körperteilen (Hodensack etc.) hernehmen,
vorziehen. Uebrigens beweist die Mannigfaltigkeit dieser Vorschläge,
dass die Chirurgen mit der doch sicher einfachsten Deckung der
narbigen Defekte mit T h i e r s c h-scher Transplantation im allge¬
meinen schlechte Erfahrungen gemacht haben, dass also Erfolge, wie
die von R., Ausnahmen sind.
Im Anschluss an diese Ausführungen möchte ich die Gelegenheit
benützen, noch einmal meinen in oben erwähntem Aufsatz gemachten
Vorschlag der Vorbereitung der Hände zur Operation aufs
Wärmste zu empfehlen. Ich habe auch weiterhin sehr gute Erfah¬
rungen mit der Methode gemacht.
Sie besteht darin, dass ich die zu operierende Hand mehrere
Tage hindurch je 1—2 Stunden im Bierschen Heissluftkasten
schwitzen lasse. Besonders die Haut schwieliger Arbeiterhände wird
dadurch locker und weich, der Schweiss treibt eine Anzahl Infek¬
tionserreger aus der Tiefe heraus und erleichtert so die Desinfektion.
Handelt es sich um plastische Operationen, bei denen die gute
Blutversorgung kleiner Ecken und Zipfel der Hautlappen wichtig ist,
so wird durch jene wiederholte intensive Hyperämisierung der Kol-
lateralkreislauf vorbereitet und Randgangrän vermieden.
Zur Desinfektion der Hand des Operateurs und besonders zur
Kontrolle der Wirksamkeit unserer Händedesinfektionsmittel habe ich
den Schwitzkasten ebenfalls empfohlen’).
Referate und BQcheranzeigen.
T. Rumpf: Vorlesungen Uber soziale Medizin. Leipzig
1908. Georg T h i e m e. 290 S. Preis M. 6.
Bekanntlich hat die preussische Regierung an einer Anzahl •
von Universitäten Lehraufträge für soziale Medizin vergeben —
nicht immer unter freudiger Zustimmung der Fakultäten, wie
es scheint. Man hat vielfach den Einwand erhoben, dass die
soziale Medizin kein umgrenztes Fach sei. Mit Recht sagt R.
dem gegenüber in der Vorrede: „Welches Fach der Heilkunde
ist umgrenzt? Mauern und Grenzsteine sind das Werk besitz-
f ) Exp. Beitr. z. Frage d. Desinf. d. Haut. Deutsche med. Wo¬
chenschrift, 1905.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1748
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
ängstlichen Menschengeistes“. Die nicht gerade seltenen
Fälle, in denen Spezialdisziplinen nur durch die kräftige Inter¬
vention der Regierungen vom Hauptfachc abgetrennt werden
konnten, werden nicht auf den Ruhmesblättern der Lchr-
freiheitsbewegung deutscher Universitäten verzeichnet wer¬
den. Den anderen Einwand, dass selten ein einzelner
Arzt die Vorbedingungen erfülle, um sämtliche Zweige
der sozialen Medizin zu umfassen, hat R. wohl am besten
durch das vorliegende Werk entkräftet. In der Tat
dürften auch wenige Persönlichkeiten in so hohem Grade
für dieses Lehrfach geeignet sein, wie der wissenschaft¬
lich und praktisch gleich hervorragende ehemalige Leiter des
Eppendorfer Krankenhauses. Als besonders lesenswert muss
gleich die erste Vorlesung bezeichnet werden, die in nuce den
Geist und Inhalt des ganzen Buches wiedergibt. Die folgenden
Vorlesungen behandeln das Verhältnis des Arztes zur Kranken-,
Unfall-, Invaliditätsvcrsicherung, sowie zur Privatver¬
sicherung, Gewerbehygiene, Medizinalverwaltung, ferner zum
ärztlichen Standeswesen, sowie zum allgemeinen gültigen
Recht. Namentlich in dem Kapitel über die ärztliche Unter¬
suchung und Begutachtung mit Berücksichtigung der Simu¬
lation und Dissimulation von Krankheitserscheinungen tritt die
Reife ärztlicher Erfahrung des bekannten Klinikers voll in
Erscheinung. Aber auch da, wo rein rechtliche Fragen be¬
handelt werden, versteht es R., das für den zukünftigen Arzt
Wesentliche aus den gesetzlichen Bestimmungen und Ent¬
scheidungen mit grosser Sicherheit und Klarheit herauszu¬
schälen, so dass das Werk auch manchem älteren Arzte als
Nachschlagebuch für zweifelhafte Fälle empfohlen werden
kann. Dabei ist auch diese Seite der Materie durchaus nicht
trocken-, behandelt, sondern stets durch praktische und präg¬
nante Fälle illustriert, wie es eben notwendig ist, um für das
Gebiet Interesse bei dem jungen Mediziner zu wecken, der für
rein juristische Darlegungen wohl im Allgemeinen wenig Vor¬
liebe empfinden dürfte. Etwas zu kurz und knapp gehalten
ist das Kapitel über Gewerbehygiene. Sehr beachtenswert
ist der Grundsatz, den R. an die Spitze seiner Ausführungen
über die Begutachtung stellt, “dass das Gutachten stets über
den Verletzten! und nicht über den vorigen Gutachter ausge¬
stellt werden soll“. Bei der Behandlung der Bestimmungen
über die Aerztekammern und das Medizinalwesen vermisst
man vielfach die Hinweise auf die Verhältnisse in den nicht-
preussischen Landesteilen. Wenn R. fordert und zwar mit
Recht, dass die grossen Krankenkassen einen hygienischen
Ratgeber anstellen, der u. a. auch für die möglichste Ein¬
schränkung der Berufskrankheiten zu wirken hat, so wird man
diese Forderung auch auf die grossen Invalidenvcrsicherungs-
anstalten ausdehnen müssen, wie dies R. auch bereits ange¬
deutet hat. Hier gerade sind auch die grösseren Mittel vor¬
handen, um eine umfangreichere prophylaktische Tätigkeit zu
entfalten. Dagegen dürfte für das Gebiet der Unfallverhütung
die ärztliche Tätigkeit immer nur in sehr beschränktem Mass-
stabe in Betracht kommen. Bei Besprechung der Aufgaben des
Schularztes wird zwar der Wunsch ausgesprochen, dass die
Fortbildungsschüler in der Gesundheitslehre unterwiesen
werden, wie das bereits in München geschieht, aber nicht die
dringend notwendige ärztliche Ueberwachung der Fort¬
bildungsschüler und damit des Lehrlingswesens betont. Höchst
erfreulich ist es, zu sehen, wie R. an vielen Stellen hervorhebt,
dass der Arzt vor allem auch die Psyche des Kranken studieren
müsse. Er steht damit freilich im Gegensatz zu einer Reihe von
Klinikern, die alles Heil der Medizin nur in einer Verfeinerung
der Diagnostik sehen. Alles in Allem ist cs ein höchst ge¬
sunder Geist, der durch dieses für angehende Aerzte im
Wesentlichen bestimmte Buch weht, an dessen Studium aber,
wie schon erwähnt, auch ältere Aerzte ihre Freude haben
werden. Martin H a h n - München.
Dr. Erich Wulffen, Staatsanwalt in Dresden: Psycho¬
logie des Verbrechers. Ein Handbuch für Juristen, Aerzte.
Pädagogen und Gebildete aller Stände. 2 Bände. 448 und
546 Seiten. Preis 25 M., geh. 30 M. Verlag Dr. P. L a n g e r> -
Scheidt. Gross-I.ichterfelde-Ost. Ohne Jahrzahl. I
Wulften gibt in zwei ausführlichen Kapiteln die physio-
logischen, psychologischen und psychopathologischen Grund- '
lagen für sein eigenes Thema, um dann auf die Anthropologie
des Verbrechers einzugehen. Es folgen in besonderen Ab¬
schnitten Statistik des Verbrechertums, dann Ethik und
Willensfreiheit überhaupt, dann die verschiedenen Charakter¬
eigenschaften, die zum Verbrechen fuhren, der Zusammenhang
von Beruf, Aberglaube, Alter mit dem Verbrechen. Die eigent¬
liche Psychologie des Verbrechers wird nach den verschie¬
denen Verbrecherspezialitäten abgeliandelt: cs gibt eine
Psychologie des Diebes, des Brandstifters usw. Die Psycho¬
logie des Verbrechers im Strafverfahren und im Strafvollzug
bildet den Schluss.
Das Werk ist gross angelegt; der Verfasser dokumentiert
ein umfassendes Wissen auf allen in Frage kommenden Ge¬
bieten; er verfügt namentlich auch über eine grosse eigene Er¬
fahrung, die seinen Blick für die Beurteilung der Arbeiten
anderer geschärft hat, und über eine vollkommene Offenheit
und Vorurteilslosigkeit, die bei Schriften dieser Art ebenso
notwendig als selten ist. So ist ein sehr wertvolles Buch zu¬
stande gekommen.
Einige Mängel sind mehr dem Zustand unserer Wissen¬
schaften, als dem Verfasser zuzuschreiben. So entspricht die
psychologische Einleitung trotz ihrer Länge nicht allen An¬
forderungen. Das hat seinen Grur.d darin, dass eben bei dem
Zustand dieser Disziplin jeder naturwissenschaftliche Be¬
obachter sich seine Psychologie für sich schaffen muss. Verl,
wollte das nicht, und hat die bei uns verbreitetste W u n d t sehe
Apperzeptionspsychologie seinen Ausführungen zu Grunde ge¬
legt; sie eignet sich aber gerade hierzu recht schlecht. In d;e
Apperzeption wird alles mögliche gesteckt, was man nicht
mehr erklären oder nicht genau erfassen will oder kann: sie
verführt zu manchen UnvolKtändigkeiten. Für die Hetero-
gonie der Zwecke wird sich der Naturwissenschafter nicht be¬
geistern können; sieht er doch die Dinge viel einfacher und
klarer, wenn er keine solche Begriffe, die nur seiner Psyche
zukommen, in die Aussenwelt hinaustragt. Neri, fuhrt denn
auch die Auffassung selbst ad absurdum, wenn er die Krimi¬
nalität eine dem Ganzen (der Menschheit) notwendige ..Gabe“
nennt. In den anthropologischen Abschnitten wäre eine
schärfere Sichtung und Kritik des Materials sehr zu wünschen,
trotz der Schwierigkeit der Aufgabe. Am meisten aber ver¬
misst der Referent eingehende Em/elstudien. Die allgemeine
Motivierung bestimmter Arten von Verbrechen ist ja sehr gut
durchgeführt. Aber im jetzigen Moment bedürfen wir einer
ganz genauen Individualpsychopathologie, aus der sich erst die
allgemeine Pathologie ableiten lassen wird. Zu derartigen
Arbeiten wild aber der Praktiker niemals Zeit finden.
Auf solche Mängel mehr der Wissenschaft als des Buches
muss man aufmerksam machen, damit man sich endlich an-
strengt, Abhilfe zu schaffen. Es handelt sich ja nicht bloss um
Theorie, sondern um hochwichtige Praxis. Audi für diese
gibt das Buch mannigfache Anregung; man lese z. B. den
schonen Abschnitt über die noch zu erfüllenden ethischen Auf¬
gaben des Staates. Bleuler- Burgholzli.
Friedrich Schauta: Die erweiterte vaginale Totalexstir¬
pation des Uterus bei Kolluntkarzinom. Mit b Abbildungen im
Texte und 5 chromolithographischen Tafeln. Wien und Leip¬
zig, Verlag von Josef S a f a r. luns. lsu S. Preis 6 M.
Die Monographie von Schauta behandelt eine der
aktuellsten Fragen der Gynäkologie . Der Kampf gegen den
Uteruskrebs wird energischer als je geführt. Wenn es den
Anschein hatte, nach den Veröffentlichungen und Kongress¬
verhandlungen der letzten Jahre, als würde die abdominale er¬
weiterte Methode die endgültig angenommene Operation wer¬
den, so dürften die von Schauta mit der vaginalen erwei¬
terten Exstirpation erzielten Erfolge diese Auflassung modi¬
fizieren.
Nach dem Inhalte dieser Monographie und dem Vergleich
der Zahlen muss man die Eriolge als ausgezeichnete be¬
zeichnen. Eine primäre Mortalität von in.'s Pro/.; \5 Pro/.
Nebenverletzungen; absolute 1 leilungsprozeiite von A*. Inach
5 Jahren) mit 12.6 Proz.; A»: 13 Proz.; Ai 17.2 Pro/.; An
2n,9 Proz. (nach der zweiten Winterschen Formel berech¬
net) dürften für die LeisrungsfalUgk-eit der Me-thoJe sprechen.
Wenn sie auch als beste Leistung der vaginalen Methoden den
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1968.
MUfiNCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1749
besten Erfolgen der abdominalen Methode nicht völlig gleich¬
kommt, so bedeuten diese Zahlen Schautas doch eine Kon¬
kurrenz für die abdominale erweiterte Methode. Allerdings ist
Schautas Operabilitätsprozent mit 48,7 Proz. gegenüber
denen jener Operateure, welche prinzipiell abdominal ope¬
rieren (W e r t h e i m, F r a n z u. a.) geringer. Diese Tatsache
wird zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der erweiterten
vaginalen Totalexstirpation von grösster Bedeutung sein.
In seiner Monographie beleuchtet S c h a u t a mehrere Fra¬
gen, von denen nur 2 hervorgehoben seien. Auch aus seinen
Zeilen ertönt der Mahnruf, dass ein Hauptgewicht auf die Be¬
lehrung des Publikums über die ersten Zeichen der Erkrankung
zu legen sei, auf die Aufforderung, sofort nach deren Auftreten
sich dem Arzte vorzustellen. Für den Arzt gilt aber die wei¬
tere Mahnung: „Ich sehe also in der Tatsache, dass eine Frau
mit Karzinom mit oder ohne Untersuchung vom Arzte behan¬
delt wird, ohne vorher der Klinik zugewiesen worden zu sein,
eine Vernachlässigung.“ Erst wenn dieses zum Teil indirekte
Hindernis von seiten des Publikums überwunden sein wird,
können die Erfolge besser werden. Die zweite Frage ist jene
der Drüsensuche. Wenn man alles zusammenfasst, was hier¬
über bekannt ist, alles gegeneinander abwägt, so muss man» ehr¬
lich eingestehen, dass der zwingende Beweis von der Not¬
wendigkeit der Drüsensuche nicht erbracht werden kann. Ja,
man kann den Verzicht auf jede Suche verstehen, welchen
die Anhänger der vaginalen Methode von vornherein machen.
Insofern bietet die vaginale der abdominalen Methode gegen¬
über eine wesentliche Vereinfachung.
Doch, diese Fragen sind mit manchen anderen zusammen
noch in Fluss, eine Tatsache, die nicht zuletzt aus der Mono¬
graphie Schautas hervorgeht. Es müssen weitere Er¬
fahrungen abgewartet werden, und zwar nicht nur aus grossen
Kliniken und von den besten Operateuren, sondern auch aus
einfacheren und allgemeineren Verhältnissen. Wenn auch der
anatomisch und chirurgisch Denkende von vornherein die ab¬
dominale Methode wählen möchte, so ist doch zu bedenken, dass
nach Schautas Zahlen zu urteilen, die Leistungsfähigkeit
der vaginalen Methode sich bedeutend gehoben hat. Es fragt
sich nur noch, ob sie an die Grenze ihres Könnens gelangt ist
oder ob sie noch erweiterungsfähig ist?
Alles Fragen, "welche durch Schautas Buch in neues
Licht gebracht werden und zu neuer Arbeit allseitig Anregung
verbreiten mögen. Sch ick eie-Strassburg.
Strauss: Vorlesungen über Diätbehandlung innerer
Krankheiten. Mit einem Anhang: Winke für die diätetische
Küche von Elise Hannemann. Berlin 1908. Verlag von
S. Karger. Preis M. 7.80.
In 15 Vorlesungen, hervorgegangen aus einem ärztlichen
Fortbildungskurs über Diätetik, gibt Strauss eine praktische
Anleitung für die Diätbehandlung der einzelnen Organ- und
Stoffwechselkrankheiten. Wenn wir auch schon mehrere Lehr¬
bücher besitzen, die sich teils mit allgemeiner Diätetik, teils
speziell mit der Kost Magendarmkranker befassen (denn hier
galt ja schon von je die diätetische Küche als conditio sine qua
non), so erscheint mir vorliegende Veröffentlichung des auf dem
Gebiete der Diätetik bekanntlich eine führende Stellung ein¬
nehmenden Verfassers darum doch nicht minder begrüssens-
wert, um so mehr als die von St. selbst betonte, durch die
Vorlesungen bedingte, mehr subjektive Darstellungsart nicht
nur Feststehendes, sondern auch noch in der Diskussion be¬
findliche Fragen vermittelt und so dem Leser stets aufs neue
zur Kritik und Nachprüfung Veranlassung gibt. Jedes der
15 Kapitel, immer gleich anregend und lesenswert, behandelt
nicht etwa schematisch an der Hand von Diätzetteln, sondern
auf streng wissenschaftlicher Grundlage die bei den einzelnen
Krankheiten einzuschlagende Diät mit eingehendster Berück¬
sichtigung auch eventueller gegenteiliger Ansichten und Theo¬
rien. Die dem Buche beigegebenen Winke für die diätetische
Küche glaubte ich auf ihre Brauchbarkeit am besten dadurch
zu prüfen, dass ich sie in der Praxis zur Anwendung brachte,
und sind die Angehörigen der Patienten, besonders wegen der
absoluten Voraussetzungslosigkeit hinsichtlich küchentech¬
nischer Kenntnisse und Fähigkeiten, des Lobes der Verfasserin,
E. Hannemann, Vorsteherin des Haushaltungslehrerinnen¬
seminars, voll. A. Jordan -München.
Graefe-Saemlsch: Handbuch der gesamten Augen¬
heilkunde. 2. Auflage. III. Band, XII. Kapitel, Anhang.
Leipzig 1908. W. Engelmann.
Garten, die Veränderungen der Netzhaut
durchLicht.
In den ersten 3 Lieferungen (119—121) bespricht Verf.
die mikroskopischen Veränderungen der Netzhaut unter Ein¬
fluss des Lichtes: die Aenderung der Form und der Färbbarkeit
von Stäbchen, Zapfen und äusseren Körnern, sowie die
Wanderung des Pigmentepithels, nachdem er die Anschau¬
ungen über den Ort der Umsetzung des Lichts in Nerven¬
erregung vorausgeschickt hat. Es folgen die Aenderungen der
Form und der Färbbarkeit in den inneren Netzhautschichten,
worauf dann in Lieferung 128 und 129 die Veränderungen vor¬
gebildeter Farbstoffe durch Licht, besonders die Bleichung des
Sehpurpurs, die chemische Reaktionsänderung und die elektro¬
motorischen Wirkungen der Netzhaut behandelt werden.
Durch klar übersichtliche Darstellung des bisher Bekannten
und Einfügung der eigenen Untersuchungen des Verfassers
wird auch dem praktischen Augenärzte, dem dies schwierige
Gebiet weniger geläufig ist, das Verständnis vermittelt und ihm
Anlass gegeben, sich über einen wissenschaftlich hochinter¬
essanten Stoff zu unterrichten. Der Arbeit G.s sind wertvolle,
sehr instruktive Abbildungen und am Schluss ein erschöpfen¬
des Literaturverzeichnis beigegeben. S e g g e 1.
Dr. Franz Hoff mann: Das Krankenversicherungsgesetz
mit dem Hilfskassengesetz und den Ausführungsbestimmungen.
Karl Heymanns Verlag, Berlin. Preis 16 M.
Der Verfasser, der in einer mehr als 16 jährigen Tätigkeit
als Referent für die Angelegenheiten der Krankenversicherung
im Ministerium für Handel und Gewerbe in Berlin Gelegenheit
hatte, auf dem schwierigen Gebiete der Krankenversicherung
Erfahrungen zu sammeln, hat in diesem ausführlichen Werke
Rücksicht genommen auf die grosse Zahl der Lücken und
Streitfragen, welche sich im Laufe der 25 Jahre seit Inkraft¬
treten des Krankenversicherungsgesetzes ergeben haben.
Dadurch sind die in dem Werke niedegelegten Erfahrungen und
Eindrücke, die der auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung
als Autorität anerkannte Verfasser in der Verwaltungspraxis
gesammelt hat, besonders wertvoll für die in Aussicht stehende
Reform der Arbeiterversicherungsgesetze. Sie werden aber
auch über die Reform hinaus nicht an Wert verlieren.
Wer sich mit der schwierigen Gesetzesmaterie der
Krankenversicherung vertraut machen will — und das muss
bei der Expansion der Arbeiterversicherung immer mehr Auf¬
gabe der Aerzte werden, — findet in diesem Werke eine über¬
sichtliche und eingehende Erläuterung des Krankenver¬
sicherungsgesetzes, das ohne Kommentar schwer zu ver¬
stehen ist.
Besonders bezüglich der Begriffe „Aerztliche Behandlung“,
„Heilmittel“ und „Erwerbsunfähigkeit“ gibt das Buch wertvolle
Aufschlüsse. Es kann deshalb den Aerzten als Nachschlage¬
werk und zum gründlichen Studium der Krankenversicherung
auf das wärmste empfohlen werden. S c h o 11 - München.
Bericht über urologische Forschungsergebnisse ans dem ersten
Halbjahr 1908.
(Schluss.)
Neue therapeutische Vorschläge zur Behandlung der Zystitis
bei Frauen bringt E. McDonald („Cystitis in women. With
report of fortyfive cases, studied cystoskopically and some modi-
fications of treatment“. NewYork med. record, Eebr. 1908). Er be¬
vorzugt anstatt der gewöhnlichen Borsäurespülungen bei einfachem
Blasenkatarrh solche mit Vs Proz. Natr.-bicarbonic.-Lösung, wie sie
von den Ophthalmologen schon lange gebraucht werden; die Lösung
kann bis zu Vs Proz. verstärkt werden. Nach seinen Erfahrungen ist
die Karbolsäurebehandlung der tuberkulösen Zystitis nach Rovsing
zu schmerzhaft und nicht genügend wirksam; keine Erfolge sah er
bei Anwendung der G u y o n sehen Sublimatinstillationen. Gute
Dienste hat ihm dagegen eine V« proz. wässerige Lösung von Chinin,
bisulf. geleistet. Bei starker eitriger Zystitis hatte M c D. äusserst
gute Resultate durch Einspritzungen von 8 cm einer Vs proz. Wasser¬
stoffsuperoxydlösung, der eine ebenso grosse 5 proz. Protargollösung
folgt. Auswaschung mit der oben genannten Natron-bicarbonicum-
Lösung, hierauf eventuell direkte regionäre Applikation von Argentum
oder Protargol durch das K e 11 y sehe Endoskop. Bel akuter Zystitis
und schmerzhaften Zuständen spritzt er eine präparierte Abkochung
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1750
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
aus Irisch Moos ein; für innerlichen Gebrauch empfiehlt er Infus, fol.
bucco.
„lieber Operationszystoskope“ schreibt (). Ring¬
le b in den Fol. urolog., Bd. II, H. 2, 1908. Nach einer kritischen
Aufzählung der gebräuchlicheren Systeme stellt er bestimmte Forde¬
rungen für ein Operationszystoskop auf, die ein teilweise von ihm
selbst angegebenes Instrument erfüllt; mit ihm hat Verf. in den letz¬
ten Jahren bemerkenswerte Frfolge erzielt. F.s besitzt die Vorzüge
und Eigenschaften eines Spiilzystoskops; der Kanal für die Optik
ist auch für die Spülung verwendbar. Der Mandrinwechsel (mit
automatisch wirkendem Verschluss) geht glatt vor sich. Dadurch,
dass aufschraubbare Brenner in verschiedenen Längen sowie auf-
schraubbare Schnabelteile für den Schlingentrüger verwendet wer¬
den, ist gegenüber anderen Instrumenten eine bedeutende Verbilli¬
gung erzielt worden.
Gerade dieser letztere Punkt war es bisher, der — neben der
etwas schwierigen Technik — der intravesikalen Operationsmethode
hindernd im Wege stand. Für ihren Wert dagegen spricht die auch
unter den Chirurgen sich immer mehr ausbreitende Auflassung, dass
für einzelne, besonders gestielte Papillome der Blase die endovesi-
kale Entfernung die richtige sei; ein einzelnes Papillom ist meist
nur der Ausdruck einer allgemeinen Papillomatose, die durch immer
erneutes Wachstum ähnlicher Tumoren sich charakterisiert. Tatsäch¬
lich ziehen gerade Aerzte diese Methode der Sectio alta vor.
Wie schöne Erfolge sich bei grosser Geschicklichkeit und Liebling
mit der perinealen Prostatektomie erzielen lassen, dafür
gibt eine jüngst von Young veröffentlichte, auf inn derartige Ein¬
griffe (ohne Todesfall) sich erstreckende Statistik Zeugnis. („A
report of one hundred consecutive perineal prostatectomies w ithout
a death. Journ. of the americ. med. assoc. 190N. No. 7.) Dabei handelt
es sich keineswegs um nur günstige, ausgewählte Fälle; der schlechte
Kräftezustand eines Patienten war niemals der Grund einer Ab¬
weisung; hochgradige Herzschwäche, längerdauernde Tuberkulose
und andere Krankheiten waren häufig begleitende Befunde. Das
Alter der Kranken schwankte zwischen öd und so Jahren, über so
waren 2, unter 50 Jahren 6 Patienten. In dieser letzten Serie von hül¬
len kam es niemals zur Bildung der so unangenehmen Rcktourethral-
fistel. Keiner der operierten Patienten musste den Katheter ge¬
brauchen. In nur zwei Fällen blieb Inkontinenz zurück. Durch
Schonung der Ducti ejaculatorii wurden bei den meisten Patienten
die sexuellen Funktionen erhalten; bei 5 Patienten stellte sich sogar
die früher verloren gegangene Potenz wieder ein. In 17 Fällen von
Prostatitis chronica entfeinte Y. mit vollem Erfolg die Drüse. Die
Gesamtmortalität aller perineal operierter Fälle (238) beträgt 2,9 Proz.
20 Proz. aller wegen prostatischer Beschwerden untersuchten Kran¬
ken hatten ein Karzinom; davon konnten nur bei 6 mehr ein Fingriff
gemacht werden; 2 von diesen sind nach 3 Jahren noch gesund.
Ueber gute Erfahrungen bei der Behandlung der Prostata-
hypertrophie durch B o 11 i n i sehe Inzisionen und intrakapsuläre
Verkleinerung der Drüse vom Damme aus — als weniger eingreifende
Verfahren gegenüber der Prostatektomie — berichtet B e r g m a n n
(„Kasuistische Beiträge zur operativen Behandlung der Prostata¬
hypertrophie. Zeitschr. f. Urol., Bd. II, H. 5, 1908). Erstere Ope¬
ration wurde bei 10 Patienten im Alter von öf>—74 Jahren ausgeführt:
die Krankheitssymptome bestanden seit 1 »—10 Jahren. Hauptge¬
wicht legt Verf. auf guten Ansatz des Messers und ausreichend lange
Schnitte. Zur Anästhesie wurden 20—30 ccm einer 3 proz. Novokain¬
lösung mit schwachem Adrenalinzusatzc verwendet. Die Erfolge
waren gute: 8 von 10 Patienten entleeren ihre Blase vollkommen
oder bis zu 30 Residualharn; bis auf 2 haben sie ihre Zystitis ver¬
loren; bei einem Patienten brachte allerdings erst die Wiederholung
der Inzisionen vollen Erfolg. In 7 Fällen war die Resektion der
Prostata vom Damm aus vorgenommen worden; 4 vollkommene
Heilungen, 2 Todesfälle durch interkurrente Krankheiten. B. glaubt
nach seinen Erfahrungen und Erfolgen diese beiden operativen Mass¬
nahmen mit gutem Gewissen leidlich rüstigen Personen zumuten zu
können.
Zweifellos hat die Bottinische Operation in ganz bestimmten
Fällen eine gewisse Berechtigung. Doch ist die suprapubische
Enukleation der Prostata — besonders wenn sie zweizeitig ge¬
macht wird — keineswegs als mehr eingreifend anzusprechen als
z. B. die perineale intrakapsuläre Verkleinerung der Drüse. Die
Mortalität ist nur eine geringe (F r e y c r 7 Proz.). Der Erfolg ein
ziemlich sicher eintretender, vollkommener und dauernder (90 Proz.).
Zur Nachprüfung des E i n f I u s s c s d e r R ö n t g e n s t r a h I e n
auf die männlichen Geschlechtsorgane stellten Rc-
gaud und Dubreuillc („Influence de la roentgenisation des
testicules sur la structure de repithelium seminal et des epididymes.
sur la f£condite et sur la puissanee virile du lapin“, Lyon med. 19 os,
No. 9) interessante Tierversuche an. Bei nicht zu intensiver Be¬
strahlung verschwanden die Spermatozoen und ihre Mutterzellen nur
vorübergehend; nach nicht allzulanger Zeit trat Regeneration ein.
Der bald nach der Bestrahlung ausg.efiihrte Koitus war steril; dabei
war es auffallend, dass die Spermatozoen in der Epididymis be¬
weglich, also scheinbar nicht geschädigt waren. Die Potentia
coeundi wurde durch die Strahlen scheinbar gesteigert, das Paren¬
chym des Nebenhodens durch die Bestrahlung nicht besonders an¬
gegriffen.
Von technischen Neuerungen wurden in dem letzten Halbjahre
einige recht praktische Vorschläge gemacht.
R. Lenk s Vorschlag „Zur Asepsis des l’reteren-
k a t h e t e r i s m u s" (Zeitschr. f. l'rol., Bd. II. H. 3. 1'xiM bezieht
sich auf einen Liebelstand, der sich bei der Sondierung der L retcreii
recht schwer vermeiden lasst. Besonders wenn das Filtrieren des
llreterenostiums auf irgendwelche Schwierigkeiten stosst und die
Aufmerksamkeit des Arztes ganz auf das technische Moment gelenkt
wird, ist ein Anstreifen des langen Katheterendes an Gesicht und
Haaren des l’ntersuchers sehr leicht möglich. Wenn auch die Wahr¬
scheinlichkeit einer Infektion durch die gewöhnlich ausgefuhrte In¬
stillation von Argentum in den Harnleiter vor Entfernung des In¬
strumentes eine geringe ist, so ist doch die Möglichkeit derselben bei
der Häufigkeit leichter Traumen und der Irritation der l reteren-
schleimhaut bei der Sondierung nicht aus/uschhesseii. I m ihr vor¬
zubeugen benutzt L. seit längerer Zeit röhrenförmige Schutzuhcrzugc
für die Katheter (..Katlicterstrumpfe) aus Zwirngewebe. Die Ka¬
theter werden in diesen Peberzugen am besten m strömendem
Wasserdampf sterilisiert. Fm Anemanderklelw n ist nicht zu be¬
fürchten, da sie durch die Mulle gut isoliert werden. Wasser und
Glyzerin sind von den l'eberzugen fern zu halten, da sich sonst der
Katheter nur schwer vorwärts bringen lasst; bleiben sie trocken.
So kann man jede Bewegung durch ihre Wände hindurch leicht aus¬
führen. Zur besseren Gleitfahigkeit der Katheter giesse man steriles
Glyzerin in die distale Oeffnung des Kuhrungskanals.
Fine „V e r b e s s e r u n g der Technik des Verweil-
k a t h e t c r s“ wurde von F. S c h I a g i n t w e 1 1 in der Zeitschrift
für LTologie, Bd. II. H. 4. angegeben. >ie besteht im Prinzip darin,
dass der Katheter nicht, wie gewöhnlich, in ein Betturinal, sondern
durch eine Schlaucln erlangerung m ein auf dem FussboJen
stehendes Geschirr mundet. Fm aber die letzt starke Heberwirkung
zu verringern, wird — und das ist der springende Punkt — mitte s
eines T-Rohres noch ein zweiter Schlauch augesetzt, der als Luft¬
loch wirkt und ein langsam tropfendes Abflüssen des Harnes ge¬
währleistet. Dieses Luit/ulcitimgsrohr kann zugleich zum Spulen
mittels Irrigator benutzt Werden.
Die Schwierigkeiten, welche dadurch bedingt sind. d,.ss man
durch das Zystoskop die Blasenbilder nicht direkt und nicht m ihrer
natürlichen Lage, sondern im SpiegeIbelage des Prismas erblickt, be¬
seitigt ein von R. W. Fra nk angegebenes Z\ stoskop. dessen Modell
er bereits am I. Kongress Jur l lologie demonstrierte (..Fm ver¬
bessertes Zystoskop“. Zeitschr. i. l ro|.. Bd. II. M. <>. Fr
bedient sich zu diesem Zw ecke der biidaufr ichtenden Spiegt Iprismen-
systeme. Diese Verbesserung kann leicht an jedem Z\sb>skope ange¬
bracht werden; sie ändert nichts an der ausseren Form der In¬
strumente, welche genau ge handhabt werden wie bisher und es
gleichzeitig ermöglichen, alle I eile der Blase in ihrer natürlichen
Lage zu besichtigen. Fs \ creirifuchen sich besonders bei Gebrauch
eines So gebauten ()peratiotis/\stoskops die Verhältnisse beim
Fmlegen der Schlinge um den Tumor sowie beim Erfassen vmi
Fremdkörpern mit der Zange. Gleichzeitig brachte E. an dem opti¬
schen Apparat der Z\stoskope eine Verbesserung an. durch weiche
eine grossere Lichtintensit.it des Gesichtsfeldes und eine erhöhte
Schärfe der Bilder erzielt wird. Fine dritte Wandlung betrifft end¬
lich die elektrischen Kmitaktteile des Z\st..\k.-ps. wodurch die den
jetzt gebräuchlichen Kontaktzangen manchmal anhaftenden Strom-
storungen (durch Oxydation der schwer zugänglichen Nieten und
Falze) vermieden werden sollen. Bis jetzt sind diese Z\ stoskope in
den meist gebräuchlichen Typen hergestellt worden.
I >r. L. K i e 11 e u t h n e r • München.
Neueste Joumalüteratur.
Zeitschrift für orthopädische Chirurgie. XX. Band. Mit
einem Bildnis Albert Hotfas, einer stereoskopischen Tafel
und 335 Textabbildungen.
Der Band sollte eine Festschrift zu Hniias 25 i;ihrigem Doktor-
jiibiläum werden, er ist nun zur ( iederiksc hntt geworden, dem zu
früh Dahingegangenen gewidmet von seinen hindern.
1) A I d e r h o 1 d t und s i I b e r s t e i n; Hernien als l'nfallfolgc.
Auszüge aus 2ll Aktenstücken einer Beruisgeiiossensehaft inner¬
halb dreier Jahre und kritische Prüfung der ergangenen Entschei¬
dungen seitens des Schiedsgerichtes und des Reuhsversicherungs-
amtes. Die Verif. kommen zu dem Ergebnis, dass die oberen In¬
stanzen sieh keineswegs an den v..n ihnen Seiber geforderten stren¬
gen Nachweis echter traumatischer Entstehung der Brüche halten
sondern zugunsten der klagenden Arbeiter zu entscheiden pflegen!
Dadurch muss es zu Missstunden kommen: .Uder eimgermassen in¬
telligente Arbeiter vermag die Symptome an/ugeben. weiche es ge¬
statten. seinen alten Bruch als traumatischen vor dem Instanzen¬
forum erscheinen zu lassen.
Die Instanzen mussten misstrauis Jicr sein und „die Anerkennung
eines Bruches als l nfal'foige zu einem Ereignis gestalten."
2) H i 1 1 e r - Königsberg: leber den „schnellenden Finger“.
Besprechung des Leidens und seiner Therapie.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1&. August 190$.
MUENCHBNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1751
Bei H.s eigener Beobachtung handelte es sich um das schnel¬
lende Endglied des Daumens, das Phänomen wurde seit dem
2. Lebensjahr beobachtet. Operation mit 14 Jahren: Die Sehnen¬
scheide war spindelförmig erweitert, an den Enden Schnürringe. Die
Scheide um das 3—4 fache verdickt.
Ausgiebige Exstirpation der Sehnenscheide Hess das Phänomen
verschwinden.
3) Drehmann -Breslau: Weitere Beiträge zur unblutigen Be¬
handlung der angeborenen Hüftverrenkung.
Bericht über Behandlung und Resultat von 166 Patienten mit
Hüftluxation in der Privatpraxis, 125 einseitigen, 41 doppelseitigen
Verrenkungen. Letztere waren fast durchweg Steisslagen. Sehr
interessant sind einige mit Röntgenbildern belegte Beobachtungen
von Selbstheilung. Die Einrenkung macht D. gegen Ende des
2. Lebensjahres, obere Grenze bei einseitiger Luxation das 10. Jahr,
bei L. duplex das 6.
Die Abschnitte über Ursachen der Misserfolge, über Unglücks¬
fälle und deren Vermeidung, über die Methode der Einrenkung,
Heilungsvorgänge etc. enthalten viel für den Spezialisten Interessan¬
tes. Allgemeines Interesse beanspruchen die Erfolge: Bei einseitiger
Luxation 93 Proz. funktionell normale, bei 90 Proz. anatomisch nor¬
male Gelenke, bei Luxatio duplex sind die entsprechenden Zahlen
82 Proz. und 71 Proz. Rechnet man alle reponierten Gelenke zu¬
sammen, so wurden erzielt: 85 Proz. anatomische Heilungen, 91 Proz.
funktionelle.
4) Gramer- Köln: lieber kongenitale Supinationsstörungen.
Eine Serie von Röntgenbildern zeigt die Knochenabnormitäten
bei mehreren Patienten.
5) Graetzer -Görlitz: Zur Aetlologie der angeborenen Hüft¬
verrenkung.
Nach G. ist die Zugwirkung amniotischer Verwachsungen am
abduzierten Bein von erheblicher Bedeutung .
6) L e h r - Dresden: lieber eine Verdickung des Taluskörpers
als Ursache von Klumpfussrezidiven.
Schanz erblickt eine Hauptschwierigkeit des Klumpfuss-
redressements in der Verdickung des Taluskörpers, welche sein
Eintreten in die Malleolengabel verhindert. Er hat durch Abtragen
der äusseren Talusfläche dies Hindernis mit Erfolg zu beseitigen ge¬
sucht.
7) Zuelzer -Potsdam: Betrachtungen über die Behandlung des
Genu varum infantile mit besonderer Berücksichtigung des O-Bein-
Korrektionsapparates.
Ein Lagerungsapparat, der täglich stundenweise angewendet
wird in der Art, dass eine elastische Binde die Kniegelenke gegen¬
einander führt, während die Knöchel auseinander gedrängt werden.
Eine kleine Vorrichtung erlaubt gleichzeitig Korrektur einer
fehlerhaften Fussstellung.
8) Pfeiffer-Frankfurt a. M.: Aus der orthopädischen Werk¬
statt.
Verschiedene kleine Vorrichtungen oder Apparatmodifikationen
zur Behandlung des Knickfusses, des Genu varum, der Spondylitis
cervicalis.
9) Becher -Münster: Ueber kompensatorische Hüftgelenks¬
verrenkung.
Besteht in einem Hüftgelenk sehr hochgradige Adduktion, so
wird gelegentlich von den betreffenden Patienten auch das gesunde
Bein in Adduktion gebracht, um Stehen und Gehen wenigstens
einigermassen zu ermöglichen. Es kann dadurch zu einer Hüftluxa¬
tion kommen, wie B. in 2 Fällen beobachtet hat.
10) E c k s t e i n - Prag: Anatomische Untersuchungen über den
Zusammenhang zwischen Halsrippen und Skoliosen.
Aus klinischen wie namentlich auch aus anatomischen Unter¬
suchungen ergibt sich, dass kein Zusammenhang besteht entgegen
bisher geäusserten Vermutungen.
11) Deutschländer -Hamburg: Die blutige Reposition der
angeborenen Hüftverrenkungen.
D. ist der Ansicht, dass der Wert der blutigen Einrenkung heute
unterschätzt wird, dass die unblutige Methode viele Versager auf¬
zuweisen hat, die uns das Messer in die Hand zwingen. Er meint,
dass erst grosse Uebung und Erfahrung die volle Leistungsfähigkeit
<Jer blutigen Methode erkennen lassen wird. Seine eigenen Erleb¬
nisse und Ergebnisse sind freilich zunächst wenig ermutigend: Unter
10 Fällen 1 Exitus, 4 Hiiftankylosen.
12) Z a n d e r - Berlin: Ein Fall von kongenitaler Luxation des
Humerus.
Kombination der seltenen Deformität mit Hochstand der Skapula.
13) M ö h r i n g - Kassel: Der tragbare Heilapparat bei der Sko¬
liose.
Warme Empfehlung eines Geradhaltergestelles mit elastischen
Zügen.
14) Ebbinghaus -Dortmund: Der Bruch des Stiedasehen
Fortsatzes des Sprungbeins.
Die Absprengung des hinteren Fortsatzes des Talus kommt bei
starker Plantarflexion zustande, indem der hintere Rand der Tibia
das Sprungbein trifft. Charakteristisch ist , Druckschmerz mitten
«wischen innerem Knöchel und Achillessehne.
15) E. M ay e r - Köln: Zur Entstehung und Symptomatologie der
Plattfussbeschwerden.
M. warnt vor der Verlegenheitsdiagnose „Rheumatismus,
Schleimbeutelentzündung, Distorsion“, meist sind unklare Fuss-
beschwerden auf Plattfussbildung zu beziehen.
16) Gocht-Halle: Einige technische Neuerungen.
Ein Gipsbindentisch, eine Schulterarmschiene, Plattfusseinlagen
aus Walkleder.
17) Lengfellner -Berlin: Die wissenschaftlichen Prinzipien
bei Herstellung von Schuhwerk mit Berücksichtigung von Jugend-
und Militärschuhwerk.
Der Arzt, insbesondere der Schularzt, der Militärarzt,, müssen
dem Stiefelbau mehr Aufmerksamkeit zuwenden.
Die üblichen Leisten sind durchaus fehlerhaft, sie weisen keine
richtige Sohlenw'ölbung auf.
Speziell beim Kinderschuhzeug soll die Fusswölbung, die noch
nicht genügend erstarkt ist, einen Halt auf der richtig gewölbten
Sohle finden. Die nach innen geschweifte Längsachse des Stiefels
ist nicht der normalen geraden Fussform entsprechend.
Den genagelten Militärschuh hält L. für unpraktisch.
18) Hornung-Graz: Eine neue unblutige Methode zur Be¬
handlung der Syndaktylie beim Neugeborenen.
Die Hautbrücke zwischen 2 Fingern wird durch eine mehrere
Wochen liegende, allmählich fester zugezogene Klammer langsam
durchquetscht.
19) A I s b e r g - Kassel: Isolierte Fraktur des Erbsenbeins.
Durch festes Anstemmen entstanden. Feste Verheilung laut
Röntgenbild eingetreten.
20) Alsberg- Kassel: Beitrag und kritische Bemerkungen zur
Apophysitis tlbialis adolescentlum.
Die Diagnose einer völligen oder partiellen Abrissfraktur der
Tuberositas ist nach A. häufig irrtümlicherweise gestellt worden,
auch die Röntgenbefunde wurden missdeutet.
Dagegen gibt es eine im Wachstumsalter, und zwar mit Vorliebe
im 12. bis 14. Lebensjahr auftretende krankhafte, nicht traumatische
Veränderung der Tuberositas tibiae, über deren Aetiologie die ver¬
einzelten Operationsbefunde noch keine Klarheit gebracht haben.
21) Gottstein -Reichenberg: Zur Redressement- und Ver¬
bandtechnik bei schweren Skoliosen.
G. ist Anhänger des forcierten Redressements. Sein Gipspulver
vermengt er mit Portlandzement (19 Teile Gips : 1 Teil Zement).
Die Abbildungen beweisen einen Augenblickserfolg.
22) B ö c k e r - Berlin: Zur Beurteilung von Unfallverletzungen
im Bereich des kindlichen Ellbogengelenkes.
Zur richtigen Beurteilung solcher Verletzungen ist es erforder¬
lich: die normale Anatomie in der Entwicklungsperiode und die patho¬
logische Anatomie im Röntgenbild zu kennen, Aufnahmen in 2 Ebenen
zu machen, die gesunde Seite als Vergleichsobjekt zu röntgenisieren.
23) G u r a d z e - Wiesbaden: Erfolge der Oberschenkelosteo¬
tomie.
Bericht über einige schöne Resultate bei Hüft- und Knie¬
deformität.
24) B1 e n c k e - Magdeburg: Bemerkungen über den Kalkaneus-
sporn.
Klinische Beobachtungen und zahlreiche Röntgenuntersuchungen
führen Verf. zu der Ansicht, dass der Kalkaneussporn seltener eine
Wachstumserscheinung, eine Ausziehung der unteren Kalkaneus-
epiphysenspitze, darstellt. Vielmehr dürfte er sich meist im späteren
Alter entwickeln durch verschiedene pathologische Ursachen, da¬
runter namentlich Gonorrhöe, Arthritis, Arteriosklerose. Der Sporn
muss nicht gerade Beschwerden machen, tüt es aber meistens.
25) Chrysopathes -Athen: Beitrag zu den hyperplastlschen
Osteopathien resp. Osteoarthropathien.
Ein noch nicht klassifizierter Typus, mächtige Hypertrophie des
Skeletts der oberen Extremitäten.
26) Li 1 i e n f e 1 d - Leipzig: Ueber die Erzeugung der typischen
Verletzungen der Handwurzelknochen und des Radiusbruches etc.
Leichenversuche zur Erklärung des Mechanismus bei Brüchen
des unteren Radiusendes, des Navikulare, bei Luxation des Lu¬
natum etc.
27) R o s e n f e 1 d - Nürnberg: Prophylaxe der Verkrüppelung.
Angeborenen Deformitäten steht die Prophylaxe allerdings macht¬
los gegenüber, nicht aber den 8 mal häufigeren erworbenen Deformi¬
täten. So bekämpfen wir die Verkrüppelung nach tuberkulösen Ge¬
lenkknochenleiden durch sorgfältige Behandlung unter Benützung des
Höhenklimas, der See, der Solquellen, der Land- und Waldkolonien.
Auch die Rachitis ist aus prophylaktischen Gründen Gegenstand ortho¬
pädischer frühzeitiger Fürsorge. Aeusserst wichtig sind unsere pro¬
phylaktischen Bestrebungen auf dem Gebiet der Skoliose.
Vielfach grenzen die Aufgaben des Orthopäden an die soziale
Medizin (Wohnungsfürsorge, Unfallversicherung, Milchküchen, Schul¬
gesundheitspflege, Tuberkulosebekämpfung). Das eigenste Gebiet des
Orthopäden ist die Krüppelfürsorge. Die Krüppelheime sind auszu¬
bauen in der Richtung der Therapie. Die Angliederung von Ambu¬
latorien an das Krüppelheim wird empfohlen, Externe sollen an ärzt¬
licher Behandlung und Unterricht teilnehmen können. Auch hier¬
durch ist eine Prophylaxe der Verkrüppelung gewährleistet.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1752
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23 .
28) Ger son -Schlachtensee: Skoliosenbehandlung Im Hause.
Empfiehlt häusliche korrigierende Lagerung und ähnlich ein¬
fache Manipulationen als Nachbehandlung nach der Anstaltskur.
29) Haudek - Wien: Zur operativen Behandlung des musku¬
lären Schiefhalses.
Er empfiehlt die Durchtrennung des verkürzten Kopfnickcrs unter
dem Warzenfortsatz nach Lange, als Verband den zirkulären
Watteverband nach Schanz.
30) G h i u 1 a m i I a - Bukarest: lieber einige einfache und prak¬
tische Gipsextensionsverbände.
Die Extension wie die Kontraextension an der unteren Extremi¬
tät greifen an mit Hilfe kleiner, gut anmodellierter Gipsverbünde,
welche einen starken Zug gestatten, ohne Druck zu erzeugen.
31) Ehebald - Halle: Unsere Erfahrungen mit der angeborenen
Hüftverrenkung.
Von 102 cingerenkten Bällen waren 67 einseitig, 35 doppelseitig.
Von den einseitigen Bällen ergaben 56 Proz. ein anatomisch und
funktionell tadelloses Resultat; ein funktionell vollkommenes Resultat
wurde, wenn man Repositionen mit exzentrischer Einstellung des
Kopfes hinzurechnet, sogar in 77 Proz. erzielt.
Etwas weniger günstig war das Ergebnis bei Luxatio duplex.
E. ist kein prinzipieller Gegner der blutigen Reposition.
32) N i e n y - Schwerin: Studien über das Schuhwerk der Platt-
Bissigen.
Praktische Ratschläge für die Stiefelkonstruktion hinsichtlich
schiefer Sohlung, Gelenkverstärkung, Lederkappe etc. Von Ein¬
lagen verwendet N. sowohl Zelluloid als gewalktes Leder und
Durana.
Das Gipsmodell für die Einlage gewinnt er folgendermassen:
Pat. tritt auf eine schiefe Ebene (15°), auf welche ein gips-
gefülltes Cambricsückchen gelegt ist. Während des Erhärtens wird
die Busswölbung mit einem Bindenzügel möglichst wiederhergestellt.
33) Bö hm-Berlin: Ueber die Ursache und das Wesen der
idiopathischen Deformitäten des Jugendlichen Alters.
Die in der Entwicklungsperiode auftretenden Wachstums¬
störungen, die Skoliosis, Coxa vara, Pes valgus und Genu valgum
adolescentium, scheinen dem Verf. nicht in der bisher angenommenen
Weise ihre Erklärung zu finden. Weder ein bekannter knochen¬
erweichender Prozess noch eine Anomalie der Muskeln sind bis jetzt
als ihre Ursache nachgewiesen worden. In abnormer Weise ein¬
wirkende Belastung kann nicht als primäre Ursache angesehen wer¬
den, wie klinische Beobachtung zeigt.
Bür die Scoliosis idiopathica stellt die „numerische Variation
des Rumpfskeletts“ einen hauptsächlichen ätiologischen Baktor dar.
Dieses Phänomen aber erscheint als phylogenetischer Ent¬
wicklungsfehler. Vergleichend-anatomische Untersuchungen be¬
lehren uns, dass die beim Menschen als idiopathische Wachstums-
Störungen vorkommende Coxa vara, Pes valgus, Genu valgum bei
den niederen bezvv. höheren Affen physiologische Bildungen sind.
Es erscheinen also die genannten Deformitäten ebenso wie die
Skoliose als phylogenetische Entwicklungsfehler und zwar im Sinne
einer unvollkommenen Anpassung an die spezifisch-menschliche
Bunktion der unteren Extremität (u. a. aufrechte Haltung). Das
späte klinische Sichtbarwerden der — somit kongenital angelegten —
jugendlichen idiopathischen Wachstumsstörungen findet in der eigen¬
tümlichen physiologischen postnatalen Bormcntwicklung des mensch¬
lichen Skeletts seine Erklärung.
34) S p i t z y - Graz: Die neurologische Stellung der spastischen
Lähmung und ihre Behandlung mit Nervenplastik.
Die spastische Kontraktur lokalisiert sich am Vorderarm in
typischer Weise auf das Gebiet des N. medianus, während der
Radialis Hypotonus aufweist. Sp. hat den Versuch gemacht, durch
eine Nervenplastik ausgleichend zu wirken, indem er einen Teil des
Medianus abspaltete und auf den Radialis pfropfte. In 3 Bällen
wurde ein Erfolg deutlich konstatiert.
35) B a d e - Hannover: Mitteilungen aus dem Gebiete der ange¬
borenen Hüftverrenkung.
1. Ein Ball angeborener Luxatio duplex nebst Luxation der Unter¬
schenkel nach hinten und Hakenfüssen. Die Diagnose wurde am 2.
Lebenstage gestellt, die Reposition sofort vorgenommen. Nach
8 Tagen schon standen die Köpfe fest.
2. Luxatio duplex und Klumpfiisse. Redressement und Repo¬
sition in einer Sitzung.
3. Angeborene oder paralytische Hüftverrenkung mit Sclbst-
repositionsrnöglichkeit. Heilung im Verband.
36) Frankel- Berlin: Klnematographlsche Untersuchung des
normalen Ganges und einiger Gangstörungen.
Analyse der Bilmaufnahmen bei Luxatio coxae, Coxa vara,
Coxitis, verschiedenen Lähmungen. V u I p i u s - Heidelberg.
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 44. Bd.
2. Heft. 1908.
D ö 11 k c n: Ueber Halluzinationen und Gedankenlautwerden.
11 Bälle von Halluzinoscn, die nicht mit Geisteskrankheit kom¬
pliziert W'aren, wurden untersucht. Eine einheitliche Formel fiir den
Mechanismus der Halluzinationen, die in allen Fällen von den Kranken
korrigiert wurden, gibt es nicht. Beteiligt ist fast stets der ganze
sensible oder motorische Teil des Leitungsbogens oder beide Teile
gleichzeitig. Die interessanten Details der Arbeit aber Aetiolngic,
Lokalzeichen der halluzinatorischen Empfindungen. Leitungsbogtn,
Leitungsrichtung, Geiuhlsbetommg und Korrektur der Halluzinationen
müssen im Original nachgelesen werden.
Hermann L u u d b o r g - Upsala: Ueber die sogenannte meta-
trophlsche Behandlungsmethode nach Toulouse-Rlcket gegen
Epilepsie.
Schluss im nächsten Heft.
Paul Junius und Max Arndt: Beiträge zur Statistik, Aetio-
logle, Symptomatologie und pathologischen Anatomie der progres¬
siven Paralyse. (Aus der Irrenanstalt der Stadt Benin zu Dalldorf.)
Mit Abbildungen im Text. (Schluss folgt.)
.1 u1 1 us D o u a t h - (Meii-IVst: Leber hysterische Amnesie.
Zwei interessante Balle hysterischer Dämmerzustände werden
in extenso beschrieben und besprochen.
Hermann Kornfeld: Schwere Körperverletzung. Abortives
Delirium potat. oder febrile?
Gutachten und Gegengutachten.
Kurt Gold stein: Zur Theorie der Halluzinationen. Studien
über normale und pathologische Wahrnehmung, t \us der psycln-
atrischen Universitätsklinik zu Königsberg i. Pr.) Ludwig Ed inger
zur Eröffnung des neuen S e n c k e n b e r g Pechen neurologischen
Institutes in Breimdschaft und Verehrung. Ochiuss folgt.)
Armin Steyerthal: Leber Huntington sehe Chorea.
V ert. hat sich einer \ ei dienst\olle n Arbeit unterzogen. Wofür
ihm die Bachkollegen Dank wissen werden. Ir hat die im Medical
and Surgical Reporter ls72 erschienene und seit langem xerloren ge¬
glaubte Arbeit von George Huntington ..Ueber Lhorea", die den
Neurologen der Gegenwart nur aus dem Reterat im V iuIuoi -
Hirsch bekannt sein durfte, ms Deutsche übersetzt und bringt diese
1 ebersetzung m \ or liegender V eroueiitiichuug zum Abdruck.
Ilasclie-Klunder: Leber atypisch verlauiende Psychosen
nach Unfall. (Aus dem allgemeinen Krankenhause liamburg-B.ppen-
dorf und aus der li re na ristall I i ledru tisber g.)
Nicht nur nach schweren, sondern audi nach leichteren Kopi-
traiimeii, ja sogar nach andeien kot per liehen Verletzungen mehr oder
weniger leichterer Art können 'gelegentlich mannigfache Psvdiosen
ausgelost werden. Diese Ps\ cliosen haben \ leit.uh einen derartig
atypischen Verlauf, dass es ott schwer ist. derartige l nfadkranke mit
ihren Beschwerden anfangs gerecht zu beurteilen und richtig zu
begutachten. Noch schwel er ist es. die sich aiimaiilidi entwickelnde
Geisteskrankheit schon ini Beginn fest/ustelleii, sowie den ursäch¬
lichen Zusammenhang mit dem I raunia nachzuw eisen.
Das Atypische liegt bei einzelnen Psvchoseii in ihrer Entwick¬
lung: durch einen l niall entsteht eine Neurose, die erst nach vielen
Jahren allmählich oder plötzlich m eine Geisteskrankheit übergeht:
bei anderen liegt das AtvpisJie m dem eigenartigen Verlauf: es treten
bei derselben Psychose im Laufe der Jahre m den ein/einen Madien
mehrere, unter einander gänzlich verschiedene KrankheitsmlJer aut.
neben funkti«nielleii auch organische, so dass nicht nur im Beginn der
psychischen Eikaiikung es unmöglich ist, eine richtige detmitive Dia¬
gnose zu stellen, sondern dass es auch i'.idi jahrelanger Beobachtung
nicht gelingt, die betr. Pswlmse in ein Schema em/uordnen.
Mitteilung von s Ballen von chronischen Psychosen nach Unfall,
deren Beobachtung sich auf eine Reihe von Jahren erstreckt und \"ii
2 I allen von akut verlautenden posttr auttiatisc heil lieistc skrankheiten.
Bei den chronischen Psvchoseii spielte der Kampi um die Rente eine
mehr oder weniger wichtige Rolle, mitunter ätiologisch die Haupt¬
rolle. weshalb eine Aendcrung des l maligem t/es. vor aiiem Abfindung
durch eine Geldsumme prophylaktisch vielleicht zu empfehlen wäre.
A. X n a p p: Körperliche Sy mptome bei funktionellen Psychosen.
(Aus der Kgl. Universitätsklinik für psychische und Nervenkrankheiten
in Güttingen.)
Au der Hand eines grossen Materials und der in der Literatur
niedergelegten Lifahrungen werden die bei tunktionenen Psvchoseii
verkommenden korpei liehen Symptome, die Storungen der Pupmeii-
urid Selmenreflexe. des Muskeltonus, der Sensib;. it.it und Motmt.it.
der Sprache und Schrift, der lemperatur. die sekretorischen, vaso¬
motorischen und trophischen Storungen eingehend besprochen. Ab¬
gesehen von eler Verminderung der Tranensekretion. weiche beson¬
ders bei der Melancholie v or kommt, finden sich die genannten kör¬
perlichen Symptome fast ausschliesslich nur bei soiJien Geistes¬
störungen. bei denen psychomotorische »katatojiiH he ) 1 rs v heinungen
eine mehr oder minder ausschlaggebende R.. : :c spielen. Die Pro¬
gnose wird durch das Auftreten v>.n körperlichen Sv mpt"i’ien. selbst
durch das Auftreten des \V ist p h a i s v Men Zeichens, v-.n Reiiex-
differeii/en. von Silbetistolpern. nicht a^s-dut ungünstig. was die
grossere Zahl der mitgeteiiten I .iiIe. die trotz düngende» Verdachtes
auf Partilyse in Genesung ubergegangen sind, beweist. Nur die Pu-
piUeiistorimgen Scheinen, wenigstens n.mh den bisherigen Beob¬
achtungen, regelmässig ein Signum mall m;;ir,!v zu sein. Die ko; [■.er¬
hellen Symptome bei füÄtionehen Guso-ss? .rurtgen können d:c
Differentialdiagnose (namentlich bei Abortiv;.t :eri • nicht seiten ganz
erheblich erschweren.
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Original fro-rri
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1753
Renkichi Moriyasu: Zur pathologischen Anatomie der Para¬
lysis agitans. (Aus der psychiatrischen und Nervenklinik der Uni¬
versität Kiel.)
Des Verfassers Untersuchungsresultate sind folgende: „Im Gross *
hirn bieten vordere Zentral- und Parazentralwindung fast keine
wesentlichen Veränderungen dar, ausser der Verdickung der Gcfässe,
geringfügigen Veränderungen von Zellen, Neurofibrillen und Mark¬
scheide, dagegen sind in Stirn- und Hinterhauptwindung die Neuro¬
fibrillen und Markscheiden in der I. uftd II. Schicht ziemlich stark ge¬
lichtet und die Ganglienzellen, besonders kleine und mittelgrosse
Pyramidenzellen zeigen Zerstörung der Fibrillen, Zerfall des Tigroides
und Verdickung der Gefässe. Im Kleinhirn sind die P u r k i n i e sehen
Zellen ziemlich stark verändert. Ihre Fortsätze sind stellenweise fast
ganz verschwunden, stellenweise besitzen sie nur noch kurze dicke
Stümpfe. Besonders in den Windungskuppen sind die Zellen aus¬
gefallen oder doch deutlich vermindert. Die Tangentialfasern in der
Molekularschicht und die Fasern, welche die Purkinje sehen Zellen
korbartig umgeben, sind stellenweise ziemlich stark gelichtet. An
anderen Stellen hat die Körnerschicht sich gelichtet und ist reduziert.
Die Gefässe zeigen hier und da Verdickung der Wandungen. Die
Gliafasern in der Molekularschicht sind etwas vermehrt, besonders
hier und da in den Markstrahlen.
In der Medulla oblongata nur Verdickung der Gefässe. Im
Rückenmark zeigen sich die Nervenfasern in Hals- und Brustmark
gelichtet, besonders in den G o 11 sehen Strängen der Halsanschwel¬
lung, sonst findet sich in Hals-, Brust- und Lendenmark manchmal
auf einer Seite, manchmal auf beiden Seiten diffuse, weniger deutliche
Entfärbung in den Seitensträngen oder in den Vordersträngen. Ferner
asymmetrische Zellveränderungen des Vorderhorns, reichliche Pig-
mentation der Ganglienzellen und Obliteration des Zentralkanals, so¬
wie inselförmige oder plaquesartige Gliawucherungen der weissen und
mehr diffuse Gliawucherung in der grauen Substanz. Stellenweise
Verdickung der Randschicht des Rückenmarkes.
In den peripheren Nerven geringe Verbreiterung der Endoneurien
und Verdickung der Gefässe.
In den Muskeln stellenweise Vakuolenbildung, Atrophie der
Muskelfasern, Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes und Ver¬
dickung der Gefässe.
Die Krankheit ist nicht isoliert im Rückenmark oder in den peri¬
pheren Nerven oder in den Muskeln lokalisiert, sondern im gesamten
Zentralnervensystem.“
Friedrich Zöllner: Ein Fall von Tumor der Schädelbasis, aus¬
gehend von der Hypophyse. (Aus der psychiatrischen Klinik und aus
der Nasen- und Ohrenklinik der Universität Strassburg.) Hierzu
Tafel V und VI.
Karzinomähnlicher Tumor der Schädelbasis, ausgehend vom
Vorderlappen der Hypophyse; derselbe hatte das Keilbein durch¬
wuchert, die Siebbeinzellen und Sinus cavernosi angefüllt, war in
beide Orbitae eingedrungen und im Septum narium bis nahe an die
Nasenlöcher gewuchert. In der Entwicklungszeit der Geschwulst
waren auffallende Veränderungen des Körperwachstums hervor¬
getreten (persistierender weiblich-kindlicher Habitus mit auffallend
stark entwickelten Mammae und Adipositas bei einem 21 jährigen
Arbeiter), ferner hatte eine schwere Beeinträchtigung lebens- und
funktionswichtiger Teile des Zentralorgans bestanden, ohne dass die
klinischen Erscheinungen den anatomischen entsprochen hätten.
V o 11 a n d: Kasuistischer Beitrag zu den traumatischen Rinden¬
defekten der Stirn- und Zentral Windungen. (Aus der Anstalt für
Epileptische zu Bethel bei Bielefeld.) Hierzu Abbildungen.
Bei einem Kranken mit traumatischem linksseitigem Hirndefekt,
der ungefähr die Hälfte vom Fusse der 2. Stirnwindung, ca. ein Drittel
vom Fusse der 3. Stirnwindung und über die Hälfte des daran an-
stossenden Teiles der vorderen Zentralwindung umfasste, konstatierte
Verf. andauernde aphasische und zentral-anarthrische Sprach¬
störungen, die unmittelbar nach epileptischen Anfällen am stärksten
waren; Stereagnosis der rechten Hand, bedingt durch Aufhebung der
isolierten und Zweckbewegungen der Finger rechterseits. Betreffs der
klinischen und pathologisch-anatomischen Einzelheiten des Falles sei
auf das Original hingewiesen.
F. A p e 11 und O. Schümm: Untersuchungen über den Phos¬
phorsäuregehalt der Spinalflüssigkeit unter pathologischen Verhält¬
nissen. (Aus dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf.)
(Zugleich eine Erwiderung auf die Entgegnung Donaths.)
Eignet sich nicht für ein kurzes Referat.
III. Internationaler Kongress für Irrenpflege in Wien.
Notiz. Germanus F1 a t a u - Dresden.
Archiv für Hygiene. 67. Bd. l.Heft. 1908. Mit 2 Tafeln.
1) Hans Schneider -Berlin: Ueber den Desinfektionswert der
drei Kresol-Isomeren in Gemischen mit Seife.
Nach dem Ministerialerlass vom 19. Oktober 1907 wurde den
Hebammen zur Desinfektion eine Kresolseife vorgeschrieben, die das
Orthokresol nicht mehr enthielt, während früher das verwendete Tri-
kresol ausserdem noch aus Meta- und Parakresol bestand. Das Ortho¬
kresol sollte wegen zu geringer Desinfektionswirkung als minder¬
wertig ausgeschieden werden. Verf. hat diese Frage einer neuen ex- I
perimentellen Untersuchung unterzogen und dabei das alte Lysol und
eine ganze Reihe Kresolseifen, die nach Vorschrift des Erlasses be¬
reitet waren, geprüft; ebenso Gemische aus den reinen drei Kresolen.
Es stellte sich dabei heraus, dass die von Herzog und Emde ver¬
tretene Anschauung der Minderwertigkeit von Orthokresol gegen¬
über Parakresol nicht aufrecht zu erhalten ist. Praktische Unter¬
schiede hinsichtlich der Desinfektionskraft bestehen zwischen den ein¬
zelnen Kresolen nicht. Gemische der 3 Kresolisomeren wirken etw r as
besser und gleichmässiger als einzelne Kresole. Technisches Tri-
kresol, wie es im Lysol enthalten ist, wies stärkere desinfizierende
Eigenschaften auf, als ein ähnlich zusammengesetztes reines Trikresol-
gemisch. Auf Grund dieser Untersuchungen erscheinen nach Ansicht
des Verf. die Voraussetzungen, die zur Einführung der neuen Kresol¬
seife des Erlasses vom 19. Oktober 1907 Veranlassung gegeben haben,
hinfällig.
2) Harrie S c h ü t z e - Würzburg: Beiträge zur Kenntnis der
thermophilen Aktinomyzeten und ihrer Sporenbildung.
Die Untersuchungen wurden mit in Blechbüchsen zur Gärung
gebrachtem Kleeheu ausgeführt. Es fanden sich regelmässig zwei
charakteristische Aktinomyzeten, die als Actinomyces termophilus und
Actinomyces monosporus bestimmt wurden. Thermomyces Ianugi-
nosus konnte nicht gefunden werden. Die Organismen sind thermo-
phil, die Sporen auffallend wenig widerstandsfähig gegen hohe Tem¬
peraturen. Die thermophilen Arten gedeihen an der Grenze ihres
Wachstums besser an der Oberfläche aerob, und nur bei niederen
Temperaturen wachsen sie auch im Stichkanal. Die Sporenbildung bei
den Aktinomyzeten hat sich als eine Fragmentation, nicht als Seg¬
mentation auffassen lassen.
3) K. B. Lehmann- Würzburg: Neue Untersuchungen über die
quantitative Absorption einiger giftiger Gase von Tier und Mensch
durch den Resplrationstraktus und seine Teile.
Die Untersuchungen beziehen sich auf Ammoniak, Salzsäure,
schweflige Säure, Essigsäure, Schwefelkohlenstoff und wurden in¬
sofern gegen die früheren von Lehmann ausgeführten Experimente
erweitert, als ausser der Aspirationsmethode und der Flaschenmethode
auch die Waschflaschenmethode und die Methode der Müller sehen
Ventile mit in Betracht gezogen wurde. Die Resultate haben infolge¬
dessen auch manche Erweiterung erfahren, bezügl. welcher auf das
Original verwiesen werden muss.
R. O. Neumann -Heidelberg.
Frankfurter Zeitschrift für Pathologie. 2. Bd., 1. Heft.
I. Originalarbeiten.
1) Eugen Alb recht: Teleologie und Pathologie.
Der Aufsatz darf das wissenschaftliche Testament des zu früh
verstorbenen bedeutenden Philosophen und Biologen genannt werden.
A. wendet sich darin energisch gegen die vitalistische Teleologie.
Teleologie kann überhaupt nur insofern einen Sinn haben, wenn die
Ereignisse von uns so betrachtet werden, als wären sie nach be¬
stimmten Zwecken und Zielen geordnet. Zum Zweck gehört untrenn¬
bar die Psyche; daher müssen Anschauungen, z. B. solche, die den
kleinsten Teilen des organischen wie unorganischen Bestehens selbst¬
ständiges Bewusstsein, Urteil zuschreiben, als unhaltbar aufgegeben
werden, da sie vergessen, dass der Zweckbegriff eben nur auf
psychischem Gebiete angewandt werden darf. Trotzdem hat die
finale Betrachtungsweise, in obigem Sinne, besonders in der Patho¬
logie ihren Wert und ihre Berechtigung, wenn dabei nicht ausser
acht gelassen wird, dass die Reaktionen des Körpers durchaus nicht
alle zweckmässig sein müssen, im Gegenteil vielfach unzweckmäsig
sind, dass sie strikte ihren Reizen entsprechend ablaufen müssen, dass
der Körper trotz noch so häufiger Reize nicht neue Kombinationen in
seinen Reaktionen selbständig lernt. Diese finale Betrachtungsweise
kann vielleicht einmal wie jedes andere Geschehen in der uns zugäng¬
lichen Welt, auch das chemische und physikalische Geschehen im
Körper völlig verstehen und rekonstruieren lernen; es wird aber das
Entstehen und Bestehen des Lebens, das Woher der selbständigen
Kräfte trotz alledem ein ewig unlösbares Rätsel bleiben; vor dem
Problem der Form muss die Naturforschung halt machen.
2) August Knoblauch: Das Wesen der Myasthenie und die
Bedeutung der „heilen“ Muskelfasern für die menschliche Pathologie.
(Aus dem städtischen Siechenhause Frankfurt a. M.)
Siehe Referat in No. 29 1908. pag. 1559 dieser Wochenschrift.
3) August Homburger: Zur Lehre von. den Strukturformen
der pathologischen faserigen NeurogÜa.
Für die reparatorische Gliawucherung sind zum Teil rein tek¬
tonisch-physikalische Momente formgebend: mit möglichst geringem
Material soll der Fasern-, Zug-, Druck- und Schubfestigkeit Rechnung
getragen werden; die Proliferation und Anordnung der neugebildeten
Glia erfolgt hier rein nach statischen Gesetzen. Andererseits aber
fehlt auch häufig diese tektonisch analysierbare Faseranordnung, sie
weicht einem massigen Gewirr von Fasern, die nach statischen Ge¬
setzen nicht analysierbar sind. In solchen Fällen scheint die Deckung
des Defektes, um den Spannungsausgleich im Gewebe herbeizuführen,
mit grösster formativer Energie zu geschehen. Dies sind anscheinend
Fälle, in denen der Defekt rasch gedeckt werden soll, in denen die
funktionellen Postulate der Festigkeit und die physikalischen der
Elastizität und Biegsamkeit gegen das Postulat möglichst geringen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1754
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Zeitaufwandes zurückstehen. Letzterem wird durch maximale Pro¬
liferation des Gewebes ohne Rücksicht auf die Tektonik Genüge ge-
leistet.
4) Ernst He dinge r: Miliartuberkulose der Haut bei Tuber¬
kulose der Aorta abdominalis. (Aus dem pathol. Institut Basel.)
Bei einer 46 jährigen Frau traten ungefähr 3 Monate vor dem
Tode, neben Kopfschmerzen, an den Beinen, besonders auf der Rück¬
seite der Oberschenkel und in der Gegend der Nates. 1—3 cm grosse
runde Infiltrationen mit oberflächlicher Geschwürsbildung auf, die
sich bei der mikroskopischen Untersuchung als typische tuberkulöse
Manifestationen erwiesen. Ursache der Erkrankung war, wie sich
bei der Autopsie herausstellte, ein tuberkulöser Herd der Aorta ab¬
dominalis, der von der Adventitia ausging und in die Intima durch¬
brach.
5) S. Isaak: Zur Frage der tuberkulösen Leberzirrhose. (Aus
dem pathol. Institut Basel.)
Während bei der atrophischen Zirrhose ätiologische Beziehungen
zur Tuberkulose durch Sektionsergebnisse und experimentelle Unter¬
suchungen seit langer Zeit wahrscheinlich geworden sind, sind die
Beziehungen der hypertrophischen Zirrhose zur Tuberkulose weniger
bekannt. In dem von Isaak mitgeteilten Falle bestand dieser Zu¬
sammenhang. Die stark vergrösserte Leber bot bei der mikro¬
skopischen Beobachtung neben ausgedehnten Lympho/vtenintil-
trationen zirrhotische Partien mit allen Uebcrgängen von frisch ent¬
zündeten zu indurierenden Bindegewebsbildungen. In den entzünd¬
lichen Partien waren zahlreiche Lymphozytenknötchen und typische
Tuberkel bemerkbar. Die Leberveränderung war zweifellos die pri¬
märe Manifestation der Tuberkulose, von der aus erst die anderen
Organe infiziert wurden; die Infektion der Leber mit Tuberkulose er¬
folgte wahrscheinlich auf hämatogenem Wege.
6) Gotthold Herxheimer: lieber hyaline Glomerutl der Neu¬
geborenen und der Säuglinge.* (Aus der Prosektur des städt. Kranken¬
hauses Wiesbaden.)
Bei Neugeborenen und Säuglingen kommen sehr häufig hvalinc
Bildungen in der Glomeruluskapsel und im Glomerulus selbst vor,
die von der Kapsel ausgehen und den Glomerulus zur völligen Ver¬
ödung hingen können. Die Ursache der Hvalinbildung liegt an¬
scheinend nicht in fötalen entzündlichen Prozessen, sondern rs liegen
wahrscheinlich entwdcklungsgcschichtliche Anomalien der Glorneruli
und ihrer Kapseln vor, indem die Korrelation zwischen Epithel und
Bindegewebe hier gestört ist, das Bindegewebe zum Ueberwiegcn
kommt. Das häufige Auftreten dieser ..Fehlbildungen“ bildet einen
Beweis dafür, dass Fehlbildungen in Organen äusserst zahlreich sind,
und die Geschwulsttheorien, die auf Fehlbildungen im Orennaufbau
zurückgreifen, gerade in diesem häufigen Auftreten derselben eine
Stütze haben.
7) S. Schönberg: Ueber Veränderungen Im Shnisneblete des
Herzens bei chronischer Arrhythmie. (Aus dem pathologischen In¬
stitut Basel.)
Zwischen der Muskulatur des rechten Hcrzvorhofes und der
oberen Hohlvene besteht meist eine deutliche Grenze in Form eines
aus Fett und Bindegewebe bestehenden, an (iefässen und nervösen
Elementen reichen Sulkus. der vom rechten Herzohr schräg nach
hinten unten gegen das Vorhofsseptum zieht. Dieser Sulkus wird in
seinem hinteren seitlichen Drittel iiberbriiekt von einem Muskelbündel,
das vom Vorhof nach hinten oben auf die Vena cava sunerior steigt
und hier zum Teil von Fasern verstärkt wird, die von den zirkulär
verlaufenden Muskelfasern des untersten Teiles der Vene herkonmien.
Ein Ausstrahlcn der Vorhofsmuskulatur auf die Vena cava sunerior in
der Ausdehnung. w r ie dies W. Koch angenommen hat. findet iedocli
nicht statt. Im Bereich des Muskelbündels finden sich Elemente, die
an die P u r k i n j c sehen Fasern erinnern. In den untersuchten Fällen
von Arrhythmie fanden sich in dem Gebiete zwischen Vena cava
sunerior und Vorhof ausgedehntere entzündliche lymnhozvtäre In¬
filtrationen. in einem Falle von besonders schwerer, langdauernder
Arrhythmie, daneben deutliche Vermehrung und hvalinsklerotisehc
Umwandlung des intermuskulären und nerincuralen Bindegewebes
bei grosser Armut an Ganglienzellen und Nerven. Die Befunde von
Sch. sprechen dafür, dass die Urspnmgsreize des menschlichen Her¬
zens im Sinnsgebiete beginnen, da Störungen dieses Gebietes Irregu¬
larität des Herzens hervorrufen.
8) C. E. Brandts: Ueber ein hämorrhagisches Lvmnhangiom
der Hundemilz. (Aus der Prosektur des städtischen Krankenhauses
München r'Isar.)
Beschreibung eines riesigen von der Milz ausgehenden Tumors,
der aus grossen, mit Lvmphe angefüllten, von Endothel ausgekleideten
Räumen besteht, mit anscheinend ncuecbildetcn Lvmph/ellen-
anhäufungen im die einzelnen Räume trennenden Stroma. Zum
Teil erfolgten ausgedehnte Hämorrhagien in die Geschwulst. Von
Interesse ist, dass der Tumor einem den Bauch treffenden Trauma
folgte, vielleicht sich auf der Basis einer verheilenden Milzruptur
entwickelte.
9) Hans Albrecht: Ueber das Karzlnosarkom des Uterus.
(Aus dem Pr. S c n c k c n b c r g ischen pathol. Institut Frankfurt a. M.)
Beschreibung oben genannter, sehr seltenen Geschwulst in einem
wahrscheinlich infolge der Geschwulstausbildung total invertierten
Uterus. A. nimmt an, dass cs sich primär hierbei um ein polypöses
Sarkom (event. Adenosarkom) gehandelt hat. das bei w eiterem Fort¬
schreiten seine anfangs polvpose Beschaffenheit mehr und mehr verlor
und beim Uebergreifen auf den Uterus sich mit einem schon be¬
stehenden Adenokarzinom des Korpus zu gemeinsamer Wucherung
vermengte. Die Metastasierung w ar liberal! eine rem sarkomabe c.
II. Kritische Rundschau.
Hans Albrecht: Zur Kritik der neuen Lehre von der Erdo-
metritis. (Aus der II. gynäkologischen Klinik München. I
Die Untersuchungen von H i t s c h m a n n und \ d I e r I iMeri
die Basis für die Anschanngen über den normalen Bei der Utxrus-
mnkosa: ihre Schlussfolgerungen betreffs der Endometritis K.lincn
der Erweiterung und auch der Modifikation, ledenfa’ls ist cs künftig
in allen Fallen notig, bei Beurteilung der Mukos.du’ ler den „enaiicn
Menstruationsterinin zu berücksichtigen, da. wie obige Autorin nach¬
gewiesen haben, die Uterusmukosa normalerweise z\k!isGi die
grössten Verschiedenheiten aufw eisen kann. Die Diagnose auf Ent¬
zündung darf mir bei dem Vo r han Jensmn der fnr Envundimg charak¬
teristischen Stroniaveründerungen gestillt werden; der Nachweis der
Plasmazellen erleichtert und svhert die Ihnen..se der Entzündung.
Die Priisenverunderungcn allein lassen keinen Schluss auf Entzün¬
dung zu: es ist Aufgabe weiterer Untersuchungen, ob f'nt’undimcin
den zyklischen Ablauf der Uterusmukosa.mdca mieen beciminssen oder
ob Abweichungen von der Norm dieses z\Mischen Ablaufes immer
Zeichen von Entzündungen sind. () h c r n d n r f e r - München.
Arbeiten aus dem Kaiscrl. Gesundheitsamte. 28. Band,
3. Heft. 1908.
1) U h I e n h ti t h, \V c i d a n / uni W e d cmann - Berlin: Tech¬
nik und Methodik des biologischen Verfahrens zum Nachweis von
Pierdefleisch.
Die Autoren beschreiben in ausführlicher Meise in zwei Kaniteln
die Gewinnung des Antiscrums und die Ausführung der ReaMmn.
die sie unter allen möglichen VerMKhsKdm/ungeii und in den ver¬
schiedensten Pterdefluschgemischen mit Erfolg ausgefuhrt haben.
2 ) O. \V e i d a n / und K. Hnr c h m a n n - Berlin: Vergleichende
Untersuchungen über die praktische Verwertbarkeit der Präzipitin¬
reaktion und der Komplementbindungsmethode zum Nachweis von
Pferdefleisch.
Pie Verfasser erkennen die bekannte ausserordentlich grosse
Empfindlichkeit der N e i s s e r - S a c h s sjien Komplementbmdungs-
methoile an: für praktische Zwecke geben sie jedoch der Prä/imtm-
mettiode den Vorzug. Sie meinen, die Ko”m!emonthindunesm r t'-,ule
führe überhaupt nicht zum Ziel, w enn die DntcrsuGnmesil-issickcit b'-
reits ohne Antiscruin/usatz ablenkend wirkt oder wenn das ver¬
wendete Antiserum bereits für sich n’h-in in der fnr die Reaktion
notwendigen Menge ablenkt. Pie Technik du srr Methode sei so
schwierig und derartig umständlich, dass ihre f i"! ''tiii'^ in die Praxis
nicht empfohlen werden kann. Ausserdem sei sie Zeitraubend im 1
auch kostspieliger. Mit der I'räzipitinmethode komme man allein aus.
3) Hüne-Merlin: Die Anwendung de« hioloiOschcn Verfahrens
zum Eiweissnachweis in Fettgewebe und ausgelassenem Fett
(Schmalz).
Die Reaktion gelang in FVtfgew eben verschiedener Art ganz
leicht. Am besten zieht man mit Ik n'in oder Aetb.er das F'ett aus
und benutzt alsdann zur Weiteren \ erarbeitung eis A'-snigsmittel sehr
wenig destilliertes Wasser. Fs gem'/en zur Ausführung des Ver¬
fahrens Pro Rohrcluu 0.5 cem Aiis/ugsihissi/keit.
•1) X y lau der und W o i t h e - Berlin: leber eine neue Vor¬
richtung zur Gewinnung keimfreier Sera In größeren Mengen.
Beschreibung des neuen Apparates. PicsUbe ist durch instruk¬
tive Abbildungen erläutert.
5) FI a e n d e I - Berlin: l r ebcr Komplemcntahlcnkung durch Antl-
vlbrlonen- und Antlervthrozvtensera.
6) H a e n d e I - Berlin : Leber Knmplcmenthlndung durch hämo¬
lytische Ambozeptoren bei 0°.
Vcrf. konnte naebweisen. dass auch bei <t" bei Anwendung aus¬
reichenden Komplements und Amho/entoren eine \'er:mkerung des
Komnlenients auf die Blutkörperchen um! selbst Hä'mdvsc rintrefen.
Die bisherige Annahme nach Ehrlich und Morgen r o t h dass
bei 0" eine Bindung des liäm«d\ tischen k*.imivcmcnn an mit Ambo,
zenfr beladene Bltifk omerchcn grsefissig .-(iisPY-M m> ss'e a’s.,
modifiziert werden. Weiter wurde erfunden. dass dmf-f h die stark c
Agglutination der mit spezifischem 8«-rnm bci.idcmm B’utkofne’v’mn
die Koruplemcnteinwirkung mcch misch ganz crheb’ich gemindert
ward.
7) R. L a u t e r h o r n - Main/ ■ Rerleht über die Er"i*bnls«e der
4. biologischen Unt**r«ueh"n«» des Rheins auf der Strecke Basel—Mainz
(vom 14. bis 25. Mär/ |Qft7).
Die Zeitverhaltnisse waren bei ch.-ser B.-mhrung des PN-ins
nicht so günstig wie d*s le f zfu M-d. da dö- !'•’♦. ■reidnm", n dergj* das
rnPule Ansteigeij des Stoen«; v ; ; %'d <'.■*- b■övrt brn-mt' . v bi;i--t w ur-
den. \’erf. konmit jib.e r hannt dem ^ '''"SS weder der an-
gesehwollene Stro»n der w ;>si. r ir r,, e vir f.. m, r . T <i, r wirk,
liehen normalen Verhältnisse ,-r.., t <, ( .j H e-f - |»:..«^en r-r-
tnale W'asserx erhä'tuisse gev .. ! 't v 'en. P-n f r ;t dem
Wechsel der Temperatur sei \ iel w enicer von Be.R n:org.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1755
8) M. Marson -Berlin: Bericht über die Ergebnisse der 4. bio¬
logischen Untersuchung des Rheins auf der Strecke Mainz bis unter¬
halb Koblenz (vom 18. bis zum 25. März 1907).
Auch hier wurden wegen des starken Zulaufs von Regen und
Schneeschmelzwässern die Verhältnisse ganz anders angetroffen als
bei der letzten Fahrt im Herbst. Die eigentlichen Planktonformen
fehlten zum grossen Teil.
9) F. N e u f e 1 d und Händel- Berlin: Beiträge zur Kenntnis
der Wirkung verschiedener blutlösender Gifte, insbesondere des tauro-
cholsauren Natriums und der Seife.
Es wurde erstens studiert die zellösende Wirkung des taurochol-
sauren Natriums, der Seife und der Kalilauge im Vergleich mit anderen
Blutgiften, alsdann die Wirkung der genannten hämolytischen Stoffe
auf Lipoide und Eiweissstoffe. Ferner berichten die Autoren über die
Hemmung der Hämolvse durch einen Ueberschuss von taurochol-
saurem Natron, über Komplementbildung durch taurocholsaures Na¬
trium und über die Auflösung von Pneumokokken durch die gallen¬
sauren Salze. In einem Anhang wird der Nachweis über die Phago¬
zytose von emulgierten Fetttröpfchen und ihre Beeinflussung durch
spezifische Antisera geführt.
10) W. W e d e m a n n - Berlin: Toxikologische Versuche mit
Atoxyl an zahmen Ratten.
Ratten erhalten verschieden grosse Mengen Atoxvl subkutan in¬
jiziert und es werden die einzelnen Organe nach dem Tode des Tieres
resD. nach dem Töten des Tieres auf Arsen untersucht. Es konnte
in der Leber, der Niere und dem Blut Arsen nachgewiesen werden,
während das Gehirn und die Milz nur ausnahmsweise und nach sehr
grossen Dosen Spuren von Arsen enthielten. Der Urin ist schon
nach kurzer Zeit von 6 Stunden, der Kot nach 12 Stunden arsenhaltig,
die Ausscheidung dauert 5—8 Tage.
11) Uhlenhut h. Weidanz und A n g e 1 o f f - Berlin: Ueber
den biologischen Nachweis der Herkunft von Blut in blutsaugenden
Insekten.
Die Präzipitationsmethode des Blutnachweises wurde geführt am
Blut von Blutegeln, Wanzen, Flöhen, Läusen und Mücken und gelang
in jedem einzelnen Falle. R. 0. Neumann -Heidelberg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 31 1908.
1) V. Schmieden -Berlin: Der plastische Ersatz von trau¬
matischen Defekten der Ohrmuschel.
Im 1. der 2 mitgeteilten Fälle wurde aus der Haut des rechten
Oberarmes transplantiert, im 2. wurde — in 5 Operationen — ein
Kn jrpelstück aus dem rechten Rippenbogen entnommen, in die Brust¬
haut implantiert und später von hier aus transolantiert. Der kos¬
metische Effekt ist an den Abbildungen des Originals zu ersehen.
2) K. R e i c h e r - Berlin: Beziehungen zwischen Adrenalsystem
und Niere.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschrift über die Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft vom 29. Juli 1908.
3) M. B e r n h a r d t - Berlin: Weitere Mitteilungen über: „Die
Betriebsunfälle der Telephonistinnen“.
Schluss folgt.
4) H. Strauss -Berlin: Ueber Proctitls sphlncterlca.
Die systematisch angewendete Prokto-SigmoskoDie zeigt nicht
selten Schleimhautveränderungen (Hyperämie bis Exkoriationen und
Ulzerationen) des Sohinkterenkanales. wobei eine Reihe subjektiver
Störungen, ferner Proktospasmus, Schmerzen. Blutungen auftreten.
Der sogen, „nervöse“ Proktospasmus beruht häufig auf solchen Zu¬
ständen. Behandlung mittelst zellulosearmer Kost, lokaler Anwen¬
dung von Arg. nitr. (2—5 Proz.), Ichthyol mittelst eigens konstruierter
Spritze.
5) G. Arndt und A. Laqueur -Berlin: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Fulguration an lebenswichtigen Organen.
Die Verf. experimentierten an Kaninchen und Hunden. Sofern
die Haut vor den Funken geschützt wird, ist zur Fulguration tiefe
Narkose nicht erforderlich. Fulguration am Gehirn' und der Dura
mater liess sich längere Zeit ohne unmittelbar schädliche Folgen aus¬
führen. Das Herz reagiert auf das direkte Auftreffen von Funken
mit Arrhythmie und Blutdrucksenkung. C02-Kiihlung ist im Innern
des Thorax bei der Fulguration zu unterlassen, da dadurch Atmungs¬
veränderung eintritt. Fulguration des Verdauungstraktus und der
Harnblase bewirkt starke Kontraktionen. An der Fulgurationswirkung
ist nicht nur die Funkenentladung, sondern auch der Hochfrequenz¬
strom als solcher hervorragend beteiligt.
6) C. P o s n e r: Die Verwendbarkeit der Dunkelfeldbeleuchtung
in der klinischen Mikroskopie.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft am 8. Juli 1908.
7) A. D i e t r i c h - Charlottenburg: Die Bedeutung der Dunkel¬
feldbeleuchtung für Blutuntersuchungen.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berlin, medizinischen Gesellschaft vom 15. Juli 1908.
8) R. Ehrmann und R. Lederer -Berlin: Ueber die Wirkung
der Salzsäure auf die Fermentsekretion des Magens und der Bauch¬
speicheldrüse.
Die Verf. fanden, dass die in therapeutischen Dosen gegebene
C1H keine Vermehrung des Pepsins hervorruft. Auch wurde in
keinem Falle eine Steigerung des Trypsins, in den meisten Fällen
eine Verminderung desselben gefunden. Die Behauptung Pa w 1 o w s,
dass die Säure den spezifischen Erreger des Pankreas darstelle, ist
nicht zutreffend.
9) L. Hess-Wien: Methode zur Bestimmung des „neutralen“
Schwefels im Harn.
Hinsichtlich des Verfahrens ist das Original zu vergleichen.
10) G. Arnheim- Berlin: Ueber den gegenwärtigen Stand der
Keuchhustenfrage.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft vom 24. Juni 1908.
11) M. Krause und Klug-Berlin: Beziehungen zwischen Im¬
munität und Fermentwirkung.
Die Versuche ergaben, dass die antitryptische Kraft bei zu¬
nehmendem Antitoxingehalt (Zunahme der Immunität) fast in dem¬
selben Verhältnisse steigt. Ferner ist zu schliessen, dass die Anti¬
körper tryptische Kraft besitzen, welche durch die antitryptische
Kraft des Serums überragt wird.
12) A. W o 1 f f - E i s n e r - Berlin: Ueber Versuche mit verschie¬
denen Tuberkelbazillenderivaten.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft vom 25. Juni 1908.
Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. No. 32, 1908.
1) W, Ebstein -Götlingcn: Bemerkungen zur Pathogenese der
Urolithiasis.
Verf. begegnet den Einwänden, welche von Moritz u. a. gegen
seine Theorie von der Bildung der Harnsteine erhoben wurden. Auf
Grund seiner Untersuchungen hält er fest an der Auffassung, dass
„sie sämtlich durch Apposition wachsen, welche sich teils durch
konzentrisch-schaligen-radialfasrigen Aufbau vollzieht, teils durch An¬
lagerung kristallinischer wirrer Massen, teils durch Kombination
beider, immer unter Mitbeteiligung organischer (eiweissartiger) Sub¬
stanz. Versiegt die letztere, so hört das Wachstum der Harn¬
steine auf“. Echte Steine, auch kleinste Harnsäure- bezw. Urat-
konkremente hinterlassen nach vorsichtiger Behandlung mit Alkalien
ein Gerüst eiweissartiger Substanz, im Gegensatz zu den erst beim
Erkalten des Urins sich ausscheidenden Kristallen des Harnsäure¬
sedimentes. Die auch in letzterem von Moritz gefundenen „Stro¬
mata“ seien absolut verschieden von seinen im wirklichen Harn¬
sand gefundenen „Eiweissgerüsten“.
2) G. Z u e 1 z e r, Max Dohm und Anton M a r x e r - Berlin:
Neuere Untersuchungen über den experimentellen Diabetes.
Vortrag im Verein für innere Medizin am 15. VI. 08, ref. Münch,
med. Wochenschr. No. 25, Seite 1363.
3) G. G. W i 1 e n k o - Karlsbad: Zur Kenntnis der Glutarsäure-
wlrkung auf den Phloridzindiabetes.
Bei Nachprüfung der Versuche von Baer und Blum unter
besonderen Bedingungen (Hunger, Kohlehydratfütterung) konnten
Verf. bestätigen, dass subkutan einverleibte Glutarsäure beim phlo¬
ridzindiabetischen Hund und noch stärker beim Phloridzinkaninchen
die Zuckerausscheidung herabsetzt; jedoch sei dies nicht auf spe¬
zifische Wirkung der Glutarsäure auf die Zuckerbildung aus Eiweiss¬
stoffen zurückzuführen.
4) J. de H a a n - Weltevreden (Java): Experimentelle Tuber¬
kulose beim Affen mit Vogeltubcrkelbazillen.
Verf. konnte bei einem Affen Fiitterungstuberkulose mit Vogel¬
tuberkelbazillen erzeugen. Bei der Obduktion fand sich disseminierte
Lungentuberkulose mit Verkäsung, verkäste Herde In den Media-
stinal- und Bronchialdrüsen, Milz, Leber, Nieren, Netz, tuberkulöse
Darmgeschwüre; Tonsillen und pharyngeale Lymphdrüsen waren
makroskopisch intakt. Aus den kranken Organen wurden wieder
Vogeltuberkelbazillen gezüchtet.
5) S i e b o 1 d - Berlin: Traumatische Lähmung des Halssym¬
pathikus.
Im direkten Anschluss an Eröffnung und Auskratzung eines kalten
Abszesses bei 6 jährigem Kind (Schnitt am hinteren Sternokleido-
rand, Entfernung von Lymphomen und von kleinen Sequestern der
Halswirbelquerfortsätze) entwickelte sich Myosis, Ptosis und 'Re¬
traktion des gleichseitigen Bulbus; auch vasomotorische Störungen
waren bemerkbar. Der Grenzstrang des Halssympathikus war offen¬
bar durch den scharfen Löffel verletzt worden.
6) Friedr. M i c h e 1 s s o n - Reval: Ein Beitrag zur Frage der
operativen Behandlung der Magenperforationen.
Im Anschluss an 3 Fälle gibt Verf. folgende Regeln: Jede Ab¬
dominalverletzung soll sofort in eine chirurgische Klinik gebracht
und, wenn Perforation wahrscheinlich, sofort operiert werden. Die
Perforationsöffnung ist womöglich zu nähen, die Bauchhöhle zu tam¬
ponieren; bei diffuser Peritonitis ist reichliche Kochsalzspülung am
Platz, in der Nachbehandlung Kochsalzinfusionen.
7) L. F. S c h a 11 e r - Stuttgart: Die Leistungsfähigkeit der Va¬
porisation in der Praxis und Ihre Grenzen.
Bei präklimakterischen Blutungen will S. die Vaporisation —
in der Hand des erfahrenen Spezialisten — gelten lassen, wenn
Abrasio versagt und man sich zur Totalexstirpation nicht entschliessen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1756
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
kann. Bei Myomen ist das Verfahren gefährlich, bei allen jüngeren
Frauen ist grösste Vorsicht angezeigt.
8) W. Ri mp au und W. L o e w e n t h a 1 - Hagenau i. Eis.: Be¬
funde von Darmparaslten Im Körper ausserhalb des Darmes (Hc-
terotopie).
Bei der Schlachtung einer Kuh fanden sieh in einem tuber¬
kulösen Rippentumor 3 Nematoden (ein lebendes Exemplar) und ein
Ophryoscolex. Letzterer ist ein im Wiederkäuermagen regelmässig
vorhandenes ziliates Intusorium. Die Parasiten mussten aut dem
Blutweg, ev. unter Vermittelung von Lymphbahnen, eingewandert
sein; Verf. erinnern an Befunde von Helminthen in den Krebs¬
tumoren von Mäusen.
9) Frank S c h u 11 z - Berlin: Zur Frage der Homogenbestrah¬
lung.
Kritische Bemerkungen zum Aufsatz Dessauers in No. 24
der Münch, med. Wochenschr.
10) H e e r m a n n - Deutz: Ein stets gebrauchsfähiges Taschen¬
besteck.
Die Instrumente werden einzeln in mit desinfizierender Lösung
gefüllten Metallhülsen verwahrt, so dass man nicht immer nach
Gebrauch eines Teiles alle wieder sterilisieren muss.
R. G r a s h e y - München.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 32. A. S t r u b e 11 - Dresden: Zur Semiotik der Herzkrank¬
heiten.
Schluss folgt.
A. K r o k i e wi c z - Krakau: lieber die konjunktivalc Tuber¬
kulinreaktion.
Bei sicherer Tuberkulose der inneren Organe w ar die Reaktion
in 46,1 Proz. positiv in 41,5 Proz. negativ, hei 11,8 Prozent erst
negativ dann positiv, bei 0,9 Proz. erst positiv dann negativ. Für die
Diagnose und Prognose der Lungentuberkulose hat die Reaktion nur
einen relativen Wert, bei primärer Tuberkulose der Gedärme oder
Bauchhöhlenlymphdriisen sowie der Harnorgane ist sie oft ein wich¬
tiger diagnostischer Behelf. Die Reaktion war positiv auch bei
einigen Fällen von Typhus, kruppöser Pneumonie, Septikopyämie
ohne jeden Sektionsbefund für Tuberkulose. Ebenso in einer ganz
erheblichen Zahl bei Fällen von Typhus 42 Proz., Gelenkrheuma¬
tismus 50 Proz., Influenza 3 Proz., ferner verschiedenen Erkrankungen
des Nervensystems usw. Bei Erwachsenen trat die Reaktion nach
10, seltener nach 6 Stunden auf, erreichte den Höhepunkt nach 24
bis 48 Stunden, dauerte 4—6 öfters 10—14 Tage, vereinzelt 3 und
6 Wochen.
L. Hans-Limburg a. L.: Die Bedeutung der Konjunktlval-
genannt Ophthalmoreaktion als Dlagnostlkum des praktischen Arztes.
Verf. empfiehlt die Reaktion dringend als diagnostisches Hilfs¬
mittel ; ihre Beweiskraft ist 9:1 für Tuberkulose an irgend einer
Stelle des Körpers; bei abgekapselter oder ausgeheilter Tuberkulose,
zuweilen auch bei Gesunden findet sich eine Spätreaktion. Tuber¬
kulose im Schlussstadium und Miliartuberkulose sind in der Regel
ohne Reaktion. Kontraindikationen fiir die Probe sind alle stärkeren
bestehenden oder abgeheilten Augenentz.iindnuiigen und alle inneren
Augenleiden. Die Wiederholung der Probe auf demselben Auge ist
zu vermeiden, die Nachprüfung mit Subk utanin iektii m soll zur Ver¬
meidung einer stärker aufflackernden Augenreaktion nicht vor sechs
Wochen nach der positiven oder negativen Konjunktivalprobe statt¬
finden.
E. Zack-Wien: Ucber die diagnostische Verwertbarkeit der
Zusammensetzung des Harnes bei der Lungenentzündung. (Schluss.)
Etwa um den 5. Tag einer kruppösen Pneumonie zeigt der Main
gewisse Veränderungen, welche in ihrer Gesamtheit typisch und mi¬
die Diagnose verwertbar sind. Neck er und Scheuer haben auf
das Auftreten von Albuminurie, Albumosurie, lirobilimiric. Kalk- und
Chlorvcrmindcrung hingewiesen. Verf. hat im einzelnen den Kalk¬
gehalt in 81 Proz. vermindert cvuit. aufgehoben gesehen, den Chlor¬
gehalt auch bei vermehrter Chlorzufuhr in öi) Proz. vermindert ge¬
funden. Bei fiebernden Tuberkuloselallen war dagegen der Kalk¬
gehalt in 61 Proz. vermehrt, nur in 14 Proz. vermindert, der Chlor¬
gehalt in 64 Proz. wenig, nur in 4 Pro/, stark vermindert, du
Magncsiagehalt oft stark verringert. Fast in allen Fällen von kmp-
pöscr Pneumonie bestand Albuminurie, fast konstant der von
F. Müller beschriebene Niiklcoproteidkörper Ibis Auftreten von
Dcuteroalbumosen hat nichts spezifisches an sich, dagegen finden sich I
meistens primäre Albumosen (Kochsalzkörper) etwa vom 5. Tage an
bis zur Krise. Sehr oft stellen sich am 3. —4. Tage massenhaft eigen¬
tümliche kurze, graubraune, grobkörnige, höckerige, .. inkrustierte "
Zylinder ein, die jedenfalls am häufigsten bei Pneumonie, bisweilen
iedoeh auch bei Diabetes, Karzinom, Peritonitis. Gelenkrheumatismus,
Sepsis zu finden sind.
P. C 1 a i r m o n t - Wien : Chirurgische Eindrücke aus Nord¬
amerika. (Schluss.)
Zur kurzen Wiedergabe nicht geeignet.
Be r g e a t - M midien.
Italienische Literatur.
R o in a n e 11 i: Der Einfluss einer vorhergegangenen Dlplo-
kokkus-Fränkel-lnfektion auf den Verlauf einer experimentellen
Tuberkulose. (Annah de 1P istituto Maraghano, \'o|. 2. Fase. IV.)
R, suchte im M a r a g 1 i a ti o scheu Institut für Infektionskrank¬
heiten experimentell die Frage zu losen, inwieweit eine Drpiokokkus-
infektion in ihren Folgen die Tuberkuloseentwicklung begünstigt resp.
wie weit der Tierkurper nach einer uberstandenen Drpiokokkcii-
infektion einen geeigneten Boden zur Haftung und Entwicklung der
Tuberkelhazillcpinfektion bietet.
Zu diesem Zweck wurden Meerschweinchen mit hochvirulenten
Diplokokken intrapleural wie intraabdommal infiziert, aber in eitler
Dosis, welche das l.'eberleben der 1 lere gestattete. Nachdem die
Iniektion überwunden war und die Tiere ihre frühere Munterkeit
und ihr früheres Körpergewicht wieder erlangt hatten, wurden sie
intrapleural und intraperitoiieal mit Tubcikelba/nien infiziert.
Die Versuche ergaben, dass bei allen vorher infizierten Tieren
der Verlauf der Tuberkulose ein schnellerer und mtetisixerer war ais
bei den nicht infiziert gewesenen Kontrollieren. Demnach schien eine
vorhergegangene Diplokokkeninfektion nicht nur genügend die Re¬
sistenz derjenigen Organe, in wekhett sie siJi entwickelt hatte, zu
vermindern, sondern auch die Resistenz derjenigen Organe herab¬
zusetzen, w elche primär von der I hplokokkenmfektion night betroffen
waren: z. B. wenn die Tiere intraperitoneal mit Diplokokkus in¬
fiziert gewesen waren, so entwickelte sich eine intrapleural gesetzte
Tuherkelhazillusmiektioii schneller und mit Mel reichlicherer Lokali¬
sation auf der Pleura als bei den Kontrollieren. Ihe erhöhte Virulenz
des Koch sehen Bazillus ist in diesen lallen, wie man sieht, a.s<*
nicht als eine eigentliche Misclunfektionsw irkimg aufzufassen. Sondern
die Diplokokknserkrankung hat d'e Blut- und Mittemasse der Tiere
als ein geeigneteres Nahr>ubstrat und Maitungssubstrat iur die Tu¬
be rkc Iba/illusintektion her gestellt.
V i c o 1 e 11 i: Experimentaluntersiichungen über die Wirkung der
W'egnahme der Tunica muscularis des Dünndarms bei Hunden, ul
policlinico, Mai l'>08.)
Der Autor kommt auf Grund seiner im Laboratorium iur spezielle
chirurgische Pathologie gemachten Untersuchungen zu folgenden
Schlussätzen:
Man kann die Wand des Dünndarms von aussen nach innen
verdünnen, auch in grosserer Ausdehnung, vorausgesetzt, dass n.an in
der Tiefe nicht die Muskularis der Mukosa verletzt und dass man die
Mesenteriahnsertion intakt lasst, ohne eine Perforation des Darmes
in der verletzten Region befurchten zu müssen.
Die Heilung des experimentell gemachten Substanzverlustes
kommt durch den gew öhnlichen W iindheiiungspro/ess zustande, in¬
dem sieh die geschädigten Stellen durch Granulationen ausfu.kn in
einer Zeit, welche zwischen 8 und lo lagen schwankt.
Desgleichen gibt eine so gesetzte \ er letz ring der Darmwand
keine Gelegenheit zur Auswanderung von Keimen aus dem Darm¬
lumen nach der Peritonealhöhle lim: vorausgesetzt immer, dass die
Integrität des mukösen Stratums eine vollständige ist.
Diese Schlussfolgerungen beziehen siJi aber nur auf die I x-
perimentaltiere: wie weit sie in der menschikfien Pathologie \n-
wendung finden, können uns mehr noch wie ein voreiliges R.u-
sonnement vielleicht die zufälligen Verletzungen des Darmes bei (>pc-
rationen beweisen, wie z. B. der Fall, weither die vorliegenden
Experimente veranlasste.
C a m i n i t i: Untersuchungen und Experimente über Muskel-
Überpflanzungen. <il pojjclimso, April F>os )
Wählend die Sehiienubcrptlan/ung siJi der allgemeinen Aner¬
kennung und Anwendung m der Chirurgie erfüllt, ist die Muskel-
iiberptlun/ung im ganzen noch une stio.tuc Enge. Erwähnung ver¬
dienen einige Beitrage von Glu c k. S a I v i a und R v d i g v e r und
eine l ss 2 mit t iiiitk am Menschen ausgi führte Muskel über piUn/nn-g
von Helfe rieh (Aich. i. klm. Ciur.. Hd. 2M.
Die Muskoluberptlaiizimg findet viel seltener eine Indikation als
die Sehnenuberpflanzung und zwar 1. in F.okn von fnsJuni, trau¬
matischem und dauerndem Verlust eines Muskels oder bei kur/ett
Muskeln dort wo eine genügende Seime fehlt.
2. Dort, wo zwar eine >ehnc vorhanden ist. aber eine NaJibar-
sehne fehlt, wo man dieselbe empfian/eti kann.
Bezüglich der Technik ist ausser alle; minutiösester Wptik
wichtig die möglichste Schonung der Nerven und Gelasse eles Mus¬
kels. ferner der Muskels^beide und Ap'#|eui"se.
Die Mucke der Muskeln sind mogbJjst fr isJt und schnell /u
iibei pflanzen mul mau hat für eine Yet grosse nin.g der Koutaktr .u !u ri
zu sorgen, indem man Selo ägsjmitte oder ‘1 re ppeiis Jimtte na.fit.
ztigleieh skrupulös blutstilleiuj vorgeht und die angeschnittenen Miukr
möglichst schont.
C. hf l ielite t über Jn in der chb io gischen Klinik Neapels unte-r-
nonmieiie F xpci imciitalv ersiu he an Hunde n. v\ cl Jar die Musku'atur
der Extremitäten und eles Schvv au/es betraten: in erster Linie den
Biceps brachii.
Von diesen 2't Versuchen war in 11 l'a'kn ein positives Re¬
sultat tpioad funktioiiem zu ve-ve icloum Dabei wird Se ''•stvef-
stäiuiHch eier tra umaUv.be \ erlust des MuC e s immer stiuJi Buide-
gewebe ausgeglichen und ebenso die rn M ,;ske ! ge se t/te n W unde n.
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1757
Marina: Gibt es abgelaufene oder rudimentäre Formen der
muskulären Dystrophie (Typus Erb), welche eine Heilung dieses
Prozesses darstellen können? (il policlinico, April 1908.)
Im Jahre, 1891 stellte Erb die von ihm sogenannte Dystrophia
muscularis progressiva als Krankheitstypus auf. Unter dieser Be¬
zeichnung vereinigte er eine infantile und juvenile Form und eine
hereditäre. Es handelt sich bei all diesen Formen um Muskel¬
atrophien einerseits und Pseudohypertrophien andererseits, vorzugs¬
weise in der Muskulatur des Schulterblattes, des Oberarmes, auch
der unteren Extremitäten, oft auch mit Beteiligung des Gesichtes,
namentlich bei der infantilen Form.
M. hat zwei Fälle beobachtet, welche ohne Frage zu dieser
Krankheitsform gehörten und doch keinen progredienten Verlauf
zeigten, sondern zur Heilung kamen, so dass nur Spuren der Krank¬
heit zurückblieben. Er führt auch einige Fälle aus der Literatur an
und wirft in Rücksicht auf derartige rudimentär gebliebene und in
Heilung übergegangene Fälle die Frage auf, ob die Dystrophia mus¬
cularis Erb die Bezeichnung progressiva immer verdiene, oder ob sie
nicht zu den wenn auch selten so doch heilbaren Krankheiten zu
rechnen sei.
Angelo: Morbus Raynaud und Morbus Basedow vergesell¬
schaftet. (il policlinico, Mai 1908.)
Bei hereditär neuropathischer Anlage kann man es nicht selten
erleben, dass zu einem symptomatisch gut definierten Krankheits¬
bilde ein anderes hinzutritt: so zur Tabes die paralytische Demenz,
zur Hysterie die Neurasthenie oder die Epilepsie. Dies veranlasst
A. einen Fall aus der Nervenklinik Roms mitzuteilen, bei welchem
zu einer wohlcharakterisierten Raynaud sehen Krankheit, welche
seit dem 6. Lebensjahre sich allmählich immer weiter entwickelt hatte,
im 12. Lebensjahre sich ein Morbus Basedow hinzugesellte mit
seiner vollständig entwickelten Symptomentrias.
In der Literatur will A. nur einen ähnlichen Fall von Thomp¬
son (Medical Record, Vol. 62 und 15, pag. 575, 1902) gefunden
haben, während andererseits Vergesellschaftung von Morbus Base¬
dow mit Sklerodermie sowie von Sklerodermie mit Hemiatrophie des
Gesichts und Sklerodermie mit Morbus Raynaud als häufiger er¬
wähnte klinische Befunde bekannt sind.
Panegrossi bringt aus der Nervenklinik Roms einen Beitrag
zum Studium der Tumoren des Corpus callosum. (il policlinico, Mai
1908 .)
P. erörtert die Kasuistik dieser Tumoren (bis jetzt ca. 60 Fälle
in der Literatur) und ihr proteusartiges Symptomenbild. Konstant
erscheint an diesem letzteren nur das frühe Eintreten geistiger Stö¬
rungen mit Störungen der Sprache, welche nicht der gewöhnlichen
Aphasie entsprechen, die Anwesenheit motorischer Störungen ver¬
schiedener Art mit wechselnder Topographie aber für gewöhnlich
bilateral und asymmetrisch: das Fehlen der sonst allgemeinen Sym¬
ptome von Gehirntumoren, wie Neuritis optica, Kopfschmerz, Vomir
tus, ferner das Fehlen von Störungen seitens der Kopfnerven. Im
vorliegenden Falle handelte es sich um ein hämorrhagisches Glio-
sarkom, weiches das ganze Korpus durchsetzte, sich nach dem linken
Lobus frontalis hin ausgedehnt und wiederholt Blutungen gemacht
hatte. Der Krankheitsverlauf war ein sehr stürmischer gewesen
und hatte nur vom 12. Februar bis 19. März gedauert.
Eine Differentialdiagnose wird in Fällen von Tumoren des Kor¬
pus callosum immer grosse Schwierigkeiten machen und dieselben
können kaum je mit Sicherheit diagnostiziert werden.
t Ricci: Ueber vorübergehende Glykosurlen durch psychisches
Trauma, (il Policlinico 1908, April.)
Der Einfluss von Verletzungen und dem mit solchen verbun¬
denen Nervenschock auf die Entstehung von Glykosurien vorüber¬
gehender Art und dauernden Diabetes ist bekannt. Dass psychischer
Schock eine gleiche Wirkung haben kann, stellte R. an einer Reihe
von Patienten der chirurgischen Klinik in Rom fest, welche er vor¬
her genau in bezug auf ihre Toleranz gegen Glykose untersucht
hatte. Diesen Patienten wurde die Zeit und Stunde ihrer Operation
am Tage vorher, wie gebräuchlich, angezeigt; in dieser Anzeige
sieht R. ein gewisses psychisches Trauma. Bei 6 von 15 solcher
Patienten hat er nach seiner Tabelle eine vorübergehende, von
Nahrungseinfuhr unabhängige Glykosurie beobachten können.
Sbisa: Anämien und Schwangerschaft, (il Morgagni, April
1908.)
S. erörtert gelegentlich dreier von ihm mit Unterbrechung der
Schwangerschaft behandelter Fälle das obige Thema.
Bei Anämien, welche mit Schwangerschaft kompliziert sind, hat
man zu berücksichtigen:
1. die spezifische Form der Anämie,
2. bei nicht spezifischen Anämien den Verlauf der Anämie und
den Blutbefund mit dem Ablauf der Gravidität.
1. Einige Formen von Anämie indizieren absolut die Unter¬
brechung der Gravidität, so essentielle perniziöse Anämie, akute und
chronische Leukämie, Pseudoleukämie, primäre Splenomegalie
(Bant i).
2. Die übrigen Formen von Anämie, so Chlorosen, sekundäre
Anämien toxischer, infektiöser, konstitutioneller, parasitärer Natur
und hämorrhagische Diathesen bilden nur eine relative Indikation
zur Einleitung der Frühgeburt resp. des Aborts.
Secchi: Persistenz des Ductus Botalli und Pulsus paradoxus
Kussmaul, (il Morgagni, März, April 1908.)
S. beschreibt in einer ausführlichen Abhandlung einen Fall von
Wegsamkeit des Ductus Botalli mit allen für dieses kongenitale Leiden
charakteristischen Symptomen. Ausserdem zeigte die Kranke wieder¬
holt in sehr charakteristischer Weise das Fehlen des Radialpulses
bei tieferer Inspiration: links ausgesprochener als rechts.
Dies letztere Symptom, der sog. Pulsus paradoxus von Grie¬
singer und V i e r o r d t zuerst 1856, später ausführlich 1873 von
K u s s m a u 1 beschrieben, wurde als ein Produkt entzündlicher Er¬
scheinungen im Mediastinum, welche zu Adhäsionen der Aorta an
die Thoraxwand geführt hatten, angesehen. Kussmaul hielt es
für pathognomonisch, für eine Mediastino-Pericarditis callosa. Fran¬
cois Frank (Gazette hebdomadaire de Med. et Chir. 1879) führte
später in einer ausführlichen Arbeit aus, dass dieser Pulsus para¬
doxus bei verschiedenen Affektionen auftreten könne, so bei volumi¬
nösen intrathoracischen Aneurysmen, bei Persistenz des Ductus Bo¬
talli, kurz in all den Fällen, in welchen ein Hindernis für den Luft¬
eintritt in die Lungen existiert, so beim Krupp und der Larynx-
stenose. Andere Autoren fügten noch andere Affektionen, so Tu¬
moren des Mediastinums, verschiedene Krankheiten der Lungen, der
Pleuren, des Herzens, der knöchernen Thoraxwand hinzu, bei wel¬
chen das Phänomen beobachtet werden könne und zuletzt verlor es
viel von seiner klinischen Bedeutung, seitdem manche es auch in
ausgesprochener Weise bei offenbar gesunden Personen beobachtet
haben wollen.
S. betont, dass er bei normalen Personen das Verschwinden
des Pulses bei tiefer Inspiration nie habe konstatieren können, dass
allerdings während tiefer und verlängerter Inspiration in der
sphygmographischen Kurve eine kleine Abschwächung des Pulses
ersichtlich ist, welcher eine Verstärkung folgt.
Bei seinen Kranken sei das inspiratorische Verschwinden des
Pulses auch nicht konstant gewesen. Es äusserte sich fast immer
in den Morgenstunden, vor der Mittagsmahlzeit, auch in den Abend¬
stunden, wenn die Kranke ausruhte. Nach psychischer Erregung,
nach schneller Bewegung, bei vollem Magen, gelang es selten, das
Phänomen zu konstatieren.
Als die Kranke einen Monat nach ihrem Hospitalaufenthalt sich
wieder meldete und 9 km zu Fuss zurückgelegt hatte, gelang es
durch keinerlei Vornahmen, den Puls zum Verschwinden zu bringen.
Bemerkenswert erscheint noch, dass beim Stehen das Symptom ein¬
trat und oft gelang es, dasselbe hervorzubringen, wenn die Kranke
aus der aufrechten Position in die Horizontale überging. Alle diese
Umstände möchte S. auf das gleiche kausale Moment zurückführen,
i. e. auf die mehr oder weniger gehinderte Ausdehnungsfähigkeit der
Lunge, sei es durch das gehinderte Herabtreten des Zwerchfells, sei
es durch Zirkulationsveränderungen in der Lunge oder auch durch
bestimmte Einflüsse des Nervensystems. Dass das Symptom an der
linken Radialis deutlicher als an der rechten sich erwies, erklärt S.
dadurch, dass der Botalli sehe Kanal von der Aorta abgeht gegen¬
über der Austrittsstelle der Subclavia sinistra.
S. schliesst mit der Bemerkung, dass in seinem vorliegenden
Falle jedenfalls der paradoxe Puls für die Persistenz des Ductus
Botalli pathognomonisch sei, da jede andere Ursache fehle und dass
ein solches Verhalten sich öfter als pathognomonisch in gleichen
Fällen herausstellen werde, wenn eingehendere Untersuchungen das
Symptom hervorzubringen suchten.
Ceraulo und Leone: Ueber rechtsseitigen Galopprhythmus
des Pulses bei Afiektlonen der Verdauungswege, (il Morgagni, Mai
1908.)
Unter rechtsseitigem Galopprhythmus verstehen die Autoren
einen Galopprhythmus des Herzens, welcher von dem rechten Ven¬
trikel ausgeht. Derselbe ist verbunden mit Erscheinungen von Aus¬
dehnung hauptsächlich der rechten Kammer und des rechten Vorhofs.
Der Galopprhythmus, eine Art Dreiton, bei welchem zwischen systo¬
lischem und diastolischem Ton ein Geräusch eingeschaltet ist, wird
hauptsächlich über dem rechten Ventrikel und Vorhof gehört, der
Spitzenstoss zeigt sich nach rechts verschoben.
Dieser Galopprhythmus soll im Gegensatz zum linksseitigen, mit
Vergrösserung des linken Ventrikels verbundenen, vorzugsweise bei
Affektionen der Verdauungsorgane Vorkommen, mit Ueberspannung
im kleinen Kreislauf verbunden sein, während für den linksseitigen
Erkrankung der Nieren und Ueberdruck im grossen Kreislauf be¬
stimmend sein soll. Die Autoren fanden rechtsseitigen Galopprhyth¬
mus in 3 Fällen von Leberaffektionen mit Gallensteinen in Kolikan¬
fällen, in einem Falle von schwerer Dyspepsie bei gastrointestinaler
Atonie, in einem Falle von Malaria und bei einer schweren Ankylo-
stomaanämie. Sie erwähnen ferner, dass nicht alle Autoren eine
scharfe Trennung beider Galopprhythmen für möglich halten.
B i n d i (chirurg. Chefarzt des Hospitals in Poppi): Ueber das
Verhalten des elastischen Gewebes der Arterien Im Verhältnis zu den
verschiedenen Altersstufen (durch 9 mikroskopische Tafeln erläutert),
(il Morgagni, April 1908.)
Die Altersstufen sind: 6monatlicher Fötus, 2jähriges Kind,
32 jähriger, 50 jähriger, 70, 75 und 80 jähriger Mann.
In den jüngsten Gefässen findet man das elastische Gewebe
verhältnismässig am reichsten und besten entwickelt. Die innere
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1758
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
Grenzhaut, d. h. die subendotheliale Zone hat für pathologische Pro¬
zesse der Adern die grösste Wichtigkeit. Sie zeigt sich namentlich
im jugendlichen Zustand fein und reichlich gefältelt mit chromatischen
Häufchen, mehr weniger regelmässig wechselnd, so dass eine rich¬
tige Andeutung von hell und dunkel entsteht. Diese Membran ist für
gewöhnlich einheitlich von gleichmüssigcr Dicke in ihrem ganzen Ver¬
lauf, selten erscheint sic in zwei Schichten geteilt.
Die feinen Fältelungen, welche die elastische innere ürenzhaut
bei jungen Qefässen zeigt, ist nach B. nicht etwa für eine kadaverose
Erscheinung zu halten, sondern für eine physiologische Einrichtung,
welche dieser Membran eine grössere Ausdehnung, ein beträchtliches
dynamisches Anpassungsvermögen gestattet; ebenso wie die in älte¬
ren Gefässen zu beobachtende lineare Anordnung ein vermindertes
oder verschwundenes funktionelles Anpassungsvermögen bedeutet.
Die elastische innere Grenzhaut scheint bei pathologischen Pro¬
zessen der Arterien eine gewisse Aufgabe der Abgrenzung und Iso¬
lierung, gleichsam eine Einkapselung des Krankheitsprozesses selbst,
zu erfüllen.
Die elastische äussere Grenzhaut verändert sich dagegen wenig
auch bei senilen Gefässen. Auch Krankheitsprozesse entwickeln sich
auf Kosten der subendothelialen elastischen Zone unter den Erschei¬
nungen von prolifcrierender Endoarteriitis, als deren dcgeneratives
Endstadium das Atherom anzusehen ist.
Demnach würden w'ir als wahre und primäre Läsionen der
Arterien die Endoarteriitis und die Sklerose anzusehen haben, w elche
getrennt und vergesellschaftet Vorkommen können.
Mit diesen wahren primären Läsionen der Arterien haben die
auf toxische und experimentelle Einflüsse, wie Tabak. Adrenalin etc.
zu beziehenden Läsionen der Arterien nichts zu tun; sie betreifen
vorzugsweise die Tunica media und haben wahrscheinlich keine Be¬
rührungspunkte oder Analogieerscheinungen mit den genannten pri¬
mären pathologischen Formen der Arterienveränderungen.
Sereni: Ueber die Wirkung des Radiums auf den Vakzinestoff.
(il policlinico, April 1908.)
S. gelang es angeblich, im Laboratorium der Klinik Roms
Pockenlymphe durch längere Radiumbestrahlung von der Wirkung
aller unliebsamen Mikroorganismen, namentlich derjenigen, welche
eine erhebliche Wundreaktion hervorzurufen geeignet sind, zu be¬
freien, ohne dass die spezifische Wirkung des Pockenkontagiums
durch diese Behandlung ungünstig beeinflusst wurde. Er beschreibt
seine an 22 Kindern in der munizipalen Impfanstalt durch Kontroll-
impfungen auf beiden Armen gemachten Erfahrungen.
Hager- Magdeburg.
Englische Literatur.
J. Eason: Die Behandlung des Ekzemes der Säuglinge und
kleinen Kinder mit Thyreoldln. (Scott. Med. and Surg. Journal. Mai
1908.)
Verf. behandelte eine Anzahl dieser Fülle ausschliesslich mit
Thyreoidin. Er gab kleine Dosen des Trockenextraktes und erzielte
auch in veralteten Fällen gute Erfolge. (Er glaubt, dass es sich um
etwas Neues handelt, Ref. hat aber bereits vor 13 Jahren in der
Lassa r sehen Zeitschrift für Dermatologie eine ganze Anzahl der¬
artiger Fälle beschrieben; er ist aber wieder von der Behandlung
zurückgekommen, da die Fälle später häufig rczidivierten.)
Sir George Thos. Beatson: lieber traumatische Asphyxie.
(Scott. Med. and Surg. Journal. Juni 1908.)
Die Arbeit bietet besonderes Interesse durch die schone beige¬
gebene Farbenplatte, die einen dieser äusserst seltenen Fülle illustriert.
Es handelt sich dabei um eine heftige Kompression des Thorax, der
die Atembewegungen für kurze Zeit aufhebt. Gesicht und Nacken
bei diesen Fällen ist blauschw'arz verfärbt, die Augen zeigen sub-
konjunktivale Blutungen. In dem abgebildeten Falle war ein Gruben¬
arbeiter unter den hinabgelassenen Einfahrtskorb gekommen und so
von vorne nach hinten zusammengepresst worden, dass die Schultern
den Bauch und das Becken berührten. Er blieb 3 Minuten in dieser
Lage und hatte dabei das Gefühl, als ob all sein Blut zum Kopfe
herausgepresst w'iirde. Bei der Aufnahme war er bei Bewusstsein
und zeigte keine Zeichen von Schock. Der Puls war loo, die Re¬
spiration 28, die Temperatur normal. Gesicht und Hals waren sehr
stark geschwollen und blauschwarz verfärbt; die Verfärbung war
am tiefsten um die Augen und den Mund. Die Konjunktivae waren
blutunterlaufen, es bestand Schwellung beider Lider und leichte
Proptosis. Die Lippen und die Zunge waren stark geschwollen, unter
der vorderen Zunge lag ein grosses Hämatom. Vorne w ar die Grenze
der Verfärbung nicht sehr scharf, sie endete aber oberhalb der
Schlüsselbeine, hinten verlief sie sich im Gebiete der Kukullares. Blu¬
tungen aus Nase und Ohren fehlten, ebenso Blutungen der Retinae.
Der Kranke erholte sich sehr rasch, nach einigen Wochen traten
aber Zeichen von Sehschwäche auf und das Ophthalmoskop zeigte
progressive Atrophie beider Optici mit zunehmender Erblindung.
Es handelt sich bei dieser Verfärbung nicht um icinste Blutextra¬
vasate, sondern um Stasis durch Uebererw eiterung der Blutgefässe.
Die scharfe Begrenzung der Verfärbung beruht auf dem Fehlen von
Klappen in den Venen des Halses und des Gesichtes. Therapeutisch
muss man künstliche Athmung einleiten und womöglich Sauerstoff¬
einatmen lassen. Bisher wurden nur 0 Falle beschrieben die mit dem
Leben davonkamen.
Byrom Bram weil: 76 Fälle von Poliomyelitis anterior acuta.
(Ibidem.)
Die Fälle stammen sämtlich aus Verfassers eigener Bo>hachiu:ic.
43,4 Pro/., betraten Männer. 5<».5 Pro/. Frauen. 21:^ Pro/. traten
wählend des ersten Lebensjahres auf, in.o Pro/, wahrend des /weiten,
23,2 Pro/., wahrend des dritten, 12.3 Pro/, wählend der folgenden
N Jahre; 9,5 Pro/, nach dem 14. Jahre. In einem Falle hatte der
\ ater im Selben Jahre (2 Jahre) an derselben Krankheit geinten, in
51 von 70 Fallen konnte kein ätiologischer Faktor angegeben werden,
die Erkrankung ertolgte wahrend scheinbaren Wohlseins ganz plötz¬
lich. Sonst wurden Erkaltungen. Zahnen. Inilueu/a. Maseru. Bron¬
chitis etc. als Ursachen angegeben, hl 14 vmi 7ö I adelt begann die
Krankheit mit Schmerzen; wenn eine Anamnese überhaupt erlangt
wurde, so wurde stets l ieber angegeben. \erl. gibt dann genauere
Daten über die Art und den Sit/ der Schmerzen, über den Zeitpunkt,
wann die Lähmung bemerkt wurde, über die \ ertei.uug der Läh¬
mungen im Begum und uDer die schliesslich zuruehKejbenden Paü-
mungeii.
R. Dods Brown: Die Psychosen der Influenza. «Ibidem.)
Die häufigste Form ist die Melancholie und /war wird sie meist
bei Männern und alteren Leuten beobachtet. Gewöhnlich besteht
grosse Neigung zu Selbstmord. Bei Frauen und jungen Leuten
sieht man olters mamakaiische Zustande, diese treten gewöhnlich
früher auf als die Melancholie, Zuwe-ncn kommen Zustande Nor.
die als Dementia paralvtica gedeutet werden, die aber spater wieder
besser Werden. Alle Psychosen nadi der Imiueii/a haben grosse
Neigung zu re/idi\icren. Die Proph\la\e kann, namentlich bei In-
diNidueii mit labilem Nervensx stein m der Rekonvaies/enz n.idi
Inflneii/a viel tun um eine Psvclmse zu verhüten.
A. B. Mitchell: Die Diagnose und Behandlung des Duodenal¬
geschwürs. (Dublin Journal oi Med. Science. Juni
Die Symptome sind vor allem Schmerzen, die sehr heilig sind
und meist 2 4 Stunden nach der Naht ungsauliiahme auttreten »häutig
wird der Kranke durch die Schmerzen im Schlaf gestört). Die
Schmerzen werden durch Nahrungsaufnahme soiort besser (weil der
Pylorus sich schiiesst und kein saurer Mageninhalt über das Oe-
schw ur fln sst>. .Meist treten gleich nach dem l.ssefi \o.;e und
Pubehagen auf mit Awistossen und Sodbrennen. Druckschmerz rechts
und oberhalb des Nabels. Uamateuicsis und Meiaena. Wichtig ist
eine schon iruh/eitig ei kennbare gelinge Mageiierw eiter ung. Das
Duodenalgeschw ut ist eine hantige und sehr gc tahrhehe L.rk:attkung.
ela es viel häutiger perforiert als das Magengeschwür und die Per¬
forationen der Operation ungünstigere Naht- und Draii),wge\ei h.utmssc
darbieten. Die interne Behandlung ist sehr unsicher im Lrt'dg. meist
nutzlos. Die chirurgische Behandlung ist ungciuhräch (1 2 Pro/.
Mortalität) und gewahrt alle Aussichten aut \ obige Hebung. Verf.
macht die hintere Gastroenterostomie und verengert durch einige
Lambertiiahte den Pvlorus. Er operierte 17 Labe \ mi chronischem
Duodenalgeschwür und heilte alle dauernd (manche von den Faden
sind erst vor kurzem operiert); ferner operierte er 11 labe Non
perforiertem Duodenalgeschwür und erzie.te 11 Heilungen, gewiss
ein glänzendes Resultat. Die genauen Krankengeschichten sind in.it-
gcteilt.
Wb H. B a 111 e: Die Radikalopcratiun des Schcnkelbruchs.
(Edinburgh Med. Journal. Juni Ivos.)
Vertikalschmtt über eleu Bruchsack. Frobinmg desse'hen und
Ligatur des Halses nach Reduktion des Inhalts. Die 1 igalurtadelt
bleiben hing. Freilegen der Apolternos C des OHicuus externus und
des äusseren Ringes. Einschnitt m eile Aponcurose nach oben und
auswärts von der Mitte des Ringes in der Lange vmi 1 . Zoil. > *
entstehen zwei apoiieiuotische Lappen. Zweck der Operation ist
die Verschiebung des oberen hinter eien unteren uml ehe Befestigung
desselben an den hinteren leb des ^cheiikelnnges. wird eine
starke apoiieurotische Barriere gebildet, die elas obere 1 nde des
Schenkelkaiials bedeckt und den Duick der Jene ansh.i t. me etwa
durch diesen Kanal hmabsteleen woben. Man pr.'i'ariert eleu aus¬
seren Lieber des Leistern mges mit der dazugehörigen Vpoiie urose
(unterer Lappen) von de n Ge bilde n des Leiste in.a:.als ab. s<. dass
das den Kanal kreuzende l'mip ;irts,hc Baud gut feige legt ist. Ist
die Lascia transvei salis eliinn. so durchsticht man sit n.:t e ine r Ar terien-
klemme vom Schetikeikailal aus und of'net obe'lmib des Bandes die
Arme; stärkere Faszien muss man vorher rn/i Heren. I ‘m c li eP ese
Oeffmmg wird der Hais des Sackes an der lassem n I icatnr
nach oben gezogen, so elass der SchenkeIkauai frei wird mul der
Sack völlig mtiapcnf"Ueai zu hegen kommt. Nun fahrt man uiie
Seidemiaht eluich ehe Faseia pectmea. den Sc%nke.kanal. den >J; atz
in der l ascia trausv crsalis und den unteren Rand di s oK'en
rieur«>seiilappens und wieder zuiiich durch den sdie uke Ikaiub. I he
man ehe laden knotet weiden zwei weitere Nahte amulect. ehe den
inneren leb des Lappens an elas (i i m !* e r n a t s c he I ’.and und den
äusseren Teil an l’nuparts Band lu testmen. Auf W e:>c
wird »lie Bariiere gebildet. Man Karin s v !b:<,*s!’.ch imOi eu'U'e'
Nähte anlegen. die die lascia pectmea an das IbtSi partsbie Band
befestigen lind so den Kanal noch mehr veuiuerp. \ ert. hat die
Operation 14 mal bei Männern und ö7 mai bei Frauen ausgefuhrt;
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18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1759
das Alter der Kranken schwankte zwischen 20 und 78 Jahren. Todes¬
fälle wurden nicht beobachtet, 5 mal kam es zur Eiterung. Soweit
Verf. seine Fälle nachuntersuchen konnte, hat er niemals ein Rezidiv
gefunden, obwohl es sich meistens um Personen aus dem Arbeiter¬
stande handelte.
J. liogarth Pringle: Die chirurgische Behandlung melanoti-
scher Hautgeschwülste. (Ibidem.)
Diese Tumoren (die zuweilen Sarkome, zuweilen Karzinome
sind) haben eine grosse Neigung, entlang den Lymphgefässen, die zu
den nächstgelegenen Lymphdrüsen führen, kleine sekundäre Tumoren
zu bilden. Verf. empfiehlt deshalb den Tumor weit im Gesunden
zu umschneiden, dann z. B. am Arm oder Bein einen Längsschnitt
durch die Haut bis zu den Leisten oder Achseldrüsen zu führen und
die Haut beiderseits in breiten Lappen abzupräparieren. Man ent¬
fernt dann den Tumor samt allem Fett und Lymphgewebe sowie der
Faszie bis hinauf zu den Drüsen, die ebenfalls im Zusammenhänge mit
herausgenommen werden. Drei so operierte Fälle blieben gesund. ■
G. A. Moynihan: Die suprapubische Entfernung der Prostata.
(Practitioner. Juni 1908.)
Die suprapubische Methode ist im allgemeinen der perinealen
vorzuziehen, da sie entschieden leichter und rascher auszuführen ist,
was bei den oft sehr elenden alten Leuten vielfach sehr ins Gewicht
fällt. Die Operation ist jetzt so ungefährlich geworden, dass man
mit gutem Gewissen alten Leuten anraten kann, sich lieber operieren
zu lassen, als ein Katheterleben zu führen. Verf. macht die Operation
womöglich stets in Lumbalanästhesie. Nach Eröffnung der Blase
führt er die rechte behandschuhte Hand in das Rektum ein und
drängt die Prostata nach oben, den linken Zeigefinger führt er in
die Harnröhrenmündung, kratzt hier die Schleimhaut mit dem Nagel
durch und beginnt von hier die Enukleation. Nach Auslösung der
Prostata wird die Blase mit einem Katheter durch die Harnröhre
mit 1 proz. Karbollösung gespült. Nach Stillung der Blutung legt
Verf. je einen Stich durch den oberen und unteren Wundwinkel, legt
aber weder durch die Harnröhre noch durch die Wunde einen Ka¬
theter oder einen Drain ein. Der Urin läuft gut durch die Wunde
ab, ein Drain kann höchstens schaden, da es immer reizt. Nicht-
drainierte Blasen heilen sehr viel rascher; früher, als er drainierte,
heilte die Wunde durchschnittlich am 26. Tage, jetzt sind sie meist
nach 14 Tagen völlig geheilt. Vom 2.—3. Tage spült Verf. die Blase
durch einen Katheter alle 12—14 Stunden aus. Am dritten Tage wird
ein Colt scher Apparat angelegt, der Kranke bleibt mit diesem
Apparat völlig trocken und kann aufsitzen. Zwei bis dreimal täglich
gibt Verf. Natr. phosphor. acid. 2,0 in % Liter Wasser; dies hält den
Urin rein, erzeugt aber manchmal Durchfall. - Man soll stets die
Prostata in toto mit der Urethra prostatica enukleieren. Verf. verlor
3 Fälle von 15 Krebsen der Prostata und 5 bei gutartigen Hyper¬
trophien (2 durch Lungenembolien am 11. und 14. Tage, 2 durch
Urämie, 2 durch Schock bald nach der Operation, 2 durch langsam
eintretende Erschöpfung bei mangelhaft funktionierenden Nieren).
R. H. Paramore: Die Hauptstützen der weiblichen Becken¬
organe. (Journal of Obstetrics and Gynaecol. Juni 1908.)
Die weiblichen Beckenorgane werden durch zwei Kräfte in ihrer
Lage erhalten; die eine, der intraabdominale Druck, wirkt von oben
und „nagelt“ sozusagen die Organe in ihre Stelle; die andere Kraft
wirkt als Stütze von unten und gibt das Gegengewicht gegen eine
Verschiebung durch eine zu grosse Kraft von oben. Die beiden
Kräfte variieren miteinander; Vermehrung der einen erzeugt reflek¬
torisch Vermehrung der anderen. Der ganze Mechanismus jst unter
Kontrolle der Nerven, die z. B. Husten, Stuhlgang etc. kontrollieren.
Die Kraft von unten wird vom Levator ani geliefert. Dieser Muskel
ist das Hauptelement in der Aufrechterhaltung einer normalen Lage
der Eingeweide. Wird der Beckenboden während des Stuhlgangs
ausgeschaltet, so kann das Beckenbindegewebe temporär die Becken¬
eingeweide stützen. Ist aber der Muskel dauernd erschlafft, so kann
das Beckenbindegewebe allein die Eingeweide nicht stützen.
Howard Mummery: Die Caissonkrankheit (Brit. Med. Jour¬
nal. 27. Juni 1908.)
Die beste Therapie dieser Krankheit besteht darin, dass man den
Kranken sofort wieder in die Tiefe schickt, um ihn zu rekomprimieren.
Bei leichteren Fällen genügt es ihn in dieselbe Tiefe zu schicken,
aus der er kam, bei schweren Fällen muss er dem doppelten Drucke
ausgesetzt werden. Selbst Taucher, die vollkommen schwarz im
Gesicht sind, müssen sofort den Helm wieder aufsetzen und in die
Tiefe zurückkehren. Bei scheinbarem Tode sollte man versuchen
unter Wasser in der halben Tiefe, aus der der Mann kam, künstliche
Atmung zu machen.
Robert Soundby: Zerebrale Influenza. (Brit. Med. Journ.
*6. Juni 1908.)
Meist tritt nach 3—4 Tagen, während welchen der Kranke
die Zeichen eines Katarrhs darbietet, äusserst heftiges Kopfweh auf,
das zuweilen mit Erbrechen verbunden ist. In manchen Fällen findet
man epileptiforme oder apoplektiforme Anfälle, Aphasie, Fazialis¬
lähmungen, Monoplegien oder Hemiplegien. Zuweilen geht Unruhe
oder Delirium voraus, in anderen Fällen tritt Stupor oder Bewusst¬
losigkeit rascher oder langsamer ein. Fieber fehlt nur selten. Die
Muskeln sind meist gespannt, oft bemerkt man Opisthotonus und
Trismus; Zuckungen der Glieder, Pupillenunregelmässigkeiten und
Sphinkterenlähmung werden oft beobachtet. Die Reflexe sind meist
erhalten, das Kernig sehe Symptom fehlt. Zuweilen findet man
Neuritis optica. Die Prognose ist ernst aber nicht hoffnungslos. Die
Krankheitsdauer bei den tödlich verlaufenden Fällen betrug 2 bis
14 Tage, meist weniger als eine Woche. Tritt Besserung ein, so ist
dies meist nach 3—4 Tagen unverkennbar, wenn auch die Rekon¬
valeszenz sehr langwierig ist. Therapeutisch kann man kleine Dosen
von Chinin versuchen; die Ernährung hat oft durch die Schlund¬
sonde oder per rectum zu geschehen.
F. T. Paul: Die Erfahrungen mit der B u 111 n sehen Operation
bei Zungenkrebs. (Ibidem.)
Butlin empfahl 1898 in allen Fällen operablen Zungenkrebses
gleichzeitig oder in einer zweiten Sitzung die sämtlichen regionären
Lymphdrüsen zu entfernen. Verf. entfernt, wenn angängig, die Zunge
bei der ersten Sitzung ausschliesslich vom Munde aus (meist mit
präliminärer Laryngotomie). 2—3 Wochen später räumt er die
Lymphdrüsen aus. Er macht einen Schnitt entlang dem ganzen vor¬
deren Rande des Kopfnickers und einen Querschnitt in der Höhe des
Schildknorpels; von dem Schlüsselbein bis zum Warzenfortsatz wer¬
den dann Fett, Faszien und Drüsen im Zusammenhang mit der Sub-
maxillarspeicheldrüse entfernt; findet man Drüsen auf der Vena
jugularis, so wird diese nach Spaltung des Kopfnickers mitentfernt.
Ueberschreitet das primäre Karzinom die Mittellinie oder geht es
nahe an dieselbe heran, so sind stets beide Seiten des Halses aus¬
zuräumen. Verf. operierte von 1905 bis 1907 nach dieser Methode
35 meist sehr schwere Fälle und verlor 2 Kranke an Sepsis. Es
ist noch zu irüh, um ein Urteil abzugeben, doch sind bisher 17 Fälle
frei von Rezidiven geblieben. Verf. legt grosses Gewicht darauf,
die Kranken vor der Operation mit polyvalentem Antistreptokokken¬
serum zu behandeln. Neuerdings hat er begonnen, die Zunge und die
Drüsen unter dem Kieferwinkel nach Kocher oder Sy me in der
ersten Sitzung zu entfernen; in einer zweiten Sitzung wird dann
die Karotis und das hintere Halsdreieck ausgeräumt.
Robert Jones: Die Behandlung des Oberschenkelbruches beim
Neugeborenen. (Ibid.)
Verf. behandelte 26 während der Geburt entstandene Ober¬
schenkelbrüche; 18 lagen im oberen Drittel, 16 zwischen oberem und
mittlerem, 7 im mittleren und 3 im unteren Drittel. Bei 6 Fällen, die
erst nach einigen Wochen zur Behandlung kamen, gelang es durch
manuelle Osteoklase die Deformität zu beseitigen. Die Behandlung
besteht in der Anlegung einer Thomasschiene für Knietuberkulose,
dann legt man bis dicht unterhalb der Fraktur Pflasterstreifen zur
Extension an, das Bein wird nun extendiert und die Streifen werden
am unteren Bügel der Thomasschiene befestigt. Es genügt, von Zeit
zu Zeit die Streifen etwas fester anzuziehen. Die Behandlungs¬
methode (illustriert) ist sehr einfach und zweckmässig.
David Drummond: Das Aneurysma der Brustaorta. (Brit.
Med. Journ., 13. Juni 1908.)
Verf. sah in Newcastle über 300 Fälle von Aneurysma der Brust¬
aorta. Er glaubt nicht, dass schwere Arbeit mit der Entstehung
etwas zu tun hat, von 145 Fällen, die über diesen Punkt besonders
befragt wurden, hatten nur 64 schwer gearbeitet. 102 dieser
145 Fälle hatten unzweifelhaft früher Syphilis, mehr wie 40 Proz.
waren ausserdem starke Alkoholiker. Von 225 zur Sektion ge¬
kommenen Aneurysmen waren 179 sackförmig, 39 spindelförmig,
7 mal handelte es sich um ein Aneurysma dissecans. Von den 179
sackförmigen betrafen 60 die aufsteigende, 13 die aufsteigende und
die quere, 57 die quere, 19 die quere und die absteigende und 30 die
absteigende Aorta; es gehörten also 73 dem ersten, 76 dem zweiten
und 30 dem dritten Teil der Aorta an. Von 159 Fällen, bei denen die
Todesursache genau angegeben wurde, platzte 63 mal der Sack,
27 mal trat der Tod durch Klappenfehler ein, 20 mal durch Druck auf
die Trachea und Bronchopneumonie, 13 mal durch rasch eintretende
Asphyxie infolge Kompression der Trachea. Meist ist die Wand der
Aorta ausgedehnt erkrankt (Syphilis). Das Alter des Kranken
schwankte zwischen 21 und 67 Jahren. Von 300 Kranken waren
128 jünger wie 45, während 72 im Alter von 40—45 Jahren standen.
Ganz selten erkranken Kinder. Männer erkranken etwa 8 mal so
häufig wie Frauen. Diagnostisch legt Verf. ein grosses Gewicht auf
Schmerzen, die besonders Nachts auftreten und durch Lagewechsel
(Aufstehen) gebessert werden.
W. H. Battle: Traumatische Ruptur des Dickdarms. (Ibid.)
Während der letzten 20 Jahre wurden im St. Thomas Hospitale
nur 6 Fälle von traumatischer Ruptur des Dickdarms beobachtet,
während 4 mal das Duodenum, 11 mal das Jejunum und 11 mal das
lleum gerissen war. Verf. beschreibt im Anschluss an diese sta¬
tistischen Mitteilungen einen eigenen durch Operation gehellten Fall
von Ruptur der Flexura splenica des Kolon. Es gelang, die 33 jährige
Frau 10 Stunden nach der Ruptur zu operieren und zu heilen.
Basil K i 1 v i n g t o n: Ueber Nervcnregcneration und die opera¬
tive Behandlung mancher Lähmungen. (Ibid.)
Besonders berücksichtigt sind Nervenüberbrückungen mit aus
der Kontinuität getrennten Stücken eines anderen Nerven desselben
Tieres. Die Brücke war in 7 Versuchen %—2 Zoll lang. In 5 Fällen
war das elektrische Resultat sehr, in 2 ziemlich gut. Dabei war
es einerlei, in welcher Richtung der Nerv eingepflanzt wurde. Beim
Menschen ist es natürlich schwierig, einen passenden Nerven zu fin-
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1760
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn. XX
den, da der zur Ueberbriiekung benutzte Nerv natürlich verloren
geht. Verf. empfiehlt den Saphenus internus zu benutzen, seine Zer¬
störung tut wenig Schaden, da nur ein schmaler Streiten Haut an
der inneren Seite des Busses und Heines vorübergehend anästhetisch
wird. Man kann ein ganzes Stück des Nerven entfernen und das¬
selbe in 2 oder mehrfacher Dicke benutzen. Verf. warnt dringend
davor, derartige Implantationen von Nervensubstanz in einen Nerven-
defekt in altem, narbigem Gewebe vorzimehmeii. Tut man das. so
drückt das Narbengewebe den Nerven tot. Will man in diesen
Hüllen operieren, so muss man das zentrale und periphere Nerven¬
ende völlig freipräparieren und in einen Raum zwischen zwei be¬
nachbarten Muskeln verlagern und dort die Implantation vornehmen.
(Schluss folgt.)
Laryngo-Rhinologie.
H a y m a n n - Breslau: Beiträge zur Pathologie der Mandeln.
7. lieber Blutungen nach Exzision der Rachenmandel. (Archiv für
Laryngoiogie etc., Bd. 21, H. 1.)
In eingehender Studie über obiges Thema kommt Verf. zu dem
Schlüsse, dass — abgesehen von Hämophilie und etwa sonstigen zu
starker Blutung neigenden Konstitutionsanomalien, des ferneren von
etwaigen ungewollten Nebenverletzungen — die Ursache der lang¬
dauernden Blutungen oder sog. Nachblutungen meistens in dem
Zurückbleiben eines unvollständig abgeschnittenen Stückchens der
Rachenmandel zu suchen und zu finden sei. Mit der Abtragung
dieses „hängenden Stückes", bei dem meist der arterielle Zufluss
nicht behindert, wohl aber der venöse Abfluss erschwert ist, sistiert
auch fast immer die Blutung. Erst nach Erschöpfung aller anderen
Hilfsmittel sollte man sich zur Tamponade des Nasenrachenraumes,
die bekanntlich grosse Gefahren in sich bergen kann, entschliessen.
Ausserdem sollte aber auch trotz der Harmlosigkeit des Eingriffes
und der kaum jemals ernsten Blutungsgefahr die Indikation zur
Rachenmandeloperation etw'as präziser und strenger gestellt werden,
wie es vielfach zur Zeit geschieht.
Ladislaus L a u b - Ofen-Fest: Klinisch-statistischer Beitrag zur
Frage der lateralen Korrespondenz zwischen Kehlkopf- und Lungen¬
tuberkulose und zur Frage, auf welchem Wege die Tuberkulose In
den Kehlkopf eindringt. (Ibid.)
Auf Grund eines Materials von 114 Larynxtubcrkulosen unter
1880 Lungenkranken der Lungenheilstätte Wilhelmsheim kommt
Autor zu folgenden statistischen Schlüssen: 1. Die Korrespondenz
zwischen Kehlkopf- und Lungentuberkulose kann als Regel nicht be¬
trachtet werden. 2. Die Infektion des Kehlkopfes bei einem Lungen¬
kranken kommt vorwiegend durch das bazillenhaltige Sputum zu¬
stande. 3. Die Schwere der Lungenerkrankung, hauptsächlich aber
das Vorhandensein eines bazillenhaltigen Lungensputums ist für die
Pathogenese der Larynxtuberkulose von grosser Bedeutung. 4. Be¬
züglich der Berufsschädlichkeiten trug die Metallstaubeinatmung m
viel höherem Prozentsatz zur Entstehung der Kchlkopftuberkulose
bei, als zur Lungentuberkulose; bei Einatmung von vegetabilischem
Staub verhielt sich „dies umgekehrt“. Das Prozentverhältnis — be¬
züglich der Mineralstaubeinatmung steht zwischen den beiden
anderen. 5. Alle Einflüsse, welche eine direkte Schädigung der
Kehlkopfschleimhaut verursachen, disponieren bei einem Lungen¬
kranken zur Entstehung einer Kehlkopftuberkulose. Bezüglich des
Lebensalters komplizierte sich bei obigem Material die Lungentuber¬
kulose mit einer tuberkulösen Kehlkopferkrankung am häufigsten
zwischen dem 21. bis 35. Jahr.
Ino Kubo - Fukuoka (Japan): (Jeher die eigentliche Ursprungs¬
stelle und die Radikaloperation der solitären Choanalpolypen. Mit
12 Abb. (Ibid.)
An der Hand von 4 in extenso beschriebenen Kranken- und
Operationsgeschichten erbringt Autor den sicheren klinischen Nach¬
weis für die K i 11 i a n sehe Behauptung, dass die solitären Clmaneu-
polypen, die bisweilen ein abnormes Längenwachstum (bis m den
Larynx herab) erreichen, ihren Ursprung in der Kieferhöhle haben,
meist durch das Ostium maxillare accessorium in die Nase gelangen,
durch äussere Reize ein malignes Aussehen erhalten können und
meist so lange rezidivieren, bis der Mutterboden in der Kieferhöhle
radikal beseitigt ist. Letzteres geschieht am einfachsten und sicher¬
sten durch breite Eröffnung der Kieferhöhle vom Munde aus und
vollkommene Auskratzung der polypos-degenerierten Schleimhaut.
Gustav S p i e s s - Frankfurt a. M.: Die Bedeutung der An¬
ästhesie in der Entzündungstherapie und ihre Nutzanwendung speziell
bei der Behandlung der Kehlkopftuberkulose. (Ibid.)
Bezugnehmend auf seine frühere Arbeit (cf. diese M'ochenschr.
1906, No. 8) skizziert Spiess seine Theorie: Unter dem bekannten
Symptomenkomplex der Entzündung spielt der Dolor die
Hauptrolle. Verf. unterscheidet den „sekundären Dolor", den
der Patient als Schmerz empfindet, und den „primären Dolor",
d. i. jede Reizung sensibler Nerven, die zur Reflexatislosung iuhren
kann. „Die Reizung sensibler Nerven, mag sie mm als Schmerz
empfunden werden oder nicht, führt reflektorisch zu einer Hyper¬
ämie, zum R u b o r, der selbstverständlich Kalor zeigt und zu
Tumor führt.“ Gelingt es nun, den „Dolor" zu beseitigen, so
treten auch seine Folgeerscheinungen, Ruhor, Kalor und Tumor, nicht
j ein. Dieser Ideengang veranlasste Spiess, die Kelilkopituberkui->sc
j auf dun Wege quasi der DaueiaiiastheMerung zu behandeln. I r
sprit/te subimikos täglich 2 mal Novokain in das erkrankte Gewebe
ein mul erreichte dadurch lokal und konsekutiv allgemein derartig
befriedigende Resultate, wie solche mit den biMiei igen Methoden
allem nicht erreicht wurden. Zur Unterstützung verwendet er unter
entsprechender Auswahl als chemisches kaustikum die I ricidoressig-
sauie. am meisten empfiehlt er für entsprechende l ade die chirur¬
gische Iherapie in recht ausgedehnter Weise. iedoJi immer wieder
unter ausgiebigster Anästhesie! uüg nach der Operation und wahrend
der Nachbehandlung. Die berichteten ausgezeichneten Erfolge lassen
eine ausgedehnte Nachpi iiiung als recht aussuhtsv oii erscheinen.
L. Re t hi- Wien: Einiges über die Schwierigkeiten der laryn-
goskopischen Untersuchung bei Hyperästhesie der Rachengcbilde.
(Moiiatsschr. t. Ohrenheilkunde etc. luns. lieft 4.)
Ls gibt eine Reihe überempfindlicher Personen, bei Jenen das
suggestive Vorgehen ebenso wenig, wie die übliche Kokaimsierung
ein Lar\ngoskopieren ermöglicht. Bisweilen hm da die vn
l ou rille angegebene Kok.uujsierung der Regio glosso-epiguttica.
Bei em/elnen l allen indes beimdet sich die reflexauslosenJe Steile
anderswo, nämlich „am lass des vorderen, zuweilen des lauteren
Gaumeiihngeiis, an der Lebergangsstelle in den Seitlichen Zungen¬
rand, be/w. in die hintere Rachenwand". Durch Kokainappäkatmn
auf diese Gegend gelingt dann meist die „Ausschaltung der hier be¬
findlichen sensiblen Nerven, welche durch \orstrecken der Zunge
ge/errt werden", und jeder intralarvngcaic Lmgnff wird jetzt er¬
möglicht, obwohl vorher die Kokaimsierung aller anderen Regionen
erfolglos gehheben. „Auch da muss man mitunter, wie beim k'-kami-
sieren überhaupt, längere Zeit zuwarten, bis sich die Anästhesie ent¬
stellt."
.1. S c n d z i a k - Warschau: Die Frage der Radikalbehandlung
des Kehlkopfkrebses in den letzten 50 Jahren (IN5S—190h). (Und.)
Der auf dem Wiener internationalen Larv ngo-Rhinoh .genkop-
gress gehaltene Vortrag enthalt zunächst einen historischen l eber¬
blick über die Wandlung der Anschauungen bezüglich der Therapie
des Lnrynxkarzinomes, uber die verschiedenen chirurgischen Mass¬
nahmen und deren endgültigen Aushau. Die Schiasse des Autors, die
sich auf eine in der Literatur gesammelte Statistik von lonj Fähen
stut/en. gipfeln dann, dass die extralarvngeale operative Behand¬
lung des Kehlkopikrebses die rationellste Methode Sei. dass fur die
frühzeitigen Formen die Laryngofissur (Thyrcotomie). bar die Re¬
zidive oder vorgeschrittene Taile die partielle oder totale Laryrig-
ektonne die relativ günstigsten Resultate zeitige.
O. Korner- Rostock: Die Gefährlichkeit der Tracheoskople
bei Kompression der Luftröhre von hinten. (Zeitschr. t. nhrenhei k.
etc., Bd. 5(). Heft 1.)
Anschliessend an einen Fall Pieniäzeks von retroos,.p!;a-
gcalem Abs/ess, bei dem durch den I leSivpF.agus hindurch auf die
Trachea und die Bronchien eine Kompression ausgeabt und bei dem
durch Fmfuhrung des Tracheoskops durch Druck auf den oberen T eil
iles Abszesses der tiefere Teil desselben starker vorgew o’.bt wurde,
so dass es hierdurch zum Verschluss der Bronchien und zum Er¬
stickungstod kam, berichtet Korner über einen ähnlichen Fall, „bei
dem schon die flache Rückenlage auf dem Operationstische den völ¬
ligen Verschluss der von hinten her komprimierten Trachea zur Folge
hatte", so dass sofort der Fxnus emtrat. K. weist Jarauf hin, dass
„bei Kompression der Tiachea Von hinten ausser der von Pieni.i-
Zek beschriebenen Gef.ihr der Tracheoskopie auJi noch die besteht,
dass schon „die Ruckw artsbeiigung des Koptes und des Oberkörpers,
ohne welche sich das Rohr nuht emfuhren lasst, einen Völligen Ver¬
schluss der Trachea herbeiiuhreii kann".
B. N. O k u n e f f - St. Petersburg: Resektion des Tränennasen¬
kanales. Mit 3 Abb. ( Archiv es internationales de larvngojogie etc.
luti\ So. d.)
O k u n c f f erörtert eingehend den Zusammenhang zwischen
Nasenleiden lind Ti Jtflvimaseiih.malaffi kt;, -ne n und besp'uht --- unter
Berücksichtigung der einschlägigen Literatur die I lierapic und
deren Fortschritte Ins m die neueste Zeit. Pu die bisherigen opera¬
tiven Massnahmen des öfteren flieht zum gew mischten Ziele führten,
versuchte er durch Resektion des Truuemiuse iikanais be/w . seiner
nasalen W andiing eine Heilung zu erzielen. Mit den in der Arbeit
abgebildeten Instrumenten ex/idicrte er — n.uli vorheriger partu.her
Iv’eSektion der unteren Musjiel -- die rie J;a!c nasale knpejien-
w an düng des Trancmiuse nkanalcs von dir Nase aus und beruhtet
iiber U einschlägige, erfolgreich behandelte kranke in extenso. Die
'Technik des operativen T.mgriifes ist in der Arbeit genau geschildert.
Jorgen M o I I e r - Kopenhagen : Die Amputation der Fplglottis
bei der Kehlkopfphthise. (Revue hebJomadaire de Iurvngo]og : e etc.
luiis. No. ln.)
Autor empfiehlt bei ausgew älilten I ahen, bei denen die Fpi-
glottis tuberkulös erkrankt ist, die \ mpatat :■ n ilires freien lei es
und berichtet Iiber ln einsJi’.agige. eri'-lg»t;£f| operierte kranke. Der
Schluckmechamsmus wird durch den \e rlust der Ep:g!ottis. zumal der
erkrankten, nicht wesentlich beeinflusst.
H. Luc-Paris: Die Anwendung der Lokalanästhesie bei der
Radikaloperation der eitrigen Kieicrhohlcnent/iindung. 'Ibid.. No. 2\)
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1761
Luc berichtet über einen einschlägigen Fall, den er unter
Kokain-Adrenalin-Anästhesie radikal operierte. Die vollkommene An¬
ästhesie und die grossen Vorzüge dieser Methode gegenüber der
Allgemeinnarkose sollten letztere nur noch für Ausnahmefälle in An¬
wendung kommen lassen. H e c h t - München.
Inauguraldissertationen.
Universität Bonn. Juni—Juli 1908.
Brügelmann Max: Ueber Schwangerschaft, Geburt und Wochen¬
bett jugendlicher Erstgebärender.
Feigen Heinrich: Die Bakterienmenge des Dünndarms und ihre
Beeinflussung durch Antiseptika.
Nassmann Wilhelm: Ein Beitrag zur Vakzineophthalmie.
Röscher Ernst: Beitrag zur Pflege und Ernährung frühgeborener
Kinder.
Schmitz Wilhelm: Zur Therapie der Askaridiasis mit Ol. Cheno-
podii anthelmintici.
Weber Josef: Ueber Dissoziation von Vorhof- und Kammer¬
rhythmus.
Wenzel Paul: Ueber Beckenbrüche.
Universität Greifswald. Juli 1908.
Kato Kan aus Japan: Ueber den Olykogengehalt der Frösche und
über die quantitative Zusammensetzung der Froschleber.
Matsunami Eitaro: Zwei Fälle von primärem Muskelangiom.
Mitsutaro Ogata: Blutbefunde im Kindesalter.
Hansen Wilhelm: Beitrag zur Kasuistik der Myositis ossificans
traumatica des Musculus brachialis internus.
F r e se n Josef: Ascaris lumbricoides ausserhalb des Darmes, speziell
in perityphlitischen Abszessen.
Lehmacher Johannes: Das Vorkommen und die Ursache von
Herzhypertrophie bei den grossen Aneurysmen der aufsteigenden
Aorta.
Universität Halle. Juli und August 1908.
Boerger Albin: Ueber Radiusfrakturen und deren Behandlung.
Fischer Ernst: Ein Fall von primärer Mischgeschwulst des Becken¬
bindegewebes.
Kluge Werner: Beitrag zu den Störungen der Herztätigkeit nach
Diphtherie.
Luther Richard: Ueber Genu valgum und seine Behandlung und
die Erfolge derselben.
Sondermann Albert: Ueber die Gefahren der Infektionskrank¬
heiten für die Gravidität.
Sprakel Emil: Beiträge zur Konjunktivalreaktion.
Stier Willy: Ueber die in der Universitätsaugenklinik zu Halle a. S.
während der letzten 7 Jahre beobachteten perforierenden Augen¬
verletzungen.
Wehrsig Georg: Ueber akute Leukämie.
Universität Heidelberg. Juni und Juli 1908.
Mack Wilhelm: Die Cholezystostomien der Heidelberger chirur¬
gischen Klinik (1901—1906).
Sauer Otto: Pneumonie und Gravidität.
Schwarzweller Konrad: Statistik über Wochenbettfieber in der
Universitätsfrauenklinik in Heidelberg im Zeitraum von Januar
1903 bis März 1907.
Universität München. Juli 1908.
Lee de Carl: Arthropathien bei Syringomyelie,
v. Bomhard Hans: Periarteriitis nodosa als Folge einer Staphylo¬
kokkensepsis nach Angina.
Teufel Bruno: Beitrag zur Lehre des Psammokarzinoms nebst
Mitteilung eines Falles von Psammokarzinom der Niere.
Baetz Georg: Ueber die Erfolge der operativen Therapie bei
Morbus Basedowii.
Hauer Hans: Ein Fall von Sturzgeburt und seine forensische Be¬
deutung.
Olass Ernst: Ein Fall von Endothelkrebs der Pleura.
Plast er k Hans: Zwei Fälle von primärem Melanosarkom des
Rektums.
Thomas Erwin: Ueber erworbene Hämatometra.
Erdmann Hans: Beitrag zur Lues cerebri nebst einem Fall von
Encephalitis gummosa in Form eines Solitärgummas im Pons.
Kimmerle Adolf: Ueber wahre Hypertrophie der Leber bei idio¬
pathischer Herzhypertrophie bei Leuten vom 20.—60. Lebensjahre.
Schlippe Konrad: Ein Fall von Akromegalie.
Diamantopoulos Stamatis: Das runde Magengeschwür, seine
Prognose und seine Therapie.
Gruhle Oswald: Ueber ein präsakrales Teratom mit besonderer
Berücksichtigung der Aetiologie.
Ott Hermann: Experimentelle Untersuchungen über die Ursachen
der Häufigkeit der Schädellagen.
D e r j a b i n Victorin: Zur Kenntnis der malignen Nebennierentumoren.
Miyoshi Keisuke: Ueber Enterolithen.
Demmler Max: Ueber Lymphosarkomatose des Dünndarms.
Vereins- und Kongressberichte.
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden.
(Offizielles Protokoll.)
XXII. Sitzung vom 28. März 1908.
Vorsitzender: Herr Schmorl.
Vor der Tagesordnung demonstriert Herr O. Kaiser Fälle von
operierter Extrauteringravidität.
Tagesordnung:
Herr Best: Kurzsichtigkeit und ihre Verhütung. (Er¬
schien in No. 29 und 30 dieser Wochenschr.)
Diskussion: Herr F. Schanz: Die Theorien über die Ent¬
stehung der Kurzsichtigkeit sind sehr zahlreich. Für die Aufstellung
von Verhütungsmassregeln ist es nötig, dass man ihnen eine dieser
Theorien zu gründe legt. Die Theorie von Best nimmt an. dass die
Anspannung der Akkommodation einen Zug an der Membrana elastica
der Chorioidea ausübt und dass dieser Zug einen Wachstumsreiz am
hinteren Pol des Auges veranlasst. Da nur Kurzsichtige unter 5 Dioptr.
bei der Arbeit akkommodieren, so dürfte man diese nicht voll korri¬
gieren, weil man damit diesen Wachstumsreiz steigern würde. Unsere
in den letzten 10 Jahren gewonnene Erfahrung in der Praxis würde
damit in Widerspruch stehen; haben wir doch in dieser Zeit sehr
reichlich Gelegenheit gehabt, uns zu überzeugen, dass gerade die Voll¬
korrektion das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit am besten aufhält.
Ferner würde die B e s t sehe Theorie auch nicht erklären, warum
die Kurzsichtigkeit über 5 Dioptr. noch weiter fortschreitet. Man
müsste annehmen, dass bei Kurzsichtigkeiten unter 5 Dioptr. die An¬
spannung der Akkommodation, bei Kurzsichtigkeiten über 5 Dioptr.
der Wegfall derselben denselben Wachstumsreiz am hinteren Augen-
pol veranlasst. Das ist sehr unwahrscheinlich.
Bei der Best sehen Theorie müsste der Zug an der Membrana
elastica zu Druckschwankungen im Augeninneren führen. Diese
werden aber von Best in Abrede gestellt.
. Sch. ist auch nicht der Ansicht, dass unsere Massnahmen zur Be¬
kämpfung der Kurzsichtigkeit so erfolglos waren, wie es Best hinstellt.
Durch die Vollkorrektion wird sicher die Weiterentwicklung ein¬
geschränkt. Ebenso wirkt die Prismenbehandlung, die sich mit der
Vollkorrektion durch Dezentrierung der Konkavgläser erreichen lässt.
Herr H ü b 1 e r I: Der Vorschlag zur Abschaffung des deutschen
Alphabetes wird bei Lehrern auf wenig Widerstand stossen. Die
hygienischen Massnahmen der Schule betr. Beleuchtung, Schulbänke
sind doch nicht ganz erfolglos gewesen. Eine Einschränkung des
Lernstoffes zur Erzielung grösserer Bewegungsfreiheit für Sport und
Spiel stösst auf Schwierigkeiten. Der fremdsprachige Unterricht ohne
Lehrbuch dürfte undurchführbar sein.
Herr T r e u 11 e r schlägt vor, zur Ausscheidung der Akkommo¬
dationsanstrengung mehr auf schwache Konkav- oder sogar Konvex¬
gläser zu kommen. Die Theorie von Best nähert sich der von
S e c k e 1, der den genannten Schluss bezüglich der Gläserkorrektur
zieht.
Herr Panse: Wenn die latente Disposition zur Myopie überall
ungefähr die gleiche geblieben ist und nur durch Naharbeit jetzt
häufiger manifest wird, so wäre zu fragen, warum dann die Myopie
zu bekämpfen ist, da sie vielleicht eine wünschenswerte Anpassung '
an die durch die Kultur gesteigerte Naharbeit ist, der gegenüber die
mit etwa 45 Jahren auftretende Alterssichtigkeit der Emmetropen als
die grössere Unannehmlichkeit zu betrachten wäre.
Herr Stahl: Wichtig ist prophylaktisch die sachgemässe Ver¬
teilung des Schulunterrichts: Einschiebung von Stunden ohne Nah¬
arbeit zwischen die wissenschaftlichen Stunden.
Herr Z e r e n e r sieht besonders im mathematischen Unterricht
eine Schädlichkeit.
Herr Bartels: Schädlich und disponierend ist besonders der
hypermetropische Astigmatismus. Die gute Beleuchtung Ist doch nicht
unwesentlich: schädlich ist auch das häufige Abwechseln der Blick¬
linie beim raschen Austausch von Nah- und Fernarbeit.
Herr M. Schmidt weist auf eine Arbeit von T h o r n e r hin,
aus der er die Folgerung zieht, die Nahhaltung nach Möglichkeit zu
vermeiden.
Herr Best: Die gegen die von mir entwickelte Akkommo¬
dationstheorie der Kursichtigkeit gemachten Einwände kann ich nur
kurz besprechen, da es mir hier wesentlich auf die praktische Seite
der Frage ankommt. Wenn z. B. Uhrmacher selten kurzsichtig sind,
so hängt das damit zusammen, dass Naharbeit nur während des
Wachstums, in der Jugend kurzsichtig macht; die Cohn sehen Zahlen
für Uhrmacher ergeben ausserdem erhöhten Prozentsatz: 10 bezw.
18 Proz., die höhere Zahl für diejenigen Uhrmacher, die keine Lupe
benutzen. — Dass die Mvopie in vielen Fällen über 5 D. hinansgeht,
erklärt sich durch Fortschreiten einer einmal ausgebildeten Wachs¬
tumsrichtung: teils sind es Fälle, in denen das ererbte Moment- die
ererbte Richtung zum Langbau gegenüber der Schädlichkeit durch
Naharbeit weit in den Vordergrund tritt. — Den druckerhöhenden Ein¬
fluss der Akkommodation würde ich, selbst wenn er vorhanden wäre,
nicht für den Langbau des kurzsichtigen Auges verantwortlich
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1762
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33.
machen; meine Theorie hat es nur mit der nachtewiescnen Vor¬
ziehung der Aderhaut zu tun. — Die Verordnung von Konvexgläsern
ist keine Folge meiner (wohl anderer) Akkonunodationstlieorien. weil
dadurch die physiologischen Reize auf die Sehne des Ziliarmuskcls
aufhören würden und die Aderhautelastizität diese physiologische
Beanspruchung bedarf, nicht dagegen die dauernd gleichmässige Be¬
lastung bei gleichmüssiger Naharbeit (und gegebener Myopiedis¬
position) verträgt; meine Theorie fordert das, was Straub künst¬
liche „Emmetropisierung" nennt, wenn der natürliche Prozess der
Emmetropisierung einmal überschritten ist.
Wie man sich nun auch den Zusammenhang zwischen Kurz¬
sichtigkeit und Naharbeit denkt, so bleibt doch in jedem Fall be¬
stehen, dass eine Verminderung der Kurzsichtigkeit nur durch Ein¬
schränkung der Naharbeit erreicht werden kann. Dabei wollte ich
keineswegs die bisher erreichten oder geiorderten hygienischen Ver¬
besserungen in der Schule (gutes Licht Schulaugenärzte usw.) als
unnütz hinstellen, nur treffen sie in Bezug aut die Kurzsichtigkeit
nicht den Kern der Sache. Schlechte Beleuchtung wirkt als solche
nicht schädlich, sondern erst wenn sie zum Näherhalten der Arbeit
zwingt, und das ist erst bei vorgeschrittener Dämmerung der Fall.
Bezüglich der Abänderung der Methode des Unterrichtes in den
neueren Sprachen w'eiss ich wohl, dass die bisherige gründlichere
Durchbildung erzielt, als einfaches Sprechen; aber im Interesse der
Myopieverhütung Hessen sich doch Lektüre und schriftliche Aufgaben
zugunsten des Sprechens einschränken. Es Hessen sich wohl noch
eine Reihe anderer Massnahmen (Einschränkung des MemoriersiottYs.
der Strafarbeiten usw.) anführen: das Wesentliche scheint mir aber
zu sein, dass es in das Bewusstsein gewisser Kreise übergeht, dass
die Naharbeit als solche zu Kurzsichtigkeit fuhren
kann; " issen das erst Lehrer und Eltern, so ergibt sich die Ein¬
schränkung der Naharbeit in vielen Punkten schon \on selbst. Dass
die Kurzsichtigkeit schliesslich eine dem normalen Refraktionszustaml
vorzuziehende Annehmlichkeit sei. halte ich aus vielen (iriinden nicht
für zutreffend.
Herr F. Schanz: Wenn B e s t den druckerhoheiidcn Einfluss
der Akkommodation nicht für den Langbau des Auges %erantw örtlich
machen und seine Theorie nur auf die nachgew iesene Vor/iehimg der
Membrana elastica beziehen will, so erscheint es unverständlich, wie
eine solche ohne Drucksteigerung im Augeninneren stattfnulen kann.
Die Membrana elastica umspannt doch den Augeninhalt, eine An¬
spannung einer solchen elastischen Haut musste doch zur Drucksteige¬
rung in den Medien führen, die sie umspannt.
Von den Massnahmen, die in der Schule noch zu beachten wären,
würde auch der neulich im Landtag und im Stadtverordnetenkollegium
gemachte Vorschlag gehören, den religiösen Memorierstoff zu be¬
schränken. Noch wünschenswerter aber wäre die Einübung einer
grossziigigereren und derberen Handschrift. Die Engländer, die
Amerikaner schreiben eine viel derbere Handschrift. In welch
törichter Weise wird bei uns auf eine feine Handschrift (iewicht
gelegt.
Herr Prlismann: W'cnn trotz der erhöhten wissenschaftlichen
Ansprüche di'* Kurzsichtigkeit nicht zugenommen hat, so ist das
immerhin ein Gewinn.
Herr Best: Eine geringfügige Abnahme der Schulkurzsichtigkeit
mag ja auch jetzt schon erfolgt sein. Wünschenswert wäre aber eine
wesentliche Aenderung. wie z. B. in Schweden durch Hebung in
Sport und Spiel ein Sinken der Myopieziffer von 5t) auf 25 Pro/, ein-
getreten ist.
Herr F. Schanz: Die Bekämpfung der Kurzsichtigkeit hat auch
grosse Bedeutung für die Wehrkraft unseres Volkes. \\ ie viele wer¬
den heute schon wegen ihrer Kurzsichtigkeit militärdienstunfähig!
Da sich die Disposition zur Kurzsichtigkeit zweifellos vererbt und die
Kurzsichtigkeit bei den Kindern häufig höhere Grade erreicht als bei
den Eltern, so könnte eine weitere Zunahme der Kurzsichtigkeit in
einigen Generationen unsere Wehrkraft stark schädigen.
Wissenschaftliche Vereinigung am städt Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 5. Mai 1 ( >< in.
Vorsitzender: Herr E H r 1 i e H.
Schriftführer: Herr Hing e I.
Herr Ed Inger: Zur Lehre von den Sinncsempfindungen.
Jeder Sinnesapparat setzt sich hei Wirbeltieren zusammen
aus dem Aufnahmeorgan (Auge z. B.), der Leitung (Optikus)
und dem Endapparat (Mittelhirn). Darüber schaltet sich von
den Reptilien ab allmählich zunehmend der Assoziations¬
apparat des (irosshiriis. Die Siimespliysiologie hat bisher
sehr wenig Notiz davon genommen, wo und an welchen Stillen
die feineren Unterscheidungen, welche sie bereits machen
kann, zustande kommen. Namentlich hat sie nicht untersucht,
wie weit sie Funktion des Grosshirns oder des primären End-
apparates sind. Auch ist längst noch nicht genügend bekannt.
wie weit die Funktion des Endapparates selbst am Gesamt¬
komplex der Sinneswahrnehmung beteiligt ist. Zur Losung
dieser Frage wird es beitragen, wenn man untersucht, wie mJi
zur Siimesw ahriichmimg solche Tiere verhalten, denen der
Assoziationsapparat fehlt. E d i n g e r teilt in seiner eben er¬
schienenen vergleichenden Anatomie des Nervensystems das
gesamte Gehirn h zwei Teile ein. Unter dem Palaen/cphalnn
versteht er alle 'Feile, welche min der Cauda equiua bis zum
Riechlappen reichend die sensiblen Nerven aufnehmen, die
motorischen ausseiiden und die Bewegungen regulieren. Den
Apparat, der siJi von den Reptilien ah darüber s». haltet, nennt
er Neen/ephalon. Wenn man nun Tiere, welche mir oder fast
nur ein Palaeiizcphalnn haben, wie die Fische oder d.e Frosche
in ihrem Verhalten zu Sinnesreizen untersucht, so stellt siJi
heraus, dass Fische. FmsJie und Eidechsen auf \ersJiieJcne
Geräusche oder Jone, die der Mensch erzeugt, \«>!hg taub er¬
scheinen. dass aller luitiientlich die beiden letzteren Klassen
auf solche Geräusche durJi Bewegungen reagieren, welche
ihnen im freien Leben auUi sonst zukommen. Das lasst mUi
mir so deuten, dass das Palaenzeplialon wohl Smuesempiin-
dimgen rezipiert, dass aber neuartige ela niJn als Reiz wirken,
wo aus anatomischen Gründen die Möglichkeit fehlt. soIJie
neue Reize assoziativ zu erfassen. Am GeruJismri und den
Bewegungen bei der Nahrungsaufnahme wird demonstriert,
wie den einfachen Reflexen bei EisJicn und Amphibien, von
den Repohen ab siJi neue, offenbar assoziativ cmMvhcn.de
Handlungen zuiiigcii. Die palaen/cpliak m I ie re können
Empfindungen nur rezipieren und an fertige Bcwegungs-
mevfiauismeii übertragen, den iiccii/e phale ii erst ist die Mög¬
lichkeit gegeben, mehrere Empfindungen zu assoziieren und da¬
durch neue Handlungen zu gewinnen. Der \ ortragende glaubt,
dass es eine wichtige Auig ibe der Siruesplix smlogie sein
durfte zu unterscheiden, wie x ie! von unseren Smucswahr-
nehmungen rein re/ip.ert, wie viel assoziativ und beobachtenJ
w ahrgenommen ist.
Herr A. Böhme: Untersuchungen über Opsonine. (Der
Vortrag ist in No. J.s d. \\ rchcnsv.hr. m extenso erschienen.)
Diskussion: Herr I h r I i c h.
Herr M. Neisser: Der Boh niisdic M hut«. 1% ersuch sprüht
daiur, dass es, entsprechend viel \<>u M Neisser und liuer-
r i ii i beschriebenen clienus^ Ih m | eukustriinl.innen. .iikIi ph \ he
Len k< ist i um la nt len gibt. hur Uie k mische Verwertung d«. s < >ps< uusv. lu «1
Inilex wurde eine «.juahtatix e l'mbe ;oiMeulieti. wenn m.m daraus er¬
kennen konnte, oh deutlk he l*h.igM/\t«>se st.itti f linden li.it oder nullt.
Der Vergleich von aktixcm und in.iktie ein Se’iim wurde dann ge¬
lingen. um die für «.las therapeutische Handeln wichtigen I ’hasi n zu er¬
kennen.
Herren Rothschild, N e u b u r g e r. L It r 1 1 c h. B o h n; e.
Naturhistorisch-Medizimscher Verein zu Heidelberg.
(Medizinische Abteilung.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 1<\ .! u n i
Herr Ernst: Demonstration von Plasmazetlen bei tuber¬
kulöser Pneumonie.
Herr Rosenberger: Die Beziehungen der Zyklosen
zum tierischen Organismus. (Der \ ortrag crsJicint ausführ¬
lich in dieser Wochenschrift.)
Diskussion: Herren K o s s e !. L r n s t. Rosenberger.
Herr Cohnheim: Leber Eiweissresorption.
S i t z u n g v o m 3n. J u n i l'Xis.
Herr Kümmel zeigt \or der Tages.>r dnuug ein 2 uhirges Kind
mit schwerer Missbildung des rechten äusseren Gelnu g.mges und
der (Hirtituss lieh deren Rudimente stark nach abwärts und x «•: n dis-
lo/iert sind; daneben \pi.>sie d<.s aulsu i„<. nd«. n l nie r kn.:«, ravt.es, d.s
K leier gelenkes, sowie eihebikhe I a/u isn.u(.se.
Herr Ernst: Demonstration sphärischer Körper in Karzinomen.
D i s k II s s i o m Iler nu L o h fi Ii e i in. Br ans, v. \\ a sie¬
le w s k i. D e e t j e n. \ . M i |> p e I. I e e r. 1 r u s t.
He rren M o r a w i t z und R ö h m e r: Klinische Lnter-
suchungen über die Saiierstoftversorgung bei Anämien.
Es wurden au einer grosserer Reihe normaler und ar.a-
miselici Menschen Hestim:m,n geti des max.makn Sauere »ff -
bmdimgsx ei ttn>gens und de r Gase |;n ui.c,sjjpg*^n Blute de r
Armvche ansgeinhii. Zu du: WmiJuti J.ente der Bar¬
er e f t - 11 a I d a n e sJu \pparat zur Bl ügasbcs'.immir g.
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Original fro-m
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1763
der sehr handlich ist, gute Resultate gibt und es gestattet,
mit sehr geringen Blutmengen (1 ccm) zu arbeiten (Demon¬
stration des Apparates). Zur Hämoglobinbestimmung diente
die H a 1 d a n e sehe kolorimetrische Methode, bei der das
Hämoglobin in CO-Hämoglobin umgewandelt und mit einer
CO-Hämoglobin enthaltenden Teströhre verglichen wird Die
Fehlergrenzen dieser Methode übersteigen — eine gewisse
Uebung vorausgesetzt — nicht 2 Proz.
Sowohl bei normalen Personen als auch bei schwer oder
leicht anämischen stimmten die gasanialytisch gefundenen
Werte durchaus mit denen überein, die man aus dem Hämo¬
globingehalt berechnet. Ein vermehrtes Oa-Bindungsvermö-
gen des Hämoglobins, wie es von einigen neueren Autoren an¬
genommen wird, liess sich selbst bei schweren Anämien nicht
nachweisen. (Versuche an 18 Anämien.) Ebensowenig konnte
in 2 Fällen von Polyzythämie ein vermindertes Oa-Bindungs-
vermögen gefunden werden.
Versuche mit ungesättigtem Blute aus der Armvene zei¬
gen, dass bei Anämien erheblicheren Qrades in der Regel eine
stärkere prozentuale Ausnutzung des Sauerstoffs sich findet,
als beim normalen Menschen. In einigen ganz schweren
Fällen war das Blut der Armvene fast sauerstofffrei, während
beim normalen Menschen (unter bestimmten Bedingungen in
28 Versuchen) meist nur etwa des vorhandenen Oa aus¬
genützt wird. Immerhin konnte die verstärkte prozentuale
Ausnutzung des Oa nicht in allen Fällen von Anämie beobachtet
werden,
Ein vermehrtes Oa-Bindungsvermögen kommt also als
Kompensationsvorgang bei Anämien nicht in Betracht. In
vielen Fällen liegt eine bessere Ausnutzung des Sauerstoffs
bei Anämischen vor. Als wahrscheinlich wichtigstes Moment
dürfte aber wohl eine Beschleunigung des Blutstroms eine
genügende Versorgung der anämischen Gewebe mit Sauerstoff
garantieren.
Die Methode soll auch auf die Untersuchung dyspnoischer
Menschen Anwendung finden.
(Der Vortrag wird an anderer Stelle ausführlicher er¬
scheinen.)
Diskussion: Herren Neumann, Plenge, Cohnheim,
Röhmer, Morawitz.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. Juli 1908.
Herr v. S t a r c k berichtet zunächst über 2 Fälle von Megacolon
congenltum. Der 1. Fall betrifft einen jetzt 10 jährigen Jungen, welcher
im zweiten Lebensjahre mit den typischen Symptomen der Krankheit
in Behandlung kam, der 2. ein jetzt 22 jähriges junges Mädchen, das
sich vor 10 Monaten in Behandlung begab, ln beiden Fällen be¬
standen seit der Geburt Schwierigkeiten der Stuhlentleerung derart,
dass überhaupt nur durch energische Einläufe Stuhl erfolgte, Abführ¬
mittel so gut wie wirkungslos waren. Der Leib war im allgemeinen
sehr stark aufgetrieben, namentlich in der unteren Partie; dort traten
häufig unter erheblichen Schmerzen auffallende peristaltische Be¬
wegungen auf, wobei sich zugleich ein in seiner Form und Ausdehnung
der Flexura sigmoidea entsprechender Tumor vor wölbte und sich
steifte, ein ähnliches Bild bietend, wie die Magenperistaltik bei dem
Pylorospasmus congenitus. Bei der Klystierung entleerten sich grosse
Massen übelriechenden Stuhles. In Fall 2 verglich die Mutter den
Erfolg der Klysmata mit der Entleerung einer „Schlammkiste“. In
diesem Fall hatte das Leiden die ganze Entwickelung des Mädchens
erheblich beeinträchtigt. Mit 2Vs Jahren musste dasselbe noch ge¬
fahren werden und lernte erst mit 4 Jahren laufen. Die Schule konnte
später nur unregelmässig besucht werden. Jede regelmässige Tätig¬
keit war noch bis vor wenigen Monaten unmöglich, da die täglich
einsetzenden starken Schmerzen hinderten und der häufige Abgang
höchst übelriechender Flatus den Aufenthalt in fremder Umgebung un¬
möglich machten. Das Mädchen war von Geburt an in Behandlung;
aber der Zustand blieb im wesentlichen derselbe. Mit 21 Jahren be¬
trug die Körperlänge 1,45 m, das GewichV 37,5 kg.
Durch vegetarische Diät, tägliche Massage und Faradisation des
Leibes (entsprechend dem Verlauf des Kolon) regelmässige, zunächst
tägliche Ausspülung und Darreichung von Styracol wurde in
9 Monaten ein sehr günstiger Erfolg erzielt, so dass die Patientin
völlig verändert war. Die Auftreibung des Leibes war gering, eine
abnorme Peristaltik und Vorwölbung der Flexur trat zwar häufig
wieder auf, aber ohne Schmerzen zu verursachen; die Gasbildung
war gering, eine Ausspülung wöchentlich genügte, sonst erfolgte der
Stuhl von selbst; das Körpergewicht stieg auf 42,5 kg; die Menses,
welche bisher zessiert hatten, traten auf. Patientin fühlt sich förmlich
dem Leben wiedergegeben. In Fall 1 wurde durch eine ähnliche
Behandlung ebenfalls ein sehr befriedigender Erfolg erzielt, und ist
es gelungen, durch Diät und lange fortgesetzte Massage ebenfalls eine
einigermassen regelmässige Stuhlentleerung durchzusetzen, der nur
ab und zu durch Darmspülung nachgeholfen werden muss. Der
Kranke hat sich in normaler Weise körperlich entwickelt.
Herr v. S t a r c k hält sodann den angekündigten Vortrag
„Ueber die basophile Granulation der Erythrozyten im embryo¬
nalen Blut und bei anämischen Zuständen“ (wird a. a. Ort ver¬
öffentlicht).
Herr H. Schade: Zur Entstehung der Harnsteine. (Mit
Demonstrationen.)
Vortragender berichtet über Versuche zur künstlichen Her¬
stellung harnsteinähnlicher Gebilde aus dem Harn und aus
wässerigen Lösungen. Es ist ihm gelungen, zu zeigen, dass
bei gleichzeitiger Fällung von kristalloiden Stoffen und bei-
gegebenen- Kolloiden in der Flüssigkeit Konkremente entstehen,
welche nach Durchgang durch ein plastisch-weiches Stadium
bis zur Steinhärte fest werden, welche in ihrem Aufbau gleich
den Harnsteinen ein organisches Gerüst und konzentrische
Schichtung aufweisen. Dieselbe Entstehungsart kommt nach
dem Vortragenden' auch den natürlichen Harnsteinen zu. Nähe¬
res siehe die ausführliche Publikation gleichen Titels, welche
demnächst in dieser Wochenschrift erscheinen wird.
H. S c h a de: Ueber das Sichtbarwerden der Venen bei der
Durchleuchtung.
Nähere Angaben wird die demnächstige Veröffentlichung
(in dieser Wochenschrift) enthalten.
Medizinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 16. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr Ri ecke.
Herr Perthes berichtet über die in der chirurgischen
Universitätspoliklinik von 1903—1908 mit unblutiger Reposition
der kongenitalen Hüftluxation gemachten Erfahrungen. Von
36 Fällen, deren Behandlung abgeschlossen ist, wurde bei 17
ein anatomisch und funktionell vollkommenes, bei 4 weiteren
ein funktionell gutes Resultat erzielt. Die 15 Misserfolge be¬
ruhten auf Reluxationen oder vorzeitiger Unterbrechung der
Behandlung durch törichte Eltern. Mehrere, vor 4 und
3 Jahren reponierte Fälle werden mit vollkommen normaler
Funktion vorgestellt und an den Röntgenbildern gezeigt, wie
das Hüftgelenk nach gelungener Reposition auch bei ursprüng¬
lich flacher Pfanne sich zu vollkommen normalen Verhältnissen
umformt. Zur Verhütung von Reluxationen ist die Kontrolle
der Stellung des Femur in dem Verbände mittels Röntgeno¬
gramm besonders wichtig. Hinsichtlich der Technik wurden
in letzter Zeit mit Vorteil die Vorschriften von Bade-
Hannover befolgt.
Herr Eber spricht über den Tuberkelbazlllengehalt der
bi Leipzig zum Verkauf kommenden Milch- und Molkerei¬
produkte. (Der Vortrag erscheint a. a. O.)
Aerztlicher Verein München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 18. März 1908.
Herr Klar zeigt ein Röntgenbild: Gichtische Erkrankung der
Bursa subdeltoidea (vermutliche Niederschläge harnsaurer Salze).
Herr Crämer: Bericht der Schulkommission über deren
Tätigkeit im Jahre 1907.
Die Schulkommission des ärztlichen Vereins hat im Jahre 1907
4 Sitzungen gehalten, davon eine gemeinschaftlich mit den Herren
Gymnasialprofessoren.
In der 1. Sitzung vom 16. III. wurden die Reformvorßchläge.
welche mit einer Reihe von Gymnasialprofessoren beraten und be¬
schlossen waren, fertiggcstellt und beschlossen, diese Vorschläge zu
veröffentlichen und dem Ministerium vorzulegen. Beides ist ge¬
schehen, die Presse hat sich zum Teil in ausführlicher Weise mit
unseren Vorschlägen befasst.
In der gleichen Sitzung hielt Bergeat einen sehr interessanten
Vortrag über das Reformgymnasium, der in erweiterter und umge¬
arbeiteter Form von Rommel im ärztlichen Verein gehalten für
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1764
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N n. M
eine Petition an die beiden Häuser des Landtags als Grundlage
diente, in welcher wir unsere Leitsätze für die bessere körperliche
Ausbildung der Mittelschuljugend und die gemeinschaftlich mit den
Professoren beratenen Reformvorschläge unterbreiteten.
In der gemeinschaftlich mit den Professoren gehaltenen Sitzung
vom 27. Mai wurde die Frage behandelt, warum kommen manche
Kinder in der Schule nicht vorwärts? Zwei Referenten (Prof.
Stählin vom Maxgymnasium und l)r. Uffen lieime r) haben in
gleich ausgezeichneter Weise die Frage zu lösen gesucht. Pie beiden
Vorträge haben einen tiefen Eindruck hinterlassen, eine lebhafte
Diskussion schloss die interessante Sitzung.
Wenn wir für die Einrichtung des geschlossenen Vormittags¬
unterrichtes in unseren Reformvorschlägen lebhaft cingetreten sind,
so geschah dies in erster Linie deswegen, um auf diese W eise die
nötige Zeit fiir die Durchführung der Jugendspiele, für eine aus¬
giebigere körperliche Ausbildung der Mittelschule zu gewinnen, die
sich bei den geradezu beschämenden Zahlen, w elche die Tauglichkeit j
der Mittelschüler für den Militärdienst aufweisen, als unaufschiebbar
und absolut notwendig herausstellt. Die bisherigen Ergebnisse des
Vormittagsunterrichtes können nach Mitteilungen der Schulmänner
nur als günstig bezeichnet w erden.
Die Sitzung vom 2. VII. war den Ergebnissen der Enquete ge¬
widmet, die für uns deswegen von so ausserordentlicher Bedeutung
sind, weil sie es uns ermöglichen, unsere hygienischen Reformvor¬
schläge auf Tatsachen aufzubaucn.
Die Notwendigkeit der Abordnung eines praktischen Arztes in
den obersten Schulrat macht sich gerade im Hinblick auf diese Er¬
gebnisse mehr und mehr geltend.
Die Aussichten scheinen jetzt, nach den Aeusserungen des Herrn
Kultusministers in der Kammer zu schliessen, günstiger zu sein
wie früher, wenn auch die Berufung eines Arztes in den obersten
Schulrat im Hauptamt vorerst noch abgelelmt wurde. Wir Aer/te
müssen unter allen Umständen einen grösseren Einfluss in der Schule
gewinnen, als dies bisher der Fall, sollen die Missstände, welche viel¬
fach sich zeigen, allmählich beseitigt werden. Es wird grosser Ge¬
duld, grosser Ausdauer und angestrengter Arbeit bedürfen, wenn
wir dieses Ziel im Laufe der Jahre erreichen wollen.
Den Schluss unserer Beratungen bildete am X XII. ein sehr
interessanter Vortrag von Bergeat über den Kirchenzwang vom
hygienischen Standpunkt aus. dessen Bedeutung am besten daraus er¬
hellt, dass die Tagespresse ausführlich davon Notiz genommen hat.
Herr Grassmann und Herr Dörnberger: Ergeb¬
nisse der Umfrage der Schulkommission über die hiesigen Mit¬
telschulen.
Herr Grassmann berichtet über die hauptsächlichsten Ergeb¬
nisse der Umfrage, welche durch die Schulkommission des ärztl. Ver¬
eins von 1905 bis 1907 an fast allen hiesigen Mittelschulen veranstaltet
worden ist und zwar speziell über jenen Teil der Umfrage, welcher
sich auf 5 hiesige humanistische Gymnasien bezieht. Die Umfrage
verfolgte besonders die Absicht, die ausserhalb der Schule, im Eltern¬
haus oder in der sonstigen Unterkunft des Schülers gelegenen, auf
den Schüler cinwirkcndcn hygienischen Faktoren zu untersuchen, also
zum Beispiel die Zeit und die Dauer des Schlafes, der Mahlzeiten, die
häuslichen Arbeitszeiten, das Mass und die Art der körperlichen Be¬
tätigung usw. Redner setzt die technische Einrichtung der grossen
Umfrage, welche mittelst Fragebögen vorging, auseinander und be¬
spricht eingehend die Massrcgeln, welche zur Gewinnung eines mög¬
lichst einwandfreien Materials angewendet worden sind. Bezüglich
der 5 Gymnasien wrnrden von über 3.J00 Arbeitstagen genaue Auf¬
zeichnungen der Eltern hc/.w. der Schüler gewonnen. Die hinsichtlich
der Schlafzeiten berechneten Zahlen, welche wie die späteren durch
zahlreiche Tabellen veranschaulicht wurden, zeigen, dass im allge¬
meinen ein erhebliches Manko betreff der Schlafzeiten nicht vor¬
handen, sondern die Schlafdauer im allgemeinen befriedigend ist,
selbst auch noch in den oberen Klassen. Auch über die für den
Schulweg und Kirchenbesuch verwendete Zeit wurden Unter¬
suchungen angestellt. Den Hauptteil der Arbeit bildet die eingehende
statistische Feststellung der häuslichen Lernzeiten an einem aus allen
möglichen Qualitäten gemischten Schülermaterial, welche allerlei
interessante Aufschlüsse lieferte, namentlich hinsichtlich der Ver¬
teilung der geleisteten Schülerarbeit auf die verschiedenen Abschnitte
des Arbeitstages. So spielt zum Beispiel die vor dem Vormittags¬
unterricht geleistete Arbeit durch alle Klassen hindurch eine relativ
recht geringe Rolle, während — und das ist ein bedenkliches Symptom
— die in den Nachtstunden geleistete Arbeit einen mit dem Hoher»
worden der Klassen immer mehr ansteigenden Prozentsatz der ganzen
Tagesarbeit ausmacht, in den obersten Klassen bis 1 n des ganzen
Arbeitsquantums! Die faktisch geleisteten Arbeitsstunden ergaben
sich in ihrem Mittel viel höher als sie unsere Schulm dmmg annimmt.
Auf die schulfreien Tage entfällt ein viel zu hoher Prozentsatz der
geleisteten Wochenarbeit. Pie sogenannte freie Zeit ist. wie die Er¬
hebungen aus 4 öS Zählwochen ergaben, in ziemlich hohem Gnade
durch Nebenstimden beschlagnahmt. Betrüblich waren die Ergeb¬
nisse. welche über die kornerliche Betätigung der Sclmler ausserhalb
der spärlichen offiziellen Turnstunden (in E’orm von Turnen. Sport,
Spaziergängen etc.) gewonnen wurden. In den mittleren Klassen iiess
ein grosser, in den obersten Klassen ein sehr grosser Prozentsatz
der Schüler eine solche körperliche Betätigung überhaupt vermissen.
Die hier festzustellenden Zahlen liefern eine Illustration zu der be¬
kanntlich hohen Mihtärdienstimtauglichkeit unserer (i\mnasiasten.
Redner schloss mit der Konstatierung, dass das Maus seiner Autgabe.
an der körperlichen Ausbildung der Sohne nntzuarbeiten, bisher nicht
gerecht wird. Der gegenwärtige Arbeitstag muss aber aush seitens
der Schule ganz erheblich modifiziert werden, wenn er die heutige
Forderung einer besseren korpe rhebeit Ausbildung unserer Mittel*
schuldigend in wirksamer Weise in ndi m>ch auinehmen s<.!l.
Betreff aller Einzelheiten, besomiets der statistischen Unterlagen
der Ergelmise der Umfrage, verwies Redner auf die demnächst mi
Druck erscheinende grosse re Bearbeitung der l mit nee.
Herr Doernbcrger: Der Vortragende hatte insgesamt Eil
brauchbare Bogen (_Nn7 Tage) \on Ido /...gimgen zu betirteben.
Es handelte sich um Sclmler des Rea!gv rnnasiums. Rade tte ukorps.
| der Realschulen, der Knabeuhuude Iss Jude, um Besucherinnen vier
Riemersclmudscheti Handelsschule, der I .eh re rinnen bi Thing saust
der Mädcheiig\nmasialkurse. der f raiienat heitsschu!e. der stadt.
holleren Tochtersehule und \ erschiedener pri\ater M.idcheninstitute.
Da auf die verschiedenen Schulen oft mm wenige I r hebunesu < >c len
treffen, können grosse Debersichtsstatistiken nicht gewonnen werde”,
wohl aber zum -Massige Stichproben. Einblick in das l eben vier Ein¬
zelnen ausserhalb der Schule, ie muh de»! Zweck und den be¬
sonderen Anforderungen derselben. Die genaue zableum.iss — e Dar¬
legung der gewonnenen I mdnicke bleibt einer baldigen grosseren
Veröffentlichung \ orhi halten. Verschiedene Znsnnmu nba”ee und Ein¬
zelheiten. w ie Sc h'afzelten. Sonntags-. brüh-. Abend- und Nu-chiuHuu*.
Einfluss des nahenden Abs.ilup.r mms. körperlicher Eebimg um! Er¬
holung gewidmete Stunden etc., wmleii besprochen und au I ibe’Vn
und farbigen Taieln (nach Pat/aks Vorbild) erklärt. De Seid.E-
dauer zeigte sich. v.»n einigen MimmV/eiten ab/esrh» n. Iw b o d:ge”J
und betrug im Mittel bei Real- und ll.mdr ! ss v hubm. bei s Jl V'r'”r:i
der städtischen und pri\ at< n 'I ocMf isvluu ii ö 1" n. bei »best p
Mädchen zum Teil sogar In II Stunden, bei den übrigen Kategorien
K <) Stunden.
Pas Piirchschnittsmass der häuslichen I ern/eit überstieg bei
einer Reihe von Schülern und Schülerinnen, und zwar auch begabten,
die vor geschriebene und beabsichtigte Norm. s..W' !il im W -■ Jten-
diirchschmtt als an einzelnen Tagen, was an einer \”/.t!il \ op Bei¬
spielen bewiesen w irel. An Sonntagen. Vittw och-: mal Samstag tM v $t*
rnittaeen w inl in Be einträchtigung körperlicher und genüget Erlio'nng
verhältnismässig viel gear beitet. Zuweilen findet sich bedenkliches
Erstrecken eler Aufgal'euferfrguug bis m den sp •ten \heud und in
die tiefe Nacht, sowie Anhäufung Mm f> 7 ur’d tu»-)ostamh-.ern Stu¬
dium an einzelnen Tagen. Wo ungeteilter Unterricht emeetuhrt ist.
sind die Nachmittage oft sehr mit I et neu aus. e »• t, a's » picht zweck¬
entsprechend verwertet. Im allgemeinem ze igten m» )i elie durch-.
schiiittlis.il geringeren I.ern/eiten bei den nicht einen Berui. si.iideni
allgemeine Bihlung uml Erziehung erV-ehen Um V.i !Jtrt»sJiM ! i:i um!
der K nabenhanelelssclmle. höhere bei den Re-ilmh -» rn den Rea’-
g\nmasisten und den Mäeichen, welche auf e nun znk -nfp n n Be mi
hinarheitcn. Neberiheschaftieu”gen Pehmen nicht mv-'or. i.-doch h.n’ g
viel der gebotenen freien Zeit weg. Uur K"r , 'i , ’\he Ue-htm-en ist.
von rühmlichen Ausnahmen a 1, gesehen. zu w e-mg Ze it \ orlt.inde u ode r
wird oft. wo sie vorhanden, nicht aimee nutzt. Auch ehe Sna Her¬
gänge namentlich an Werkta-om. nehmen einen recht bg<cbe\!e !, en
Platz ön W’oelvnnlan ein S«-'bst ehr Sonntag ist in häimg n\-bt
arbeitsfrei. Schulwege- so- | nicht a’s E'ho'nng zu bet r achteft. E'U
Teil der Sc lmler und Se l'uh rmorn w r iss e'Vrdtng* m am'hrr.d. trotz
vie len Studiums Zeit mr U«:FPe- r V h,> K f afp.-img efn r ch S”ie’ und
W’amlerimg zu finden. Eltern und 1 <hur sollten ein. srs Streben for¬
dern. Vor allem sollte bei Kr ■•■kUi-hem B'utjrmin bes..-d.-'-s, d. mm
Weiblichen Geschle chts, di,* gesnmPu ohe f .o deHi''-' <b u S. hul-
pfliehten uml der Beschäftigung nur MiisT I rktnre n”d Hand.o ’h -ivi
vorge-hen. Verständnis inr ehe arM’On- E'orde r u”g n.u h ente-r Ein-
feilimg um! Nutzung eler ge-bofem-n um! Gew akrim" w eite. r\ r freier Zeit
für leibliche Pflemc unel E' r /ie-)im’a jst von e!en Ehe '” zu vemince-n.
von der Sclmlhehnrde* mogbclmte Verminderung d-r b.ieGighe” Auf¬
gaben fiir iliescn Zweck.
Aus den franzQsischen medizinischen Gesellschaften.
SocI6t6 de Chirurgie.
Sitzung v o m du. M a i E>* m,
Die Typhusperfnrationen.
Michail \ Emst mvftmals d;e Ergebnisse eh r (>pvra::oMs- C \:i!-
tate. wie sie elie ausgedehnte I ns’- nssioti gy/e ha*, /nvomm n u r 'd
fand SU Todesfälle auf ie 1"" t »pc a’i--m. n : ■ r m W : - e it ist
diese Proportion nicht elie ri c’r-gc. ela in ie- ld \ m d ” 1 u nur
die Probelaparotomie ge' 1 a J't wurele. die He -ä:ng d-. * p. ”• • •♦. .
er gibt also mir s Proz. Im \usiar(4y (ijWP*se r, ia'h 1 . i. i : -|
elie Gperatioiise-rfolge bessi re. mit etwa Jä P: /. He zo g. zu s. a.
Eine zweite Sc hiiissf. dgerrmg erg;!-! viJi aus d-. n matgetc. Ten I at-
saclien: es gibt eine Reihe vm !’rk r aräa n. äj Sv in ib’eä '-o"-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18. August 1908.
MUENCHfiNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1765
ptomen die Typhusperforation Vortäuschen. Sehr oft ist deren Dia¬
gnose, wenn auch manchmal leicht, mit grossen Schwierigkeiten um¬
geben. Die Laparotomie ist jedesmal dann angezeigt, wenn die Per¬
foration mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit zu bestimmen
ist; sie muss dann möglichst bald ausgeführt werden, da trotz einiger
bei Spätoperation konstatierter Erfolge dieselben um so wahrschein¬
licher sind, je früher der Eingriff ausgeführt wird. Die mediane
Laparotomie ist die Operation der Wahl und die Nähte und Verschluss
der Perforation werden je nach den Umständen wechseln.
Sitzung vom 10. Juni 1908.
Behandlung der Olekranonfrakturen.
Lucas-Championniere hebt, wie schon wiederholt bei
früheren Gelegenheiten, hervor, dass man zu oft bei den Frakturen
des Olekranon mit Immobilisation behandle; zumal sei dieselbe in
Extensionsstellung schädlich. Auch die Behandlung mit Naht sei nicht
gut gewählt, da die Fraktur des Olekranon keineswegs jener der
Patella gleiche und nicht, wie bei dieser eine ligamentäre Zwischen¬
lagerung entstehe; ausserdem ist das untere Fragment viel besser
ernährt. Die Kontraktur des Trizeps zieht das Olekranonfragment
nach oben und hält es hier, welches auch der angewandte Apparat
und die dem Kranken gegebene Stellung sei. Die Massage ver¬
mindert diese Muskelzusammenziehung und ermöglicht so gleichsam
spontane Reposition der Fraktur. Die Wiederherstellung nach Naht
vollzieht sich langsamer als nach Massage.
R o u t i e r hat vor Kurzem eine verkannte Olekranonfraktur mit
Massage behandelt und die Resultate waren vorzügliche, obwohl die
Frakturenden sehr weit von einander abgestanden sind und die Be¬
handlung erst 1 Monat nach dem Unfall begonnen hat.
Quönu glaubt, dass die Knochennaht bei Fraktur des Ole¬
kranon ebensogute Resultate gebe wie bei Fraktur der Kniescheibe,
obwohl sie beide ganz verschiedener Art seien, und dass die durch
diese Methode erzielte Konsolidierung ebenso vollkommen und so
rasch sich vollziehe wie nach Massage.
Morestin hält es für sicher, dass die Massage sehr gute
Dienste bei den Olekranonfrakturen und ausserdem bei allen Arten
von Gelenksfrakturen tut, wie schon seit Langem Champion-
n i £ re behauptet.
Broca möchte die Fälle unterschieden wissen: nur jene mit
hochgradiger Knochenverschiebung sind für die Naht geeignet.
D e 1 b e t ist derselben Ansicht und führt bei Fraktur der Basis
die Naht aus, und zwar im Gegensatz zu T u f f i e r, der nur das
umgebende fibröse Gewebe in die Naht einbezieht.
D e m o u 1 i n findet die grosse Bedeutung der Naht darin, einen
temporären Kallus zu geben, welcher frühzeitige passive Bewegung
ermöglicht und dadurch Muskelatrophie verhütet.
Championniere erklärt in seinem Schlussworte, man dürfe
bezüglich der Behandlung keine verschiedenen Arten von Olekranon¬
frakturen unterscheiden; die Entfernung der Frakturenden ist ohne
Bedeutung, denn sie verschwindet rasch nach einigen Massagen.
Acad6mie de m6decine.
Sitzung vom 2. und 9. Juni 1908.
Die Arteriosklerose, Ihre Pathogenese und Behandlung.
Lancereaux erklärt es in seiner längeren Abhandlung in
erster Linie für einen grossen Irrtum, dass die Arteriosklerose eine
Krankheit des Alters sei; sie komme vielmehr in den mittleren
Lebensjahren vor, am häufigsten -zwischen 40 und 50, aber auch
zwischen 30 und 40 und nicht ganz selten zwischen 20 und 30 Jahren.
Der Verlauf des Leidens ist um so rascher, je jünger der davon
Betroffene. Weder Alkohol- noch Tabakmissbrauch verursachen die
Arterienverkalkung, sondern vor allem die Gicht und die Bleiver¬
giftung Bezüglich der ersteren weist L. speziell auf die Rolle des
Nervensystems und den trophischen Ursprung der Arteriosklerose
hin. iMan sollte daher das Nervensystem der Kinder von Gicht r
kranken, welche an sich zur Arteriosklerose prädisponiert sind, in
günstigem Sinne beeinflussen.
Bezüglich der Therapie kommen vor allem 2 Mittel in Betracht:
Jodkali und Jodothyrin.
Die prophylaktischen Impfungen mit Tetanushellserum.
V a i 11 a r d widerlegt in längerer Ausführung die Einwände,
welche gegen die praktische Bedeutung der Schutzimpfung mit diesem
Serum gemacht wurden: die wenigen Misserfolge, welche vorge¬
kommen, bedeuten nur einen ganz geringen Prozentsatz im Vergleich
zu den tausenden von ausgeführten Injektionen und beweisen nur,
dass das Serum nicht immer und unter allen Bedingungen
prophylaktische Wirkung habe. Dasselbe hindert nicht die Keimung
und Reinkultur der gegen die Phagozyten geschützten Sporen, aber
es neutralisiert die entstandenen Gifte und bewahrt während der
Dauer seiner Wirkung den Organismus vor der Intoxikation, indem es
die Tätigkeit der Phagozyten erhöht und demselben die Sorge über¬
lässt, gegen den Bazillus, der sich in der Wunde entwickelt, zu
kämpfen. Da die Dauer der antitoxischen Wirkung ungefähr eine
Woche anhält, ist es wichtig, nach Umlauf dieser Zeit eine neue
Seruminjektion zu machen. Andererseits ist die oft vorgeschriebene
Dosis von 10 ccm offenbar ungenügend, man muss sie daher doppelt
oder dreifach nehmen. Auch in Fällen von ausgesprochenem Tetanus
ist das Serum indiziert: meist macht es den Verlauf der Krankheit
gutartiger.
Le Dentu ist, wie Vai 11 ard, überzeugter Anhänger der
Serumtherapie des Tetanus, sowohl in prophylaktischer wie rein
therapeutischer Beziehung.
R e y n i e r erklärt die präventive Anwendung, ohne sie be¬
kämpfen zu wollen, für weniger wirksam beim Menschen wie bei
Tieren. Man kennt gegenwärtig in Frankreich 19 Fälle von Tetanus,
die trotz präventiver Injektion vorgekommen sind, und im Auslande
25 weitere Fälle. Diese Misserfolge hängen offenbar damit zu¬
sammen, dass das Serum keineswegs bakterizid, sondern nur anti¬
toxisch wirkt und die durch das Serum übertragene Immunität nur
von kurzer Dauer ist. Man muss daher Monate lang alle 8 Tage die
Injektion wiederholen. Der Tetanusbazillus kann nämlich 10 Monate
lang in den Geweben lebend verweilen. Uebrigens ist die Serum¬
therapie durchaus nicht unschädlich: Zufälle wie Fieber, Erythem,
Urtikaria, Arthralgien können Vorkommen.
Sitzung vom 16. Juni 1908.
Tuberkulose der Wäscher ln der Bannmeile von Paris.
Landouzy zeigt die Häufigkeit der Tuberkulose bei den
Wäschern der Umgebung von Paris; sie infizieren sich mit der
Wäsche der Tuberkulösen, dann eriolgt die Ansteckung der Familie
und der Wohnung, so dass das Quaitier für ständig infiziert bleibt.
Dies wird so lange der Fall sein, als die Tuberkulose nicht anzeige¬
pflichtig und die unmittelbare Folge Desinfektion der Wohnung ist.
Lancereaux hebt die Rolle des Alkoholismus in der Aetio-
logie der Wäschertuberkulose hervor: da der Verschleiss der
alkoholischen Getränke ein absolut freier ist, lassen viele Wäscherei¬
besitzer jeden Tag ihre Arbeiter 40—50 Centimes für alkoholische Ge¬
tränke, die sie ihnen verabreichen, zurücklegen.
Lereboullet wünscht obligatorische Anzeigepflicht der
Tuberkulose; das Familienhaupt, der Zimmervermieter oder der Haus¬
herr haben die Anzeige zu machen; die Rolle des Arztes wäre, die¬
selbe zu bestätigen.
Chantemesse glaubt auf Grund persönlicher Nachforschung,
dass die Tuberkulose bei den Bleiarbeitern ebenso häufig wie bei
den Wäschern ist.
Aus ärztlichen Standesvereinen.
Aerztficher Bezirksverein Nürnberg.
Si t z u n g vom 27. Juli 1908.
Von den Einläufen, die der Vorsitzende bekannt gibt, ist von
grösserem Interesse die Bitte des Vorstandes der Polygraphenk’asse,
der Bezirksverein möge ein Mitglied ihm zur Seite geben, das bei
der Erteilung der Erlaubnis, künstliche Zähne auf Kassenkosten fer¬
tigen zu lassen, die Kasse mit seinem Rat unterstütze; es geschieht so;
der Vorstand der gleichen Kasse beschwert sich über Verordnungen
teuerer Heilmittel an Stelle gleichwertiger billiger.
Zwei Ehrengerichtsbeschlüsse waren zu verbescheiden. Gegen
einen Kollegen war ein strafrechtliches Verfahren wegen fortge¬
setzten Versuches der Abtreibung eingeleitet worden; das Verfahren
war wieder eingestellt worden, weil hinreichende Verdachtsgründe
für die verbrecherische Absicht fehlten. Das Ehrengericht glaubte
solche Verdachtsgründe hinreichend zu haben. Der Kollege entzog
sich der Ausführung der vom Ehrengericht erkannten Strafe durch
Austritt. Die Mitglieder des Bezirksvereins werden den beruflichen
Verkehr mit dem Kollegen abbrechen. Im Anschluss an diese Mit¬
teilung wird die Unzulänglichkeit unserer Ehrengerichtsordnung be¬
tont; es sind Schritte zu ihrer Reform bereits eingeleitet.
Einem weiteren Herrn, der sich zur Aufnahme in dtn Bezirks¬
verein gemeldet, wird die Aufnahme verweigert, weil er einen Ver¬
trag mit einer Gesellschaft zur Errichtung von Heilstätten für Bein¬
kranke G. m. b. H. geschlossen hat; ein Vertrag mit einem derartigen
rein geschäftlichen Unternehmen ist an sich unwürdig; der Vertrag
enthält ausserdem standesunwürdige Verpflichtungen, z. B. die Ver¬
pflichtung das Geheimnis der Behandlung zu bewahren u. a. m.
Der Bericht über den Aerztetag in Danzig wird entgegenge¬
nommen. Unser Dringlichkeitsantrag — Aufhebung der Karenz be¬
treffend — ist von unseren Delegierten aus Zweckmässigkeitsgründen
nicht zur Abstimmung gebracht worden; es wird dafür Indemnität
ausgesprochen mit dem Zusatz, es solle der Antrag rechtzeitig auf¬
genommen werden, um auf dem nächsten Aerztetag auf die Tages¬
ordnung zu kommen. Das Verhalten der Münchener Abteilung für
freie Arztwahl wird in der Debatte scharf kritisiert.
Es besteht die Absicht hier eine Schulzahnklinik zu errichten;
der Plan war unentgeltliche Behandlung aller Schulkinder. Der
ärztliche Bezirksverein glaubte sich mit dem Gegenstand, obwohl
derselbe den Verein nicht direkt angeht, beschäftigen zu müssen,
weil zum ersten Mal die von Aerzten ausgeübte sozial-medizinische
Fürsorge nicht auf Konstatierung einer Erkrankung, auf den Rat
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1766
MUENCHENEß MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .tt
einen Arzt aufzusuchen, sich erstrecken solle, sondern die Behand¬
lung einbegreife; da möglicherweise der Schulzahnklinik andere Kli¬
niken folgen könnten, so wäre eine wesentliche Beschränkung der
freien ärztlichen Tätigkeit zu befürchten. Dr. Frankenburger
reierierte an der Hand von Leitsätzen, die ausdriieken. dass eine
Verbesserung der Zahnpflege bei den Schulkindern entschieden wün¬
schenswert sei; sie solle aber bewirkt werden durch intensive Be¬
lehrung, durch regelmässig sich wiederholende Untersuchung. Die
Behandlung der Krankheiten überhaupt sei nur insofern Sache der
Allgemeinheit, als diese für die Möglichkeit kostenloser Behandlung
Unbemittelter zu sorgen habe; am besten geschehe das durch eine
städtische Poliklinik oder durch städtische Unterstützung einer pri¬
vaten Poliklinik. Die Besprechung der Leitsätze wird vertagt.
Ein Antrag des Rechtsschutz Vereins: der Bezirksverein möge in
Form einer Kommission den Rechtsschutzverein einverleiben, wird
angenommen. Dem bisherigen Rechtsschutzverein gehörten etwas
mehr als der Mitglieder des Bezirksvereins bereits an; der Verein
hatte sich, nachdem er mit einem Inkassobureau in Verbindung ge¬
treten war, gut entwickelt und zufriedenstellende Resultate erzielt;
eine dauernde wirksame Tätigkeit schien aber nur möglich, wenn
durch Einverleibung in den Bezirksverein alle Aerzte ihm angehörten.
Die Versammlung verbot den Aerzten des Bczirksvereins. sich
in das vom D i c k e r sehen Verlag herausgegebene Telephonver¬
zeichnis aufnehmen zu lassen.
Die Gemeindekrankenkasse teilt mit, es lasse sich die Aufstellung
von Kontrollärzten wegen der Zunahme der Krankengelder nicht
mehr umgehen. Die Versammlung ist gleichfalls dieser Meinung und
gibt ihre Zustimmung zu einigen — die Organisation der Kontrolle
betreffenden — provisorischen Vorschlägen, die die Grundlage zur
Beratung eines definitiven Entwurfs bilden sollen; aut diesen wird
später einmal zurückzukommen sein.
Eine angebliche Liberalität der Aerzte in Gewährung von Land¬
aufenthalt vcranlasste die hiesigen Unterstiitzungskassen zu dem Vor¬
schlag, es solle der Arzt zukünftig ein Zeugnis über die Notwendig¬
keit des Landaufenthalts im einzelnen ausstellen und dafür vom
Patienten Honorar verlangen. Der Vorschlag wird abgelehnt; es
wird den Kassen anheimgegeben, bei Landaufenthaltsbegutachtungen,
die ihnen ungenügend begründet erscheinen, sich an die Kontroll¬
kommission zu wenden.
Einige Mitteilungen aus Krankenkassen erfolgen. Man klagt
über bureaukratische Verwaltung der Gemeindekrankenkasse.
Dr. Mainzer.
Verschiedenes.
£5b eS ttitfcltd) fei/ bafl ein Sttetifd) feinen epgenen/ eber aud)
wc\ frembben 4jarn roiber bie b6fe ?ufft trinfe?*)
2$ammt tmnb aubtrt Gemeine $?entf) tri liefen in 'iVtTBeiten ttftdttmt .*>ani
ober Tcft vnnb fveroen fidv baf? ttarfi etlicher poi^eben am 1 > ein fcirtv Gerinn
Mittel ber üßibevftanb fftttu maa mir <roie id> bartür halt) bamit üe ben
0ecfel anbere Mittel ,pi Muffe», nidvf anfpred'en fonbern wie jbr 'Tiehe bemn
ftinefenben Kotf) bleiben bbrffen. Ob nun ml etlid'e fcuift fnvnebme Autlmres
ben Vrin, Jparn ober Tfß ratben fo fennb fie bod> uit einiG roa* ef für ein
Vrin femi feile bann Marsilius Ficinus c.$. rebet ton bem Vrin ineaemeui
Philipp. Ingrassias ratbet ben Knaben .»>arn Jacob. Hollerius beü 'Tfenid'en
fo jbn brauchen will enteilen Ä*aru etlid'e junqere <n>ie Massarias be^uaet»
and) mol benjeniGen Öarn ber oou einem 'Defhudunirn fompt Averroes onb
Avenzoar ben Torfityat;» ben Knaben^.varu loben Dioscorides, Matthiolus,
Weckcrus, Salustius, Salvianus onnb etlid'e meiiiGe niebv. Vinbere fennb
mit bem eiufud>eu Jpavn/ wie er oom SWenfd>en ober 5hier fompt uit pifriebeu
fonbern rooUen ben biftillirten baben. Rudolphus (ioclenius Junior in
35ud)Iein 2öeifi onb 2f?eiv ffd> für ber T'eftilenn bewahren, Galen, lib. io.
de simpl. med. facult. erbtet felbft bau oiel Veutb in £m*ieii ihre entieiie
jparn ober Malier gftvuncfeii onb ftd> miber bie J>efl aefduint pi haben rer*
meintet, £in fbniniüfrigrtf er^eblet and' Rondeletius, onb Henric. Ranzovius
fpnebt er f>«b oon oielen alten Gebäret baf? ber 'SKcnfthen »am nit allein miber
bie fonbern and) miber anbere Krancfheitrn für ein mmlid' ^J?itrel Gehalten
roorben fett . . . teilte Tttpnung ifl bafi poar ber »am roeaen fennee ^aineb
roürme onb Zvwfnti beoorab manu er oou einen grfmibrii onb uoar jnnaen
Statfdwi Fompt etroati mürefen F 6 mte. 1>aber and* Herrn. Follin. in feinem
Amuleto Antoniano lib. 2. c. 9. fdueibt: Wb An. 1557 . im Worfnmifd'en
(i)ebfetb brb Tibevlattbb befoitberö aber pi »oonavb eine Gftoalfiqe Teil war
bat ber biefed Ovtb bamaliae 'Dfarrberr onb ^eelenforaer fein anber 'Traferoatio
*) Wib: ÜöüvG=(?ngfl: Ton ber Teftilenn Tarnen Cfnqenfdmft Tr*
fad>en/ äeidten Traferoation Bufallen (fnration r. Tbcilb auf? Vornehmer
Theologorum, AÜrtv'fflid'cv Medicorum, Kluaer Physicorum, £innreid'er
'Doeten onb Terümbter Outifteu Erfahrner Politicorum, Trglaubtfv Histnri-
corum, Zuberer (gelahrten »rwltd'fii £üuifften: iMimruhrvo TLhmidMid'ni
mef? 6tanbtb ober TrofefTion er i|L in* onb auftevhalb 'Drftritm nuninh \\\
lefen: $f>eil$ auf? (JoGener dfriaftnmg. onb in ornYhirbrnen T'eililennen conti?
nuirter fteiftiafter Vluffnirvcfmifl: 3» 500 /vraaen Tfit befonberm ?viein turaebiibet
bnrdt tubtmg oou »6niiaF Jurium, Medicinac onb Philos. Poet. Comit.
Palat. Caes. wie and' Kauf, fo bann ,vürftl. 'i'falfi?Telbenn. onb Hraü. £oU
tnifdter 9tath. Avaucffurt am Ttaon Teo (ihriitoph Le Blon: 3>tt jahr
MDCXLIV.
alo feinen enqeueu .'Min aebramhet bannt er inh aiuh irber?eit fo oenoahvet
baf; ob er mol ben fterbeubeu mit allen ^reioeu beoaeiooimet lie aenbtlet 011b
mit ben Firmen ombfanaeu er bod> mit nuumialid'e? höd'iler Tenvunbe una
Gefunb blieben bio er enbluh einmal emioebev auf; Tevarünheit ober am; irol
fold'eo feoit 'i'raefevoatio nntenveaen aelaffen ba er bann aiuh alebalb von bei
Teil übereolet unb bimoea aernieu ivorben ul. Taf; aber bie'er l'iteiler bimh
ben Webraud' feine? eoaeueu .'>aiu* alio frafftia piüenmet imteil fdueibt
Follinus biefem tu baf; lelbiae 'i'eil b idManaen l'Mnt uh oeralied'en habe
miber toeld'eo oernu'ae bef; Pioscoridis 3n«nuif liö 5 c. $5 ba> -ialn
bienen thitt.
Zo laua aber bie Cfrfahruna uit besonnet baf; ber .'>arn mehr alf anbere Mittel
oermi'ae fo laua weite uh mit liier. Mcrcunali in beu moliied'enben imb
woltlarcfeubeu -))iittelu Gerat heu haben onnb ben K ühen iveuheu bte ^)uu^at =
uüf? nid't Gefallen ihr .fMlvvflroh lauen. I'. L.
Therapeutische Notizen.
Um operierten Extremi¬
täten nach der Operation
eine weiche und sichere
Unterlage zu gehen, hat die
(iummiw arentahnk Metzeier
( 5 c Co. in München das
riehen stehend ahge bildete
ha Ihk reist» »rillige Luit Kissen
konstruiert. Das operierte
Glied wird in die langlich-
ovale Oeftnung iles Kissens
gelegt und findet d'»rt eine
sichere und unverschiehliche lind doch angenehme Stiit/e.
Zur m e d i k a m e n t o s e n B e h a n d 1 u n g d e r Neur¬
asthenie gibt B 1 11 g - Basel einige hemerkensw erte Anhaltspunkte
(liier. Monatsh. 7 , Brom s«*11 nur da verurdnet werden, w<>
Rei/zustände das klinische Bild beherrschen. N"Gi vorsichtiger muss
man bei Verwendung soll C<»dein sein, d.is me langer ais 4 Wochen
gegeben w erden darf. Recht emptehlensw ert ist "lt der indische
Hanf, zw eckmassig m V erbindung mit tonischen Medikamenten:
Chinin, siiliur. 1 ."
Acid. arsemcos. n.'X» - <•.!
Lxtr. Cannabis ind. b .45
11t i. pilulae No. XXX.
Ein mächtiger Heiliaktor ist der Arsenik, der nur in kleinen
Dosen gegeben zu werden braucht (von den asiatischen Ihnen täg¬
lich 1 Muck /'» 2 mg). Das lasen verordnet man am besten in
Form der Fröschen Pilulae tomcae:
Ferr. lactic.
Fxtr. Chinae* aipios. ana 4 .o
Lxtr. mic. vomic. spmt. L“
Lxtr. Gentianae q. s. ut i. pil. No. Ion.
Von den Baldrianpraparaten ist zumal der Ba'dri.intlue emp¬
fehlenswert, am bestell in Form eines Kaitmiuses.
Recht gute Friolge zeitigt «»lt die l‘hospli..rdarmv.lumg, am
besten in Form des Natrium phosphoncum. J mal taga^h 1 Messer¬
spitze voll in Wasser oder Milch.
Bezüglich der Allgemeineruahriing des Neurasthenikers ist dar¬
nach zu trachten, dass der Patient tagsüber iedc Mur.öe eine Kiemu-
keit zu sich nimmt. I >as w ichtigste Naht ungsnuttel ist die Mi.Gi.
l leiscligericlitc und Scharfe Gewur/e sind aus dem >pusi-/ettel zu
verbannen. Alkohol-, Tabak- und 1 heegenuss sind mogaJist em-
zuschraiikeii. Kr.
Zur Therapie der ^ \ p h 1 I 1 s emphelilt S c li w a r / -
Koiistantinopel angelegentlk fl das ><■/<» jndol um h v drargv ri
(liier. M011.-Ileite b, (> s ). Lr xerordnet dasselbe in lhllen:
Sozojodol. hvdragvri
Fxtr. opn o.is
l > ulv. et extract. Lii|innt. q. s. ut f. pji.
No. .k>
D. S. d mal täglich n;idi der Mahizeit 2 MUek zu nehmen.
Die geringe ()piiimdosis wird nur bei der ersten t t|#natmn
liinzugeiiigt; sie wird spater w eggt lassen, wenn der Patient sich an
das Medikament gewohnt hat.
Sch. hat in dieser Weise 11 ber 1' ; u 1 Kranke behandelt, zum Teil
mit sehr schweren Erkrankungen, ade mit bestem f'mig.
Die Behapdüingsdaiier richtet si^h n.idi dein Zustande des
Kranken, sie ulu-i schreitet selten (> s Wochen. N.icli ern-igter
Heilung soll der Patient noch einige Jahre hindurch eine Wieder¬
holung der Kur von jedesmal 4 Wochen Dauer »mi«. rneitmeii.
Kr.
Zur B e h a n d I 11 n g der d 1 p h t li e r 1 s c h e n L a h m u n g e 11
empfiehlt K o h t s ( l iier. M"ii.-I'kite 7 . (»st ria^h dem V organge C <> m-
b y s die Injektionen von Heiisei li in. De \->n K. \ erw endeten
Dosen waren sehr hohe, es wurden bis zu AM*"' Immumtatseüireiteu
injiziert. H» derartig Beliandellc wurden im \ er.aut von 2—4 Mo¬
naten völlig geheilt. Kr.
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- Original ftom
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1?(57
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
18. August 1908.
Protargolflecken in der Leibwäsche lassen sich,
so lange sie noch frisch sind, leicht mit Seifenwasser abwaschen.
Aeltere, bereits belichtete Flecken können durch Behandeln mit
Lösungen von Jodkali oder Natriumthiosulfat (Fixierbad), namentlich
auch durch Wasserstoffsuperoxyd in Verbindung mit Ammoniak (resp.
durch Ammoniumpersulfat) entfernt werden. (Wochenschr. f. Therap.
und Hygiene d. Auges, No. 37, 1908.) F. L.
Für die Scharlachbehandlung gibt 0 a r 1 i p p folgende
Vorschriften (Ther. Mon.-Hefte 7, 08): 3 Wochen Bettruhe; Zwei¬
zimmerbehandlung; bei Delirien warme Bäder mit kalten Ueber-
giessungen; keine kalten Bäder, sondern kalte Wickel. Reinigung
des Rachens durch Ausspritzen mit 3proz. Wasserstoffsuperoxyd¬
lösung. Sorgfältige Beachtung des Mittelohrs! Bei Nephritis Milch
und kochsalzarme Diät. Bei sinkender Urinmenge Blutentziehungen
(Blutegel, Aderlass). Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, 17. A u g u s t 1908.
— Die Ortsgruppe München des deutschen Monistenbundes ver¬
öffentlicht in der Tagespresse einen Aufruf, der, angesichts der zu¬
nehmenden Frequenz deutscher Pilgerzüge nach Lour-
d e s, bezweckt, das deutsche Volk über die Unzuverlässigkeit der
Angaben über in Lourdes erfolgte Heilungen aufzuklären. Der Auf¬
ruf wendet sich dabei auch an die deutschen Aerzte, die aufgefordert
werden, „aus beruflichem und nationalem Pflichtgefühl die Auiklä-
rungsbestrebungen des Monistenbundes zu unterstützen, um im Verein
mit ihm ans Licht zu bringen, dass in Lourdes tatsächlich keine
Wunderheilungen erfolgen“. Der von zwei Aerzten, Dr. Hermann
F a 11 i n und Dr- Eduard Aigner in München Unterzeichnete Aufruf
stützt sich- dabei insbesondere auf das von dem Chefarzt des ärzt¬
lichen Konstatierungsbureaus in Lourdes, Dr. B o i s s a r i e, verfasste
Buch: „Die grossen Heilungen von Lourdes“, von dessen Wppder-,
heilungen Dr. Aigner einen Fall als Täuschung nachgewiesen hat.
Dieser Fall betrifft eine Frau R o u c h e 1 aus Metz, die in Lourdes von
einem schweren Lupus angeblich plötzlich geheilt wurde, während sie
tatsächlich ungehei.lt blieb; eine vorübergehende Besserung war nicht
von Bestand. Der Fall ist im Metzer Aerzteverein wiederholt zur
Sprache gekommen; über seine Nichtheilung besteht kein Zweifel,
trotzdem wird er <in der Lourdesliteratur als Wunderheilung fortge¬
führt. Es wäre in der Tat verdienstlich, wenn die Aerzte allen
Wunderheilungen, die aus ihrem Wirkungsbereich gemeldet werden,
nachgehen und den wirklichen Sachverhalt klarlegen würden. Sie
könnten dadurch wesentlich zur Aufklärung des Volkes beitragen
und verhindern, dass sehr beträchtliche Summen nutzlos ins Ausland
wandern.
— Am 10. und 11. ds. M. fand die Jahresversammlung
des Zentralverbandes von Ortskrankenkassen im
Deutschen- Reich in Braunschw'eig statt. Frässdorf, als
Vorsitzender der geschäftsfiihrenden Kasse (Dresden) führte den
Vorsitz. Die Gegenstände der Tagesordnung boten in diesem Jahre
für Aerzte geringeres Interesse. Ueber das Thema Gewerbekrank¬
heit und Betriebsunfall referierte Prof. H. F r a n c k e-Berlin. Es
wurden eine Reihe von Leitsätzen angenommen, deren erster besagt,
dass Gewerbekrankheit und Betriebsunfall als Folgen der Betniebs-
tätigkeit auch in der Versicherungsgesetzgebung einheitlich zu be¬
handeln seien. Beide seien durch gründliche Durchführung der Ar-
beiterschutzgesetzge-bung prophylaktisch zu bekämpfen. Im übrigen
unterhielt man sich meist mit inneren Kassenangelegenheitem An
Gelegenheit zu Ausfällen auf die freie Arztwahl fehlte es dabei nicht.
Den Kölner Krankenkassen wurde die Sympathie der Versammlung
ausgesprochen.
— Wie in der Tagespresse mitgeteilt wird, ist jetzt die zahn¬
ärztliche Untersuchung und Behandlung der Mann¬
schaften und Unteroffiziere der Armee in der Weise ge¬
regelt worden, dass in grossen Garnisonen Kontrakte mit Ortszahn¬
ärzten abgeschlossen werden, in denen für die Ausübung der zahn¬
ärztlichen Tätigkeit bei den Truppen der Garnison ein bestimmter
Betrag gewährt wird. In kleinen Garnisonen sollen dagegen keine
Kontrakte mit Zahnärzten abgeschlossen werden, sondern die zahn¬
ärztliche Hilfe soll je nach Bedarf von Fall zu Fall in Anspruch ge¬
nommen werden. Bezüglich der Spezialausbildung der Militärärzte
für die zahnärztliche Praxis ist verfügt worden, dass sie besonders
über das Füllen der Zähne unterwiesen werden sollen. Im Mobil¬
machungsfalle werden die elngezogenen Zahnärzte besonders zu der
zahnärztlichen Behandlung bei den Truppen herangezogen werden.
— Um den Direktor des Hamburger Krankenhauses in
Eppendorf, Prof. L e n h a r t z, von den an Umfang immer zu¬
nehmenden Verwaltungsgeschäften zu entlasten, ist die Stelle eines
Verwaltungsdirektors geschaffen und der bisherige Leiter der Apo¬
theke des allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Oberapotheker J.
Naumann, zum 1. Oktober in diese Stelle vom Senat berufen
worden.
— Die Abschaffung des Testierzwanges ist ver¬
suchsweise in Bonn eingeführt worden.
— Der Vorstand der Möbiusstiftung hat für das Jahr
1909 folgende Preisaufgabe gestellt: „Es ist zu untersuchen,
ob der von Möbius entdeckte infantile Kernschwund anatomisch,
auch wohl klinisch in Verwandtschaft gesetzt werden kann zu
anderen Missanlagen des Nervensystems, speziell ob sich kombiniert
mit ihm nicht auch gelegentlich andere Störungen finden. Es wäre
möglich, dass die' angeborene Schwäche der Bulbärkerne, welche
der angeborenen und der familiären Bulbärparalyse zugrunde liegen
dürfte, nur ein geringerer Grad des gleichen Leidens ist. Das vor¬
handene Material dürfte bereits hier Brauchbares enthalten.“ Die
Preisarbeiten sind bis zum 1. Oktober 1909 in Begleitung eines ver¬
siegelten Zettels mit dem Namen des Verfassers und einem oben
aufgeschriebenen Motto, demjenigen entsprechend, welches die
Arbeit selbst trägt, an Herrn Prof. Dr. E d i n g e r, Frankfurt a. M.,
Leerbachstrassc 27, eingeschrieben einzusenden.
— Robert Koch wird als Delegierter der deutschen Regierung
an dem Washingtoner Internationalen Tuberkulosekongress teil¬
nehmen.
— Die von Dr. Beyer geleitete Heilstätte Roderbirken bei
Leichlingen, die erste und bisher einzige „Volksheilstätte für Nerven¬
kranke“, geht in den Besitz der Landesversicherungsanstalt Rhein¬
provinz über und soll beträchtlich erweitert werden. Das durch
Zukauf vergrösserte Gebiet umfasst etwa 130 ha, davon zum Teil
prächtige Buchenwaldungen. Der jetzt nur für weibliche Kranke
bestimmten Heilstätte (145 Betten) wird zunächst eine Abteilung für
100—120 männliche Kranke angegliedert werden. Die Gesellschaft
m. b. H. „Rheinische Volksheilstätten für Nervenkranke“ wird be¬
stehen bleiben und im Sinne ihrer Satzungen weiterwirken.
— Die „Vereinigung Karlsbader Aerzte“ beabsich¬
tigt eine zirka dreiwöchige ärztliche Studienreise nach
Dalmatien, Korfu, Malta, Sizilien und der westlichen Küste Italiens zu
veranstalten und hat zu diesem Zwecke den Luxusdampfer „Thalia“
vom Oesterreichischen Lloyd gechartert. Die Reise soll am 10. No¬
vember in Triest beginnen und nach 23 tägiger Dauer daselbst enden.
In Aussicht genommen ist der Besuch von Triest, Abbazia, Gravosa
•mit Ragusa, Cattaro, Cettinje, Korfu, Malta, Sizilien, Neapel, Rom,
Korsika (Ajaccio), Nizza und Genua. Die Preise stellen sich pro
Platz von 630 Kr. aufwärts. Dieser Fahrpreis enthält die Kosten der
Seereise von 400 Kronen aufwärts und die für alle Teilnehmer gleich
hohen Ausgaben für Landaufenthalte von 230 Kronen. In die Schiffs¬
verpflegung nicht inbegriffen sind Getränke, die besonders berechnet
werden. Anmeldungen zur Teilnahme an dieser Reise werden bis
längstens 31. August 1908 an den Geschäftsführer des Reisekomitees
der „Vereinigung Karlsbader Aerzte*, Dr. Hugo Stark, Karlsbad,
erbeten.
— Die Schweizer balneologische Gesellschaft veranstaltet eine
10tägige ärztliche Studienreise durch Schweizer Kurorte.
Die Reise beginnt am 11. September in Zürich und geht über Ragatz-
Pfäfers, Flrms, Alvaneu, Spinabad, Davos, Fideris, Rorschach zurück
nach Zürich. Die Kosten betragen 160 Fr. Die wissenschaftliche
Führung hat Prof. Dr. E. Sommer übernommen.
— Die Umstände und Gründe, die ihn im Jahre 1906 zur Ein¬
reichung seiner Entlassung veranlassten, hat Herr Geheimrat
S c h a t z - Rostock in vier Broschüren („Der Fall Schatz“. Meine
Rechtfertigung vor meinen Kollegen, Schülern, Freunden und Be¬
kannten. I—IV. 1906—1908) ausführlich dargelegt. Diese Recht¬
fertigungsschriften wird der Verfasser jedem Kollegen zur genaueren
Orientierung zusenden, welcher dieselben mittels Karte von ihm
erbittet.
— Eine „Zeitschrift für Krüppelfürsorge“ beginnt
im Verlag von Leopold Voss in Hamburg zu erscheinen. Sie wird
unter Mitwirkung vieler Fachmänner von Dr. Konrad B i e s a 1 s k i,
leitender Arzt der Berlin-Brandenburgischen Krüppel-Heil- und Er¬
ziehungsanstalt redigiert. Sie erscheint in zwanglosen Heften; vier
Hefte (vorläufig vierteljährlich) bilden einen Band. Preis des Bandes
12 M. «<,
— Vom „Bulletin de l’Association Frangaise pour
l’etude du cancer“ ist das 1. Heft des 1. Jahrganges erschienen.
— Cholera. Russland. Zufolge amtlicher Mitteilung vom
5. August waren im Gouv. Astrachan seit Beginn der diesjährigen
Epidemie 42 Erkrankungen (und 19 Todesfälle) an der Cholera beob¬
achtet, im Gouv. Saratow 88 (44), davon 71 (40) in Zarizyn und 10
(1) in der Stadt Saratow. Auf die Stadt Astrachan waren am 1. und
2. August 11 Erkrankungen (und 4 Todesfälle) insgesamt 36 (16) ge¬
kommen. Am 3. August wurden auch in Rostow a. Don. 3 Cholera¬
todesfälle festgestellt. — Philippinen. Vom 1. bis 27. Juni sind in
Manila 1 Choleraerkrankung und 3 Todesfälle gemeldet; aus den
Provinzen wurden 2253 Erkrankungen und 1488 Todesfälle angezeigt.
— Pest. Aegypten. Vom 25.—31. Juli sind an der Pest
26 Personen erkrankt (und 10 gestorben). — Japan. In Kobe-Hiogo
ist am 28. Juni ein neuer Pestfall aufgetreten; in der Stadt Osaka
und Umgebung sind vom 7. Juni bis 4. Juli 8 Erkrankungen nflt töd¬
lichem Verlauf vorgekommen. — Britisch-Ostafrika. In Port Florence
sind bis zum 11. Juli insgesamt 27 Pestfälle festgestellt worden, von
denen 22 tödlich verliefen.
— In der 31. Jahreswöche, vom 26. Juli bis 1. August 1906.
hatten von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste
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1768
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. XI
Sterblichkeit Königshütte mit 50,3. die geringste Hof mit 6,3 Todes¬
fällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Scharlach in Beuthen, Königshüttc. Zabrze,
an Diphtherie und Krupp in Beuthen. V. d. K. ü.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Berlin. Die bisher von Geh. Rat Prof. Dr. Frosch geleitete
Seuchenabteilung am Kgl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin
hat der Abteilungsleiter der Wutsehutzabteilung daselbst, Dr. Otto
Lentz, unter Beförderung zum Abteilungsvorsteher übernommen.
An Stelle des letzteren wurde der Assistent Dr. Josef Koch zum
Abteilungsleiter der Wutschutzabteilung berufen, (hc.) — Dr. Hel¬
bing, stellvertretender Leiter des Universitütsiivstitutes für ortho¬
pädische Chirurgie, ist zum Professor ernannt worden.
F r a n k f u r t a. M. Dr. Bernhard Fischer, Prosektor an der
Akademie für praktische Medizin in Köln und Privatdozent für patho¬
logische Anatomie in Bonn, erhielt einen Ruf auf die Direktorstelle des
Dr. S e n c k e n b e r g sehen pathologisch-anatomischen Institutes als
Nachfolger A 1 b r e c h t s.
Marburg a. L. Der vieljährige Kliniker der Universität Mar¬
burg, Geheimer Medizmalrat Prof. Dr. Mannkopff in Marburg
feierte am 16. August d. Js. in vollster Jugendfrische sein 50 jähriges
Doktorjubiläum.
M ü n s t e r i. W. In der vorigen Woche fanden die ärztlichen Vor¬
prüfungen, denen sich am Schlüsse dieses Sommersemesters 31 Kan¬
didatelf unterzogen hatten, ihren Abschluss. Im ganzen sind in dem
vergangenen Prüfungsjahr (1. Oktober 1907 bis 30. September 19üM
52 Studierende der Medizin geprüft worden. Darunter waren 4 erste
Wiederholungsprüfungen und eine zweite Wiederholungsprüfung, die
übrigen Vollprüfungen. Von den 52 Prüflingen haben 15 nicht be¬
standen. Von denen, die bestanden, erhielten das (iesamtprüdikat
sehr gut 13, das Gesamtprädikat gut 17 Kandidaten, die übrigen ge¬
nügend.
Baltimore. Prof. Ad. Meyer- New-York zum Professor der
Psychiatrie an der Johns Hopkins Universität.
Chicago. Dr. F. M e n g e zum Professor der Laryngologie und
Rhinologie an Northwestern University Med. School ernannt.
Genua. Habilitiert Dr. E. Mont i für Hygiene und Medizinal¬
polizei.
Florenz. Habilitiert: Dr. B e r t i n o, früher in Parma, für Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie.
Kasan. Habilitiert: Frau Dr. Sophie Kasch inskaja für
Neurologie. .
Moskau. Privatdozent Dr. Pobiedinsky zum a. o. Pro¬
fessor der Geburtshilfe ernannt.
Neapel. Habilitiert: Dr. M. Jungano für Urologie;
Dr. A. B e n e d e 11 i für Ophthalmologie.
Ofen-Pest. Den Privatdozenten, Dermatologen Dr. Ludwig
Török und Nervenarzt Dr. Julius Donath wurde der Titel eines
ausserordentlichen Professors verliehen, (hc.)
Paris. Am 11. VIII. 08 feierte der bekannte Pariser Ohren¬
arzt Dr. Loewenbcrg, ein Deutscher von Geburt, sein 5ojähr.
Doktorjubiläum. Der Jubilar hat sich durch bedeutende Arbeiten in
der Ohrenheilkunde, z. B. Untersuchungen über das Cor tische
Organ, bleibende wissenschaftliche Verdienste erworben.
Rom. Habilitiert: Dr. A. Cosentino für Chirurgie, Dr. Gi-
u n t i für Hydrologie.
Berichtigung. In No. 32 (Oppenheimer: Behandlung
scharlachkranker Kinder) ist auf Seite 1693, Spalte 1, Zeile 37 von
unten statt 1 proz. zu lesen 1 prom.; (also: der Körper und der
behaarte Kopf werden nach tüchtiger Abstufung mit einer 1 prom.
Sublrmatlösung abgewaschen).
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Gestorben: Dr. Hermann Attensamer in München.
MlUtirsanltfitswesen.
Ernannt: im Sanitätskorps der Stabarzt a. D. Dr. Riegel
unter Stellung zur Disposition und unter Verleihung des Charakters
als Oberstabsarzt zum diensttuenden Sanitätsoffizier beim Bezirks¬
kommando Kaiserslautern.
Korrespondenz.
Anstands- und Gesundheitslehre Im Eisenbahnwagen.
Von Kreisarzt Dr. Berger in Krefeld.
In der Eisenbahn kann man es oft beobachten, dass Männer für
ihre Fiisse durchaus keine andere Verwendung finden können, als
sie auf den gegenüberliegenden Platz zu legen, wenn er leer ist oder
sobald er leer wird; manche warten geradezu aut das Freiwerden
dieses einzigen Plätzchens und frölmen ihrer Gewohnheit im bis auf
diesen einen Platz besetzten Abteil.
Es ist rücksichtslos, den gerade unbesetzten Platz zu be¬
schmutzen, denn ein anderer nimmt den von der Fussbekleidung ab¬
gegebenen Schmutz nachher mit.
Aber die Frage hat auch eine gesundheitliche Seite.
Was nützen uns die schönsten Belehrungen über die Verbreitung
ansteckender Krankheiten, wenn den einfachsten Regeln der Gesund¬
heit aui Solche Weise zuwider gehandelt wird. Jeder weiss, dass
die Krankheitserreger der Tuberkulose mit dem Auswurf der Kranken
ausgeschieden werden, oft dem Staub beigemischt sind und so an die
Fussbekleidung der Menschen gelangen können. Was kann überhaupt
nicht alles an den Schuhen sein? Und wie mancher fasst wiede.
mit den Händen auf seinen Sitz! Es kann nicht der geringste Zweitel
bestellen, dass auf diese Weise oft Krankheiten verbreitet werden.
Die Eisenbahnverwaltung musste solche Schädigung ihres Eigen¬
tums, wie sie durch Beschmutzung der Sitze entsteht, bestrafen,
wirklich bestrafen. Im freien Amerika werden Menschen, die auf die
Strasse spucken, bestraft. Besonders aber muss Erziehung wirken;
auch Strafen — schon wenn sie angedroht sind - - wirken erzieherisch,
wenn die Worte nicht ausreichen.
Generalkrankenrapport Dber die K. Bayer. Armee.
für den Monat Juni 10OK.
Iststärke des Heeres:
66610 Mann, 162 Kadetten, 1-49 Unteroffiziersvorschüler.
Mann
Kadetten
Untcroffix.-
vorscMHer
1. Bestand waren
am 31. Mai 1908:
1336
—
3
[ im Lazarett:
877
l
3
2. Zugang:
im Revier:
1138
4
—
1 in Summa:
2015
5
3
Im ganzen sind behandelt: 1
,1351
5
6
°/«o der Iststärke:
50,3
30,9
40,3
dienstfähig:
°/ooder Erkrankten:
2141
638,9
] 5
i iwo,n
3
500,0
gestorben:
6
—
—
°/eoder Erkrankten:
dienstunbrauchbar:
1,8
i
—
mit Versorgung:
44
1 _
—
3. Abgang:
ohne
Auf Orund vor der
Einstellung ia den MiUtlr-
dienet vorhanden jewebe¬
ner Leiden als dien «tun-
2
[
brauchbar erkannt und
entlasten:
14
_
_
anderweitig:
106
—
2
in Summa:
2313
5
5
4. Bestand j
bleiben
30. Juni 1908:
F in Summa:
°/oo der Iststärke:
1038
15,6
1
6.7
davon im Lazarett:
davon im Revier:
7M
257
—
1
Voll den in Ziffer 3 aufgefulirteil Gestorbenen haben gelitten an
Blutvergiftung I. Luugentuberkuiose 2 . Mcrzl.ihmung infolge schwerer
Krämpfe 1 , Lungenentzündung 1 und S Ji.ulclbru Ji 1.
Ausserhalb der imlitararztii dien Behandlung verunglückte
1 Mann durch Ertrinken beim Baden wahrend eines Urlaubs, 3 Mann
endeten durch Selbstmord (Frscfnessett).
Der Gesamt Verlust der Armee durs.lt Tod betrug demnach int
Monat Juni 10 Manu.
Uebersiclrt der Sterbefälle in Manchen
während der 31. Jahrcswochc \orn Jo. Juli bis I. Aug 19nK.
Bevolkerungs/ahl 5 n> i«io.
Todesursachen: Angeborene l.cbvnsschw. G. Lcb.-M.) 15 (13*)*
Altersschw. (ub. <*n J.) 4 (M. Kindbettfieber 1 I t, and. Folgen der
Geburt I (D. Scharlach 1 (1). Masern u. Rotein — ( t. Diplith. u.
Krupp 3 (3i, Keuchhusten 1 ( l. 'Ixphus 1 (2i. ubertragb. Tierkrankh.
— ( -). Rose <Fr\ sipelt 1 (1). and. W undinfekti« i^kr. icinschl. Blut-
u. Eitervergift.) 3 (- ). Tuberkul. d. Lungen Jo i80. Tuberkul. and.
Org. 0 ((>), Miliartubcrkul. 2 (Ji. l.ungeneiit/üud. (Pneuttvon.) 4 (<>).
Influenza— (-■ ), and. ubertragb. Krankh. 7 «5». Entzünd, d. Atmungs¬
organe 2 (1), sonst. Krankh. «lerselb. 4 i D. organ. Herzleid 10 (15),
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg (emschl. Herzschlag» 7 im. Gehirnschlag
0 (7), (ieisteskrankh. 4 (J), Fraisen, l.kiatnps. d. Kinder 3 (J). and
Krankh. d. Nervensystems 3 <4>. Magen- u Darm.-Kat . Brechdurchfall
(einschl. Abzehrung) 3s (37). Krankh d. Leber 5 (4i. Krankh. des
IBauchfells 1 ( ). and. Krankh. d. \ erdauungsorg. I <3>. krankh. d.
Harn- u. Geschlechtsorg. 5 n>). krebs iK.irzin**m. Krankr-ndi 10 (1 c.
and. Neubildg. (einschl. 8*ark'>u.o 3 (Ji, >c!bstir.ord — <3i, 1 od durch
fremde Hand -— (1). I ugliukst.i’le l"i i, alle übrig. Krankh. 3 (4).
Die Gesamtzahl der Sterbeialle Joo G‘>o). \ erh.dtniszahl auf das
Jahr und loou Einwohner im aiigemeincii l'dd <l s .3i, für die über
dem 1. Lebensjahre stellende Bevölkerung U.9 (U. l o.
*) Die eingckkuninerten Zahlen bedeuten J.e Fälle der V orwoche.
Verlag von J. F. Lehn tna ia München. — Druck wm E- Mühllhaler» Bach- and Kiuuidruckerct A G. Manchen.
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tHe Mönchen er Medizinische Wochenschrift erscheint wäcfientfidi
im Umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nummer 80-4. * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
Ji. 6.—. * übrige Bezugsbedingungen siehe auf dem Umschlag.
MÜNCHENER
Zusendung«! sind ztt adres s ieren: F&r die Redaktion Arnulf-
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ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE
Herausgegeben von
I. Unterer, Ch. Monier, I. r. Bellinger, 1. CarsctmaiD, L Heüerieb, I. r. Leobe, S. r. lerkel, J. r. liehet, F. Peozoldt, Lt. Baute, I. Spatz, r.r.Vliekel,
München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Eisenach. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 34. 25. August 1908. „ R 1 edak, I io " : , Dr : a Spa ‘ Z ’ Arnulfstrasse 26. 55. Jahrgang.
0 Verlag: J. F. Lehmann, Paul Heysestrasse 15a. ° °
Originalien.
Zur Verbreitung, Entstehung und Verhütung des engen
Beckens.
Von Alfred Hegar.
Auf dem internationalen .Gynäkologenkongress in Genf
1896 0 wurde über die Verbreitung des engen Beckens in den
einzelnen Ländern verhandelt. Viel kam nicht dabei heraus,
so dass die Versammlung beschloss, die „ungenügend vor¬
bereitete Frage“ noch einmal nach ganz bestimmten Prinzipien
zu besprechen.
Man kann sich fragen, ob es überhaupt der Mühe wert sei,
für grosse Länder eine mittlere Frequenz der Anomalie fest¬
zustellen, wie dies in Genf geschah. P a w 1 i k hat für Oester¬
reich-Ungarn aius etwa 30 000 Messungen einen Prozentsatz
von 8,08 vorgefunden; für ein Reich, dessen Bewohner zahl¬
reichen Rassen und Nationalitäten angehören, welche den ver¬
schiedensten Lebensbedingungen unterstehen. Was lässt sich
da viel aus jenen 8,08 Proz. entnehmen?
D o h r n gab für Deutschland, wo wohl die meisten Unter¬
suchungen nach annähernd gleichen Methoden angestellt
worden sind, 12—18 bezw. 20 Proz. an. Die nicht geringe
Schwankung, bei welcher es sich um 6—8 Proz. handelt, be¬
weist, dass erhebliche Unterschiede je nach den Gegenden
bestehen. Sonst lässt sich aus der Mitteilung nur entnehmen,
dass das enge Becken in Deutschland häufig vorkommt.
Aus den Berichten geht hervor, dass die sog. gleichmässig
allgemein verengten Becken an Zahl hinter den rachitisch
platten entschieden zurückstehen, aber doch immer noch ge¬
nügend vertreten sind. Wir werden sehen, dass dies nicht
überall so ist.
Mir scheint, dass eine Beschränkung der Forschungen auf
kleinere Länder und Gebiete aussichtsreicher sei, da die
Auffindung der Ursachen und der Mittel, deren Folgen ent¬
gegen zu treten, von Wert ist.
Von Barnes erfahren wir, dass bei ca. 28 000 Schwän¬
gern, welche innern und äussem, nach demselben Prinzip vor¬
genommenen Messungen unterzogen wurden, 0,4 Proz. platte
und 0,12 gleichmässig allgemein verengte Becken beobachtet
wurden. Ich habe keinen Zweifel, dass die Tüchtigkeit der!
Rasse, die Fürsorge für gute Ernährung und körperliche Aus¬
bildung die Deformität in England seltener erscheinen lässt,
als anderswo. Doch kann ich den Zweifel nicht unterdrücken,
ob nicht etwa Fehler in der Methode oder in deren Ausführung
zu Ergebnissen geführt haben, welche so sehr von den ge¬
wöhnlichen Angaben abweichen.
Nach Ogatas Mitteilung gibt es in Japan keine engen
Becken, mit Ausnahme eines bestimmt begrenzten Gebietes,
in welchem Osteomalazie und Rachitis häufig auftreten, ohne
dass bisher die Ursache aufgefunden werden konnte.
Sir A. R. Simpson, welchem ich hier für seine Güte
danke, gab mir wertvolle Aufschlüsse über die Verhältnisse
in Schottland. Nach den von Dr. Middleton Stenat durch¬
gesehenen Protokollen der Edinburgh Royal Maternity und
Shnpson Memorial Hospital wurden folgende Zahlen fest¬
gestellt.
*) Zentralblatt für Gynäkologie 1896, pag. 1089.
No. 34
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet)
1906: Geburten 425, unter diesen: pelv. justo minores 19, con¬
tract. in Conj. 6, transversily contract. 2; zusammen 63 Proz.
1907: Geburten 462, unter diesen: pelv. justo minores 28, con¬
tract. in Conj. 3, contract. transversily 1; zusammen 6,9 Proz.
Das klingt nun doch schon anders, als bei B a r n e s. Es
ist zu bedauern, dass wir über die Beschaffenheit der die An¬
stalten in London und Edinburg aufsuchenden Volksklasse und
andere die Resultate beeinflussende Faktoren nichts erfahren.
Auffallend ist die geringe Zahl der platten gegenüber den
gleichmässig allgemein verengten Becken. Vielleicht liegt eine
Erklärung dafür in dem, was mir Simpson weiter schreibt:
J a r d i n e führe in seiner Clinical Obstetrics (2 Edit. 1905,
pag. 235) an, dass das rachitisch platte Becken in dem Indu¬
striezentrum Glasgow sehr häufig sei 30 dass man ihm bei
10 Proz. aller Geburten in ausgesprochenem und noch viel
häufiger in geringerem Grade begegne.
Von besonderem Interesse erschien mir die Verbreitung
der Anomalie in Skandinavien, besonders in Schweden und
Norwegen. Etten Möller, welchem ich für seine gütige Aus¬
kunft danke, spricht sich dahin aus, dass nach seinen Er¬
fahrungen die engen Becken- im Norden viel seltener sind, als
in Deutschland. Er führt Retzius 2 ) an, dessen Bemerkung
ich wörtlich anführe, „während 7 Jahren, in welchen ich der
Entbindungsanstalt (Stockholm) vorstehe, ist es mir nur ein¬
mal unter 3245 Geburten vorgekommen, dass eine Verzögerung
der Geburt durch Verkürzung der Beckenmaasse eintrat.
Otto G r ö n e, Chefarzt der städtischen Entbindungs¬
anstalt in Malmö, war so freundlich, sich in einem an Dr.
Diepgen in Freiburg gerichteten Brief über seine Er¬
fahrungen auszusprechen. Hiernach ist das enge Becken in
Südschweden sehr selten. Unter 564 Geburten wurde es nur
zweimal vorgefunden. Die Untersuchungen erfolgten nach den
in Deutschland geltenden Regeln, wobei 1—2 cm von der Conj.
diag. abgezogen wurden. Die instrumenteile Beckenmessung
wurde von G r ö n 6 wieder aufgegeben. Bei den eingewander¬
ten Juden und russischen Flüchtlingen fand Gröne relativ
oft ein enges Becken.
Auf meine Anfrage über Frequenz der Rachitis in
Schweden konnte ich keine genaue Auskunft erhalten. Der
Vertreter der Pädiatrie in Lund (Etten Möllers Mitteilung)
sprach sich dahin: aus, dass Rachitis auch bei gestillten Kindern
angetroffen werde, aber viel seltener und nie in so aus¬
gesprochener Form, wie bei aufgefütterten.
Aus Norwegen erhielt ich durch die Güte von Kr. Brandt 3 )
eine von- ihm mit L. Severin Petersen gemeinsam verfasste
Schrift, welcher die Erfahrungen von 9614 Geburten als
Unterlage dienten. Man nahm erst dann eine Beckenunter¬
suchung vor, sobald der gestörte Verlauf der Geburt die Auf¬
merksamkeit erregte. Die Prozentzahl betrug 3,61. Die Ver¬
kürzung der Durchmesser war nie beträchtlich. Eine Con-
jugata vera unter 7 cm wurde nur in 0,09 Proz. aufgefunden.
Die Frauen gehörten einer Bevölkerung an, welche grössten¬
teils in Landwirtschaft und nur wenig in Industrie beschäftigt
war. Sie kamen in die Anstalt nie wegen einer zu er-
2 ) Afhandluirg om Backenfortrangung. 2. Aufl., Stockholm 1857,
pag. 2.
*) Norsk Mag. f. Laeger 1905, No. 3—4, pag. 9.
4 ) Det mechaniske Misforhold under Födselen og dito Behand-
ling. Kopenhagen 1872.
1
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1770
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
wartenden schweren Geburt. Primiparae und Pluriparae
waren gleich stark vertreten. Auch K i e 1 s b e r g schätzt das
Prozentverhältnis auf 3,5.
Von Interesse ist noch die Angabe Brandts, nach
welcher bei Frauen mit engem Becken die erste Menstruation
erheblich später (ein ganzes Jahr) eintrat, als bei anderen.
Dies stimmt sehr gut mit Annahme einer verzögerten Ent¬
wicklung. Weitere Untersuchungen sind sehr wünschens¬
wert.
Für Dänemark schätzt Stadtfeld die Frequenz auf
4 Proz. 4 ). Eli Möller'*) gibt 3 Proz. an, gestützt auf Be¬
obachtungen von 21 066 Geburten, bei welchen die Diagonalis
bestimmt wurde.
Man muss bedauern, dass nicht noch grössere Unter¬
suchungsreihen über die Verbreitung des engen Beckens in
diesen Ländern vorliegen. Doch lässt sich aus den angeführten
Mitteilungen wohl mit Sicherheit entnehmen, dass die Ano¬
malien, wenigstens in Schweden und Norwegen, erheblich sel¬
tener sind als in Deutschland. Die Erklärung ist nicht
schwierig. Wir haben eine einheitliche gute Passe vor uns,
deren Angehörige sich relativ wenig mit Industrie, dagegen
vorzugsweise mit Ackerbau, Handel, Fischerei, Schiffahrt und
Waldkultur beschäftigen. Für die Heranwachsende lugend
und ihre körperliche Ausbildung w ird gut gesorgt. Gegen die
früher allgemein verbreitete Sitte des Alkoholmissbrauchs w ird
mit Entschiedenheit angekämpft und, was besonders hervor¬
zuheben ist: fast alle Frauen ziehen ihre Kinder an der
Brust auf.
Bei der Entstehung des engen Beckens spielen Entwick¬
lungsstörungen eine grosse Polle. Sie können bereits im
Fötalleben, selbst schon im Keim vorbereitet sein, um erst im
Kindesalter deutlich hervorzutreten. Meist werden sie aber
erst nach der Geburt durch schädliche Einflüsse bewirkt,
welche das Individuum treffen, ehe es seine volle Ausbildung
erlangt hat. Diese verzögert sich oder kann vollständig zum
Stillstand kommen, so dass gewisse Merkmale oder Eigen¬
schaften, welche dem Kind eigen sind, noch im späteren Alter
angetroffen werden. Man bezeichnet diese als Infantilismeii.
Dazu gehört nun auch das gleichmässig allgemein verengte
Becken, bei welchem lediglich das Wachstum, und das all¬
gemein verengte Becken mit kindlicher Form, bei welchem
auch die Differenzierung zurückgeblieben ist. Die Entwick¬
lungsstörung trifft fast nie das Becken allein. Es besteht fast
stets eine Schädigung der ganzen Konstitution, welche ins¬
besondere am Skelett zum Ausdruck gelangt. W. A. F r e u n d
und L. Mendelsohn haben so nachgew iesen, dass infantile
AAerkmale am Becken mit Stenose der oberen Brustapertur
gleichzeitig bestehen.
Zu den schädigenden Faktoren, welche zu Entwicklungs¬
hemmungen führen, gehört in erster Linie der Wegfall der
Mutterbrust im Säuglingsalter. Dann treten hinzu die
unzweckmässige Ernährung in späteren Jahren, schlechte
Wohnungsverhältnisse, langes Schulsitzen, zu wenig Aufenthalt
und körperliche Uebung in freier Luft, bei den Mädchen noch
ganz besonders zu frühe Einführung in das gesellschaftliche
Leben, Besuch von Konzerten, Theater und Bällen vor er¬
langter Körperreife. Dazu kommen noch alle Erkrankungen,
insoweit depascierende Einwirkungen von ihnen ausgehen.
Hierher gehören insbesondere chronische Infektionen, unter
w elchen vor allem latente Tuberkulose zu nennen ist.
Eine zweite Quelle der Beckenverengerungen ist der Kre¬
tinismus, welcher jedoch vorzugsweise auf weniger aus¬
gedehnte, gebirgige Gegenden beschränkt ist. Er verbindet
sich mit zahlreichen Entwicklungshemmungen, welche in erster
Linie am Skelett und am Sexualapparat auitreten, daher man
ihn auch als Schilddrüsen- oder gar Myxödeminfantilismus be¬
zeichnet hat. Doch zeigt er auch andere Befunde, welche
mit dem Infantilismus nichts zu tun haben.
Als dritte und an vielen Orten ergiebigste Quelle der
Bcckenverengerungen gilt die Rachitis, deren nächste Ursache
uns nicht bekannt ist. Auch sie verbindet sich mit Entwick¬
lungsstörungen infantiler Art, welche dann eigentümliche
Formverhältuisse des Beckens veranlassen. Infantile Ab¬
weichungen in der Ausbildung des Knochengerüstes mögen
schon deswegen leicht zu den eigentlich rachitischen Ver¬
änderungen hinzutreten, als die dein Krankheitsprozess unter¬
worfenen Individuen lur gewöhnlich ungünstigen Lebens-
verhältnissen unterworfen sind.
ln meiner Studienzeit, vor etwa 6ii Jahren, wurde d.e
Therapie des Abdommaltvplins mit der grössten Sorgfalt und
Weitläufigkeit von dem inneren Kliniker abgehandelt, wahren.d
die Mittel, dessen Entstehung zu \erhindern, kaum erwähnt
wurden. Viel war freilich auch nicht zu erwähnen. Das ist
glücklicherweise in unseren lagen anders geworden. Wird
aber heutzutage das enge Becken besprochen, so hört man mir
von Kaiserschnitt. Pubiotomie, Perforation tir.d künstlicher
Frühgeburt, und doch liegen die Aussichten auf Beseitigung der
Anomalie günstiger, als damals die auf Verhütung des
Typhus. Dabei kommen uns die modernen Bestrebungen rach
Durchführung einer rationellen Volkshygiene zu Hilfe. Ich
brauche mich auf weitere Erörterungen hier nicht einzulassen,
da ein Hinweis auf die oben aufgefuhrten Ursachen mfurnier
Entw icklimgsstoriingeii und auf die Verhältnisse m SJ.wedeu
und Norwegen genügt. Immer und immer wieder müssen die
Nachteile des Nichtstilie.’is. des langen SchnN.i/ens, des niice-
migenden Aufenthaltes und Mangels körperlicher Uebimgeii m
ireier Luft, sowie die schädigende Lebensweise junger Mäd¬
chen vor erlangter Körperreife herv orgeln he n werde”.
Erreichen wir hier bessere Verhältnisse, so wird auJi d.e
Rachitis allmählich vcrschw iikleii, da su bei gestoben Kindern
nur selten und me intensiv auttritt und da sie nadi der Saug-
lingsperi« de noch durch eine geeignete Ernährung und Le¬
bensweise wirksam bekämpft werden kann. Das wäre für
manche tiegenden Deutschlands, wie insbesondere für Sachsen,
eine grosse Wohltat, da hier die stark verengten Becken und
die schweren geburtshilflichen Operationen mit ihren unver¬
meidlichen I ( desfalleii u. d spateren nachteiligen Folgen über¬
aus häufig sind. Merkwürdigerweise hat man gerade da, wo
es am notwendigsten wäre, an die so wirksame Art der Ab¬
hilfe, wie wir sie Vorschlägen, noch nicht gcduJit.
In Baden haben der Kretinismus und der Kropf durJi Her¬
stellung besserer Lebensv erhaltrisse und besonders, wie ich
glaube, durch Beschaffung besseren I rmkw assers erheblich
abgenommen.
VV. A. Freund hat sich ein grosses Verdienst dadurch
erworben, dass er die so häufige Stenose der oberen I horax-
apertur entdeckte, ihren Ursprung aufk'arte und d.e
mclit seltene Naturheilung durch Neubildung eines Gelenkes
beschrieb. Er hat damit den Chirurgen den Weg gewiesen,
welchen sie zu betreten haben, um das Griechen zu heilen
(der wenigstens seinen Folgen entgegen zu treten. Die
grösste Bedeutung der SaJie scheint mir übrigens nicht darin
zu liegen. Jene Stenose ist eine infantile Entw ickhmgsstorung
und steht auf gleicher Lime mit dem allgemein verengten, in¬
fantilen Becken, mit welchem sie gewöhnlich auch zusammen
auftritt. Beide Anomalien haben dieselben Ursachen und ihre
Verhütung wird durch die nämlichen Mussregcln, weUfic ich
eben aiitgefuhrt habe, erzielt. Nur wird man bei der Stenose
noch besonderes Gewicht auf Atcmg \ mn ispk. Muskel-
Übungen, welche den I horax erweitern, sowie auch auf ein
vorsichtiges Bergsteigen legen, was man mit Vorteil schon
für kleinere Kinder vorschreiben kann. Auch da. wo die
Anomalie kein reiner Infantilismiis ist. sondern durch schädliche
Einwirkungen auf die Frucht oder selbst im Kenn vorbereitet
war, werden diese Mussregeln van Nutzen sein.
Aus den medizinischen Kliniken öe^ui und Strassburg
(Direktor: Geh. Med.-Rat Moritz).
Orthodiagraphische Untersuchungen über pathologische
Herzformen und das Verhalten des Herzens bei Emphy¬
sem und Asthma.
Von Dr. Hans P i e t I e n. Assistent dm medizinischen Klinik
in Strassenrg.
') Frfalirtingcn über die künstliche h'rirhg&biirt bei mechanischem Pvi normalen Herzen gibt es keine Wesentlich Ver-
Missverhälttiis. Archiv t. (iyniiknl.. lieb Mi. pag. dää. Sclnedeiieii Herzformen; die versji.cdcn geformt erschem.cn-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 190S.
MUENCHENEfr MEDIZINISCHE WOCHENSCHftlEt.
1771
den Herzen sind nur verschieden gelagert, zeigen aber im
Orthodiagramm immer eine mehr oder weniger ovale Sil¬
houette. (Näheres darüber siehe Die t len: Ueber Grosse
und Lage an normalen Herzen etc. Deutsch. Arch. f. klin.
Med., 88. Bd.). Verschiedene Klappenfehler bedingen zum
Teil recht wesentliche Abweichungen von dieser Grundform.
Am meisten charakteristisch ist wohl die Herzform bei
Aorteninsuffizienz (Abb. 1). Der weit nach links aus-
Abb. 1.
38jähr. Mann. Reine Aortenin¬
suffizienz mit stark erweiterter
und lebhaft pulsierender Aorta
(Ao-Bogen vielleicht mehr trans¬
versal als vertikal gestellt — für
Ao-Aneurysma keine Anhaltspunkte
im übrigen Befund).
ladende linke Ventrikel mit seinem mehr transversal als verti¬
kal verlaufenden freien Rand und seiner plumpen, fast kreis¬
runden Spitze — im Gegensatz zu der mehr länglichen, ei¬
förmigen Spitze des normalen Herzens — sind die Eigentüm¬
lichkeiten dieser Herzform. Aber auch bei dilatativer Hyper¬
trophie des linken Ventrikels aus anderen Ursachen (idio¬
pathisch, Nephritis, Aortensklerose) beobachtet man ganz
ähnlich geformte Herzen, ja durch einfache Hochdrängung des
Herzens, wie ich sie in einer früheren Arbeit beschrieben
habe *), kommen die gleichen Bilder zustande, so dass man aus
der beschriebenen Herzform nicht ohne weiteres auf Aorten¬
insuffizienz schliessen kann. Hervorheben möchte ich noch,
dass man bei reiner Aorteninsuffizienz häufig einen ausser¬
ordentlichen breiten und lebhaft pulsierenden Aortenschatten
findet, der nach rechts nicht selten die Vena cava sup. überragt
und leicht zu Verwechslungen mit Aortenaneurysmen Veran¬
lassung geben kann. (Vergl. Abb. 1.) Reine Aortenstenose
bedingt eine ähnliche Herzform, führt nur in der Regel nicht zu
so bedeutender Vergrösserung des linken Herzens wie die
Aorteninsuffizienz.
Ziemlich charakteristisch in der Form sind ferner die
Herzen bei Mitralfehlern, wenn sie mit beträchtlicher
Erweitung des linken Vorhofes einhergehen. Bei einfacher
Mitralinsuffizienz ohne stärkere Dilatation des Vorhofes unter¬
scheidet sich die orthodiagraphische Silhouette häufig gar nicht
oder nur etwas in der Grösse von der des normalen Herzens.
Dann gibt es aber allerlei Uebergänge zu der bekannten als
Mitralherz häufig beschriebenen Form der Herzsilhouette.
Diese ist bekanntlich dadurch gekennzeichnet, dass der unterste
linke Bogen in seinem oberen gegen die Achselhöhle ge¬
richteten Teil besonders stark vorspringt und sich meistens in
spitzerem Winkel gegen den mittleren Herzbogen absetzt als
bei normalen Herzen (Abb. 2 ). Die linke Herzrand verläuft
Abb. 2 .
14 jähr. Mädchen. Reine Mitralis¬
insuffizienz.
I. Ao. descend.
II. A. pulmon.
III. linker Ventrikel (bei x leichte Ein¬
biegung, aber kein Pulsationswechsel.)
dadurch steiler und die Herzform wird eine mehr kugelige. Ob
diese Vorbuchtung stets dem linken Ventrikel angehört und
durch Andrängen des hypertrophischen und dilatierten rech¬
ten Ventrikels von unten her verursacht ist, oder ob der
letztere unter Umständen selbst randbildend werden kann, ist
unseres Erachtens noch nicht genügend untersucht. Darüber
müssen noch weitere Vergleiche des orthodiagraphischen Be¬
fundes mit dem Befund bei der Leiche aufklären . In der Regel
dürfte die erste Erklärung richtig sein, die auch- Th. und Fr.
x ) Diese Wochenschrift 1908, No. 1.
G r o e d e 1 2 ) jüngst gegeben haben. Ein anderes Bild können
Mitralfehler bieten, wenn die Stenose der Mitralis die In¬
suffizienz überwiegt oder allein vorhanden ist. Dann kann der
dilatierte und hypertrophische linke Vorhof als deutlicher
Bogen oberhalb des Ventrikelbogens vortreten und sich durch
seine etwas vor der Vervtrikelsystole erfolgende systolische
Pulsation kenntlich machen (Abb. 3). In solchen Fällen kann
Abb. 3.
21 jähr. Mann. Mitral Stenose und
-Insuffizienz. Der linke Herzrand be¬
steht aus 4 Bogen: Ao = Aorta desc.
P. = Pulmonalis. L.V. = Linker Vor¬
hof. V. =» Linker Ventrikel. (Die
Pfeile bezeichnen die Stellen, an denen
durch die verschiedene Pulsation der
einzelnen Herzabschnitte eine Art von
Schaukelbewegung entsteht.)
man, wenn auch der Pulmonalisbogen deutlich ausgebildet ist,
4 Bogen am linken Herzrand unterscheiden, deren Deutung
ganz wesentlich von der genauen Beobachtung ihrer Pulsation
abhängig ist, wie ich in Uebereinstimmung mit Th. und Fr.
G r o e d e 1 ausdrücklich bemerken möchte. *
Im allgemeinen ist trotzdem die Abgrenzung dieser meist kurzen
mittleren Bogen keine leichte, namentlich bei rasch pulsierenden
Herzen, und wird noch häufig durch stark ausgeprägte Lungen¬
schatten in der Hilusgegend besonders erschwert. Bel normalen Her¬
zen können wir in der Regel bei Untersuchung im Liegen nur einen
mittleren Bogen, den der A. pulmonalis, deutlich abgrenzen, da¬
gegen nur selten einen Vorhofsbogen. Bei den mehr in die Länge
gezogenen Gefässschatten älterer Leute gelingt die Differenzierung
leichter, auch bei der Untersuchung im Stehen oder Sitzen manch¬
mal leichter als in liegender Stellung, wahrscheinlich ebenfalls des¬
wegen, weil der Gefässschatten bei aufrechter Körperhaltung mehr
auseinander gezogen ist. Daraus erklärt es sich vielleicht, dass
G r o e d e 1 3 ) die Abgrenzung der einzelnen 4 Bogen als fast aus¬
nahmslos möglich hinstellt. In den Zeichnungen in der oben zitier¬
ten Arbeit sind die einzelnen Bogen ausserordentlich scharf von¬
einander abgesetzt. Im Interesse einer leichteren Verständigung
wäre es nur wünschenswert gewesen, statt der halbschematischen
Zeichnungen Originalorthodiagramme mit allen orthodiagraphischen
Marken abzubilden.
Bei nicht komplizierter leichter Mitralstenose findet man
häufig auffallend langgestreckte und steil gestellte Herzen
(Abb. 4 u. 4 a). Bei Trikuspidalinsufiizienz (Abb. 5) kann der
Abb. 4.
Abb. 4a.
Abb. 4. 21 jähr. Mädchen. Schwere Mitralstenose und leichtes
Lungenemphysem. H. = pulsierendes Herzohr des linken Vorhofes?
Abb. 4a 30jähr. Frau. Nach der gewöhnlichen Untersuchung
reine Mitralstenose.
I. Ao. desc. II. Erweiterter Con. arteriosus (pulsiert genau mit
der Systole des linken Ventrikels.) III. Linker Ventrikel. (Die Abb.
zeigt, dass auch bei ausgesprochener Mitralstenose der Vorhofs¬
bogen unter Umständen fehlen kann, und dass die Herzsilhouette
bei Mitralinsuffizienz und -Stenose unter Umständen recht ähnlich
sein kann.)
Bogen des rechten Vorhofes weit nach rechts ausladen und
stark gewölbt sein; wichtiger als dieser eventuelle Befund ist
der Nachweis einer systolischen Ausweitung des Vorhofes und
eines systolischen Pulsierens der erweiterten V. cava, der in
ausgeprägten Fällen gut gelingt. Bei komplizierten Fehlern
mehrerer Klappen nimmt das Herz ausser einer oft beäng-
s ) Ueber die Form der Herzsilhouette bei den verschiedenen
Klappenfehlern. D. Archiv f. klin. Med., 93. Bd.
3 ) 1. c. und Fr. M. G r o e d e L: Die Orthoröntgenographie, Mün¬
chen 1908.
1*
Digitized b'
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
t in
MUfiNCHfiNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. M.
stigenden Grosse (cf. Abb. 5) häufig eine unförmige kugelige
oder mehr dreieckige Form mit der Basis nach unten an. Im
A b b. 5.
51 jähr. Mann. Mitralins, und
Stenose, Tricuspidalins.
C. S. = V. Cava sup. Ao. =
Aorta descend. R. V. — dilat.
rechter Vorhof* P, :#? Con. art.
4- A. pulmon.
grossen und ganzen ist die Diagnose einies Klappenfehlers allein
aus der Form des Herzens auf dem Röntgenschirm eine unzu¬
verlässige, häufig unmögliche Sache; mehr kann man aus der
Beobachtung der Pulsationen, namentlich unter Zuhilfenahme
verschiedener, besonders schräger Durchleuchtungsrichtungen
schliessen. Das gleiche gilt auch für die Aneurysmen der
Aorta, für deren Erkennung bekanntlich die schräge Durch¬
leuchtung (Holzknecht scher Raum) besonders wichtig ist.
Von der ürösse, die Aneurysmen erreichen können und dem
dann entstehenden Missverhältnis zwischen diesem und dem
Herzen gibt Abb. 6 eine gute Vostellung.
A b b. 6.
31 jähr. Mann. Aneurysma der ab¬
steigenden Aorta.
Ziemlich typisch nach Form und Lagerung ist
das Herz bei Etnphyse m a pu Imon u m, allerdings
nur dann, wenn es sich um ausgesprochenen Tief¬
stand des Zwerchfells handelt. Das typische Emphy-
sematikerherz ist ~ soweit es nicht mit Hypertrophie und
Dilatation kombiniert ist — ein tiefliegendes, d. h. weit abdomi-
A b b. 7.
52 jähr. Mann, 183 cm, 50 kg.
Emphyscma pulm.
nalwärts liegendes, langgestrecktes, steil und mediangcstelltes
Herz, das an einem langen und schmalen (iefässband aufge-
hängt ist. Es erinnert häufig an die von französischen Autoren
beschriebene Form des „Coeur ä goutte“. Ein ziemlich reines
Beispiel dieser Art ist in Abb. 7 abgebildet.
A b b. 8.
9jähr. Mädchen mit Larynxdiphthcric,
Stenose.
.Herzsilhouette im Zustand der
Dyspnoe vor Tracheotomie.
__ Herzsilhouette nach Trachcotom.
(Die orthod. Punkte sind ausnahms¬
weise wegen Kleinheit der Figur weg-
gelassen.)
Die Form und Lagerung hat grosse Achnlichkeit mit den
bei tiefer, Inspirationsstellung aufgenommenen Silhouetten nor-‘
malcr Herzen; beide werden ja durch die gleiche Ursache
tiefer Zwerchfellstand - - bedingt. Als akutem Zustand be¬
gegnet man diesen langgezogenen Herzen bei Traclieal- oder
Larynxstenose, z. B. häufig bei Diphtherie mit Stenose des
LaryiiXv Nach spontan oder künstlich behobener Stein se
nimmt das Herz seine gewöhnliche Schräglagerung wieder ein
und rückt mit dem Zwerchfell wieder hoher nach oben (Abb. 8).
Den Z w e r c h f e 1 I s t a n d (gemessen am höchsten Pin kt
der Kuppe bei ruhiger Exspiration) fai-J ich bei 21 von nur
untersuchten Empliysematikern zwischen 5. und 7. R.ppe
und zw ar rechts in Hohe
der 5. Rinpc in.14 Pmz.
des 5. I.-Raums.U .
der 6. Rinpc .... .33 .
des 6. I.-Raums.lü
der 7. Rippe.ln •
Tieferer Stand als 5. Rippe kommt bei Menschen mit nor¬
malen Lungen nur ausnahmsweise vor. Wahrend bei diesen
die linke Kuppe fast immer etwas tiefer sulit als die rechte,
fand ich sie bei Empliysematikern fast immer ebenso ImJi
stehen. Die respiratorische \ erschiebhchkeit des ZwerJiteüs
ist bei ausgesprochenem Emphysem meistens aussernrdentlich
gering.
Den u ii t e r e n H e r z r a n d fand ich bei Jo Emph\ se-
matikeriL ausnahmslos iinterhalh des Rippenbngenw mkels ver¬
laufend, 3—b cm, im Mittel 5 cm unterhalb desselben, wahrenJ
er bei normalen Männern nur m 4 n Proz. unterhalb gefunden
wurde und höchstens 2 3 cm tiefer lag. Aiuh m der topo¬
graphischen Lage der oberen Mer/greii/e kommt der 1 iei-
stand des Emphysemaiikerherzens zum Ausdruck; ich iai J sie
meistens in Hohe des 3. Interkostalraums und der 4. R.ppe. ein¬
mal sogar in Hohe des A. Interkostalraums und nur einmal bei
einem dilatierten Herzen in Hohe der 3. Rippe, wo sie bei nor¬
malen Herzen am häufigsten gefunden wird. I'er obere Raid
der absoluten H e r z d ä m p i u n g lag nie hoher als am
unteren Rand der 4. Rippe, meistens betraJithJi tiefer. Diese
Tieflage und gleichzeitige Kleinheit der absoluten Herz-
dämpfmig ist nichts anderes als der Ausdruck der Ticflage des
ganzen Herzens und hat meines Erachtens ihr*, n (iiui d mJit m
stärkerer Uebcrlagerung des Herzens dnrJi d:e Lungen.
Tabelle 1.
He
r i. m a s s c
Name
Alter
(irosse
Gewicht
Tr.
L
Fl.
Rüge.
26
154
49
10.4
12.0
90
1 (Norm.
Mittel
12.2
13.4
103)
Noll.
52
| 103
1 4S
11.7
13.9
117
(Norm.
Mittel
12.9
14.0
111)
Orhig . ...
67
IW)
63
12.9
14.5
145
Tcxtor.
69
171
65
13.5
15,5
143
Woicik.
44
los
(»o
13.5
13,5
117
Braun .
41
165
52
12.9
14.4
121
Müller.
53
171
(»o
12.5
14.o
132
(Norm.
Mittel*
13.1
14.2
117)
Schleich ....
50
17s
70
12.5
15.6
140
Klass . .
45
ISO
75
13.1
14.5
132
(Norm.
Mittel |
13.s
14.9
131)
KimptT)
38
—
14.5
16.3
163
Reuchlin*) . . .
53
-
—
l4.o
15,2
117
Mohr*).
59
—
--
13.5
14,0
147
Hahn*) . .
55
-
-
17.'
19.5
200
*) Angaben über Grosse und (iewicht fehlen bei diesen Leuten,
sic können daher in keine Groxscnklasse cmgcrciht werden.
Zur Entscheidung der wichtigen Frage iuJi der <i rössc
d e r E m p h y s e m a t i k e r h e r z e n s sind unsere Beob¬
achtungen noch nicht zahlreich genug, um ganz sichere ZuhTn-
mässige Angaben geben zu können. Ans den in Tab. I mit¬
geteilten Zahlen geht wenigstens m>\ jel her\ or. dass man
neben hypertrophischen und di'atierteii Herzen von manchmal
enormer (irosse auch bei hochgradigem und large bestehen¬
dem Emphysem häufig Herzen findet, die die Mittelwerte, die
der betreffenden Person nach (Irosse und Körpergewicht zu¬
kommen, nicht wesentlich überschreiten. FT e geringe Yer-
grösserung bei älteren Leuten ist durJi die Altershypertr« phie
allein erklärlich und in der Regel sind ja Emphysemaüker
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1773
ältere Leute. Eingehende Untersuchungen müssen demnach
erst die Frage klären, unter welchen Umständen man bei
Emphysematikern Herzhypertrophie findet.
Handelte es sich um stark vergrösserte Herzen bei den
von mir untersuchten Emphysematikern, so war die anfangs
geschilderte langgestreckte und schmale Herzform meistens
auffallend verändert, in der Weise, dass die sonst abgerundeten
Ecken/ der Herzsilhouette — namentlich der unteren — sich
tatsächlich mehr der Eckform näherten. Dadurch erhalten
solche Herzen statt des ovalen eine mehr viereckige, plumpe
Form (Abb. 9).
Abb. 9.
59jähr. Frau. Emphysema pulm. Ver-
grössertes, tiefliegendes Herz. Alte
Infiltration der R. Lungenspitze.
Bei Asthma bronchiale fand ich dieselben lang¬
gestreckten und tiefstehenden Herzen wie bei Emphysem; der
Stand der Zwerchfellkuppen war bei den im Anfall unter¬
suchten Asthmatikern ein ganz ausserordentlich tiefer, rechts
zwischen 6. und 7. Rippe; in der anfallsfreien) Zeit stand bei den
meisten das Zwerchfell und mit ihm das Herz etwas höher
(Abb. 10). Die respiratorische Verschieblichkeit des Zwerch-
A b b. 10.
14 jähr. Mädchen. Chron. Bronchial-
Asthma.
-Herz in anfallfreier Zeit (82 qcm)
.Herz im Anfall, tiefer getreten
und kleiner (72 qcm.)
(Beide Aufnahmen in der Respirations¬
pause.)
felis war im Anfall bei fast allen Fällen ganz minimal, dabei
erfolgten die Bewegungen deutlich stossweise, nicht in Form
eines langsamen Auf- und Niedersteigens wie beim normal
atmenden Menschen. Infolge dieses absoluten Tiefstandes und
der geringen Verschieblichkeit des Zwerchfells tritt auch das
Herz bei der Inspiration — im Gegensatz zum normalen
Menschen — nur wenig tiefer, aber auch das Kleinerwerden
der Herzsilhouette in Inspirationsstellung, das beim normalen
Herzen die Regel bildet, habe ich bei ausgesprochenen
Asthmaanfällen nie beobachtet, im Gegenteil wurde die Sil¬
houette bei der Exspiration kleiner und erweiterte sich bei der
Abb. 11.
40 jähr. Mann. Asthma bronchiale.
Aufnahmen während eines asthmat.
Anfalles.
-Inspiratorische (117 qcm)
- Exspiratorische (93—100 qcm)
Inspiration (Abb. 11). Diese Grössenschwankungen sind zum
Teil ganz beträchtliche. (Siehe Tabelle II.)
In der anfallsfreien Zeit verhielten sich die untersuchten
Fälle zum Teil umgekehrt (inspiratorische Verkleinerung), zum
grösseren Teil zeigten sie überhaupt keine deutliche Differenz
zwischen Inspirations- und Exspirationsfigur. In einem Falle
(Nr. ; 6), von sicherem Asthma bronchiale (Kristalle und Spi¬
ralen im Auswurf) waren im Anfall wederTiefstand des Zwerch-
Tabelle 2.
z
Name
Herzfläche
exsp.
insp.
1
Stohr ....
ausser
Anfall
128
.
im
115
125
2
. Qutter.
ausser
123
120
im
112
126
3
Stolp .
ausser
82
80
im
72
73
4
Nikolai.
ausser
__
_
im
93—100
117
5
Rumpel ....
ausser
150—155
148
im
136
149
6
Qerolstein . . .
ausser
101
_
im
9
99
98
felis noch die respiratorischen Grössenschwankungen des
Herzens nachzuweisen, allerdings verlief der Anfall, in dem der
Kranke untersucht wurde wesentlich leichter, im Vergleich zu
früheren.
Die Erklärung für die erwähnten respiratorischen Grössen-
Schwankungen des Herzens im Asthmaanfall suchen wir in der
erschwerten Exspiration, die durch Erhöhung des intrapul¬
monalen Druckes zu einer venösen Einflussbehinderung und
dadurch verkleinerten diastolischen Füllung des Herzens und
vielleicht auch zu einer rein mechanischen exspiratorischen
Pressung des Herzens führt. Die umgekehrte Erklärung: ver¬
stärkte inspiratorische Ansaugung und dadurch bedingte Ver-
grösserung der inspiratorischen Herzsilhouette scheint uns
weniger wahrscheinlich, weil die Inspirationsilhouette während
des Anfalls die Exspirationssilhouette ausserhalb des Anfalls
nicht an- Grösse übersteigt, wenigstens nicht regelmässig und
dann nur unbedeutend (Fall 3), vielmehr zeigen die beiden
Silhouetten im allgemeinen die gleiche Grösse.
Nach Hof baue r und Holzknecht*) wird auch das Herz
des normalen Menschen bei jeder ruhigen Inspiration grösser als
bei der Exspiration, wofür die Autoren den inspiratorischen Zu¬
wachs der Retraktionskraft der Lungen verantwortlich machen. Für
den Begriim der Inspirationsbewegung scheint uns das zuzutreffen: am
Schluss der Inspiration, wenn Lungen und Herz sich in Inspirations¬
stellung befinden und darin verharren, ist die Herzsilhouette nach
unseren Beobachtungen kleiner als die bei ruhiger Atmung im Re¬
spirationsstillstand — am Schlüsse der Exspiration — aufgenommene
Herzsilhouette. Näheres darüber s. M o r it z: D. Archiv f. klin. Med.,
Bd. 81.
Die gleiche Beobachtung der exspiratorischen Verkleine¬
rung des Herzens konnten wir ausser bei Asthma bronchiale
auch bei Kindern mit akuter diphtherischer Larynxstenose
machen. Allerdings ist genaue orthodiagraphische Messung
des Herzens in den einzelnen Respirationsphasen bei diesen
meistens sehr unruhigen Patientem in der Regel sehr schwierig.
Entgegen dem vielfach der Orthodiagraphie in horizontaler
Rückenlage gemachten Einwande konnten wir bisher sämtliche Pa¬
tienten, auch dyspnoische Asthmakranke, im Liegen untersuchen,
wenn sich auch manchmal eine leichte Erhöhung des Oberkörpers
notwendig machte.
Abb. 12.
26 jähr. Mann. Bronchialasthma. Auf¬
fallend breite* Lungenspitzen* lf Zwerch^
fellstand beiderseits 6. Rippe.
Bemerkenswert ist, dass man sowohl bei Emphysem, wie
namentlich bei Asthma auffallend breite Lungenspitzen be¬
obachtet — wohl als Zeichen der allgemeinen Lungenblähung
(Abb. 12). Die Abbildung 12 gibt überhaupt eine gute Vor-
*) Mitteilungen aus dem Laboratorium f. rad. Diagn. u: Therap.,
2. Heft, 1907.
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1774
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Stellung von den Grössenverhältnissen zwischen Herz und
Lungen bei dem pathologischen Zustand des Volumen pul¬
monum acutum.
Gesichtspunkte für die Einführung des Extractum digi¬
tale depuratum.
Von Dr. Ch. Hoepffner, Privatassistent von Dr. A.
Fraenkel - Badenweiler.
Durch die physiologische Wcrtbcstimmung der Digitalis¬
blätter und Digitalispräparate ist erst neuerdings eine ge¬
sicherte Grundlage für den Ausbau der Digitalistherapie ge¬
wonnen worden. Bisher war die Kunst, ohne störende Neben¬
wirkungen energische Digitaliskuren durchzuführen, allzusehr
Sache der Erfahrung des einzelnen Arztes und seiner speziellen
Kenntnis der ihm von der Apotheke gelieferten Digitalissorte;
es fehlte an gesicherten Regeln über die Digitalisanwendung.
Bei Verwendung eines so inkonstant zusammengesetzten
Präparates, wie der Digitalisblätter, deren Gehalt an wirk¬
samen Bestandteilen je nach Standort und Jahrgang der
Pflanze, der Art der Aufbewahrung und dem Alter der Blätter
um das dreifache schwanken kann, können feste Regeln nicht
aufgestellt werden. Aus diesem Grunde allein schon ver¬
langt eine rationelle Digitalistherapie die ausschliessliche Ver¬
wendung physiologisch dosierter Präparate. *)
Unter genauer Berücksichtigung der Wirkungsstärke ist
nun auch ein Vergleich der verschiedenen anderen Digitalis¬
präparate mit der Wirkung der Blätter in rationeller Weise
durchzuführen. Es ist aber in dieser Beziehung noch kaum
der Anfang gemacht. Es wird sich darum handeln, festzu¬
stellen, durch welche Präparate bei gleich energischer Digi¬
talisierung, d. h. bei gleicher angewandter Wirkungsstärke
Digitaliskuren mit den geringsten Nebenwirkungen (Magen-
Darmstörungen, Kumulation) -durchführbar sind. Die einzelnen
reinen Digitaliskörper haben sich nach dem Urteil der meisten
deutschen Autoren den Blättern selbst nicht als ebenbürtig
erwiesen. Die von ausgezeichneten Beobachtern behauptete
Ueberlegenheit der Blätter (vergl. Diskussion auf dem 19. Kon¬
gress für innere Medizin 1901) könnte vielleicht auf dem Zu¬
sammenwirken des Digitoxin, Digitalin, Digitalein in den
Blättern beruhen *), denn die einzelnen wirksamen Bestand¬
teile verhalten sich nach ihren Resorptionsbedingungen, nach
Zeit des Eintritts und in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer
Wirkung keineswegs gleich und die in den Blättern gegebene
Kombination könnte demnach Vorteile vor der Anwendung
jedes einzelnen w irksamen Körpers besitzen.
Die Darreichung der Digitalisblätter hat dagegen den
Nachteil, dass wir genötigt sind, mit den therapeutisch wert¬
vollen Bestandteilen auch eine, grosse Menge gleichgültiger
oder auch störender Beimengungen mitzugeben, die als Ballast¬
stoffe die wirksamen Glykoside begleiten. Einzelne dieser
Beimengungen, z. B. das saponinartige Digitonin, wirken
stark reizend und bedingen sicher zum Teil die Magen- und
Darmstörungen mit, welche bei den empfindlichen Verdauungs¬
organen der Stauungskranken oft genug die Digitaliskuren
stören.
Dass diese unangenehmen Nebenwirkungen bei Verabreichung
des Infuses seltener aufzutreten scheinen, beruht darauf, dass das
übliche Infus eine relativ schwachwirkende Pigitalisordinatimi ist.
Nebenwirkung und Kumulation treten beim Infus in demselben Ver¬
hältnis später auf wie die therapeutische Wirkung '), rin triftiger
Grund zur Beibehaltung des Infuses in unserem Arzneischatz liegt
also nicht vor.
Aus obigen Gründen erscheint es daher aussichtsvoll, mit
der wohlbekannten Wirkung der Blätter ein neues Digitalis¬
präparat zu vergleichen, das von den therapeutisch wertlosen
Beimischungen der Blätter befreit ist, aber alle therapeutisch
‘) Vergl. Kollert: Arzneivenirdnimgslelire 191 ) 0 , png. 5.E -
R. Gott lieb: Kongress iiir innere Medizin 191)1. A. Fraen-
kcl: Therapie der Gegenwart 19U2. — C. bocke: Therapie der
Gegenwart 1902 und 1904 und Berliner klinische Woclienschrift I9iu>.
*) R. Gott lieb: Münch, nied. Wochcnschr., 190N. N<». 24.
n ) b. S c h a c f f e r, Inaug.-Diss. Strassburg 1907: Geber kumu¬
lative Nebenwirkungen bei der Digitnlistliernpic mit Intus und Pul¬
vern,
wirksamen Bestandteile in dem in den Blättern selbst ge¬
gebenen Mischungsverhältnis enthalt.
Es ist dies ein auf Veranlassung von Prof, (int t lieb in
Heidelberg von der Firma Knnll & Co. hergestelltes
Extractum digitalis depuratum, das schon Herr Dr. A.
Fraenkel angewandt und als zuverlässig und rasch wirk¬
sam erkannt hat. *)
Das Extractum digitalis depuratum'’) wird durch cm
äusserst schonendes Verfahren dargestellt, welches alle che¬
mischen Einwirkungen vermeidet, durch die \ eränJcrur.gcii
oder Zersetzungen der wirksamen Stoffe veranlasst werden
konnten. Näheres über die Darstellung wird demnächst von
chemischer Seite an anderem Orte veröffentlicht werden. Es
soll hier nur in Kürze aus den von Prof. Göttlich liebens¬
würdigerweise gemachten Mitteilungen erwähnt werden, dass
es durch das angewandte Verfahren gelingt, etwa s5 Pr«»/., der
gesamten, in ein gewöhnliches Digitalisextrakt übergehenden
Bestandteile durch schonende Reinigung zu entfernen. Wie¬
der Vergleich der Wirksamkeit der Blatter und des daraus
gewonnenen Extraktes ergibt, bleibt trotz der weitgehenden
Reinigung fast die Gesamtheit der wirksamen Bestandteile m
dem gereinigten Extrakte enthalten. Das Präparat ist frei
von Digitonin; Digitoxin und I hgtlalin sind darin enthalten.
Die wirksamen Substanzen im Extraktum drg:t t!.s depurü.im
sind in kaltem Wasser und in Sauren unloshJi. aber sehr
leicht löslich in verdünnten Alkalien. Es ist darnaJi eine
gleichmässigc Resorption der wirksamen Substanzen im Darm
zu erwarten.
Das gereinigte Digitalisextrakt ist eine Flüssigkeit \ on
gelber Farbe, dasselbe wird mit Milchzucker zu einem gelb¬
lichen Pulver eingedickt und dieses durch den Mi! Ji/Ucker-
zusatz auf einen bestimmten physiologischen Wirkungswert
eingestellt. Das Extractum digitalis depuratum ist also ei
durch physiologische Wcrtbcstimmung stets auf e.rc bekannte
W irkungsstärke eingestelltes Präparat. Die Einstellung ert -Igt
derart, dass die an/uw endende Einzeldosis von n,l g des
Pulvers der W irkungsstarke von ö.l g stark wirksamer Digi¬
talisblätter entspricht. Diese W irkut gssiaike hat sich tuuh
einigen Yorvcisuchen als die geeignete für eine bequeme Hand¬
habung lies Präparates erwiesen.
Die Kontrolle der gleichmassigen Einstellung durch den
physiologischen Versuch liegt ui den lläuJui von Prot.
G o t t 1 i e b.
Wir wandten das gereinigte Digitalisextrakt in der Form
von sehr leicht zeifallenden Tabletten an. von denen jede
0,1 g des Pulvers enthält.
Es ist uns möglich gewesen. In einer kurzen Zeit eilte
grosse Zahl von Patienten (über 4o) mit Digipuratum zu be¬
handeln, einige davon zu wiederholten Malen.
Wir gaben das Mittel:
1. mit absoluter Indikation bei Stauungen im grossen
Kreislauf,
2. mit relativer Indikation bei beginnender Herzinsuffi¬
zienz,
ö. zu diagnostischen Zwecken, um in einzelm.it Fallen zu
entscheiden, wie viel von den K ranklteitssymptoitien kardialen
Ursprungs waren").
Wir haben ausserdem i:och einige Male das M.ttel von
herzge-stnulen Menschen einnelmiett lassen, um uns von seiner
Bekömmlichkeit zu überzeugen.
Man darf bei der Pigitalismedikatioii Kumulation ui.d
Bekömmlichkeit nicht verwechseln. Es ist nicht ausser
acht zu lassen, dass es keinen Menschen gibt, der lauge Zeit
mit irgend einem beliebigen Präparat richtig unter Digitahs-
wirkuug zu halten ist, ohne dass schliesslich d<*ch kmmi'ative
Magcndarmsiorimgen auftreten. Andererseits gibt es eine An¬
zahl von Kranken, die auf Intus und Pulver und zwar snfurt.
auf die erste Dosis, ablehnend reagieren. Sie vertragen Digi¬
talis nicht. In diese Gruppe gehören die seltenen Idiosv nkrasie n
M A. Fraenkel: Areli. f. exp. Paili. u. Pharmak-•!.. Bd. sg
pag. 157 mul Ergebnisse der inneren Medi/m l‘>"s t p.,-. p.y
H Pie Eirnia Knüll & C<>. tu tilgt das sc l-e unter Ccm u!gerat;/teil
Namen ..Pigipiiranim" in kleinen Tti'un in Ceti H.tn.u’.
') Vergl. \. Fraenkel: Ergebnisse Cer :r:u'en Mc.b/ai und
Kinderheilkunde, Bd. 1.
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1775
und die recht zahlreich vertretenen „Digitalisangstmeier“.
Diese Furcht vor Digitalem Laienkreisen hat ihre Wurzeln
zum Teil in den Anschauungen jener Aerzte, die die Qefahren
einer Digitalismeidikation überschätzen, weil sie id i e Kumu¬
lation nicht durch richtige Dosierung zu ver¬
meiden wissen. Es ist auch in medizinischen Kreisen der
Glaube verbreitet, man könnte durch Digitalis ein gesundes
Herz schädigen, ein krankes, aber kompensiertes Herz zur De¬
kompensation bringen. A. Fraenkel wird in einer im Druck
befindlichen Arbeit zeigen, dass ein gesunder Kreislauf auf
wirksame Digitalisdosen überhaupt nicht reagiert. Anderer¬
seits ist nicht einzusehen, warum einem kompensierten kranken
Herzen ein Mittel schaden sollte, das die Herzkraft verbessert
In logischem Widerspruch zu dieser Digitalisangst steht die
Sorglosigkeit, mit der Kohlensäurebäder bei gut kompensierten
Herzen mit grosser Vorliebe verabreicht werden. Eine ener¬
gische Badekur ist sicher ein: viel differenteres Verfahren, als
eint: vorsichtige, bei ruhigem Verhalten des Patienten durch¬
geführte Digitaliswirkung. Tatsächlich^ sahen wir bei An¬
wendung von Digitalis mit relativer Indikation nur Nutzen,
niemals Schaden, während wir wiederholt Gelegenheit hatten,
Fälle zu sehen, wo starke und häufige COa-Bäder Schaden
angestiftet haben.
Das Digipuratum wurde von allen Patienten gerne ge¬
nommen. Die Tablettenform ermöglicht es, dass das Präparat
geschluckt wird, ohne dass der bittere Geschmack belästigt.
Nach längerem Prüfen sind wir zu einer Dosierung ge¬
kommen, die die richtige sein dürfte, da sie es ermöglicht,
schon innerhalb der ersten 24 Stunden deutliche Digitalis-
wirkung zu erzielen, ohne dass Magendarmstörungen auf-
treten. Dass bei der Dosierung die Individualität und das
Alter des betreffenden Patienten berücksichtigt werden muss,
ist eine selbstverständliche Forderung. Die von uns als richtig
erkannte Dosis ist: am ersten und zweiten Tage je 4 Tabletten
zu 0,1 g, am dritten und vierten je 3 Tabletten, von da ab je
2 Tabletten pro die.
Als Paradigma führen wir eine Tabelle an:
Frau F., 56 Jahre, Nephritis chronica, Herz nach rechts und
links dilatiert, systolisches Geräusch, 2. Aortenton akzentuiert.
Starke Oedeme, Leberschwellung.
Datum
Puls
Getränke
Diurese
Ordination
Blut¬
druck
26. V.
80
1250
1450
4 X 0,1 g
Digipuratum
290:180
27. „
64
1300
2300
4 X 0,1 g
Digipuratum
—
28. .
68
1100
1500
3 x 0,1 g
Digipuratum
290:190
29. n
76
1160
1550
3 x 0,1 g
Digipuratum
—
30. ,
72
1440
1750
2 X 0,1 g
Digipuratum
—
31. „
72
1500
1550
2 X 0,1 g
Digipuratum
—
1. VI.
64
1090
800
Da w'ir fortlaufende Blutdruckmessungen unter den be¬
sonderen Verhältnissen am Kurort nicht vornehmen konnten,
wurden für uns von befreundeter Seite solche Bestimmungen
durchgeführt. Herr Dr. G. S c h w a r t z, Direktor und Inter¬
nist des Büngerspitals in Colmar, hat die grosse Liebenswürdig¬
keit gehabt, uns eine Tabelle zur Verfügung zu stellen, die wir
hier wiedergeben wollen.
Frl. M., 45 Jahre, Mitral- und Aorteninsuffizienz. Sehr irregulärer
und inäqualer Puls, starke Oedeme und Aszites. Nachts kein Schlaf,
Dyspnoe. (Siehe nebenstehende Tabelle.)
Weitere Erörterungen über die Wirkung des Digipuratum
an der Hand dieser Tabellen anzustellen, dürfte w r ohl über¬
flüssig sein. Die Wirkung ist bei allen Indikationen deutlich
zahlenmässig ausgedrückt, die Diurese steigt, die Pulsfrequenz
sinkt, die Amplitude wächst.
Die Wirkung an Fällen mit relativer Indikation lässt sich
zahlenmässig aus begreiflichen Gründen nicht so klarstellen.
Auch hier haben wir mit der gewöhnlichen Dosierung schon
in den ersten 24 Stunden oder wenigstens kurz danach deut¬
Da¬
tum
Puls
a. m. p.m.
Blutdruck
(ccm H 2 O)
Ampli¬
tude
Ge¬
tränke
Diu¬
rese
Ge¬
wicht
Ordin.
14. VII.
80
80
192:108
84
1000
1850
54 kg
_
15. „
76
76
180:90
90
950
1950
4 x 0,1
Digipur.
16. „
80
76
182:90
92
1000
2400
4 x o,r
17. *
52
52
182: 100
82
900
1900
3 X 0,1
18. „
52
48
160:88
72
850
2000
52 kg
3 X 0,1
19. „
44
44
170:86
84
850
1800
2 X 0,1
20. „
44 |
44
176:90
86
900
1650
2 X 0,1
21- „
52 '
52
170:84
86
900
1700
2 X 0,1
22. „
40
170:86
84
850
1350
1 X 0,1
23. .
44
48
186:90
96
900
1200
49 kg
1 X 0,1
liche Digitaliswirkung erzielt. Unangenehme Wirkungen auf
Magen und Darm sind in letzter Zeit, als wir schon die richtige
Dosierung erkannt hatten, nicht mehr vorgekommen. Das
Mittel wurde gern genommen; wir haben es nie wegen
schlechter Bekömmlichkeit nach den ersten Dosen aussetzen
müssen. Die oben angegebene Dosierung ist natürlich nicht
als eine Regel aufzufassen, von der man nicht abweichen darf,
wir haben sehr oft nur am ersten Tag 0,4 g gegeben, am
zweiten schon 0,3. Dies alles hängt ab von der Schwere der
Fälle und der Art, wie der Patient auf die erste Tagesdosis
reagiert. Wir haben bei Patienten, die wir ambulant be¬
handelten, sehr oft nur 0,3 g am ersten Tag, von da ab nur
0,2 g gegeben, andere haben überhaupt 0,2 g pro die nie über¬
schritten.
Die mit dem Digipuratum erzielten Erfolge berechtigen
uns zu folgenden Schlussätzen:
1 . Es kommt dem Extractum digitalis depuratum eine zu¬
verlässige und prompte therapeutische Wirksamkeit zu.
2 . Die Wirkung auf Puls (Qualität und Frequenz),
Diurese etc. tritt relativ rasch ein. Mit 0,4 g Digipuratum
erreicht man in 24 Stunden Wirkung, mit 0,3 g kann man irr
den folgenden 2 Tagen die Wirkung erhalten, mit 0,2 g, noch
einige Tage weiter gegeben, eine vollständige Digitalisierung
erreichen.
3. Das Extractum digitalis depuratum scheint den
Magen weit weniger zu stören, als eine in Be¬
zug auf den therapeutischen Erfolg gleich
energische Kur mit Digitalisblättern. In
unseren Fällen: traten nennenswerte Nebenerscheinungen von
Seiten des Magens nicht auf.
4. Es gelingt mit dem gereinigten Extrakt leichter als mit
den inkonstant zusammengesetzten Digitalisblättern energische
Digitaliskuren durchzuführen, ohne dass sich Intoxikations¬
erscheinungen durch Kumulation geltend machen. Solche
energische und rasche Digitaliskuren sind der Prüfstein für ein
gutes Digitalispräparat.
Nach unseren Erfahrungen: kann gesagt werden, dass das
Extractum digitalis depuratum alles leistet, was man von einem
guten Digitalispräparat verlangen kann.
Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig.
Notiz Ober Kondurangorinde und Kawarwurzel.
Von R. B o e h m.
Die Kondurangorinde kam im Jahre 1871 mit dem Rufe
eines Heilmittels gegen Krebs aus Ecuador in Südamerika nach
Europa. Wenn sie auch als Krebsmittel bis heute keine durch¬
schlagenden Erfolge aufzuweisen hat, konnte sie doch, be¬
sonders als Stomachikum, ihren Platz im Arzneischatze be¬
haupten und ist auch seit 1882 im deutschen Arzneibuche
offizinell. Welchem ihrer Bestandteile sie ihre Heilwirkung
verdankt, ist bis auf den heutigen Tag ungewiss; sie enthält
ein stickstofffreies Glykosid (Kondurangin), das von V u 1 p i u s
1872 zuerst isoliert, später von J u k n a und französischen
Autoren weiter untersucht, auf seine Heilwirkung aber nie¬
mals geprüft w orden ist.
Neuerdings sind in meinem Laboratorium eingehendere
Untersuchungen über die Chemie der Kondurangorinde aus¬
geführt worden, deren Resultate demnächst anderen Ortes
publiziert werden. Es ergab sich unter anderem, dass das
reine Kondurangin ein Derivat der Zimtsäure ist und dass die
Digitized b'
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1776
MUFNCHFNFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Rinde abgesehen von unwirksamen, nur in chemischer Hin¬
sicht interessanten Stoffen erhebliche Mengen (bis zu 0,3 Proz.)
eines ätherischen Oels enthält, das wahrscheinlich einen An¬
teil an der Wirkung der Droge hat.
All dies würde die Mitteilung an dieser Stelle kaum recht-
fertigen, wenn nicht ein meiner Meinung nach interessantes
Zusammentreffen hinzukäme.
Durch Vermittlung des Leiters der öffentlichen Auskunfts¬
stelle für Auswanderer in Dresden, Herrn Hans Klo es sei
erhielt ich vor einiger Zeit etwa 2 Kilo einer Wurzel (K a w a r-
w u r z e 1), die aus T ransvaal (Afrika) von einem Missionär
als Heilmittel gegen Krebs nach Deutschland geschickt wurde.
Die botanische Zentralstelle für die Kolonien in Dahlem bei
Berlin konnte zwar die Spezies der betreffenden Pflanze nicht
bestimmen, wohl aber sicher feststellen, dass letztere der
Familie der Asklepiadazeen angehört.
Da auch die Stammpflanze der Kondurangorinde (Mars-
denia Condurango) eine Asklepiadazee ist, gewann der Gegen¬
stand für mich Interesse und es ist daher die genauere che¬
mische Untersuchung auch dieser Droge im hiesigen pharma¬
kologischen Institut ausgeführt worden. Im wesentlichen er¬
gaben sich dabei Bestandteile, die mit denen der Kondurango¬
rinde die grösste Achnlichkeit haben. Ausser reichlichen
Mengen eines Glykosides (Kawarin), das dem Kondurangin
nahe verwandt ist und wie dieses die Eigentümlichkeit auf¬
weist, dass seine klare wässerige Lösung durch Erhitzen stark
getrübt wird, fanden sich auch in der Kawarwurzcl beträcht¬
liche Mengen eines ätherischen Oeles, dem sehr intensiven und
nicht unangenehmen Geruch nach gleichfalls dem Kondurango-
öl sehr ähnlich.
Ich kann über die therapeutische Brauchbarkeit der !
Kawarwurzel als Krebsmittel ebensowenig ein Urteil abgeben '
w ie darüber, ob die Kondurangorinde in dieser Beziehung eine i
Bedeutung hat. '
Die Tatsache aber, dass in zwei Weltteilen zwei vege- '
tabilische Drogen, aus der gleichen Pflanzenfamilie ab- i
stammend, als Volksmittel gegen die gleiche Krankheit ge¬
braucht werden und dass die chemische Zusammensetzung
dieser beiden Drogen eine weitgehende Uebereinstimmung ;
aufweist, erscheint mir beachtenswert. Dass es sich in letzter
Hinsicht nicht bloss um eine mehr oder weniger selbstverständ¬
liche Familienähnlichkeit handelt, geht daraus hervor, dass es 1
auch Asklepiadazcendrogen gibt, die die hier in Betracht
kommenden Bestandteile nicht enthalten.
Die Heilkunde verdankt viele wirksame Arzneimittel der '
naiven Beobachtung von Naturmenschen. Es ist immer noch
die Möglichkeit zu erwägen, dass wir vielleicht Koudurango
noch nicht in der richtigen Weise anzuwenden verstehen
und auf alle Fälle erscheint mir der Gegenstand der Beachtung
von Seite der ärztlichen Praxis wert.
Zur Verbesserung der Tuberkulinbehandlung.
Von Dr. F. Jessen in Davos.
Eine in No. 25 dieser Wochenschrift erschienene Arbeit '
von Leber und Stein harter über diagnostische Imp- 1
fungsversuchc mit einem fettfreien Tuberkulin gibt mir Yer- j
anlassung zu berichten, dass ich seit 2 Jahren mit einem
unter anderem fettfreien Tuberkulin therapeutisch |
arbeite und damit bessere Resultate als mit den gewöhnlich 1
gebrauchten Tuberkulinen erzielt habe. j
Die Veranlassung zu meinem Vorgehen gab mir eine Arbeit
von Amand-Dclillc 1 ), der experimentell nachwies, dass 1
unter den Toxinen des Tuberkelbazillus eines (Aetherextrakt) ,
verkäsend, ein anderes (Chloroformextrakt) skferosierend
wirkt. Es musste wichtig erscheinen, namentlich das erste
aus den als Heilmittel zu benutzenden Präparaten zu entfernen ■
Im Verlauf meiner Beobachtungen bin ich aber dazu ge- ‘
kommen, die in Chloroform löslichen Gifte auch zu eliminieren. '
Ich nehme daher die in Höchst hergestellte tuberkelbazillenfreie
Bouillon T. O. A. und extrahiere sie zuerst mit Aether und dann
mit Chloroform. Die erhaltene Restflüssigkeit wird dann mit
einer 20 P roz. Glyzerin- und 0.5 Proz. Karbolsäure haltigen
l ) Arclr. de Med. exper. \W2.
Nn. 34.
physiologischen Kochsalzlösung auf das gewünschte Mass ver¬
dünnt. Eine auf diese Weise behandelte Tubcrkelbaziljen-
bouillon ist auch völlig fett- und wachsfrei. Es scheint nun,
als ob damit aus dem Tuberkulin ein grosser Teil unangenehm
wirkender Substanzen entfernt ist.
L e b c r und S t e i n h a r t e r (I. c.) berichten denn mich,
dass sie beim Gebrauch entfetteten Tube rhulrns bei der Pir¬
quet scheu Impfung bessere Resultate gesehen haben, als
beim gewöhnlichen Tuberkulm.
Auch V a u g h a n und W h e e 1 e r *) steifen fest, dass sie
mit von ihnen hergestellten Güten, die nach Alkoholiaüung mit
Aether extrahiert waren, bei nicht zu vorgesdir.tteneti Fallen
bessere Resultate als mit irgend einer anderen Form von
Tuberkulin erhalten haben, während ihre Präparate bei vor¬
geschrittenen Fällen ausschliesslich sdiad gei d wirkten, we:l
dann aus der grossen Menge der vorhandenen Ba/uleu Ze : I-
gift iti gefahrbringender Weise erzeugt wird.
Abgesehen von der oben beschriebenen Verbesserung des
Präparates halte ich aber auch eine Acnderurg m der Meth de
der Anwendung für wichtig.
Aufrecht ’) hat bereits vor .Iahten Abfieberurg schwe¬
rer Tuberkulosefalle bei Anw endtmg kleinster Dosen be¬
schrieben, die er allerdings noch steigend benutzte. Ferner
hat Philippi mir mündlich mitgetei!; und spater aut e.ner
Schw eizer AerzteVersammlung in eimni \oft r ..g beruhtet, dass
er mit allerkleinsten I uberkiihndosen o h n e Steiger u u g
auJi bei schweren Fällen Dunstiges erreicht habe. Nor allem
aber waren es die Arbeiten von W right und seinen Schülern
11 her ihre opsonischen Studien, die meine Aufmerksamkeit auf
den (iebrauch kleinster I tosen in grossen Zw i s c h e n -
r ä u m e n, wie sie w eder A u f r e c h t tu», h P h i I i p p i nu.e-
hielten, lenkten.
Nach den W r i g h t sehen Arbeiten muss es als 1 k sonders
wichtig erscheinen, dass man mit der folgenden Inkktion nicht
in die „negative Phase“ der vorhergehenden haienialit. Das
kann man auch ohne die theoretisch fmdist widrige. prak¬
tisch ott schwierig durchführbare Besinnung des opsonischen
Index machen, wenn man klinisch genau arbeitet, auf die Wir¬
kungen des Tuberkulins achtet und grmidsut/l;Ji grosse
Pausen zwischen den einzelnen Int, kimnen madit.
Man muss sich darüber klar sein, dass mau mit dem
I uberkulin nicht bakterizid wirken kann, sondern mir reizend,
reizend auf die Ausstossung kranker Jede, reizend auf d.e
Antitoxinbilduug, reizend auf die B.lJurg sklerosiereitder Pro¬
zesse.
Man darf nicht vergessen, dass das Mittel nicht he.lt, son¬
dern nur den Organismus zur Heilung nuregt.
Daher kommt es. dass einzelne nicht besonders schwere
Fälle keinen Nutzen haben, weil eben der Körper auf den Reiz
nicht antwortet. Natura sanat. medicus curat. Andererseits
können oft s c h w e rc F ä 1 I e. die nach dem üblichen Sdiema-
tismus sich für eine Tubcrkulinbehur.d'tmg nicht eignen, m der
richtigen Weise behandelt, glänzende Resultate erz.elui.
Mit meinem entfetteten resp. voi einer Reihe verkäsend
und entzündend wirkender Stoffe lufreiten Tuberkulin und der
Methode, eine je nach dem Falle \ariieiende kleutMe Dose
■ "" ""Ü; ccm durchschnittlich) in grossen Zwischen-
r ,i n m e n (um S lagen his zu 4 W (»dien sdiw arkend und nur
in seltenen Fällen auf 5 Tage fallend) n h ne S t e i g e r u n g
zu hrmitzen, habe ich n i e m als ein e n S c h a den g e -
s e h e n.
Bedingung ist auch Iniektinn in den Rioken, da man dort
keine der höchst überflüssigen und nicht g'eij gub gen ..la-kal-
reaktionen“ an der Iniektiousstefle b« kommt.
Auftreten von sog. ..l’eberempfmdbJikeit“ hübe idi rieht
beobachtet.
Genaue Untersuchung vor jeder neiiui IrRkta-t: is* p,e-
dingimg. Erst nach völlig abgelauferein Reize darf d.e r.uie
Injektion erfolgen.
Die Resultate sind so. dass leichte Falle, v - s :t mi all¬
gemeinen für T uberkulin als geeignet betrnditit v. eden. a’'e
sehr gut absclmeiden: mittelschwere Falle, wie sie im all¬
gemeinen nicht mehr mit Tuberkulin bdia; dd: Werder., er-
*) Nun. Arbop. Midi, lui'7.
: ‘) Pathologie und Therapie der Liie.e'is J:v ui \ ^ |
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1777
reiohen oftmals ganz hervorragende Besserung, ja volle Hei¬
lung.
Terminale Phthisiker eignen sich nicht.
Es gibt aber auch vorgeschrittenere Kranke, die nichts er¬
reichen, weil eben ihr Körper auf den neuen Reiz nicht zu
reagieren vermag; diese Fälle erreichen aber auch mit anderen
Methoden nichts.
Alle die unangenehmen Nebenerscheinungen, wie
sie so oft bei Tuberkulingebrauch gesehen werden, traten
nicht auf.
Krankengeschichten anzuführen unterlasse ich absichtlich.
Die Petruschkysche Etappenbehandlung behält ihren
grundsätzlichen Wert auch für dies Verfahren.
Aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie zu Frank¬
furt a. M. (Direktor: Qeh. Ober-Med.-Rat. Prof. Paul Ehrlich).
Phagozytosestudien.
Von Dr. H. Bechhold, Mitglied des Instituts.
Durch die Arbeiten von Denys und Leclef, von
\V right und seinen Schülern, von N e u f e 1 d usw. ist be¬
kannt, dass Leukozyten erst durch die Gegenwart von Serum
zur Phagozytose von Staphylokokken befähigt werden und
dass d-ie Intensität der Phagozytose einerseits abhängig ist von
der Virulenz der Bakterien, andererseits von gewissen Eigen¬
schaften des Serums, die in engem Zusammenhang mit denen
stehen, welche die Immunität bedingen. Es war nun meine
Absicht, zu prüfen, welchen Einfluss einige einfache
chemische Eingriffe auf die Phagozytose haben, ins¬
besondere durch solche Substanzen, welche auch normaler¬
weise im Organismus Vorkommen; ferner wollte ich
prüfen, inwiefern 1 die allgemeinen kolloiden
Eigenschaften des Serums eine Rolle bei der
Phagozytose spielen, ob sich das Serum durch andere
Kolloide ersetzen lässt*).
N e i s s e r und G u e r r i n i J ) haben bereits unter An¬
wendung einer vollkommen neuen Methodik gezeigt, dass es
Stoffe, Stimulantien, gibt, die, an sich Gifte, in minimalen
Dosen die Phagozyten zu erhöhter Tätigkeit anregen. Es war
somit von besonderem Interesse, in der oben von mir er¬
wähnten Richtung Versuche vorzunehmen.
Leukozytenbrei gewann ich in der üblichen Weise durch
Injektion von Aleuronemulsion in die Pleura von Kaninchen.
Meist wurden 2 Tropfen einer Leukozytenaufschwemmung
mit 2 Tropfen einer dichten Aufschwemmung von Staphylo¬
kokken (Agarkultur, auf ein Röhrchen % ccm physiologische
Kochsalzlösung) in physiologischer Kochsalzlösung versetzt,
die verschiedenen anderen Substanzen zugesetzt und gut durch¬
geschüttelt. Jedes Röhrchen enthielt schliesslich gleiches Vo¬
lumen, nämlich 8 Tropfen Flüssigkeit. Ausser lebenden Bak¬
terien kamen auch solche zur Untersuchung, die durch ein-
stündiges Kochen abgetötet waren. Als Serum oder Blut
wurde stets das Serum bezw. Blut des Kaninchens verwandt,
aus dem die Leukozyten gewonnen waren. Die Mischung
blieb eine Stunde im Brutschrank. — Die Ausstrichpräparate
wurden an der Luft getrocknet, 2 Minuten in Methyl¬
alkohol fixiert und 5 Minuten in Mansonblau gefärbt.
Die Untersuchung erfolgte bei elektrischem Glühlicht,
wobei die Kerne blau, die Bakterien violett erscheinen, auch
das Protoplasma der Leukozyten, besonders die Ränder sind
•) Während der Niederschrift dieser Arbeit sind zwei Studien von
Hamburger und Hekma (Biochemische Zeitschr. IX, 275—306
u. 512—521) erschienen, in denen die Einwirkung chemischer Agentien
auf die Phagozytose untersucht wird. Ziel und Versuchsanordnung
sind wesentlich verschiedene. Hamburger und Hekma phago-
zytieren Kohlepartikelchen, offenbar, um die reine Einwirkung ihrer
Agentien auf die Phagozyten kennen zu lernen. Während nun
Staphylokokken in serumfreier Aufschwemmung nicht
phagozytiert werden, weicht die Phagozytose von Kohle-
partikelchen in serumhaltiger Aufschwemmung nicht wesent¬
lich von der in serumfreier ab (Hamburger und Hekma: Bio-
chem. Zeitschr. VII, 102—116). Auf diese interessante Tatsache sei
hiermit aufmerksam gemacht.
*) Opsonine und Leukostimulantien (Arbeiten aus dem Kgl. In¬
stitut f. exper. Therapie zu Frankfurt a. M., H. 4).
No. 34.
angedeutet; bei Gegenwart von roten Blutkörperchen er¬
scheinen diese schwach grün.
Von einer Zählung der phagozytierten Bakterien habe ich
abgesehen und nur grobe Unterschiede verzeichnet:
0 bedeutet keine oder nur ganz vereinzelte Bakterien im
Protoplasma.
X bedeutet wenige Bakterien im Protoplasma.
XX bedeutet ziemlich viele Bakterien im Protoplasma, doch be¬
stehen noch Zwischenräume zwischen den Bakterien.
XXX bedeutet, das Protoplasma ist dicht mit Bakterien voll¬
gepfropft.
1 . Einfluss von NaOH auf die Phagozytose.
Die Mischung bestand aus 2 Tropfen Leukozyten- und 2 Tropfen
Staphylokokkenemulsion, ferner 2 Tropfen physiologischer Kochsalz¬
lösung mit verschiedenem NaOH-Gehalt! Im folgenden bedeutet z. B.
NaOH dass das Gesamtvolumen der Mischung einen Gehalt von
4 /»oo normal NaOH hatte. Schliesslich enthielt die Mischung noch
2 Tropfen Serum oder Vollblut oder physiologische Kochsalzlösung
und es waren die verschiedenen erforderlichen Kontrollen angestellt:
NaOH
in physiol. NaCl
in Serum
in Vollblut
n/100
0 (Leukozyten
zerstört)
0 (Leukozyten
stark verändert)
0 (rote Blutkörper¬
chen zieml. erhalten,
Leukozyten etw. ge¬
quollen
n/200
0 (Leukozyten
zerstört)
0 (Leukozyten
teilw. verändert
XX
n/400
0 (Leukozyten
verändert)
u. gequollen)
XX
n/800
0 (Leukozyten
verändert)
XX
XXX
0
0
XXX
XXX
Resultat: NaOH hebt die Phagozytose auf, aber erst
dann, wenn die Leukozyten sichtbar verändert sind. Die zer¬
störende Wirkung des NaOH wird bedeutend vermindert durch
die Gegenwart von Serum, noch mehr durch die von Vollblut;
offenbar binden 1 Serum und rote Blutkörperchen das NaOH. s )
Eine Hemmung tritt im Serum bereits bei Zusatz von n/800
NaOH, in Vollblut bei Zusatz von n/400 NaOH ein.
2 . Einfluss von Milchsäure auf die Phago¬
zytose.
Unter den Säuren wählte ich Milchsäure mit Rücksicht darauf,
dass diese im normalen Organismus am ehesten ihren Einfluss geltend
machen kann. Die Bedingungen waren die gleichen wie bei 1.
Milch¬
säure
in physiol. NaCl
in Serum
in Vollblut
n/40
0 (Leukozyten
zerstört)
0 (Leukozyten
geschrumpft)
0 (rote Blutkörper¬
chen wenig ver¬
ändert)
XX
n/100
dto.
XX bis ( XXX!, (dto.)
n/200
0
XXX
n/400
0
XXX (dto.)
XXX
n/800
0
XXX (dto.)
XXX
0
0
XXX
XXX
Resultat: Wir sehen, dass relativ grosse Mengen
Milchsäure (bei Vollblut n/100) die Phagozytose nicht erheblich
beeinflussen, und dass selbst eine sichtbare Veränderung der
Leukozyten (vergl. die Reihe mit Serum) durch Milchsäure
die Phagozytose nicht hindert.
3. Einfluss von Kohlensäure und Leuchtgas
(Kohlenoxyd) auf die Phagozytose.
Zu der üblichen Mischung von Leukozyten und Staphylokokken
wurde Serum, bezw. Vollblut, bezw. rote Blutkörperchenemulsion n )
gefügt.
*) Trotz der verschiedenen Versuchsanordnung stimmen diese
Ergebnisse gut mit den beziigl. Resultaten von Hamburger und
Hekma (1. c.), soweit diese in serumhaltiger Aufschwemmung ar¬
beiteten.
3 ) Eine Emulsion von roten Blutkörperchen in physiologischer
Kochsalzlösung in gleicher Dichte, wie im Vollblut. Die roten Blut¬
körperchen waren durch wiederholtes Zentrifugieren und Waschen
mit physiologischer Kochsalzlösung von Serum befreit.
2
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1778
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
In sämtliche Mischungsbestandteile war je nachdem 15 Minuten
lang Kohlensäure bezw. Leuchtgas (Kohlenoxyd) eingeleitet worden.
Sofort nach der Mischung wurden die Röhrchen teilweise mit Paraffin,
liquid, überdeckt, um event. Einfluss von Luftsauerstoff auszuschliessen.
physiologische Kochsalzlösung . .0
physiologische Kochsalzlösung -f- CO*.0
Serum..XXX
Serum + CO*.XXX
Serum 4 - COa mit Paraffin überdeckt.XXX
Vollblut..XXX
Vollblut 4- COa.XXX
Vollblut + UO« mit Paraffin überdeckt.XXX
Blutkörperchen .0
Blutkörperchen -f- CO* ..0
Serum -{- CO (Leuchtgas). XXX
Vollblut 4- CO (Leuchtgas) . ..XXX
Blutkörperchen -f- CO.. 0
Resultat: Die Sauerstoffzufuhr, sei es ohne,
sei es in Gegenwart von roten Blutkörperchen, spielt für die
Phagozytose keine Rolle; ebensowenig hat Sättigung mit
Kohlensäure irgend einen Einfluss, ja selbst Leucht¬
gas (Kohlenoxyd) behindert die Phagozytose nicht.
4. Gibt es andere Kolloide, die Serum bei der
Phagozytose zu ersetzen vermögen?
Je 2 Tropfen Leukozytenemulsion wurden mit den verschiedenerf
Zusätzen versehen. Die Zahlen bezeichnen die Zahl der Tropfen.
Staphylo- physiol.
kokken NaCl
2 tot 2 Gelatine 2 proz.
2
2 lebend 2
n
2
2 tot 2
n
2
2 lebend 2
*
2
2 tot 2
19
2
2 lebend 2
2
2 t"t 4 Wittepepton 10 proz.
0
2 tot 3
n
1
2 tot 2
n
2
2 tot 1
3
2 lebend 4
19
0
2 lebend 3
19
1
2 lebend 2
19
2
2 lebend 1
19
3
2 lebend 2
2
2 tot 2
19
2
2 lebend 2
2
2 tot 2
2
2 tot 4 Dextrin 10 proz.
ü
2 tot 1
19
3
2 lebend 4
19
0
2 lebend 1
19
3
2 tot 4
Hämoglobin 5 proz.
(1
2 tot 1
3
2 lebend 4
n
0
2 lebend 1
3
2 tot 4
frisches Eierweiss
0
2 tot 1
3
2 lebend 4
v
0
2 lebend 1
3
2 tot 4 lvsalbins. Na 10 proz.
0
2 tot 1
m
3
2 lebend 4
n
1)
2 lebend 1
3
2 tot 4
Pepsin 5 proz.
0
2 tot 1
3
2 lebend 4
0
2 lebend 1
3
2 tot 2
2
2 lebend 2
2
2 tot 2
n
2
2 lebend 2
n
2
2 tot 4
Pankreatin 1 proz.
0
2 tot 1
n
3
2 lebend 4
0
2 lebend 1
3
2 tot 2
Pankreatin 1 proz.
2
2 lebend 2
2
2 tot 2
2
2 lebend 2
19
2
0
0 bis X
NaOH n/100 0
. 0
Milchsäure n/50 0 bis XXX
, * 0 , XX
0 „ x
0 , X
0
0
XX bis 0
XX „ 0
0
0
NaOH n/100 X
* X bis 0
Milchsäure n/50 XXX „ 0
„ XX , 0
0
0
(I
0
0
0
0
0
0
0
II
0
0
0
0
I)
0
(I
0
0
NaOH n/100 OU
. 0 / )
Milchsäure n 50 XX bis 0l* M
* XX bis 0j '
01
0(***\
0 ’
Oj
NaOH n/100 0
* 0
Milchsäure n/50 0bisXXXI ..
w 0bisXXX/ T)
*) Es kommen zuweilen ganz vereinzelte Phagozytosen vor.
**) Teils sehr starke Phagozytose, einzelne gar nicht.
***) Pankreatin greift in höheren Konzentrationen besonders die
Leukozyten, daneben aber auch die Bakterien an.
t) Bakterien stark agglutiniert. Einzelne Leukozyten haben sehr
stark, andere gar nicht phagozytiert.
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Google
Resultate: Aus den Versuchen geht hervor, dass sich
Serum auch durch einzelne andere kolloide Stoffe ersetzen
lässt, dass aber keiner der untersuchten Stoffe Serum in seiner
Wirkung erreicht. Die kolloide Natur allein spielt
keine Rolle, denn während das dem Serum am nächsten
stehende Eierweiss gar keine Phagozytose bewirkt, hat das be¬
reits stark abgebaute Wittepepton eine bemerkbare Wir¬
kung 4 ); das diesem nahestehende lysalbinsaure Natron ist hin¬
gegen wirkungslos. Ein wesentlicher Unterschied zwischen
toten und lebenden Bakterien konnte bei diesen
Versuchen nicht konstatiert werden. Höchst auffallend hin¬
gegen ist der Einfluss der Milchsäure: teils steigert
sie die Phagozytose, teils bewirkt sie Phagozytose, wo sonst
keine eingetreten war, während NaOH ziemlich wirkungslos
ist. Bemerkenswert ist auch, dass die beiden eiweissspalten¬
den Enzyme Pepsin und Pankreatin bei Gegenwart von Milch¬
säure stimulierend wirken.
Ich beabsichtige, die Versuche auch mit anderen Bakterien
fortzusetzen.
Die stimulierende Wirkung der Milchsäure auf die Phago¬
zytose regt naturgemäss zu Betrachtungen über ihre Rolle im
normalen und infizierten Organismus an, Man kann an ihren
Einfluss im arbeitenden Muskel (Sport) und an den neuerdings
so sehr in Aufnahme gekommenen* Genuss von Sauermilch,
Yoghurt (Mayaferment) etc. denken, zumal nach Hambur¬
ger 8 ) auch das Kalziumion, welches mit Milch stets in reichem
Masse eingeführt wird, das phagozytäre Vermögen steigert.
Versuche in dieser Richtung sind im Gang.
Aus dem physiologischen Universitätsinstitut in Heidelberg
(Vorstand: Geh. Rat Prof. Dr. Kossel).
Die Beziehungen der Zyklosen zum tierischen
Organismus.*)
Von Dr. Franz Rosenberger, ehern. Vol.-Ass. am
Institut, jetzt Spezialarzt für Stoffwechsel- und. Verdauungs¬
krankheiten in München.
M. H.! Reich an Entdeckungen in der Chemie, ist die
Mitte des vorigen Jahrhunderts auch die Zeit der Dar¬
stellung jener Körper, deren Beziehungen zum tierischen Orga¬
nismus den Gegenstand meines heutigen Vortrages bildet.
1850 stellte Scherer bei seinen Versuchen, den Auf¬
bau des Eiweisses zu ermitteln, aus Rindermuskeln eine Sub¬
stanz dar, die er wegen ihres Geschmackes und ihrer Zu¬
sammensetzung aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff
für einen echten Zucker hielt, und zu deren Nachweis es ihm
gelang, kurz darauf eine sehr charakteristische Reaktion zu
finden; er nannte sie Inosit. Die Tragweite der Entdeckung
eines Zuckers in den Muskeln, der dann auch bald in anderen
Organen des tierischen und menschlichen Körpers gefunden
wurde, der, wie V o h 1 beobachtete, abwechselnd mit anderen
Zuckern beim Diabetes mellitus in grossen Mengen im Harn
auftreten kann, erregte berechtigtes Aufsehen und in der Folge
erschienen recht zahlreiche Arbeiten, die teils das Studium
des Vorkommens und der Ausscheidung des Inosits beim Men¬
schen sich zur einzigen Aufgabe setzten, teils den Ringzucker
mit in den Bereich anderer Untersuchungen zogen.
Unabhängig von Scherer fand V o h 1 1856 in jungen
Schnittbohnen den Phaseomanit, den er selbst alsbald für iden¬
tisch mit dem Inosit erkannte. Es war also wieder einmal
eine Tieren und Pflanzen gemeinsame Substanz entdeckt. Das
Jahrzehnt 1850/60 ging noch unter Auffindung einer weiteren
Zyklose, des Szyllit, in den Muskeln und der Leber von Quer¬
mäulern durch S t ä d e 1 e r und Frerichs zu Ende.
Die Substanzen waren gefunden, die chemischen Vorstel¬
lungen vom Aufbau der Moleküle aber waren damals andere
als heute und da sie der Formel C n H t nO n entsprachen und süss
schmeckten, galten die Zyklosen als Zucker schlechthin, der
Inosit hiess der Muskelzucker und dieser Name blieb ihm noch
*) Nach Neisser und Guerrini (1. c.) gehört Wittepepton
in einer Verdünnung von 1:160 000 wieder zu den Leukostimulantia.
a ) 1. c.
*) Vortrag, gehalten in der medizinischen Abteilung des natur¬
historisch-medizinischen Vereins zu Heidelberg.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1779
einige Zeit' zäh anklebend und Verwirrung stiftend, als ein
Ereignis eintrat, welches die Erforschung der Ringzucker in
den Hintergrund drängte.
Neue grosse Entdeckungen weisen der Wissenschaft neue
Wege und besonders dann, wenn dieselben bequemer sind als
die alten, werden diese gerne verlassen. Es war ein un¬
geheurer Fortschritt der Wissenschaft, als Meissner
1860/62 einen echten, gärfähigen, reduzierenden Zucker aus der
Muskelsubstanz darstellte. In den folgenden Jahren war die
Verwirrung gross, was Muskelzucker heissen solle und was
nicht, der Inosit oder der von Meissner gefundene Zucker,
so verweist Kühne in seinem Lehrbuch unter dem Stichwort
„Inosit“ auf Zitate aus Ranke, die sich entschieden nicht auf
den Inosit, sondern auf den Meissner sehen Zucker be¬
ziehen. Dann liess die Zahl der Arbeiten, die sich mit dem
Ringzucker beschäftigten, rasch in dem Masse nach, als sich
aas Interesse mehr und mehr der Meissner sehen Ent¬
deckung mit ihren weiten Ausblicken zuwandte.
Immerhin wäre die Zyklose nicht derart von der Tages¬
ordnung der medizinischen Laboratorien verschwunden, wenn
nicht ein weiterer Fortschritt der Wissenschaft den praktischen
Wert ihres Studiums noch mehr herabgedrückt hätte. Diesen
Schritt hat Maquercne getan, als er 1886 in einer klassischen
Arbeit den Inosit als das erkannte, was er ist, als einen Körper
der Formel: Ca Hi* Oe mit ringförmig geschlossener Kette. Nun
war eine tiefe Schlucht gezogen zwischen dem Inosit und den
anderen Zuckern; er geriet fast in Vergessenheit und in Frank¬
reich waren es nur noch M e i 116 r e und Camus, die sich
mit ihm beschäftigten, während in Deutschland Johannes M ü 1 -
1 e r in Rostock unter offenbar grossen persönlichen Opfern den
entsagungsvollen Weg analytischer Forschung auf diesem Ge¬
biet weiterschritt.
Persönlich wurde ich zur Bearbeitung der Inositfrage
durch Beobachtungen bei der Untersuchung diabetischer Harne
veranlasst und wenn ich mir erlaube, Ihnen heute einiges dar¬
über vorzutragen, so geschieht es, weil ich dabei einer Tat¬
sache begegnete, die, wie ich hoffe, auch für den Mediziner
Wert besitzen dürfte.
Der Inosit wurde in der Natur sowohl — und das ist die
grössere Menge — frei gefunden, als auch an Tyrosin und
Amidophenol gebunden. Es kam im Tier- wie im Pflanzen¬
reich nur optisch inaktiver Inosit zur Beobachtung und erst
T a n r e t hat 1907 in der Mistel razemischen Inosit gefunden.
Zur Tierwelt hat er als Bestandteil der meisten Nahrungsmittel
Beziehungen. Sehr viele, vielleicht alle Nahrungsmittel aus
dem Pflanzenreich enthalten Inosit; das Fleisch, das zur Zu¬
bereitung in der Küche vom Metzger bezogen wird, enthält
meist solchen.
Dieser per os in den Nahrungsmitteln genossene Ring¬
zucker wird nun in grossen Mengen verarbeitet, denn auf
sehr reichliche Zufuhr von Pflanzenteilen, die sehr reich daran
sind, lässt sich im Urin keiner nachweisen. Der reine Ring¬
zucker erzeugt sehr leicht Durchfälle und führt zu alimentärer
Inosurie, die wie die alimentäre Ausscheidung anderer Zucker
sich verhält.
Es ist nun noch eine offene Frage, ob es eine physiologische
Inosurie gibt oder nicht. Külz leugnet ihr Vorkommen beim
Kaninchen', ich kann dieser Ansicht mich anschliessen. Rinder
scheiden nach Dähnhardt und C I o e 11 a Inosit im Harn
aus. Bei grossen Raubtieren: Löwen, Jaguaren, Tigern, ver¬
misste G a 11 o i s den Ringzucker im Urin, während ich ihn
in dem von Hunden bei gemischter Ernährung fand. Bezüg¬
lich des Vorkommens von Inosit im Harn des Menschen sind
die Meinungen noch sehr geteilt; Hoppe-Seyler hält ihn
für einen physiologischen Bestandteil und persönlich habe ich
ihn irr sehr geringen Mengen im Urin Gesunder bei gewöhn¬
licher Nahrung ebenfalls gefunden. Auch in pathologischen
Zuständen ist der Nachweis des Inosit im Harn bei der jeweils
gleichen Krankheit nicht immer gelungen. Diejenigen Krank¬
heiten, bei denen er öfter, also mit einer gewissen Vorliebe ge¬
funden wurde, sind: Diabetes mellitus und insipidus, gewisse
Gehirnkrankheiten und Albuminurie ganz allgemein genommen.
Die Inosurie bei Diabetes insipidus führte S t r a u s s zum Ver¬
such, durch übertriebene Wasserzufuhr Inositausscheidung im
Urin zu erwirken, was ihm auch gelang. Külz gibt an, es
müssten über das Bedürfnis 6 Liter Flüssigkeit, einerlei ob mit
oder ohne Alkohol, Zucker oder dergleichen, einverleibt wer¬
den, um Inosurie zu erzwingen. Dass diese Wassermengen für
den Organismus nicht gleichgültig sein können, mithin ihn,
und zwar zum mindesten die Nieren schädigen, wenn auch nur
vorübergehend, liegt auf der Hand. Wie weit die Schädigung
der Nieren allein bei der die Albuminurie begleitenden Inosurie
in Frage kommt, lässt sich nicht sagen.
Sehr wichtig aber scheinen mir die lang übergangenen
Beziehungen der Inosurie zum Diabetes mellitus zu sein. Es
gibt zunächst Fälle von Diabetes mellitus, die mit einer nicht
alimentären, leichten, das Mass des vielleicht physiologischen
überschreitenden Inosurie einhergehen. Zufuhr von Inosit
per os steigert erst bei solchen Kranken die schon bestehende
Inositausscheidung nicht und bei grossen Gaben nur um so¬
viel, als bei Verabfolgung der gleichen Menge an Gesunde
Inosit ausgeschieden würde, ein Gegenstück zum Verhalten
der Pentosuriker. Im allgemeinen sind die Diabetiker über¬
haupt gegen Inosit so tolerant, wie die Gesunden. Es sind
nun aber in der Literatur zwei Fälle, der eine von V o h 1, der
andere von G a 11 o i s verzeichnet, in denen der Ringzucker
in grossen Mengen zunächst neben dem aliphatischen im Harn
auftritt, um nach dessen Verschwinden allein zu bleiben und
sogar, wie-Vohl sehr genau beobachtete, zuzunehmen. In
diesem ausführlicher beschriebenen Falle erreichte nach dem
Abklingen der aliphatischen Zuckerausscheidung die Menge
des Ringzuckers bis zu 20 g am Tag, gleichzeitig soll auch der
Harnstoff abgenommen habeh, was sich bei den knappen An¬
gaben vielleicht durch eine Zunahme der Harnwassermenge
erklärt.
Meine Herren! Der Inosit hat an jedem seiner C-Atome
die Gruppe H-(O-H). Man könnte fast versucht sein, zu
glauben, dass auf bestimmte Reize im Gehirn in der Gegend
des IV. Ventrikels der Organismus es sich besonders an¬
gelegen sein Hesse, diese Gruppierung der Atome wie im
Wasser, aus dem Körper zu entfernen. Zunächst sprechen für
diese Anschauung Versuche, die G a 11 o i s anstellte und bei
denen kein Geringerer als Claude-Bernard Hand an¬
legte: es gelingt durch die Piqüre Hydrurie, Glykosurie und
Inosurie hervorzurufen: allerdings nicht gleichzeitig, sondern
zuerst wird der Inosit ausgeschieden, dann der Traubenzucker,
sodann, wenn dieser wieder verschwunden ist, wieder Inosit
in steigender aber nicht sehr bedeutender Menge. Dieser
Versuch des französischen Forschers wurde über 40 Jahre
später von seinen Landsleuten M e i 11 e r e und Camus be¬
stätigt. Die klinische Erfahrung gibt in der Richtung einen
Hinweis dadurch, dass M o s 1 e r und S c h u 11 z e n nach einer
Verletzung, beziehungsweise bei Karzinom des IV. Ventrikels
Inosurie mit Polyurie feststellten. Nur der Fund Meissners
und vielleicht die politischen Stürme jener Tage lassen es ver¬
stehen, dass die Entdeckung G a 11 o i s’ so vollständig bis in
die neueste Zeit in Vergessenheit geriet. Die fleissigen und
sorgfältigen Untersuchungen Neukomm s, Cloettas,
Valentiners über den Gehalt des tierischen Organismus
und einzelner Organe an Inosit nach verschiedenen Krank¬
heiten sind, weil nach einer unrichtigen Methode angestellt,
zurzeit nicht mehr stichhaltig. Was die tierischen Organe ganz
allgemein angeht, so wurde in jenen Tagen, die der Veröffent¬
lichung Scherers von seiner Entdeckung folgten, so ziem¬
lich in allen damals untersuchten Inosit gefunden, nur über das
Blut herrschte Meinungsverschiedenheit, doch war die An¬
gabe Marmes, es sei darin Ringzucker enthalten, schon aus
rein technischen Gründen höchst unwahrscheinlich. Ich möchte
aber doch nicht verfehlen, auf die Tatsache hinzuweisen, dass
Neukomm in der Leber eines Zuckerkranken den Inosit
nicht, in den Nieren aber sehr reichUch fand, weil dies wieder
ein Fingerzeig für Beziehungen des aliphatischen zum zyk¬
lischen Stoffwechsel ist.
Der alten Methode, wie sie ausführlich Cloetta angiht:
Extraktion der feinzerteilten Organe mit Wasser haften alle
Fehler derartiger Extraktionsverfahren an und schon
Bödecker kam der Verdacht, ob nicht der Inosit erst
während der Verarbeitung entstünde; Cooper-Lane zer¬
streute aber dieses Bedenken, indem er einfach dieselbe Me¬
thode wieder anwendete und natürlich auch Inosit fand.
2 *
Digitized by
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUfiNCHfiNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. M.
1780
Persönlich habe ich die alte Methode bei einer Serie von
drei Kaninchen verwendet, die ich gleichzeitig verarbeitete
und dabei nicht nur geringe Mengen Inosit gefunden, sondern
auch ihre Nachteile kennen gelernt. Damals plante ich, den
Zyklosegehalt tierischer Körper unter verschiedenen Bedin¬
gungen zu vergleichen, weshalb ich mir ein Verfahren aus¬
arbeitete, welches gestatten sollte, quantitativ zu arbeiten.
Dieses baut sich auf zwei Eigenschaften der Ringzucker
auf, von denen sie die eine: die Widerstandsfähigkeit gegen
Alkali mit dem Glykogen teilen, während, sic sich von ihm
gerade durch die andere: die Widerstandsfähigkeit gegen
Säuren, unterscheiden. Im übrigen benützte ich die altge¬
bräuchlichen Fällungsmittel.
Als ich nun diese Methode zum ersten Male auf Kaninchen
anwendete, fand ich in diesen Tieren nicht die kleinste Menge
Inosit: zwei Kaninchen waren auf einmal unmittelbar nach der
Tötung in Kalilauge gelöst worden. Die Schuld an diesem
Misserfolg konnte das Verfahren nicht treffen, denn es war
mit ihm gelungen, noch in 5 g Ochsenfleisch Inosit nachzu¬
weisen; mit der Extraktionsmethode hatten sich aber die
Kaninchen inosithaltig erwiesen. Nun war das verarbeitete
Ochsenfleisch aus der Küche des akademischen Krankenhauses
bezogen, es handelte sich also um „abgehängtes“ d. h. solches
Fleisch, das schon mehrere Tage seit der Schlachtung in ver¬
schieden temperierten. Räumen aufbewahrt gewesen war. Die
naheliegende Vermutung, dass die Ringzucker sich erst nach
dem Tode bilden, Hess sich leicht begründen: Rindermuskeln
erwiesen sich unmittelbar nach der Schlachtung als frei von
Ringzucker, ihr Gehalt an solchem, beuteilt nach der Stärke
der Reaktion, nahm im Laufe der Tage zu, je länger man sie
unter Chloroformzusatz der Autolyse Im Brutschrank iiber-
liess. Nach weiteren Untersuchungen sind die Organe er¬
wachsener Kaninchen und wahrscheinlich auch der Rinder
zwar frei von fertiger Zyklose, enthalten aber dafür
eine Muttersubstanz oder Muttersubstanzen desselben, aus
denen sich solche bei Ausschluss der Fäulnis nach dem
Tode bildet,und die ich als Inositogen kurz bezeichnen
möchte. Ebenso verhält sich die Milch, auch habe ich Inosi¬
togen in tuberkulösem Abszesseiter gefunden.
Eine Ausnahmestellung nimmt das Keimgewebe ein: die
menschliche Nachgeburt und Nabelschnur enthalten schon im
6 . Fötalmonat (jüngere konnte ich nicht untersuchen) nicht
bloss Inositogen, sondern auch fertigen Inosit. O f f c r -
g e 1 d hat den Ringzucker in der Plazenta eines angeblich
sechsmonatlichen Fötes gefunden; die Mutter desselben hielt
sich für im 4. Monat schwanger. O f f e r g e 1 d ging bei der
Zeitbestimmung von den Massen der Frucht aus, kann sich
also getäuscht haben, weil die Mutter zuckerkrank war und
die Kinder derartiger Frauen oft überentwickelt sind.
Kaninchenföten, die ich in der Mitte der Tragzeit der
Gebärmutter entnahm und noch zappelnd ohne die Nach¬
geburten in kochendes Wasser warf, wurden mit positivem Er¬
folg auf präformierten Ringzucker untersucht. Sogar die
unbefruchteten Hühnereier haben sich im frischen Zustand als
inosithaltig erwiesen.
Wir stehen hier wieder einer Analogie zwischen Tieren
und Pflanzen gegenüber: Pflanzen und Pflanzenteile sind in
ihren Entwicklungsstadien besonders inositreich, wenn aber
die Zeit der Reife, die Zeit der Stärke- und Zellulosebildung
kommt, werden sie inositarm.
Ueber die Natur des Inositogens kann ich mich gar nicht
äussern. In den grünen Pflanzen haben W i n t e r n i t z und
Posternak einen phosphorhaltigen Reservestoff entdeckt,
der beim Erhitzen mit Säure im geschlossenen Rohr seinen
Kohlenstoff als Inosit abgibt; dieser Körper, der Ihnen aus
der Reklame gewiss wohl bekannt ist, ist das vielleicht mit
der von Kossel gefundenen Plasminsäure identische Phytin.
Nun kann man deshalb nicht recht glauben, dass die Mutter¬
substanz des tierischen Inositcs ein Reservestoti ist, weil auch
durch Hunger getötete Tiere noch sehr wohl imstande sind,
bei der Autolyse Inosit zu bilden. Vielleicht sind es jene Stoffe,
aus denen der schwerkranke diabetische Organismus Zucker
v-winnt?
Danilewski ist es gelungen, durch verzögerte Pan¬
kreasverdauung aus tierischen Eiweisskörpern ein Molekül zu
isolieren, welches aus Tyrosin, Amidopheno! und Inosit zu¬
sammengesetzt ist. Johannes Müller hat diese Entdeckung
bestätigt. Unter den Muttersubstanzen des Tyrophenosits
nennt nun Danilewski auch das Bluifibrm. Wie schon
erwähnt, ist das Blut bisher stets inositirei gefunden worden.
Da genaue Angaben fehlten, ob zu diesen Versuchen fibrin-
haltiges Blut verwendet wurde, habe ich mehrfach grossere
Mengen undefibrinierten Blutes auf Inosit verarbeitet und
zwar jedesmal ohne Erfolg. Das Blut ist frei von Inosit und
Inositogen, zerstört aber im Brutschrank den eigens zuge-
setzten Ringzucker nicht, vielmehr findet man ihn stets wieder.
Die Zukunft w ird lehren, wie die Entdeckung bamlew s k i s
zu erklären ist; vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade das
Pankreasferment zur Entstehung des T> rophei.osits iuhrt.
Meine Herren! Täglich nehmen MensJi und Tier Inosit
zu sich; die Frage ist nun schwer zu beantworten, wie sie ihn
verwerten. Zur Not kann man sich bei Zufuhr per os \ or-
stellen, dass die Darmbakterieu ihn verändern, aber auch der
intravenös einverleibte Ringzucker wird muh (iiacosa zum
grossen Teil nicht als solcher ausgeschieden. Auf Grund
seiner Versuche hält nun Külz den Inosit nicht für einen
(ilykogenbildner. Eine gewisse Erklärung des Schicksals
kleiner Mengen im Körper können Versuche von Johannes
Müller geben, der nach Digestion von Nebennierenbrei mit
Inosit eine Vermehrung des Adrenalins emtreten sah; dem¬
selben Forscher gelang aber auch die Aufspaltung des Rmg-
zuckers in Glykolaldehyd, auch gibt er an, iur die Annahme
eines Ueberganges der Zyklose m Pentosen und Glykuron-
säure Anhaltspunkte gewonnen zu haben. Sei dem aber wie
immer, der Organismus, besonders auch der des Zucker¬
kranken zieht Nutzen aus dem genossenen Rirg/ucker. Ais
einzige direkte Wirkung auf ein Organ ist bisher nur die von
Sachs beobachtete günstige Beeinflussung des Herzens von
Kaltblütern und wie mir der Verfasser noch persönlich mit¬
teilte, wahrscheinlich auch der Warmblüter durch luosit-
zusatz zu R i n g e r scher Losung bei künstlicher Durch¬
strömung zu erwähnen.
Was die Stellung des Inositcs zum Glyk' gen arluegt. so
gehen die Forschungen auf diesem Gebiet wohl mit den bio¬
logischen und medizinischen Hand in ILmd. d.e Reiht der Miss¬
erfolge habe ich durch missglückte Versuche, jodierte Pheta le
aus Zellulose und Arrow root herzustellen, um neue bereichert.
Meine Herren! Ein Körper, den Naunyn s< gar in
Echinokokkuszysten fand, von dem eine Art, der Sz\ht m den
Organen von Seetieren (Plagiostomen und Heringen) sich
findet, der weitverbreitet, fertig oder in einer Vorstufe im
Tier- und Pflanzenreich vorkommt und dessen. vielk.Jit auf
Aldehydkondensation beruhende Svntln.se sogar einem so
torpiden Gewebe, wie es das Nackenhand des Rindes ist, ge¬
lingt; ein Körper, den das keimende Gewebe mit Vorliebe zu
enthalten scheint, durfte meines EraJitens mehr biologisches
Interesse verdienen, als ihm bisher entgegergebracht wurde.
Klinisch aber scheint mir der Inosit, besonders mit Rück¬
sicht auf seine Beziehungen zum Diabetes mellitus und msi-
pidus, Bedeutung zu besitzen. Es kommt noch gelegentlich
vor, dass Kranke mit schlechtem Allgemeinbefinden und fort¬
schreitender Abmagerung zum Arzt gehen, ohne dass sich eine
sichere Diagnose stellen hesse; vielleicht wird die Unter¬
suchung auf Inosurie dann und wann hier LiJit in die Suche
bringen.
In den letzten Jahren ist es Mode geworden. \ oii ..embryo¬
nalem (iew ehe“. „Rückkehr zum embryonalen Zustand“ und
dergleichen, in der Pathologie zu spreJun. Es durfte s:Ji zur
Beantwortung der diesbezüglichen Eragut mogli Jierw eise
lohnen, solche Gebilde, wie z. B. K rebsges chw :i !ste auf fertigen
Ringzucker zu untersuchen, denn seine Anwevenbut in frischem
derartigen Untersuchun.gsmatenal spräche zu gnnsteil der An¬
nahme von dessen embryonaler Eigenschaft.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1781
Ueber Gesichts- und Schädelasymmetrien und ihr Ver¬
hältnis zum Caput obstipum*).
Von Prof. A. Peters in Rostock.
Wenn man genau auf die Lage der beiden Orbitae achtet,
so wird man zahlreichen Fällen begegnen, wo die eine Orbita
in toto tiefer gerückt erscheint. Das spezielle Interesse der
Ophthalmologen nehmen diese Fälle nur insofern in Anspruch,
als auch dort, wo die Asymmetrie bis zur Entstellung deutlich
ausgesprochen ist, niemals Störungen des gemeinschaftlichen
Sehaktes beider Augen Vorkommen, weil sich schon früh eine
nach allen Richtungen hin sich betätigende Sehrichtungs¬
gemeinschaft ausbildet und wie Wi 1 b rand und Saenger 1 )
bemerken, durch die Schädelasymmetrie gelegentlich eine
Ptosis vorgetäuscht wird, weil auf der Seite, wo die Augen¬
brauen höher stehen, ein Plus an Lidhaut vorhanden ist.
Man wird in solchen Fällen, wo die Asymmetrie bezüglich
der Lage der Orbita vorliegt, nur selten anderweitige Asym¬
metrien des Gesichtes und des Schädels vermissen, und es ist
besonders der Tiefstand des gleichseitigen Ohres, der am
meisten auffällt. Gesellt sich nun noch ein leichtes Abweichen
der Spitze des Kinnes in seitlicher Richtung und ein Tiefer¬
stehen des einen Nasenflügels hinzu, so vervollständigt sich
das Bild der sogen. Schädelskoliose, welche oft nur undeut¬
lich ausgeprägt ist, aber dann ein ganz besonders charak¬
teristisches Bild abgibt, wenn sich zu den vorgenannten Er¬
scheinungen noch die hinzugesellt, dass die eine Gesichtshälfte
etwas weniger voluminös ist.
In der entwickeltsten Form pflegt man diesem Bilde zu
begegnen-, wenn gleichzeitig ein Caput obstipum vorliegt.
Diese sogen, sekundäre Schädelskoliose hat zahlreiche Er¬
klärungen gefunden, welche alle darauf basieren, dass dem
Caput obstipum eine ursächliche Rolle zugeschrieben wird. So
suchte Stromeyer 2 ) den Grund in einer mangelhaften
Respirationstätigkeit der erkrankten Seite, während D i e f f e n-
bach einen Zug des Sternokleidomastoideus annahm. Weiter¬
hin wurden von verschiedenen Autoren Beweise beigebracht
für die Theorie von B o u v i e r, der in einer schlechteren Er¬
nährung der kranken Seite durch Kompression oder mangel¬
hafte Entwicklung der grossen Gefässe die Ursache der Dif-
formität erblickte, wofür auch die G u d d e n sehen Experi¬
mente sprachen, welche eine partielle Schädelatrophie nach
Unterbindung der einen Karotis erzielten. Witzei fand
dagegen gleiche Gefässlumina und nahm eine Störung des
Muskelgleichgewichtes an, welche bewirken soll, dass die
konvexe Seite stärker gespannt und der Schädel gegen die
Wirbelsäule gedrückt wird, woraus ein geringeres Breiten¬
wachstum resultiert. Nach N i c o 1 a d o n i spielt auch die
Last des Schädels eine Rolle, indem auf der kranken Seite
die Epiphysenfugen des Os basilare gedrückt werden, und die
andere Seite besser wächst. H o f f a dagegen führt die Dif-
formität auf den Druck zurück, den die Uterus- und Becken¬
wand auf den Fötus austibt.
Lediglich diese letztere Erklärung ist es, die man auf die
ohne Caput obstipum einhergehenden Fälle von Schädelskoliose
anwenden könnte; man kann sich vorstellen, dass die runde
Form der Uteruswand 'bei gleichzeitiger Enge des Uterus und
bei geringer Fruchtwassermenge einen Einfluss auf die Gestalt
des Schädels im Sinne einer solchen Skoliose haben kann, aber
diese Erklärung gilt kaum für diejenigen Fälle, in welchen
diese Asymmetrien des Gesichtes und des Schädels erblich auf-
tretera, wofür ich zwei charakteristische Beispiele beizubringen
in der Lage bin.
In der einen Familie ist bei der Mutter und einer ihrer Schwe¬
stern, besonders bei letzterer, ein Tiefstand der rechten Orbita
und eine Abflachung der entsprechenden Qesichtshälfte zu konsta¬
tieren. Nun findet sich bei 5 Kindern von 7, und zwar bei 5 Töch¬
tern, die Asymmetrie in ganz charakteristischer Weise ausgeprägt
und eine hat einen geringen Grad von Caput obstipum derselben
Seite. Am meisten fällt der Tiefstand der einen Orbita und des
einen Ohres auf; ebenso die Asymmetrie im Bereiche der Nasen¬
flügel, was an Photographien sehr gut demonstriert werden konnte.
*) Nach einem auf der Versammlung des Allg. mecklenb. Aerzte-
vereins in Schwerin am 12. Juni 1908 gehaltenen Vortrage.
*) Neurologie des Auges, Bd. I, S. 91.
*) Hoffa: Lehrbuch der orthopäd. Chirurgie, IV. Aufl., S. 210 ff.
In einer zweiten Familie, deren Ahnentafel ich beifüge, bandelt
es sich um eine ausgesprochene Schädelskoliose mit Schiefstand des
Kinnes, welche in 4 Generationen beobachtet wurde. Die be¬
treffenden Angaben, welche durch Familienphotographien gewonnen
wurden oder an Lebenden zu sehen sind, verdanke ich einem meiner
Schüler, der die genannte Anomalie in sehr ausgesprochener Weise
zur Schau trägt.
C. Q. R. cT : 073
_ D.R. 9 _
Ch.It.cf 1 A.Kcf J.B^9 M.IL 9 0.119
4' 4- 4-
L.R. 9 LR 9 C.S.d" _
Ii.it ö* Chtd” 9 W.Ro" AMS. 9 K&9 W.s.cf E.S.9 wlcf H.S.o" H.S.cT
O-Rd" _
M.E. 9 K E. 9 A.E.d*
Wir sehen also, dass diese ohne Caput obstipum einher¬
gehende Asymmetrie des Schädels und des Gesichtes aus¬
gesprochen erblich auftreten kann. Damit würde diese Ano¬
malie in gleicher Weise zu erklären sein, wie die Rechts- und
Linkshändigkeit, die nach Merkel 8 ) in einer ursprünglich
besseren Organisation hier der linken und dort der rechten
Hemisphäre des Grosshirns begründet ist, welche erst in den
Kinderjahren zur Geltung kommt und als einziges sicheres
ursächliches Moment die Erblichkeit erkennen lässt. Be¬
werten wir diese in unseren Fällen nach Gebühr, so wird man
einer Einwirkung der Wachstumsverhältnise, speziell einem
abnormen Muskelzug eine geringere Bedeutung zuerkennen,
als der fehlerhaften Anlage im Keimplasma, welche sich auf
Knochen und Muskeln in gleicher Weise erstrecken kann, wie
z. B. die angeborenen Fazialisdefekte lehren. Man könnte
höchstens noch darin denken, dass eine vererbbare Kleinheit
des Uterus oder ein familiär auftretender Fruchtwassermangel
die Ursache der Asymmetrien sei, eine Annahme, die jedoch
von vorneherein auf viele Schwierigkeiten stösst, weil auf
diesem Gebiete noch nicht das geringste Tatsachenmaterial
vorliegt.
Angesichts dieser Erwägungen wird man sich die Frage
vorlegen müssen, ob denn wirklich die Einwirkung des Caput
obstipum auf die Entstehung der Schädelskoliose für alle Fälle
als bewiesen anzunehmen ist, besonders wenn man sich die
Tatsache vergegenwärtigt, dass auch die Anomalien des
Sternokleidomastoideus, welche bei Caput obstipum gefunden
werden, vererbbar sind und es sich hier ebenfalls für die
Mehrzahl der Fälle um eine kongenitale Aplasie des Muskels
in Form fibröser Stränge handelt. Man. wird durch diese Tat¬
sachen doch wohl genötigt, an der ursächlichen Bedeutung
des Caput obstipum für alle Fälle von Schädelskoliose zu
zweifeln und anzunehmen, dass es sich hier auch um ein gleich¬
zeitiges Vorkommen vererbbarer, d. h. auf fehlerhafter Keimes¬
anlage beruhender Anomalien- handeln kann. Es würde sich
bei dieser Auffassung keineswegs um eine einzig dastehende
Tatsache handeln. Vielmehr liegt eine sehr bemerkenswerte
Analogie vor in der kongenitalen Ptosis und anderen korv-
genitalen Beweglichkeitsdefekten der Augen, welche isoliert
Vorkommen oder sich mit anderweitigen Muskeldefekten im
Bereiche des Gesichtes kombinieren können. Hier handelt es
sich ebenfalls um kongenitale Aplasien, welche z. B. statt der
Augenmuskeln fibröse Stränge erzeugen, wie sie auch als Ur¬
sache des Caput obstipum gefunden werden oder aber es sind
Defekte in der Gesichtsmuskulatur vorhanden, die sich mit
Knochendefekten kombinieren. Und da derartige Störungen,
besonders die kongenitale Ptosis ausgesprochen erblich auf¬
treten, so ist die Analogie eine ziemlich vollständige. Es ist
dann auch der „Zufall“ erklärt, dass unter den 5 Schwestern
der einen Familie, welche mit deutlicher Gesichtsasymmetrie
behaftet sind, sich eine befindet, welche ein deutliches Caput
obstipum hat. Für diese Auffassung spricht auch die Tatsache,
8 ) Ergebnisse der Anatomie u. Entwicklungsgeschichte, XIII. Bd.,
1903.
4 ) Joachimsthal; Handbuch der orthopäd. Chirurgie,
Bd. I, 2. Abt., S. 426.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1782
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
dass das Caput obstipum mit anderweitigen vererbbaren Miss¬
bildungen zusammen vorkommt [Syndaktylie etc] s ). Auf der
Basis der Erblichkeitsverhältnisse ist schon manches erklärt
worden, was bisher nur schwer oder gar nicht zu erklären war.
Wenn wir auch noch weit davon entfernt sind, dem Ver¬
erbungsgeheimnis auf die Spur zu kommen, so hat doch die
neu gewonnene Erkenntnis das Oute, dass man zur Erforschung
mancher Anomalien nicht mehr Hypothesen heranzuziehen
braucht, die hinter den Tatsachen der Vererbbarkeit an Be¬
deutung weit zurückstehen müssen.
Auf der anderen Seite wäre es sicherlich zu weit ge¬
gangen, wenn man alle Fälle von Schädelskoliose bei Caput
obstipum auf die angegebene Weise erklären wollte. Hass
hier ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, geht schon daraus
hervor, dass die Schädel- und Gesichtsasymmetrien nach
operativer Behandlung des Caput obstipum sich erheblich
bessern können®). Aufgabe zukünftiger Forschung muss es
daher sein, auf beide Möglichkeiten der Entstehung jener
Asymmetrien zu achten.
Anmerkung während der Korrektur: Die inzwischen
erschienene Arbeit von Liebreich, welcher die (iesichts-
asymmetrien auf die Einwirkung des Lterusdruckes bei Schadeilagen
zurückführt, konnte nicht mehr berücksichtigt werden. (Wiesbaden.
J. E. Bergmann, 1908.)
Epidemiologische Beobachtungen bei Typhus abdominalis
und Paratyphus B. in der Pfalz während der Jahre
1903 — 1906 .*)
Von Dr. Otto Mayer, Oberarzt im k. b. 14. Inf.-Rcg.
Im Juli 1903 wurde die kgl. bakteriologische Unter¬
suchungsstation Landau der Reihe jener Stationen eingefügt,
welche im,Südwesten des Reiches nach einem von Robert
Koch entworfenen Plane die Aufgabe haben, den daselbst
stark verbreiteten Unterleibstyphus zu bekämpfen.
Während einer 3K jährigen Tätigkeit an der Aussenstation
Kaiserslautern, einer Zweigstation von Landau, hatte ich Ge¬
legenheit, von der Gründung der Station bis zum Juni 1907 eine
Anzahl epidemiologischer Beobachtungen über Typhus abdomi¬
nalis zu machen, welche sämtlich geeignet sind, als Beispiele
im Sinne der Koch sehen Anschauung verwendet zu werden,
nämlich: dass der Typhus abdominalis ausser durch infiziertes
Trinkwasser durch direkten oder indirekten Kontakt bezw.
durch Infektion von Nahrungs- und Genussmitteln von einem
Typhusbazillen ausscheidenden Menschen aus verbreitet wird.
Auch einzelne Beobachtungen über Paratyphus B sind im
folgenden mit aufgenommen wegen der Gleichartigkeit der
Uebertragungsweise des Krankheitserregers.
Das Krankheitsbild des Typhus abdominalis pflegt in
endemisch befallenen Gegenden sehr zu wechseln. Wir
konnten auch in der Pfalz die diesbezüglich bereits früher ge¬
machten Erfahrungen *) bestätigen. Man konnte Uebergänge
vom Bilde des schweren Typhus mit echter Typliusbakteriämie
bis herab zur einfachen Angina mit 3 tägigen Durchfällen be¬
obachten. Sehr häufig entpuppte sich ein ambulanter akuter
Magenkatarrh, eine Bronchitis oder Bronchopneumonie mit
Durchfällen, eine Grippe, eine als tuberkulöse Zcrebrospinal-
meningitis angesehene Erkrankung als Typhus. Eine selten
beobachtete Erscheinung boten 2 Brüder, Knaben im Alter
zwischen 12 und 16 Jahren. Der behandelnde Arzt gab an, er
habe bei denselben gegen Anfang der 3. Krankheitswochc die
Roseolen sich in Bläschen mit trüb serösem Inhalt umwandeln
sehen. Gegen Ende der 3. Krankheitswoche entwickelten sich
aus den Bläschen kleine Abszesse über Brust und Bauch, in
deren Eiter nur Typhusbazillen nachgewiesen werden konnten.
Hier trat der Typhusbazillus also als Eitererreger auf. Ausser
Kranken kommen bekanntlich auch Gesunde als Ansteckungs¬
quellen bei Typhus abdominalis in Betracht und man kann so¬
mit unterscheiden Infektionen, ausgehend:
:> ) s. J oachimsthal: I. c. S. *42(>.
®) s. Joachim sthal: 1. c. S. 472.
"') Nach einem Vorträge in der Münchener militiiriirztlictien Oe-
sellschaft am 19. Dezember 1907.
’) v. D r i g a I s k i: lieber Ergebnisse bei der Bekämpfung des
Typhus nach Robert Kot h. Zentralbl. f. Baku Origin. '19(B. S. 792.
1. von Schwerkranken.
2. von Leichtkranken inklusive solcher, welche so leicht
erkrankt sind, dass deren Erkrankung unter gew ohi.hchen \er-
hältnissen nicht in ärztliche Behandlung kommt.
3. von Typhusgesunden also echten Typhusträgern mit
vorübergehender Ausscheidung,
4. von Dauerausscheidern, meist muh l’cbcrMchen einer
mehr oder minder schweren Erkrankung (einmal von uns 110 J 1
23 Jahre nach l’eberstehen des Typhus beobachtet). Unter
den Dauerausscheidern finden sieh sow<hl solche. weLhe mit
jedem Stuhlgang Typhnsbazillen aussJieiden. a!s aiuh soLhe.
welche nur periodisch ausschciden.
Lunge Beispiele mögen die vielt.uh \ ei Sc hhmgi.TR u Wege. ai:i
welchen der Typhus sich vmn Menschen aus i>>rtpn.m/t. /ur An¬
schauung bringen. Als bemei kensu ei tes Beispiel mu: Nahrue.gs-
mittelmiektinn von Schw erkranken aus kann eine Mildu pidmmc in
der Stadt K. im Oktober dienen. Ls wurden damals g cuh/citig
aus 2 in ganz entgegengesetzter Richtung liegenden Madüvikn
melnere T\phnstalle gemeldet. Dieselben waren teilweise si in
schwerer Natur. Die ersten Lai io betraten Kinder. Arbeiter tm.l
Dienstmädchen. Aus den ausgegebenen Zählkarten war atitt.i g.
dass der Milehbe/ug m icJem Stadtteile aui ein bestimmtes Nahrtmgs-
miltelgeschaft hinwies. 1 he Kontrolle in den beiden Vutigereh. ’U n
ergab, dass unter anderen aiuh \ u einem I rnst Lh. aus dmn be¬
nachbarten Dorfe Ka. Milch gLict- rt v urde. Aus dem Maime des-
sellien war ein Typhuslai) gemeldet. k!i begab muh sop.rt m d.e
Ortsehait Ka. und iand m dem Hause des Lu. 4 Beis.neii an schwe¬
rem Typhus krank, nur ihm a!Vn muh gesui.d. I r übte d c R’u ge
bei den Kranken aus und besorgte das Melken bei 2 k hen Du
Desinfektlonstnassregeln waren damals 2 Mmia’c muh uris-me
Ankunft - noch nullt so durehgetncrt wie letzt. die '"i.Ji wurde
in K. in den beiden (iesehafteii mit anderer vermengt u. 1 es er¬
krankten iene. welche damit zu hantieren gehabt oder dav n m
rohem Zustand genossen hatten, mmiiuh I »lenstm.ouhem A rbv.u r mul
Kinder, m dem einen Nahrimgsmittebgc schall .null der Besitze*' se ! st.
Spater erkrankten als Kontakte em/eine 1 Mcrt^fticrrs,. hatten. I"
ganzen belief sich du* Epidemie auf 2a l alle durch Nah: imgMintti I-
intektion und du durch Kontakt.
Auf andere Kontaktketten. Welche von schweren l .: eti .um¬
gingen, soll nicht naher angegangen werden, da sie indUs Neues
bieten. Nur kamt Erwähnung finden, wie mJi der 1 \ phus m den
kleineren .Arbeiterhausern auf dem lande farptan/t I s ertv.m.leti
sehr oft in den durehsclmittlu h zw ei/mmu r igen AA . d.mmgcn a V
14 T age bis A W ochen. \oit einem ersten schw e»en l ad aus. 1 b*s
2 neue Ealle, da die Isolierung und jorEnuk-nde I »esmtcl- mb i.:e
des Raummangels auch bei gutem Willen nullt emw.mduci d.urm:-
gefuhi t werden konnte. Es kam s-* zur richtiger I l.ummlekti-m.
welche oft vom Sommer bis in den Januar. I ebrnar lmum dauerte
und nicht eher endete, bis alle Mausmsassen durchseucht wärmt
Oft starben Endglieder der Inu ktioimkette, weniger w-dil wegen ein:
eventuell eiligetrau-teilen \ iruk n/steger ung des mh/ierefdvn >tam-
mes, sondern weil die Pflegekrait und du* < ieldtmttcl trr sie erv'lmpt?
waren. Der Ueberfuhrimg m ein Krankenhaus w u r de trotzdem
meistens widerstrebt.
Zahlreiche Kontaktketten gingen von leichten E'alurt aus. So
infizierte in O. eine Ei au. welche nur einen t\pk n kulden Magen-
darmkatarrh hatte, ihie ganze A er w andtsc halt uml Nachbar schalt.
In einem anderen Orte gingen von einer l.euhtkr.mkeii mit kultster
A\ ahrschemhchkeit ausser einer Maiisepiderme eine grosse r e An
von NahrungsimUelmtektionen aus. Du* l \kremeute wa'en tu v!:fsc*i.
ärztlich nicht konstatierten Lai’, imdesimiziert hinter das Haus in
einen aut einer AA lese befindlichen Ikhaiter gekommen, aus welchem
ein (ie musegar tri er Seme Snintp’l.mz cm dingte. Akt grösster Wahr¬
scheinlichkeit wurden durch den «iemiss des >alates. w edier \<>n
diesem (iartner bezogen w or dert w.r. eine Rerlu* \ "ii Personen in¬
fiziert. Bei dieser Epidemie konnte muh em l’a'i beob.lehret we r -
tlen, welcher bezeichnend dafür ist. wie der T\phus durch I euht-
krank e unbewusst m entfeinte Ortsch.ittcn v <. rsc hbeppt wird !'■>-
höherer Beamter wollte aus f urcht. :m 1 \ phus /n erkrankt, n. bs
zum Erloschen der Epidemie n.uh Wiesbaden unogn. Eine Im
Stunde vor seiner Abreise konnte uh ihn m-d* M'-obii. I r m-
zälilte mir. dass er seit einigen lagen vo T Amte. img hmdut'. h.d •
Auf das hm veramasste uh dm. su !i Bai! zur ( ntm siu hm g u;t-
nehmeu zu lassen. hie < i r u b e r- AA i d a ' sdu KV. d tun m . ?
Hohe 1 : 1 1 mI ergab, dass es sich bei dt m I 'n\i i.d! um ’l v ph is E.m-
delte. Ibis Resultat wurde muh AA usb t !. n imtgctt d!. dase * st
Desinfektiotismasstegeln veranlasst und so e*ue w eitere A e'h'c’tnmg
in AAdesbaden verhindert.
Auch wahrend der Inkuhatn us/eit euus mm/ h uht Veu.tiifvtu
den Krankheitsfalles konnten emm.d '1 \ p 1 usb.,/ * \ m in; v?.; ■ . n.uh-
gewiesen werden. Anfp-ng l.mn.r /ur /< g. .ds m La” ’a'i
eine grossere Typhusepidemie im 1s leimm. ru ’ t. gm, ent her *s v '••*.•.
war ein Infanterist des AAddikomuum Jos m Kiyp’.nürn mm r m-
fSuenzaartigen ITseheimmgen erk-ankt Er w le vom Ai’s , .t , u l i' /t
in Ermangelung eines Kt ankenzmmurs in dem i"v:mi a”< Kase* '*e
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1783
verwendeten Schlafraum belassen. Da das Krankheitsbild nach
8 Tagen sich dem eines Typhus zuneigte, wurde der Infanterist dem
Distriktskrankenhause Kaiserslautern überwiesen und von da aus
erhielt die Station Kenntnis von diesem Falle, sowie Blut- und
Stuhlproben zur Untersuchung. Beide waren auf Typhus positiv.
Auf das hin untersuchte ich im Aufträge des Leiters der Aussen-
station das ganze Wachkommando und beantragte die Isolierung
jener Mannschaften, welche den Kranken gepflegt hatten. Bei den
übrigen wurden die üblichen Vorsichtsmassregeln durchgeführt. Die
Blutuntersuchung ergab keine Anhaltspunkte für eine Verbreitung der
Infektion, dagegen fanden sich bei demjenigen Infanteristen, welcher
den Kranken fast ausschliesslich gepflegt hatte, Typhusbazillen im
Stuhle, ohne dass der Mann Krankheitserscheinungen gezeigt hätte.
Erst am Tage nach diesem Befunde wurde bei ihm eine Angina und
3 Tage anhaltende Durchfälle festgestellt. Typhusbazillen konnten
ausser diesem einen Mal nicht mehr bei ihm gefunden werden.
Es handelte sich also um eine ganz minimale Infektion, die aber
den Kranken ebenfalls zu einer Gefahr für seine Umgebung machte
und noch dazu zu einer Zeit, in welcher man eine Infektiosität sonst
nicht vermutet. '
Als Beispiele für das Entstehen von Typhusträgern, also
Ausscheidern von Typhusbazillen ohne jegliche Krankheits¬
erscheinungen mögen folgende Fälle dienen:
Am 23. September 1902 war in D. ein Dienstmädchen an die
Stelle ihrer an Typhus erkrankten Schwester, welche in ein Spital
verbracht worden war, in Dienst getreten. Am 5. Oktober des
gleichen Jahres erkrankte sie selbst an Typhus, offenbar durch
Spätkontakt. Nach einigen Jahren verheiratete sie sich mit einem
gewissen Johannes H. in O. Gelegentlich der Durchsuchung dieser
Ortschaft bei einer kleinen Epidemie fand sich, dass sowohl der
Johannes H. wie seine Frau Dauerausscheider von Typhusbazillen
waren, und zwar Johannes H., ohne dass er sich erinnern konnte,
jemals eine Darmkrankheit gehabt zu haben. Er muss also durch
seine Frau, welche nach Ueberstehen des Typhus 1902 Daueraus¬
scheiderin geworden war, die Typhusbazillen in sich aufgenommen
haben, ohne zu erkranken, zuerst daher Typhsträger, später Dauer¬
ausscheider geworden sein.
Ausserdem beobachtete ich noch 2 einwandfreie Fälle von
Paratyphusträgern, von denen auch einer zum Dauerausscheider
wurde, der andere aber sehr bald die Bazillen verlor.
Als Typhusträger, wenn auch nur ganz vorübergehend, müssen
meiner Ansicht nach auch jene Menschen angesehen werden, die
sich in der Umgebung von Typhuskranken befinden und vorüber¬
gehend eine so hohe Gruber-Widalsehe Reaktion zeigen, wie
sie sonst nur bei Kranken vorkommt. Derartige Personen müssen
unbedingt eine Infektion durchgemacht haben und ich zweifle nicht,
dass man bei denselben auch vorübergehend Typhusbazillen im
Stuhl finden würde, wenn man Gelegenheit hätte, sie so genau und
so oft zu untersuchen, wie den oben angeführten Infanteristen. Die
Anzahl solcher latenter und leichter Fälle ist viel grösser, als man
für gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. So ergab eine bei 1106 Schul¬
kindern in den Jahren 1903 und 1904 in 50 Ortschaften der West¬
pfalz teilweise im Anschluss an Typhusepidemien vorgenommene
Blutuntersuchung auf Typhus bezw. Paratyphus bei 280 = 25 Proz.
ein positives Resultat, meist sogar in der Höhe 1:100, ein Beweis,
dass sie eine typhöse Krankheit durchgemacht haben mussten.
Am interessantesten sind die Kontakte, welche von Dauer¬
ausscheidern oft viele Jahre nach Ueberstehen der Typhus¬
erkrankung veranlasst werden. Unter den Dauerausscheidern
muss man unterscheiden ganz gesunde und solche, welche nach
Ueberstehen des Typhus an periodischen leichteren Darm-
erscheinungen erkrankt sind, ferner solche, welche ständig
und solche, welche nur periodisch Typhusbazillen bezw. Para¬
typhusbazillen ausscheiden a ).
Von einer grösseren Reihe solcher durch Dauerausscheider
hervorgerufenen Kontakte sollen hier Erwähnung finden:
Ein Fall von Einzelkontakt,
eine Hausinfektion,
eine Einschleppung,
und die Verseuchung eines grösseren Teiles einer Ortschaft.
1. Einzelkontakt.
Am 18. August 1906 wurde aus V. ein 13 jähriges Mädchen als
typhuskrank gemeldet. In der Ortschaft war am 14. April 1906 ein
Todesfall an Typhus vorgekommen. Letzterer Fall beruhte auf Ein¬
schleppung. stand mit dem Augustfalle in keinem Zusammenhang.
Die gründlich vorgenommene Desinfektion hätte auch Spätkontakt
ausgeschlossen. Oberarzt Dr. Huber erhob bei der Lokalinspektion
folgende Anamnese: Die Grossmutter des Mädchens hatte vor 49
und 20 Jahren Typhus durchgemacht, der Grossvater vor 20 Jahren,
eine Tante vor 28 Jahren. Die Mutter vor 23 Jahren, der Bruder vor
9 Jahren. Die 41 jähr. Mutter, welche sich vollkommen gesund fühlte,
*) Erfahrungen mit Typhusträgern von .Stabsarzt Dr. Georj*
Mayer. Ver.-BIatt der Pfalz. Äerzf'e, Dezember 1905.
konnte als Dauerausscheiderin von Typhusbazillen festgestellt wer¬
den. Es ist dies einer jener Fälle, auf die ich später noch zurück¬
kommen werde, wo plötzlich im Sommer Typhus in einer Ortschaft
entsteht, ohne dass man sich bisher erklären konnte, woher. Man suchte
früher in solchen Fällen nach Verbindungswegen im Boden. Die In¬
fektion der Mutter lag 23 Jahre zurück und ausserdem gingen dem
letzten Kontakte wahrscheinlich 3 weitere durch sie erzeugte voraus.
II. Hausinfektion.
Im April 1904 wurde aus L. eine Typhuserkrankung bei einer
jungen Frau gemeldet. Der Amtsarzt ermittelte, dass das Ws jährige
Kind derselben ca. 14 Tage vor Ausbruch der Erkrankung der Mutter
an Angina und Durchfällen gelitten habe. Beide Fälle wurden bak¬
teriologisch als Typhus festgestellt.
Seit längerer Zeit war in L. nur ein Typhusfall gewesen, mit
welchem aber die erkrankte Familie in keiner Weise in Berührung
gekommen war.
Der Fall wäre ohne Kenntnis der in früheren Jahren in L. aufge¬
tretenen Fälle rätselhaft geblieben. Aus den Akten erinnerte ich mich
aber eines Typhuskranken des gleichen Familiennamens aus dem
Jahre 1900. Die Nachforschung ergab, dass derselbe der Ehemann
der erkrankten Frau und der Vater des erkrankten Kindes war. In
seinen Ausscheidungen fanden sich dauernd enorme Mengen von
Typhusbazillen, ohne dass er selbst sich krank fühlte. Er ging seinem
Berufe als Lokomotivführer nach.
III. Einschleppung.
Da der Aufenthalt der Dauerausscheider polizeilich überwacht
wird, wurde im Juni 1905 nach Kaiserslautern gemeldet, dass eine
Paratyphusdauerausscheiderin von D. im preussischen Kreise Meisen¬
heim nach G. im Bezirksamt Kusel verzogen sei. Noch ehe man
im stände war, Stuhlproben von ihr einzufordern, kam auch schon die
Mitteilung, dass ihre Schwägerin und noch einige Verwandte in
G. unter typhusverdächtigen Erscheinungen erkrankt seien. Es wur¬
den auch bei diesen Paratyphus festgestellt. Auf diese Weise wurde
die Krankheit in eine seit vielen Jahren paratyphusfreie Ortschaft
eingeschleppt und wäre in früherer Zeit auch unaufgeklärt geblieben.
IV. Verseuchung eines grösseren Ortsteiles.
In L. pflegte seit 1896 in einem grossen Gutshofe, H.-No. 12, der
Typhus nicht auszugehen und sich von da aus auch in die Nachbar¬
schaft zu verbreiten. Da man das Entstehen auf die Bodenverhält¬
nisse zurückführte, wurde der Gutsbesitzer Ende der 90 er Jahre
vom Ortsvorsteher angewiesen, seine Jauchestätten zu verlegen und
entsprechenden Abfluss zu schaffen. Dies half aber nicht, ebenso¬
wenig nützten wiederholt vorgenommene Desinfektionen der Räume,
in welchen die Typhusfälle aufgetreten waren. Seit 1896 ging der
Typhus fast ununterbrochen fort. Damals war zuerst der Gutsherr
^selbst an Typhus erkrankt, später noch im gleichen Jahre eine auf
dem Hofe beschäftigte Magd, 1897 die Frau des Hauses, 1899, 1900
und 1903 Mitte Juli eine Magd. 1899 schleppte eine Magd den Typhus
in das Haus ihres Vaters, welcher dann ebenfalls erkrankte. 1897/98
waren im Nachbarhause, No. 14, bei Verwandten des Gutsherren
3 Personen an Typhus erkrankt. 1900 im Hause No. 19, schräg gegen¬
über von No. 12, ein Dienstknecht, 1901 daselbst ein Knecht und der
Herr, welcher starb, 1902 zwei weitere Knechte, von denen ebenfalls
einer starb und eine Magd im Nachbarhause No. 20.
Alle diese Erkrankungen wiesen auf No. 12 als Ausgangspunkt
hin, weshalb das Haus von den Dorfbewohnern den ominösen Namen
„Typhushaus“ bekam.
Im Juni 1906 erkrankten am Ende des Dorfes, nicht weit von
No. 12 entfernt, gleichzeitig in 3 Häuschen 4 Personen an Typhus.
Dieselben hatten gemeinsamen Wasserbezug, nämlich einen etwas
schadhaften Pumpbrunnen. Es konnte festgestellt werden, dass der¬
selbe mit einem jenseits der Strasse gelegenen Abort in Verbindung
stehen musste. Da ich schon lange den Verdacht hatte, dass ein
Typhusträger die Ursache des Typhus in L. sei, klärte ich gelegentlich
der Untersuchung dieser Fälle den Ortsvorsteher über die von Dauer¬
ausscheidern erfolgenden Infektionen auf. Derselbe teilte mir darauf¬
hin mit, dass der Hofbesitzer von Haus No. 12 ca. 14 Tage vor
Ausbruch der neuen Typhuserkrankungen den als Verunreinigungs-
quelle des Brunnens in Betracht kommenden Abort benützt hatte.
Dieser Gutsbesitzer konnte dann auch wirklich als Daueraus¬
scheider von Typhusbazillen nachgewiesen werden und es ist damit
so gut wie sicher, dass er seit Jahren der Verbreiter des TvDhus in
seiner Ortschaft gewesen ist.
Diese Beispiele erhärten die Bedeutung des Kontaktes bei der
Typhusverbreitung. Ich habe auf Veranlassung des Leiters der
Aussenstation, Stabsarzt Dr. Georg Mayer, aus den Jahren 1903,
1904 und 1905 zusammengestellt, in wie vielen Fällen es in der West¬
pfalz (dem Gebiete der Tätigkeit der Aussenstation) gelungen ist,
Kontakt oder Nahrungsmittel- bezw. Wasserinfektion nachzuweisen.
Im Ganzen konnten 46 Proz. aller Fälle in dieser Beziehung aufgeklärt
werden.
Da ich von der Ansicht ausging, dass es bei genauester Vertraut-
hqut mit den Verhältnissen in einer Ortschaft möglich sein müsse,
alle Fäjle-auf Kontakt be^w. ^Najirungsrrüttelinfektion zurüqkzuführen, ,
versuchte ich, aus detVi über den Typhus in der Pfalz vorhandenen
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1784
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Material die Geschichte der Ausbreitung des Typhus in den ein¬
zelnen Ortschaften der Pfalz, so genau als möglich seit 1875 zu-
sammenzustellen. Diese Typhuschronik der Pfalz bezweckte, die¬
jenigen Ortsteile und womöglich die Häuser kennen zu lernen, in
denen der Typhus nicht ausgeht, welche also nach unseren jetzigen
Kenntnissen der Sitz von Dauerausscheidern sein müssen.
Aus den Erhebungen, welche in dieser Geschichte der Typhus¬
ausbreitung in der Pfalz enthalten sind, will ich nur einen Punkt
herausgreifen, das ist das verhältnismässig häufige Vorkommen von
Gasthausepidemien und Infektionen bei der Verabreichung von Nah¬
rungsmitteln. Ich konnte 17 solcher grösseren und kleineren Epi¬
demien, die im Verlauf von 30 Jahren beobachtet worden waren, zu¬
sammenstellen. •
Die Brunneninfektionen sind dagegen in der Pfalz nicht sehr
häufig beobachtet worden, wenn aber, dann meist in sehr grossen
Explosionen.
Diese Zusammenstellungen waren nur deshalb in verhältnis¬
mässig gutem Zusammenhänge möglich, weil der frühere Medizinal¬
referent bei der kgl. Regierung der Pfalz, Obermedizinalrat Dr.
K a r s c h 3 4 ) sowie der jetzige Kreismedizinalrat Dr. Demut h, unter¬
stützt vom Verein der pfälzischen Aerztc der Typhusausbreitung ein
ganz hervorragendes Interesse entgegenbrachten und K a r s c h
schon seit 1875 nach seiner eigenen Aussage, nicht nur alle grösseren,
sondern auch fast alle kleineren Epidemien aus eigener Anschauung
kannte. Von besonderem Werte ist die Hinterlassenschaft K a r s c h\
weil derselbe bereits 1873 die Rolle des Kontaktes hervorhob und die¬
selbe immer mehr würdigte, je grösser seine Kenntnisse von der
Ausbreitung des Typhus in den einzelnen Ortschaften wurden. Indes
betonte er. dass namentlich bei Epidemien, welche sich in einer
längere Zeit typhusfreien Ortschaft nach einem ersten eingeschlepp-
ten Falle rasch ausbreiten, der persönliche Verkehr allein meist nicht
zur Erklärung der raschen Ausbreitung genüge. Er suchte deshalb
den Anschauungen seiner Zeit entsprechend noch nach Verbindungs¬
wegen im Boden oder Grundwasser. Zum Teil kann die rasche Ver¬
breitung nach unseren jetzigen Kenntnissen direkt auf Rechnung von
Trägern und Dauerausscheidern gesetzt werden. Es bleibt aber noch
ein bemerkenswerte Tatsache bei der Typhusausbreitung: das ist
die jahreszeitliche Beeinflussung derselben. Karsch hatte eben¬
falls bereits auf dieselbe aufmerksam gemacht. Bezüglich derselben
ist bekannt, dass im allgemeinen der Typhus im Sommer zuzu¬
nehmen pflegt. Manche, namentlich ältere Statistiken, stimmen mit
dieser Annahme einer erhöhten Typhusmorbidität im Sommer nicht
überein, das kommt aber wohl daher, dass vielfach nicht aus der
reinen Morbiditätsstatistik geschöpft, sondern die Morbidität unter
Zugrundelegung der Mortalitätsstatistik berechnet wurde. Um über
das jahreszeitliche Auftreten des Typhus Aufklärung zu bekommen,
wurden von mir die monatlich gemeldeten Tvphusfällc einer 23 jähri¬
gen Beobachtungszeit in der Pfalz, einer 15 jährigen im Königreich
Bayern *) und einer 12 jährigen in den grössten bayerischen Städten
in Kurven zusammengestellt.
Aus denselben geht mit Sicherheit hervor, dass
die Typhusausbreitung nicht das ganze Jahr hin¬
durch die gleiche ist, sondern dass in den Monaten
August und September weitaus der höchste Stand
von Typhuserkrankungen zu sein pflegt, in den
Monaten Februar, März und April dagegen der
niederste (Diagramm I).
Meine Untersuchungen stimmen besonders mit denen Lieber-
m ei sters 5 ) überein und ich nehme mit diesem Autor an. dass die
erhöhte Ausscntemperatur das begünstigende Moment für die Zu¬
nahme der Typhuserkrankungen im Sommer abgibt, da der Typhus
um so stärker aufzutreten pflegt, je heisscr und trockener ein Sommer
ist. Aus einem Vergleich der Typhuskurven der Pfalz mit den Kur¬
ven der mittleren Temperatur und Niederschlagsmengen, von 1883
bis 19(15 ging dies mit Deutlichkeit hervor 6 ).
Besonders die heissen Jahre 1904 und 1905 bieten hieflir an¬
schauliche Beispiele. In diesen konnte für die Bezirke Pfalz. Trier
und Lothringen bewiesen werden, dass der Tvphus in den
w armen So m mermonaten zu gleicher Zeit in viel e n
Ortschaften auszubrechen begann (Diagramm II).
Zur Erklärung der typischen Tvphuskurven schienen mir fol¬
gende Beobachtungen zu dienen. Wie aus der Kurve hervorgeht,
pflegen im Februar. März und April allgemein nur wenige Tvphus-
fälle zu bestehen. Es sind dies nach meinen Erfahrungen meistens
3 ) (ieneralberichte über das Sanitätswesen im Königreich Bayern
1875—1900; ferner: „Der Unterleibstyphus in der Pfalz. Zur Ver¬
breitung desselben während der Jahre 1875/1900“ von Obermedizinal¬
rat Dr. Karsch, Vereinsblatt der pfälzischen Aerztc 1903, No. 8;
sowie vielfache Veröffentlichungen aus früheren Jahren im Vereins¬
blatt der pfälzischen Aerztc von Karsch, Medizinalrat Dr. De¬
mut h, U 11 m a n n u. a.
4 ) Nach dem Gcneralberichte über das Sanitätswesen im König¬
reich Bayern.
8 ) Weyl: Handbuch der Hygiene. 1900, Bd. 9. pag. 442 ff.
°) Die Kurve kann hier aus äusseren Gründen nicht wieder¬
gegeben werden.
Glieder von langen Hausepidemien. Die kleine Zahl dieser Fülle
würde nicht ausreichen, um sie als alleinige Basis für die spätere
starke Typhusausbreitung anzunehmen. Nach den von dem Leiter
der Aussenstation veranlasstcn Untersuchungen über die leichten
Typhuserkrankungen bei Schulkindern pflegen um die fragliche Zeit
auch bei Kindern nur sehr wenige T\ phuserkrankungen vor¬
zukommen. Es ist also die erhöhte Typhusmorbiditut im Sommer
auch nicht als alleinige Folge unerkannt gebliebener Kontaktketten
aufzufassen. Verfolgt man die Kurve gegen die 30. Jahreswoche hm.
so findet man, dass mit Eintreten höherer Ausscntemperatur an \iclcn
Orten ziemlich gleichzeitig nach längerem typhusfreien Intervall
neue Einzelfälle auf/utauchcn pflegen. In der Pfalz konnte ich nun
an der Hand der erwähnten, auf 30 Jahre zurückrcichandcn Zu¬
sammenstellungen die Erfahrung machen, dass es sich dabei viel¬
fach um das Auiflackcrn des Typhus in als alte Typhusherde bekann¬
ten Ortschaften handelt. In diesen tritt der Typhus entweder in
Typhushäusern seihst oder in deren Umgebung, manchmal genau kon¬
statierbar an der Grenze des im vergangenen Jahre befallenen Ge¬
bietes auf. Als wirksames Agens der I \ phushuuscr haben wir aus
den angeführten Beispielen, welche einen weiteren Beitrag zu den
bereits über diesen Gegenstand vorhandenen Veröffentlichungen bil¬
den, die Dauerausscheider von T\ phusbazillen kennen gelernt. Diese
scheinen daher auch die Hauptschuld daran zu tragen, dass der
Typhus in endemischer Gegend nicht erlischt. Der Einfluss der er¬
höhten Ausscntemperatur verbunden mit Trockenheit auf die rasche
Zunahme der Typhusfalle kann nun zu suchen sein einmal in einer
erhöhten Disposition, zu erkranken, indem durch allerhand veränderte
Lebensgewohnheiten in der Hitze, wie Trinken \on grossen (Quanti¬
täten Wassers und sonstige Diatfehler ein Magendarmkatarrh er¬
zeugt w ird und so bequeme Eintrittspforten auch für geringe Mengen
von Typhusbazillen geschaffen werden, indem ferner hu den Ernte¬
arbeiten eine Uebermudung die Widerstandsfähigkeit herabsetzt und
die Hitze zu Trägheit und Nachlässigkeit namentlich in der Reinlich¬
keit Veranlassung gibt, anderseits kann jedenfalls durch die gleichen
Schädlichkeiten bei den Dauerausscheidern und Leichtkrankcn ver¬
mehrte Infektionsgelegenheit geboten werden. Diese Erklärung kann
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25. August 100$.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1785
indes nicht ganz befriedigen und man muss noch an eine andere
Uebertragung der Typhusbazillen wie nur die durch die menschliche
Hand erfolgende denken, welche die rasche Ausbreitung des Typhus
in der heissen trockenen Zeit plausibler erscheinen lässt, nämlich die
Uebertragung durch Fliegen. Beobachtungen in dieser Beziehung
kann ich leider nicht mitteilen, jedoch möchte ich dieser Art der
Verbreitung von Typhusbazillen, wie sie von Ficker 7 ) experimen¬
tell studiert ist, eine nicht untergeordnete Bedeutung zuweisen unter
besonderem Hinweis auf die Rolle, welche Chantemesse und
B o r e I * *) der Uebertragung durch Fliegen bei der Cholera zumessen.
Bei einem Teile der nicht aufgeklärten Fälle könnte man schliess¬
lich auch an eine Entstehung durch etwa im Boden fortgewucherte
Typhusbazillen denken. Besonders merkwürdig und bis jetzt noch
nicht einwandfrei aufgeklärt sind ja jene Fälle, in denen der Typhus
bei Abreissen eines Typhushauses oder Aufgraben einer alten Latrine
usf. unter den dabei beschäftigten Arbeitern entstand. Aus den Bc-
welche im September 1906 zur Einsendung gelangten. Versuche an¬
gestellt und in Uebereinstimmung mit den bisherigen Veröffent¬
lichungen gefunden, dass die Zahl der gefundenen Typhusbazillen in
solchen Stuhlproben mit zunehmendem Alter der Kotproben abnahm.
Nach 3 Monaten konnte ich keine Typhusbazillen mehr in anfangs
sehr typhusbazillenreichen Stühlen nachweisen. Die Stuhlproben
wurden auf Kies, Holzabfällen, Gartenerde, Sand und Schweinemist
bei Luftzutritt in Zinkkästchen im Freien stehen gelassen und waren
deshalb nach zirka einem Monate bereits fast vollkommen aus¬
getrocknet. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass in vor Licht
und Feuchtigkeit geschützten menschlichen Fäzes auf der Erdober¬
fläche bei Temperatur von +15° bis —6® C keine Vermehrung
der Typhusbaziilen stattzufinden pflegt, sondern dieselben im Ver¬
lauf von wenigen Monaten darin zugrunde gehen.
Versuche, während der heissen Jahreszeit und in feuchten oberen
Bodenschichten könnten vielleicht zu anderen Resultaten führen.
Diagramm II. Typhusmorbidität nach Jahreswochen.
1 2 b 6 8 10 12 I 1 * 16 18 ■ 20 22 24 26 28 30 32 3 *. 36 38 40 4-2 44 - 46 48 50 52
B.
Kt xxxxxvxxKxxxxxx Trier ♦♦♦♦♦♦•• •
obachtungen der früheren Jahre ist auch in der Westpfalz ein solcher
Fall bekannt geworden. Beim Abreissen eines Typhushauses in O. S.
erkrankten 5 Personen an Typhus. Zur Annahme, dass es sich bei
solchen Fällen um Infektion von einem mit Typhusbazillen ver¬
seuchten Boden aus gehandelt habe, könnte ich mich erst dann
entschliessen, wenn eine solche kleine Epidemie genauestens bak¬
teriologisch überwacht worden wäre und alle Nachforschungen nach
einem Dauerausscheider oder sonstigen Infektionsquellen erfolglos
geblieben wären. Ich habe über das Fortbestehen von Typhus¬
bazillen ausserhalb des menschlichen Körpers in geformten, von
Typhuskranken oder Dauerausscheidern stammenden Stuhlproben,
7 ) M. Ficker: Tvphus und Fliegen. Archiv für Hygiene, Bd.
XLVI, H. 3.
*) Sitzung der Akademie de medecine vom 17. X. 1905. Ref.
Münch, med. Wochenschr., 1905, S. 2349.
No. 34
► Lothringen - Pfalz
müssten aber, um Beweiskraft zu erlangen nicht mit künstlichen Ge¬
mischen aus Reinkulturen von Typhusbazillen, sondern mit Stuhl¬
proben von Kranken oder Ausscheidern angestellt werden.
Aussichtsreicher für die Aufklärung erscheint aber die genaue
Untersuchung der menschlichen Umgebung von scheinbar ohne Zu¬
sammenhang entstandenen frischen Typhusfällen, wie sie, soweit es
zu erreichen ist, in den Stationen zur Typhusbekämpfung auf
Kochs Veranlassung durchgeführt wird und ich zweifle nicht, dass
man bei genauer Kenntnis seines Bezirkes meistens die Infektions¬
quelle in einer den obigen Beispielen entsprechenden Art finden wird.
Wie man die Dauerausscheider in der Pfalz in den Dörfern und
kleineren Städten verfolgen konnte, so wird man sie, wenn auch
mit ungleich grösseren Schwierigkeiten, in den einzelnen Typhus¬
herden grösserer Städte finden, wenn einmal die bakteriologische
Untersuchung durchgeführt sein wird. In den Städten ist vor allem
dem Milchbezuge ein grosses Augenmerk zuzuwenden. Auffällig war
3
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1786
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nc». 24 .
mir z. B. bei der Zusammenstellung der Typhusiälle in Kaiserslautern,
dass auch als Einzelerkrankungcn ohne Zusammenhang; mit einer
Nalirungsmittelepielemie häufig solche von Kindern und Dienstboten
gemeldet wurden, bei welchen man den (ienuss ungekochter Milch
am meisten annehmen muss.
Dass dem Einflüsse von (irundwasserschwankuugen eine Be¬
deutung für die Typhusausbreitung zukomme, konnte nach einer
Reihe jahrelang fortgesetzter Beobachtungen in pial/ischen Städten
nicht erwiesen werden. In Betreff der Virulenz der von Daueraus¬
scheidern stammenden Typhusbazillen kann man sowohl nach den
geschilderten Beispielen der von ihnen ausgegangenen Kontakte, wie
nach einer Reihe anderer Veröffentlichungen solcher durch Dauer¬
ausscheider veranlassten Infektionen behaupten, dass meistens volle
Virulenz zu bestehen scheint. Manche Typhusbazillenstamme von
Dauerausscheidern scheinen sogar eine besondere Virulenz zu be¬
sitzen. Als Beispiel kann ich ein Typhushaus in K. aniuhren, bei
dem zwar der Dauerausscheider nicht festgestellt ist, da es sich um
die Zeit vor Errichtung der bakteriologischen Dnteisuchungsstation
handelt, dessen (Jeschichte aber aui einen Dauerausscheider gefähr¬
lichster Art hinweist. Im Juni 1NM erkrankte in einem neu gebauten
Hause der Erbauer, ein Polizeidiener, an Typhus und starb. Im
Ecbruar 1NS7 erkrankte ein Sohn desselben an Typhus, im Juni IW
eine Tochter, welche starb, im Juni lssis eine weitere Tochter, welche
ebenfalls starb, im Juni 1NN9 ein Hausgenosse. Wir sehen hier 5 In¬
fektionen in einem Hause, davon 4 int Juni, also dem Beginn der
heissen Zeit, darunter d Todesfälle. Vermutlich war die brau des
Polizeidieners die Dauerausscheiderin. Dieselbe starb im Juni l‘>od,
eventuell au einer Reinfektion durch ihre eigenen Bazillen.
Ich fasse meine Ausführungen über das
A u i f l a c k e r n des Typhus nach länger e m
t y p h u s f r e i e n Intervall mit beginnender Er¬
höhung .der A u s s e n t e ni p e r a t u r d a h i n z u -
s a m men, dass in end e m isclicn (i e g e n d e n
hauptsächlich die Dauerausscheider den In¬
fektionsstoff für die Zunahme der Erkran¬
kungen im Sommer liefern u u d zwar direkt
durch Kontakt, andererseits indirekt beson¬
ders durch N a h r u n g s m i 11 e 1 i n f e k t i o n e n, in
letzterem Falle w o h 1 h a u p t s ä c h 1 i c h u n t e r Mit¬
wirkung von Fliege n a 1 s Z w i s c h e n t r ä g e r n.
Sind wieder eine grössere Anzahl neuer Er¬
krankungen vorhanden, so vervielfältigen
sich dieselben rasch auf dem gleichen Wege
des direkten und indirekten Kontaktes, durch
etwaige Nahrungsmittel und W a s s e r i n Sek¬
tionen u n d s o kommt es dann zu dem hohen An¬
stieg der T y p h u s k u r v e im September.
Als praktische Konsequenz ergibt sich aus diesen Dar¬
legungen vor allem, dass besonders zu Beginn der heissen
Jahreszeit jeder Darmkatarrh als verdächtig angesehen werden
muss und der bakteriologischen Untersuchung zugänglich ge¬
macht'werden sollte. Nachdem der Bekämpfung der Dauer¬
ausscheider nach alledem das Hauptaugenmerk bei der Be¬
kämpfung des endemischen Typhus zuzuw enden ist, soll noch
besprochen werden deren Stellung zur Militär- und Zivil¬
bevölkerung.
Für die Militärbehörden kommt vor allem in Betracht,
dass sie den Aufenthaltsort und die Hausnummer der Dauer¬
ausscheider kennen. Nur auf diese Weise gelingt es, den (le-
fahren bei einer Einquartierung entgegenzuwirken, indem man
im Ernstfälle das Haus des Dauerausscheiders nicht nur
während der Einquartierung von Belegung ausschliesst, son¬
dern durch einen Posten vollkommen isoliert.
Ferner kommen für Leute, welche aus solchen Häusern
bezw. Verwandtschaft eines Dauerausscheides zur Einstellung
gelangen, die gleichen Vorsichtsmassregeln in Betracht wie für
Leute aus (legenden, in denen Typhuskranke sich befinden,
das heisst wiederholte bakteriologische Untersuchungen der
Ausscheidungen.
In dritter Linie wäre natürlich der Bezug von Nahrungs¬
mitteln aus einem solchen Hause kontrainzidiert. Nach
etwaigen Beurlaubungen in ein solches Haus müsste neuer¬
dings eine Kontrolle der Stuhl und Urinproben des beurlaubt
(iewesenen sowie eine Beobachtung auf etwaige Krankheits¬
erscheinungen stattfinden.
Um die Zivilbevölkerung vor den Dauerausscheidern zu
schützen, w erden dieselben bezüglich des Aufenthaltsw echsels
polizeilich überwacht und wird ihnen empfohlen, ständige
I »esinfektionsmassregeln bei sich durchzutiihren.
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Ob diese Massrcgelu einen Dauererfolg garantieren,
möchte ich sehr bezweifeln. Manche Leute sind auch beim
besten Willen nicht imstande, z. B. bei ambulanter Be¬
schäftigung, die Desinfektion in einer wirksamen W eme durch-
zutühren. Bei strenger polizeilicher Deberw achung besteht
für manche, wenn sie sich z. B. in dienendem Stande befinden,
die (ietahr, dass sie um ihr Brot kommen. Die Wissenschaft
hat bis jetzt kein Mittel gefunden, um die Typhusba/iUcn aus
dem Darm der Dauerausscheider abzutreiben. Alle inneren
Mittel haben versagt.
Die von D e h 1 e r - Frankentlial w ) bei 2 Typlm^Iauer-
atisschcideriiiPeu vorgenommenen Operationen an der (iailen-
blase li ibeu noch nicht zu eindeutigen Resultaten geführt,
wenn auch weitgehende Besserung erfolgt ist.
Ein Vergleich der Häufigkeit des Entstehens von Dauer-
ausclieidern bei der Militär- ui:J Zivilbevölkerung, bei letzterer
hauptsächlich der in der Priv atpravis auf dem Laude behan¬
delten hat mich zu der Anschauung veranlasst, der Behand¬
lungsart bei Typhus abdominalis, namentlich der Durchführung
streng diätetischer Massnahmen eine besondere Rolle zuzu-
weisen. Beim Militär sind seit Liniuhrui.g der genaueren
bakteriologischen Deberw achung mittels der neuen Nährboden
meines Wissens Dauerausscheider noch nicht beobachtet
worden . Bei den 2 grosseren Epidemien der letzten Jahre in
der K. bayerischen Armee, der Typhusepideipte Landau und
der Paratyphusepidemie Bayreuth sind zwar langerandauerude
Ausscheidungen durch den Harn beobachtet worden. Welche
aber zu vollkommener Heilung gelangtet!* Dauerausscheider
sind nicht entstanden, wahrend die Herausbildung zu solchen
namentlich m der Landpraxis im (iebiete der Westpfalz keine
allzu seltene war. Wenn auch der Unterschied in Alter und
Geschlecht eine Rolle spielen mag, so glaube ich doch, dass
das günstige Ergebnis bei den Mihtarcpidcmieii zum grossen
Teil darauf zuruckgefiihrt werden muss, dass die Pflege und
Deberw achung beim Militär auch wahrend der Rekon¬
valeszenz, in welcher ertulmmgsgemass die Hauptausschei-
dung der Typhus- und Paratyphiishazillen erfolgt, fortgesetzt
wird, weil der Sanitätsoffizier, wie schon v. Drigalski be¬
tonte, seine Kranken dienstfähig entlasst, der Krankeuhausarzt
aber in einem viel früheren Stadium, nämlich klinisch gesund,
der Arzt auf dem Lande oft nur wahrend der schwersten
Krankheitspiriode öfter nadis Jiaue n darf und in der Zeit der
Rekonvaleszenz wohl durchweg abgekhut werden wird. Man
konnte also auf (irund dieser Erwägung empfehlen* die Typhus-
kranken auch der Ziv ilbevölkerung möglichst lange m KTar.keii-
hausbehandlung zu belassen, um die Herausbildung zu Dauer¬
ausscheidern zu verhindern. Gegenwärtig erfolgt die Ent*
lassung durchschnittlich viel zu früh, nachdem vorübergehende
Ausscheidung schon bis zu !(• Wochen andauern kann. Die
Rekonvaleszenten versuchen nach der Entlassung mit noch ge¬
schwächtem Körper die Arbeit wieder aufzunehmen, zu einer
Zeit, in der der Organismus sich vielfach noch nicht ganz von
den im Blute kreisenden I v phusbazillen befreit hat. So konnte
man sich vorstellcn, dass einzelne Depots von Tv phusbazilien
abgekapselt werden und dass eine chronische Erkrankung der
(iallenblasenw and entsteht.
Der oben aufgestellteri Forderung, dass man sämtliche
Dauerausscheider keimen muss, stehen erhebliche Schwierig¬
keiten entgegen, da die Leute schon vielfach wissen, dass, fads
sie als Dauerausscheider festgeMellt werden, ehe polizeilichen
Massnahmen emsetzeii und sich der KonsjattcfHng durch Em¬
senden falscher Stuhlproben zu entziehen suchen. Debcrhuupt
tritt der Bekämpfung, welche sich direkt gegen die IVrsofj der
1 yphusbazilleii ausscheidenden Menschen richtet, hindernd ent¬
gegen der Unverstand namentlich der Landbevölkerung,
welche die Isolierung und I Desinfektion als lästig empfindet,
der es unangenehm ist, dass sie in der persönlichen Freiheit
gestört ist und dass nach Sicherung der Diagnose ,, I v phus”
keine mitfühlenden Besuche mehr kommen, ferner a;mh der Um¬
stand, dass die Desinfektionskosten meist von den BcToftencn
selbst getragen werden müssen und d.is> für Arbei'Kiiisfaii bei
Isolierung und Erw erbsentgaug tvi SjiWssur.-g ur . os Nah-
rungsmittelgeschättes kenne Entschädigung geleistet wird.
'*) Munch, med. WachensJ t.. P'i'7. ,V>. l\
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1787
Da infolgedessen manche Eälle verheimlicht werden, muss
noch zu anderen Mitteln der Bekämpfung Zuflucht genommen
werden und zwar zum ganzen Rüstzeug der Hygiene im Sinne
v. Pettenkofers nämlich: Reinlichkeitspflege und vor
allem zentrale Wasserversorgung auch auf dem Lande, ferner
Beseitigung wenigstens der ärgsten Schmutzwinkel der Dörfer
und Ueberwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, in den
Städten noch dazu Strassenhygiene, Wohnungsfürsorge, Ka¬
nalisation und Abfuhrwesen.
Mit allen diesen Mitteln, welche seit Beginn der Stations¬
tätigkeit in der Pfalz kräftig gefördert wurden, muss die Be¬
kämpfung beharrlich fortgesetzt werden, wenn man wenigstens
ein stärkeres Aufflackern des Typhus vermeiden will. Die
hygienischen Massregeln grösseren Stiles in endemisch mit
Typhus verseuchten Gegenden sind gerade vom militärischen
Standpunkt aus wichtig, denn sie dienen besonders zum Schutze
von aus immunen Orten stammenden, und daher hoch empfäng¬
lichen Truppenteilen, welche etwa in endemischen Typhus¬
gegenden zu manövrieren haben.
Eine entscheidende Wendung in der Typhusbekämpfung
würde aber meines Erachtens nur dann eintreten, wenn ent¬
weder die Wissenschaft ein Mittel fände, um die Typhusbazillen
aus dem Körper der Dauerausscheider zu entfernen, oder eine
zwangsweise Krankenhausbehandlung aller jener Kranken
stattfände, bei denen eine wirksame Isolierung und sorgfältige
Behandlung bis zur bakteriologischen Genesung in der eignen
Behausung nicht gewährleistet ist, eventuell eine reichsgesetz¬
liche Regelung für dauernde Unschädlichmachung der Dauer¬
ausscheider sorgte.
Aus der chirurgischen Abteilung Pavillon Ponti des Ospedale
Maggiore, Mailand (Direktor: Prof. Dr. Baldo Rossi).
Ein neuer elastischer Darmschliesser.
Von Dr. G. Solaro, Assistent.
Es ist hinreichend bekannt, dass die bis heute im Gebrauche
befindlichen Darmschliesser immer noch nicht als Ideal bezeich¬
net werden können. Denn sind die beiden Zungen aus steifem Metall,
so ist auch bei Zwischeneinlassung von Gaze oder Verwendung
von Gummiröhren eine Quetschung unvermeidlich, während auf der
anderen Seite bei Verwendung sehr dünner, elastischer und somit
äusserst wenig quetschender Zungen die Gefahr des Ausrutschens der
Darmwand besteht.
Dabei darf dann auch gar nicht ausser acht gelassen werden,
dass das Streben nach Vermeidung einer auch nur geringen
Quetschung der Darmwand vollauf berechtigt ist, da man doch häu¬
fig bei den Operationen, bei denen Darmschliesser zur Anwendung
kommen, Därme vorfindet, deren Blutlaufs- und Ernährungsbedin¬
gungen stark verändert sind und die zuweilen heftiges Oedem der
Wandungen zeigen, was bei einer auch nur leichten Quetschung zu
bedeutend schwereren Folgen führen kann.
Mein Darmschliesser hat nun im allgemeinen dieselbe Form
und Grösse wie die allgemein üblichen, gekrümmten aus Metall, nur
sind seine beiden Zungen etwas von der Norm abweichend, insofern,
als eine der beiden Zungen breit gehalten und fensterartig durch¬
löchert jst und in der Mitte eine Fuge aufweist, in die die zweite,
ziemlich schmale Zunge beim Schliessen eingreift und über die
Oberfläche der ersteren durchgreift. Die gefensterte Zunge wird
mit einem der gewöhnlich hierzu dienenden dünnen Gummischläuche
überzogen, der an der Spitze geschlossen ist.
Das Darmstück bleibt so doppelt geschlossen: 1. durch Ein¬
greifen der schmalen Zunge in die gefensterte bis über deren innerer
Oberfläche und die so erfolgte Knickung und entsprechende Unter¬
brechung in der Kontinuität des Darmlumens, wie dies geschieht,
w r enn eine Gummiröhre im scharfen Winkel gebogen wird; 2. durch
einen leichten, aber elastischen Druck, der auf die Darmwand auch
nicht im geringsten quetschend einzuwirken vermag.
Das in der Illustration vorgeführte Instrument hat somit den
Vorteil, dass es eine vollständige, kräftige Abschliessung des Darmes
erzeugt, ohne einen Druck auf die Darmwände auszuüben, was
durch die damit in der chirurgischen Abteilung F. Ponti vorge¬
nommenen Versuche vollständig bestätigt worden ist und den Apparat
als solchen also empfehlenswert erscheinen .lässt, nachdem er sich
als den anderen überlegen erwiesen hat.
Vorbeschriebenes Instrument wird in der Fabrik für chirurgische
Instrumente G. M a r e 11 i, Mailand hergestellt.
Ein interessanter Fall von Chininintoxikation.')
Von Dr. Oskar Salomon, Spezialarzt für Hautkrankheiten
in Koblenz.
Frl. Ch. war vor etwa % Jahren von mir wegen ihres Lupus
erythematosus mit Erfolg nach Holländer-Oppenheim be¬
handelt worden; damals nahm die Patientin ohne besondere Be¬
schwerden im ganzen 18 g Chininum hydrochloricum (60 Pulver
ä 0,3 g). Wegen Rezidivs ihrer Erkrankung suchte mich die Pa¬
tientin vor etwa 2 W'ochen wieder auf und ich leitete dieselbe Kur
wieder ein. Schon nach Einnahme des ersten Pulvers erschien die
Pat. andern Tages in der Sprechstunde und klagte über Uebelsein,
Brechreiz und Ohrensausen; sie wurde daher angewiesen, nur ein
Pulver am Tag zu nehmen, und zwar die halbe Dosis (0,15). Alar¬
mierende Nachrichten riefen mich am anderen Morgen zu der Pa¬
tientin und ich fand zu meinem Erstaunen eine Schwerkranke vor.
Das ganze Gesicht war gedunsen, stark ödematös, so dass die Augen
kaum sichtbar waren. Von den inneren Augenwinkeln zu den Mund¬
winkeln zogen sich dicke Blutkrusten, entsprechend den Rändern des
Lupus erythematosus. Dieser selbst war durchsetzt von unzähligen
kleinen Blutungen, die sich streng an die Affektion hielten. Ausser¬
dem bestand eine ausgedehnte Purpura haemorrhagica beider, von
Lupus erythematosus übrigens freier, Unterschenkel; auch die Kon-
junktiva des rechten Auges zeigte eine starke Blutung.
Im Vordergründe des Krankheitsbildes standen aber heftige
Atemnot, Bluterbrechen, blutige Durchfälle, Hämaturie und Schleim-
hautblutungen des Mundes und der Nase. Durch Styptica und Ana-
leptika wurde in wenigen Tagen Heilung erzielt.
Besonders interessant an dem Fall ist:
1. Die erworbene Idiosynkrasie, da Patientin früher dasselbe
Präparat gut vertragen hat, noch auffallender deshalb, weil sonst
doch eine allmähliche Gewöhnung an das Mittel bekannt ist;
2. die ausserordentliche Schwere der Intoxikationserscheinungen,
dazu auf eine so geringe Dosis hin (0,45 in 24 Stunden);
3. die strenge Beschränkung der Blutungen im Gesicht auf die
Effloreszenzen des Lupus erythematosus, die ihrerseits sämtlich von
Petechien übersät waren. Dabei verdient bemerkt zu werden, dass
nur der Lupus erythematosus des Gesichtes mit Jothionsalbe be¬
handelt war, nicht dagegen die auch von Blutungen frei gebliebenen
Lupus-erythematosus-Stellen des behaarten Kopfes und der Hände, so
dass es den Eindruck auf mich machte, als ob bei der kombinierten
Behandlung nicht die Jodwirkung durch das Chinin, sondern die Chi¬
ninwirkung durch das Jod verstärkt würde.
Bei der Gelegenheit möchte ich auch kurz noch meine Er¬
fahrungen mit der L e n z m a n n sehen intravenösen Chininbehand-
lung bei Syphilis mitteilcn: in 2 Fällen applizierte ich je eine Injektion
(5 resp. 3 ccm einer lOproz. sterilen Chininum-hydrochloricum-
Lösung + 0,7 NaCl) mit dem Erfolge, dass die Leute unmittelbar nach
Verabreichung ein Heisswerden im Arm und Kopfe verspürten; es
wurde ihnen bunt vor den Augen; sie schlugen mit beiden Händen in
die Luft, fassten sich an den Kopf und fielen hin; dazu trat Atemnot.
Bei dem einen bedurfte es V* Stunde, bei dem anderen fast einer
Stunde, bevor ich ihn wieder aufstehen lassen konnte. Für die
ambulante Praxis möchte ich auf Grund dieser Erfahrung vor der
intravenösen Chininapplikation gewarnt haben, ohne mir im übrigen
ein Urteil über deren Wert zu erlauben.
Zur Behandlung der Sommerdurchfälle der Kinder.
Entgegnung auf Dr. Max G o e t z in Leipzig-Plagwitz.
Von Dr. Robert Bing, Kinderarzt in Berlin.
In No. 32 der Münch, med. Wochenschr. schlägt Herr Dr. G ö t z
vor, die an Brechdurchfall erkrankten Kinder von morgens 7 Uhr bis
abends 10 Uhr in den Keller zu stellen, sie ein oder mehrere Male
zu baden und ihnen 1—2 Tage lang nur Thee zu geben. Im übrigen
könnten alle anderen geeigneten Mittel allgewandt werden. Würden
diese Vorschläge 4—8 Tage lang befolgt, dann seien die Erfolge vor-
■) Vorgestellt auf dem X. Kongress der Deutschen Dermatologi¬
schen Gesellschaft in Frankfurt a. M.
3*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1788
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. M.
ziiglich. Oft scheitere diese Bcliandlungsweise an dem Widerstand
der Mütter, denen der Keller bald zu dumpf oder feucht sei oder
weil sie sich vor den Ratten fürchteten. Diese Anschauung der
Mütter kann ich nur billigen. Und ich glaube, jeder Arzt, der Gc-
legenheit hatte, viele Säuglinge im schwersten Stadium des Brech¬
durchfalles zu behandeln, wird froh sein, anstatt des Kellers eine
wohnliche Krankenstube als Behandlungsort vorschlagen zu dürfen.
Nicht auf die Kühle des Zimmers kommt es meines Trachtens an,
sondern auf die Reinlichkeit aller mit dem kranken Kinde in Be¬
rührung kommenden (kgenstände. Vor allem können wohl Koch¬
salzinfusionen und Bäder ‘im Keller nie so peinlich sauber vorgenommen
werden. Lüftet man dann in der heissesten Zeit das Krankenzimmer
früh und abends recht gründlich und behandelt man die (iastroenteri-
tis der Säuglinge nach den in der Pädiatrie derzeit als erprobt gel¬
tenden Massnahmen, so erlebt man die Freude, schon recht oft am
2 oder 3 Tage die Krankheit in Genesung übergehen zu sehen.
Zur Frage der Heilstättenbehandlung und der Anzeigen
für dieselbe.
Schlusswort von Dr. A. Frankenburger in Nürnberg.
Auf die Entgegnung von Herrn Kollegen Dr. B r ä u t i g a m in
No. 32 dieser Wochenschrift habe ich folgendes zu erwidern:
Die Ausführungen meines Aufsatzes in No. 17 und IS haben sich
allerdings hauptsächlich auf meine Erfahrungen an Kranken der Heil¬
stätten Engelthal und Eürth gegründet. Meine Schlussfolgerungen
und Thesen waren ganz allgemeine. Es lag gar kein Grund
vor, aus ihnen einen Gegensatz zwischen der Heilstätte Engelthal
und der Fürsorgestelle Nürnberg, welche Zusammenarbeiten müssen.,
abzuleiten zu versuchen. Dass Heir Kollege Bräutigam sich
dazu hat verleiten lassen, bedauere ich; noch mehr, dass er durch
eine Qualifikation „des derzeitigen Leiters“ der Fiirsorgestelle und
ein diesem erteiltes Misstrauensvotum der sachlichen Meinungsver¬
schiedenheit eine persönliche Wendung zu geben sich bewegen liess.
welcher ich nicht folgen werde.
Sachlich kann ich nur einige (legenfeststellungen machen und
bitten, meine Arbeit noch einmal genau zu lesen. Ich habe nicht, „ob¬
wohl ich selbst zugebe bezüglich der Dauererfolge bei Kranken des
II. Stadiums sehr skeptisch zu sein“, die Aufnahme solcher Kranker
des II. Stadiums in die Heilstätten verlangt. Der Skeptizismus be¬
züglich der Dauererfolge gilt vielmehr nicht weniger iür die Kran¬
ken des I. Stadiums. Mein Optimismus dagegen, dass die Heil-
stättenbehandlung in vielen Fällen des I. Stadiums durch eine billi¬
gere Erholungsstättenbehandlung ersetzt werden kann, gründet sich
auf die immer wachsende Erfahrung, dass unter den sog. Kranken des
I. Stadiums bei einzelnen Heilstätten (besonders Engelthal) ausser¬
ordentlich viele Fälle sich befinden, welche latente Tuberkulosen
oder gar keine sind, welche aber in den Berichten nicht aus¬
geschieden, sondern den I. Stadien eingereiht sind.
Dass eine dreimonatliche Heilstättenbeharidlung durch eine
28 tägige Erholungsstüttenbehandlung ersetzt w erden könne und solle
habe ich nie behauptet.
Zu weiterer Widerlegung müsste ich den grössten Teil der Aus¬
führungen meiner ersten Arbeit wiederholen, was mir aber die Zeit
und die Redaktion verbietet.
Ich stelle jedoch fest, dass mir nach Veröffentlichung meiner
Arbeit sehr viele schriftliche und mündliche Zustimmungen (letztere
besonders anlässlich der Tuberkuloseärzteversammlung in München)
von seiten der praktischen Aerzte wie von Heilstättenärzten zuge¬
kommen sind.
Aus der Finscuklinik Berlin.
Bemerkungen zu dem Artikel von K I i n g e 1 f u s s - Basel.
Ueber Messung und Dosierung der Röntgenstrahlen in
absoluten Einheiten. Röntgenolyse.
Von Dr. Franz Nagelschmidt.
ln der No. 29 der Münch, med. W'ochenschr. 19öS beschreibt
K I i n g e 1 f u ss - Basel ein Instrumentarium zur Messung und Do¬
sierung der Röntgenstrahlen in absoluten Einheiten. Er hat gefunden,
dass die Reaktion der Röntgenstrahlenenergie auf der photographi¬
schen Platte direkt proportional ist dem Produkt aus: Spannung beim
Stromfluss im Sekundärkreis, Stromstärke und der Expositionsd-aner,
und schlägt vor, die hiernach ausgedrückte Arbeitsleistung als Ront-
genolysc nach Analogie der Elektrolyse zu bezeichnen. Als Beispiel
führt er an: „Es sei durch die Bestrahlung einer krankhaften, ober¬
flächlich gelagerten Stelle mit einer Rohre von ca. ftb Härteeinheiten V.
(die Zahl bezieht sich auf die Skala des Spannungsmessers, der 15b
Skalenteile für die Härten bis 8 Beiioisteinheiten besitzt) und mit einer
Stromintensität von 1 Milliampere in lb Minuten eine ganz bestimmte,
vom Arzte zu definierende Reaktion eingetreten; die Konstante hier¬
für beträgt also (>b lb ■ 1 öbb; diese Dosierung soll von einem
anderen Arzte in einem Falle ebenfalls zum gleichen Zwecke ange¬
wendet werden. Seine Rohre zeige die Härte <>5 feine Piiicrcn/ gegen
die erste Rohre von <>b M., die an der Bemustskala wegen der l n-
emptindlichkeit derselben unmöglich zu ermitteln ist); dann gebe
sein Instrumentarium die Stroinintensitat b,,s Milliamperes. I m die
gleiche Bestrahluiigsmteiisitat durch die RontgeiioK s«. wie im vorigen
Falle zu erhalten, muss der zweite Ar/t eine Expositions/eit von
b.K . (>5 11,5 Minuten auw enden. Man ersieht, aus diesem einen
Beispiel, wie einfach und sicher sich die Dosierung auf diese Weise
gestaltet. Die Empfindlichkeit verschiedener Patienten wird in nicht
immer die gleiche sein, aber aus dem absolut sicheren Masse bei
der Rontgenoh se. mittels der man eine ganz bestimmte, genau
definierbare Strahlenmenge appliziert, lasst sich r uckschäessend diese
Empfindlichkeit beurteilen und ein sich so aiisammelndes Ertahrungs-
material nutzbar verwerten."
So einiach, wie K. glaubt, ist nun aber die Roiitgendosierung m
der Praxis leider nicht. Ich verweise hierbei atu meine Bemerkungen
in der Zeitschrift für ph\sikalische I herapie in „Kritisches zur
Roiitgendosierung" und mochte, aut den K.sehen Vorschlag angewandt,
folgende Emw aride erheben:
Es ist durchaus nicht identisch, ob das Produkt 7. B. aus
N» V.. I MA. und lb Minuten, oder aus IJn V .. 1 .• M V. und Io Minuten,
oder aus <*b V.. 3 MA. und 3 Mm. 2b >ek. gebildet wird. Denn gerade
in der Therapie und m der Photographie (am Körper» spielt es eine
grosse Rolle, ob ich eine mehr oder weniger harte, sowie nchr oder
weniger belastete (d. h. mehr oder weniger intensiv Icik äteiide >
Rohre verwende. Da keine Rohre homogene Mrahlen entsendet,
sondern stets ein Gemisch härterer und weniger harter Strahlen, so
sagt mir weder das Produkt K.s noch die etwa gleiche Schwärzung
photographischer Platten, dass die angewandten Rorngeiilichtmengeii
identisch sind. Im Gegenteil geht aus dem genannten Beispiel sogar
klar hervor, dass beide Resultate in einem 1 all durch eine härtere,
im arideren durch eine weichere Rohre und dazu bei verschiedener
Belastung erhalten wurden. I heorelisch konnte man i.i dann nach
K. so Weit gehen, zu sagen, dass eine ganz harte Rohre mit einer ganz
weichen identisch ist unter entsprechender Variation der anderen
Faktoren, was vollkommen unzuti eilend Ware. Wollten wir nun m
unserem Beispiele noch feststelieri. wie das Verhältnis der weicher:
zu den harten Strahlen ist. so mussten wir mehrere Platten teils
direkt, teils durch Filter hindurch zu gleicher Zeit belichten, d. h.
eventuell das Kienböck sdie Quantimeter benutzen, um die Ver¬
hältnisse im menschlichen Gewebe annähernd zu Schätzen oder zu
imitieren. Dann brauchen wir aber das ganze komplizierte neue
Instrumentarium nicht. Auf Differenzen von 5 I mheiteii (wie in dem
Beispiel K.s) einer Skala von 15u Teilen kommt es in vier I herapie
niemals an; für klinische Zwecke reicht eine 81eilige Skala Vor¬
kommen aus.
Die Figur K.s mit der Tabelle in der Anmerkung beweist eben¬
falls nichts für die Praxis. Denn die dünne photographische Schicht
darf keinesw egs den praktischen Bestrahlungsgebietv ri gicuhgesel/t
w erden. Auch hier geben nur v ergleichende l ntersuc hungert mit oder
ohne Filter (z. B. Alummiumplatten) Anhaltspunkte für die Mischungs¬
verhältnisse der Strahlen, mithin für die therapeutisc ne Dosierung.
Für physikalische Zwecke erscheint die Methode sicherlich vor¬
teilhaft, indem sie vielleicht eine exaktere Bewertung der gesamten
verbrauchten Energie ermöglicht. Sie gibt aber nicht einen exakten
Massstab für die tatsächlich produzierte Rotitgcuctu r eie ab. weil
nicht alle Kathodenstrahlen im Zentrum der Antikathode zur Ver¬
einigung gelangen, weil die zur Produktion störe'.der Warme verloren
gegangene Energie im Produkt mit enthaltet) ist. und weil anderer¬
seits die sekundären Roiitgenstr uhit n die das Produkt vermehren
mussten, nicht in Rechnung gezogen werden. Audi ist über das
Mischungsverhältnis harter und weicher Mrahlen nicht mehr als vier
Mittelwert aus dem Produkt zu ersehen. Indessen ist inr ver¬
gleichende Untersuchungen phv sikalisc her Art die Methode 'w eileI-
los wertvoll. Für die Medizin dagegen bedeutet sie leider nichts als
eine überflüssige Komplizierung, welche bereits vorhandene Methoden
einerseits nicht entbehrlich macht, andererseits kaum verbessert.
Denn es kommt bei der Therapie im wesentlichen nicht auf die über¬
haupt produzierte n. sondern nur auf die resorbierten
Strahlen an. Fan nicht unerheblicher Faktor liegt audi in der 1 at-
sache, dass keines der bestellenden Routgemnstnimentarieii. ausser
den von Herrn Klinge Ifuss zu dem speziellen Zweck herge¬
stellten Induktoren, fut die neue Einrichtung verwertbar ist.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Zur Verbesserung unserer bayerischen ärztlichen
Ehrengerichte.
Von Dr. \V i 1 h c I m M a y c r in Fnrili.
Der Wunsch, die ärztlichen Ehrengerichte besser nus/iP'aueu
und lebensfähiger zu machen, ist vo It vie.cn M iteti Scimri gcaussert
w orden und w ird bei de r Aerzteknmme' sit/ueg pro p>os w. ,»;• \oii
den Aer/ten Selbst zur Beratung gest- 't \u-,:oi. Es sei gestattet,
im folgenden zu referieren, was bis daher '"eben ist. ur.d w as für
Hoffnungen auf Erfüllung der W uns.kc hcstchyri.
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Original fro-rn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1789
Gelegentlich der Sitzung des erweiterten Obermedizinalaus¬
schusses im Dezember 1907 haben die Kammerdelegierten die Kam¬
mern von Ober- und Mittelfranken beauftragt, auf irgend eine Weise
das kgl. Staatsministerium des Innern anzugehen, um von massgeben¬
der Stelle zu erfahren, welche Wege zu einer Besserung etwa gang¬
bar wären.
Dr. Jungengel -Bamberg und Dr. Mayer-Fürth haben dar¬
aufhin um eine Audienz nachgesucht, und zu vorheriger Orientierung
folgende Ausführungen eingereicht:
Fürth, April 1908.
An das Kgl. Staatsministerium des Innern,
München.
Betreff:
Die ärztliche Ehrengerichts- und Standesorganisation.
Die Unvollkommenheit der staatlichen Organisation des ärzt¬
lichen Standes in Bayern tritt in besonders grelle Beleuchtung, wenn
man die Mängel betrachtet, die dem ehrengerichtlichen Verfahren bei
den Bezirksvereinen anhaften. Der Staat hat die Bildung von
Schied«- und Ehrengerichten in der Allerhöchsten Verordnung d. d.
9. VII. 95 „Bildung von Aerztekammern und Bezirksvereinen“ in
§ 13 zur Pflicht gemacht; es ist aber nichts vorgesehen, diese Ge¬
richte auch arbeitsfähig zu machen. Es können keinerlei Zeugen in
richterlich brauchbarer Weise, also auf Eid, vernommen werden;
Nichtärzte aber auch Aerzte, die der Organisation nicht angehören,
brauchen sich überhaupt nicht vernehmen zu lassen; bei den Ehren¬
gerichten der Kammern (Kommission für Beschwerden im Sinne des
§ 12 der angezogenen Allerhöchsten Verordnung) ist die Vernehmung
von Nichtärzten sogar geschäftsordnungsgemäss ausgeschlossen.
So ist bei sehr vielen, diesen Gerichten unterbreiteten Fällen ein
„non liquet“ der Schluss und oft muss die moralische Ueberzeugung
zur Herbeiführung eines gedeihlichen Endes ausreichen.
Dann sind aber die Aerzte im allgemeinen nicht durchweg aus¬
reichend geschult für solche ins juristische streifende Aufgaben, und
Verstösse gegen juristische Fundamentalgrundsätze können unter
Umständen sich einschleichen.
Dass Ehrengerichte aber dem ärztlichen Stande notwendig sind,
das bedarf kaum eines Beweises. Bei keinem gelehrten Berufe —
auch die Rechtsanwälte nicht ausgenommen — sind persönliche Kol¬
lisionen, die Versuchung, durch kleinere oder grössere Unrichtig¬
keiten sich zu nützen, dann aber auch der Widerwillen, sich unter
feste Normen zu geben, so häufig, als bei den Aerzten.
Der Staat dürfte wohl selbst das Bedürfnis fühlen, eine von ihm
geschaffene Organisation so zu verbessern, dass sie die ihr gestellten
Aufgaben erfüllen kann; dies erfordert in erster Linie, dass die
Ehrengerichte sich bessere Unterlagen für ihre Urteile verschaffen
könnten. Auch die Zuziehung juristischer Beisitzer zur Vermeidung
von Rechtsirrtümern, würde ärztlicherseits auf keinen Widerstand
stossen, wenn die Aerzte nur die Schlussentscheidung selbst in der
Hand behalten. Auch wäre zu. erwägen, ob es nicht angängig wäre,
den ärztlichen Ehrengerichten das Recht einzuräumen, zur eidlichen
Vernehmung bestimmter Persönlichkeiten die zuständigen Gerichte
zu requirieren, wie das z. B. bei den Berufsgenossenschaften der
Fall ist.
Solche Aenderungen Hessen sich im Rahmen der schon be¬
stehenden Organisation der Kammern und Bezirksvereine leicht
machen.
Neben den oben ausgeführten erweiterten Befugnissen für
die Ehren- und Schiedsgerichte der Bezirksvereine wäre noch die
Errichtung eines Instanzengerichtes bei den Kammern in Erwägung
zu ziehen.
Eine Reihe von Kammern haben ein solches Kammergericht
schon freiwillig eingerichtet und sind damit zufrieden gewesen.
Es wäre auch zu bedenken, ob nicht mit der Verbesserung der
ärztlichen Gerichte ein Kgl. Staatsministerium es angezeigt halten
könnte, diesen Gerichten feste Normen für ihre Urteilsfällungen zu
geben. Mit anderen Worten, ob nicht eine Standes- und Ehren¬
gerichtsordnung für die jetzt bestehende Organisation erlassen wer¬
den könnte. Als Vorbild dürfte die vom Obermedizinalausschuss im
Jahre 1901 sorgfältig ausgearbeitete Standesordnung dienen, deren
gesetzliche Einführung damals verlangt wurde. Das Schicksal dieser
Regierungsvorlage ist bekannt. Die Zutaten und Abstriche der Kam¬
mer der Abgeordneten hätten dem ärztlichen Stande das Gegenteil
von dem gebracht, was er anstrebte. Dankbar sind wir daher der
hohen Staatsregierung, die den Entwurf daraufhin zurückzog.
Bei den heutigen Anregungen fällt daher auch eine von uns
angestrebte Verbesserung der ärztlichen Organisation vollständig
aus; nämlich die, sämtliche bayerische Aerzte einer Standes- und
Ehrengerichtsordnung zwangsweise zu unterstellen. • Jetzt kann ein
Arzt durch Nichtbeitritt zu einem Bezirksverein oder durch Wieder¬
austritt sich jeglicher Kontrolle und jeder Ahndung von Verstössen
entziehen.
Das Bestreben, eine Disziplinargewalt über alle Aerzte zu be¬
kommen', ist in unseren Kreisen recht lebendig geblieben. Nach dem
Scheitern der gesetzlichen Regelung wurden mancherlei Versuche ge¬
macht, wenigstens teilweise diese Forderung zu erreichen; Anträge
in den Kammern, wie der von Kissingen (1907), von allen, öffent¬
liche Dienststellungen in Staat und Gemeinde anstrebenden oder be¬
kleidenden Aerzten den Beitritt zu den Bezirksvereinen zu verlangen,
bekunden dies.
Wir bitten um Belehrung, wie weit solche zwangsweise Unter¬
stellung der Aerzte unter die Satzungen der staatlichen Organi¬
sation möglich ist.
Wir bitten aber vor allem um geneigte Mitteilung, wie weit den
übrigen oben ausgesprochenen Bitten Gehör gegeben werden kann
und werden erst nach einem günstigen Bescheide darüber entweder
die Entschlüsse der hohen Staatsregierung abwarten oder, wenn dies
gewünscht würde, für Vorschläge aus den weiteren Kreisen der
bayerischen Aerztekammern sorgen.
Wir vertrauen darauf, dass das Wohlwollen einer hohen
Staatsregierung, dessen die Aerzte sich stets erfreuen durften, auch
diesmal uns zur Seite stehen wird.
Ehrerbietigst
Der geschäftsführende Ausschuss der Aerztekammern.
Dr. J u n g e n g e 1. Dr. M a y e r.
Die nachgesuchte Audienz wurde genehmigt und fand am
28. Mai d. J. unter Zuziehung von Herrn Geheimrat v. Grashey
statt.
Leider waren die Aufklärungen, die wir bekamen, nicht so gün¬
stig, wie wir gehofft hatten.
„Auf dem Verordnungswege könne eine Verbesserung unserer
Ehrengerichte nur sehr unvollständig erfolgen. Einschneidende Re¬
formen nach unserem Begehr wären nur auf dem Wege der Gesetz¬
gebung möglich. So könnten die Aerzte, die nicht freiwillig der
bestehenden staatlichen Organisation beitreten, nur durch ein Gesetz
den Ehrengerichten unterstellt werden. Wegen der Beiziehung von
staatlichen Gerichten oder Richtern um Zeugen zu vereidigen u. dgl.
hat Se. Exz. der Herr Staatsminister mit dem Minister der Justiz
Rücksprache genommen, und dort das gleiche gehört, was er
selbst meinte, dass auch dieses nicht ohne Gesetz gehe. Einer sol¬
chen gesetzlichen Regelung im Sinne der 1901 von der Staats¬
regierung dem Landtag vorgelegten Standes- und Ehrengerichtsord¬
nung, steht der Herr Staatsminister seinerseits sympathisch gegen¬
über, weiss natürlich nicht, welches Schicksal eine erneute Vorlage
. haben wird, und wird vorerst abwarten, ob die Aerzte selber eine
solche Neuvorlage wünschen und verlangen. Eine für die bestehende
ärztliche Organisation gültige Standesordnung könnten sich
die Kammern selbst geben, und die Staatsregierung werde der Auf¬
nahme In Statuten und Geschäftsordnungen nicht im Wege sein.“
Dies das Resultat, einzig erfreulich durch die Erkenntnis, dass
die hohe Staatsregierung die Notlage der Aerzte in Bayern bezüglich
ihrer Organisation nicht verkennt und ihrerseits bereit ist, für unsere
Wünsche einzutreten, dabei aber, wie schon früher, für die Aerzte
doch lieber keine als eine schlechte Neuordnung zulassen wird.
Uns Aerzten erübrigt in dieser Situation zweierlei. Erstens die
Ueberlegung, ob, wann und wie die Wiedereinbringung eines Gesetz¬
entwurfs über eine Ehrengerichtsordnung der Aerzte angestrebt wer¬
den soll. Und zweitens, ob es verlohnt, an den jetzt bestehenden
Bestimmungen zu verbessern und zu ändern, um im Rahmen unserer
jetzigen staatlichen Organisation eine etwas arbeitsfähigere Gerichts¬
ordnung zu bekommen.
Hier käme in Frage:
1. Die nochmalige Beratung und Annahme einer für alle baye¬
rischen Kammerbezirke gültigen „Standesordnung“ und die Aufnahme
in die Statuten unter Genehmigung der Staatsregierung.
Mittelfranken hat 1903 dies schon beantragt und für sich
auch ausgeführt. Die anderen Kammern sind nicht gefolgt, weil von
einer Kammer betont w'urde, dass in ihrem Kreise grosser Wider¬
stand gegen diese Standesordnung bestünde. Dies mag so sein,
aber diese Widerstrebenden stemmen sich überhaupt gegen Ehren¬
gerichtsordnungen und gegen eine Disziplinargewalt und gegen die
Organisation der Aerzte, wie sie sich in der jüngsten Zeit entwickelt
hat. Hier kann sich die grosse Majorität der kleinen Minderheit nicht
fügen. Für das richtige Arbeiten von Ehrengerichten sind solche
Normen nötig, dort, wo man sie nicht gleich aufstellt, bilden sie
sich von selbst fast gleichlautend heraus, wie z. B. in Preussen. Es
erscheint aber gegenwärtig für uns doppelt nützlich, eine Standes¬
ordnung anzunehmen, die etwa der von 1901 entspricht. Wenn sie
unter Zustimmung der Staatsregierung eingeführt und durch kürzere
oder längere Zeit sich bewährt hat, so werden, bei einer doch noch
zu erhoffenden gesetzlichen Regelung unserer Standesfragen, An¬
griffe auf sie schwerer zu begründen und leichter abzuweisen sein.
Zweitens erscheint es nötig, die Berufung bei den Vereinsehren¬
gerichten anders zu regeln und zu vervollkommnen. Eine solche be¬
steht jetzt auf Grund der allerhöchsten Verordnung von 1895 an die
dazu eingesetzte Kommission der Kammer bei Ausschluss von Aerzten
aus den Vereinen oder bei verweigerter Aufnahme.
Auch für die übrigen ehrengerichtlichen Strafen steht dem Be¬
klagten resp. Verurteilten Berufung zu an das Vereinsplenum. Hier
fehlt das Berufungsrecht des Klägers, der meist durch die Vereins-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1790
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
vorstandscliaft repräsentiert wird; dann scheint aber auch* die Be¬
rufung an den Verein nicht das Richtige; die Schlussentscheidung
gehört vor einen s. v. v. unparteiischeren Senat. Die Vereinsehren-
nchter gehören zu den geachtetsten Mitgliedern, die Vereinsvorstand¬
schaft hat die Klage erhoben — die Aufhebung eines Urteils durch
das Vereinsplenuni, an sich recht unwahrscheinlich, würde leicht
einem Misstrauensvotum nicht unähnlich sein, abgesehen davon, dass
eine Vollversammlung kein geeignetes Forum ist für eingehend zu
prüfende und zu begründende richterliche Beschlüsse. Mindestens
müsste, wie bei dem Ausschluss von Mitgliedern oder der Nacht¬
aufnahme eine Instanz noch über dem Vereinsplenum stellen; das
würde den Apparat aber, für die meisten ehrengerichtlichen Fälle
zu schwerfällig machen. Für diese Fälle genügte darnach eine
Instanz bei der Kammer direkt über dem Vereinsehrengericht, und
die bekannten Bestimmungen müssten dabei festgelegt sein, dass
Aerzte von beteiligten Vereinen nicht als Richter fungieren können.
Mittelfranken hat diese Instanz ebenfalls schon für sich ge¬
schaffen, allerdings vorerst als dritte über dem Vereinsplenum.
Auch in der Pfalz bestellt für den Verein Pfälzer Aerzte eine
ehrengerichtliche Instanz bei der Aerztekammer und die Ausarbei¬
tung einer Standesordnung ist im (lange. In einigen der übrigen
Kammern wurden wenigstens für wirtschaftliche Fragen Instanzen
schon vorgesehen. Die Errichtung solcher Kammerehrengerichte
wird ganz leicht zu machen und der (jcuehmigung der Kgl. Staats¬
regierung sicher sein.
Neben diesen beiden Anregungen prinzipieller Natur wäre
über die Geschäftsordnung der Gerichte noch manches zu sagen.
So wäre zu erwägen, ob die Ehrengerichte beider Instanzen
nicht das Recht bekommen sollten, in geeignet scheinenden Fallen
einen richterlich qualifizierten Juristen beizuziehen. Wir haben z. B.
in Fürth diese Einrichtung schon bei Schlichtung von Zwistigkeiten
zwischen Aerzteverein und Krankenkassen; es wären lalle denk¬
bar, wo ein solcher juristischer Beirat das ärztliche Gericht vor Ver-
stössen gegen feststehende Rechtsauffassungen bewahren konnte.
Das Anhören von Zeugen aus ärztlichen Kreisen ist schon erlaubt,
es sollten aber auch Laien gehört werden dürfen, wenn das Geruht
dies beschliesst.
Die persönliche Anwesenheit des Beklagten mul der klagenden
Partei müsste bei der Beweisaufnahme stets gestattet sein, wahrend
der Beschluss selbst natürlich in geheimer Sitzung erfolgt. Dass
ein Mitglied während eines ehrengerichtlichen Verfahrens nicht
austreten darf, ist noch nicht überall Bestimmung.
Nach diesen kurzen Ausführungen lassen sich die einzelnen Para¬
graphen der bestehenden Ehrengerichtsordnungen leicht kontrollieren.
Die Vorvcrsammlung der Kammervorsitzenden im September wird ent¬
scheiden, ob die ganze Frage in die Kammersitzung genommen wer¬
den soll, und die Vereine haben noch Zeit Stellung dazu zu nehmen
und etwaige weitere Verbesserungen vorzuschlagen.
Ethische Fragen für den ärztlichen Stand').
Zeitgemässe Revision der Etikettenfragen.
Von Dr. Max Nassauer in München.
So oft ich über das mir vom ärztlichen Bezirksverein gestellte
Thema, über einzelne Fragen der ä r z t I i c h e n Ethik
zu referieren, meine Betrachtungen anstellte, kam eine solche
Flut von drängenden Gedanken über mich, dass sie mein Gehirn nicht
zu fassen vermochte. Hunderte von Fragen durchzogen mein Den¬
ken und wenn ich sie packen wollte, wurden sie sofort durch andere,
neue verdrängt. Ich sah ein, dass es unmöglich sei. über ärztliche
Ethik in einem einzigen Vortrage zu referieren. Dazu musste mau ein
Kolleg für mindestens ein Semester lesen.
Noch deutlicher wurde mir die Fülle dieses Materials, als ich
Versuchte, mich in der Literatur umzusehen. Da fand ich vor allem
das 650 Seiten starke Buch von Moll „Aerztliche Ethik“, fand den
dreibändigen Hippokrates und eine Anzahl von kleineren Spezial¬
schritten, darunter das grosszügige Buch von Scholz „Von
Aerzten und Patienten“ 1 ). So hatte sich zu der noch verworrenen
Fülle meiner eigenen Gedanken die Fülle der von anderen Seiten
niedergclegten Ideen gesellt... ich stand vor einer unlöslichen Auf¬
gabe.
Da wurde mir klar, dass ich mein Thema eiuschränkeii und nur
ein Spezialgebiet der ärztlichen Ethik herausgreifen dürfe. um meinem
Aufträge gerecht zu werden. Ich ward mir bewusst, dass ich mir
zuerst über den Begriff „Ethik“ im allgemeinen, dann über „ärztliche
Ethik“ im speziellen, klar werden müsse.
Die P h i I o s o p h i e hat verschiedene Definitionen der F. t h i k
gegeben, wurde von den Griechen als die Wissenschaft be¬
zeichnet. die den sittlichen Wert und Unwert des menschlichen Wol¬
fens und Handelns untersucht. W ährend die Ethik einem alten Her-
! ) Vortrag, gehalten im ärztlichen Bezirksverein München am
-1. März löos.
1 ) 3. Auflage, München E*bf> (Otto Gmelins Verlag).
•) v. E h r enteis: < irundbegriffe der Ethik. 1*07.
kommen gemäss vielfach als „praktische Philosophie“ bezeichnet
wurde, spricht ihr Schopenhauer als Teil der Philosophie nur
theoretische Bedeutung zu. Sie habe keinen Einfluss auf die l mbil-
dung des Charakters.
Was nun ist die Aufgabe der Ethik? Sie soll uns vor allem bei
moralischer Unsicherheit und in moralischen Konflikten behhbuh sein,
d. h. also dann, wenn wir in gegebenen Fallen zwar niorahsji ein¬
wandfrei handeln mochten, aber im Zweifel darüber sinJ. weLhe
Handlungsweise hier als moralisch geforderte anzusehen sei. P:e
Ethik soll uns somit für den Zweck des moraiiseh emw undireiui
Handelns ungefähr die analogen Hilfmittel geben, wie die medizini¬
schen Disziplinen und \ orschritten sie zum Zwecke der Htilimg \oii
Kranken dem Arzte bieten. Aufgabe der Ethik ist die iiitedektiK le
Belehrung des Willens zum sittlich Guten, nullt etwa dessen E.r-
w eckung.
So spricht der Philosoph J ).
Ich muss gestehen, dass es mir reJit Schwer fiel, muh m den
Gedankengang der philosophischen Deuker hmeinzuleseii. Es ist
eine grundverschiedene Art des Denkens gegenüber unseren durGi
die Natiiranschauung erzogenen Gehirnzellen, Aber es scheint um.
dass schliesslich auch zwei \ erschigdetiartig gestaltete Gehirnrcihen.
allerdings auf verschiedenen Wegen, zu demselben Ziele gelangen
können. End so fand ich es begmiluh. dass der Mediziner .1 aks. h
im Gegensatz zu dem Philosophen sagen kann, „er kenne keine Be¬
rufsethik des Arztes. Er keime nur eine ltluk: die des gebd JUeti
Menschen."
Dies scheint mir denn auch der springende Punkt zu sein. W um
die praktische Ethik eine No,r,mallehre ist und die Moral somit emut
Teil und zwar den praktisch wichtigsten I eil, das hlusse r geb* t*.
der Ethik dar stellt, so zeigt uns sdioii die Betrachtung der GisCiiäitc
die ja doch verschiedene Auffassungen um Moral aufweist, dass .null
der Begriff und Inhalt der Ethik wechseln nmssui. je nach den Ku.tm-
aiischammgen einer Zeit.
Da die Kulfiiranschauimgen eines Volkes n,n den G«. bildet», n Jn
Bevölkerung geschaffen und vertrete.l weiden, so ist sji.iess^h du
Ethik in letzter Eime die MoralatiSc haiiuug der gebi.deten Mensduu.
Und damit Schlüsse ich meinen Gedanketigaiig. Die Vertreter eirus
Berufes, der sich zu den gebildeten zahlt, können nur eine Lth:k.
die der gebildeten Menschen überhaupt, haben.
Von diesem Gesichtspunkte aus müsseu wir untersudun. ob es
eine spezielle Ethik des ärztlichen Perms überhaupt gibt und. wenn
ja. worin sic bestellt.
Wir kommen sofort nber die Il.iuptsdiw ler igki :t hinweg, wenn
wir uns klar machen, dass aus den allgemeinen etlesdicn \nsdiau-
uugen heraus sich gewisse einzelne ethische Ern Jtrimge u u.r be¬
stimmte Berufsklassen lieraiissdmien lassen. So bestehen denn aiuh
t ii r uns Aerzte bestimmte ethische Eor der ungen. Und zwar dislia'b
fiir unseren ärztlichen Beruf eng umgrenzt, weil gewisse Fragen tnr
andere Stande gar nullt m Betracht kommen können. Ich will das
au einem Beispiel deutlich madieii: Für uns Aerzte kann die Frage
eier Ethik zur Erörterung kommen, ob wir einen to.'adi erkrankten
Menschen toten dürfen; ob wir z. B. einem verbrannten, v-n duri
IIIrclitePiuhsten Dualen verzehrten Menschen eine I uthanasu be¬
reiten diniert; ob wir ein Kind perforieren duften; einen Kranken
zum Zwecke seiner Heilung bei .gen durteil ... ob wir solche und
ähnliche, mit der allgemeinen Ethik im Widetsprudi su'runde Hand¬
lungen begehen dürfen. Insofern also g.bt es m dir lat e.r.e spe¬
zielle ärztliche Ethik. Nachdem unser Gedankengut’g uns s. vve.t
geführt Inf, schab sidi d<>di a'im.ihluh der Kern der nur zu-
gewirsemen Aufgabe het.ms. l s wird klar, dass uh aus der ur/*-
liclien Ethik wieder einen besonderen Zweig luspudan s. ’i. Dieser
Zweig der ai ztlu heil Ethik ist die gr < >sse A bti ilung de r a r / t 1 u Ii e n
Etikette. Mit Recht weist Moll daran! hui. il.es so oft unter
den Aerzten die wichtigsten Fragen der ar/tlulnn I ’lnk v - • ".kommen
ignoriert werden Und der llnimtwert auf die ftiWtte und auf St .in¬
desfragen gelegt wird. Wer dies tue. handle uhniuh v u Stink nten.
die aniiehuieu. der Bier'komme nt und Pauk kommt nt iml was damit
zusammenhangt. sei der Inbegriff der stu.lt nt. seht n P’lubtleh'e.
Ein weitsichtiger lind im modernen 1 eben shiumkr giluldeter
Mensch - - mul das sollten w ii Aerzte do v h sein’ vvud muht m
diesen Fehler v et laden. Ich selbst will es muht tun und darum vvili
ich bei meinen Ausfuhrmrigen immer das grosse Zu! vor Augin lubum:
A Ile Etiketten- und St a n d e s i r a g e n f u r weit u n -
w i c h t i g e r zu halt e n. als die grosse ethische, sitt¬
lich e u ii il moralis c Ii e F o r d e r u n g. vv eiche die B : 1 -
d ti n g a n uns als M e u s c h e n sf e ! I t. B i iu ri v\ ir im.s »-
holleren Aufgabe bewusst, dann \v erden wu de k'en'itui Ira.eii
der Fltiketfe und der Standeser fo'j der nisse .null \«m höhere*« < ie-
sichts[umkte aus und mit modernen, gross/.- „ui \ugitf u.
„Wer den Hauptwert auf 1 f:kt ttetiB a gen kgt. be ;*ft t Ver¬
fehlungen gegen die Sia ndesinlu Ilten zwar sehr snog. ist .der not
dem Tadel bei ernsten Verletzungen der mbsj.oi P‘ ! s- ' r spu r -
sam.“ I' rot / d v m sind <1 i e I r a g e n 4r r Etikette T« r
e inen St a n d d u r c Ii a ns n i c Ii t u n w i c 1; t i g u u ,! ins.
b e s n n d e r e b e d u r f e n die i u n g e n. in e i n e n > ! a u d n e u
eint r e t e n d m M i t g i i e d e r e um F n b r e r s. u m, sie!’ in
d ui St a n d e s e r f o r d e r n i s s e n / u r e c t z u t i n d t *i 1 1 - s
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1791
um so mehr, als gerade Etikette und Standesfragen immer wechseln
werden, während die grosse Frage der Ethik seit Bestehen einer
Kultur in allen gebildeten Menschenherzen die gleiche Beantwortung
gefunden hat und stets finden' wird.
Etikette- und Standesfragen wechseln. Denn sie sind vielfach
eine gesellschaftliche Forderung, eine Forderung der äusse¬
ren Manieren, des äusseren Auftretens. Und jeder Gebildete wird
seine Bildung schon durch sein Auftreten und Benehmen dokumen¬
tieren. Man unterschätze die Form nicht! Die Form ist nicht die
Hauptsache im Leben. Wohl gibt es Menschen, die nur Manier und
Form haben und innerlich ungebildet und roh sind. Aber niemals
gibt es einen wahrhaft innerlich Gebildeten, in dessen Auftreten,
dessen Benehmen seinen Mitmenschen gegenüber, sich nicht diese
innere Bildung erweisen würde. Selbstredend bezeichne ich mit
„gebildet“ nicht den Menschen, der viel gelernt und viel studiert
hat: Ein Analphabet kann gebildeter sein als ein Professor der Philo¬
sophie. Er wird es in seinen Handlungen dokumentieren. —
Die Umwälzungen der Zeit sind meist äusserliche. Gerade die
letzten Jahre und Jahrzehnte haben ausserordentliche Umwälzungen
im inneren Staatsleben herbeigeführt, die auch eine Revision der dem
ärztlichen Stande eigentümlichen Beziehungen zur Gesellschaft er¬
fordern.
Von diesen Beziehungen desärztlichen Standes
zur Gesellschaft, zur Oeffentlichkeit will ich im
einzelnen sprechen. Ich will nur Richtpunkte aufstellen, wie
es die Pflicht des Referenten ist, die einer möglichst ausgedehnten
Diskussion Spielraum gewähren sollen. Aus dieser Diskussion heraus
sollen sich dann gewisse Normen als Gesichtspunkte für die ärztliche
Etikette der nächsten Zeit ergeben. Sie sollen aber keinen Anspruch
erheben, dauernde Gültigkeit zu haben: Nichts ist ständig, als
der Wechsel. Wie auch könnte ich mich unterfangen, in diesem
fliessenden Stadium feste Normen aufstellen zu wollen? Sie würden
hinweggespült wie Eisschollen im Frühlingsstrom.
Vor 33 Jahren, am 14. März 1875, hat der ärztliche Bezirks¬
verein München schon einmal den Versuch „eines ärztlichen Gesetz¬
buches“ beraten. Der Titel des kleinen sehr interessanten Heft¬
chens lautet: „Arzt und Publikum. Eine Darlegung der beiderseitigen
und gegenseitigen Pflichten.“ Es enthält: 1. Pflichten der
Aerzte gegen ihre Patienten. Dieser Abschnitt betrifft
die Art der Behandlung, Häufigkeit der Besuche, die Art der
Prognosenstellung und stellt, analog den Vorschriften des Hippokrates,
die sicherlich bei dem Büchlein Pate gestanden haben, als „heilige
Pflicht für den Arzt auf, sorgfältig auf sich selbst zu achten und
alles zu vermeiden, was den Kranken entmutigen oder sein Gemüt
niederdrücken könnte.“ Dieser Teil enthält 7 Paragraphen.
2. Pflichten der Patienten gegen ihre Aerzte.
Es wird hier u. a. von den Patienten gefordert, dass sie sich nur
wissenschaftlich gebildeten, approbierten Aerzten anvertrauen sollen,
dann solchen Aerzten, deren Leben regelmäsig ist, die sich nicht den
Gesellschaften, dem Vergnügen oder irgend einer Beschäftigung hin-
geben, die mit ihren Standespflichten nicht vereinbar sind. Der
letzte der 10 Paragraphen dieser Abteilung fordert von den Patienten,
dass sie nach ihrer Genesung dem Arzte eine gerechte Anerkennung
des Wertes der ihnen geleisteten Dienste bewahren.
3. Pflichten der Aerzte gegen einander und
gegen den ärztlichen Stand im allgemeinen. Dieser
Teil enthält 7 Abschnitte: a) Pflichten zur Aufrechterhaltung der
Würde des ärztlichen Standes, b) Dienstleistungen der Aerzte unter¬
einander, c) Pflichten der Aerzte in Bezug auf Aushilfleistungen,
d) Pflichten in Bezug auf Konsilien (dieser Abschnitt enthält nicht
weniger als 10 Paragraphen!), e) Pflichten im geselligen Berufs¬
verkehr mit Patienten eines anderen Arztes, f) Differenzen zwischen
Aerzten, g) Von den Honoraren. *
Der 4. Teil gibt die Pflichten der Aerzte gegen das
Gemeinwesen und umgekehrt.
Die ganze Broschüre ist ausserordentlich lesenswert, wenn sie
auch Standes- mit Berufspflichten identifiziert, die jedoch
durchaus, trotz vieler Berührungspunkte, von einander zu trennen
sind.
Es ist sehr bezeichnend, dass noch in diesem verhältnismässig
jungen Büchlein die Pflichten der Aerzte in Bezug auf Konsilien, über¬
haupt auf Dienstleistungen untereinander und Etikettefragen unter¬
einander einen unverhältnismässig grossen Raum einnehmen. Aus
dem ganzen Kodex geht hervor, dass die Aerzte kein gemeinsames
organisatorisches Band verknüpfte, sondern, dass der einzelne mehr
durch Imponderabilien mit dem anderen und mit dem Stande verkettet
war. Der Eindruck einer gewissen Biedermeierzeit bleibt aus der
Lektüre zurück. Man fühlt, dass sich die einzelnen Aerzte meist
persönlich kannten, in der kleineren Stadt eine gewisse Kontrolle
über einander hatten: man fühlt die Enge der Stadt, die Enge der
Zeit und die Enge der Anschauungen. Auf alle Fälle hatten es die
Kollegen in jener Zeit leichter, durch ungeschriebene und unsichtbare
Bande für die Ehre und das Ansehen des Standes zu sorgen, wie heute.
Die Zeit ist anders geworden. Die Städte sind ins ungeheuere
gewachsen. Die persönliche Kontrolle, sogar die persönliche Bekannt¬
schaft der ihre gemeinsamen Interessen pflegenden Menschen ist un¬
möglich geworden. Und da hat die neue Zeit neue Forderungen ge¬
stellt. Es mussten grosszügige Verbände, mächtige Organisationen
geschmiedet und stark geleitet werden, um den ganzen Stand zu
festigen. Auch blieben diese Organisationen nicht auf die Städte und
Ortschaften beschränkt, sondern sie umspannen und umspinnen das
ganze Land. An die Stelle der einzelnen Person tritt die Organisation
des ganzen Standes mit berufenen starken Führern. Das ist zuerst
dort geschehen, wo die grösste Not herrschte: bei den Arbeitern.
Aber auch der sesshafteste und konservativste Stand, der Bauern¬
stand, musste diesem Zuge der Zeit folgen. Und er tat es in seinen
agrarischen Verbänden. Auch die dazwischenliegenden Berufsstände
folgten dieser Notwendigkeit. Selbst der Beamtenstand kann sich der
Notwendigkeit der Organisation nicht entziehen. So beginnt selbst
der Richterstand diesem Zug der Zeit zu folgen. Der Stand, der
nicht mittut, geht als solcher zu gründe. Wir Aerzte haben uns lange
gegenüber dieser neuen Zeit gesträubt. Die Not hat auch uns zu-
zur Organisation zusammengeschweisst, in der der einzelne stets die
Forderungen des gesamten Standes mitvertreten muss.
Dadurch aber sind auch neue Regeln für den Stand und für
den einzelnen Arzt innerhalb des Standes aufgestellt.
Wir haben gesehen, dass die innerliche Bildung die beste Richt¬
schnur für das ethische Verhalten des Arztes bildet. Diese wird als
Takt und Geschmack den Menschen meist angeboren sein. Aber
es gibt doch Disziplinen, die diese innerliche Bildung vertiefen können.
Und so darf die Frage erörtert werden, ob nicht wieder höhere
Anforderungen an die Ausbildung der Aerzte nach der Richtung der
philosophischen Seite gestellt werden sollten. Diese Ausbildung
w r ürde in gewissem Sinne ein Gegengewicht gegenüber einer anderen
zu fordernden Ausbildung abgeben: Die Belehrung über wirt¬
schaftliche und ökonomische Fragen.
Die ärztliche Wissenschaft ist ja glücklicherweise den Händen
der einseitigen Philosophie entronnen. Sie ist eine Naturwissenschaft
geworden. Welch grundverschiedene Ausbildung des heutigen Arztes
gegenüber den Galen und Hippokrates studierenden ärztlichen
Vorfahren! Nun aber, meine ich, wäre es als Kompensation für die
rein naturwissenschaftliche Ausbildung des ärztlichen Gehirnes von
Vorteil, auch die philosophischen Disziplinen ein wenig zu betreiben.
Und wenn, was sicherlich kommen wird. Lehrstühle errichtet werden,
die den jungen Arzt in allen Fragen des ärztlichen Standes, der
sozialärztlichen Tätigkeit, der Anforderungen des Staates und der
Gemeinschaft an den Arzt unterrichten, so wird dabei nicht vergessen
werden dürfen, gerade in diesen sozialärztlichen Kursen die ethischen
Begriffe des gebildeten Menschen vorzutragen. Dies erachte ich für
eines der grössten Hilfsmittel, um die Bildung der Aerzte zu ver¬
vollkommnen und eine Basis zu legen, von der aus der Arzt von
selbst den Weg findet zur Lösung der Etikette- und Standesfragen.
Denn immer und ewig wird eine freiwillige Be¬
tätigung nutzbringender sein als jeder Zwang. Eine
erzwungene Bildung und Ethik ist eine contradictio in adjecto!
Vorläufig sind diese Forderungen noch nicht erfüllt. Im Gegen¬
teil hat man die medizinische Vorbildung den rein humanistischen
Einflüssen entzogen und auch den Realschulen gestattet. Das wird
sich in kommenden Zeiten rächen, wenn nicht die Universität diese
Mängel auf dem von mir angedeuteten Weg ausgleichen wird.
Die gegenwärtige Generation der Aerzte lebt in einer Ueber-
gangszeit. Ihre ärztlichen Etikettenfragen und Standesfragen muss
sie und jeder einzelne Arzt aus seinem Gefühle heraus erledigen. Alte
Regeln sind geschwunden, andere nicht mehr ausführbar. Die Kassen¬
gesetzgebung, die Scheidung der Aerzte in Privat- und Kassenärzte,
in Vertrauensärzte und wieder in staatlich angestellte Aerzte. auch
Militärärzte, dann die fortschreitende Gliederung in praktische und
Spezialärzte, alles Produkte einer neuen Zeit, dazu die innigere Be¬
rührung der populärer gewordenen Wissenschaft mit dem Publikum,
haben ganz neue Forderungen für einzelne ärztlich-ethische Fragen
stellen lassen, als sie bisher — geschrieben und ungeschrieben —
gültig waren. Diese neuen Forderungen sind noch diskutabel. Ge¬
wisse Forderungen von früher werden sofort von vornherein negiert
werden müssen, neue, früher undiskutable. Forderungen werden er¬
füllt werden müssen.
So kommt es auch, dass die Gegensätze innerhalb der ärzt¬
lichen Kreise noch so stark aneinanderprallen. Die alte und die
neue Zeit stossen aufeinander. Diese Zusammenstössc sind übrigens
durchaus nicht unerwünscht, sondern sogar sehr zu begrüssen. Nur
müssen sie sich in sachlichen Grenzen halten!
Das ist ja die erste ethische Forderung überhaupt: Sachlich¬
keit in allen Diskussionen. Die Persönlichkeit eines jeden
Menschen muss respektiert werden! Das schützt auch vor einer
Yerallgeineinerung. Es wäre ein Jammer, wenn die starken Persön¬
lichkeiten durch Angriffe auf ihre Eigenheiten von der Mitwirkung
an den grossen Fragen der Gesamtheit abgeschreckt w'ürden. Darin
liegt ja auch die grosse Gefahr der modernen Organisationen schon
an sich, dass diese an Stelle der einzelnen Persönlichkeiten eine
Gruppe von Menschen setzen. Die Psychologie der einzelnen Per¬
sönlichkeit wird zu einer Psychologie einer Gruppe von Persönlich¬
keiten. Innerhalb dieser Gruppen mag iede einzelne Person ihre
Ansichten und Anschauungen und Eigentümlichkeiten möglichst zur
Geltung bringen. Dann wird das Extrakt, die Emanation dieser
Gruppe von Persönlichkeiten, zur Wirkung und Geltung nach aussen
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1792
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
kommen. Die Organisation selbst wirkt als Persönlichkeit. Wird der
Kampf innerhalb der Organisationen sachlich geführt, dann wird auch
verhindert, dass kräftige Persönlichkeiten Unfreude an der Organi¬
sation haben und als Cigenbrüdler dieselbe gar bekämpfen. Ander¬
seits ist es durchaus zu verstehen, warum aus den Kreisen älterer
Standesgenossen nur zögernd die Mitarbeit an den organisatorischen
Zielen sich betätigt: Es wird von diesen ein grosses Opfer gefordert.
Es ist wohl eines der schwierigsten Opfer an Selbstverleugnung, wenn
man gewohnt ist, nur sich selbst zu fragen und nur seinen eigenen
Weg zu gehen, sich in seinen alten 'lagen unterordnen zu sollen.
Das sind ja auch im Staatslebcn die grossen Konflikte, die zu revo¬
lutionären Kämpfen führen, wenn das Volk von den Mächtigen for¬
dert, Rücksicht zu nehmen auf die grosse Organisation der übrigen
Menschen im Staate und den Eigenwillen und die Eigcnmaclit in
ihrer Unumschränktheit aufzugeben.
Wer von den älteren Aerzten grossziigig genug ist, wessen Cie-
hirn noch anpassungsfähig ist, der wird die moderne unaufhaltsame
Bewegung mitmachen und sich damit viele innere und äussere
Kämpfe ersparen. Selbstredend werden diese Aerzte. die noch ihre
alten Anschauungen von Ethik und Etikette haben, in der Neuschaffung
einer ärztlichen Ethik eine ausserordentlich verdienstvolle Rolle zu
spielen berufen sein. Sie werden die stürmische .lugend verhindern,
zu sprunghaft vorzugehen. Sie werden die Revolution zu einer
Evolution gestalten. Sie sind daher in erster Linie zu Rate zu
ziehen und ihre wohlerworbenen Rechte sind zu respektieren, so
lange man ihren Willen sieht, mitzuarbeiten. Wenn die Aerzte über
die Uebergangszeit, die für uns Lebende ausserordentlich interessant
ist, hinübergekommen sein werden, dann wird auch die Einigkeit
der Aerzte wieder eine grössere sein . . . wenn nicht bis dahin
eine allzustiirmische Zeit schon wieder neue Eorderungen aufgestellt
und neue Umwälzungen in unseren Anschauungen gezeitigt hat. Eines
wird immer bestehen bleiben: zwei verschiedene Weltanschauungen,
die ich vielleicht als aristokratische und demokratische trennen darf.
Keinem tiefer sehenden Menschen wird es entgangen sein, dass inner¬
halb jedes Standes diese Gegensätze zu beobachten sind und daraus
entspringt eine grosse Reihe von Kämpfen, selbst innerhalb einer
Interessengemeinschaft.
Das moderne ärztliche Leben steht im viel innigeren Kontakt
mit der übrigen Welt wie früher. Die Abgeschlossenheit der Aerzte
gegenüber der Oeffentlichkeit ist gewichen. Wie ich schon früher
einmal ausgeführt habe 3 ), hat cs uns die fortschreitende medizinische
Wissenschaft, weil sie besseres und wertvolleres aufzuw eisen hat
wie früher, leicht gemacht, dem Publikum Einblick zu geben in die
Medizin. Zum anderen sind es die vielfachen sozialärztlichen Eragen,
an denen wir uns beteiligen, dann der ganze Zug der Zeit, die
Wissenschaften zu popularisieren, die uns aus unserer Abgeschlossen¬
heit herausgezogen und mitten ins Volksleben geführt haben. Laue
frühere ethische Forderung, oder besser gesagt Etiketteiorderung.
war diesem Verhalten völlig entgegengesetzt: Bescheidene Zurück¬
haltung dem Publikum gegenüber; sich suchen lassen: Würde be¬
weisen oder wenigstens, wenn man sie nicht besitzt, Vortäuschen: So
sollte das Verhalten des Arztes sein. Was mit profanen Dingen
zu tun hatte, Geldangelegenheiten und dergleichen, durften nicht be¬
rührt werden. Selbst im Aeusseren, in der Kleidung, den Be¬
wegungen. bestand eine Tradition. W ir haben ja gesehen, dass noch
vor 30 Jahren Regeln dafür gedruckt werden konnten. Diese Be¬
ziehungen zur Oeffentlichkeit sind es vor allem, die einer durch¬
gehenden Aenderung unterworfen wurden und noch unterliegen. Es
handelt sich im Gegenteil heute mehr wie je darum, dass der Mensch
zusehe, wie er sich eine Stellung schaffe und sie behaupte. Niemals
sind im Leben die Ellbogen und ihr Gebrauch notw endiger gewesen,
wie in der jetzigen Zeit. Sie auf anständige Weise zu gebrauchen,
ist Pflicht des Gebildeten. Und dafür haben sich die Normen
weiter entwickelt.
(Schluss folgt.)
Referate und Bacheranzeigen.
Alexander Bittor!: Die Pathologie der Nebennieren und
der Morbus Addisonii. Klinische und anatomische Unter¬
suchungen. Gustav Fischer, Jena 190H. 1(>6 Seiten.
Preis 4 M.
Der Verf. nennt seine treffliche Monographie einen Ver¬
such einer Klinik der Nebnnierenkrankhcitcn. In der Ein¬
leitung bespricht er die Anatomie, Entwicklungsgeschichte und
die Physiologie der Nebennieren, sowie die Ergebnisse der
experimentellen Untersuchungen über die Nebennierenfunktion.
Aus diesem Abschnitte ist von den eigenen Erfahrungen des
Autors vielleicht hervorzuheben, dass er den Wägungen der
Nebennieren geringen Wert beimisst, dass er sieh von dem
Vorhandensein von Lücken in den Markvenen nicht hat über¬
zeugen können, und dass er bei der Besprechung der Blutver-
3 ) Münch, med. W'Ochcnschr, 1907, S. 991.
sorgung der Nebennieren besonders hervorhebt. wie fast alles
in dieses Organ eintretende Blut sowohl Mark wie Rinde durch¬
spült. Die Chrombchandluug der Nebennieren sei zur Beur¬
teilung der Markverhältnisse nicht notwendig.
Mit v. Strümpell unterscheidet B. eine primäre (iso¬
lierte) und eine sekundäre Erkrankung der Nebennieren. \on
der ersteren Krankheitsform teilt der Verb 3 eigene Fälle mit;
bemerkenswerterweise waren zwei von diesen Fällen von
Morbus Addisonii durch Nebennierenatrophic um Status
lymphaticus vergesellschaftet. Die Atrophie ist entweder ein¬
fach oder sic ist eine zirrhotische Atrophie,, welch letztere in 2
j von 3 Fällen mehr d is Mark betraf. Die Bezeichnung der
| Hämochromatose zur Nebennierenatrophic wird nach Meinung
| des Ref. fälschlicherw eise im Sinne einer primären Atrophie
I gedeutet.
Von sekundärem Morbus Addisonii bringt der Verl. 9
eigene Fälle. Bezüglich der Pathogenese wendet er sich gegen
die Anschauung von \\ i e s e I, nach welcher die Addison-
schc Krankheit von der Zerstörung des Markes, he/w. des
ehromafiinen Systems abhängig ist. B i t t n r i nimmt zw ar als
Ursache des
Morbus Addisonii
eine
alleinige Storung
der
Funktion der
Nebennieren an.
aber
ohne Beteiligung
des
Sympathikus.
wobei er sich
auf J
ie Unversehrtheit
des
] Sympathikus beim primären Addison stutzt. Er leugnet auJi
| die Möglichkeit der Krankheit bei gesunden Ne-nennieren. \mi
den mitgeteilten Fällen sind auch besonders diejenigen interes¬
sant, in denen Personen von Addison scher Krankheit be¬
fallen wurden, die schon seit früher Jugend auf einfache
physiologische Reize mit übermässig starken Pigmentierungen
antworteten . Was den klinischen \ erlauf der Lalle betrifft, sn
unterscheidet B. nicht verschiedene Stadien. s< r.dern \er-
schiedcnc Typen desselben: 1. eine einfach progrediente Form.
2 . eine chronisch-periodische, remittierende und 3. e.ne inter¬
mittierende Form. Die Symptome und die du'ferentialdi t-
gnoslisehen Merkmale gegenüber anderen, ähnlichen Affek¬
tionen und zwischen den beiden Haaptfornieii der Krankhut
werden besprochen und bewertet. liier sind besonders
wiederum diejenigen Falle von Interesse, die der perniziösen
Anämie so ähnlich sind. Dankenswert ist auch die Zusammen¬
stellung der nicht hinreichend bekannten \ erhaltnisse des Blut¬
druckes und des Blutbildes bei Morbus Addisoni. Gerade m
Hinsicht auf alle weniger bekannten Be /lehmigen dieses Krank-
luitsbildes ist es nach der Meinung des Ref. zu bedauern. wenn
in dieser Monographie sich kein Sachregister findet; s< Ehe
sorgfältigen Gesamtdarstellungen eines Gebietes irgendwelcher
Art wie die vorliegende sollten ein Register nicht vermissen
lassen, weil mancher Kliniker und Pathologe dankbar wäre,
wenn er sich im Anschluss an irgend eu e Beobachtung rasch
orientieren konnte: so z. B. wenn ihm die Frage aufstosst:
wie verhält sich die Thymus beim Addison, was ist über das
Pankreas bei Addison bekannt?
Den letzten Abschnitt der Schrift bildet die Besprechung
der Nebennierem eräuderungeii bei Intoxikationen und bei Er¬
krankungen anderer Organe. Die \\ i e s e I sJien Befunde
von Markhypertrophie hei Blutdrucksteigeruüg durch chro¬
nische Nephritis und Herzfehler konnte B. nicht bestätigen.
Die „Bildungszellen“ W iesels halt er für I.ymphozx teil.
Robert R o s s 1 e - München.
R. v. Jak sch und H. Rothky-Prag: Die Pneumonie
im Röntgenbilde. l<). Erganzungsbaud vom Archiv und Atlas
der normalen und pathologischen Anatomie in txpisJicn
Röntgenbildern. 1 lerausgegeheu von Prof. Pr. A Ibers-
S c h o n b e r g. Verlag von Lukas (i r a f e 6; Sil! e m.
Hamburg, Eäin. Preis 11 M.
Die Verfasser weisen in einer kurzen \ <«rbenurkuug zu¬
nächst auf die zunehmende Erkenntnis der Wichtigkeit der
diagnostischen Verwertung der Ror.tgenstrabkn in der internen
Medizin hin, betonen aber anderseits d.e spärlichen Angaben
in der Literatur hinsichtlich einer fortJaiicrüden, mntgeuo-
graphischen Darstellung der einzelnen Phasen des Nulauies
einer inneren Erkrankung, inshesouders der Lungen. S.e
haben sich deshalb der hegriisscuw erteil Aufgabe unterzogen,
im vorliegenden Bande die patholog t sJie n \ eraiide rungeii de r
kruppösen Pneumonie von lag zu lag an B.ide fest/nhafleui.
Nach einigen technischen Beim: k:un s en über d.e vorge-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1793
nommenen Untersuchungen folgt eine Reihe von 15 Kranken¬
geschichten in der Form, dass nach kurzer Erwähnung von
Anamnese und Zugangsbefund für jeden Tag der physikalische
Befund und eine Erörterung des demselben entsprechenden
Röntgenogramms gegenübergestellt sind. Auf 10 Tafeln und
ebensovielen Skizzenblättern finden sich 59 Röntgenbilder
(Lichtdruckbilder) mit der gleichen Zahl von Skizzenzeich¬
nungen (für den physikalischen Befund) in übersichtlicher
Weise zusammengestellt.
Eine Erörterung der einzelnen Röntgenogramme kann nicht
im Rahmen vorliegenden Referates liegen. Zur Darstellung soll
durch dieselben gebracht werden einerseits die rasch fort¬
schreitende Infiltration der befallenen Lungenpartien, ander¬
seits die in verschiedener Weise bald zentral von einem kleinen
Herde sich ausbreitende, bald überall gleichmässig einsetzende,
diffuse Lösung des pneumonischen Infiltrates, sowie die Dif¬
ferenzierung der pneumonischen Schattenbildung von der¬
jenigen der Tuberkulose und Atelektase. Als wertvolles Er¬
gebnis ist auch hier zu betonen, wie die Erkenntnis von Art und
Umfang der pathologischen Verhältnisse durch das Röntgeno¬
gramm der physikalischen Feststellung weit vorauseilt bezw.
durch dieses nur allein ermöglicht wird, besonders bei den
Fällen mit zentralem Sitz der Pneumonie. In technischer Hin¬
sicht muss allerdings erwähnt werden, dass eine grössere Zahl
der vorliegenden; Bilder der unerlässlichen Forderung an ein
gutes Röntgenogramm — genügende Erkennbarkeit der
Lungenstruktur, Schärfe der Herz- und Zwerchfellkonturen,
übersichtliche Darstellung der Hilusbeschaffenheit und damit
die Möglichkeit, die Pathologie des Falles aus dem Bilde ganz
allein ablesen zu können — nicht voll gerecht wird, wenn auch
zu berücksichtigen ist, dass jedes Röntgenogramm durch die
Reproduktion an sich in Schärfe und Ausdruck aller feineren
Veränderungen beeinträchtigt wird. Dr. E. M ü 11 e r.
Dr. Paul J o I r e, Professor am psychologischen Institut zu
Paris, Präsident der Societe universelle d’etudes psychiques:
Handbuch des Hypnotismus. Seine Anwendung in Medizin,
Erziehung und Psychologie. Autorisierte deutsche Ueber-
setzung von Dr. med. O. v. Boltenstern in Berlin. I. und
II. Auflage. 482 S. Text und 44 Demonstrationsabbildungen.
Berlin, L. Marcus, 1908. Preis 8 M.
J o i r e beschreibt die Phänomene des Hypnotismus im
wesentlichen nach der veralteten C h a r c o t sehen Auffassung
und berichtet viel von- seinen Heilerfolgen. Er fügt aber zu
des Meisters drei Stadien noch ein viertes hinzu, den „medianen
Zustand“, von dem er ein aktives und ein passives Stadium
unterscheidet. In diesen Zuständen werden „geistige“ Sug¬
gestionen gegeben und angenommen, d. h. Suggestionen ohne
sinnliche Uebertragung eines Gedankens. Die Erscheinung
schreibt Verf. einer bestimmten Nervenkraft zu, die auch in
die Ferne wirken kann und die er mit einem Sthenometer ob¬
jektiv nachweist. So lange er seine telepathischen Ueber-
tragungen nicht vor unanfechtbaren Beobachtern ausführt und
sein Sthenometer nicht einmal beschreibt, kann Referent ihn
nicht ernst nehmen. Bleuler- Burghölzli.
Widmark: Mitteilungen aus der Augenklinik des
Carolin! sehen Medico-chirurgischen Institutes zu Stock¬
holm. Jena 1908. G. Fischer.
Das 9. Heft bringt wieder sehr interessante Beiträge:
1. Gertz beschreibt einen Apparat, den er Parallax-
optokrit nennt und vermittelst dessen er die im vorausge¬
gangenen Hefte angeregte Refraktionsbestimmung
mittelst der Reflexe der A u g e n s p i e g e 11 i n s e
für die Praxis verwertbar zu machen beabsichtigt.
2. und 3. L i n d a h I erhält als hautsächliches Resultat
seiner ausgedehnten Untersuchungen über die bakterien¬
tötende Wirkung der Tränen und die Einwirkung
der Tränenflüssigkeit beim Menschen auf Bakterien, dass die
bakterientötenden Bestandteile der Tränenflüssigkeit enzym¬
artiger Natur sind und mit den bakterientötenden Stoffen im
Blutserum übereinstimmen und hält das Vorkommen von
Agglutininen in der menschlichen Tränenflüssigkeit für un¬
zweifelhaft. Ob die Tränendrüsen oder die Bindehaut die bak¬
terientötenden Substanzen bilden, lässt Verf. unentschieden.
4. Widmark berichtet über einen Fall mehrmals rezidi¬
vierender bezw. sich verschlimmernder doppelseitiger Netz-
h a u t a b 1 ö s u n g, die nach Beseitigung der durch Erkrankung
der Nasennebenhöhlen verursachten retrobulbären Entzündung
vollständig heilte, und hält Leber gegenüber daran fest, dass
es sich um eine wirkliche Netzhautablösung und nicht um eine
diese vortäuschende Einbiegung der Bulbuskapsel gehandelt
habe.
5. Von demselben Autor werden drei Fälle toxischer
Amblyopie mit ungewöhnlicher Aetiologie mitgeteilt.
Diese charakterisierten sich genau wie die in Folge Missbrauchs
von Tabak und Alkohol durch Verfall der zentralen Sehschärfe
mit zentralem (Farben-) Skotom bei freier Gesichtsfeldperi¬
pherie und Abblassung der temporalen Papillenhälfte. Miss¬
brauch von Alkohol oder Tabak, auch Syphilis konnte be¬
stimmt ausgeschlossen werden, dagegen Hess sich mit Sicher¬
heit feststellen, dass in den beiden ersten Fällen übermässiger
Ka f f e e g e n u s s, im dritten Falle Arsenikintoxika¬
tion die Ursache war. Alle 3 Fälle betrafen Frauen.
6. Fosmark neigt zu der Ansicht, dass ein doppel¬
seitig symmetrisch auftretendes epibulbäres
Leukosarkom, das er genau beschreibt, als Gumma auf¬
zufassen sei. Dagegen spreche allerdings, dass die antiluctische
Behandlung erfolglos war, allein erfahrungsgemäss erwiesen
sich spätluetische Affektionen refraktär gegen die spezifische
Behandlung.
7. Widmark: Ueber die Behandlung sym¬
pathischer Entzündungen mit Natron sali-
c y I i c u m. Nachdem W. mit Hinwfcisung auf die von L i n -
dahl in No. 6 dieser Mitteilungen veröffentlichten Fälle fünf
neue, die mit dem Mittel behandelt wurden, berichtet hat,
lässt er sämtliche in seiner Augenklinik mit Natr. salicyl. be¬
handelten Erkrankungen Revue passieren und kommt zu dem
Schlüsse, dass diese Behandlung als ausserordentlich günstig
zu betrachten sei. Die angeführten graphischen Darstellungen
der Erblindungen nach sympathischer Entzündung lassen diese
schlimme Folge von Verletzungen in Schweden als eine be¬
sonders häufige erscheinen.
8. Einen ungewöhnlichen ophthalmoskopischen Befund: •
eine kropfförmige Bildung vom medialen Rande der Sehnerven¬
papille und ein Lymphoangiofibrosarkom der Orbita, subkon-
junktival zutage tretend, werden zum Schluss als interessante
kasuistische Beiträge von G. L a m m mitgeteilt. S e g g e I.
Leo Burger stein -Wien: Zur Schulbankfrage.
Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1908. 86 S.
Diese als Sonderabdruck aus dem internationalen Archiv
für Schulhygiene, Bd. V erschienene Arbeit des hervorragenden
Schulhygienikers und als Mitverfasser des besten Handbuches
der Schulhygiene (Burgerstein und N e t o 1 i t z k y) rühm-
lichst bekannten Autors bedarf einer Vorbemerkung zu ihrer
Entstehungsgeschichte. In ebenfalls im genannten Archiv
(Bd. III) erschienenen und als Sonderbroschüre verbreiteten
Arbeiten hatte Architekt A. v. Domitrovich, ein begei¬
sterter Anhänger der Rettigbank, sich u. a. scharf gegen das
von B. verfasste Schulbankkapitel in B. und N.s Handbuch
gewendet; dabei hatte er durch willkürliche Zitierungen mit
Auslassungen, Anführung von lückenhaften, verstümmelten
Sätzen, eigenmächtige Hervorhebung einzelner Worte und
Stellen usw. die Anschauungen B.s teils verkehrt wiederge¬
geben, teils persönliche Angriffe unerhörter Art durchblicken
lassen: wie z. B. die Andeutung: die von B. einem anderen
Schulbanksysteme (der einstellbaren Bank z. B. von Schenk)
erwiesene günstigere Beurteilung könne geschehen sein, um
Propaganda für einen Industriellen zu machen u. a. derart.
Mag einer in der vielumstrittenen Schulbankfrage denken, wie
er wolle, mag er sachlich ganz anderer Meinung als B u r g er¬
st e i n sein, jeder wird es begreiflich und richtig finden, dass
B. einer solchen Art von Kritik entgegentritt. Ist daher B.s
Schrift eine Streitschrift, welche Seite für Seite an A. v. D.s
Arbeit anknüpft, so geht sie doch über den Rahmen einer
reinen Streitschrift hinaus und kann allgemeines Interesse be¬
anspruchen. Dieselbe umfassende Beherrschung des Stoffes,
reiche praktische Erfahrung, staunenswerte Kenntnis der Welt¬
literatur und der Schuleinrichtungen aller zivilisierten Länder,
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1794
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. M.
welche B.s Schulbankkapitel im Handbuch -- wie alle seine
Arbeiten — wiederspie^eln, sie leuchten auch aus dieser Bro¬
schüre heraus und machen dieselbe zu einem durch neue Tat¬
sachen, Erfahrungen. Literaturstudien gezierten, lesenswerten
Abriss der Schulbankfrage, welcher alle wichtigen (iesichts-
punkte bespricht.
Einzelheiten aus der Arbeit zu geben erscheint nicht ange¬
bracht. Man muss sie im Original lesen. Wer das tut, w ird
- selbst wenn er mit dem Verf. sachlich nicht in allem ein¬
verstanden ist, die Schrift nicht aus der Hand legen, ohne etwas
Neues gelernt zu haben. Auch nicht ohne mit B u r g e r s t e i n
einig zu sein in der Abwehr solcher Art literarischer Kritik
und Publizistik, wie sie v. Domitro vielt beliebt hat.
A. Frankenburger- Nürnberg.
Diätetische Kochkunst. Unter Mitwirkung der bedeutend¬
sten Fachmänner der internationalen Kochkunst herausgegeben
von Dr. nicd. Wilhelm Sternberg, Spezialarzt fiir Zucker¬
und Verdauungskrankc in Berlin. Mit 2] Abbildungen und
in Tafeln im Text. Verlag von Ferd. E n k e in Stuttgart, 19t>s.
Preis M. 2.20.
Kann der Dichter mit dem König gehen, so kann ebenso
leicht der Arzt mit dem Koch gehen. Nach dieser nur im ersten
Augenblick etwas überraschenden Tatsache hat der Yeri. der
vorliegenden diätetischen Kochkunst, welche zunächst in Form
von 106 Kochrezepten nur die mit Hilfe von (ielatiue herzu¬
stellenden Speisen behandelt, sich mit einer Reihe grosser
Kochkünstler aller Länder in Verbindung gesetzt. Der Autor,
nach den philologischen und ethvmologischen Exkursionen
seines Buches ein offenbar sehr vielseitiger und den Dingen
auf den Grund geltender Mann, wünscht eine systematische
Pflege der ärztlich zu verwendenden Kochkunst und tritt fiir
die Errichtung eines Lehrstuhles für Kochkunst lebhaft ein.
Er beklagt den Mangel in der Ausbildung des praktischen
Arztes, welche darin gelegen ist, dass er in der Krankenküche
nicht unterwiesen wird. Dies ist ja richtig, aber gar vieles
muss eben der freiwilligen Weiterbildung nach dem Universi¬
tätsstudium überlassen werden. Ein scharfes Urteil fällt Verf.
über die Krankenküche in den Krankenhäusern, von welcher
er sagt, dass die Verhältnisse der Küche und Kochkunst selbst
in den modernsten Krankenhäusern tatsächlich geradezu jeder
Beschreibung spotten. Wenn das auch übertrieben ist, so ist
doch auch manches richtige dabei. Die Einleitung zu den Re¬
zepten, welche mir von sachverständiger Seite als ausführlich
und verständlich bezeichnet w erden, enthält überhaupt manche
beherzigenswerte Sätze über Heilkunst und Kochkunst, Heil¬
mittel und Gifte, Apotheke und Küche.
Dr. Grassm a n n - München.
R. Neuhaus: Lehrbuch der Projektion. Mit 71 Ab- i
Nldunger 1 . 2. Auflage. Halle a. S. 1908. Verlag von Wilhelm j
Knapp. Preis 4M.
Das Lehrbuch gibt einen IJeberblick über alles das weseiit- J
liehe, was bisher über die Projektionskimst veröffentlicht i
wurde, bringt vor allem eine kritische Uebersicht über die ;
brauchbarsten Apparate und Methoden und ist somit ein recht
angenehmer Führer für die, die projizieren oder projizieren
wollen. O.
Neueste Jounuüliteratiir.
Zentralblatt fiir Innere Medizin. 1908. No. .L\
J. Grober: Adrenalinerkrankung der Kaninchenleber. (Med.
Klinik in Jena.)
An drei Lebern aus einer Serie von 21 Kanin».heu. die zu anderen
Zwecken mit intravenösen Adrcrtalimuk-ktio.ien behandelt worden
w aren (täglich 0,1 mg 2 4 Wochen lang), fanden sieh e igenar tige
Veränderungen: Stauung in den l.äpnehenkapillai en und portalen (ie-
fässen, um letztere wenig Rimd/eileniiir'ii-tration mit geringer Nei¬
gung zu Bindegewebsvermehrung; unter der Oberfläche, deren Kapse!
etwas verdickt ist, Blutextravasate. Keine XcIMcgenei etion. Pie
Grgane zeigten eine weissliehe Lleckung, kleinliöckerige (tbertläche.
derbe Konsistenz. Von einer Leberzirrhose liess der Befund nichts
erkennen. Ob es sich dabei um Zclklegeue rationell. Kapill irwarul-
veränderungen oder um Thromben mit Irifarktbilehmgrn handelt. Pt
11 och nicht entschieden. Als Schädigung der Leber durch Adrenalin
hat der Befund Interesse. \\ . Zinn- Berlin.
Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie.
Bd. XII, Heft 4.
K o 1 i s c h-\\ ieii-Karlsbad: Grundzüge der diätetischen Behand¬
lung des schweren Diabetes.
Piesg in den drei letzten Metten der Xeitsdir. f. pli\sik. 11 diat.
Therapie erschienene landete Abh mdlnng enthalt matulie interessante
Gesichtspunkte und erscheint mir einer eingehenderen Besprechung
würdig.
Pie zahlreichen Misse i f< dee in der I hcrnpic des Piabetes sin!
wohl darin zu suchen, dass der mensddidie Piabetes keineswegs
eine pathologische Liriheit und sicher mdit den k rank heitst\pus ein-, t
aussehhessliclien Lrkrankung des Pankreas dar ■sieht. An dem K- -hie -
liv dratstofiw eclisel sind vielmehr I hvr eoide.t. Nebennieren, Pankreas.
Parin. Muskel und Leber beteiligt; all diese Organe stellen unter
Kontr olle des Ner\ ctts\ stems. Is ist daher be greithch, dass bisher
noch keine ätiologische, d. h. keine Oi g.mthe r apie gtiut'den worden
ist. und die wcscntlieke Arbeit des Vrztes bei der Behandlung eles
Piabetes in der Regulierung eier Piat besteht.
Per erste Teil dieser Arbeit ste llt eine st.hr klare Zus.mmvn-
stellung des iet/igen Mundes der ’lheoric des Piabetes elar und kann
hier nicht in Kurze w ledet gege hen werden.
Betrehs der diätetischen Behandlung des schweren Piabetes sa„t
Verf. iolgeiules:
I. (,) n a n t i t a t i v e I n el i k a t i o n. | »re iiuauntatiN e 1 ms v b.: an-
kling der Nutzung ist \icl wichtiger als ehe' Ber ik V su hti^llfig de.'
(Jnahtat. Pa bei ist zu hemeiken. d iss d-, r sjiwere Piabetes /ti eurer
1'iiistelliing ile s Organismus aut ein nie dt tgt i e s Na’nr im c sbedar t:i:s
fuhrt; es ist el.mn ein Se Ihstsdmtz eit s c *r;-ui\M.mrs zu er luw Ken und
nicht zu vergessen, elass eine zu reiddid'c Nah? un.gszufiilir ihn 4a Mi
\ ei I lindert. Ls gelingt nullt allein, eien Piabetder \or l e ho-
ernahrung zu Schutzen. \ich:iehr muss u de indiN nJuaasicreiule Be-
hanillung vor allem das Naht ring sbevi irluis eles betre"enden krausen
festzuste lle n siuheii: dieses Mruinmiu an Vdüimg. mit wehlum elcr
Kranke noch sein Auskommen firulet, st.il u.s inundiaa' a er eiuanti-
tativen Vor sehr Uten ehe neu. Am / w eckntassigstem ist herbei ehe
vegetabilische 1 Hat, bei w e klier man. t-..;/ sdm geringer K.ii"run-
weite. niemals Gewichtsabnahme sh ht. W idiPg ist es. ledwed-.
Körperbewegung auszusdi alten und den kranken absolute Bettruhe zu
veronlneti.
? O ii a n t i t ä t u n el O u a I i t a t e! e r L i w e i s s / u f u ! r. 1 »ic
Se h.iell ichkeit elcr reiehhdun t iw eiss/uiuhr lut eien PiaKtiker ist
ietzt allgemein anerkannt. I ntspr e c heiul der Peiztl.e«-r m «ko lisch»
bewirkt eler vermehrte I intritt \on l iweiss ui den >1-w e drse'i eme
erholite Abspaltung \on Ziuker aus de tu Pr "(onhisma. I »a'H bt n b ; .
de t sich Zucker .ms den Aminos.iiu en de s /er ladende n 1 iw ciss-m.ic-
knls Und ela »llU v ll Wird Miller st« df absorbiert. eler für den nbe"'-
sdiussigen Zikker nicht tm.hr elrspombd ist. p.ts Minimum des li-
w eissums.»t/es eles Organismus bei geeigneter kra’t/uturr betrugt
0.01 N pfo Kilogramm. Als /Weltes wichtiges Prn./.p eler Piabetes-
belian f%.rig muss man also die Reduktion eler 1 iw eiss/uiul:r .irwiit n.
Pas Piiauzcficiu e iss wirel im .e'gemeiueu \ "in 1 habe Lkwr l\sse -
vertragen als das tierische 1 uw e iss.
T Kohle h v d r a t z u f u h r u n d K < • h 1 e h \ d r a t k u r e u.
Pie sog. Toleranzgr osse für k ohk h vdrate ist rudit so sedir \ "ti ek
Menge und Art der zuge führte n kohle In el-ate abl.m.- lg a ! s \ :e!me"'
von der Zus.immeiisetzur'g ele r Nahrimg, die ausser eb ri K« h.'e h\ cm-
teil -gereicht \\ n d. speziell Von den . e :di'e i'lig zngetuhrteil 1 w e "•
körpern. \bs.>!ute 1 uthaltiiug \ <-n k > <hle In dr ateii ist fur d.e n P a-
betiker fa'sch. \ n Inn dir ist une k. st zu Waiden, w ekhe die r \-
in.de Kohle In «Ir atzufuhr (bei de id Id übender (i!\kosune) ge s* ,•*.<. t.
imlem mau ein- notw einlige u k-di.ebvdrate für I iweiss subst » •.'t.
Von eien k"hle In elrate u snul am geeignetstem ehe k./t'^’eln. Me
Setzung \on Liweiss eJTnoglid't >n isjvriiMg eie r k • •’>’eI in d» at/u:.
Steigerung eler n erw ertbaren Kdldeln eirate ermog'kht weifgehe’ Ic
lv eelnktioii eh - 1 l n« eiss/ufuhr .
Voll den Zuckersum.gaten sind bh-ss Sacharin. K r n stall? ,s e. Pal-
cin zu empfehlen.
Pie Brotsurrogate ( Vleurotiatbrot, Kleberbrot, G!u»eubr<>t »isw f
siiul ganz brauchbar, koimeii ieeh.c»! ebirdi iL’en ln iun 1 iweiss-^’ü.t't
schaelen. ln den meiste n l abert kann man n t ge w .dm idie m B ■ :
auskoninmn.
4. \' e g e t a b i | i s c h e Piat nt i-t d:e .l.iiu : *:de Lrn.d-ru" *
eler schwerem lalle' Non Piabetes /\\ eumie bv. iuv.se ist e n vor¬
trefflichen I e ttN e'lllkd. Audi fur eicll ( ie sim ’!e 11 ist de- N . g t t U • ! : I sd‘i'
kost dic'enige. welche bet Mkuldgster k ah-'' e •v.ih' d-, n Minden m;
( ik'iehgew idit und a r beit sf., 1 -ig edaheii ka”n Pe a’ka nd e Re¬
aktion eler vegetabilischen Ihat bietet ferner «ndö za i: M U T sg’
Aorteile. Auch ist eler W asse-rrt-u. I’^in n ! de g 1 i'nt:ge WirktP’g
auf elie ^tuhli e gliher uug v**n \\ :d! doit.
In den meisten Lallen wir«! es s;di e •: de' \ ’e 1 Tbe rgaug
direkt zur vegetabilnd’e u k< sr e *■ zdg-n. I'ev.-.l./s Lei L. ko
starker Azielosjs. welche \ • > r !; e' uao. r Ce» er a":" a’s v *; v r l * stan¬
den. Im allgemeinen geidd die n ec* 'iSche K- st n t e i"e r t.ig-
liclien Zufuhr von pmii kd. --rie n and: e'e - Arnp- nbr. - ,ss
w eg ii ng.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1795
5. Die diabetische Azidosis und deren Bekämp¬
fung. Zunächst ist empfehlenswert die Einführung einer Pflanzen¬
kost, ferner die Darreichung von nicht allzu grossen Dosen von
Natr. bicarb. Die Darreichung von grösseren Alkoholmengen emp¬
fiehlt Verf. nicht. Es muss alles vermieden werden, was die Niere
schädigen könnte.
Carl Rosenthal: Zur Physiologie der Massage.
Oute Resultate gibt die Behandlung der abnormen Fettleibigkeit
durch Massage des Bauches, der sich in vielen Fällen zweckmässig
eine allgemeine Körpermassage und eine solche des Halses anschliesst.
Um den Kranken an die Manipulation zu gewöhnen, beginnt man mit
sanft rotierenden Streichungen, von der Symphyse beginnend, über
den ganzen Bauch, denen dann kräftigere Knetungen der Bauchdecken
folgen. Erst wenn man die Spannung überwunden hat, beginnt man
mit der sog. tiefen Petrissage des Darmes, sich hierbei dem Verlaufe
des Dickdarmes anschliessend. Zum Schluss macht man Klopfungen
und Erschütterungen der Bauchdecken und der darunterliegenden
Darmschlingen. Dann folgt die systematische Massage des ganzen
Körpers; die ganze Prozedur soll nicht mehr als Vs —1 Stunde dauern.
Neben der Massage sind heilgymnastische Uebungen und natürlich
eine vernünftige Diät zu verordnen.
Alfred Fuerstenberg: Eine einfache Modifikation des Lon-
gettenverbandes.
Weiche Leinwandstreifen werden rollbindenartig um die zu
kühlenden Teile gewickelt, wie dies Winternitz angegeben hat.
Dann stellt man einen mit Wasser gefüllten Eimer, in den noch ein
paar Stücke Eis getan w r erden, auf einen Tisch oder Stuhl, etwas
erhöht neben das Bett des Kranken hin. Durch einen, durch eine
Klemme teilweise geschlossenen Schlauch lässt man das im Eimer
befindliche Wasser auf die umwickelten Teile tropfen.
Besonders angenehm für den Kranken ist diese Therapie beim
akuten Gelenkrheumatismus.
I d e: Ueber die Wirkung der Seeluft auf die Erkrankungen der
Luftwege.
Affektionen der Luftwege sind an der See überhaupt relativ
selten; Katarrh der Luftwege und manche andere Erkrankungen
derselben finden dort sehr günstige Heilungsbedingungen; endlich
findet die Disposition zu diesen Leiden dort eine wesentliche
Besserung. Schrumpf - Strassburg.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 93. Band. 6. Heft.
Juli 1908.
31) Leiser I g e 1 s t e i n - Königsberg: Ueber die Pseudofrakturen
der Sesambeine des ersten Metatarsophalangealgelenkes.
Der beim Schlittschuhlaufen ausgeglittene Patient empfand
Schmerzen in der Gegend des lateralen Sesambeins des Grosszehen-
gelenks des rechten Fusses. Das Röntgenbild zeigte horizontale
Zweiteilung dieses Sesambeins an beiden Füssen.
In den in der Literatur als Fraktur des Sesambeins beschrie¬
benen Fällen lag auch wohl eine physiologische Zweiteilung vor.
Das Leiden ist aufzufassen als Neuralgie der Nervenüstchen
für die grosse Zehe.
Therapie: Einlage, Massage, thermale Behandlung.
32) Friedrich K e m p f - Braunschweig: Ueber den Mechanismus
der Darmberstung unter der Wirkung der Bauchpresse.
Physikalische Betrachtung über das Zustandekommen der Ber-
stungsruptur des Darmes im Anschluss an einen operierten Fall.
K. kommt zu folgenden Schlüssen:
„1. Eine Darmberstung kann eintreten, wenn der auf einer ab¬
geschlossenen, mit Gas gefüllten Schlinge lastende Aussendruck nach
vorheriger starker Erhöhung plötzlich erniedrigt wird. — Ursache
der Darmberstung ist die plötzliche Aufhebung des Widerstandes
gegen das Expansionsbestreben der verdichteten Darmgase.
2. Eine Darmberstung ist anderseits möglich durch Steigerung
des Aussendrucks, wenn ein mit Kot oder Gas gefüllter abge¬
schlossener Darmteil an einer Stelle seiner Wandung unter ge¬
ringerem Aussendruck steht als im übrigen Bereich der Wand.
Ursache der Darmberstung ist die gleichmässige Ausbreitung
des gesteigerten Innendrucks nach sämtlichen Punkten der Darm¬
wand bei Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit einer umschriebenen
Stelle der Wandung.“
Die Voraussetzungen des letzten Satzes lassen sich anwenden
auf K.s Fall (enger, zwerchsackförmiger, inguinaler Bruchsack).
33) Oskar W y s s - Zürich: Zur Entstehung primärer Karzinome.
W. fand bei der Untersuchung von Röntgenkarzinomen und
anderen Karzinomen Veränderungen der subkutanen Gefässe, die
imstande sind, die Epithelzellen von der Blutzufuhr auszuschliessen.
Infolge des Abschlusses muss die Epithelzelle sich auf andere
Weise ernähren, sie wird sich schliesslich nicht nur auf die sie um¬
gebende Flüssigkeit beschränken, sondern auch Bindegewebs- und
andere Zellen zerstören und so zu dem parasitären Wachstum ge¬
langen, das der Karzinomzelle eigen ist.
34) E. Payr: Greifswald: Zur Erinnerung an Dr. Aldo Mar¬
tina.
Warmer Nachruf für Payrs langjährigen Mitarbeiter und
Oberarzt, der am 25. April dieses Jahres nach zweitägigem Kranken¬
lager an Sepsis im Alter von 31 Jahren starb.
Flörcken - Wiirzburg.
Zentralblatt für Chirurgie. 1908 No. 29—31.
No. 29. Hilmar Teske: Beitrag zur Aetiologie des ange¬
borenen Schulterblatthochstandes.
T. beschreibt einen Fall bei 3 jälir. Mädchen, bei dem neben
Schiefhals, Gesichtsskoliose und Schulterblatthochstand rechts rönt¬
genographisch beiderseitige 7. Halsrippe, sowie Deformitäten an den
5 obersten Rippen (gabelförmige Teilung der 5.) und keilförmiges
Wirbelrudiment zwischen 8. und 9. Brustwirbel nachgewiesen wurden.
T. unterscheidet angebornen Schulterblatthochstand durch Störungen
■der Entwicklungsmechanik (Hemmungsbildungen) und solchen, der
als angebliche Missbildung aufzufassen ist. wie sein Fall und der
Cohns etc.
C. Bayer — Ein osteoplastischer Chopart — schildert eine Mo¬
difikation der Chopart sehen Enukleation, die er bei 32 jähr. Mann
mit ausgedehnter Caries tarso-metatarsea und fungöser Weichteil¬
erkrankung (zahlreichen Fisteln am Dorsum und Planta podis) aus¬
zuführen Gelegenheit hatte und bei der er durch eine ovaläre Schnitt¬
führung die Gegend des 5. Metatarsus erhielt, den 5. Metatarsus
schräg durchtrennte, so dass die ganze Tuberositas im Zusammen¬
hang mit dem Lappen blieb und nach Abtragung der Gelenkknorpel
von Talus und Kalkaneus nach oben geschlagen der Sägefläche sich
gut anlegte. Dadurch wurde eine sonst hohle Stelle im Lappen gut
ausgefüllt, event. späterer F.xostosenbildung vorgebeugt und durch
Erhaltung des Peroneus brevis dessen halbe Funktion als Strecker er¬
halten. Durch Annähen der Tibialis anticus-Sehne event. der Extcn-
sorenstiimpfe an dem oberen Rand des Knochendeckels lässt sich die
Neigung des Chopartstumpfes zur Valgusstellung bekämpfen.
No. 30. Hans K o 1 a c z e k: Ueber Antlfermentbehandlung
eitriger Prozesse ohne Inzision.
K. glaubt trotz des günstigen Eindruckes, den er mit Müller
von der Antifermentbehandlung gewonnen, dass durch Versuche am
Hunde nicht über die Wirksamkeit dieser Behandlung entschieden
werden kann (wegen der geringen Disposition der Hunde für Infek¬
tionen und eitrige Prozesse und der enormen ..Heilhaut“ derselben,
sowie wegen der geringen protolytischcn Kraft des Hundeeiters im
Vergleich zum menschlichen).
Leop. Renner: Zur Behandlung von Verbrennungen.
R. empfiehlt ein aus 1 Teil Bismuth. subnitr. auf 2 Teile Kaolin
bestehendes Streupulver, das gegenüber den Wismuthbinden den Vor¬
teil grosser Billigkeit und stärkerer Desinfektionskraft und Sekret¬
verminderung hat, dasselbe wird nach gründlicher Reinigung dick
aufgetragen, darüber einfache Lage steriler Gaze und starke Zell¬
stoffschicht appliziert resp. mit Binden fixiert. Die Heilung verläuft
mit geringerem Schmerz und Fieber und gibt bessere Narben.
No. 31. P. Sick: Zur Behandlung septischer und pyämischer
Allgemeininfektlon.
L. ist der Ansicht, dass sich die Antifermentbehandlung wie die
Bi ersehe Stauung nur für leichtere, zur Abszessbildung neigende
Fälle eignet, dagegen hat ihm in schweren Fällen das Jodipin (von
25 proz. Lösung anfangs 10 ccm Kur nach 10—24 Stunden je 5 ccm)
subkutan an Brust oder Oberschenkel injiziert, günstige Erfolge
gegeben. Wenn er dasselbe auch nicht als Spezifikum ansieht, will
er doch zu weiteren Versuchen auffordern und glaubt, dass sich die
casus infausti damit noch verringern lassen.
de Witt S t e 11 e n - New York: 7ur Frage der sog. „Made¬
lung sehen Deformität 4 * des Handgelenks mit besonderer Rücksicht
auf eine umgekehrte Form derselben.
St. berichtet einen Fall bei 12 jähr. Mädchen, bei dem die Ulna
mit Konvexität nach hinten gebogen, die untere Radiusgelenkfläche
nach hinten und zur Ulna gedreht stund und Luxat. posterior des
Ulnaendes, Subluxation der Hand nach hinten bestand und verweist
auf einen ähnlichen Fall von Ki rmisson: er sieht diese Fälle als
eine besondere Form gegenüber der gewöhnlichen Madel ung-
schen Deformität (mit nach vorn und ulnarwärts gedrehter Radius¬
gelenkfläche, Lux. der Ulna nach hinten und Subluxat. ant. der Hand)
an und verweist auf spätere genauere Mitteilung.
Monatsschrlft'ftir Geburtshilfe und Gynäkologie. Bd.XXVlI.
Heft 6.
1) S e 11 h e i m - Tübingen: Die Erklärung der Dysmenorrhöe
durch Bauchfellzerrung.
Der durch die menstruellen Zusammenziehungen ausgelöstc
Schmerz ist durch Bauclifellzerrung zu erklären. Die Mechanik der
Zerrung leuchtet ein. wenn direkte oder indirekte Adhäsionen zwi¬
schen Uterus und Parietalserosa vorhanden sind. Ebenso ist eine
Vermittlung der normalen Verbindungen des Uterus mit dem Bauch¬
fell möglich, weil alle Enden der Ligamente durch Fasern im wand¬
ständigen Bauchfell verankert sind. Häufig findet man bei Dys¬
menorrhöe abnorm gespannte empfindliche Ligamenta sacro-uterina.
seltener die Ligam. infundibulo-pelvica verdickt. Dass auch hierbei
die Schmerzen unter der Regel durch Zerrungen am Peritoneum ent-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1796
MUÜNCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
stehen, beweist schon die Heilung nach ausgiebiger digitaler Dehnung.
Auch nach Schwangerschaft ist die Heilung der Dysmenorrhöe durch
Dehnung der Ligamente zu erklären. Die Behandlung der Dys¬
menorrhöe muss sich gegen die Bünderspannung richten. Dazu be¬
nützt S. einen Elektromagneten, der den Bauchdecken aufgesetzt
wird und in regulierbarem Tempo alle möglichen Eisenkerne in der
Vagina anzieht und loslässt. Die operative Behandlung bietet wenig
Aussicht auf Erfolg.
2) S t e r n - Heidelberg: Ueber Prolaps der Nachgeburt bei nor¬
malem Sitz.
Die Differentialdiagnose zwischen Vorfall einer normal sitzenden
Plazenta und Placenta praevia kann schwierig oder sogar unmöglich
sein. Verf. teilt einen Eall von Plazentarvorfall mit. Es handelte sich
um Hydramnios und Ouerlage. Sprengen der Eruchtblase, Eingehen
der Hand zwecks Wendung. Rascher Eruchtw asserabiluss; dabei
Prolaps der Plazenta. Viel Fruchtwasser, rascher Abfluss bei leerem
unteren Uterusabschnitt, dürften ätiologisch von Bedeutung sein.
3) R e d I i c h - Petersburg: Zur Lehre von den embryoldcn Ge¬
schwülsten des Eierstocks.
Aus dem rechten kleinen Becken eines 16 jährigen Mannes mit
normalem Penis, rechtsseitigem Hoden etc. wurde eine Geschwulst
entfernt, in der sich eine normale Tube, ein Uterushorn und das Ligam.
rotundum nachweisen liess. Der übrige Tumor enthielt Abkömmlinge
aller 3 Keimblätter. Kritische Besprechung dieser Gescliw ulstform.
4) L o o r i c h - Ofen-Pest: Beitrag zur Frage der primären Ab¬
dominalschwangerschaft.
Eine seinerzeit vom Verfasser demonstrierte Bauchhöhlen¬
schwangerschaft stand durch ein breites stieltormiges Gebilde mit der
linken Mesosalpinx im Zusammenhang. Die Tuben und Ovarien hat¬
ten auf beiden Seiten keine Beziehung zum Eruchtsack, so dass das
Ganze als primäre Abdominalschwangerschaft imponierte. Eine ge¬
naue Untersuchung des Sackes ergab, dass es sich um Gravidität
in einer akzessorischen Tube handelt, deren Muskulatur mächtig
hypertrophierte und so einen dickwandigen muskulösen Sack an
der Mesosalpinx bildete.
5) B r e n n e r - Heidelberg: Ein Fall von beginnendem Chorio-
epithelioma mallgnum mit frischer, kleiner Metastase In der Scheide.
(Schluss.)
Genaue makroskopische und mikroskopische Beschreibung eines
Falles, der in die Reihe der beginnenden Fälle vom typischen
malignen Choriocpitheliom gehört und ausging von zurückgebliebenen
Zotten einer wahrscheinlich partiell destruierenden Blasenmole. Ein
Chorioepithelioma benignum gibt es nicht. Der bösartige oder gut¬
artige Verlauf eines Falles ist bestimmt durch Momente, die teils im
Geschwulstgewebe selbst, teils im Mutterorganismus begründet liegen,
deren Erkennung und gegenseitige Abschätzung meist nicht möglich
ist. Bei der Steilung der Diagnose und Prognose spielen neben den
histologischen Ergebnissen die der klinischen Beobachtung eine be¬
deutende, wenn nicht ausschlaggebende Rolle. Bei der Operation
ist im allgemeinen der vaginale Weg zu bevorzugen.
Weinbrenn er - Magdeburg.
Zentralblatt für Gynäkologie, No. 32. u. 33 1908.
O. ß e u 11 n e r - Genf: Eine neue Methode der Exstirpation
doppelseitig erkrankter Adnexe.
Die von B. in 3 Fällen erprobte Methode besteht in einer trans¬
versalen F u n d a I e x z i s i o n des Uterus, wie sie
D ii h r s s e n gegen chronische Metritis empfohlen. B. w urde durch
Fa u res Operationsverfahren auf seine Methode gebracht, die be¬
zweckt, die erkrankten Adnexe von innen nach aussen exstirpieren
zu können. Seine Modifikation, deren Beschreibung im Original nach¬
zusehen ist, erhält die Möglichkeit der Mensti uation, was bei
F a u r e s Methode nicht der Fall ist.
A. S c h ö n b e c k - Brünn: Zwei Fälle von Inversio uteri puer-
peralis.
Beide Fälle entstanden traumatisch, das eine Mal durch Zug am
Nabelstrange bei adhürenter Plazenta seitens der Hebamme, das
andere Mal durch den Cr cd eschen Handgriff seitens des Arztes.
Reposition gelang in beiden Fällen leicht; Wochenbett ohne Sto¬
rungen.
Pa n k o w - Freiburg i. Br.: Was lehren uns die Nachbeobach¬
tungen von Reimplantation der Ovarien beim Menschen?
Sehr interessante Untersuchungen, die aber noch zu keinem ab¬
schliessenden Resultat geführt haben. P. berichtet über Nachbeobacli-
tungen an Patientinnen, an denen er früher die Reimplaiitatio.il. der
Ovarien ausführte. Indikationen bildeten Blutungen, D\ smenorrhoe
und Osteomalakie. Der letztgenannte Fall zeigte vorübergehende
Besserung, später aber wieder das alte Krankheitsbild, so dass Total-
exstirpation des Uterus nebst Adnexen erforderlich war. In den
meisten Fällen dauerten die Menses nach der Operation Jahre lang
noch fort. Die Dysmenorrhoe wurde nidit günstig beeinflusst, günsti¬
ger schon die Blutungen. P. schlägt vor, die Ovarien durch Rönt¬
genbestrahlung vor der Reimplantation so zu schädigen, dass zwar
die Menstruation aufgehoben, die Ausfallserscheinungen aber hintan¬
gehalten werden. Zwei in dieser Weise behandelte Fälle mit Blu¬
tungen sind vor kurzem erst operiert; das Resultat ist noch zwei¬
felhaft.
O. Jacgcr-Kicl: Drllllngsschwangerschaft mit besonderer
Berücksichtigung des Plazentarsitzes.
J. beobachtete eim-n Driilingspartus bei einer 31 jährigen
IV. Para, in deren Familie nichts von mehrfachen Schw angerschatten
bekannt war. Die Neugeborenen. I Knabe und 2 Mädchen, waren
völlig ausgetragen und lebensfähig. Es handelte sich lim dre.e .ge
Drillinge, da jeder Fisack ausser einem Arnimm Se n e,genes Clmn.ui
hatte; dabei war nur eine Plazenta vorhanden. che aus 2 Teilen be¬
stand.
H a m m erseht a g - Königsberg: Nochmals zur Anwendung der
Abortzange.
Erw iderung auf den Artikel von Th<»mä in No. 2<* des Zentral!’!,
f. Gynäkol. (cf. diese Wochenschr. No. 2s. p. E s "3.1
O. B e u 11 ii e r - Gent: Der nicht schwangere Uterus kann selbst
auf Reize hin, die Ihn nicht direkt zu treffen brauchen, sein Volumen
wesentlich verändern.
B. beobachtete wahrend einer Laparotomie an einer 2 ^ jahngcii
II. Para wegen doppelseitiger Adi exerkrankung. dass der l tcrus
vor der Operation klein und hart war. nach der Erofinuug des Bauchs
aber geschwellt, bläulich vertat bt erschien und erst ganz a..mahlu.»
wieder abschwoll.
Hierdurch ist für B. erwiesen, was J.c lebet sGu.it seines
Artikels besagt und was zur Entscheidung der sehe mbareit oder
Pscudoperforationen durch die Kiitetle von prm/.piellcr Bedeu¬
tung ist.
H. L u c h s i n g e r - Petersburg: Ein Fall von extraperitonealem
Kaiserschnitt nach S e 11 h e I m.
Bericht über einen für die Mutter günstig verlaufenen Fall. he.
dem L. den ,.S e 1 I Ii e i m“ wegen beginnender Infekt.op unJ Bcvkell¬
erige ausinhrte. Das Kind starb am 2. läge. Be. der Oper ata ■:) wurde
das Peritoneum verletzt und musste genaht werden. Die Mutter ge¬
nas völlig.
N a c k e - Berlin: Kritik der prämonitorischcn Symptome der
Thrombose und Embolie.
N. kommt zum Ergebnis, dass Ins jetzt U 'ch he.ne scheren p'.i-
momtorischen Sv u’pt<>mc für Thrombose und Imhole evv e^cn. De
dafür angegebenen M mpto'rrie. als Kopfsdmier/eil. >s ii .iMor ung.
Mattigkeit, aulgetriebener l.cb, Blutungen. Pu'sv er ardertin.gen etc.
halten der Kritik n.cht Stand. \ on 3" Wöchnerinnen, de solche
Symptome aufw :esen. erkrankten nur 2 an Thrombo-phlel .t;s po»t par¬
tum. Dagegen hatten die von N. beobachteten P-d ich verwenden
Embolien völlig normale Wochenbetten dm c fegcmadH. und der Tod
war plötzlich beim ersten Autstehvn eri< ;gt.
K. Frankenstcin - Köln: Chloroformnarkose mit überdeckter
Maske (Handtuchmethode).
Fr. empfiehlt, ein Handtuch über d e Ch'oroiornnr.ishe zu decken.
Hierdurch erziele mau I ortijll d«r l.xztatiou. Lhloroformcrspa: ms
mul prompten Eintritt der Narkose in amta.'en.d kurzer Zeit. Jede
Chloroiormubei dosierung soll dabei verm.eden weiden, so dass aucli
die Nach w u klingen der Narkose stark verringert ersehenen.
J a ITC- Hambnr g.
Archiv für KlnderbeDkunde. 48. Band. 3. u. 4. lieft.
1) Leopold M oll: Leber Fettvermehrung der Frauenmilch durch
Fettzufuhr, nebst einem Beitrag über die Bedeutung der quanti¬
tativen Fettunterschiede liir das Gedeihen des Brustkindes.
Durch Zufuhr von F»-tt in lörm von Speck konnte bei einer
mageren Amme mit einem durchschnittlich sehr geringen Fettgehalt
der Milch, ein grosserer Uloppeiter) bettieichtum der Modi erreicht
werden. Die durch die fettarme Nahrung bedingte Art der St uh 'c
vom (HiarakPr des d\speptisclcn Ntilnes wurde zum Mhwmden
und der des normalen Muhles naher gebracht. Das t ie deih.en des
Kindes wurde in günstigem Mime beem’iiisst. < >h die \ er mehr ijiig
des Eettgehaltes dem >peck als solchem zuziOch:eihen ist. d. h. a so,
ob Speck fett m die Milch über gegangen ist. oder oh die Fettver-
niehniiig Folge des durch die Spe. klatter ung bedingten besseren
Er nahriingsziistandes ist, konnte bei den meist Schwankenden JoJ-
zahjen mellt icstgestclit werden.
2) Hans R i s e I: Spasmophllle und Kalzium.
Nachprüfung der Hv potliese von S t •• e i t z n e r. nach welche'
der spasntopliilen I Mathe se eine K.ibntjtm er g.itupg zugrunde liegt.
22 Kindern mit Zeichen von >p.ismophide. vmi Ern.iiirungsstorungeii
mler von Rachitis wurde L.tkium aceticiim m 3 s pro/. Losung ge¬
geben uml die elektrische Et n gf .r kt t am N. Me.l.amis tagldi zu
gleicher Munde festge stellt. De l ntc s.:c?‘titvi :i e'g ü'cii keine Be¬
stätigung S t o e 1 t z n e r s. indem mJi zeute. dass die experimenteile'
Kalzmmzufuhr bei spasmophm. n Kmd.em. gemessen an vier K. U. Z.
und A. (). Z... nicht die gah amsc he I rivglaokeit vier pe'fcpbe'cn Nerven
steigert und ferner, dass nichts dabir spricht, dass das Kalzium auf
das Zustandekommen der Spasmopl, he am Ii nur anmirieriul einen
gleichen Einfluss ausubt wie die Kuhmilch Das he-Tu-düe te \b-
siuken der elektrischen Eircgbarkcit m vier H hm- vier f a e lasst sich
zwanglos erklären *ds w i m rw ir k ende r I i.itluss d-s Irmihrungs-
regimes. dessen Einsetzen sich sch-n voller im Niedrigervv erden
der Zuckungen äusseit.
3) I ranz Hammes: Zur Frage des Hautcmphv sems als In-
tubationstreuma.
Digitlzed by Gov igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1797
Beschreibung zweier Fälle, bei denen im Anschluss an die In¬
tubation ein Mediastinal- resp. Hautemphysem auftrat. Als Ursache
wurde, da eine schwerere Läsion der Kehlkopf- und Trachealschleim-
haut ausgeschlossen werden konnte, die Entstehung einer alveolaren
Ruptur angenommen, von wo aus sich das interstitielle Emphysem
ausbildete. Die Veranlassung zu solchen auch anderweitig beschrie¬
benen Alveolarrupturen bildet nach des Verf. Ansicht nicht der
meist durch Hustenstösse u. a. hervorgerufene exspiratorische Ueber-
druck in den Lungen, sondern Ueberdehnung der Wandungen bei
aus irgendwelchen Gründen forcierten Inspirationsbewegungen.
4) G. E. Wladimir off: Zur Frage vom Scharlachrheuma¬
tismus.
Auf Grund klinischer sowie zweier pathologisch-anatomischer
Beobachtungen gelangt Verf. zu der Annahme, dass unter der Be¬
nennung „Scharlachrheumatismus 4 zwei verschiedene Erkrankungen
gehen. Einmal eine Synovitis serosa (H e n o c h) mit Schmerz, An¬
schwellung und sogar Fluktuation in dem befallenen Gelenk; zum
andern eine Neuritis scarlatinosa ohne Anschwellung des Gelenkes,
wobei jedoch Oedem vorhanden sein kann; der im Gelenk am
intensivsten vorhandene Schmerz ist oft im Verlaufe der ganzen
Extremität fühlbar und ist, wie meist bei Neuritiden, sehr variabel.
Therapeutisch interessant war in einem Falle die günstige Beein¬
flussung der Schmerzen und der Temperatur durch Mosersches
Serum.
5) J. S. Arkawin: lieber das Bronchialasthma der Kinder.
10 Fälle eigener Beobachtung, die das typische Bild des ka¬
tarrhalischen Asthmas zeigen. Das jüngste Kind war 1 Jahr 5 Mo¬
nate alt.
6) Meinhard Pfaundler: Die Antikörperübertragung von
Mutter auf Kind.
Mitteilung einer einschlägigen Beobachtung von Uffen-
h e i m e r als Nachtrag zur gleichnamigen Arbeit Pf.s im 47. Band
dieses Archivs.
7) Leonhard Voigt: Bericht über die im Jahre 1907 er¬
schienenen Schriften über die Schutzpockenimpfung.
Hecker.
Soziale Medizin und Hygiene (vormals: Monatsschrift
für soziale Medizin). (Verlag von Leopold V o s s in Hamburg.)
III. Bd. 6. Heft. Juni 1908.
E. V. de Voss -Gross-Flottbeck: Londoner Hospitäler, ihre
Milchversorgung und das projektierte neue Milchgesetz in England.
Der Zentralausschuss der Londoner Hospitäler hat seinen Milch¬
lieferanten genaue Bestimmungen hinsichtlich der Gewinnung und
Beschaffenheit der Milch, des Milchtransportes, der gesundheitlichen
Kontrolle der Kühe und des sie versorgenden Personales auferlegt.
Eigene Inspektoren und die Kreisärzte sollen die Ausführung der
Vorschriften überwachen. Die hier getroffenen Massnahmen werden
für das neue Milchgesetz von Einfluss sein. Bis jetzt haben einzelne
Städte eine strenge Stall- und Milchkontrolle durch ihre Gesundheits¬
behörden eingeführt, auch hat das Landwirtschaftsministerium In¬
struktionen herausgegeben, die sich bereits in einigen Grossbetrieben
eingebürgert haben. Eine Regelung und Ueberwachung der gesamten
Milchversorgung Londons wird freilich grosse Schwierigkeiten zei¬
tigen bei einem jährlichen Milchkonsum von 200—240 Millionen Liter
= V» der gesamten im Reich verbrauchten Milch.
Eise n Stadt: Gewerkschaftsärzte. (Besprechung des Vor¬
schlages von A. Fischer - Karlsruhe.)
A. Fischer hat die Aufstellung von Gewerkschaftsärzten be¬
fürwortet, zur Wahrung der Rechte der Arbeiter im Rentenstreit¬
verfahren gegenüber den berufsgenossenschaftlichen Vertrauens¬
ärzten. E. glaubt, dass dem Wirkungskreis dieser Aerzte sich noch
weitere Perspektiven eröffnen würden durch Aufklärung und Be¬
lehrung der Gewerkschaftsmitglieder, durch Leitung ärztlicher Aus¬
kunftsstellen für die Fragen der Arbeiterversicherung, durch Beauf¬
sichtigung genossenschaftlich geleiteter Bade- und Speiseanstalten
und mancher noch im Schoss der Zukunft schlummernder Einrich¬
tungen. Dabei verhehlt er sich aber nicht, dass z. Z. die Schaffung
solcher Stellen durch die Schwierigkeit, die therapeutische Betätigung
auszuschliessen, für die Aerzteschaft eine Gefahr bedeuten würde.
(Ref. kann der Scharfen Kritik, die diese Vorschläge inzwischen durch
Haeseler in No. 31 dej Aerztlichen Mitteilungen gefunden haben,
nur beistimmen.)
Lauenstein -Hamburg: Sind sogenannte rheumatische Be¬
schwerden der Schultergelenke, die während der Hospitalbehandlung
wegen Unfallverletzungen anderer Körperteile entstanden sind, nach
dem Reichsunfallversicherungsgesetz zu entschädigen? Ein Beitrag
zu der Frage der Abgrenzung des Begriffes „Unfallfolgen“.
Bei einem 60 jährigen Mann, der wegen komplizierten Ober¬
schenkelbruches im Krankenhaus längere Zeit im Streckverband lag,
traten im linken Schultergelenk rheumatische Beschwerden auf, die
später zu Muskelschwund und Bewegungsbehinderung führten. Da
man annehmen musste, dass sie bei Lüftung des Krankensaales durch
die Einwirkung von Zugluft auf die Schultern des ruhigliegenden Pa¬
tienten hervorgerufen worden seien, wurden sie schliesslich vom be¬
gutachtenden Arzt als indirekte Unfallfolgen bezeichnet.
O. W e 1 g e - Hamburg: Ueber Walderholungsstätten.
Schilderung der Bestimmung und des Betriebes der Walder¬
holungsstätten.
III. Band, 7. Heft, Juli 1908.
Brummund -Stade: Ueber häusliche Krankenpflege auf dem
Lande, speziell im Regierungsbezirk Stade.
Die Ausbreitung der ländlichen Krankenpflege und die Anstellung
von Pflegerinnen hat in dem hier betrachteten Bezirk in den letzten
Jahren wenig Fortschritte gemacht. Um hier Wandel zu schaffen ist
es notwendig, Pflegekrätte zu gewinnen, die selbst vom Lande stammen,
das Widerstreben der Bevölkerung durch Aufklärung zu besiegen und
schliesslich die Aerzte für die Organisation der ländlichen Kranken¬
pflege mehr zu interessieren. Solange freilich den Aerzten kein Einfluss
dabei eingeräumt wird, ist, wie Verf. zugibt, ihr Misstrauen gegen
die Schwestern, die sich nicht immer als Gehilfinnen des Arztes be¬
trachten, sondern zuweilen ihm entgegenarbeiten, nicht unberechtigt.
In dem angefügten Entwurf einer Dienstanweisung ist daher auch die
Aufsicht des Kreisarztes über die Schwester in beruflicher Beziehung
gefordert. (Die Vorgänge, die sich vor kurzem in Ostpreusscn zwi¬
schen Ae'rztekammer und Oberpräsident bei Behandlung der Schwe¬
sternfrage abgespielt haben (siehe Aerztl. Vereinsblatt 666, 67 u. 68]
lassen wenig Verständnis bei den preussischen Verwaltungsbehörden
diesem berechtigten Wunsch der Aerzte gegenüber erkennen. An¬
merkung des Ref.)
Fuld-Mainz: Die Regelung des privaten Versicherungsrechts.
Es ist wünschenswert, dass die Aerzte sich mit den neuen
gesetzlichen Bestimmungen vertraut machen u. a. auch wegen der
Stellungnahme des Gesetzgebers zur Selbstmordfrage bei der Lebens¬
versicherung
K1 o c k e - Bochum: Ueber Krankheitsgefahren der Glashütten¬
arbeiter.
Beschreibung der Glasfabrikation und der sich dabei ergeben¬
den gesundheitlichen Schädigungen, die durch Eindringen des Glas¬
staubes, Einatmen von Arsen-, Blei- und Fluorwasserstoffdämpfen
und durch das Arbeiten bei starker Hitze hervorgerufen werden
können. Trotzdem scheint nach den von den preussichen Gewerbe¬
aufsichtsbeamten im Jahre 1906 besonders angestellten Erhebungen
der Gesundheitszustand unter den Glashüttenarbeitern, soweit die
Erkrankungen auf die genannten beruflichen Schädigungen zurück¬
zuführen sind, kein auffallend ungünstiger und somit die bestehenden
Vorschriften für den Betrieb in Glashütten ausreichend zu sein. Nur
eine Verkürzung der Arbeitszeit, die bei einem grossen Teil der
Bläser neun Stunden und darüber beträgt, erachten einige Aufsichts¬
beamten für geboten. F. P e r u t z - München.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 32 u. 33. 1908.
No. 32. 1) M. Martens und W. S e i f f e r - Berlin: Zur Pa¬
thologie der Kleinhirngeschwülste.
Bei dem 13 jährigen Patienten zeigte sich nach einem Kopf¬
trauma Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Doppeltsehen, Ex¬
ophthalmus. Die übrigen klinischen Zeichen Hessen eine Neubildung
des Kleinhirns vermuten. Der Kranke starb nach dem 1. Akte der
geplanten Operation, die Sektion ergab multiple Ependymgliome im
gesamten Hirmventrikelsystem. Epikrise des Falles.
2) E. Niessl v. M a ye n d o r f - Leipzig: Ueber die Lokali¬
sation der motorischen Aphasie.
Die eigenen Untersuchungen des Verf. weisen daraufhin, dass die
B r o c a sehe Stelle dem motorischen Rindengebiet angehört. Sie
ist nicht der 3. Stirnwindung anzugliedern, sondern stellt den unter¬
sten Teil der vorderen Zentralwindung dar. Wenn P. Marie der
3. Stirnwindung einen Anteil an der motorischen Aphasie abspricht,
hat er daher vollkommen recht.
3) L. Blumreich: Zum suprasymphysären Kaiserschnitt.
Demonstration in der Berl. med. Gesellschaft, 1. VII. 08. Vergl.
Bericht der Münch, med. Wochenschr. darüber.
4) K. M e y e r - Berlin: Ist das Schütz sehe Gesetz der Pepsin¬
verdauung ungültig?
Verf. berichtet über eigene Versuche und gibt eine Kritik der
Gross sehen Versuchsanordnung. Hinsichtlich des Pepsins ergab
sich das Zutreffen des Schützschen Gesetzes; für das Trypsin
aber ist dasselbe nach den Ergebnissen des Verf. nicht gültig, wie
auch schon V o 1 h a r d und seine Schüler angegeben haben.
5) M. Adler- Karlsbad und R. Milchner- Berlin: Unter¬
suchungen des Kotfettes in einem Fall? von Pankreasdiabetes und
dessen Beeinflussung durch Pankreon.
Die Resultate bestätigen, dass Pankreaserkrankungen nicht not¬
wendig eine Steatorrhöe einschliessen. Das Pankreon übte bei
dem Falle keinen die Fettresorption begünstigenden Einfluss aus;
dagegen verschob sich das Spaltungsverhältnis durch Verminderung
der Neutralfette und Steigerung der Fettsäuren, während die Seifen¬
werte wenig verändert wurden.
6) Fr. H o e h n e - Frankfurt a. M.: Ueber die Verwendung von
Urin zur Wassermann sehen Syphilisreaktion.
Aus den Untersuchungen wird gefolgert, dass der Harn Syphi¬
litischer keine dem Serum dieser analoge Verhältnisse darbietet, so
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1798
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
dass er für die Anstellung der W a s s e r m a n n sehen Reaktion
nicht verwendet werden kann.
7) M. S t e r n - Berlin: Zur Technik der Serodiagnostik der
Syphilis.
Nicht zu kurzem Auszug des Wesentlichen geeignet.
8) B. C ha j es-Berlin-Schöncberg: (Jeher Mikrosporieerkran¬
kung der be'haarten Kopfhaut.
Zusammenstellung der Symptomatologie, der Diagnose und
Differentialdiagnose des Krankheitsbildes, sowie Angaben über das
Kulturverfahren der Erreger. Für die Beseitigung der Pilze hat sich
Röntgenbestrahlung bewährt, ferner Epilation, Applikation von Jod¬
tinktur, Chrysarobin. Die Uebertragbarkeit scheint bei unserer Epi¬
demie nicht so gross zu sein als andeiwärts; trotzdem ist eine
völlige Ausrottung sehr schwer.
9) G. G a 11 i - Rom: (Jeher eine eigenartige Dyspnoe gastrischen
Ursprungs.
Der 32 jährige Patient, dessen Herz und Lungen normal waren,
konnte nur zeitweise voll und tief inspirieren, meist bestand ein
Hindernis, das nach Einnahme einer Mahlzeit zu verschwinden schien.
Wahrscheinlich lag die Ursache hiefür in dem Vorhandensein einer
abnorm grossen Lirftmenge im Magen.
10) M. Bernhardt -Berlin: Weitere Mitteilungen über: „Die
Betriebsunfälle der Telephonistinnen* 4 .
Seinen früher (1906) veröffentlichten Beobachtungen über 60 er¬
krankte Telephonistinnen reiht B. 149 neue Fälle au. Erheblichere
Hörstörungen durch Stromeintritt mittels des Hörapparates kamen
nur selten v,or, einige Affektionen werden mitgeteilt. B. betont auch
diesmal, dass es tatsächlich nur selten zu einem nennenswerten
Stromeintritt bei derartigen „Unfällen“ kommt. Die sich entwickeln¬
den Störungen zeigen in der Hauptsache den Charakter einer
Neurose.
No. 33. 1)K-Steffenhage-ti-Berlin: Ueber die Beziehungen
der Bazillen der menschlichen Tuberkulose zu denen der Perlsucht
des Rindes. '
Auf Grund der Tuberkuloscai beiten aus dem Kaiserl. Gesund¬
heitsamte erörtert Verf. «die Wachstumseigentümlichkeiten und tier¬
pathogenen Eigenschaften beider Bazillenarten. Die 140 untersuch¬
ten Fälle zeigten, dass die menschliche Tuberkulose meist durch
den Typus humanus hervorgeruien wird, in einem kleineren Pro¬
zentsatz durch den Typus bovinus. letzteres fast nur bei Kindern.
Die Prophylaxe muss sich gegen beide Infektionsquellen wenden.
2) Ed. K 1 e b s - Berlin-Halensee: Ueber einige weitere Ergeb¬
nisse meiner Forschungen zur Geschichte und Behandlung der Tuber¬
kulose.
Der Verf. legt seine von der Lehre R. Virchows und
R. Kochs u. a. in wichtigen Punkten abweichenden Ansichten über
die Tuberkulose in einer Reihe von Schlussätzen dar, besonders auch
die Grundzüge seiner Behandlungsmethode mit Stoffen, welche aus
den Erregern der Kaltblütertuberkulose gewonnen sind. Letztere
Formen stellen nach Kl. die direkten Antagonisten der menschlichen
Tuberkulose dar.
3) V. Schmieden -Berlin: Ueber Ellbogenresektlonen mit
Erhaltung der Beweglichkeit.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berl. med. Gesellschaft vom 29. VII. 0.8.
4) C. Gantermann - Berlin: Zur Kasuistik der Abduzens¬
lähmung nach Lumbalanästhesie mit Tropakokain.
Mitteilung einer einschlägigen Beobachtung (35 jähriger Kranker,
Auftreten der Parese am 8. Tage, Heilung nach 6 Wochen). Verf.
erklärt das Ereignis als eine toxische Spätwirkung im Sinne einer
toxischen Kern- oder Nervenaftcktion.
5) V. Saxtorph S t e i n - Kopenhagen: Ueber Prothesenparaffin.
Da die für plastische Injektionen käuflichen Paraffine und -Ge¬
mische sehr häufig unrichtige Angaben über ihren Schmelzpunkt auf¬
weisen, hat Verf. mehrere Methoden zur Feststellung des letzteren
ausgearbeitet und teilt 5 derartige Proben mit, von denen die sog.
Scheibchenprobe die leichteste und genaueste ist. Ueber die Aus¬
führung derselben vergl. die Angaben des Originalartikels.
6) R. D o e r r und H. Raubits ehek - Wien: Toxin und ana-
phylaktlsierende Substanz des Aalserums.
Die aus den mitgeteilten Untersuchungen gewonnenen Schluss¬
sätze lauten: Giftige Sera, speziell das Aalserum, enthalten zweier¬
lei Antigene, Toxin und anaphylaktisierenden Körper. Zerstört man
das erstere durch Wärme oder Säure, so kann man mit dem ver¬
änderten ungiftigen Produkt nicht nur sensibilisieren, sondern auch
den Tod der anaphylaktischen Tiere hervorrufen. Die Immunkörper,
Antitoxin und anaphylaktischer Reaktionskörper, entstehen im
Serum unabhängig voneinander. Sind sie zugleich vorhanden, so
schützt ein solches Immunserum präventiv gegen tödliche Mengen,
ia Vielfaches des tödlichen Eiweisses, macht dagegen anaphylaktisch
gegen grössere Dosen derselben, künstlich ihrer Toxizität beraub¬
ten Ei weissart.
7) Togami (Japan) - Berlin: Zur Wirkung von Superoxyden
auf die Verdauungsorgane.
Die im einzelnen mitgeteilten Sekretions- und Fermentversuche
zeigen, dass Wasserstoffsuperoxyd, Magnesiumperoxyd und Natrium-
perkarbonat die Magensekretion befördern. Das Wasserstofisuper-
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oxyd in 1 proz. und 1 prom. Konzentration übt keinen Einfluss auf die
Wirkungen von Ptyalin, Pepsin, Trypsin und Pankreasdiastase aus.
8) E. f B a r t h - Berlin: Zur Aetlologie und Behandlung der
Sängerknötchen.
Die Lokalisation und histologische Struktur derselben weist auf
eine mechanische Ursache hin, die nach den Forschungen des Verf.
im Mechanismus der Kehldeckelbewegungen zu suchen ist. Bei fal¬
scher Technik der Stimmbildung, wo bei ansteigender Tonhöhe der
Schildknorpel, statt nach unten zu gehen, nach oben steigt, d. h.
dem Zungenbein genähert wird, übt der zu stark konvex werdende
Kehldeckel einen fortwährenden Reiz gerade aui jene Stelle der
Stimmbänder aus, wo dann die Knötchen sich ausbilden (cfr. Zeich¬
nungen im Original!). Die Therapie besteht demgemäss in der Er¬
lernung der richtigen Stimmtechnik.
8) ß i e s a 1 s k i - Berlin: Die Grundzüge moderner Krüppelfür¬
sorge.
Festrede. Dr. Grassmann -München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908. No. 33.
1) H. Fritsch- Bonn: Alte und neue Geburtshilfe.
ln Form eines klinischen Vortrages überblickt Verf. die auf chi¬
rurgischem Gebiet liegenden Hauptfortschritte der letzten 40 Jahre
und äussert sich zu den modernen Fragen. Bei Eklampsie sei das
Rationellste die sofortige Entleerung des Uterus (Dührssens va¬
ginaler Kaiserschnitt mit Bummscher Technik) und bei verzwei¬
felten Fällen die nachfolgende Decapsulatio renum (E d e b o h 1 s).
Diese Operationen, ebenso wie die segensreiche Hebosteotomie (nach
Bumm oder Döderlein; ev. S c h u ch a r d tsche Schnitte)
sollen möglichst nur in Krankenhäusern ausgeführt werden.
2) Klaus Schilling und v. H o e_ss 1 in-Berlin: Trypano¬
someninfektion und Komplementbindung.
Versuche mit der B o r d e t - G e n g o u sehen Methode ergaben
vorläufig keine glatten Resultate, welche eine praktische Verwert¬
barkeit bedeuten könnten. Als Antigene wurden verwendet alkoholi¬
sche Leberextrakte von normalen und trypanosomeninfizierten Ka¬
ninchen und Meerschweinchen, normalen und mit Babesia canis in¬
fizierten Hunden, von menschlicher zirrhotischer Luesleber und
luetischer Fötalleber. Die geprüften Sera entstammten trypanosomen-
iufizicrteii Rindern, Eseln, Ziegen, Hunden, Kaninchen, Meerschwein¬
chen und Ratten.
3) K. Pochhammer -Berlin: Experimentelle Berichtigungen
zur Pathogenese des lokalen Tetanus.
Replik auf die Ausstellungen, welche Z u p n i k in No. 26 an den
Ausführungen K.s (No. 16) gemacht hatte.
4) F. P i n k u s und L. Pick- Berlin: Zur Struktur und Genese
der symptomatischen Xanthome.
Vortrag im Verein für innere Medizin 1. VI. 08, rcf. Münch, med.
Wochenschrift, No. 23, S. 1262.
5) Zia Noury Pascha und H a i d a r B e y - Konstantinopel:
Ueber den Milzbrand der Tonsillen.
Mitteilung eines Falles von primärem Milzbrand der rechten
Tonsille mit folgender Allgemeininfektion. Eingangspforte war viel¬
leicht ein kleines Geschwür hinter dern vorderen Gaumenbogen. Cha¬
rakteristisch für die Milzbrandangina war: blasses Oederru in die
Umgebung fortschreitend, Mangel der entzündlichen Rötung, geringe
Temperatursteigerung.
6 ) Friedr. Schäfer-Berlin: Intermittierende Hydronephrose
mit plastischer Operation behandelt.
Fall von intermittierender Hydronephrose. Ein Schmerzanfall
mit profusen Nierenblutungen veranlasst Operation. Ureter sehr
schwierig aufzufinden, verlief ein Stück in der vorderen Wand des
hydronephrotischen Sackes, durch dessen Inhalt er komprimiert
wurde. Spaltung des Ureters, soweit er im Sack verlief, Vernähung
der Schleimhautränder mit den Schnitträndern «des Sackes, der rese¬
ziert wird. Fixation der abnorm beweglichen, hypertrophischen
Niere an der 12. Rippe. Heilung ohne Fistel.
7) Hans B a b - Charlottenburg: Konzeption, Menstruation und
Schwangerschaftsberechnung.
4 Fälle von Abortus, bei welchen alle nötigen Daten und Masse
Vorlagen, bestätigen die Sigismund-Löwenhardt sehe Regel,
dass das befruchtete Ei der ersten ausgebliebenen Periode angehört
und dass die Menstruation den Abort eines unbefruchtet gebliebenen
Eies anzcigt. Ovulation und die kurz darauf folgende Imprägnation
gehen dem Termin der ersten ausgebliebenen Regel wohl meist um
einige Tage vorauf, können jedoch auch damit zusammenfallen. Die
Spermatozoon können in den Tuben zwischen 2 Menstruationen be-
fruchtungsiäliig persistieren; ihr Vordringen im Uterus wird im allge¬
meinen nur in der postmcnstrucllen Zeit begünstigt.
R. Grashey - München.
Englische Literatur.
(Schluss.)
Christopher Martin: Die Gefahren und die Behandlung des
Uterusmyoms. (Lancct, 6. Juni 1908.)
Mehr als die Hälfte aller Myomkranken leiden an schweren Blu¬
tungen und chronischer Anämie, viele von ihnen bekommen Herz-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1799
leiden, Phlebitis, Thrombosen und Embolien. Andere Kranke leiden
an Zystitis, Pyelitis und Hydronephrosen infolge von Retention des
Urins. In einem Drittel aller Fälle kommt es zu Erkrankungen der
Eierstöcke und Tuben. In einem Fünftel der Fälle treten Degenera¬
tionen in dem Myom auf, die in 5 Proz. aller Fälle zur Nekrose des
Tumors führen; 4 Proz. gehen in Sarkom über, bei weiteren 4 Proz.
entwickelt sich später Krebs. Mehr als die Hälite der Kranken sind
steril, tritt aber Schwangerschaft ein, so wird dieselbe durch das
Myom oft sehr gefährdet. Die Naturheilung durch Ausstossung des
Tumors ist selten und gefährlich; Involution des Tumors zugleich mit
Involution des Uterus nach einer Entbindung ist ebenfalls selten; in
manchen Fällen wächst oder erweicht ein Myom sehr rasch im
Puerperium. Die Hoffnung auf Schrumpfung nach der Menopause
wird ebenfalls oft getäuscht, da gerade in diesen Fällen das Klimak¬
terium oft sehr lange hinausgeschoben ist. Auf Grund aller dieser
Erwägungen rät Verf. in jedem Fall zur Operation, ln dem eine
Kranke von ihrem Myom Beschwerden hat.
D. S e m p 1 e : Herstellung und Gebrauch eines Serums gegen
Rabies. (Ibid.)
Durch das Immunisieren von Pferden mit fixem Wutgift gelingt
es, ein Serum mit deutlichen rabiziden Eigenschaften herzustellen;
normales Pferdeserum hat diese Eigenschaften nicht. Die rabiziden
Eigenschaften kann man beweisen, w'enn man das Serum mit Wut¬
gift mischt und Kaninchen subdural mit dieser Mischung impft. Man
benutzt das Serum als Unterstützungsmittel der gewöhnlichen Schutz¬
impfungen bei schweren oder spät eingelieferten Fällen. Das Serum
von Menschen, die gegen Wut geimpft sind, enthält ebenfalls anti-
rabische Körper, was sich durch Kaninchenimpfungen mit Menschen¬
serum und Wutgift nachweisen lässt. Man kann die rabiziden Eigen¬
schaften des Serums eines behandelten Menschen benutzen, um fest¬
zustellen, wie weit die Behandlung Immunität herbeigeführt hat.
Längere Behandlung macht das Serum reicher an diesen anti-
rabischen Stoffen. Das Blut eines an Rabies leidenden Menschen
kann die Krankheit bei subduraler Verimpfung nicht auf Kaninchen
übertragen. Das Serum eines Hydrophobikers im frühesten Stadium
kann, wenn es mit fixem Virus in vitro gemischt wird, bei sub-
duraler Einspritzung in Kaninchen die Inkubationsperiode der Rabies
bedeutend verlängern.
Eugene S. Y o n g e: Die Behandlung schwerer Fälle von Heu-
Heber mit Resektion des Nervus nasalis. (Lancet, 13. Juli 1908.)
Verf. glaubt, dass bei Heufieber, Coryza paroxysmalis und ähn¬
lichen, wahrscheinlich auf vasomotorischen Störungen beruhenden
Erkrankungen der Reiz, der den Anfall auslöst, durch den Nervus
nasalis zum Zentrum geführt wird. Hierfür sprechen ausser anderem
auch die klinischen Symptome des Heufiebers; Reizung des inneren
Astes des Nerven führt zu Niesen und Hypersekretion, dasselbe
tut Reizung des äusseren Astes. (Diese beiden Aeste versorgen den
vorderen Teil des Septums und den vorderen Teil der Aussenwand
der Nasenhöhle, so kann man diese Symptome zum Verschwinden
bringen.) Der infratrochleare Ast des Nerven versorgt die Konjunk-
tiva, den Tränensack, die Karunkel und die Lider, die entsprechenden
Symptome der Reizung sind Jucken am inneren Kanthus, Kongestion
der Konjunktiva, Tränenträufeln, Rötung und Schwellung der Lider.
Der zum Frontalsinus ziehende Ast erzeugt den Stirnkopfschmerz,
der vordere Ast, der die Nasenflügel und die Nasenspitze versorgt,
erzeugt die Rötung dieser Gebilde; die Ciliares Iongi und der Ast
zum Ziliarganglion versorgen den Ziliarmuskel, die Iris und die
Hornhaut, sie erzeugen die Lichtscheu. Man sieht, dass die Sym¬
ptome des Heufiebers und ähnlicher Erkrankungen der Nase durchaus
mit der Verteilung des Nasalnerven übereinstimmen. Verf. resezierte
zuerst einem an paroxysmaler Koryza leidenden Kranken den Nervus
nasalis einer Seite mit dem Erfolge, dass die der resezierten Seite
entsprechende Nasenhälfte von Anfällen frei blieb, während die
andere Seite weiter ergriffen w r urde, bis er auch die Nasalnerven der
anderen Seite resezierte. Der Nerv wird leicht gefunden, wenn
man einen kleinen Schnitt am inneren Rande der Orbita macht,
der direkt oberhalb des inneren Kanthus beginnend, etwas nach oben
und aussen verläuft. Nach Ablösung der Gew ebe vom oberen Rande
der Orbita findet man den Nerv am vorderen Foramen ethmoidale
und kann ihn leicht resezieren. Beide Nerven werden in einer
Sitzung reseziert. Verf. erzielte bei Heufieber und vasomotorischen
Störungen der Nase vorzügliche Erfolge, da die Anfälle völlig ver¬
schwanden und auch das begleitende Asthma aufhörte.
Edred M. Corner: Die Behandlung gangränöser Hernien Im
St. Thomas-Hospitale von 1901—1905. (Ibid.)
Bei 216 inkarzerierten Leistenhernien bestand 8 mal (3,6 Proz.)
Gangrän; bei 133 inkarzerierten Femoralhernien 12mal (9 Proz.),
bei 46 Nabel- und Bauchhernien 10 mal (21,7 Proz.). Wenn möglich,
machte man die Resektion mit sofortiger Wiedervereinigung. Von
18 so operierten Fällen starben 10 (55 Proz.); am besten verliefen
die Fälle mit zirkulärer Darmnaht, seitliche^ Anastomosenbildungen
heilten weniger gut. Resektion mit Anlage eines Kunstafters gab
sehr schlechte Erfolge. Von 10 Fällen starben 9 (90 Proz.); aller¬
dings wurden mit dieser Methode die schwersten Fälle behandelt.
Zwei Fälle wurden mit Einstülpung und Uebernähung des kranken
Darmstückes behandelt, beide genasen. Wenn immer möglich, lasse
man der Resektion sofort die Darmnaht folgen. Von den kompli¬
zierten inkarzerierten Leistenhernien starben 37, von den Schenkel¬
hernien 66 und von den Nabel- und Bauchhernien 20 Proz.
Victor Bonney: Das Bindegewebe beim Krebs und gewissen,
dem Krebs vorausgehenden entzündlichen Vorgängen. (Lancet,
23. und 30. Mai 1908.)
Dem Beginn des Krebses geht immer ein Zustand voraus, der
durch epitheliale Hypertrophie und gewisse konstante Verände¬
rungen des subepithelialen Gewebes gekennzeichnet ist. Dieser prä¬
karzinomatöse Zustand kann infolge verschiedenartiger entzündlicher
Prozesse zustande kommen, der Schlusseffekt ist aber immer das¬
selbe histologische Bild. Die Bindegewebswucherung in der Um¬
gebung eines primären Krebses ist ein Teil des präkarzinomatösen
Prozesses und unterstützt wesentlich den Fortschritt der Neubildung.
Es besteht kein histologischer Beweis, dass es sich bei dieser Binde-
gewebswmcherung vielleicht um eine Schutzmassregel der Gewebe
gegen die Krebszellen handejt. Obwohl diese Bindegewebswuche¬
rungen einen grossen Einfluss auf das Einwachsen des Epithels haben,
so ist doch, nachderii erst einmal die Malignität aufgetreten ist, das
Weiterwachsen des Tumors unabhängig vom Bindegewebe. Die
Arbeit enthält zahlreiche instruktive Abbildungen.
Sir William J. Sinclair: Analgesie versus Anästhesie in Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie. (Ibidem.)
An Stelle von Skopomorphin oder allgemeiner Narkose mit
Chloroform, Aether etc. empfiehlt Verf. Morphium und Alkohol zu
geben. % Stunden vor der Operation gibt man 0,01—0,02 Morphium
subkutan; 20 Minuten später 60—90ccm Kognak oder Whisky in
einer Mischung, die Wasser und Extr. Liquir. enthält. Diese Mischung
von Alkohol und Morphium schläfert die Frauen soweit ein, dass man
Dammrisse nähen, Auskratzungen und andere kleine Operationen
ohne jeden Schmerz vornehmen kann.
A. T.Tucker W i s e: Die Behandlung der Lungenphthise durch
Lagerung. (Ibidem.)
Die gewöhnliche Lage der eine Liegekur im Freien durchmachen¬
den Kranken ist die denkbar schlechteste, um die Lunge von Aus¬
wurf zu befreien. Verf. beschreibt und bildet einen Liegestuhl ab,
der es den Kranken ermöglicht, bequem längere Zeit mit herab¬
hängendem Oberkörper auf dem Bauche zu liegen. Kavernen ent¬
leeren sich in dieser Lage sehr leicht und gründlich. Die Temperatur
geht oft herunter und das Allgemeinbefinden bessert sich. Man
muss nur darauf sehen, dass der Kranke langsam aus der sitzenden
in die liegende Stellung übergeht, da sonst leicht Schwindel auftritt.
Die Kranken empfinden die Lage sehr angenehm, viele können darin
viel besser atmen als in der Rückenlage.
Cyrit A. R. Ni ich: Dreissig konsekutive Fälle von diffuser
Peritonitis. (Lancet, 20. Juni 1908.)
Es handelt sich stets um Peritonitis nach Appendizitis. Da diese
Fälle durch den Kolibazillus bewirkt werden und dieser Organismus
stets eine lebhafte Phagozytose und eine rasche Degeneration der
Leukozyten hervorruft, so ist es schädlich, die Bauchhöhle auszu¬
spülen, da dadurch die Phagozyten fortgeschwemmt werden. Seit
man im St. Thomashospitale die Ausspülungen der Bauchhöhle durch
vorsichtiges Trockentupfen ersetzt hat, ist die Sterblichkeit dieser
Fälle von 82 auf 10 Proz. gesunken. Verf. entfernt jetzt rasch den
Wurmfortsatz, tupft die Bauchhöhle (besonders die Gegend der
rechte Niere und das kleine Becken) vorsichtig mit steriler Gaze
aus, näht die Bauchwunde mit Katgut in Etagen zu und drainiert von
einer besonderen Oeffnung in der Lumbalgegend aus. Während
der Nachbehandlung wird der Kranke in halbsitzender, nach rechts
geneigter Stellung gehalten und bekommt Antikolibazillenserum.
Authony A. B o w 1 b y: Neunhundert Fälle von Coxltis tuber-
culosa. (Brit. Med. Journal, 20. Juni 1908.)
Verf. hat im Alexandrahospital für Koxitis in London 900 dieser
Fälle behandelt mit einer Mortalität von 4 Proz. Seine Behandlung
ist so konservativ als möglich; er nährt die Kinder kräftig, gibt
Lebertran und legt Extension mit geringem Gewichte (1—4 Pfund)
an. Abszesse werden mit kleiner Oeffnung entleert und drainiert
ohne Anwendung antiseptischer Mittel. Man hüte sich vor Gegen¬
inzisionen. Resektionen hat er nie gemacht. Die Operation kann
nicht, wde z. B. beim Kniegelenk, alles kranke entfernen, sie lässt die
kranke Pfanne zurück und ist deshalb stets unvollständig. Er ist
stets ohne Resektion ausgekommen und hat doch in der grossen
Mehrzahl aller Fälle Ausheilung mit guter Funktion erzielt. Er
empfiehlt den Bau spezieller Krankenhäuser, am besten an der See.
E. Klein: Die Ursache des Schlechtwerdens von Schinken.
(Lancet, 27. Juni 1908.)
Beim Räuchern von Schinken (Trockenräucherei mit Salz und
Salpeter) kommt es zuweilen vor, dass Schinken schlecht w r erden
(tainted). Sie riechen faul und ihr Fleisch wdrd graugrün verfärbt.
Das Fleisch wird weich und gallertig. Beim Mikroskopieren findet
man Gruppen von Tyrosinkristallen in den Blutgefässen und inter¬
muskulären Septen. Die Reaktion dieser Muskeln ist alkalisch. Verf.
konnte in einer grossen Schinkenfabrik als Ursache des Verderbens
stets einen zylindrischen Bazillus nachw r eisen, den er Bacillus foedans
nennt und dessen morphologische und biologische Eigenschaften er
genau beschreibt.
W. Watson Cheyne: Die Schutzmittel des Körpers Im Lichte
der Erkrankungen des Kindesalters und der Erwachsenen. (Ibidem.)
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1800
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .>4.
Die sehr interessante Arbeit des erfahrenen Chirurgen eignet
sich nicht für ein kurzes Referat. Hervorheben möchte ich nur.
dass Verf. von der Richtigkeit der W right sehen Opsonintheorien
durchaus nicht überzeugt ist. Er hat auch von der Uebertragnng
dieser Theorien auf die Praxis und der Anwendung der Vakzine¬
therapie wenig Nutzen gesehen, so dass er durchaus noch nicht ge¬
willt ist W rights Rat zu folgen und das Messer fortzulegen, um
ein Immunisator zu werden. (Wer augenblicklich in England solche
Ansichten ausspricht, kommt bei dem Enthusiasmus, mit dem man die
Opsonintherapie ausgenommen hat, leicht in den Verdacht, ein
Ignorant oder ein professioneller Verneiner zu sein. Rcf. gehört aller¬
dings auch zu diesen und glaubt mit Sicherheit prophezeien zu
dürfen, dass die ganze augenblicklich so moderne Opsonin- und
Vakzinebewegung in einigen Jahren tot und begraben sein wird.)
Er. Eve: Erfahrungen über die chirurgische Behandlung gut¬
artiger Magenleiden. (Ibidem.)
Verf. empfiehlt nur die hintere Gastroenterostomie ohne
Schlingenbildung. Alle Operationen, wie die von E i n n e v. Ko¬
cher u. a. angegebenen, die den Rückfluss des Duodenalinhaltcs in
den Magen verhindern, besonders auch die Braun sehe Entero-
anastomose. die leicht zu Ulcus pepticum fühlt, Pyloroplastik bei Pv-
orusstenose sind ungenügend, da häufig Rezidive auttreten. Exzision
eines chronischen Geschwürs ist sehr gefährlich und auch über¬
flüssig, da das GeschwMir nach Vornahme der Gastroenterostomie
meist heilt.
Alban H. G. Do ran: Ucber operativ entfernte Zysten
der Nebenniere, (ßrit. Med. Journal, 27. Juni iws.)
Verf. beschreibt 13 Eülle (1 eigenen) dieser wenig gekannten
Krankheit, von denen nur einige operativ behandelt wurden. Es
handelte sich meist um Blutzysten, die in einigen Eällen wohl auf
Verletzungen zurückzuführen waren. Meist werden die Kranken
durch kolikartige Schmerzen auf ihren rumor aufmerksam. Fluk¬
tuation ist meist nicht nachweisbar: das Colon descendens liegt meist
vor der Geschwulst. Nur in einem Ealle wurde Bronzefarbe der
Haut beobachtet, die bald nach der Operation verschwand. Verf.
empfiehlt transperitoneal durch den äusseren Rand des Rektus vorzu¬
gehen. Man soll dann versuchen die Zyste zu enukleiercn: es ist
dies zuweilen schwierig und auch gefährlich wegen der Nähe der
Aorta. Verfs. eigener Eall wurde geheilt. (Rcf. hat vor kurzem
einen ähnlichen Eall, in dem aber die Niere wegen untrenn¬
barer Verwachsungen mitgenommen werden musste, mit Glück
operiert.) J. P. z u m B u s c h - London.
Rumänische Literatur.
E. S p i r t: Die Behandlung der Hydrokele mittels Einspritzungen
von Karbolglyzerin. (Spitalul, No. 5, 1908.)
Die Behandlung der Hydrokele mit Einspritzungen von Jodtink¬
tur hat den Nachteil der grossen Schmerzhaftigkeit, die nicht nur
unmittelbar nach der Injektion auftritt, sondern noch mehrere Tage
nachher anhält, wenn die sekundäre Entzündung des Hodens und der
Vaginalis sich bildet. Viel besser ist schon die von Levis vor¬
geschlagene Methode der Einspritzung flüssiger Karbolsäure, doch
ist derselben die Modifikation von Tcdenat vorzuziehen, welcher
statt reiner Karbolsäure eine Mischung dieser Substanz mit Gly¬
zerin zu gleichen Teilen benützt. Zur Vornahme dieses operativen
Vorganges wird zuerst die Eliissigkeit aus dem Vaginalsacke ent¬
leert, eventuell noch mit physiologischer Salzlösung nachgespult und
hierauf 6 ccm obiger Flüssigkeit eingespritzt. Man knetet leicht den
Hodensack, damit sich die Flüssigkeit gleichmässig verteilt und lasst
dieselbe dann vorsichtig ausfliessen, indem man darauf achtet, dass
kein Tropfen auf den Hodensack fliesst, da sonst Verschorfungen
entstehen. Die Höhle wird mit sterilem Wasser ausgespiilt und ein
Kompressivverband auf den Hodensack angelegt. Die Schmerz¬
haftigkeit ist eine kaum nennenswerte und verschwindet unter
kühlenden Umschlägen vollständig. Die therapeutischen Resultate
dieser Methode sind gute, und hat der Verfasser in beiden l allen,
in denen er dieselbe zur Anwendung brachte, vollkommene Heilung
erzielt.
I. Potärca: Bemerkungen über die penetrierenden Wunden
der grossen Körperhöhlen durch die modernen klelnkalibrigen Projek¬
tile und über die Vereinfachung des Individuellen Verbandpaketes.
(Revista de Chirurgie, No. 4, 1908.)
Der Verfasser, welcher Militärarzt ist, hat im Vorjahre, während
der Bauernunruhen, eine grössere Anzahl von Schusswunden zu
behandeln Gelegenheit gehabt, die meist durch das Projektil des
Mannlichergew'ehres, Kaliber 6.5 cm, hervorgerufen worden waren.
Die meisten Verwendungen betrafen revoltierende Bauern, auf
welche die Truppe aus kleiner Entfernung geschossen hatte, und die
dann ihre Verwundung aus Furcht vor weiterer Bestrafung, geheim
hielten, so dass von den zu ihrer Behandlung entsendeten Aerzten
förmliche Entdeckungsreisen in den betreffenden Dörfern unter¬
nommen werden mussten. Ein Teil der Wunden war infolgedessen
in desolatem Zustande. Der Verfasser konnte bei dieser Gelegenheit
beobachten, dass weitaus die grösste Anzahl der durch kleinkaJibrige
Geschosse hervorgeruienen Wunden einen kleinen Umfang haben
' ss infolgedessen, im Kriegsfälle, ein kleiner Verband genügen
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würde, um dieselben bis zum nächsten Krankciihausc vor Verunreim-
gung zu schützen; selbst lur penetrierende Wunden grosser korper-
hölilen hat dies volle Gültigkeit. Kann man dies erzielen, so sind
grössere chirurgische Eingriffe auf dem SchlachtieiJe. mit ganz ge¬
ringen Ausnahmen, zu unterlassen. Das von P. vorgeschlagene in¬
dividuelle Verbandpaket besteht aus mehreren Lagen sterner Gaze,
über welche ein grosseres Muck (ia/e gelegt wird, worauf das
Ganze mittels Kollodium befestigt und hermetisch abgeschlossen
wird. Kollodium und Gaze befinden sich in einer Schachtel aus ge¬
presstem Karton, nebst einem kleinen, an einem Indy mit etwas
Watte umwickelten Stäbchen. Welches zum Aulstreichen des K'dlo-
diums dienen Soll. Mit diesen Päckchen wird der erste Verband
auf dem Schlachtfelde ausgeiuhrt und der Verwundete dann weiter
transportiert, wobei man die Sicherheit hat, iast immer eine Kon¬
taminierung der Wunde zu verhüten.
Pociuru-Caplescu: Leber ein neues Mittel bei Puerperal¬
fieber. (Chirurgische Gesellschaft m Bukarest. Sitzung %orn lo. Ja¬
nuar Iöos.)
In einem sehr schweren Ealle. in welchem alle üblichen Mittel
erfolglos versucht worden waren, hat der Vortragende intrauterine
Einspritzungen mit 0.75 - 1 proz. 1‘ormalinlosung gemacht und sehr
rasch Besserung und später vollkommene Heilung erzielt. Die an¬
gewendete Eliissigkeitsmengc betrug 2 Liter und konnte schon nach
der ersten Einspritzung das Verschwinden des bestandenen fotidef!
Geruches testgesteilt werden. Die bis dahin täglich aultretenden
Schüttelfröste wiederholten sich nicht mehr nnJ die Temperatur
kehrte zur Norm zurück. Die therapeutische Wirkung war also eine
gute und hatte P.-C. nur mit bezug auf die Gütigkeit des Mittels
einige Bedenken, doch haben ihm die an Hunden Vorgenommenen
Experimente und zwei Falle \oii akzidenteller Vergiftung gezeigt,
dass die Giftigkeit des forumls eine geringe sei und dass folglich der
Anwendung desselben zu intrauterinen Ausspülungen in der oben
angeführten Konzentration nichts im Wege steht.
D. Stet a n i ii: Die Behandlung gastro-lntestinalcr Störungen
mit Laktobazillln. (Inauguraldissertation. ,lass\ pzo;.)
Die gute Einwirkung der Milchsäure aut gastro-mtestmale Sto¬
rungen, narmmtlich bei Kindern, ist seit lange bekannt, es wurden
daher, hauptsächlich von M etsc h n ik of j. mehrfache l ntersuchungen
angestellt, um die Beeinflussung der betreuenden Prozesse durch
lebend eingeliibrte Milchsautebazdleii festzu^telleu. I s zeigte sdi.
dass diese Einwirkung eine sehr günstige iM und wurden daher ver¬
schiedene taktische und paralaktische Mikroben kultiviert und thera¬
peutisch angewendet. Unter diesen ist auch der Non Hcupcl im
Pariser Paste urschen Institute gewonnene Bazillus aus dem bul¬
garischen Yoghurt, welcher rein gezüchtet lind mit anderen para-
laktischen Bazillen gemischt, einen energischen Milchs.uireerzeuger
abgibt. Der Verfasser hat auf der K mderahteilung n «»n Manica-
tide Versuche mit diesem Präparate. 1 aktobazillm genannt, an¬
gestellt und namentlich bei infantiler Diarrhoe sehr gute Resultate
erzielt. Man gibt 0.3n mehrmals täglich.
N. Bardcscu: Die inguinale Methode liir die Operation der
Schenkeihernien. (Revista Stimt/elor medicalc, Januar-Februar
1908.)
Die Operation der Kruralhernien auf inguinalem Wege ist die¬
jenige. welche die besten Resultate ergibt und bat Verf. nach der¬
selben an 22 Patienten 2s Hermen mit bestem Lrtofge operiert. Der
Eingriff hat den Vorzug der Einfachheit und den, dass ein breites,
gut beleuchtetes Operationsfeld geschaffen wird, ausserdem kann
durch Eröffnung des Bauchperitoiieiims eine gute Ablösung aller Ad¬
härenzen iles Backes durchgeluhrt werden, der Nick kann hoch oben
abgebunden werden und durch eine v oilk< .rmnene Schliessung des
Kruralrmges werden güte Verhältnisse lur die Radikal*ur geschahen.
Die Operation besteht im grossen und ganzen m Erovnung des In-
gumalkanals, in Praparienmg. in I.osiosung und l eher luhr ung des
Sackes in die Ingiimalgegeiul. Erotiming und Naht desselben und
schliesslicher Naht des Kruralbogens an das Uoopersdie Liga¬
ment. Die Operation wird schliesslich mich der Bassi ruschen
Radikalmetlmde beendet.
C. P a r h o n und C. I r e c h e: Die Rolle der Thyreoidea ln der
Behandlung des Ekzems, (spitalul. No. 7, E>os )
Aetiologie und Pathogeme des Ekzems geboren zu den dunklen
Fragen der Dermatologie, doch ist es sicher, dass zur Entwicklung
der Hautaffektion ein besonders empMnlhcher Boden Nnrli.in.ien Sein
muss, wie er in den meisten l allen durch die arthntische Konstitution
gegeben wird. A rthritisimis beruht aber auf einer V eriari gsamung
des Stoffwechsels und m dieser Beziehung ist die Rolle der Schild¬
drüse, welche eine Besc h'eumgiiug der Stoff w echseiv organgc be¬
wirkt. bekannt. Eine Insuni/ienz m der Funktion dieser Druse muss
also auch zu einer Verlangsamung des Stoff w echscls fuhren und es
besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass diese : be in der Ent¬
wicklung der Ekzeme eine Rolle spielt. Eine Stutze dieser Vn-
nalime liegt in der günstigen Beeinflussung gewisser Ekzeme durch
Verabreichung von Schilddrüse. Andererseits bewirkt d:e Insuffi¬
zienz der Schilddrüse auch eine man/elhafte kalkablagerung im
Organismus, w odurch Storungen m der Gew ebs. s~n.se. eine stärkere
Durchtränkung der Gewebe mit Pruritus und Lkzembkdung zustande
kommen. Es erklärt dies die gute Einwirkung der Einnahme von
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1801
Chlorkalk auf Pruritus und Ekzem, wodurch eine Verbesserung der
Kalkverhältnisse im Organismus zustande kommt.
I. J i a n u: Einige Betrachtungen über die Lumbalpunktion bei
Schädelbrüchen. (Spitalul, No. 8, 1908.)
Die Lumbalpunktion spielt eine wichtige Rolle in der Diagnose
der Schädelbrüche; ist die hierbei entleerte Flüssigkeit blutig tin-
giert, so kann fast mit Sicherheit ein Bruch des knöchernen Schädel¬
gerüstes angenommen werden. Es kann aber Vorkommen, dass man
bei der einen Punktion eine klare, bei einer anderen hingegen eine
blutige Flüssigkeit erhält und hat der Verf. die Beobachtung gemacht,
dass hierbei die Haltung des Patienten eine ausschlaggebende Rolle
spielt, indem man positive Resultate hauptsächlich bei in sitzender
Haltung vorgenommenen Punktionen erhält. Auch ist es von Wich¬
tigkeit, hierbei eine grössere Menge zephalo-rhachidianer Flüssigkeit
(etwa 30 ccm) abfliessen zu lassen, da die ersten Portionen, falls es
sich um kleinere Mengen handelt, oft vollkommen klar sind.
Eine weitere Vorsichtsmassregel ist die, bei Vornahme mehrerer
Punktionen dieselben von unten nach oben zu verschieben, damit
nicht durch eine akzidentelle, der vorhergehenden Punktion zuzu-
schreibenden Blutung, eine Rotfärbung der Punktionsflüssigkeit be¬
wirkt wird und dies zu Trugschlüssen Veranlassung gibt.
V. Babesch: Der jetzige Stand des Kampfes gegen den Krebs.
(Sitzung der Rumänischen Akademie, 4. April 1908.)
Der Vortragende ist nicht Anhänger der parasitären Theorie mit
bezug auf die Krebsbildung, sondern der Ansicht, dass derselbe fol¬
genden zwei Ursachen seine Entstehung verdanken kann: 1. Es
kommt vor, dass epitheliale Zellgruppen sich im Organismus verirrt
haben, an Stellen, wo sie ihre Rolle nicht ausüben können, viel¬
mehr ein vegetatives, unabhängiges Leben führen, so dass sie mit
der Zeit auch ihre Eigenschaften ändern und auf Kosten der sie um¬
gebenden Gewebe leben, in dieselben eindringen und sie zerstören,
Lymphbahnen durchdringen etc. und dies namentlich, wenn der
Gesamtorganismus durch Alter oder andere Ursachen geschwächt ist.
2. Infolge lange andauernder Reizungen gewisser Gegenden, kommt
es vor, dass das Epithelium degeneriert, sich diesen Reizungen an¬
passt, hierdurch aber resistenter wird und seinen ursprünglichen
Charakter ändert. Es kommt zur Bildung einer neuen Zellenart,
welche infolge der immerwährenden Reizungen ihren ursprünglichen
Zweck nicht mehr erfüllen kann, in die Tiefe dringt und dort auf
Kosten der umgebenden Oewebe weiter vegetiert. Diese Zellen ge¬
winnen eine grosse Wachstumskraft und scheiden gewisse Sub¬
stanzen ab, welche für die umgebenden Zellen und den Organismus
im allgemeinen giftig sind. Die bedeutende Erhöhung der Harn¬
giftigkeit spricht für die Annahme der Toxinausscheidung von seiten
der Krebszellen.
Diese Erklärung der Krebsbildung kann für alle Fälle An¬
wendung finden und es ist nicht notwendig, Mikrobentheorien heran¬
zuziehen.
Der Vortragende bespricht des weiteren verschiedene moderne
Behandlungsmethoden des Krebses mit Einspritzungen verschiedener
Sera und Extrakte, die Behandlung mittels Röntgenstrahlen und Ra¬
dium und hält alle für unwirksam. Die Präventivbehandlung, die
frühzeitige Diagnose und rechtzeitige, radikale Exstirpation geben
bisnun die besten wissenschaftlichen Resultate. Um Rezidiven vor¬
zubeugen hat B. versucht, den betreffenden, operierten Patienten Sub¬
stanzen, die aus dem exstirpierten Tumor gewonnen wurden, einzu¬
spritzen und dieselben des Weiteren mit anderen Substanzen aus
malignen Geschwülsten zu behandeln, um auf diese Weise eine Im¬
munität des Organismus zu erzielen. Die bis nun gewonnenen Re¬
sultate sind ermutigend und werden weitere Untersuchungen an¬
gestellt.
Ioan Jianu: Note über die kavo-meseralsche Anastomose.
(Spitalul, No. 9, 1908.)
Die Ligatur.der Cava inferior unterhalb der Nierenvenen be¬
wirkt ein ausserordentlich grosses, chronisches Oedem der unteren
Extremitäten, infolge Behinderung des venösen Abflusses; die Ligatur
oberhalb der Nierenvenen bewirkt den Tod infolge von Nieren¬
degeneration. Beides kann verhütet werden, falls man die Kava mit
der Vena mesenterica superior seitlich anastomosiert. Diese Opera¬
tion wird derart ausgeführt, dass nach präventiver Blutstillung die
beiden Venenstämme aneinandergelegt und mit Katgut No. 00 in der
Ausdehnung von etwa einem Zentimeter zusammengenäht werden.
Es werden nun zwei Fensterchen in die gegenüberliegenden Venen¬
wände gemacht, dieselben mit penetrierender Naht vereinigt und
darüber mit dem von der ersten Naht übriggebliebenen Katgutende
eine weitere Konsolidierungs-naht ausgeführt. Nach Entfernung der
provisorischen Ligaturen geht der Blutstrom von der Cava inferior
in die Mesenterica superior.
Diese experimentellen Venenanastomosen könnten bei unabweis-
licher Ligatur der Pfortader, bei Behinderung der Leberzirkulation
oder derienigen der Mesenterialvenen zu therapeutischen Zwecken
herangezogen werden.
C. Severeanu und Ioan Jianu: Versuche zur Behandlung
der Neubildungen durch lymphatische Stase: die Ligatur des Bogens
des Ductus thoraclcus und die Ligatur der P e c q u e t sehen Zisterne.
(Revista de Chirurgie, Juni 1908.)
Die Verfasser haben die Ligatur des Ductus thoracicus an Jener
Stelle, wo derselbe sich in die Vena subclavia ergiesst, vorgenommen
und hierdurch in sehr günstiger Weise die Schmerzen bei einem
grossen, nicht operablem Sarkom der Bauchhöhle beeinflusst; auch
das Allgemeinbefinden und der Appetit besserten sich. In drei Fällen
von inoperablem Karzinom des Uterushalses wurde die beiderseitige
Unterbindung der Art. hypogastricae und der P e c q u e t sehen Zi-
sterna chyli gemacht. Dieser Eingriff beeinflusste in sehr günstiger
Weise das Neoplasma, indem die Sekretion, die Blutung und Fötidität
auffallend abnahmen, resp. ganz verschwanden. Der Allgemein¬
zustand wurde ebenfalls besser und die Kranken verloren ihr
kachektisches Aussehen. Die Verfasser nehmen sich vor, in Zukunft
in Fällen von nichtoperablen Gebärmutterkrebsen nur die Cisterna
chyli und nicht auch die hypogastrischen Arterien zu unterbinden, um
den Einfluss der reinen lymphatischen Stase auf das Neugebilde zu
studieren.
Poenaru-Caplescu: Die Knochennaht und der Gips¬
apparat ln der Behandlung der Beinbrüche. (Ibidem.)
Nach einer kurzen historischen Uebersicht beschreibt der Ver¬
fasser die auf der Abteilung von Th. Jonnescu übliche Behand¬
lungsmethode der Beinbrüche. Im grossen und ganzen besteht die¬
selbe darin, dass aus zehn- bis zwölffachen Organtinstreifen, die mit
Gips imprägniert sind, drei Leisten zugeschnitten werden, von denen
die eine vom mittleren Drittel des Beines beginnend über die hintere
Fläche, den Absatz und die Sohle läuft und über den Zehen umbiegt
und bis auf den Fussrücken hinübergreift. Eine zweite Organtinleiste
umfasst beide Seitenteile des Beines und geht wie ein Steigbügel
über die Fussohle. Mit Binden und später mit Diachylonstreifen
werden diese Leisten nach vorgenommener Adaptierung der ge¬
brochenen Teile befestigt und nach stattgehabter Erhärtung des
Gipses bleibt das Bein nur durch die beschriebenen gegipsten Or-
gantinleisten fixiert, die mittels der Pflasterstreifen am Platze ge¬
halten werden. Auf diese Weise kann das Glied in seiner ganzen
Ausdehnung beobachtet, offene Wunden können bequem ver¬
bunden und durch die Diachylonstreifen kann der Verband
fester angezogen oder gelockert werden, je nachdem es die statt¬
gehabte An- oder Abschwellung verlangt. Nach 25—30 Tagen wird
der Verband abgenommen und mit Massage, Bädern und Mechano-
therapie begonnen. Der angegebene Verband ist der modifizierte
Maisonneuvesehe Apparat der Beinfrakturen. Eine weitere
Neuerung ist die, dass die Koopticrung der Knochenfragmente, falls
dieselbe sehr schmerzhaft ist, unter Rhachistovainisierung vor¬
genommen wird. Bei komplizierten Brüchen oder bei solchen, bei
welchen die Teile nur schwer oder gar nicht in der richtigen Lage
gehalten werden können, werden die Jacoel sehen Klammern an¬
gewendet und, wie die beigegebenen Röntgenographien zeigen, sehr
gute Resultate erzielt.
V. Babesch und Th. Mitronescu: Die akute aufsteigende
tödliche Paralyse nach der antlrablschen Behandlung. (Romania
medicala. No. 6 7, 1908).
Es entwickeln sich mitunter, infolge der antirabischen Behand¬
lung, Symptome von Mvelitis, die zum Tode führen und von mehreren
Autoren als durch die Behandlung abgeschwächte Wutinfektion an¬
gesehen wurden. Eine nähere Untersuchung der einschlägigen Fälle
zeigt aber, dass es sich keineswegs um Wut handelt, sondern wahr¬
scheinlich um eine Vergiftung mit antirabischem Toxin, deren Auf¬
treten durch eine besondere Prädisposition des betreffenden Organis¬
mus möglich gemacht worden ist. Zur Unterstützung dieser Ansicht
führen die Verfasser einen kürzlich beobachteten Fall, eine 40 iährige,
von einem tollen Hunde gebissene Frau betreffend, an. Am 15. Tage
der antirabischen Behandlung traten bei derselben Lähmungen der
unteren Extremitäten auf, die sich rasch nach oben hin ausbreiteten
und nach kurzer Zeit zum Tode führten. Bei der Nekropsie fand man
ein Oedem der Meningen und des Gehirns, sowie eine ausgebreitete
Degenerierung des ganzen Lenden- und unteren Rückenmarkes.
Ausserdem bestanden Erscheinungen von Ncnhritis. Einimpfungen,
die man mit Teilen des Rückenmarkes an Kaninchen machte, er¬
wiesen, dass es sich keineswegs um Wuterkrankung gehandelt hatte,
da die Tiere gesund blieben.
I. Ettinger: Jährliche Wettbewerbe für Kinder mit Prä¬
miierung der gesündesten. (Spitalul, No. 10. 1908.)
Der Kampf gegen die überaus grosse Sterblichkeit der Kinder
in den ersten Lebensjahren ist ein sehr vielseitiger und muss nicht
nur gegen die verheerenden Krankheiten, sondern auch gegen Un¬
wissenheit und Vorurteile der Bevölkerung, namentlich derienigen
auf dem flachen Lande, geführt werden. Hierzu eignen sich in erster
Linie Wettbewerbe, welche mit Geldprämien ausgestattet, die Eltern
ansDornen. möglichst gesunde und kräftige Kinder zu haben. Die
Preisverteilungen können zu populär-hvgienischen Vorträgen be¬
nützt werden und auserdem durch Tafeln, welche in jedem Wohn-
hause an der Wand befestigt werden sollen, den Bewohnern, Auf¬
klärung über elementare Prinzipien der Kinderaufziehung und der
Behandlung der häufigsten Krankheiten, namentlich der Magendarm¬
erkrankungen. gegeben werden. Auch die Eltern müssten darauf
aufmerksam gemacht werden, dass solange ihr eigener Gesundheits¬
zustand kein guter ist, sie nur kranke und schwächliche Kinder zur
Welt bringen können, es folglich in ihrem eigenen Interesse liegt.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1802,
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Krankheiten wie Syphilis, Pellagra, Malaria etc. ärztlich in genügen¬
der Weise behandeln zu lassen.
V. Babesch: Die kapillären Gallengänge In den Neubildungen
der Leber. (Romania medicala, No. 6,7, 1908.)
In ähnlicher Weise, wie bei der Regenerierung des Leber¬
parenchyms in Lallen von Cirrhose dieses Organs, kann auch bei
Leberneoplasmen die Bildung kapillärer (iallengänge aus den Tra¬
bekeln beobachtet werden. Auch hier bilden sich dieselben durch
Kanalisierung der Trabekeln und durch Bildung von eosinophilen
Verlängerungen, die anfangs solid, später kanalisiert erscheinen und
Verbindungen zwischen Blut- und Leberkapillaren darstellen. Bei
gewissen Neubildungen kann man die Bildung von Kanälen auch im
Inneren der Riesenzellen beobachten. E. T o f f - Braila.
Otologie.
H e g e n e r - Heidelberg: Statistik der Ohreiterungen und Hirn-
komplikatlonen, beobachtet In der Heidelberger Universltäts-Ohren-
kllnlk 1897—1906. (Zeitschr. f. Ohrenheilkunde, 56. Bd., 1. Heft.)
Unter 10187 zur Behandlung gekommenen Mittelohrciterungen
fanden sich 4554 = 45 Proz. akute, 5633 55 Proz. chronische. Von
den akuten kamen zur Aufmeisselung 441 10 Proz., von den chro¬
nischen zur Radikaloperation 708 13 Proz. und zur Hammcrambos-
extraktion 74 — 1,3 Proz. Die Labyrintheiterungen und Bogengangs¬
erkrankungen zusammen machten 0,6 Proz. aller Ohreiterungen aus.
Im Verhältnis zu den operierten Fällen sind akute Eiterungen mit nur
0,7 Proz. daran beteiligt, die chronischen aber mit 7,8 Proz. Bei
1,2 Proz. aller Eiterungen fanden sich unkomplizierte Extradural¬
abszesse und zwar fanden sich bei der Aufmeisselung akute Eite¬
rungen in 21 Proz., chronische in 4,7 Proz. Sinusthrombosen kamen
48 zur Beobachtung, 14 mal verursacht durch akute, 34 mal durch
chronische Mittelohreiterungen. Hirnabszesse fanden sich 24 mal,
4 mal infolge akuter, 20 mal infolge chronischer Eiterung. Von allen
akuten Eiterungen führten zum Tode etwa 0,3 Proz., von allen chro¬
nischen 0,8 Proz. Verf. schliesst mit den Worten: Wir werden in der
Hirnchirurgie noch bessere Resultate erzielen, wenn unsere Dia¬
gnostik noch weiter ausgebildet ist und — wenn wir die Patienten
nicht erst in der Agone zugeschickt bekommen.
Muck -Essen (Ruhr): Die Behandlung der akuten Mittelohr-
elterungen mit zitzenförmiger Perforation durch Ausaaugen des Elters
aus derselben vom Gehörgang aus. (Ibidem.)
Verf. berichtet über 5 Fälle mit ausgesprochener zapfenförmiger
Perforation im hinteren oberen Quadranten im subakuten Stadium,
welche unter der Saugbehandlung mit der von ihm angegebenen Saug¬
vorrichtung (vergl. Münch, med. Wochenschr. No. 9, 1907) nach durch¬
schnittlich 8 Tagen heilten.
S c h ö t z - Heidelberg: Histologische Befunde an den Gehör¬
knöchelchen bei nicht tuberkulöser, chronischer Otorrhöe. (Ibid.)
Verf. begrenzt die noch vielfach verworrenen Begriffe „Karies
und Nekrose“. Er schlägt vor, den Ausdruck „Karies* nur da zu ge¬
brauchen, wo wirklich noch eine Einschmdzung von Knochensubstanz
durch Qranulationsgewebe im Gange ist, den Ausdruck Nekrose da,
wo es zum Absterben des Gewebes, zur Sequesterbildung gekommen
ist. Bei dieser Abgrenzung kommt Verfasser zum Ergebnis, dass die
Karies der Gehörknöchelchen ein relativ benigner Prozess ist.
K r a m m - Königsberg: lieber die Diagnose des Empyems des
Saccus endolymphaticus. (Beiträge zur Anatomie, Physiologie, Patho¬
logie und Therapie des Ohres, der Nase und des Halses, Bd. 1, Heft 4.)
Verf. hat sich folgende Fragen vorgelegt, deren Beantwortung
der Förderung bedarf: 1. Wie oft erkrankt der Saccus endolymphati¬
cus im Anschluss an Labyrintheiterungen? 2 a. Unter welchen Be¬
dingungen bleibt eine entstandene Eiterung des Saccus auf diesen
beschränkt? 2 b. Unter welchen Umständen und in welcher Richtung
schreitet sie weiter auf die Umgebung fort? 3. Aus welchen Sym¬
ptomen kann eine Eiterung des Saccus endolymphaticus erkannt
werden? 4. Wie sind diese Empyeme zu behandeln? Von prak¬
tischem Interesse sind vor allem die Fragen 3 und 4. doch gehen
die Angaben über eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose nicht hinaus.
Sonntag (aus der Poliklinik von Privatdozent Dr. Brühl
und Dr. Sonntag in Berlin): Nachbehandlung der Totalanfmeisse-
lung ohne Tamponade. (Ibidem.)
Verf. ist der Ansicht, dass die bisher übliche Methode mit
lockerer Tamponade vorteilhafter ist als die neuerdings mehrfach
empfohlene tamponlose Behandlung.
H a s s 1 a u e r - München : Die Freilegung des Bulbus der Vena
jugularis Int. (Sammelreferat. Internat. Zentralbl. f. Ohrenheilkunde,
Bd. 6, Heft 7.)
Verf. gibt einen sehr lehrreichen geschichtlichen Ueberldick über
die operative Bekämpfung der otitischen Pyümie: zunächst einfache
Aufmeisselung des Warzcnteils. dann .liigularisunterbindung. später
Sinuseröffnung und endlich Freilegung und Eröffnung des Bulbus der
V. jugularis. Durch genaue Beschreibung der von den Autoren hier¬
bei geübten Technik hat die Arbeit auch praktisches Interesse.
Normann H. P i k e - London (aus der k. k. Universitätsklinik in
Wien): Untersuchungen über das Verhalten des Vestlbularapparates
hei nicht eitrigen Erkrankungen des Ohres. (Monatsschr. f. Ohren-
’ 42. Jahrg., 5. Heft.)
Die Untersuchungsmethoden, welche angewendet wurden, sind:
1. Die Beobachtung des Nachnystagmus nach Drehung auf dem
Drehstuhl, wobei die von Baratt y emgefuhrte undurchsichtige Brille
benutzt wurde. Die Drehungsgeschw mdigkcit betrug für l'< Um¬
drehungen etwa 20 Sekunden. Es tritt bekanntlich bei Rechtsdrehung
Nystagmus nach links und umgekehrt bei Linksdrehung N\stagmus
nach rechts auf. Normale Erregbarkeit wurde nur dann angenommen,
wenn die Dauer des Nystagmus nach rechts und links über 25 Se¬
kunden betrug.
2. Die Beobachtung des kalorischen Nystagmus durch Aussprit/en
des Gehörganges mit kühlem W asser von 15- 2o" C. wodurch bei
aufrechter Kopfstellung Nystagmus nach der uisht ausgespritzten Seite
hervorgerufen wird.
3. Bei Prüfung einseitiger Taubheit kam die von Barany ein¬
geführte neue Methode zur Verwendung, welche darin besteht, dass
in dem nicht zu prüfenden Ohr ein Lärm von derartiger Starke er¬
zeugt wird, dass dieses Ohr vom Horakt vollkommen ausgeschlossen
wird (Baranys Lärmapparat, zu beziehen von F. Reiner m
Wien).
Die Untersuchungen ergaben, dass unter 74 mit hochgradiger ein-
oder beiderseitiger Schwerhörigkeit mul Taubheit einhergchen Jen
nicht eiterigen Erkrankungen 35 Fäile 47.3 Pro/., verminderte oder
aufgehobene Erregbarkeit zeigten. D o 1 g c r - Erankfurt a. .M.
Inauguraldissertationen •).
Konrad Zirkel: Beiträge zur Komplikation von
S c h w angcrschaft und Tuberkulös e. Inauguraldisser¬
tation, Wiir/burg P*»S. (G Seiten.
Auf Grund der Beobachtungen am MJter.a! von Prof. Hol¬
me i e r - W iirzburg kommt Zirkel zu folgendem Resu’tat:
1. Jedem tuberkulösen .Mädchen ist d:e Ehe aufs Ernsteste zu
w iderraten.
2. Heiratet es dennoch, so ist besonders bei schwerer here¬
ditärer Belastung die Sterilität an/ustreben. eine Massrege!. die viel¬
leicht selbst bei tuberkulöse verdächtigen Laben am Platze ist, denn
die Schwangerschaft stellt stets eine gefährliche Kompilation der
Tuberkulose dar. Eur die Mutter bedeutet s:e vielfach eine zu¬
nehmende Verschlimmerung ihres Leidens und die Kinder tuberkulöser
Mütter sind zum grossen Teile zeitlebens schwächlich und kränk¬
lich und gehen, wie die Beobachtungen Zirkels 'ehren, der Mutter
öfters sogar im Tode voran.
3. Kommt cs zur Schwangerschaft, so ist zunächst eine ständige
ärztliche Beobachtung des Allgemeinbefindens der Mutter geboten, die
sich vor allem auch auf die sorgfältigste Kontrolle des Körperge¬
wichtes zu erstrecken hat, bei Zunahme der Beschwerden oder auf¬
fallender Gewichtsabnahme eine baldige Unterbrechung der
Schwangerschaft durch den künstlichen Abort, jedoch stets erst nach
Beratung mit einem erfahrenen Inter nisten.
4. Die künstliche Eriihgeburt ist a's ein schwerer Eingriff in der
Regel zu verwerfen und nur in den l allen am Platze, wo eine wesent¬
liche Erleichterung grosser Beschwerden für die Mutter zu erwarten
ist, denn es muss
5. bei jeglichem Handeln des Arztes die Soige für das Leben der
Mutter, namentlich bei Mehrgebarenden. die Richtschnur bilden, ohne
Rücksicht auf das zu erwartende Kind. (Dieser Standpunkt wird auch
von juristischer Seite eingenommen.)
(>. Neben der Schwere der Erkrankung ist besonders auch die
soziale Lage der Mutter bei der f rage e.ues kmiM ichen Eingriffes
wohl zu windigen.
7. Allgemein gültige Regeln lassen sich n.clit aufs teilen, sondern
es ist Suche des Ai/tes. v-m Eai! zu I all d.e Entscheidung hinsicht¬
lich seines Handelns zu treffen.
Heinrich Schulte: Leber die Beziehungen der
genuinen Optikusatrophie zur progressiven Para¬
lyse. \\ iir/burg B»o7. 21 S. Memmingers Ver'ags.mstalt.
Aus vorliegender, auf Anregung von Pn\atJ<>/cnt R e i c h a r d t.
\\ iirzburg, entstandenen Arbeit ergeben sk.1i cm.ge wichtige Folge¬
rungen: Die primäre Optikusatrophie M bei progressiver Para’v se
offenbar etwas sehr seltenes. Sie war stets schön \orliandeii. als
•die Parah se begann. Sic tritt ausserofde ntiich \ ;c! häufiger doppel¬
seitig lind bezüglich der Intensität svmmetr .s Ji auf. als e.nse.t.g Und
findet sich inst stets (oder stets?) mit einer H nt«.: strangerkrankimg
kombiniert. Letztere ot in der ,Meh r /ahi der lue. sowohl k,.n:sgh.
wie anatomisch, echte Tabes. Das fi uii/e t.ge Auftreten der Optikus-
atioplue bei reiner Tabes scheint häufig m.t e uem St 'Stand der
tabischen Symptome cuiher/ugehen. Ist bei 1 abeskranken die
Paralyse manifest geworden, so lässt s ; Ji ein l 'ntersJned im \ er¬
lauf der Paralyse mit oder ohne Opt kus.itroph e nicht mehr fest-
steilen. Klinische und anatomische Beobachtungen machen es über¬
wiegend w ahisehemlKlt, dass de Op: o iisum-pLe keilt der Meter-
strangerkr aukiing koordinierte K: aukhe.t ist. w e Alle gew .ssermassen
zufällig zur lahcs Imi/ut:.11. sondern dass s.e ein der M.nte'strang-
*) Zusendung von Disscrl.it'*, jten an d'e Adresse der Rcdakton,
Alimcheti. Aniu'fstiMsse jp. erbe ten. B*_ sp ; ev bieg \ • -r! eh.Vten.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1803
erkrankung subordiniertes Symptom ist; sehr wahrscheinlich ist sie
von einer Erkrankung im obersten Halsmark oder untersten ver¬
längerten Mark abhängig. Fritz L o e b.
Neu erschienene Dissertationen.
Universität Breslau. Mai bis Juli 1908.
Masaki Okamoto: Blasenzysten infolge von Dilatation und bauchi¬
ger Vorwölbung des Ureters in der Harnblase.
Brossok Georg: Beitrag zur Lehre von der Hebosteotomie.
Kohn Stefan: Die Geburten bei engem Becken in den Jahren
1903/04—1907/08.
Kapischke Paul: Die Geburten bei engem Becken in den Jahren
1900/01—1902/03.
Kummer Ulrich: Die Operation der Blasengenitalfisteln nach
Küstner-Wolkowitsch.
Lissauer Ludwig: Beitrag zur Frage der Entstehung der Pfort¬
aderthrombose.
Universität Rostock. Juni 1908.
Werner Friedrich: Ueber kongenitale Lipome und schwanzähn¬
liche Bildungen beim Menschen. Ein Fall eines kongenitalen
Lipofibroms der Kreuzsteissbeingegend.
Prätorius Albert: Ueber die Häufigkeit des Stillens und die
Gründe des Nichtstillens bei der ärmeren Bevölkerung Rostocks.
Universität Strassburg. Monat Juni 1908.
Nichts erschienen.
Juli 1908.
Zöllner Friedrich: Ein Fall von Tumor der Schädelbasis, ausgehend
von der Hypophyse.
Cohn Louis: Encephalitis haemorrhagica acuta.
Frank Erich: Ueber die genuinen orthostatischen Typen.
Katzenellenbogen Abraham: Ueber die Wirkung von Staub¬
filtern bei Ventilationsanlagen.
Vereins- und Kongressberichte.
Rheinisch-westfälische Gesellschaft für innere Medizin
und Nervenheilkunde.
(Bericht des Schriftführers.)
XV. Ordentliche Versammlung vom 21. Juni 1908
in Köln.
Vorsitzender: Herr Hoffmann -Düsseldorf.
Schriftführer: Herr Strasburger -Bonn.
Herr Lenzmann - Duisburg: Hämorrhagische Pankreatitis.
M. H.! Ich gestatte mir, Ihnen ein Präparat zu demonstrieren,
das Sie wohl alle schon einmal gesehen haben, das aber doch in
dieser -ausgeprägten Form selten ist. Es handelt sich um Fettgewebs-
nekrosen des grossen Netzes im Anschluss an eine Durchblutung
des Pankreas, bezw. eine hämorrhagische Pan¬
kreatitis.
Die Krankheitsgeschichte der Patientin, die dieser Erkrankung
erlag, ist folgende: In der Nacht vom Sonntag auf Montag erkrankte
die vorher kerngesunde, kräftige 25 jährige Frau unter heftigen
Schmerzen in der Magengegend, die aber sehr bald in die linke Regio
iliaca sich ausbreiteten und hier hafteten. Der am Montag hinzu¬
gerufene Kollege fand die Patienten kollabiert, der Puls war sehr be¬
schleunigt, der Leib aufgetrieben und in der Gegend der Fossa iliaca
sinistra spontan und auf Druck äusserst schmerzhaft. Am Abend
stellte sich heftiges Erbrechen ein, die Patientin behielt nichts.
Fäkulent war das Erbrechen nicht, hatte auch nicht den Charakter
des Aufbrodelns, wie bei Ileus. Am Dienstag zog der Schmerz
auch in die Regio ileo-coecalis, nahm also die ganze Unterbauch¬
gegend ein. Diese Gegend war auch tympanitisch aufgetrieben,
während die Magen- und Nabelgegend keine besondere Abnormität
zeigten. Das Erbrechen dauerte fort.
Am Donnrstag abends sah ich die Patientin. Die Unterbauch¬
gegend war auch jetzt noch — besonders bei Berührung — äusserst
schmerzhaft, Döfense musculaire — der Leib wurde bei der leisesten
Berührung bretthart. Der Puls weich, kaum fühlbar, 130 pro Minute,
Hände klebrig, Facies abdominalis. Kein Fieber, häufiges Er¬
brechen, aber ohne Ileuseharakter. Flatus waren in den letzten Tagen
nicht mehr entleert.
Was war das? Ileus schlossen wir aus, weil das Erbrechen —
auch am vierten Krankheitstage — nicht das charakteristische Auf¬
brodeln übelriechender fäkuloider Massen zeigte, es war immer noch
reflektorisch, auch im Anfänge der Erkankung waren keine peri-
staltischen Darmbewegungen beobachtet worden.
Wir blieben mit unserer Diagnose bei einer Perforationsperito¬
nitis stecken. Da es sich um eine Konzentration des Schmerzes in der
Unterbauchgegend handelte, so dachten wir natürlich an den Haupt¬
missetäter, ^en j JViirmfprtsa l tz. Die.se Diagnose, schien uns die* wahr¬
scheinlichste, trotzdem der Schmerz links begonnen hatte lind nach
rechts hinübergezogen war, auch trotzdem Fieber nicht bestand.
Denn es gibt Fälle von Appendixperforationen, die zunächst links¬
seitig die schwersten Symptome zeigen, und es gibt Perforations¬
peritonitiden, die fieberlos verlaufen. Allerdings sind diese Formen
meistens die schweren septischen. Da hätte die Patientin schon ad
exitum kommen müssen. Es gibt aber keine Regel ohne Ausnahme.
Kurz, wir konnten uns keinen anderen Vers machen, als: Peritonitis
des Unterbauches infolge einer Perforation der Appendix.
Wir schlugen einen sofortigen Versuch einer Operation vor, zu¬
mal wir Grund hatten anzunehmen, dass die Peritonitis noch auf die
Gegend unterhalb des unteren Randes des grossen Netzes beschränkt
war, dass es sich um eine diffundierende, nicht eine
diffuse Entzündung handelte.
Die Operation musste in der Wohnung der Patientin ausgeführt
werden, da sie nicht transportabel war. Schnitt in der Regio ileo-
coecalis. Vorliegender Darm gesund, ebenso die Appendix. Jetzt
Schnitt in der linken Fossa iliaca. Vorliegender Darm gerötet, eine
schmutzig-rötliche, seröse Flüssigkeit fliesst aus. Ein vorliegender
Netzzipfel ist mit weissen, etwas erhabenen Flecken
besät, die eine Grösse von 0,2—0,6 cm haben. Jetzt war die Dia¬
gnose klar. Die Flecken stellten Fettgewebsnekrosen dar.
Tamponade der Wunden. Eine Eröffnung der Bursa omentalis wagten
wir nicht mehr, wir waren froh, die Patientin lebend vom Operations¬
tisch zu bringen.
Nach der Operation Befinden auffallend besser. Puls ruhiger
und kräftiger, Hände warm. Erbrechen und Schmerzen gering.
Sonnabend Verbandwechsel. In der Nacht von Sonnabend auf Sonn¬
tag stellt sich wieder Erbrechen ein, das jetzt i 1 e u s a r t i g wird.
Leib kolossal gespannt. Puls rasch, aussetzend, kaum fühlbar. In
der folgenden Nacht, also gerade eine Woche nach Beginn der Er¬
krankung, tritt unter unsäglichen Qualen der Exitus ein.
Sie sehen hier die Präparate. Das Pankreas ist zu drei Vierteln
vollständig durchblutet, geradezu zertrümmert. Dort, wo wir blutige
Durchtränkung nicht finden, ist das Organ von nekrotischen Herden
durchsetzt. Das grosse Netz ist mit grauweissen bis weissen Flecken
vollständig besät. In der Ausdehnung, in welcher das Netz am
queren Dickdarm inseriert, in welcher es also in der J Nähe des Krank¬
heitsherdes liegt, ist es ausserdem noch blutig t^urchtränkt.
Bezüglich der Auffassung des ganzen Krankheitsbildes ist es am
meisten einleuchtend, eine Intoxikation mit Trypsin — dem vor¬
nehmsten Sekretionsprodukte des Pankreas — anzunehmen. Ex¬
perimente von G u I i c k e und von Bergmann (Naturforscher¬
versammlung 1905) weisen auf die Giftigkeit des Trypsins hin. Dass
neben dem Trypsin auch noch andere für den Organismus giftige
Körper z. B. Albumosen, die durch Einwirkung des Trypsins auf die
Drüsensubstanz gebildet werden, im Spiele sind, ist nicht ausge¬
schlossen (Mafthes).
Wie gelangt aber nun das Trypsin, bezw. die in der Drüse ge¬
bildeten Giftstoffe zur Resorption? Dieser Vorgang ist wohl zu er¬
klären durch einen plötzlichen entzündlichen Ver¬
schluss des Ductus pankreaticus. Wir würden dann die Folge der.
Vorgänge haben: Pankreasausführungsgangs-Verschluss, Stauung des
Sekrets, Bildung von giftigen Verdauungsprodukten (Albumosen),
Resorption des Sekrets und der Albumosen, Intoxikation. Dort, wo¬
hin das Gift in hoher Konzentration gelangt, bewirkt es Schädigung,
der Blutgefässe und Hämorrhagie, in Verdünnung bringt es Nekrosen,,
zustande. So hätten wir uns das Zustandekommen der Hämor-
r h a g i e n im Pankreas und den nahe anliegenden Netzpartieen zu
erklären durch die Wirkung eines besonders konzentrierten Giftes,
während die entfernteren Pankreas- und Netzteile, auf die verdünnte
Giftmengen einwirken, nur Nekrosen aufweisen.
Der kurz vorgetragene Fall hat mich manches gelehrt.
Es ist nicht richtig, dass — wie es meistens behauptet wird —
der Schmerz bei einer perakuten Pankreatitis haemorrhagica vor¬
nehmlich in der Gegend der Bursa omentalis seinen Sitz
hat und dass diese aufgetrieben sei. Der Schmerz kann allerdings
— wie in unserem Fall — in der Magengegend beginnen, dann aber
sofort nach unten sich konzentrieren. Die Unterbauchgegend ist
dann auch aufgetrieben. In einem solchen Falle, in dem auch der
Locus morbi gar nicht gekennzeichnet ist. ist es unmöglich, eine Dia¬
gnose vor der Autopsie in vivo zu stellen.
Betrachtet man den Fall epikritisch, so hätte es allerdings
— bei Annahme einer Perforationsperitonitis — schon vor der Ope¬
ration auffallen müssen, dass der Prozess am 4. Tage nicht weiter
vorgeschritten war. Eine akute Peritonitis würde höchst wahrschein¬
lich am 4. Tage schon charakteristische Ileussymptome bewirkt haben.
Auch hätte die Art des Schmerzes auf die richtige Fährte
führen können. Er ist bei einer akuten Peritonitis — wenigstens in
der ersten Zeit — mehr ein periodischer, von peristaltischen
Bewegungen des entzündeten Darms herrührender. Hier war der
Schmerz ein dauernder, eine unsägliche anhaltende Qual.
Derartige feine Unterschiede in den Symptomen der Peritonitis
und der Pankreatitis sind sicher vorhanden. Die richtige Würdigung
und Verwertung gelingt aber meistens erst post festum. Trotz allen
diagnostischen Scharfsinns wird es nur in seltenen Fällen gelingen,,
über eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose hinauszukontuten. m
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
rao4
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Diskussion: Herr Matthes-Köln fräst an, oh Melliturie
vorhanden war und wie die Cammidgeprobe ausgefallen ist,
macht darauf aufmerksam, dass Durchwanderungspleuritiden bei
Fettgewebsnekrose polynukleäre Leukozyten führen und betont,
dass die Actiologie doch noch unklar ist. Jedenfalls könne man wirk¬
sames Pankreassekret in das Unterhautfettgewebe spritzen, ohne dass
Nekrosen entstehen.
Herr W i t z e 1 - Düsseldorf bestätigt, dass zurzeit die Diagnose
der akuten Pankreasnekrose klinisch nicht möglich ist. Die Fälle
bieten in der Regel durchaus die Symptome der Appendixperforation.
Man findet bei der Inzision ein hämorrhagisches Exsudat und dann
beim weiteren Nachsehen die weissen F’ettnekrosen. -- Anders bei
dem ausgebildeten Pankreasabszess. Hier bestehen die Symptome
in der Oberbauchgegend.
Zucker war in den Fällen im Urin nicht nachweisbar.
Herr Bardenheuer - Köln bespricht die Entstehung und
Behandlung der subkutanen Kompresslonslähmungen.
Die Lähmungen der peripheren Nerven entstehen oft infolge
eines akut oder chronisch (langsam) wirkenden Druckes. Derselbe
entsteht selten allein durch Ueberdehnung; hierzu gehört gleichzeitig
eine Fixation des Nerven an einem oder mehreren Punkten entweder
durch Verwachsung desselben mit dem Knochen oder durch Ein¬
klemmung zwischen 2 Knochen.
Relativ häufig ist die Entstehung der Lähmung der unteren Wur¬
zeln des Plex. cervicalis durch starke Elevation und gleichzeitige ab¬
norme Rotation des Oberarmes (er teilt 3 Fälle vom letzten Jahre mit.
wo er diese Entstehung beobachtete. 1 mal entstand sie durch Fall
auf die Schultcrhöhe, wobei die 5. und 6. Wurzel zwischen dem Quer-
fortsatze des 6. und 7. Querfortsatz.es und der Klavikula eingeklemmt
und vollständig durchquetscht wurde, während die 7. und s. Wurzel
nur gequetscht wurde. Es bestand eine komplette Lähmung
des ganzen rechten Armes. In diesem Falle besserte die Naht der
5. und 6. Wurzelenden den Zustand rasch, während die Lähmung der
7. und 8. Wurzel innerhalb 8 Tagen schwand. Die Entfernung des in
der Nervenscheide Vorgefundenen Blutes, der Lymphe und des ent¬
zündlichen Exsudates war genügend, um die Unterbrechung der
Nervenleitung zu beheben.
Referent ist der Meinung, dass bei der Kompression die intra-
und perineuralen Blut- und Lymphgefässe zerrissen seien und dass
durch den Druck seitens des Blutes, der Lymphe in den epi-, peri-
und endoneuralen Räumen eine Entzündung entstanden sei. w eiche
die Nervenleitung unterbrochen habe und vielleicht auch noch bei
längerem Bestehen zu einer kompletten Unterbrechung des Nerven
und zu einer sekundären Degeneration des peripheren Stückes ge¬
führt hätte.
An der Hand dieses Falles ist er daher der Mdnung, dass bei
solchen traumatischen Lähmungen, wofern inncrliülb 14 Tagen
eine Steigerung der elektrischen Erregbarkeit mit sekundär
folgender Entartungsreaktion sich zeigt (was fiir eine tiefere Ver¬
letzung, eine Durchtrennung des Nerven spricht), es geboten sei, den
Nerven blosszulcgen und eventuell, wenn man durch die Palpation
die intravaginale Durchtrennung des Nerven konstatiert, die Nerven¬
scheide in der Länge zu spalten und die Nervenenden zu vernähen:
wenn aber das lange Andauern der kompletten Lähmung, ohne das
Auftreten der Entartungsreaktion, nur auf eine leichtere Läsion des
Nerven hinweise, man gleichfalls berechtigt sei, den Nerven bloss-
zulegen, die Nervenscheide zu spalten, aber nur das entzündliche
Exsudat abzulassen, um so die Ursache für das Bestehen der Läh¬
mung und die endoneuralc Spannung zu heben.
In einem 2. Falle, wo die Lähmung durch starke Elevation und
Retroversion des Oberarmes entstand, verweigerte Patient die Opera¬
tion, die Lähmung bestand hier monatelang ohne dass eine wesent¬
liche Aendcrung eintrat.
B. hält daher bei Entbindungslähmungen, wo die Prognose aller¬
dings im allgemeinen relativ günstig ist, doch unter den obig skiz¬
zierten Verhältnissen die Operation, die Blosslegung des Plexus fiir
indiziert, da doch zuweilen das Leiden für das ganze Leben bestehen
bleibt.
Er stellt ausserdem noch einen Fall von Drucklähmung des
Rückenmarkes vor bei einer bestehenden Kvphosis als Folge einer
Caries tiiberc.: die Lähmung. Paraplegie mit kompletter Sphinktercn-
lähmung der Blase und des Rektums mit einer totalen Aufhebung der
Sensibilität bis zum Nabel und mit heftigen tonischen und klonischen
Krämpfen der Beine bestand seit 3 Jahren.
Durch die Lamniektomic in der Ausdehnung vom 5.—11. Wirbel.
Entfernung des Wirbelbogens (ohne Eröffnung der Dura) trat rasch
eine Besserung ein, das Gefühl kehrte in 6 Wochen wieder; die Re-
flcxkrämpfe schwanden im Laufe eines Jahres, die Lähmung der
Sphinktereil innerhalb 5—6 Monaten, und heute nach genau 1 Jahre
kann Patientin in einem Laufstuhle herumgehen.
B. wirft die Frage auf: In welcher Weise hat sich hier die Ner¬
venleitung wiedcrhergcstellt? Etwa allein durch die Aufhebung des
Druckes oder durch Bildung von Neufibrillen zw ischen den Ganglien
des Rückenmarkes? Nach den Untersuchungen und Experimenten
von J e n k e 1. B o r s t etc. ist letzteres möglich.
Bei der Blosslegung der Medulla ergab sich, dass dieselbe im
f : ' i'. te des Giblws iiir die Palpation stark verdünnt, atrophisch, ober¬
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halb und unterhalb der Verdünnung aber normal gespannt, eher ver¬
dickt war.
B. bespricht noch 2 Falle, welche er nicht vorstellen konnte, da
er ihrer nicht habhaft zu werden vermochte.
ln dem einen Falle handelte es sich um eine seit 2 Jahren be¬
stehende komplette Lähmung des N. peron. und tibial. des linken l uter-
schenkels, welche entstanden war muh einer Fract. suprac<»iui\ i. fern.
Die motorische Lähmung war eine komplette, die Sensibilität voll¬
ständig aufgehoben; es bestand ein Dekiilmalgeschw ur an der Ferse,
welches trotz rationeller Behandlung nicht au sh eilen wollte.
B. legte von einem longitudinalen Schnitte aus die Pophteal-
gegend bloss und fand den Nerv, peron. und tihiaäs \ <>n Narbeii-
gewebe umgeben und die Nerven selbst stark verdünnt, bläulich ver¬
färbt. Oberhalb und unterhalb der Verdünnung sali der Ner\ gl...nyend
weiss aus. war stark verdickt gegenüber dem normalen Umfange
des betreffenden Nerven im zentralen \ erlaufe desselben.
Nach der Exzision der Narbe trat äusserst rasch die Heilung ein.
die Sensibilität kehrte rasch (innerhalb 14 lagen) wieder; ebenfalls
die motorische Funktion der Muskeln; das Geschwür heilte trotz
frühzeitigen Merumgeheiis von selber innerhalb 3 Wochen.
B. wirft die Frage auf: Worauf beruht hier die Besserung? Auf
der Aufhebung der Konstriktion allein und der hierdurch bedingten
W iederkehr der Nervenleitung oder aui der raschen Neubildung xoti
Nervenfasern zwischen den beulen Nervenenden? I ur letzteres
spricht etwas das Bestellen der starken, noruialgeiarbteu. gliicii-
mässigen (nicht knotigen) Anschwellung der Nerven oberhalb und
unterhalb der atrophischen Ncrvenvlmke. gicichs.im als ob daselbst
sich Neurofibrillen entwickelt hatten. Fs lasst sich \\ * •! l! denken, dass
nach der Aufhebung der Einklemmung die Neufibrillen rasch aus-
lind dem peripheren Stucke entgegenw uchseii.
Er bespricht noch einen anderen Fall, wo mich einer Operation
ein Tuberkul. des Os isclm und ( K ilei (des oberen Randes der Itids.
ischiadica, eine Ischias entstand. Die W unde heilte aus. es entstand
aber eine heftige Neuralgie. Bei der Operation war der Nerv,
ischiadicus von Narben umgeben und ward gegen das Os isclm ge¬
zerrt. Durch die Exzision des N irbeiigcw ebes und \eriagening des
N. ischiadicus zwischen 2. Muskebapperi weLhe aus dem (ilutueus
maxim. gebildet waren, ward die Neuralgie geheilt.
Hier stellt B. wiederum die Frage. Woher kommt es. dass die
Einklemmung des N. ischiadicus nur eine Neuralgie und jiuht gleich¬
zeitig eine Lähmung desselben hervorruft. Haben die sensiblen
Nerven, resp. besser gesagt die Nerven, welche die Empfindung des
Schmerzes (vielleicht die svnipath. Nervenfasern O ppe n h e i m) ver¬
mitteln eine weniger geschützte Lage als die motorischen und sen¬
siblen Nervenfasern.
B. spricht auch die Neuralgie der übrigen Nerven des Trigeminus
etc. als eine Druckwirkung seitens der knöchernen Knmbwaiide an.
Diskussion: Herr S cli n I t / e - Bonn: Bei der Beurteilung
von Besserungen peripherer Lähmungen durch Druck oder nach
Trauma sind die Feststellungen von Head richtig, der /. B. folgen¬
des fand: Fr liess an sich selbst eimn ober ti.ich iJien Ast des
Radialis dnrchschneideii und fand, dass damuh die Berühr ungs-
enipfirullichheit in dem zugehörigen Bezirke der Haut völlig erhalten
blieb; auch die Empfindung für Schmer/ wurde bald wieder her-
gestellt.
Bei den Besserungen von Kompressioiisfo'gen des Rückenmarks
spielt die Hauptrolle wohl die Aufhebung der I. vmphstauung im
Rückenmark. I ine starke Zerstörung durch I nt/imdurig liegt ge¬
wöhnlich nicht Vor. also keine Kompressiopsmv e'itts. Eine gewisse
Regeneration kommt von den einstrabU nJen Sensiblen W ur/elfasern
zustande, wie nachgewiesen winde. < >b suh die P\ ramnk nbahn-
fasern nicht auch etwas rrmiei icre” könne« weiss man noch nicht.
Herr R u in p f - Bonn: I )er von Herrn K’o'lec« n B n r d e n h e u e r
demonstrierte Fall Voll transversaler Beemtrachtigurig des Rücken¬
marks. w elcher nach 3 Jahren durch (iperatu«»» der tuberkulösen
Wirbelsäule eine beträchtliche Besserung erfahren hat. giriert itm
allgemeinen zu den Seltenheiten. Ich habe mindestens sechs, ich
glaube aber mehr Falle aus ähnlicher Frs.uhe operieren lassen und
cs ist mir dann eine Besserung ein getreten, we'ü das Ru keu'ma i k
nur m einem kleinen I eil oder nicht geschädigt war. Ich sah das
einmal bei W n beis.uileufuber' iilos,- Und /wtitral bei Irakrur der
Wirbelsäule, bei welchem das Rückenmark se'bst nur wenig oder cur
nicht lädiert war. In der Mehrzahl der Falle. we'Jie eine völlige
Kompression resp. Erweichung des Rückenmarks zucten. trat trotz
der Fortualmie der komprimierenden Knochen keine Spur einer
Besserung von Motditat und Sen.srbiiit.it ein. Nur Basen« und Mast-
darmfimktionen besserten sich. Fine Vubihhi”'' von leitenden B.dmen
des Rückenmarks konnte ich in den schweren EWn nicht beob.uhten.
Herr B :i r fl c tr h euer erwidert dem Finvvurfe von Prof.
Rumpf gegenüber, dass er in seinem Falle von Ric ketimarks-
kompression keine (Jueriasu.n suppoimrt habe.
Herr \V e g e I c - Königs! ..ru : Leber Polyposis xcntricuH
multiplex.
\’ortr. weist zunächst auf die Sehen heit der in Rc ’e stehenden
Affektion hin. die in der deutschen 1 üva'.ur nur weh Beacbtung
gefunden hat. dagegen in Frankreich öfter K• •bäcli’et und beschrieben
wurde. Fr hatte Gelegenheit, einen s-hhin Fad zu behandeln, der
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1805
klinisch die Symptome eines Magenkarzinoms bot und bei dem jede
Magensondierung einen Gewebsfetzen zu Tage förderte. Die mikro¬
skopische Untersuchung durch Herrn Prof. Jores-Köln liess
Karzinom nicht völlig ausschliessen; bei der Operation zeigte sich die
ganze Magenschleimhaut mit hunderten grösseren und kleineren
Polypen übersät. Da der Pylorusteil besonders befallen war, wurde
die Gastroenterostomie gemacht (Geh. Rat Bier). Vortr. erörtert
am Schluss die Möglichkeit der karzinomatösen Degeneration dieser
Polypen auf Grund des mikroskopischen Befundes und der vorliegen¬
den Erfahrungen der Autoren.
Diskussion: Herr Jores-Köln: Bei der mikroskopischen
Untersuchung des Stückchens ergab sich eine adenomatöse Wuche¬
rung. Die Frage, ob diese bereits in destruierendes Wachstum über¬
geht, ist auf Grund der „Stückchendiagnostik“ meist nur schwer und
unsicher zu beantworten.
Herr von den Velden-Düsseldorf: Zur Pharma¬
kologie des Kochsalz.
V. streift die Frage über die physiologische Dignität der
Salze, ob sie nur als Energievermittler oder auch als Energie¬
träger anzusehen sind. Seine mitzuteilenden Resultate stehen
mit 2 Tatsachen in Verbindung: 1. Der grossen Bedeutung der
Chloride für die Funktionstüchtigkeit des Zentralnerven¬
systems; 2. der Anregung des Flüssigkeitsstromes zwischen
Gewebe und Qefässystem durch Kochsalz.
Beim ersten Punkt berichtet V. über Resultate am
tierischen und menschlichen Kreislauf, die eine deutliche
Besserung der Anspruchsfähigkeit bis zur Uebererregbarkeit
gewisser nervöser Zentralorgane nach Kochsalzzufuhr zeigten.
Er teilt ferner die Ergebnisse von Stoffwechseluntersuchungen
am Menschen mit. Bei gewissen Fällen von genuiner Epilepsie
gelang es ihm, durch NaCl-Zufuhr epileptische Insulte ein¬
wandsfrei auszülösen, ebenso wie bei zwei Fällen von chro¬
nischer Nephritis, Urämie.
Mit dem zweiten Moment bringt V. in Verbindung Resul¬
tate, die er bei dem Studium der Blutkatalase, der Gerinnungs¬
fähigkeit und der Viskosität des Blutes an Tier und Mensch
erhalten hat, Resultate, die bei Zusatz von NaCl in vitro
nicht zu erzielen sind und nur bei Passage des Salzes durch
den Tierkörper eintreten, im Sinne einer Erhöhung sämtlicher
angeführten Eigenschaften des Blutes.
Während diese unter 2 angeführten Ergebnisse sich auch
durch Bromide nicht durch Jodide erzielen lassen, den Salzen
also wohl eine rein physikalisch-chemische Rolle hier zufällt,
ist dieser Erfolg bekanntlich bei den unter 1. angeführten
Momenten nicht vorhanden, so dass es sich hier doch wohl
um spezifisch chemische Wirkungen handeln muss.
Als praktisches Ergebnis resümiert V. die kochsalzarme
Ernährung bei Uebererregbarkeit des Zentralnervensystems,
event. die Entchlorung durch Brom (wie sie sich auch schon
bei gewissen Nephritisformen gut bewahrt hat) und die Be¬
handlung *der Hämoptoe mit Kochsalz oder Bromiden. Die
klinischen Erfahrungen sprechen sehr für diese einfache
Therapie, die als altes Volksmittel hiemit in ihrer Wirkungs¬
weise unserem Verständnis näher gerückt ist.
Herr Liebermeister -Köln: Ueber Meningokokken¬
sepsis. (Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochen¬
schrift.)
Herr Finkelnburg- Bonn: Ueber das Babinski-
sche Phänomen beim epileptischen Anfall.
Nachdem Babinski in Arbeiten aus den Jahren 1896
und 1898 zuerst darauf aufmerksam gemacht hatte, dass bei
organischen Nervenkrankheiten, die mit Erkrankung der
Pyramidenbahnen und spastischen Erscheinungen einhergehen,
sehr häufig statt der normalen Plantarflexion der Zehen schon
bei schwachen Reizen von der Fussohle aus eine Dorsalflexion
der grossen Zehe allein oder verbunden mit Dorsalflexion der
übrigen Zehen auftritt, hat diese Erscheinung unter dem Namen
des Babinski »sehen Phänomens eine anerkannte
diagnostische Bedeutung gewonnen.
Die Mehrzahl der Nachuntersucher hat die Angabe
B a b i n s k i s bestätigen können, dass bei richtig aus¬
geübter Untersuchungstechnik eine Dorsal-
flexion der Zehen bei gesunden erw achsenen
Personen und bei Kranken mit rein funktionellen
Nervenstörungen nicht vorkommt und dass somit dem
Phänomen als Unterscheidungsmerkmal zwischen hyste¬
rischen und organischen Lähmungen pathognomonische Be-
. deutung zukommt. Von entgegenstehenden Ansichten er¬
wähne ich die Angabe von W. Roth in seinem Referat auf
dem Congres de mödecime 1900, dass man ausnahmsweise eine
Grosszehendorsalflexion bei der Hysterie sehe; ich weise
weiter auf die äusserst seltenen Beobachtungen hin, in denen
nach Goldflam bei nicht organisch Nervenkranken', z. B.
bei chronischem Gelenkrheumatismus mit sekundären Kon¬
trakturen und bei schmerzhaften Affektionen des Unter¬
schenkels, das Babinski sehe Zeichen auftrat. Hier handelt
es sich um reine periphere, mechanische Ursachen, die bei
der Diagnosenstellung unschwer ausgeschaltet werden können.
In späteren Arbeiten (1898 und 99) hat dann B. schon
darauf aufmerksam gemacht, dass sein Phänomen auch vor¬
übergehend bei epileptischen Anfällen zum Vor¬
schein kommen könne, während er es bei hysterischen
Anfälfen stets vermisst habe. Diese Mitteilung gab einigen
französischen Autoren Veranlassung, das Verhalten des Fuss-
sohlenreflexes bei Epilepsie während und nach den Anfällen
genauer zu verfolgen. Diese Untersuchungen hatten das
interessante Ergebnis, dass verhältnismässig häufig kürzere
oder längere Zeit nach dem epileptischen Insult das Zeichen
ein- oder doppelseitig nachweisbar war; in den Fällen mit
positivem Babinski bestand meist gleichzeitig eine Steigerung
der Sehnenreflexe. So sah Charüel unter 33 Kranken das
Zeichen 27 Mal am Ende der Anfälle und in der Periode der
Schlafsucht, Crouzonbei27 Kranken 17 Mai; bei gehäuften
Anfällen war das Phänomen in einem Falle nach 7 Stunden
nach dem letzten Insult auslösbar. Weiterhin wurde dann
von einer Reihe von Autoren über das nicht seltene Auftreten
der Dorsalflexion bei den Anfällen der progressiven Paralyse
berichtet. In Deutschland hat man dieses Symptom bei Epi¬
lepsie kaum beachtet, so dass es in Lehrbüchern und selbst
in Monographieen über Epilepsie (B i n s w a n g e r) gar nicht
erwähnt wird.
Unsere eigenen Beobachtungen, die den letzten Jahren
entstammen, fussen auf 31 Fällen, in denen während oder un¬
mittelbar nach Krampfanfällen der Sohlenreflex kontrolliert
werden konnte; in 23 Fällen handelte es sich um genuine
Epilepsie, in 8 Fällen um ein- oder doppelseitige Krämpfe bei
Gehirntumoren, Gehirnabszess und bei Urämie; 19 Mal, also
in 61 Proz. unserer Beobachtungen, war ein- oder doppel¬
seitige Dorsalreflexion der grossen Zehe vorhanden und zwar
in der Regel einige Minuten lang bis zu Vi Stunde nach dem
Abklingen der eigentlichen Krampfperiode, einmal sogar noch
3 Stunden nachher; in zwei Fällen von Gehirntumoren war das
Zeichen regelmässig nur einseitig auf der dem Sitz der Ge¬
schwulst gegenüberliegenden Körperseite nachweisbar, so dass
wir einen Hinweis ahf den Hemisphärensitz des Tumors hatten,
den die Sektion bestätigte. Ein Abhängigkeitsverhältnis
zwischen* Schwere der Epilepsie und dem Auftreten des
Babinski lässt sich aus unseren Beobachtungen mit einiger
Wahrscheinlichkeit nicht entnehmen; unter den 12 Kranken
mit negativem Babinski befanden sich solche mit schweren
Krampfattacken und andererseits war nach leichteren An¬
fällen das Zeichen deutlich auslösbar. Immerhin sind die Be¬
obachtungen von Pastrovich und Räcke beachtenswert,
in denen gerade das Phänomen nach gehäuften Anfällen und
während eines längeren Dämmerzustandes stundenlang nach¬
weisbar war. Unter 4 Fällen von Petit mal sah ich es einmal.
Bei hysterischen Anfällen haben wir den Babinski
bisher n i e beobachtet.
Unsere Untersuchungen stehen also durchaus im Einklang
mit den Angaben der französischen Autoren über die relative
Häufigkeit des Babinskizeichens nach den epileptischen In¬
sulten. Der positive Befund bietet in den Fällen, in denen der
Arzt den Anfall selbst nicht beobachten konnte, ein wertvolles
diagnostisches Hilfsmittel. Denn während sich
ein überstandener epileptischer Anfall nur äusserst selten
durch eine längere Zeit den Anfall überdauernde Pupillenstarre
oder posthemiplegische Lähmung kennzeichnet, scheint der
postepileptische Babinski verhältnismässig häufig
zu sein.
In welcher Weise können wir uns das Zustandekommen
der Dorsalflexion erklären? Der Erklärungsversuch, der dem
klinischen Beobachtungsmaterial am meisten gerecht wird.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1806
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
geht von der durch die Physiologie und Pathologie gestützten
Anschauung aus, dass als normaler Uebertragungsort der
Hautreflexe das Orosshirn in Betracht kommt, dass also der
Reflexbogen des normalen Fussohlenretlexes im (irosshirn liegt.
Wir sehen nun, dass, wenn im Schlaf oder bei pathologischen
Zuständen im Koma und epileptischem Anfall die Gross-
hirntätigkeit bis zu einem gewissen Grade a u s g e -
schaltet wird, der normale Plantarreflex schwinden und
statt seiner eine Dorsalflexion auftretcn kann. Wir wissen
ferner, dass bei vollständiger (,)uerläsion des Rückenmarks
das B a b i n s k i sehe Zeichen beobachtet worden ist (J o I l y,
Kausch), so dass mit Sicherheit als Uebertragungsort für
den dorsalen Zehenreflex das Rückenmark in Betracht kommt.
Man darf also annehmen, dass bei Reizung der Fussolile
sich 2 Reflexe auslösen lassen, von denen unter normalen
Bedingungen nur der Hirnrindenreflex in Gestalt einer Plantar¬
flexion zum Vorschein kommt. Wird bei pathologischen Zu¬
ständen die Bahn dieses Hirnrindenreflexes geschädigt, so
' überwiegt der Rückenmarksreflex in Gestalt einer
Dorsalflexion der Zehen.
Dabei braucht bei krankhaften Zuständen der normale
Plantarreflex keineswegs ganz geschwunden zu sein; er ist
häufig nur verdecktdurchden spinalen B a b i n s k i.
So sieht man namentlich nn Beginn einer multiplen Sklerose
einen auffallenden Wechsel zwischen normalem Selinenreflex
und dem dorsalen Typus; auch kann man nicht selten je nach
der Intensität und der Reizqualität einen der beiden Reflexe
auslösen (E. Mülle r). Ebenso tritt das Wechselspiel mit
spinalem und zerebralem Sohlenreflex bisweilen bei Hemi¬
plegien zu Tage, in dem von der Sohle des gelähmten Beines
Babinski, von der gesunden Seite dagegen am gelähmten Bein
ein normaler Plantarrcflex auslösbar ist.
Das vorübergehende Auftreten des Babinski bei Epilepsie
dürfen wir also darauf zurückführen, dass nach den Anfällen
die Leitungsbahnen des Gehirns bisweilen so geschädigt sind,
dass die Uebertragungsmöglichkcit des Hirnrindcnreflexes
fehlt und nun der spinale Reflex überwiegt. Bei den hyste¬
rischen Anfällen scheint eine derartige funktionelle Storung
nicht vorzuliegen, so dass bis auf weiteres das Habinski¬
zeichen für Epilepsie charakteristisch ist. Freilich müssen wir
ja bei der Hysterie immer auf Ucbcrraschungen gefasst sein,
da ja selbst das klassische Zeichen der Epilepsie, die Pupillen¬
starre, auch bei hysterischen Attacken festgestellt werden
konnte.
Diskussion: Herr Schiller- Essen: Sch. hat im Jahre |s«;o
am dem grossen Material der Charite in Berlin Untersuchungen über
das Babinski sehe Phänomen angestellt und solches nicht nur bei
Störungen der Pyramidenseitenstränge, sondern auch in einem Falle
von anämischer Hinterstrangdegeneration und 2 hüllen von Tabes,
sowie in einem Falle von Hysterie positiv gefunden. Bei Epileptikern
hat Sch. ebenfalls Untersuchungen vorgenommen und keinen positiven
Ausfall der Probe gesehen. Es kann daher das Babinski sehe
Phänomen nicht als unbedingt pathologisches Unterscheidungs/cichcn
zwischen organischer und funktioneller Erkrankung angesehen
werden. Wie dasselbe gerade bei der Epilepsie zu erklären ist, ist
Sch. nicht recht verständlich.
Herr S c h u 11 z e - Bonn: Die Untersuchungen auf der medi¬
zinischen Klinik in Bonn sind mit Sorgfalt gemacht worden und haben
bis jetzt das Ergebnis gehabt, dass bei keinem Falle von hysterischen
Anfällen Erwachsener das B a b i n s k i sehe Phänomen sich zeigte.
Selbstverständlich ist die Möglichkeit vorhanden, dass es hie und da
auch einmal bei Hysterie Vorkommen kann, gerade so wie die
Reaktionslosigkeit der Pupillen gegen Licht. Sind doch auch bei
hysterischen Anfällen Dämmerungszustände vorhanden, die vielleicht
zu ähnlichen Veränderungen des (irosszehcnreflexes führen, wie die
Veränderung des Gehirns bei epileptischen Anfällen. Bisher ist uns
aber das Erscheinen des B a b i n s k i sehen Reflexes nach epilep¬
tischen Anfällen von grosser Bedeutung gewesen.
Herr M i c h c 1 s - Düsseldorf: In der J o 1 I y sehen Klinik haben
wir nach epileptischen Anfällen häufig das Babinski sehe Phä¬
nomen beobachtet. Besonders trat dieses Zeichen nach gehäuften
Anfällen oder schweren Attacken auf. Bei einem Jungen Mädchen,
welches an sehr häufigen Petit-mal- Anfällen leidet, habe ich in der
letzten Zeit oft das Babinski sehe Zeichen nachw eisen können,
doch ist es nicht nach jedem Anfall vorhanden.
M. richtet an den Vortragenden noch die Frage, ob er auch das
O p p e n h e i m sehe und M e n d e 1 sehe Phänomen postparoxysmal
beobachtet habe. M. hat diese Zeichen bis jetzt vermisst.
Herr Finkelnburg (Schlusswort): Pass bei hochgradig
Anämischen und bei Tabes das Babinski sehe Zeichen beobachtet
rden ist, kann nicht gegen seine anerkannte pathognomonische Be¬
deutung sprechen. Gerade bei Anämie finden sich bekanntlich aus
gesprochene Ruckenmarksverander ungeii. die zu Pegencr atiom. n der
P\ rarmdenbalmen fuhren können. In den auss^rst seltenen fu. cn.
in denen das Zeichen bei I abes beobachtet worden sein s.. ; I. tragt er¬
sieh. ob nicht gleichzeitg eine Paia!\se im Anzug war oder Eins
spmalis \orlag. bei der das Zuehen natürlich \ • >rk< •rsmeii kann. \m
den M e n d e I sehen Reflex habe ich nicht geprüft. Per Oppen¬
heim sehe Reflex war einmal deutlich iiw eisbar neben c.e'i
Balunski.
Herr M e i s s e n - Mnlienlnmiiei: Tuberkulinproben und
Tuberkulinkuren.
Das Ergebnis der Ausführungen des Vortrages ist fol¬
gendes:
1. Die Abnahme der Tuherkulosesierhhchkeb in England
lind Deutschland seit 2 3 Jahrzehnten beruht nicht auf eitler
Abnahme der tuberkulösen I n i e k t i o n. sondern auf der
Verminderung der tuberkulösen Erkrankt! n g infolge der
snzialliygieiuscheii Fortschritte. Tuberkulose Infektion und
tuberkulöse Erkrankung sind nicht identisch und müssen ge¬
trennt werden: Jene, deren Häufigkeit durch die Sektions¬
ergebnisse der pathologischen Anatomie sicher erwiesen wird,
ist ein Zustand, der zur tuberkulösen Erkrankung fahren kann,
aber nicht führen muss. Zur Entwicklung dieser gehören
allermeist auslosende Momente, aut die wir durch die allge¬
meine Gesundheitspflege einwirken können und eingewirkt
haben.
2 . Die s u h k u t a n e T u b e r k u 1 i n p r n b e (R. Ko c h)
ist ein seht fernes Reagens sowohl für die tuberkulöse Infektion,
wie für die tuberkulöse Erkrankung. Sie ist nicht ganz un¬
gefährlich. und überdies für die klinische Diagnose im allge¬
meinen zu fein. Für diese eignet sie sich nur in solchen Fallen,
wo die auftretende lokale Reaktion dem Auge zugänglich ist.
3. Die k u t a n e T u b e r k u 1 i n p r o h e (v. P i r q u et)
steht an Empfindlichkeit der subkutanen kaum nach; durch ihre
Einfachheit und völlige Gefahrlosigkeit eignet sie sich ganz be¬
sonders zur Untersuchung der Verbreitung der tuberkulösen
Infektion, um die Ergebnisse der pathologischen Anatomie zu
ergänzen.
4. Die k o n j ti n k t i v a 1 e T ti b e r k u I i r p r o b e
(\V o 1 f i - F i s n e r) ist bei richtiger Ausführung durchaus un¬
bedenklich; sie eignet sich anscheinend zu prognosti¬
schen Z w e c k e n. d. h. zur Beurteilung der Widerstands¬
fähigkeit des tuberkulös erkrankten Organismus: Fehlende
oder sehr schwache Reaktion bei man,fester Lungentuber¬
kulose ist von übler Vorbedeutung, positiver Ausfall bedeutet
mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass der Organismus noch
kampffähig ist und mit Unterstützung hygienisch-diätetischer
Massnahmen vielleicht zum Siege gelangen kann.
5. Das Tuberkulin in allen bisher angegebenen Formen ist
kein erwiesenes direktes Heilmittel der Tuberkulose. Seme
Anwendung erfordert grosse Vorsicht und sorgfältige l'eber-
wachung, wie sie im allgemeinen mir in K rarkenhä'i<crn und
Anstalten möglich ist. Die Tuberkulinkur sollte nur in aus-
gewählten Fällen versucht werden nach einem Verfahren, das
sich auf die zweifellos vorhandene hyperamisu. reit de. an¬
regende Einwirkung auf die tuberkulo^n Herde stutzt, da¬
gegen auf die streitige immunisierende Wirkung verzichtet,
also besonders grosse Gaben gar nicht erstrebt. Hierdurch
wird sie ganz gefahrlos und kann vielleicht /um Erfolge bei¬
tragen.
Herr M a 11 h e s - Köln : Zur Diagnose einiger Darm-
erkrankungen.
Vortragender hebt hervor, dass über den modernen Unter-
siichungsniethoden häufig eine der wichtigsten, nämlich die
Untersuchung in Narkose vergessen wiirJe. An einigen Bei¬
spielen wird gezeigt, von welcher Bedeutung eure frühzeitige
Narkosemintersiichung sein kann. Abgesehen davon, dass mau
sonst nicht palpable Geschwülste oder Abszesse rechtzeitig
findet und dem Chirurgen Zufuhren kann, ist die Narkose auch
deswegen unerlässlich, weil sie das e:r./ege Mittel ist. eine
starke spastische Darmkontraktion ais solche zu erkennen und
von einem Tumor zu differenzieren. \ ortrageuder fahrt als Illu¬
stration einen Fall an. dem bereits die Exstirpation des angeb¬
lichen Rektalkarzinoms enrpf«war. bei dem aber der an¬
gebliche ’I mnnr in Narkose vollständig verschwand. Vor¬
tragender rät dringend, jeden irgeudw ie unklaren Eall früh¬
zeitig in Narkose zu untersuchen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1 1807
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 20. Juli 1908.
Herr Fr. Klein: Die Bedeutung der den Stäbchen und
Zapfen vorgelagerten Netzhantschichten für das Sehen und die
Rolle des Pigmentepithels.
Eine Anzahl, von Tatsachen sprechen dafür, dass beim
Sehen, zunächst von Nachbildern, ausser den Stäbchen und
Zapfen noch andere Netzhautschichten beteiligt sind.
Die Phylogenese des Auges.
Bei Wirbellosen stülpt sich das Auge an einer Stelle des
Ektoderms ein, die nicht dem späteren Medullarrohr an¬
gehört. Die ursprünglich äusserste Schicht bildet die Seh¬
zellen ; sie sind dem Lichte z u g e k e h r t. Bei Tintenfischen
erreicht dieses Auge insofern eine grosse Vollkommenheit, als
es sämtliche Hilfsapparate des Wirbeltierauges, Linse, Ziliar¬
körper, Iris, Kornea und Augenlider besitzt. Einen blinden
Fleck besitzt es nicht. Trotzdem geben die Wirbeltiere (und
schon einige Wirbellose) diesen Weg der Entwicklung auf und
verlegen die Augenanlage auf die Medullarplatte, so dass sie
später als Ausstülpung des Medullarrohrs erscheint. Durch
Einstülpung der Augenblase von vorn (von der Körperober¬
fläche) und unten entsteht ein Auge, dessen Netzhautschichten
umgekehrt wie bei den Wirbellosen liegen, d. h. die
Stäbchen und Zapfen sind vom Lichte abgekehrt. Diese
Umkehrung ist um den Preis einer blinden Stelle erkauft, die
einen Mangel des Auges darstellt. Auch sind die Netzhaut¬
schichten nicht vollkommen durchsichtig (Qefässe). Die An¬
nahme liegt nahe, dass diese Nachteile überwogen werden von
Vorteilen: Das Licht durchsetzt eine Anzahl von
Schichten, bevor es die Sehzellen erreicht: Dies könnte von
funktioneller Bedeutung sein.
Dife Anzeichen einer Funktion der vorge¬
lagerten Schichten.
Das Wegreiben des Druckphosphens.
Schwacher Druck in der Netzhautperipherie gibt einen
hellen Fleck, stärkerer einen dunklen Fleck mit hellem Rand
(die Randzone entspricht dem schwächeren Druck).
Dies beruht keinesfalls auf mechanischer Reizung
der Stäbchen und Zapfen, denn durch anhaltendes
Reiben lässt sich der Fleck vollständig zum
Verschwinden bringen. (Archiv für Physiol. 1905,
S. 149 f.) Die vorher durch den Fleck verdeckten Aussen-
dinge werden dann ganz so gesehen, wie gewöhnlich (Ver¬
brauch einer Substanz!). Der weggeriebene Fleck lässt sich
im Hellen nach ganz kurzer Pause Sekunde) im Dunkeln
erst nach mindestens zwanzigfach längerer Pause durch
Druck von neuem erzeugen. (Regeneration der Substanz
abhängig vom Licht!.)
Der durch Druck oder Reiben hervorgerufene Prozess
wirkt, wenn schwach, auf die Stäbchen und Zapfen w i e
Licht; wenn stark, gibt er die Empfindung „Dunkel“
(erinnert an ein negatives Nachbild!); da der Fleck die Aussen-
dinge verdeckt, so muss der ihm zu Qrunde liegende Pro¬
zess in einer vor den Sehzellen liegenden Schicht lokalisiert
sein. Der durch stärkeren Druck hervorgerufene Prozess
verändert die Netzhaut für die Dauer seines Bestehens so,
dass sie undurchsichtig für äusseres Licht wird!
Die Hypothesen zur Erklärung des Druckphosphens,
welche dasselbe auf mechanische Reizung der Stäb¬
chen und Zapfen zurückführen wollen, sind durch das
Wegreiben widerlegt.
Erhöhung des intraokularen Drucks; Druck¬
bilder.
Durch Druck vorn auf den Bulbus des geschlossenen
Auges erscheinen anfangs meist helle und dunkle Wellenzüge,
dann Bilder, die durch leuchtend helle oder dunkle, vom
blinden Fleck ausgehende Qefässe mit Sicherheit als Netz¬
hautbestandteile erkannt werden. Die Bilder sehen genau aus,
wie mikroskopische Präparate. Charakteristisch für die ein¬
zelnen Bilder sind Striche, die je nachdem kurz und gerade
oder kurz und gebogen, oder länger und zu gewellten Büscheln
vereinigt sind, oder aus Punktreihen bestehen. Auch die
Striche können hell oder dunkel sein. Die Prozesse, welche
diese Bilder erzeugen, indem sie auf die Stäbchen und Zapfen
wirken, wie Licht, müssen sich in mehreren Schichten
abspielen.
Durch plötzliches Oeffnen des Auges lassen sich diese
Druckbilder nach aussen auf eine helle Fläche projizieren.
(Möglichkeit der Messung.) — Einige (halbschematische)
Zeichnungen solcher Druckbilder werden vorgezeigt. — Wird
der Druck in vollständiger Dunkelheit ausgeführt, so nimmt
der Erfolg bald ab. (Verbrauch einer Substanz, langsame
Regeneration im Dunkeln!)
Nachbilder.
Aus einer Uebersicht über die Nachbilder sei erwähnt,
dass an Stelle des sekundären positiv-komplementären
(Purkinje sehen) Nachbildes bei schwächerer Belichtung
(in der Dämmerung) ein negatives Nachbild treten kann;
dieses dunkle Nachbild kann einen scharfen, leuch¬
tend hellen Rand haben und zwei leuchtende Gefäss-
züge (immer dieselben!) zeigen. Diese sind unter geeigneten
Bedingungen regelmässig zu sehen. Im positiven (pri¬
mären?) Nachbilde erscheinen zuweilen dunkle Qefässe. —
Bezeichnung des primären, sekundären und tertiären Nach¬
bildes als a-Nachbilder. —
Auf 30 Sekunden langes Fixieren einps (sehr) hellen Ob¬
jektes (Mattscheibe) folgen im verdunkelten Auge im Laufe
der nächsten 3 Minuten (Mittel) bis zu 25 und mehr „spontane“
^-Nachbilder, die anfangs hell, dann farbig, dann dunkel (zu¬
letzt wieder schwach hell) sind und stückweise auftreten
(vergl. Arch. f. Physiol. 1905, S. 169 f.). Die sehr merk¬
würdigen Folgen der Belichtung in diesem yS-Stadium werden
hier übergangen. r
Wiederbelebung durch Licht. Nach Ab¬
lauf der spontanen Nachbilder lässt sich in den nächsten
15 bis 45 Minuten durch Belichtung des geschlossenen (oder
offenen) Auges noch ein Nachbild erzielen; es ist negativ
beim Belichten, positiv beim Wiederverdunkeln (y -Nachbild).
— Im Endstadium ist es beim Belichten positiv oder gar nicht
zu sehen, beim Wiederverdunkeln negativ (<5-Nachbild).
Latenzzeit. Der. Erfolg der Belichtung tritt nicht
immer gleich ein, sondern unter Umständen erst beim 10. Mal!
(Die Assimilation unter dem Einfluss des Lichtes erfordert
Zeit; photochemische Induktion.)
Helligkeitsminimum. Bei einer mittleren Stärke
des wiederbelebenden Lichtes ist das auftretende negative
y-Nachbild samtschwarz, bei geringerer und bei
grösserer Lichtstärke ist es weniger dunkel; bei je einer be¬
stimmten Lichtstärke oberhalb und unterhalb des Minimums
ist kein Nachtbild zu sehen.
Wiederbelebung durch Druck. Drückt man
bald nach Aufhören der spontanen ^-Nachbilder auf den
Bulbus, so können in der Reihe der „mikroskopischen Netz¬
hautbilder“ oder „Druckbilder“ solche auftreten, in welchen
das helle oder dunkle Nachbild sichtbar ist; in
einigen Fällen (immer?) sind diese Bilder charakterisiert durch
Büschel welliger Linien. Vor- und nachher er¬
scheinen andere Bilder ohne eine Spu r des Nach¬
bildes. Es tritt bald Erschöpfung ein (Verbrauch — geringe
Regeneration im Dunkeln).
Die durch Druck erschöpfte Netzhaut gibt bei Belichtung
von neuem ein Nachbild (Regeneration durch Licht!).
L.agebestimmung der Netzhautschichten.
Durch das Auftreten von Qefässen im sekundären (und
primären?) Nachbilde, von bestimmten Formen in dem durch
Druck wiederbelebten Nachbilde (und anderes) ist die Aussicht
eröffnet, die Schichten, in welchen das Nachbild seinen Sitz
hat, zu bestimmen. Dass am Zustandekommen der Nachbilder
mehrere Netzhautschichten beteiligt sind, folgt daraus, dass
die früheren und die späteren Nachbilder mit verschie¬
denen Netzhautbestandteilen zusammen sichtbar werden.
Deformierende Qrössenschwankungen von
Nachbildern (und Netzhautbildern).
Beim Auftreten von Nachbildern im völlig verdunkelten
Auge schwankt die Qrösse der Bilder ein oder mehrere
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1808
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT»
No. 34 .
Male. Am leichtesten zu sehen ist die Grössenänderung des
durch Licht wiederbelebten negativen y-Nachbildes, das beim
Erscheinen schnell kleiner, dann langsamer wieder grösser
wird.
Am primären, sekundären und tertiären Nachbilde sind
die Grössenschwankungen am bequemsten bei m ä s s i g e r
Helligkeit des Objektes zu sehen; sie sind dann langsamer.
Dabei werden die hellen Teile, z. B. die Scheiben eines Fen¬
sters kleiner, gleichzeitig die dunkeln Holzleisten breiter (und
umgekehrt). Diese deformierende, bildverzerrende Grössen¬
schwankung kann nicht im Gehirn zustande kommen, auch
nicht vom dioptrischen Apparat herrühren. Sie kann auch
nicht in den Stäbchen und Zapfen selbst ihren Ursprung haben,
sondern fordert mit Notwendigkeit die Beteiligung
einer anderen Netzhautschicht. Wenn in dieser
das Nachbild seinen Sitz hat, und das Nachbild seinerseits die
Sehzellen erregt, wie Licht, so ist die deformierende
Grössenschwankung verständlich: Stäbchen und Zapfen ver¬
dicken sich unter dem Einfluss des Lichtes, rücken also teil¬
weise in den Bereich der dunkeln Teile des Bildes. Wird aber
die Z a h 1 der Sehzellen in den hellen Teilen kleiner, so wird
das Bild im Gehirn ebenfalls kleiner. Entsprechend werden
die dunkeln Teile im Gehirn grösser. — Höchstwahrschein¬
lich ändern aber auch die Nachbildschichten, wenn in ihnen die
zur Reizung der Sehzellen führenden Prozesse ablaufen, ihre
Dimensionen. Dadurch steigen die Möglichkeiten der Grössen¬
schwankungen, deren bis zu 5 beobachtet sind. Ausge¬
schlossen ist durch die Grössenschwankungen die An¬
nahme, dass die Uebertragung des Reizes von der
Nachbildschicht auf die Stäbchen und Zapfen auf nervösem
Wege erfolgt. Sie erfolgt so, als wenn die Nachbildschichten
leuchteten.
Die Rolle des Pigmentepithels.
Richtet man das verdeckte, dunkel adaptierte
Auge gegen ein sehr helles Fenster und belichtet für einen
Moment, so sieht man sofort ein riesiges, blendendes, ver¬
waschen in die Umgebung übergehendes Nachbild. Es zieht
sich rasch zusammen, wird vollkommen scharf und
macht noch eine Grössenschwankung.
Sieht man auf ein kleines schwarz und weisses Schach¬
brettmuster (vergl. Hering: Grundzüge der Lehre vom
Lichtsinn, 2. Lief., S. 152, Fig. 31) bei so geringer Helligkeit,
dass die Grenzen von Hell und Dunkel völlig unscharf sind,
so sind sie in folgender Weise scharf zu erhalten: Man ver¬
deckt das Muster mit einem weissen Blatt, beleuchtet das
weisse Blatt mit einem Streichholz und reisst das Streichholz
und fast gleichzeitig das weisse Blatt fort (nicht vom Beob¬
achter auszuführen), so dass das Muster selbst nicht be¬
leuchtet wird. Der Beobachter sieht im ersten Moment alles
dunkel (negatives Nachbild des weissen Papiers); dann taucht
das Muster völlig scharf aus der Dunkelheit auf; dann
verschwimmt es wieder.
Erklärung für beide Versuche: Das Pigment¬
epithel dient zur optischen Isolierung der Aussenglieder. In
der Dunkelheit zieht es sich zurück, das in die Aussenglieder
eintretende Licht verteilt sich in abnehmender Stärke in die
benachbarten Aussenglieder — wir sehen das Bild unscharf,
auch wenn das optische Bild an sich scharf ist.
Infolge der Belichtung rückt das Pigmentepithel wieder
vor und isoliert die Stäbchen und Zapfen. Wenn demnach in
einer den Stäbchen und Zapfen vorgelagerten „Nachbild¬
schicht“ ein scharfes Nachbild vorhanden ist, das auf die
Stäbchen und Zapfen wirkt, wie Licht, so werden die jetzt
optisch isolierten Sehzellen das Nachbild scharf
sehen. Ebenso werden sie das schwach beleuchtete Schach¬
brettmuster so lange scharf sehen, bis das Pigmentepithel sich
wieder zurückgezogen hat.
Vollständig unvereinbar mit diesen Beobachtungen
ist die Annahme, dass das Nachbild allein auf Prozessen
beruht, die in den Stäbchen und Zapfen selbst vor sich gehen.
Die theoretische Verwertung der auszugsweise mit-
geteilten Tatsachen beruht auf der allgemeinen Eigenschaft der
Nerven, nur durch rhythmische Vorgänge erregt, d. h. er-
regungsleitend zu werden.
Der N. opt. muss also vom Nervenend-
apparat, den Stäbchen und Zapfen, rhythmische
Impulse erhalten.
Licht von gleichbleibender Helligkeit liefert an sich
keine rhythmischen Impulse (die Aetherschwingungen
kommen nicht in Betracht).
Es liegen nur zwei Möglichkeiten vor: Entweder
reagieren die Stäbchen und Zapfen selbst auf konstante Be¬
lichtung mit einem Rhythmus, oder es ist ein anderer Ap¬
parat eingeschaltet, welcher den Rhythmus
herstellt, also konstantes Licht in intermittierendes ver¬
wandelt. Nur die letztere Annahme steht mit den mitgeteilten
Beobachtungen im Einklang.
Danach würden in mehreren Netzhautschichten, deren
Beteiligung beim Sehen (von Nachbildern) durch die Beob¬
achtungen (Druckphosphen, Druckbilder, durch Licht und durch
Druck wiederbelebte Nachbilder, deformierende Grössen¬
schwankungen der Nachbilder) festgestellt ist, intermit¬
tierende Prozesse ablaufen, welche auf die Sehzellen
wirken, w i e L i c h t. Es ist möglich, dass die Sehzellen
ausschliesslich durch intermittierendes Licht erregt
werden; dann müssen jene Prozesse mit Lichtentwicklung
verbunden sein. Dafür ist der direkte (subjektive und ob¬
jektive) Beweis noch nicht geführt. (Versuche sind im
Gange.) Jedenfalls haben aber die Prozesse mit dem
Lichte das gemein, dass sie Licht absorbieren.
Gewaltsam (durch Druck) verstärkt, würden die Einzelpro¬
zesse zu einem kontinuierlichen Prozess verschmelzen,
der die Druckstelle für äusseres Licht undurch¬
dringlich macht und selbst keine rhythmischen
Anstösse gibt: Daher erscheint das Druckphosphen bei
nicht gar zu schwachem Druck dunkel! (Schwarzes Licht!)
Beim Seherr von Netzhautbildern (nicht Nachbildern)
wirken die rhythmischen Prozesse (bei geeigneter Intensität!)
nach dieser Annahme so, dass sie das (konstante) äussere
Licht abwechselnd durchlassen und absorbieren (schwächen).
Der Wechsel erfolgt 70—100 mal in der Sekunde, unter Um¬
ständen vielleicht auch viel häufiger (Abhängigkeit von der
Lichtstärke). Wenn, wie angenommen, die Streifung, die
Unterbrechungen des primären Nachbildes dem Wechsel ent¬
sprechen, so nimmt die Dissimilation viel kürzere Zeit in An¬
spruch, als die Assimilation; während der Dissimilation findet
keine Assimilation statt (Refraktärstadium; dies soll hier nicht
ausgeführt werden).
Die vorstehend andeutungsweise wiedergegebene Hypo¬
these hat zu einer einheitlichen Auffassung der
Nachbilder geführt, die keiner der bekannten Er¬
scheinungen gegenüber versagt. (Ohne Zeich¬
nungen in Kürze nicht wiederzugeben.) — (Nur erwähnt sden
gewisse, offenbar von einem Zentrum beherrschte Prozesse,
die sich in 1 ä n g e r e n Perioden [ca. 1—10 Sekunden] wieder¬
holen; erwähnt sei auch noch, dass viele Beobachtungen
die bekannte Sonderstellung der Netzhautmitte erkennen
lassen.)
Was die Stäbchen und Zapfen betrifft, so sind sie
nichts anderes, als der stets bereite und „Stimmungen“ oder
„Umstimmungen“ nicht unterworfene Aufnahmeapparat.
Die meisten der mitgeteilten Beobachtungen dienen seit
einigen Jahren als Uebungsversuche im physiologischen
Praktikum.
Die ausführlichere Veröffentlichung zunächst eines Teiles
der Arbeit soll im Archiv für (Anat. u.) Physiol. erfolgen.
Allgemeiner ärztlicher Verein zu Köln.
(Bericht des Vereins.)
Sitzung vom 22. Jiuni 1908.
Vorsitzender: Herr Strohe I.
Schriftführer: Herr Klein jun.
Herr Keller: Ueber den Oesophagusmund (KiKIian).
Herr Wellmann: Ueber künstlichen Pneumothorax.
Ausgehend von der Beobachtung, dass phthisische Pro¬
zesse in einer Lunge durch Exsudate oder durch Entstehen
eines Pneumothorax öfters günstig beeinflusst werden, hat man
von verschiedenen Seiten versucht, künstlich dieselben Ver-
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1809
hältnisse zu schaffen, und so entstand der künstliche Pneumo¬
thorax.
Nach kurzer Darlegung der normalen Druckverhältnisse
im Thorax und der Aenderung derselben im Pneumothorax,
geht der Vortragende über zu dem Verhalten der intrathora¬
kalen Organe. Der Kollaps der Lunge, die Verdrängung des
Mediastinums und des Herzens, der Tiefstand des Zwerchfells
der betreffenden Seite und die paradoxe Zwerchfellbewegung,
das sog. Kienböck sehe Phänomen, werden als hauptsäch¬
lichste Folgen des künstlichen Pneumothorax erwähnt.
Ein wichtiges Unterstützungsmittel zur Feststellung des
Pneumothorax und seiner Ausdehnung ist neben den physi¬
kalischen Methoden das Röntgenverfahren, wie an Aufnahmen
erläutert wird.
Durch den künstlichen Pneumothorax soll nach Brauer
folgendes bewirkt werden:
Entspannung der Lunge und dadurch Erhöhung der
Schrumpfungstendenz, völlige Ruhigstellung der erkrankten
Lunge, eine Aenderung der Blut- und Lymphzirkulation und
eine Beseitigung der Stagnation von Sekreten in den Höhlen.
Darauf setzt der Vortragende nach einem kurzen histo¬
rischen Ueberblick die verschiedenen Verfahren zur Anlegung
eines künstlichen Pneumothorax auseinander und geht zuletzt
auf die von Brauer geübte Methode näher ein.
Die technische Seite des Verfahrens erklärt der Vor¬
tragende unter Demonstrierung der nötigen Apparate.
An Stelle des Quecksilbermanometers, das Brauer in
die Stickstoffleitung zum Bestimmen des interpleuralen
Druckes einerseits und des Druckes in der Stickstoffzuleitung
andererseits eingeschaltet hat, ist auf der Abteilung Prof.
M a 11 h e s’ das Tonometer von Recklinghausen gesetzt
worden.
Eine andere geringe Modifikation ist die, dass mit dem
stumpfen Troikart Interkostalmuskulatur und Pleura zusammen
durchstossen werden.
In der ersten Sitzung werden etwa 1500 ccm Stickstoff
infundiert. Nach Verlauf von mehreren Tagen jedesmal wer¬
den Nachfüllungen mit einer gewöhnlichen Injektionsnadel vor¬
genommen. So entsteht allmählich ein vollständiger Pneumo¬
thorax, der jedoch nach Brauer mindestens 1—2 Jahre er¬
halten werden muss.
Die Nachfüllungen werden später in immer grösseren Zeit¬
räumen nötig, da die Resorptionsfähigkeit der Pleura abnimmt.
Auch bei Beobachtung der notwendigen Kautelen bei Anlegung
eines Pneumothorax sind unglückliche Zufälle nicht ganz aus¬
zuschalten. Doch wurden dieselben bisher äusserst selten be¬
obachtet.
Als Voraussetzung für das Gelingen eines Pneumothorax
ist es notwendig, dass ausgedehnte Verwachsungen fehlen.
Geeignet für die Pneumothoraxbehandlung sind alle chro¬
nischen einseitigen Lungenerkrankungen, so Phthise, chro¬
nische Pneumonien und Bronchiektasen.
Die bisher veröffentlichten Fälle lassen noch kein end¬
gültiges Urteil über die Nutzanwendung des Verfahrens zu.
Der Vortragende stellt nach diesen Ausführungen zwei Fälle von
chronischen Pneumonien des linken Unterlappens vor, bei denen im
Augustahospital zu Köln auf der Abteilung Prof. Matthes’ der
Pneumothorax angelegt ist.
Beide Fälle wurden nach dem Brauer sehen Verfahren be¬
handelt. Bei der einen Patientin war die tägliche Auswurfsmenge
von 100 ccm auf 10 ccm zurückgegangen.
Doch lässt sich ein Urteil über den eventuellen Erfolg bei der
Kürze der Behandlungsdauer noch nicht abgeben.
Herr Kudlek: Heber farbige, stereoskopische Photographien.
Aerztlicher Verein München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 1. April 1908.
Herr Schneider: Die Brillenträger in einigen Münchener
Gymnasien.
M. H.! Von vornherein muss ich Sie bitten, meine Mitteilungen
nur als eine Art Anhang zu den interessanten und ausführlichen Re¬
feraten der Herren Doernberger und G r a s s m a n n, die Sie in
der letzten Vereinssitzung gehört haben, aufzufassen.
Nur unter dieser Voraussetzung und mit Rücksicht auf den Um¬
stand, dass die hiesigen Mittelschulen zurzeit ein Sesamberg für schul-
und augenhygienische Untersuchungen sind, und daher genauere Er¬
hebungen sich von selbst verbieten, wage ich es. Ihnen einige Auf¬
zeichnungen vorzulegen, die Ihnen einen ganz allgemeinen und nur
unvollkommenen Ueberblick über die Zahl der nicht normalsichtigen
Schüler einiger hiesiger Gymnasien geben sollen.
Und zwar bin ich im Besitze von ziffermässigen Zusammen¬
stellungen der brillentragenden Schüler, welche im laufenden Schul¬
jahre das Luitpold-, Max-, Wilhelms- und Theresiengymnasium be¬
suchen. Zwei der Zusammenstellungen beschränken sich auf die An¬
gabe der in jeder Klasse oder jedem Kurse vorhandenen Brillen¬
träger, während in den beiden anderen die Kurzsichtigen noch be¬
sonders rubriziert sind (s. Tabelle 1).
(Tabelle siehe nächste Seite.)
Unter 666 Schülern des Luitpoldgymnasiums befinden sich 118
augengläsertragende Schüler, das sind 17,7 Proz., unter den
684 Schülern des Maxgymnasiums 107, das sind 15,6 Proz., unter den
772 Schülern des Wilhelmsgymnasiums 139, das sind 18 Proz. und
unter den 838 Schülern des Theresiengymnasiums 108, das sind
12,6 Proz.; also ein auffälliger Unterschied von 5,1 resp. 3,0 resp.
5,4 Proz. zu Gunsten des Theresiengymnasiums. Von den 17,7 Proz.
der Brillenträger des Luitpoldgymnasiums sind 16 Proz., von den
12,6 Proz. des Theresiengymnasiums 12 Proz. Myopen. Verfolgt man
nun im einzelnen von der ersten bis zur neunten Klasse die Zahl der
brillentragenden Schüler, so sieht man, wie sie bei allen vier Schulen
und zwar ausschliesslich durch die Zunahme der Myopen anwächst.
Das Steigen der Zahlen präsentiert sich noch deutlicher auf der
Tabelle (2), auf der die prozentualen Werte notiert und in,Kurven
zum Ausdruck gebracht sind.
Tabelle II.
Tabelle 2. Vergleichung der prozentualen Anzahl
der Brillenträger (Myopen).
L . 8.
M. fi.
W.6.
11.6.
8,9(4,5)
6,7
9,5
4 6(4,6)
9.2 (6,9)
5.2
4,9
10.8(10.1)
12,0(10,3)
6,0
6,8
6,5 (6,5)
6,7 (6,7)
11.0
12,5
9,9 (9.9)
23,5>22,6}
22,5
31,0
11.8(11,8)
18.0(18,0)
19,0
22,0
20,6(19,8)
34,5(30,0)
20,7
25,4
20,0(20,0)
38,0(36,6)
40,0
34,3
29,4(26,0)
40,0(37,5)
36,0
39,3
20,5(16,3)
1
1
M
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m
n
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IX
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r
lut
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V—
Kr
Luitpoldgymnasium- Wilhelmsgymnasium
Maxgymnasium Theresiengymnasium
Die Verhältnisse bei dem Luitpold-, Max- und Wilhelmsgym¬
nasium zeigen im Gegensatz zu denen des Theresiengymnasiums
weitgehende Uebereinstimmung. Diese erstreckt sich sowohl auf den
Verlauf der Kurve, wie auf die Höhe ihres Anstieges. Abgesehen von
kleinen Schwankungen, die wohl mehr durch Zufälligkeiten zu er¬
klären sind, fällt besonders der jähe Anstieg der Kurven zwischen der
4. und 5. Klasse bei jenen drei Mittelschulen auf. Die Prozentzahlen,
bis zu denen in der 9. Klasse die Brillenträger der drei Anstalten sich
vermehrt haben, differieren in maximo um 4 Prozent, indem das
Luitpoldgymnasium mit 40 Proz. die grösste, das Wilhelmsgymnasium
mit 39,3 Proz. die mittlere und das Maxgymnasium mit 36 Proz. — in
der 8. Klasse sind es 40 Proz. — die niedrigste Ziffer aufweist. Er¬
freulich stechen von den angeführten Zahlen die des Theresiengym¬
nasiums ab. Bei ihm tragen in der obersten Klasse nur 20,5 Proz.
der Schüler Augengläser. Dementsprechend weicht auch der Ver¬
lauf der Kurve von dem der anderen Gymnasien, ab. In den 4 unteren
Klassen geht sie, abgesehen von kleinen Differenzen, mit den anderen;
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1810
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34.
Tabelle I.
I
II
III
IV~
V
VI
1 VII
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IX
I Total
Klasse
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3 £
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£
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(Jl
'fl
1
<fl
Ul
fi
(fl
(fi
(Jl
L-Gymn.
90
8
4
87
8
6
126
15
13
75
5
5
71
17
17
72
13
13
55
19
16
42
16
15
48
19
18
666
118
107
M.-Gymn.
119
8
—
96
5
—
101
6
—
63
7
—
71
16
—
73
14
—
58
12
—
50
20
—
53
19
—
684
107
—
W.-Gymn. . . .
105
10
—
122
6
—
103
7
—
88
11
—
80
25
—
82
18
—
67
17
—
64
22
—
61
23
—
772
i 139
—
Th.-Gymn. . . .
131
6
6
146
16
15
137
9
9
91
9
9
85
10
10
82
10
10
59
12
12
58
17
i
15
49
10
8
838
1 106
i
1
100
*) B = Bri
lienträger.
**) M = Myopen.
dann aber fehlt der scharfe Absatz zwischen der 4 . und 5. Klasse; der
weitere Anstieg ist sanfter und erreicht eine relativ bescheidene Höhe.
Was können wir aus diesen Zahlen entnehmen? Zunächst bin
ich mir wohl bewusst, dass sie durchaus keinen Anspruch auf Exakt¬
heit und Vollkommenheit machen können. Immerhin dürften sie zur
oberflächlichen Orientierung genügen. Zunächst konstatiert man eine
stärkere Zunahme der Brillen, im speziellen Konkavgläser tragenden
Schüler in den 3 ersterwähnten Schulen. Und dabei ist zu berück¬
sichtigen, dass die Zahlen sicher nur die Schüler einschliessen, die
notwendigerweise Qiäser tragen müssen. Es unterliegt keinem Zwei¬
fel, dass eine gründliche ophthalmologische Untersuchung der Gym¬
nasiasten eine ganz erkleckliche Zahl weiterer Ametropen leichteren
Grades zutage fördern würde. Es sind daher die hier rubrizierten
Daten als Minimalwerte anzusprechen, die um ein Wesentliches zu
erhöhen sind, wenn sie mit den Zahlen in Parallele gestellt werden
sollen, die von fachmännischer Seite gelegentlich anderer Schüler-
untersuefiungen ermittelt worden sind.
‘ Von dieser Erwägung ausgehend, stehe ich nicht an, die Zahlen
des Luitpold-, Max- und Wilhelmsgymnasiums jenen gleichzusetzen,
die vor über 40 Jahren Hermann Cohn gefunden hat, die bei Be¬
hörden, Schulmännern und Eltern die schwersten Bedenken hervor¬
gerufen haben und in segensreicher Weise der Anlass aller schul¬
hygienischen Bestrebungen geworden sind.
Die Ziffern jener 3 Gymnasien weisen auf Zustände hin, wie sie
damals Cohn am Elisabeth- und Magdalenengymnasium in Breslau
gegeisselt hat.
Versöhnlich stimmt die Zusammenstellung des Theresiengym-
nasiums. Sie ist nicht das Produkt des Zufalles, und es ist kein Opti¬
mismus, wenn man sie als das erfreuliche und ermutigende Resultat
einer in jeder Hinsicht vernünftig betätigten Schulhygiene deutet.
Neben dem Umstande, dass in diesem Gymnasium die Zahl der
brillentragenden Myopen nur auf 12 Proz. in der obersten Klasse
anwächst, fällt das kontinuierliche sanfte Ansteigen der Myopiekurve
infolge des Fehlens eines rapiden Anstieges in der 5. Klasse angenehm
auf. Dies zeigt uns, dass trotz gesteigerter Arbeitsintensität auch die
für die Entwicklung des Schülers kritischste Zeit des 14. und 15. Le¬
bensjahres ohne besondere Schädigung der Augen überwunden wer¬
den kann. Beim Luitpold-, Max- und Wilhelmsgymnasium wird
durch die angeführten Zahlen das Vorhandensein schädigender Mo¬
mente in einem Grade eklatant, wie er gewiss nicht notwendigerweise
durch den Schulbesuch bedingt ist. Hierfür die schlechte Beleuch¬
tung oder die mangelhaften Subsellien der Schulräume allein verant¬
wortlich zu machen, geht nicht an. Es ist dies allerdings früher in
einseitig übertriebener Weise geschehen; heute weiss man und es
ist eigentlich selbstverständlich, dass das Allgemeinbefinden in Be¬
ziehung zur Entwicklung der Myopie steht. Wird die Körpermuskula¬
tur im ganzen, wie es durch Sport und körperliche Uebung jeder Art
geschieht, gestählt, dann wird auch der Akkommodationsmuskel davon
profitieren; wird die Resistenz der Gewebe gesteigert, so wird auch
die Sklera weniger leicht einer Dehnung infolge Nahearbeit aus¬
gesetzt sein.
Und dennoch, ein wichtiger Faktor ist in der Schule die Beleuch¬
tung. Dies beweist schon die Tatsache, dass sie so vielfach Gegen¬
stand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist: ich erinnere
nur an die Arbeiten von Cohn, Erismann, Prausnitz,
M. v. Grube r, Eversbusch, Seggel u. a.
So möchte ich die Hauptschuld für die unerfreulichen Erhebungen
an jenen 3 Anstalten ihren schlechten Beleuchtungsverhältnissen zu¬
messen.
M. H.! Es gibt Autoren, die jeden Einfluss hygienischer Mass¬
nahmen in den Schulen auf die Myopie leugnen und mit einer ge¬
wissen Resignation die Kurzsichtigkeit für einen Teil unserer stu¬
dierenden Jugend als unvermeidlich erachten. Gegen diese Anschau¬
ung sprechen, abgesehen von unserer Zusammenstellung, die Er¬
fahrungen, die u. a. Schmidt-Rimpler, v. Hippel, Kirchner,
Seggel, (»reff, A s k und Widmark gemacht haben, nach
denen auf Grund ausgedehnter und langjähriger Beobachtungen mit
Erfüllung hygienischer Forderungen in den untersuchten Schulen die
Kurzsichtigkeit nach Frequenz und Grad abgepommen haben. Den
deutlichsten und grössten Effekt hat Ask und Widmark fest¬
stellen können, die 20 Jahre hindurch ihre Beobachtungen durchge¬
führt haben und in dieser Zeit einen Rückgang der Kurzsichtigenzahl
um 40 resp. 50 Proz. verzeichnen konnten.
Man hat auch bestritten, dass die Myopie Nachteile für die Be¬
treffenden mit sich bringe. Nun hat bereits vor 30 Jahren Seggel
auf die Schädigung der Sehschärfe bei den Kurzsichtigen hingewiesen
und in neueren ausgezeichneten Untersuchungen hat derselbe Autor
auch eine beträchtliche Herabsetzung des Lichtsinns bei Myopen
konstatiert; es bedingt also die Myopie eine Verminderung der Funk¬
tionstüchtigkeit des Sehorgans. Dazu kommt, dass sie für manche
Berufe untauglich und das lästige Tragen von Gläsern nötig macht.
Die Myopie bedeutet daher einen körperlichen Defekt, an dessen
Entstehen und Zunahme die Schule mit ihrer Nahearbeit mitschuldig
ist. Staat, Eltern und Kinder haben ein grosses Interesse daran, dass
diese Schuld nach Möglichkeit verringert und der schädigende Ein¬
fluss des Studiums abgeschwächt werde. Keines der Mittel, die zur
Erreichung dieses Zieles dienen können, ist unbenutzt zu lassen. Auch
unsere Schulbehörde wird sich dieser Auffassung und der Berech¬
tigung der Forderung verbessernder hygienischer Massregeln in
unseren Mittelschulen, für die unsere hiesigen Volksschulen vorbild¬
lich sein können, verschliessen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass z. B. etwa mit einem Schlage
alle ungenügend beleuchteten Schulräume aufgelassen oder nieder¬
gerissen werden müssen. Es lässt sich in dieser Hinsicht, wie M. v.
Grube r in seinem Referate über „Tagesbeleuchtung der Schulen“
auf dem 1. internationalen Kongress für Schulhygiene im Einzelnen
ausgeführt hat, sehr viel durch bauliche Verbesserungen erreichen.
Ohne die Pietät gegenüber dem kunstsinnigen Ludwig I. verletzen zu
wollen, der romanische Rundbogen des Maxgymnasiums ist für ein
Schulgebäude unzweckmässig und daher zu beseitigen. Mit Hilfe
eiserner Träger sind die Fenster zu verbreitern und die Fenster¬
stürze möglichst bis zur Decke zu erhöhen. Die Fensterpfeiler sind
abzuschrägen und die plumpen Fensterrahmen durch schmale zu er¬
setzen. Die blinden Fensterscheiben sollen gutgeputzten, neuen,
klaren, der schmutziggraue Wandanstrich der unfreundlichen Schul¬
stube einem helltonigen, heiteren weichen. Lichtbeschränkende
Bäume sind zu entfernen und nachbarliche störende Gebäude und
Geschosse u. a. abzutragen. Wo dies alles nicht genügt, da befolge
man den Rat M. v. G r u b e r s, ausschliesslich die Obergeschosse der
Gebäude für Schulzimmer zu verwenden, in das Erdgeschoss oder die
Untergeschosse Amtsräume etc. zu verlegen oder gegebenen Falles
sie als Kaufläden zu vermieten. Ein vorzügliches, allerdings immer
noch teueres Hilfsmittel, das, wie ich aus eigenen photometrischen
Messungen weiss, die Erhellung der Schulzimmer bedeutend — bis
über 50 Proz. — zu verbessern vermag, sind die Luxferprismen.
Diese Andeutungen über etwaige bauliche Veränderungen mögen
Ihnen zeigen, mit welchen Mitteln bereits bestehende Schulgebäude
hygienischen Forderungen angepasst werden können. Bei der Mehr¬
zahl der Münchener Mittelschulen dürfte zur Besserung der hygi¬
enischen Verhältnisse von dem einen oder anderen Mittel Gebrauch
zu machen sein. Es würde dadurch wenigstens ein kleiner Teil
dessen geleistet, was die Schulkommission des ärztlichen Vereins im
Interesse der studierenden Jugend anstrebt. Dass die Aktion der
Kommission berechtigt und notwendig ist. haben Ihnen die Aus¬
führungen der Herren Kollegen Doernberger und Grass-
m a n n gezeigt und wollte auch ich dartun. Hoffen und arbeiten wir,
dass die massgebenden behördlichen Stellen unseren Wünschen ent-
gegenkommen und unsere Bestrebungen würdigen!
Diskussion zu den Vorträgen der Herren Crämer,
Grassmann, Doernberger und Schneider.
Herr M. v. G ruber: Der Aerztliche Verein schuldet
seiner Schulkommission und insbesondere den Herren Grass¬
mann und Doernberger wärmsten Dank für ihre ebenso mühsame
als wertvolle Arbeit, die unsere Kenntnisse über den heutigen Mittel¬
schulbetrieb erheblich bereichert hat. Ihre Ergebnisse beruhigen
uns darüber, dass die Anforderungen der Schule und der Neben¬
studien nicht so hoch sind, um den Schülern die nötige Schlafzeit in
bedenklicher Weise zu verkürzen. Dagegen haben sie uns bewiesen,
dass die geistige Arbeit in der Schule und zu Hause keine Zeit übrig
lässt, um körperliche Uebungen in freier Luft in auch nur annähernd
genügender Weise zu betreiben. Wir können es unmöglich . dulden,
dass ein derartiger Zustand andauert. Durch eine solch unhvgienisehe
Lebensweise ist die richtige körperliche und geistige Entwicklung
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25. August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1811
der Schüler, aufs ernsteste gefährdet. In den Mittelschulen wird
derjenige Teil der männlichen Jugend herangebildet, dem vermöge
Begabung und Kenntnissen und sozialer Stellung die Führung der
Nation im wesentlichen zufallen wird. Es ist von äusserster Wichtig¬
keit für die Wohlfahrt der Nation, dass gerade dieser Teil der Jugend
körperlich und geistig tüchtig und gesund sei. In Wirklichkeit aber
steht es damit sehr schlimm. Wir haben im Laufe dieser Diskussion
wieder Zahlen über die Wehrfähigkeit der zum Einjährig-Freiwilligen-
dienste Berechtigten gehört, die ein überaus trauriges Licht auf die
körperliche Tüchtigkeit der akademisch Gebildeten werfen und vor
wenigen Tagen habe ich im Aerztlichen Bezirksverein die Aufmerk¬
samkeit der Kollegen auf die furchtbare Tatsache des Massenausster-
bens der Familien der höheren Stände gelenkt. Sicherlich ist dabei
eine Vielheit von Ursachen beteiligt, aber die unverständige Vernach¬
lässigung der Körperpflege hat daran gewiss ihren Anteil. Redner ist
durchaus nicht für eine wesentliche Herabsetzung der Anforderungen
an die geistige Leistungsfähigkeit der Schüler. Er weiss, dass das
Gehirn heute das wichtigste Organ für den Konkurrenzkampf ist, und
dass das Wissen heute die wertvollste Waffe ist. Ohne ernste und
starke Anstrengungen ist es unmöglich, das Gehirn auszubilden und
einen genügenden Schatz von Wissen und Können zu erwerben.
Dr. Uffenheimer hat dem Redner seinerzeit aus dem Herzen ge¬
sprochen, als er in seinem vortrefflichen Vortrage die Aerzte warnte,
geistiger Gemächlichkeit das Wort zu reden. — Weichlichkeit ist die
grösste Gefahr, die uns bedroht! — Aber alle diese Ueberlegungen
können nicht abhalten, die unbedingte Forderung zu stellen,
dass Zeit und Gelegenheit für ausgiebige Körperpflege und
körperliche Uebungen geschaffen werden müsse! Und zwar dass
diese Zeit geschaffen werden müsse, ohne dass dadurch die Schlaf¬
zeit verkürzt wird! Es ist Sache der Schulmänner den Weg zu
finden, auf dem diese Forderung erfüllt werden kann. Durch einen
rationelleren Schulbetrieb und durch Einschränkung der Hausauf¬
gaben und häuslichen Geistesarbeit muss es gelingen. Die Freunde
der Körperpflege, die unter des trefflichen Herrn v. Schencken-
dorffs Führung im Ausschüsse zur Förderung des Volks- und
Jugendspiels vereinigt sind, haben ihre Wünsche auf die Forderung
der Schaffung der freien Spielnachmittage konzentriert.
Diese Forderung muss auch der Aerztliche Verein zu der seinigen
machen; nur mit vereinten Kräften können Erfolge errungen werden.
Die wichtigen Feststellungen der Schulkommission zeigen deut¬
lich, welchen Nutzen es bringt, wenn sachverständige Aerzte Ein¬
blick in Schule und Schulbetrieb gewinnen und sie stützen daher
aufs beste die alte Forderung, dass auch die Mittelschulen der stän¬
digen Ueberwachung durch Schulärzte unterstellt werden
müssen. Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Schulärzte wird sein,
periodische Untersuchung der Schüler vorzunehmen
und einen Gesundheitskataster für die gesamte Schüler¬
schaft anzulegen. Erst mit Hilfe solcher Personalgesundheitsbögen
und solcher Gesundheitskataster wird es möglich sein, eine wirklich
zutreffende Kenntnis von dem mittleren physischen Zustand der
Bevölkerung und von seinen Veränderungen im Laufe der Zeit zu
erhalten, wie Redner schon bei verschiedenen Gelegenheiten dar¬
gelegt hat. Weder die Sterbeziffern, noch die mit zahlreichen Fehlern
behafteten Rekrutierungsziffern geben uns darüber genügende Auf¬
schlüsse. Hier, wo es sich um den wichtigsten Teil der männlichen
Jugend handelt, liegt der Nutzen solcher Feststellungen besonders klar
zutage. Man sollte denken, dass sie auch den Schulmännern er¬
wünscht sein müssten, denn die Untersuchungen der neu eintretenden
Schüler wird ohne Zweifel ergeben, dass die Schule völlig unschuldig
ist an sehr vielen krankhaften Störungen, die ihr heute aufgebürdet
werden. Als sehr erfreulich bezeichnet Redner die Ergebnisse der
Erhebungen Dr. Schneiders. Die günstigen Befunde am
Theresiengymnasium dürften sich kaum anders deuten lassen, denn
als Erfolge der technisch-hygienisch vollkommeneren Einrichtung
dieser Schule. Sie müssen daher als Ansporn wirken, auf dem hier
betretenen Wege der Verbesserung rüstig weiter zu schreiten.
Herr Dieudonne: Ueber die Tauglichkeit der Mittelschüler
zum Militärdienst wird bald eine offizielle Statistik herauskommen,
da bereits eine Zählkartenstatistik darüber eingeleitet ist. Die von
Herrn Grassmann angegebene Tauglichkeitsziffer von 38 Proz.
ist eher zu hoch als zu niedrig; bei einem Münchener Regiment
betrug sie in den letzten Jahren nur 16,4—21,6 Proz.
Herr Crämer (Schlusswort): M. H.! Dem Herrn Vorredner
sage ich im Namen der Schulkommission meinen verbindlichsten
Dank für seine anerkennenden Worte. Das Wichtigste ist, dass die
Schulkommission in ihrer Tätigkeit vom Aerztlichen Verein unter¬
stützt wird; die Forderungen werden um so gewichtiger sein, je
mehr man sieht, dass der ganze Aerztliche Verein hinter ihnen steht.
Es genügt natürlich nicht, dass Wir nur hier unsere Reformvorsch-läge
und Forderungen im engeren Kreise Vorbringen, wir müssen die
Oeffentlichkeit dafür interessieren, die Presse muss dafür eintreten,
dann werden diejenigen Behörden, denen die Durchführung von Re¬
formen obliegt, die dringende Notwendigkeit der letzteren nicht mehr
leugnen können. Wir haben nun alle unsere Reformvorschläge und
die> Ergebnisse unserer Beratungen in Form einer Eingabe an die
Kammern geschickt, in der Abgeordnetenkammer wird die Eingabe
kaum mehr zur Beratung kommen, weil der Kultusetat schon erledigt
ist, dagegen dürfen wir erwarten, dass in der Reichsratskammer
eine entsprechende Würdigung unserer Vorschläge stattiinden wird.
Ich habe nicht versäumt, die betrübenden Zahlen der höchst mangel¬
haften Tauglichkeit der Mittelschüler beizufügen, ebenso das
rapide Anwachsen der Brillenträger, Zahlen wirken mehr, wie
lange Auseinandersetzungen. Die von Herrn Prof. G r u b e r auf¬
gestellten drei Forderungen müssen wir auf das lebhafteste begrüssen,
wir werden nicht ermangeln, in der Schulkommission diese Forde¬
rungen genauer zu präzisieren und zur öffentlichen Diskussion zu
stellen, ohne welche wir nie etwas erreichen können.
Eine Forderung muss ich noch besonders betonen, das ist die einer
Vertretung im obersten Schulrat. Sie wissen, dass vor 4 Jahren
schon der Herr Minister davon gesprochen hat, bei .geeigneten Fragen
einen praktischen Arzt zuzuziehen, das ist nicht geschehen; wir haben
diese Forderung neuerdings wiederholt und nun wurde die Zuziehung
eines praktischen Arztes, wenn auch nicht Im Hauptamt, in Aussicht
gestellt. Wir können aber unser Ziel nur erreichen, wenn wir un¬
entwegt weiterbohren, wir müssen uns den Einfluss erzwingen, der
uns als berufenen Vertretern der Volkshygiene gebührt und deswegen
dürfen wir in unserer Stellungsnahme nicht erlahmen, auch wenn die
Aussichten noch so ungünstig erscheinen. Ich bitte Sie nur, m. H., auch
künftighin die Schulkommission in ihrem Vorgehen warm unterstützen
zu woMen.
Herr Grassmann (Schlusswort) weist mit Bezug auf die
erste der von Herrn M. v. G r u b e r aufgestellten Forderungen
nach Einschränkungen der häuslichen Arbeitsstunden auf die Ver¬
hältnisse in Preussen und Württemberg hin. Letzteres speziell hat
erst kürzlich eine erhebliche Reduktion der häuslichen Lernstundpn
eintreten lassen. Bei uns in Bayern sind letztere, wie aus der Um¬
frage ersichtlich, betr. der untersten und obersten Klassen zu lang.
Das Bedenkliche ist das Ansteigen der Nachtarbeit. Die Darstellung
des Herrn Schneider über die Brillenträger und deren Zunahme
in den mittleren und oberen Klassen weise auf einen Parallelismus
zwischen Ansteigen der Nachtaibeit und jenem der Myopie hin. Die
Forderung betr. des obligaten Spielnachmittags müsse von den
Aerzten lebhaft unterstützt werden; er stehe übrigens auf dem
Standpunkte, dass nicht die Schule allein für die körperliche Aus¬
bildung des Schülers zu sorgen habe, sondern unbedingt auch die
Familie. Eine wirklich harmonische geistige und körperliche Aus¬
bildung sei ein kaum erreichbares, aber kräftig anzustrebendes Er¬
ziehungsideal.
Herr Doernberger (Schlusswort): Der nicht nur von
G r u b e r, sondern gleich allen Freunden körperlicher Kräftigung
auch von der Sohulkommission in ihren Vorschlägen geforderte
schulfreie Nachmittag muss auch ein aufgabenfreier sein, da
sonst die Arbeiten auf den Abend verschoben werden, oder die
Schüler an den Jugendspielen nicht teilnehmen. Bestimmt aber sollten
die sogen, freien Nachmittage (Mittwoch und Samstag) ohne Aufgabe
und der Sonntag müsste unbedingt ein völliger Feiertag sein. Diese
Forderungen sind nach Besprechungen mit Schulmännern zu ermög¬
lichen. Es lassen sich nach ihrer Ansicht die Aufgaben beschränken
und sogar das Lehrpensum ohne Benachteiligung der geistigen Bil¬
dung, so dass Zeit für leibliche Betätigung gewonnen wird. Ueber
die gesundheitliche Beschaffenheit der Schüler und
Schülerinnen erweisen die Bemerkungen der Eltern hierüber in den
Erhebungsbogen, dass trotz geringer Lernzeit Kränklichkeit akut,
chronisch, durch Heredität oder Pubertät veranlasst, bestehen kann,
wie auch trotz vieler häuslicher Arbeit volle Gesundheit. Vielfach
fehlt den Eltern die Einsicht, dass gerade bei schwächlichen Kindern
Spaziergänge und Leibesübungen nötiger sind als Privat- und Nach¬
hilfestunden zur Verbesserung der Noten. Die Befürwortung und Be¬
vorzugung der Morgenarbeit ist deshalb etwas bedenklich, weil
zu fürchten ist, dass trotz des hiezu bedingten früheren Aufstehens
nicht früher zu Bett gegangen und so eben der Schlaf verkürzt werde,
dass ferner nach längerer Frühtätigkeit nicht nur das Frühstück zu
rasch und ungenügend eingenommen und der Weg zur Schule, um
sich nicht zu verspäten, überhetzt w r erde, dass schliesslich die geistige
Regsamkeit während des folgenden mehrstündigen Unterrichts leide.
Herr Schneider (Schlusswort) weist auf das Ermutigende
hin, das in der Zusammenstellung des Theresiengymnasiums gegen¬
über denjenigen der anderen Mittelschulen liegt, hin und drückt den
Wunsch aus, dass es bald möglich würde eine gründliche Ergänzung
der angeführten Zahlen durchzuführen.
(Schluss folgt.)
Militärärztliche Gesellschaft München.
Sitzung vom 16. Januar 1998.
Vorsitzender: Herr H o f b a u e r.
Teilnehmer: 51.
Der Vorsitzende begriisst als Gäste: Korpsstabsapotheker U t z,
Stabsapotheker Koller, japanischen Stabsarzt Hassimodo,
griechischen Oberarzt P a s k a 1 i s.
Herr May: Ueber diagnostische Tuberkullnelnsprltzungen.
Bei 27 Fällen beginnender Lungentuberkulose konnte die Dia¬
gnose frühzeitig nur durch probeweise Tuberkulineinspritzung <Alt
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1812
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .M.
Koch) exakt gestellt werden. Bedingungen fiir diagnostische Tuber¬
kulineinspritzungen sind: Fehlen von ausgesprochenen klinischen
Symptomen und Fiebcrlosigkcit. ..
Anfangsdosis war 0,0001 g, höchste Dosis 0,001 g I uherkulin
Koch-Alt. Im negativen Falle wurde die letzte Dosis nur einmal
wiederholt.
Irgend welche schädliche Folgen oder seihst nur stärkere sub¬
jektive Beschwerden durch die diagnostischen Einspritzungen kamen
nicht zur Beobachtung. Die Einspritzung wurde nur vorgenommen
mit Einwilligung der Kranken.
Die Tuberkulinprobe soll nur in den Fällen in Betracht kommen,
bei welchen die genaue klinische Untersuchung allein zur Ent¬
scheidung der exakten Diagnose nicht ausreicht, bei welchen aber
namentlich durch die Beobachtung bei der Truppe der Verdacht aut
aktiv latente Tuberkulose begründet ist. , . t .
An der Diskussion, die sich auch auf die Impnncthode, Iuunktmns-
kur und Ophthalmoreaktion erstreckt, beteiligten such die Herren:
Exz. v. Bestelmeyer, Wittmann, Haucnschild, v. j
Heuss, v. Ammon, Selling, Dieudonne. . , |
Oberstabsarzt Kolb: Mitteilungen über den XV. Internationalen
ntedlz. Kongress In Lissabon 1906. .
Schilderung der Reisecindriicke und Bericht über den Kongress
selbst, insbesondere die militärärztliche Sektion.
Sitzung v o m 20. E ebruar l‘k
Vorsitzender: Herr H <> i b a u e r.
Teilnehmer: (>o.
An Stelle der wegen Trauer im Künigshause ausgefallenen
Stiftungsfeier wurde ein musikalischer Herrenabend mit gemein¬
schaftlichem Abendessen abgehalten.
Sitzung vom 2(>. März 190S.
Vorsitzender: Herr 11 »f baue r.
Teilnehmer: 52.
Die Sitzung war ausgezeichnet durch die Anwesenheit Sr K.
Hoheit Prinz Rupp recht. Kommand. (len. I. A.-K.. für höchst
dessen Erscheinen der Vorsitzende den untertänigsten Dank der
militärärztlichen Gesellschaft ausspricht.
Als Gast hält Herr Oberstleutnant v. Stetten, Chef des
Generalstabes I. A.-K., den zugesagteu Vortrag: Krlegssanltatsdlenst
und Kriegshygiene bei den Japanern während des russisch-japanischen
Krieges 1904 05. „ , . . . c *
Der Herr Vortragende war als Zuschauer auf japanischer Seite
und betont zunächst, dass die Organisation des Sanitätskorps und
des Sanitätsdienstes vollständig nach deutschem Vorbild erfolgt ist.
Wenn der Vortragende nun auf Grund seiner Beobachtungen sich d e
Frage vorlegt: Genügt die Zahl des Sanitätspersonals selbst in den
ausserordentlich blutigen, grossen Schlachten, die entgegen früherer
Annahme infolge des sogen, humanen Geschosses, der geänderten
Taktik usw. durchaus nicht weniger blutig geworden sind, so kann
diese Frage mit .!a beantwortet werden. Der kolossale Andrang von
Verwundeten an einzelnen Stellen in wenigen Stunden hisst sich aber
nur dann bewältigen, wenn an Operationen und Verbänden nur das
absolut notwendige geschieht, wenn grösste Ruhe und Ordnung
herrscht und für schleunigen Abtransport gesorgt wird. Der letztere
war dadurch möglich, dass die Japaner grosse 1 rupps Chinesen --
und zwar immer erst im Bedarfsfälle — mieteten, zu 1 räger und
Kolonnen formierten und mit ihnen den Abtransport bewerkstelligten.
Auch für diie 'Beschaffung und Verteilung des Sanitätsmaterials
waren die deutschen Einrichtungen vorbildlich. Jeder Soldat trägt
1 Verbandpäckchen in der linken Brustseite des Waftenroeks. Die
Sanitätsausrüstung entspricht ungefähr der unsern und wird mit Rück¬
sicht auf die schlechten Wege auf Tragtieren mitgeführt ebenso wie
die der Sanitätskompagnic, die SO Tragen besitzt. Krankenwagen zum
Verwundetentransport sind bei letzteren im Gegensatz zu den Russen
wegen der schlechten Strassen nicht vorhanden, dieser geschieht
mittels chinesischer Karren. Jede Division hat eine Sanitäts¬
kompagnie und 4 —6 Feldlazaratte, die letzteren fuhren ihr Material
auf 22 zvveiräderigen Trainwagen mit. haben aber kein Material fiir
Einrichtung von Lagcrstellen. Bei jeder Division ist ein Feldlazarett
mit einem Röntgenapparat ausgestattet. Die Feldlazarette sind eigent¬
lich zur Aufnahme von 200 Verwundeten bestimmt, später vor
Mukden war Vorsorge getroffen, dass sie Mio looo Verwundete auf¬
nehmen konnten.
Die freiwillige Krankenpflege und das Rote Kreuz sind wie bei
uns organisiert und weit verbreitet, werden aber zur Hilfeleistung
auf dem Kriegsschauplatz nicht zugclassen. hier finden nur Angehörige
der Armee Verwendung. Erst im zweiten Teil des Feldzuges waren
Schwestern vom Roten Kreuz in den Etappeiila/arctten in D i!;iv
tätig. Entsprechend unsern Bestimmungen geht die Halite der Aerzte
und zwar die jüngeren mit der 'Empire ins (ieieeht, obwohl in der
Zone des Infanteriefeuers jede ärztliche Hilfe ausgeschlossen ist. auch
die gefürchteten primären Verblutungen bei Mantelgeschoss sehr
selten sind und diese Massnahme nur zahlreiche Verluste bei den
Acrzten zur Folge hat.
Die andere Halite der Aerztc errichtet den Truppetiv erbau Jp'atz.
oft nahe hinter der (iefechtslmie. nur gegen < icw ehrte; j er geschützt,
vielfach ohne Wasserstelle. Wum möglich w ,rd lnr 1 Reg.ment nur
1 Truppenverbandplatz errichtet. Grossere chirurgische* Eiugrtfc
sind ausgeschlossen, es werden nur Notvcrbnnde angelegt. Es war
eine auffallende Erscheinung, dass beim Angriii die Verwundeten s.ch
oft in dichten Schaden aus der Eciierimie zu den 1 ruppcii\erbat: J-
plätzcn zur ucksclilepptcn, wenn sie nur irgendwie konnten. De Ver¬
luste waren oft ganz crhcbäJic. so hatten bei Muk.lcn 2 Data «me
in der ungefähren Sänke \mi 2"‘>" Mann 1- M< > Mann 57 1 *r"Z. Ver¬
luste. Von allen Verwundungen s.nd s " b-s s5 Pro/., ia b.s zu »/" Pro/,
durch liiJanteriegeschosse \ <. rursacht' d"e!i s.n.l d.e Verwundungen
durch das humane Mantelgeschoss Ic.Ji* und hci.cn gut.
Von der Samtatskompagmc wurde häufig /iin.idist 1 Zug e n-
gtsetzt, der Hauptverbandplatz lag immer ;n euer Grtschaft. d.e
Entfernung von der Ucicchtshmi zwischen I 1 . und 4 km SchwanketiJ.
meist nicht auvserhaib des Bereiches des A rtillcricfcuers. Be.
Mukden wurden Hauptverbandplätze teils direkt hinter der Gefechts-
linie errichtet. Die Krankcutuuc: p.ttroml eil konnten erst emgre.teii.
wenn der Angriff vorwäits gegangen war. Auf dem liaup’ve r '\md-
platz erforderten Bauc’mchäAse und Blutungen am häuf gsten
chirurgisches l ingrciku. Vmputammeii waren aüsverst selten.
Die Feldlazarette gr.üen am spaten N.uhmitt ig des |. < iekchts-
tages ein und übernahmen ge w ohniuh den Haupts <. * ban.dpl.it/. Sie
mussten sich unbedingt ausseiha'b jeder Svhussw e.te mmdestens
5 km hinter der < iefechtslmie befinden.
Finge richtete l.a/arett- und Kranken./uge zum Rücktransport
der Verw undeten gab es nnht. dazu wurden gew ob-, .c he G.-tcr-
w ;u;en verwemlet und emger iclitet. D e Verwimdeten brauchten
/tim Transport vom Sch'achttVdc bis in die Heimat mmdestens \
längstens 25 l äge, im Durchs Juntt 2" l äge. \ui die K r;e gsti\ g.ene
wurde das grösste Gewicht gelegt und v!e nie ntspr c Jieniel auch fcervor-
ragender Erfolg erzielt. Je .kr MolJ.it erhielt ein t ie sutui.he-itvmvk-
biiclilein. ausserdem fanden häutige Belehrungen s*.*11 u; vl beJ> Igt
der japanische Soldat de erteilten Rutsch’.«ge genau und gern, weil
er von der Fürsorge und Vutont.it seiner Vorgesetzten fest überzeugt
ist. Zur Körperpflege wurden häufige Bader sc 'bst bei strenger Kalte
genommen. bevorzugt werden heisse Hader \i-n -4'* - 45 °. l»:e Mund¬
pflege wurde nicht \ ernachlass.^t. liquidere Aiitme: ksamke.t wurde
der Kleidung /ingewandt und da’'ei der w eshseInden J.tkrcs/e :t Rech¬
nung getragen. Wurden doch Temperaturen von :m Sommer * do •
im Schatten, im W inter 27° gerrusseii.
Auf dem Körper wurde nur Eeuien getragen, ieder So’d.tt war
mit einer Eeibbinde ausgestattet. Mange l.alt eisdi enen manchmal
die Eatr ineuanlagen besonders mit Riukvcht auf die ausserordent¬
liche Eliegenplage. Die Ernährung war .ms^ez.-vhiiet. neben dem
liiieiitbehr liehen Reis wurden h.ni’ig frisches 1 e.scli, gute Kon¬
serven mul ein sehr angenehmer Zwieback gegeben; Wasser wurde
nur gekocht genossen. \ :e liadi mit I hee : grosse l iltrier apparatv
standen zur Verfügung. Im V c’ duuuugsspurigen vor/nheiigen er¬
hielten die Soldatem taghell eine K r eosotj*. e. dem d e Japaner e.nc
gute, den Dann desinfizierende Wirkung /lisch: ic ben. Ul diesen
vortrefflichen li\ gienrsclten Mavvnahmeu hatten es die Japaner zu
verdanken, dass sie \oii grosseren 1 indem ei! \ e'Schiuit bl.eben und
der Krankenstand wahrend des ganzen l c’d/uges ein se*!rr nied¬
riger war.
Aus den französischen medizinischen Gesellschaften.
Acad&nle de m6decine.
Sitzung vom 21. J ti n i P>os.
Die prophylaktischen Impfungen mit Tetanushellserum.
I. u c a s - C h a m p i o n n i e r c findet die Wirkung des Serums
bei 'Eieren eine ausgesprochene. Die Tatsache, dass das I etanus-
lieilseriim bei den verschiedensten I lerarteu. wo es versucht wurde,
wirkt, ist eine sehr wichtige. Es wäre sehr merkwürdig. dass adern
der Mensch unter allen I lereu das Privilegium hatte, die Schutz-
wirkiing des Serums nullt zu gemessen, wahrend derselbe Bazillus,
dieselben lufektioiisbedmgungeii ihm den Tetanus bringen. 1 angg
Beobaelitnngsreiheii in elnr in g isc tu n VnMalteii. wo ehedem der I e-
tanus vorkam. halben dessen Verschwinden unter dem Einfluss des
Heilserums gezeigt. Lh. war Selbst Zeuge einer veritabieit Telamis-
epidcmic. welcher durch beharrlich fortgesetzte In ektMiien Einhalt
getan wurde. .Mehrere spezielle, wohl beobachtete I atsachen schei¬
nen zu guusteii der prophylaktischen Wirkung zu sprechen. Zweifel¬
los kann es Vorkommen, dass mnzierte Individuen keinen Vorteil
von eler Einspritzung haben, aber solche l abe sind viel seltener ais
man umgibt. Berücksichtigt mau die lalle, wo die Vorschriften
schlecht oder gar nicht ausge Mir t werden, so ist das Versagen des
Serums ein so seltenes, dass es Ptluht des L'irurgeii ist. iiu*tn.i.'
bei einer verdächtigen Wunde die Senimimekb'amu zu u-ie'h.svcn.
Uebrigens fahren die meisten seiner < k jier. die Meb.'zab: 'euer, die
Zw eifel an der Scnimw ir kung rh"''i. u haben, fort, es zu benutzen
und zu dessen Anwendung w e *e* zu r. •*<.”. .r ' Ji *spmm: w c
mancher Arzt, der ge s in : U .. ; de K*: ..Meti An¬
griffe erhebt und es nicht nute: h.sst. seme Kinder n-iptm zu lassen.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
25. August 1903.
MUEHCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1813
Die Mundieukoplasie (Raucherplaques).
Aus den Fällen, welche Landouzy beobachtet hat, geht her¬
vor, dass das Vorhandensein einer solchen Affektion stets an Syphilis
denken lassen muss; L. führt eine Reihe von Beispielen an, wo die
spezifische Behandlung mit Erfolg eingeleitet, auch die Leukoplasie
des Mundes zum Verschwinden gebracht hat. Was den Tabak¬
gebrauch betrifft, so begünstigt er zweifellos die Entwicklung der
Leukoplasie, aber man findet dieselbe häufig bei Männern oder
Frauen, die niemals geraucht haben.
Fournier teilt völlig die Ansicht L.s und führt den interessan¬
ten Fall eines Kranken (34 jährigen Mannes) an, welcher als vor¬
geschritten tuberkulös angesehen worden ist und bei welchem die
Leukoplakie eine versteckte Heredosyphilis annehmen liess; die in
diesem Sinne eingeleitete Therapie hat auch völligen Erfolg gehabt.
Sitzung vom 30. Juni 1908.
Zur Lokalanästhesie.
Reelus erklärt die Lokalanästhesie für eine sehr grosse Zahl
von Operationen für hinreichend und findet es merkwürdig, wie
wenig Chirurgen sie trotzdem anwenden; die Allgemeinnarkose bietet
so viele Unannehmlichkeiten, dass man sie so oft wie möglich ver¬
meiden muss. Das Kokain existierte allein am Beginn von R.s
Tätigkeit; er konnte damit mehr als 10 000 Fälle schmerzlos ope¬
rieren, ohne einen einzigen Todesfall. Die von anderen Chirurgen
konstatierten unglücklichen Zufälle hätten leicht vermieden werden
können, wenn man einige Hauptvorsichtsmassregeln befolgt hätte:
der Kranke muss liegen und wenigstens eine Stunde nach der
Anästhesie noch liegend verweilen, alle der Operation zu unter¬
werfenden Stellen müssen der Reihe nach injiziert werden, denn
das schmerzstillende Mittel diffundiert nur 4—5 mm nach allen
Seiten, die injizierte Dosis darf 20 cg nicht übersteigen, die an¬
gewandten Lösungen müssen sehr schwach sein. Das S t o v a i n ist
ebenfalls ein vorzügliches anästhetisches Mittel, etwas weniger wirk¬
sam, aber auch weniger toxisch als Kokain. Nach den Ausführungen
von Gouteaud erhöht die Assoziation von Kokain und Stovain
die schmerzstillende Wirkung beider Substanzen, ohne dass ihre gif¬
tige Wirkung zunimmt. R e c 1 u s wendet eine Mischung von
. 'A Kokain und Stovain an. Auch das Novokain, das zuletzt
eingeführte Mittel der Lokalanästhesie, hat sich als gutes Ersatz¬
produkt, bewährt. Die Rachianästhesie sieht R. als gefähr¬
lich und unnötig an.
In Fortsetzung der Diskussion über die Prophylaxe des Tetanus
verteidigen Labbe und Vai 11 a r d energisch die prophylaktische
Anwendung des Tetanusheilserums, während Reynier darauf be-
. stehen bleibt, dass es beim Menschen weniger energisch wirke, wie
bei Tieren und davor warnt, dass man dessen Anwendung den
Aerzten zur Pflicht mache; deren Ausserachtlassung könnte ihnen
schlimme Sorgen machen, wie dies schon vorgekommen sei.
Sociötö mödicale des hdpitaux.
Sitzung vom 22. Mai 1908.
Chronischer Rheumatismus und Schilddrüseninsuffizienz.
Emile Serge nt scheint es nicht zweifelhaft, dass in der kom¬
plizierten Gruppe der chronischen Rheumatismen einer ätiologisch
besonderen Abart, welche mit Insuffizienz der Schilddrüse zusammen¬
hängt, ein ziemlich wichtiger Platz einzuräumen ist. S. hat selbst im
Jahre 1894 die erste mit Autopsie verbundene Beobachtung eines
Falles veröffentlicht, wo Atrophie und kalkige Degeneration der
Schilddrüse bei einer Frau vorhanden war, die mit Psoriasis, Arthro¬
pathie und tödlichem Myxödem behaftet war. Andererseits kann der
Uebergang mancher akuter Formen von langwierigem Rheumatismus
in den chronischen Zustand seine Erklärung in einer Insuffizienz der
Schilddrüse, die wiederum die Folge einer erhöhten funktionellen
Tätigkeit derselben während der akuten Krisis ist, finden — wofür
S. persönliche Erfahrungen und die Untersuchungen von Vincent
anführt. Auch ist interessant, Heilung oder Besserung mancher
Arten von chronischem Rheumatismus durch interkurrentes Auf¬
treten des Basedow sehen Symptomenkomplexes zu beob¬
achten. S. hält diese Betrachtungen für so wichtig, dass unsere Be¬
mühungen nun dahin gehen sollen, die differentiellen klinischen Sym¬
ptome des durch Schilddrüseninsuffizienz hervorgerufenen chronischen
Rheumatismus, des einzigen, der durch Schilddrüsensubstanz heilbar
oder wenigstens besserungsfähig ist, festzustellen.
Die Sporotrichose.
De Beurmann hat die in Frankreich und Amerika veröffent¬
lichten Fälle von Sporotrichose gesammelt und ist zu dem Ergebnisse
gekommen, dass alle diese Fälle auf eine wenig verschiedene Art
von Sporotrichose, das Sp. Beurmanii, zurückzufiihren sind. Die
Sporotrichose ist in England und Deutschland noch nicht beobachtet
worden.
Sitzung vom 29. Mai 1908.
Traumatische Insuffizienz der Mitralis.
C1 a i s s e und S o c q u e t berichten über einen Fall rein trau¬
matischer Ruptur der Mitralklappe, ohne dass eine Herzerkrankung
vorangegangen wäre. Dieser Fall ist verschieden von den anderen
bis jetzt berichteten Fällen, wo die Verletzung an einer durch Atherom
veränderten Klappe zu stände kam und wäre von Bedeutung be¬
züglich der Unfallsrente und der Haftpflicht des Arbeitgebers.
Vaquez hat einen ähnlichen Fall beobachtet und ist der An¬
sicht, dass solche Fälle im Sinne der ausgedehntesten Verantwortlich¬
keit des Arbeitgebers ausgelegt werden müssen. Selbst in den Fällen,
wo man bei der Sektion Atherom konstatiert, kann der medizinische
Sachverständige versichern, dass vor dem Trauma der Kranke keine
merkbaren Veränderungen hatte und erst nach dem Unfälle eine
solche zu konstatieren war. Sache der Parteien wäre es nun, die
Gründe einer verminderten Verantwortlichkeit geltend zu machen und
der Gerichte, darüber zu entscheiden. :
Sitzung vom 6. Juni 19p8.
Die chronische Appendizitis.
C o m b y gibt einen zusammenfassenden Bericht über dieses
Leiden, das im jugendlichen Alter häufig und von sehr komplizierter
Aetiologie sei. Man kann die Appendizitis bei einem Kinde, das bis
dahin sich wohl befunden, keine Enteritis gehabt und in guten hy¬
gienischen Verhältnissen gelebt hat, beobachten: in solchen Fällen
scheint die Heredität eine Rolle zu spielen (familiäre Disposition,
lymphatischer oder arthritischer Natur) und man findet keine Ge¬
legenheitsursachen. In einer zweiten Kategorie von Kindern, welche
zahlreicher vertreten ist, findet man von früheren Erkrankung Angina,
adenoide Vegetationen, Magendarmaffektionen (Atonie, Dyspepsie,
Enteritis und Enterokolitis); zu den anderen infektiösen Krankheiten,
welche zu Appendizitis disponieren, zählt noch die Influenza, be¬
sonders in der mit Halsdrüsenschwellung verbundenen Form, ferner
Scharlach, Masern, Keuchhusten, Mumps und besonders Typhus, ln
anderen Fällen muss man fehlerhafte Ernährung, Uebermass an
Fleisch ansprechen. Die chronische Appendizitis ist selten in der
ersten Kindheit, häufiger in den späteren Kinderjahren und besonders
beobachtet man sie im Alter von 15—20 Jahren. Das Symptomenbild
ist ein sehr kompliziertes und von einem zum anderen Falle wech¬
selndes; besonders periodisches Erbrechen, Leibschmerzen nach
einem raschen Lauf oder lebhaftem Spiel, katarrhalischer Ikterus,
hartnäckiger Husten, der durch keine physikalischen Zeichen zu er¬
klären ist, eine Hemmung in der Entwicklung, nervöse Symptome,
wie Traurigkeit, Neurasthenie, Lipothymie; zuweilen sind die Re¬
geln sehr schmerzhaft geworden. Die direkte Untersuchung ermög¬
licht, die wirkliche Ursache all dieser Symptome zu erkennen: der
Darm ist schmerzhaft, es ist Schleim, Blut in den Fäzes. Differential-
oiagnostisch kämen Leber- und Nierenkoliken, die im Kindesalter
se.ten sind, oder Salpingitis als Folge einer Vulvovaginitis, die eben¬
falls selten, in Betracht. Die Prognose der chronischen Appendizitis
ist eine wechselnde; sie kann spontan heilen, aber meist muss man
zur Operation schreiten, die zur Notwendigkeit wird, sobald die
Diagnose eine bestimmte ist
Sitzung vom 12. Juni 1908.
Ueber den chronischen Schilddrüsen- = tuberkulösen Rheumatismus.
Leopold L 6 v i und H. de Rothschild heben wiederholt
diese ganz spezielle Form des Rheumatismus hervor und zwar stützen
sie sich zu dessen Begründung auf: 1. die Aetiologie, 2. die Ver¬
schiedenartigkeit und 3. die therapeutische Wirkung. In 10 Fällen,
wo die Tuberkulinprobe gemacht worden ist, wurden 8 Besse¬
rungen durch Schilddrüsenbehandlung erzielt. Daher erscheint der
Schluss berechtigt, dass der Verdacht eines tuberkulösen Rheuma¬
tismus den sorgfältig überwachten Versuch mit Schilddrüsenbehand¬
lung nicht ausschliesst. Der Schilddrüsenrheumatismus ist häufig:
nach der Statistik der Akademie 32 Besserungen auf 39 Fälle. Was
den zweiten Punkt betrifft, so wirkt die Schilddrüsendarreichung bei
den verschiedensten Formen von Gelenksaffektionen und bezüglich
des dritten Punktes glauben Verfasser, könne man in der Art der
therapeutischen Wirkung Unterscheidungen treffen; sie glauben, dass
Jod, Phosphor, gewisse Thermen, starke Salzwassereinspritzungen
durch eine Art indirekter Schilddrüsentherapie wirken.
Sitzung vom 26. Juni 1908.
S o u q u e s berichtet über 4 Autopsien von chronischem Rheu¬
matismus; in keinem der Fälle käme ein tuberkulöser Rheu¬
matismus in Frage; bei zweien trat zwar der Tod infolge akuter
Miliartuberkulose ein, die aber nur als letzte Komplikation anzusehen
war. In Anbetracht des merkwürdigen Ausfalles der Tuberkulin¬
reaktion — bei einem dieser letzten Fälle negativ, bei dem anderen
positiv, von den beiden anderen, wo auch die Sektion keine Spur von
Tuberkulose zeigte, reagierte ebenfalls einer positiv — stellt S. die
Spezifität der Tuberkulinreaktion in Frage und erinnert an die neuen
diesbezüglichen Untersuchungen von Arloing und Entz.
St.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. M.
1814
II. Internationaler Kongress für Chirurgie
in Brüssel vom 21.-25. September 19i>8.
Tagesordnung:
1. Natur des Krebses (Referent: R o s w e 11 Park- Buffalo). —
2. Pathogenese und Behandlung des Bpithclialkrcbses (Referent: P e 1-
bet-Paris). —3. Behandlung des Lippenkrebses (Referent: v. Ilon s-
d o r f f - Helisingfors). — 4. Behandlung des Krebses der Mundhöhle
(Zunge etc.) (Referent: Coli ins W a r r e n - Boston). - 5. Be¬
handlung des Krebses der Nasenhöhle, des Pharynx und Larynx (Re¬
ferent: Ci 1 u c k - Berlin). — b. Behandlung des Krebses des Oeso¬
phagus, der Leber, (iallcnwege und des Peritoneums (Referent:
C z e r n y - Heidelberg). — 7. Chirurgie der Leber: a) Steine (Re¬
ferent: K e h r - Halberstadt, b) hntziindungen: 1. Zirrhose (Referent:
K o c h - Groningen). 2. Cholangitis (Referenten : O u e n u - Paris und
D u v a I - Paris). ,L Abszess (Referenten: L e g r ;i n d - Alexandrien
und V o r r> n o f f - Kairo). 4. Tumoren (Referent: Payr-Greifs¬
wald). — 8. Behandlung des Magen- und Pankreaskrebses (Referent:
C z e r n y - Heidelberg). — 9. Behandlung des Krebses des I ninn-
darnis, Dickdarms, Rektum und Anus (Referent: V o e I c k e r - Heidel¬
berg). — 1(1. Behandlung des Brustkrebses (Referent: Halsted-
Baltimore).— 11. Anästhesie: a) Allgemeine (Referent: Val¬
las-Lyon). b) Medulläre (Referent: R e h n - Frankfurt), c. Lokale
(Referent: M a c A r t h u r - Chicago). — 12. Hernien: I. bei Plr-
wachsenen: Inguinalhernien (Referent: Alessandri - Rom). Cru-
ralhernien (Referent: H i 1 d e b r a n d - Berlin). Nabelhe rmen (Re¬
ferent: Praenkel- Wien). 2. bei Kindern (Referent: L o r t h i o i r-
Briissel). 3. Operatives Verfahren und Endresultate (Referent: K a I-
1 i o n t z i S - Athen). 4. Aetiologie der Hernien (Reieient: I' o r g u e -
Montpellier). Behandlung des Hautkrebses (Referent: Mnresiin-
Paris). Krebs der Nebennieren (Referent: T a v e I - Bern). — 13.
Chirurgie der Wirbelsäule: a) Verletzungen (Referent:
de Q u e r v a i n - Chaux-de-Ponds). b) Tumoren (Referenten:
B e r a r d - Lyon, K r a u s e - Berlin).— 14. Behandlung des Kiebses
der Harnwege und der männlichen (ieschlechtsorg me (Referent:
L e g u C n - Paris). — 15. Röntgen- lind Radiumbehaiullimg des
Krebses (Referent: S e q u e i r a - London). — l(>. Behandlung des in¬
operablen Krebses (Referent: M o r r i s - London). 17. Pm-
jektionsabend (Reierent: K r a u s e - Berlin). - ls. Behandlung des
Krebses der weiblichen Geschlechtsorgane (Referent: Paure-
Paris). — 19. Kndresultate der operativen Behandlung des Krebses
(Referent: D o 11 i n g c r - Ofen-Pest).
Prof. Dr. Sonnenburg - Berlin, Hitzigxtr. 3, Bt Delegierter
fiir Deutschland und ist zu Auskünften über den Kongress bereit.
Verschiedenes.
Therapeutische Notizen.
Die Azidose — die Bildung von Oxybuttersäure. A/etcssig-
säure und Azeton — bildet bei den D i a b e t e s k r a n k e u die
wichtigste und gefährlichste Komplikation. Die Oxybuttersäure kann
sich, wie Baer (Therap. Monatsh. 6, ti.s) ausfiihrt, in erster Linie
aus Pettsäurcn bilden. Auch die Piweisskörper enthalten reichliches
Material, aus dem Oxybuttersäure entstehen kann.
Den Grad der Azidose erkennt man leicht aus dem Verhalten
des Urins. Genügen beim Gesunden Gaben von 2 g Natron bicar-
bonicum, um den Urin alkalisch zu machen, so müssen beim Dia¬
betiker mehrere Tage hintereinander 5 g und in schweren I allen
10—40 g und mehr gegeben werden.
Die Auffassung des Coma diabeticum als einer Sänrevergiitung
hat die Behandlung desselben mit grossen Mengen Natron biearbom-
curn gezeitigt. Bei Kindern sind mehrere Palle von Koma mit Hilfe
dieser Behandlung geheilt. Beim Lrwachsenen sind nur wenige In¬
folge berichtet, insbesondere gelang es in sicheren Komatalien, die
zum Pxitus kamen, nie alkalischen Urin zu erzielen. Um die Be¬
handlung des Koma an dessen Wurzel anzugreiteti, haben einige
Autoren Injektionen von glutarsaurem Natron gemacht, das bei
Hunden mit Phloridzindiabetes die Zuckerausscheidung und die Azi¬
dose stark herabsetzt. Auch die Prfolge dieser Behandlung sind
noch unsichere. Kr.
Bei der Behandlung der chronischen Obstipation
empfiehlt S i m o n - Karlsbad in erster Linie die sorgfältige Berück¬
sichtigung des Grundleidens: Cholelithiasis, Ulcus ventiiculi. Appendi¬
zitis, Hämorrhoiden, Neuralgien, Nephrolithiasis, Neurasthenie usw.
(Ther. Monatsh. h, os). Piir die eigentliche atoiiische Porm emp¬
fiehlt sieh vornehmlich die „schlackenreiche" Kost in Verbindung
mit allgemeinen Wasserprozeduren, Massage. Plektrizität. Mnuirs
nüchtern ein Glas kaltes Wasser oder Zuckerwasser. Grahambrot.
Simonsbrot mit Marmelade, Honig und Butter. Mittags reichlich Ge¬
müse. viel Kompott und rohes Obst. Apfelwein und alkalische Wässer
unterstützen die Wirkung. Daneben Massage des Unterleibes. G\m-
nastik, autsteigende Dusche. Oelkivstfere. Von den zahlreichen
Medikamenten empfiehlt sich am meisten das Regulin. Daneben
Brustpuver, Kaskarapastillen, Bitterwasser. Unbedingt notwendig
ist die Beziehung des Kranken, seaieii Stuhl zu eaier bestimmten Ze.t
zu entleeren. Kr.
Tagesgeschichtliche Notizen.
M ii n c h e n, den 2*\ August 1:9 *s.
Die S p e z i a I a r z t f i a g c w ml m ['miss e n /unaclist
eine aussergeset/'iVue Regelung finden. \\ e aas einem an anderer
Stelle dieser Nummer t s. u.) mitgeteilten l Lass des preussischen
Medizinaitmmsters hervorgeht. hat die erw e ierte w ,suiivhaK.,2ic
Deputation für das McJ;/tftaiw eseii empnaieii. d.c >;u ziahstviitragc
als ärztliche Stundest!jge zu behandeln mul zunächst der atzt ,dien
Standesorgamsalion ( Al i ztekammern. Lhrcngci ich'e • zu u! cr'assen.
Der Munster sieht daher \mi einer W e:ter\ertoigung der Angc.egen-
lieit zurzeit ab. Dass Standes«-:driung u d Läfcugc ridvte. w<-
solche mit Disziplinär beiiigtus ausgestuttet bestehen, m vier lat ge¬
eignet sind, Auswachsen vks M’c/.alistcntums zu begegnen, zeigt z. B.
das weiter unten mitgetc, te Lt kermtn.s des s.u hs.s v :,c n p.nreti-
geI ichtsliofs, das einen der .schlimmsten M.ssbraiuhc aal ü esim Ue-
biete trifft.
— - I he Präge der b a v e r i s eben ä r z t 1 i c h e n Pi h rin¬
ge r i c h t e. die nach 7 jährigem SJ;. ummer zunächst durch eie ii I ad
Hutzlef wieeier aktued wurde, scheut jetzt seitens der Standcs-
\ e r ti etmigeii w icder eiiugisJi m Angriff genommen werden zu so. <.n.
An anderer Stelle dieser Nummer tS. I7ss) berichtet Herr H- Iiat
Max er-lurth aber ehe Schritte, ehe bisher geschehen s.r.d und aber
elas, was zunächst angestiebt werden s<d. D*e I läge ist. ob nach
eien trübe» Lrlahi ungeti mit dem Lntwuri emer 1 hrengei idits. u duung
\om Jahre 1 * J ' 1 xon neuem e.ne gesct/i.dic Regelung der nr/t.uncn
I. h re Tiger ich t sb.i i k e 1 1 an^cMicbt wer eien soll, oder «*b man Sich Hut.
emer gesetzlichen Mmktion nicht beulmtetulen, Verbesserungen der
I estchcnJcu P.iiiTiehtungen begnügen >o,,. Der Minister bat erklärt,
dass er der gesetziu hen Regelung s\ n.pa&sch gegenüber steile und
scheint bereit zu sein, eine Neu\««riagc ein/ubi mgen. wenn eins von
dem Aerztem gew mischt wird. 1 s wird als.. \<m den x orauss.ehtiicheTi
Lhaiictn der Vorlage im Landl.t s e abu.ingen, ob man s.di dazu ent-
Seluiessem wird, elie geset/dclie Rege.ung der Lht enger u iitsl rage
iieueidmgs zu betreiben. Da ist nun zu benuks:dU.gcn, dass Se.t
|bo| sich vieles geändert hat und e.ne lur die Act /te so ungünstige
Situation, wie damals, wohl nicht wieder zu erwarten ist. Vor ai.nn
ist ein M.ss^itl in der Wald des Rcle re uten. wie er d.mia's gemacht
wurde. Wo mich denn I < • d e A ubs eJas Retei.it über die Vori.ige einem
Reieieilten anxertraut winde, der selbst nicht approb.etter homöo¬
pathischer Krankenbehandic r und extrem ar/teieaul dl war, ein
zweites Mal nicht zu beturchten. Sodann aber lut s.cli inzw.Sclien
die V ei besser BÜgsbediiMtigkeit der ar/t.uhen I. in enge ruhte m so
hellem Lullte gezeigt, dass den Aerzten der \\ muJi muh Reformen
kaum abgesehiagen werden kann. Da man d e 1 luengeruhte mellt
abschaften kann, was manchen Ire.heb Meheuht das liebste wäre, so
wird man sich dazu eiitsdi.icsscri müssen, olleu.cimdue Mangel* zu
beseitigen. Bei den Li ortet angelt über den Pa.i II u t/it r waren es
vor aLeiii zwei Mangel, die x of! der Presse aller Parteien Scharf
kritisiert wurden: die l nmog'ichkeit Zeugen e.vb.di zu vernehmen
und das Pehlen .must sJieil Beirates. Diese beiden Zugeständnisse
zum lmiklesteu miissre n Jen Aerzten, wenn s.e \-u ihnen Xeriangt
wurden, gewahrt weiden; sie sind wulit.g genug, um den \ er sudi
der gesetzlichen Regelung der 1 tage lim hiietwi. eil zu rechtfertigen,
selbst wenn w eite r gehende 1 -uder urigen, w e /. B. d.c Aus.ie Jiniiug
der L li i e u g e 11 c h t sb.i i k ei t auf a 1 i e ba\ ei ische n Aerzte, vor .autig aus-
Siehtsios waren, liintral wer iefl audi die luxcnsd.cn Aerzte e.ne
bi a Heilbar e l.lir enge; u htsoi dnuug, wie - s e sich m eien me,steil
anderen Maaten auis beste bewahrt, bekommen müssen. Nach Ab¬
lauf \ oii 7 Jahren duitte es mdit zu Ir uh sein, el.e damals ge¬
scheiterten Bestrebungen nadi gese t/iidie r Regelung der Präge
wieder aui/iinehmen.
— Zur Be/ei c li n u n g als „S p e / i a 1 a r z t" (jS 5 des är zt-
l'chen Stande.'Ordnung für das hoii.greidi Muhten ) hat der Aerzti.
I hi engerichtshof für das komgre.ch Muhseti m vier Sitzung am
G. Juli ei. J. folgende pr.n/.p.e.: wuhtge Lntsdie sdung getroffen.
Der Arzt Dr. X. m D. Hatte suh as ..M'e/.a ar/t lur Magen-
tmd Darmkranklieiten und Ner x ciikianUieitcn" bezodmet. Der zu-
statulige 1 In eil rat hatte elresc Beze .diniiug a s un-danmiM erklärt.
Dr. X. ei in .b dar aufti.n Berufung an den I, Irrer ge; dnsUm Letzterer
al-er hat elas Urteil des l.hienrates mit bh.-eirder Begründung be¬
stätigt:
„Selbst wenn man annimmt. d.i'S der Besdni’d ,;:e s..w<hi für
Darm- und Magenkrankheiten ; ls muh im Ner x emsraukhe :ten
eine genügende Ausbi Jung bes tzt. um s. v > dafür as Spez.aiar/t
zu beze icliile n, s ■ ;st es vh di a»is«,e - -sc* n, dass er }| m,t
beiden Spe/ialladiern gle.di/e.t.g „x <%% ie K e ud" be^cli.iltigen
') Der Paragraph lautet: Du Pk/e-dm.img als S-u/.a r/t kommt
nur dem Arzte zu. vier s.ci g: mul, , die Vts ■ ung in .lern !>e t'effende n
Spezialladie erw-.rl-en iiat und s,di x-a w .cser.J n:.t eerr.se, i eil be¬
schäftigt. 1 Le m.ssbiai)cl;..c:ie Bt/e.d.:.u::g a.s Spez.a.arzt ist un¬
statthaft.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
25 . August 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1815
kann (§ 5 St.-O.). Es folgt aus dem Begriffe des Wortes „vor¬
wiegend“, dass es sich dabei immer nur um ein Spezialfach
handeln kann. Besteht ein so enger Zusammenhang zwischen zwei
Gebieten der ärztlichen Wissenschaft, wie dies bei den Magen¬
krankheiten und Darmkrankheiten der Fall ist, so können diese
beiden Gebiete sich sehr wohl als ein Spezialfach darstellen. Dass
ein solcher Zusammenhang aber zwischen Magen- und Darmkrank-
heiten einerseits und Nervenkrankheiten andererseits besteht, wird
vom Beschuldigten selbst nicht behauptet. Es handelt sich dabei
vielmehr — trotz mancher Berührungspunkte — um zwei ver¬
schiedene Fächer, von denen man sich immer nur mit einem „vor¬
wiegend“ beschäftigen kann. Der Beschuldigte darf sich dahier
nach dem klaren Wortlaute des § 5 St.-O. auch nur für eins der
beiden Fächer als Spezialarzt bezeichnen.“
— In ihrem Kampfe gegen den „Spezialarzt für Zahn-
und Mundkrankheiten“ Dr. Johann Breitbach in Dresden
haben sich die Dresdener Zahnärzte eine neue Niederlage geholt. Der
Verein approbierter Zahnärzte in Dresden hatte beim kgl. Land¬
gericht Dresden den Antrag gestellt, den genannten Arzt auf Grund
des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb zu bestrafen, weil
er trotz des in dieser Sache ergangenen Reichsgerichtsurteiles den
Titel „Spezialarzt für Zahn- und Mundkrankheiten“, wenn auch jetzt
mit dem Zusatz „Nicht Zahnarzt“, weiter führe. Dieser Antrag war
Anfang Juni vom Landgericht kostenpflichtig abgelehnt worden und
die Zahnärzte hatten gegen diese Entscheidung bei dem zuständigen
Oberlandesgericht Beschwerde erhoben. Auch diese Beschwerde
wurde (Beschluss vom 30. VI. 1908) kostenpflichtig abgewiesen. In
der .Entscheidung wird zunächst nochmals festgestellt, dass die Führung
des in Rede stehenden Spezialarzttitels nicht „schlechthin“ unter¬
sagt sei. Ferner wird ausdrücklich hervorgehoben, dass das Reichs¬
gerichtsurteil kein generelles sei, sondern sich nur auf den Einzelfall
des Dr. B r e i t b a c h beziehe. Das Obcrlandesgericht habe lediglich
festgestellt, dass aus der Art, wie Dr. B. seine Zahnpraxis ausübe
und kundgebe, zu- erkennen sei, dass er sich mit seiner Bezeichnung
„Spiezialarzt für Zahn- und Mundkrankheiten“ als auch „Zahnarzt“
ankündige. Dieser Auslegung habe aber Dr. B. jetzt durch den
Zusatz „Nicht Zahnarzt“ hinlänglich vorgebeugt, womit er dem vom
Dresdener Landgericht seinerzeit erlassenen Gebote vollauf genügt
habe. — Dass nicht jeder Spezialarzt für Zahn- und Mundkrankheiten
durch Führung dieser Bezeichnung gegen das Gesetz über den un¬
lauteren Wettbewerb verstosse, haben die Gerichte bereits in einem
anderen Falle dadurch bekundet, dass der beklagte Spezialarzt frei¬
gesprochen wurde. (Sächs. Korr.-Bl.)
— Der Kaiser hat aus seinem Dispositionsfonds der Robert-
Kochstiftung zur Bekämpfung der Tuberkulose
100 000 M. bewilligt Die Sammlung hat damit einschliesslich der
Carnegiespende von 500 000 M. die Summe von 1 Million über¬
schritten.
— Die Akademie der Medizin in New York hat ein V e r z e ic h -
nis der bedeutendsten medizinischen Biblio¬
theken, besonders solcher, die von ärztlichen Gesellschaften,
Hospitälern, medizinischen Schulen unterhalten werden, unter Aus¬
schluss der medizinischen Abteilungen allgemeiner öffentlicher Biblio¬
theken, angelegt. Hiernach besitzt die grösste medizinische Biblio¬
thek mit 175 000 Bänden die medizinische Fakultät in Paris; es folgt
die Bibliothek der Kaiserl. Akademie der Medizin in St. Petersburg
mit 170 000 Bänden und die durch ihren grossen Katalog berühmte
Bibliothek des Surgeon Generals Office in Washington mit
158 791 Bänden. 100 000 Bände haben die Bibliothek der medi-
ziirischen Akademie in Brüssel und der Akademie der Medizin in
Paris. In den Vereinigten Staaten haben grosse Bibliotheken ausser
der schon genannten die Akademie der Medizin in New York
(85 000 Bände), das College of Physicians in Philadelphia (84 423
Bände), die medizinische Gesellschaft von Brooklyn (65 ü(X)
Bände) und Boston (57 493 Bände). Die grösste Bibliothek Gross-
britanniens hat das R. College of Physicians in Edinburg mit
80 000 Bänden; es folgen die Royal Society of Medicine und das
R. College of Surgeons, beide in London, mit 70 000 bezw. 60 000
Bänden und das College of Physicians and Surgeons in Glasgow
(50 000 Bände). Die deutschen medizinischen Büchersammlungen
müssen sich mit einem bescheidenen Platz begnügen; das Verzeichnis
nennt nur die Bibliothek der Kaiser-Wilhelms-Akademie in Berlin
mit 65 000 .und die der Berliner medizinischen Gesellschaft mit
30 000 Bänden. Sonstige bemerkenswerte medizinische Bibliotheken
besitzt das Medical College of Bengal in Kalkutta (50 000 Bände),
das Karolinische Institut in Stockholm (40 000 Bände), die wissen¬
schaftliche Schule in Florenz (30 000 Bände), die Universität Kyoto,
Japan (25 000 Bände). Die 56 000 Bände zählende Bibliothek des
Aerztlichen Vereins München fehlt in dem Verzeichnis.
— Im Herbste dieses Jahres werden an den hygienischen Insti¬
tuten der drei bayerischen Landesuniversitäten erstmals Kurse zur
Ausbildung von Desinfektoren stattfinden. Der Kurs
am hygienischen Institut in München wird in der Zeit vom 19. bis
26. Oktober, der Kurs am hygienischen Institut in Erlangen in der
Zeit vom 12. bis 19. Oktober, der Kurs am hygienischen Institute
in Würzburg in der Zeit vom 23. bis 31. Oktober abgehalten. Ausser¬
dem werden die bisher an der K. Bakteriologischen Untersuchungs-
Station in Landau i. Pfalz eingerichteten Kurse fortgesetzt. Diese
Kurse sind unentgeltlich (für Bedienung 2 M.); Gesuche um Zu¬
lassung sind mit den erforderlichen Belegen 2 Monate vor Beginn
des Kurses bei den Distriktspolizeibehörden einzureichen. Es ist
Vorsorge getroffen, dass unbemittelte Teilnehmer Unterstützungen
aus öffentlichen Mitteln erhalten. Nach Beendigung des Kurses wer¬
den die Teilnehmer einer Prüfung unterzogen, über deren Erfolg
ein Zeugnis ausgestellt wird.
— Desgleichen hat das K. Staatsministerium die Abhaltung von
Kursen zur Unterweisung der Amtsärzte im Des-
infektionswesen an den 3 Landesuniversitäten angeordnet.
Diese Kurse sollen die Amtsärzte zu einer gleichmässigen- Beaufsichti¬
gung und Unterweisung der ausgebildeten Desinfektoren ihres Be¬
zirkes befähigen. Der Unterricht wird in der Regel von den Vor¬
ständen der hygienischen Institute erteilt. Die Kurse dauern 3 Tage,
ihr Beginn wird jeweils amtlich bekannt gegeben. Mit der Ein¬
richtung der Kurse hat das K. Staatsministerium des Innern gleich¬
zeitig die notwendigen Anordnungen erlassen, um die Aufstellung von
verlässigen und sachverständigen Desinfektoren in den unmittelbaren
Städten und in den Distrikten in der dem Bedürfnis entsprechenden
Zahl und örtlichen Verteilung zu sichern. Ihre Beaufsichtigung in
technischer Beziehung obliegt den Amtsärzten.
— Für den kurzfristigen Zyklus unentgelt¬
licher Fortbildungskurse in Berlin (vom 19.—31. Oktober)
gelangt soeben das Teilnehmerheft zur Ausgabe. Der erste Abschnitt
umfasst das Kursprogramm, den Arbeitsplan und die Ausweise. Der
zweite Abschnitt ist ein Wegweiser für den in BerLin fremden Arzt,
der hier alle erforderlichen Hinweise in übersichtlicher Anordnung
findet (Wohnung, sämtliche medizinischen und hygienischen Institute,
Verkehrswesen usw.). Der dritte Abschnitt ist eine Zusammenstel¬
lung der Vergünstigungen, welche den- Teilnehmern in den Berliner
Theatern während der ganzen Dauer des Zyklus gewährt werden. An
der Veranstaltung kann jeder deutsche Arzt gegen Erlegung einer
Einschreibgebühr von M. 15 teilnehmen. Meldungen sind zu richten
an das Kaiserin Friedrich-Haus (z. Hd. des Kassiers, Herrn O. Z ü r t z,
Berlin NW. 6, Luisenplatz 2—4).
— An dem psychiatrischen Fortbildungskurs, der
in München vom 9. bis 28. November d. Js. stattfindet, wird sich
Prof. Li ep mann-Berlin mit 10 einstündigen Vorträgen (12. bis
23. November) über „Aphasie, Apraxie und Agnosie“ beteiligen.
— Eine kurze aber vortreffliche Uebersicht über alle Fragen der
„Krankenversicherung“ gibt Dr. H. Scholl- München in
einer im Verlage des „Fortschritt“-München erschienenen kleinen
Broschüre. Der Stoff wird nach folgender Einteilung behandelt:
1. der Kreis der versicherten Personen; 2. die Träger der Ver¬
sicherung, d. h. die verschiedenen Krankenkassen; 3. die Leistungen
der Krankenkassen; 4. die Aufbringung der Mittel; 5. der Rechtsweg;
6. Umfang und Wirkung der Krankenversicherung. Aui kleinstem
Raun; ist hier dasjenige aus dem grossen Gebiete zusammengestellt,
was jeder Staatsbürger, besonders aber jeder Arzt, darüber wissen
sollte.
— Cholera. Russland. Laut Bekanntmachungen der Kommission
zur Bekämpfung der Pest sind bis zum 8. August an der Cholera er¬
krankt (und gestorben) im Gouv. Astrachan 126 (54), im Gouv. Sa¬
ratow 215 (105), im Gouv. Samara 4 (3).
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 26. Juli bis 2. August
3 Personen an der Pest erkrankt und 2 gestorben. — Aegypten.
Vom 1.—7. August sind an der Pest 21 Personen erkrankt (und
3 gestorben). — Britisch-Ostindien. Während der beiden Wochen
vom 28. Juni bis 11. Juli sind in ganz Indien 512 -f 569 Erkrankungen
und 435 - 453 Todesfälle an -der Pest zur Anzeige gelangt.
— In der 32. Jahreswoche, vom 2.—8. August 19U8, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Recklinghausen mit 46,0, die geringste Dt. Wilmersdorf mit 6,5
Todesfällen pro Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller
Gestorbenen starb an Scharlach in Zabrze, an Masern und Röteln
in Flensburg, an Keuchhusten in Gleiwitz, Linden, Remscheid.
V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Frankfurt a. M. Privatdozent Dr. Bernhard Fischer-
Bonn-Köln hat den Ruf an das Senckenbergische pathologisch-ana¬
tomische Institut als Nachfolger Albrechts angenommen.
Bern. Der a. o. Professor für medizinische Chemie und
Pharmakologie, Dr. Emil B ü r g i wurde zum ordentlichen Professor
ernannt, (hc.)
Bologna. Habilitiert: Dr. O. Viana für Geburtshilfe.
N e w Y o r k. Dr. Andrew Hunter zum a. o. Professor der
Physiologie an der Cornell-Universität ernannt.
Ofen-Pest. Habilitiert: Dr. E. Wein für Chirurgie.
W i e n. Der o. Professor Dr. med. Joseph M o e 11 c r in Graz
ist aui den Lehrstuhl der Pharmakognosie an der hiesigen Universität
berufen worden, (hc.)
(Berichtigung.) In der Arbeit: „Magen-motilitäts-
prüfungen mit Hilfe der Röntgenstrahlen“ von Dr. K a e s 11 e soll es
auf S. 1736, rechte Spalte, 2. Zeile heissen: „dadurch und weil es sich
um u n verdauliche Massen handelt“, statt „um v e r dauliche Massen“.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1816
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3-f.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Niederlassung. Dr. Wilhelm Ortloph in Unter¬
steinach i. Steigerwald. — Dr. Rud. diesen, appr. I9D7, in Pomulorf.
Verzogen. Dr. P i p e r in Eslarn, 13.-A. Vohenstrauss, nach
Fiirstenwerder in der Uckermark.
Bekanntmachung,
die Anstellung eines Landesgewerbearztes betreffend.
Auf Qrund des ordentlichen Budgets für die Jahre I9i»S und 19i>9
ist die Stelle eines Landegewerbearztes zu besetzen, der die üe-
werbeaufsichtsbeamten des Königreichs als hygienischer Fachmann
beraten soll.
Der Landesgewerbearzt muss mit der wissenschaftlichen Me¬
thodik, sowohl der statistischen als der experimentellen, vertraut und
für hygienisch-ätiologische Untersuchungen durch entsprechende
Schulung in der klinischen, physikalisch-chemisch- und bakteriolo¬
gisch-hygienischen Methodik vorgebildet sein.
Dem Landcsgewerbcarzt werden Dienstreisen zum Zweck des
Besuches von Fabriken und sonstigen gewerblichen Betriel>en in er¬
heblichem Umfang obliegen. Fr ist den Kgl. (iewerberüten koordiniert.
Bezüge nach der am 1. Januar 19»>9 in Kraft tretenden (iehalts-
ordnung 48(X) M. Anfangsgehalt, der alle .3 Jahre um 5m M. bis zu
7200 M. steigt; eventuell Bureauentschädigung; bei Dienstreisen
Reisekostenersatz und Tagegeld von 11 M. Ausübung von Privat¬
praxis ausgeschlossen.
Amtssitz: München.
Bewerbungsgesuche sind mit geeigneten Belegen über Vor¬
bildung und etwaige bisherige wissenschaftliche Arbeiten
bis 15. Oktober I i d. J s.
beim unterfertigten Staatsministerium einzureichen.
München, den 16. August 1908.
Kgl. Staatsministerium des Kgl. Hauses und des Aeussern.
gez.: Frhr. v. P o d e w i 1 s.
Amtliches.
(Preussen.)
Behandlung der Spezlalistenfrage.
„Der Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.
M. Nr. 4264/07. U I.
Die zunehmende Zahl von Spezialärzten, welche zum Teil diese
Bezeichnung sich ohne eine genügende wissenschaftliche besondere
Vorbildung und ohne die erforderliche praktische Uebung beilegen, hat
mich veranlasst, die Erweiterte Wissenschaftliche Deputation fur das
Medizinalwesen gutachtlich über die Frage zu hören:
„Soll die Berechtigung der Aerzte, als Spezialärzte für einzelne
Gebiete der praktischen Medizin sich zli bezeichnen, an bestimmte
Bedingungen geknüpft werden und zutreffenden Falles an welche?"
Die genannte Deputation hat in ihrer Verhandlung am 16. Oktober
vorigen Jahres ihre gutachtliche Auffassung in folgenden Sätzen
niedergelegt:
„1. Die Berechtigung der Aerzte, sich als Spezialarzt fiir ein¬
zelne Gebiete der praktischen Medizin oder mit einem anderen
gleichbedeutenden Titel öffentlich zu bezeichnen, ist an bestimmte
Bedingungen zu knüpfen.
2. Folgende Finzelgcbicte der Medizin kommen zurzeit haupt¬
sächlich in Frage:
a) InnereMedizin.
b) Chirurgie.
c) Augenheilkunde.
d) Hals- und Nasen- oder Ohrenkrankheiten.
e) Geburtshilfe und Gynäkologie.
f) Haut- und Geschlechtskrankheiten.
g) Nerven- oder psychische Krankheiten.
h) Kinderheilkunde.
3. Für die Berechtigung, sich als Spezialarzt oder mit einem
anderen gleichbedeutenden Titel öffentlich zu bezeichnen, ist eine be¬
sondere Ausbildung nach Erlangung der ärztlichen Approbation zu
fordern.
Die besondere Ausbildung muss bestehen: in der wissenschaft¬
lichen Fortbildung und praktischen Beschäftigung während eines Zeit¬
raumes, der erfahrungsgemäss zur selbständigen Betätigung auf dem
gewählten Gebiete erforderlich ist.
In der Regel sind drei Jahre als erforderlich zu erachten.
4. Die besondere Ausbildung muss in Universitätsanstalten, An¬
stalten der Akademien für Praktische Medizin, Spezialabteilungen
grösserer Krankenhäuser oder bei anerkannten Spezialärzten ge¬
wonnen w'erden und zwar in der Stellung als Assistent. Ein Ver¬
zeichnis der in Betracht kommenden Anstalten und Spezialärzte wird
alljährlich von der zuständigen Behörde aufgestellt und veröffentlicht.
Ausnahmen können unter b esor.de; en Verhalt i>sen von der gleichen
Behörde zugelassen werden.
5. Dauer und Erfolg der spezialistischeii Beschäftigung smJ
durch eine Bescheinigung des aiMnldenden Arztes i adi^iw cacm."
Von den Referenten ist bei der Beratung unter Zusi.mmuug
der Mehrzahl der Mitglieder der Erweiterten W is>e:;s J.aitäcken De¬
putation der Meinung Ausdruck gegeben, dass es sich empieh eri
werde, die Speziahstenirage als eine ärztliche Standenage zu be¬
handeln und die weiteren Schritte zunächst der är/t.ichcn Standes¬
organisation (Einwirkung der Aerztekamnier. Ehrengerichte* zu über¬
lassen. Indem ich dieser Auffassung Rechnung trage und m den Be¬
schlüssen der Deputation eine geeignete Grur.d.age fur eine e.rtst-
weilige aussergeset/hchc Gestaltung vier Behänd.img der Spe/iahstcn-
frage erblicken mochte, sehe ich zurzeit von emer W c.ter\erndgung
der Angelegenheit meinerseits ab und ersuJie Ew. Ev/cücuz er¬
gebenst. der Aerztekamnier für die dort.ge Provinz die Besch uxse der
Erweiterten \\ isseiischattiu.heii Deputation für das Med./.naiw esc»
zur weiteren geeigneten Bekanntgabe unter den Aerztcn des kam-
merbezirks gefälligst mit/uteiien.
Von der Aufstellung des in /;!!. 4 der Beschüsse in Auss.Jit
genommenen Verzeichnisses wird d.esxeits vor.aung abgesehen."
Korrespondenz.
Praktisches Jahr.
Der S 14 der jungst erschienenen ..\nwcMi.ig über das prak¬
tische Jahr der Mediziner" lautet:
../ur Erreichung des Zieles des Praktischen Jahres geragt
es nicht, dass der Kand.dat nur die Morgen- mul Vbend\.s:tc m:t-
tnacht. im iibrigen aber \oti der Anstalt icrnbie.bt. \ ic.mthr ist
es erforderlich, dass er x.Ji wahrend des Iagcs dauernd :n der
Anstalt aufhalt und sich ganz der Bt iiardlung und vier Be.'b.uh-
tung der Kranken wohnet. Deshalb ist es w unsJjctsxw ert* dass
der Kandidat wahrend seiner praktischen lut.gkeit .n einer Kran¬
kenanstalt m der seil'eil Wohnt und \erp;iegt w.rd. t icstatten de
Verhältnisse die Unterbringung des Kandidaten in der Kranken¬
anstalt mclit, so sollte ihm we- igsftjis d.e Mog ; v hke;t, s.ch in der
Anstalt zu beköstigen, gewahrt werden."
In einer Zuschrift aus Praktik.inieiikreiseii an uns wird nun
darauf luugew lesen, dass diese Bestimmung gerade Non den 1 m-
N ersitätskliiukeit und sonstigen staatlichen Aust.i teil nicht tri 11
wird. Wahrend sehr \iele Leine re K ra ikenn.niser den Brak: kanten
freie Wohnung und Verpflegung gewahren, müssen d.ese in den
freisten Umversitatsk’imken aussirha b der Vnstu't wetten und s .Ji
selbst vet pflegen. Darunter leidet nicht nur. was der erwähnte
§ 14 der Anweisung gerade verhüten w II. d.e Aus’--'Jung. S' : d.m
es können auch nur w ohibeiuitteite I eilte au Kän ktn prukiv.crcn.
wahrend minderbemittelte geiiot.gt sind, d.e k.v.ueren Ausladen aut-
zusuehen. Eis waie aber im Interesse der K mken ge.egen, wenn
.sie ihr Praktikanteiimatci :a]« aus dem s.ch \ii.iuch d.e \ss>;euten
rekrutieren, nicht nach dem Vermögen, sondern mich vier l icht g-
kut auswählen konnten. Nicht in jeder Khu.k w.rd iur Brak t.kanten-
wohnungen gelingend Platz vorhanden scu: überall aber '.isst sdi
die Verköstigung d**r Praktikanten im Mause gegen Ersatz der
Selbstkosten einrichten. Es bedarf wob, nur e.ncr V-ostv ,m;g an zu-
stäi'.digcr Stelle, um das zu erreichen mul daunt den § 14 der An¬
weisung auch m den staatlichen Aust.i teil du. ch/u; .hrcii.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 32. Jahreswoche vom 2. bis 8. Aug. löos.
Bevolkcrungszahl 55o um.
Todesursachen: Angeborene Ecbensschw. (E Leb.-Ml in (15*i,
Altcrssehw. <uh. (>n J.) 2 (4). kindbcttiiebcr 1 11, and. E'olgeu der
Geburt 1 (1), Scharlach 2 (I). Masern u. Röteln 1 < -), Ikphth. u.
Krupp — (3), Keuchhusten 2 dl, T\phus - i h. ubertragb. Tierkrankh.
— (—g Rose (Er\sipel) -- dl. and. W undmfcktionskr. uinsctil. Biut-
u. Eitervergift.) 1 <3i. Tuberkul. d. Einigen 21 ( Joi, luberkul. and.
Org. 2 ((>), Miliartuberkul. 3 t2), Eungeuent/uud. ilbiemnoii.i s Hi,
Influenza 1 ( —). and. ubertragb. Krunkh. 4 <7), Entzünd. d. Atmungs-
orgaue 2 (2). sonst. Krankt), derselb. 1 (4i. orgam Mer/leul ln iUn,
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg (eiuschl. Mer/sdilagi 14 i71. * iehirnschiag
3 (f>l, (ieisteskrankh. 2 (4l. Eraiseti. I klamps. d. Kinder 5 1 3». and
Krankh. d. Nervensystems (3 ». Magen- u. Darm.-K at . IWu!ulu r chfail
(einschl. Abzehrungi 35 (3m, Krankh d. I eher 4 i % Krankh. des
Bauchfells 1 (I). and. Krankh. d. Verdauungsorg. 7 dg Krankh d.
Harn- u. < ieschleclitsorg. 2 i5i. Krebs iKar/moiii. Krankroidi In d‘n.
and. Neululdg. (emsclil. Sarkom.) 5 t3>. >«.'hstue nd 1 ( i, 1 od durch
fremde Band — (—). I nglucksf.tile 4 d"i, aiiy ubrig. Krankh. 7 i3>.
Die (iesamt/ahl der Merbei.ilie I s a < m. V edi.iltuis/.ahl auf das
Jahr und Imimi Einwohner iin allgemeinen 17.1 d l '.3i. iur die aber
dem 1. Lebensjahre stehende Be\o!kcrung ll.n (12Jö.
•) Die emgeklammcrten Zahlen bedeuten die E.iüe der Vorwoche.
Verleg tos j. F. Lehm ab* 1b München. — Prack von E. MUhltbelcn ud Kiuutdrackcru A O.. Muachce.
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
(Me Münchener Medizinische Wochenschrift erscheint wöchentlich
Im Umfang von durchschnittlich 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nummer 80 -4. • Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
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Strasse 26. Bureauzeit der Redaktion von 8V*—) Uhr. • Fflr
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Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
O.T.Innerer, th.Heiler, lUBelliip, I.(Miami, H.BeHerich, I.r.Leibe,G.v.lerkel,J.v.lichel, l Peazoldt, 8.v.Ranke, 1.Spatz, f.liierte!,
München. Freiburg 1. B. München. Leipzig. Eisenach. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 35. 1. September 1908.
Redaktion: Dr. B. Spatz, Arnulfstrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann. Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
(Nachdruck der Orighudartikel ist nicht gestattet.)
Originalien.
Aus der medizinischen Klinik in Heidelberg (Geheimrat Prof.
Dr. K r e h 1):
Einige Beobachtungen bei experimentellen Anämien.
Von Dr. P. M o r a w i t z und Dr. J. P r a 11 aus Boston (Mass.).
Bei Gelegenheit experimenteller Untersuchungen über die
Sauerstoffversorgung bei Anämien 1 sind wir auf einige Er¬
scheinungen gestossen, die ein gewiss allgemeines Interesse
bieten und eine kurze vorläufige Mitteilung rechtfertigen.
Es handelte sich bei' unseren Versuchen darum, fest¬
zustellen, welche kompensatorischen Vorrichtungen im Orga¬
nismus des Anämischen herangezogen werden, um eine ge¬
nügende Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff zu ermög¬
lichen.
Die Versuche wurden grösstenteils an Kaninchen aus¬
geführt, bei denen durch Injektion eines Blutgiftes — wir
haben dazu das salzsaure Phenylhydrazin gewählt — eine
chronische Anämie hervorgerufen wurde. Meist wurden die
Tiere nach 2 bis 4 Wochen, wenn sie stark anämisch geworden
waren, getötet. In einigen Versuchen haben wir uns auch der
einfachen Blutentziehung bedient. Täglich oder alle zwei Tage
entnahmen wir aus einer Ohrvene 10—20 ccm Blut. Diese
Methode ist etwas mühsam und bei manchen Tieren ist man
nicht imstande, dadurch eine Anämie von längerer Dauer zu
erhalten, weil die Ohrvenen bald thrombosieren. Bei einigen
Kaninchen konnten wir aber auch auf diesem Wege Anämien
von 3—4 wöchiger Dauer hervorrufen. Um genügend Blut zu
bekommen, muss man eine Hyperämie des Ohres erzeugen,
was durch Abreiben mit Xylol leicht gelingt. Doch bekommen
viele Kaninchen danach eine Ohrentzündung.
Im Blute der anämischen Tiere wurden nun Hämoglobin¬
bestimmungen, Analysen der Blutgase und Eisenbestimmungen
vorgenommen. Auf die Resultate dieser Untersuchungen, die
mit ähnlichen Versuchen an anämischen Menschen parallel
gehen, wird an anderer Stelle ausführlicher einzugehen sein.
Zum Verständnis des folgenden muss aber bemerkt werden,
dass die Hämoglobinbestimmungen mit der von Haldane 1 )
verbeserten Q o w e r s sehen Methode ausgeführt wurden. Bei
dieser Methode wird das Blut in einem graduierten Röhrchen
mit destilliertem Wasser lackfarben gemacht und die Farbe
der klaren Blutlösung mit einem Standardröhrchen verglichen,
das eine Lösung von Kohlenoxydhämoglobin enthält. Zur
Blutgasbestimmung diente die von Barcroft und Hal¬
dane 2 ) ausgearbeitete Methode. Hierbei wird aus dem Blut
der Sauerstoff durch Ferrizyankalium in Freiheit gesetzt und
das Volumen des entwickelten Gases durch ein feines
Wassermanometer gemessen. Das Bhit muss vor Zusatz des
Ferrizyankaliums im Apparat durch eine schwache Ammoniak¬
lösung vollständig lackfarben gemacht werden. Ferrizyan¬
kalium setzt den Sauerstoff nämlich nur aus gelöstem Hämo¬
globin in Freiheit, nicht aber aus intakten roten 1 Blutkörper¬
chen. Zum Verständnis des Folgenden sind- diese kurzen
methodischen Bemerkungen notwendig.
Unsere Aufgabe bestand darin, das maximale Sauerstoff-
bitidungsvermögen des Hämoglobins bei anämischen Tieren
*) Haldane: Journ. of. Physiol. 26, 501.
► *) Barcroft und Haldane: Journ. of Physiol. 28, 232, 1902.
No,'35
zu untersuchen und ferner festzustellen, ob bei Anämien die
prozentische Ausnutzung des im arteriellen Blute enthaltenen
Sauerstoffs vermehrt ist. Man weiss ja, dass beim Normalen
nur ungefähr ein Drittel des gesamten Sauerstoffvorrates in
den Kapillaren verschwindet, von den Geweben verbraucht
wird; das venöse Blut ist also noch etwa zu zwei Dritteln mit
Sauerstoff gesättigt.
Diesen Versuchen stellten sich nun einige ganz unerwartete
Schwierigkeiten entgegen».
Nach den ausgedehnten Untersuchungen von Tall-
q u i s t 3 ) tritt bei Hunden, die man durch Injektion von Phenyl¬
hydrazin oder Pyrodin (Azethyl-Phenylhydrazin) anämisch
macht, sehr bald eine gewisse Immunität gegen das Gift ein.
Im Verlaufe des Versuches sind allmählich immer grössere
und grössere Dosen von Pyrodin erforderlich, um die Anämie
zu steigern oder auch nur auf dem erreichten Stadium zu
halten. Starke individuelle Schwankungen kommen hierin bei
Hunden zwar vor, die vermehrte Resistenz gegen das Gift
ist aber die Regel. Diese Angaben sind inzwischen von
Mosse und Rothmann 4 ), Samuely 5 ) u. a. bestätigt
worden. T a 11 q u i s t ist der Ansicht, dass es sich hier nur
um eine scheinbare Immunität handelt, indem im Verlaufe
der Anämie die regeneratorische Tätigkeit des Knochenmarkes
dauernd steigt, weil das rote, erythroblastische Mark sich über
immer grössere Partien des Skelettsystems ausdehnt. Ausser¬
dem hält es T a 11 q u i s t auch für möglich, dass die Leuko¬
zyten im Verlaufe des Versuches die Fähigkeit gewinnen, das
Gift unschädlich zu machen 6 ).
Auch wir haben in unseren Versuchen an Kaninchen die
Angabe bestätigen können, dass sehr bald immer grössere
Dosen des Blutgiftes zur Steigerung der Anämie erforderlich
sind. Die Hauptursache dafür liegt aber sicher nicht in den
von T a 11 q u i s t herangezogenen Momenten, sondern in einer
Steigerung der Resistenz der roten Blut¬
körperchen gegen alle hämolytisch wirken¬
den Momente, soweit wir solche geprüft haben.
Injiziert man Kaninchen täglich 0,01 g salzsaures Phenyl¬
hydrazin subkutan, so beobachtet man, dass nach etwa 4 bis
5 Tagen die Hämoglobinbestimmung nach Haldane nicht
mehr möglich ist, da es nicht gelingt, die Blutkörperchen durch
destilliertes Wasser vollständig zu zerstören. Bei weiteren
Injektionen nimmt die Resistenz noch mehr zu, so dass auch
das Lackfarbenmachen des Blutes mit Ammoniak, wie es für
die Gasanalyse nach Barcroft-Haldane erforderlich ist,
nicht mehr möglich ist. Versuche an Suspensionen ge¬
waschener und in Kochsalzlösung aufgeschwemmter roter
Blutkörperchen zeigen, dass diese Eigenschaft vornehmlich,
wenn nicht ausschliesslich den Blutkörperchen selbst, nicht
dem Serum zukommt. Die Blutkörperchen der anämischen
Tiere zeigen diuxhweg eine vermehrte Resistenz gegen hypo¬
tonische Salzlösungen, Alkalien, Saponin, Chloroform, Aether
3 ) Tallquist: Ueber experimentelle Blutgiftanämien. Berlin
1900.
4 ) Mosse und Rothmann: Deutsche med. Wochenschr. 1906/
No. 4 u. 5.
5 ) Samuely: Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 89, S. 220, 1906.
°) Tallquist kritisiert übrigens auch die ältere Angabe von
Bignami und Dionisi. (Zentralbl. f. allg. Pathol. 1894, S. 422),
die eine „Immunität der roten Blutkörperchen" vermutet, aber durch
keinen Versuch bewiesen hatten.
I
Digitized b"
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1818
MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ,1*.
und hämolytisch wirkende Sera. Die Rcsistcnzvcrmehrung
ist in einigen Versuchen so stark, wie sie bisher weder unter
normalen, noch unter pathologischen Verhältnissen beobachtet
worden ist und zwar ist, worauf wir besonderen Wert legen,
sowohl die maximale als die minimale Resistenz der roten
Blutkörperchen stark erhöht. Bekanntlich verhalten sich schon
unter normalen Verhältnissen nicht alle Blutkörperchen des¬
selben Individuums in dieser Hinsicht gleich, worauf beson¬
ders Janowsky 7 ) hingewiesen hat. Die am wenigsten
resistenten roten Blutkörperchen des Menschen werden schon
von einer 0,6proz. NaCI-Lösung aufgelöst, die resistcntesten
erst bei 0,3 Proz. In einigen unserer Versuche war normales
Kaninchenblut schon total hämolysiert, während im anämischen
noch keine Spur von Hämolyse beobachtet wurde. Die mini¬
male Resistenz des anämischen Blutes liegt also in diesem
Palle noch höher, als die maximale des normalen.
Es ist nun natürlich sehr verlockend, in dieser merk¬
würdigen und so schnell eintretenden Veränderung eine Schutz¬
vorrichtung des Organismus bei schweren Anämien zu sehen,
die dann in teleologischem Sinne zu deuten wäre. So ganz
einfach liegt aber die Präge nicht; denn bei unseren Versuchen,
allein durch Blutentziehungen eine Vermehrung der Resistenz
hervorzurufen, haben wir in zwei Fällen nur eine recht ge¬
ringe Resistenzvermehrung bemerken können, obwohl sich die
Versuche über etwa vier Wochen ausdehnten und die Anämie
ebenso schwer war, wie bei den mit Phenylhydrazin be¬
handelten Tieren. Es kann sich bei der Steigerung der Re¬
sistenz daher offenbar um zweierlei handeln: entweder ist
dafür die Einführung eines Giftes in den Organismus mass¬
gebend oder aber der Umstand, dass bei dem mit Phenyl¬
hydrazin behandelten Tier ein reichlicher Zerfall roter Blut¬
körperchen im Organismus selbst stattfindet. Wir glauben
nun dem letzteren Moment eine gewisse Bedeutung zuschreiben
zu müssen; denn bei einem Kaninchen, das dnr.1i Ade-lä^c
anämisch gemacht, dem aber zu gleicher Zeit, lackiertes Blut
intraperitoncal injiziert wurde, fand sich schon nach S 'l agen
eine deutliche Resistenzvermehrung der Erythrozyten. Das
spricht dafür, dass die Resistenzvermehrung nicht ausschliess¬
lich als Wirkung des Giftes aufzufassen ist, sondern dass aus
den zerfallenden Erythrozyten Substanzen frei werden, die in
noch unbekannter Weise auf die Erythrozyten einwirken.
Etwas klarer werden diese verwickelten Verhältnisse,
wenn man die bisherigen Resultate solcher Untersuchungen
bei menschlichen Anämien überblickt. Wir verweisen hierbei
besonders auf die ausführliche Darstellung dieses Gegen¬
standes bei Bezancon und L a b b e *) und R i b i e r r e “),
wo sich zahlreiche Literaturangaben finden. Die Resultate der
Resistenzbestimmungen sind bei schweren Anämien ausser¬
ordentlich widersprechend: während einige Autoren eine Ver¬
mehrung gefunden haben, geben andere eine Verminderung an.
Auch wir haben bei Gelegenheit von Blutgasuntersuchungen
bei 20 Fällen von Anämie verschiedener Art mehrfach be¬
obachtet, dass sich das Blut gar nicht oder nur sehr schwer
durch Ammoniak lackfarbcn machen lässt, während das in
anderen Fällen leicht gelingt.
Aus den Beobachtungen von Jakusche wsky 10 ) er¬
gibt sich aber nun — die Arbeit war uns leider nur im Referat
zugänglich —, dass die Resistenzveränderungen der Erythro¬
zyten einem schnellen Wechsel unterworfen sind. Eine Resi¬
stenzvermehrung hat er, auch bei Anämien, in der Regel zu¬
gleich mit einer Verschlimmerung der klinischen Symptome
beobachtet. Er hat den Eindruck gewonnen, dass eine Re¬
sistenzerhöhung so lange besteht, als toxische Substanzen im
Organismus kreisen.
Wir haben nun beobachtet, dass schon 4 6 Tage nach
Aussetzer, der Injektionen die vorher so starke Rcsistenz-
vermehrung der roten Blutkörperchen verschwunden ist.
Diese Erscheinung ist nach zwei Richtungen hin von Inter-
7 ) Janowsky: Klinische Wochcnsdir. 1KS9, St. Petersburg
lrussisch); zit. nach Lang: Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 47. S IM
> 302 ff e 7 a n g 0 n und L a b b Traite d'Hematologie. Paris 19i 4.
^ Ri hier re: Polin haematologica. II. 1905. 5. 15.3.
c *1^. k u s cJ 1 e w s k y: Russ. nied. Rundschau, 1904, No. 6 ,
*>• 345. Zit. n. Polia haematologica, II, S. 21.
esse: Erdens erklärt sie die widersprechenden Resultate der
Untersuchungen bei menschlichen Anämien. Die perniziöse
Anämie verläuft in der Regel in Schüben. Remissionen wech¬
seln mit Verschlechterungen des Blutbildes ab. Die Angabe
von J a k n s c h e w s k y. dass die Resisten/vcrmchrung be¬
sonders bei \ erschümmerungcn der klinischen Symptome be¬
obachtet w; r d, gewinnt in diesem Zusammenhänge an Be¬
deutung. Der Wechsel der Resistenz kann eben mit sehr
grosser Schnelligkeit erfolgen. In diesem Sinne glauben wir
daher in der R e s i s t e n z v e r m e h ru n g der Ery-
t h r o 7 y t e n, d i c bei s c h w e r e n A n ä m i c n ver-
s c h i e d c n e r Art u n t e r g e w i s s e n Beding u n g e n
beobachtet w i r d, eine Schutz v o r r i c h t u n g d e s
ü r g a n i s m u s z u sc h e n, deren Bedeutung w enigstens bei
der experimentellen Phcnylhydra/inanämic sehr hoch ver¬
anschlagt werden muss.
Aber die Beobachtung, die vorhin erwähnt wurde, lässt
noch einen anderen Schluss zu. Bei der grossen Geschwindig¬
keit, mit der die roten Blutkörperchen nach Aussetzeii der
Injektionen ihre vermehrte Resistenz verlieren, ist es wohl
sicher, dass man es mit wirklichen Aenderungeii der zir¬
kulierenden Blutkörperchen zu tun hat und nicht, wie mehr¬
fach vermutet wurde, mit der Neubildung mehr oder weniger
resistenter Elemente im Knochenmark. Welcher Art aber J;e
Veränderung ist, die den ResisteuzversJiiebiingen der Erythro¬
zyten zugrunde liegt, können wir leider vorläufig nicht sagen.
Wir sind übrigens mehr geneigt an feine physikalische \er-
änderungen zu denken. Das durfte mehr im Einklänge stehen
mit der Tatsache, dass die Erhöhung der Resistenz gegenüber
allen von uns untersuchten hämolytisch wirkenden Substanzen
nachweisbar ist, am stärksten aber gegenüber Aenderur.gen
der Isotonie.
Eine weitere Schwierigkeit ergab sich für ur.se re gasar.a-
lytischen Versuche aus einer Erscheinung, d:e im felgenden
mitgeteilt werden soll. Es handelt sich kurz gesagt um das
Auftreten reduzierender, s a u e r s t o f f z e h r e n -
der Substanzen im Blute der anämischen Ka¬
li i n c h e n.
Entnahmen wir diesen Tieren unter aseptischen Kamelen
und Luftabschluss mit einer Spritze Blut aus der Karotis,
so begann dieses Blut sehr bald seine hefte Farbe zu ver¬
ändern. In den beiden ausgesprochensten Fallen war schon
nach H Stunde das arterielle Blut vom venösen nicht mehr
zu unterscheiden. Nach 1- 2 Stunden lasst sich aus dem
arteriellen Blute überhaupt kein Sauerstoff mehr entwickeln,
ja es zeigt sich sogar, dass eine Verminderung des Gas¬
volumens im B a r c r o f t - H a 1 d a n e sdien Apparat emtritt.
die nur so erklärt werden kann, dass ein Teil der Luft, die bei
Beginn des \ersuches in dem Apparat eingeschlossen war,
durch das Blut aulgenommen wird. Dieselbe Erscheinung
konnte auch am venösen Blute beobachtet werden, ebenso
auch im Blut, das durch Schütteln mit Luft bei Beginn des
Versuches mit ()? gesättigt worden war. Im letzteren Falle
entwickelte sich zunächst eine gewisse Menge Sauerstoff; nach
2 d Stunden oder in kürzerer Zeit war aber das Manometer
wieder gesunken und zeigte sogar negative Werte, so dass
also ein Gasvolumen durch das Blut gebunden sein musste,
das grosser war, als die im Beginn des XersuGies entwickelte
Sauerstoffmenge, ln normalem Blut haben wir diese merk¬
würdige Erscheinung me beobachtet. Ebenso wurde sie ver¬
misst, wenn wir statt Blut die gewaschenen Blutkörperchen
anämischer Tiere untersuchten. Die reduzierenden Körper
müssen also im Serum sich finden. Dementsprechend hesseii
sich auch durch Ziilugen von Serum zu gewaschenen roten Blut-
korpeichen die Erscheinungen wieder hervorruien. Line
! * ständige Erwärmung auf 5s (*\ u schädigte die Reduktions-
kraft des Serums nicht; doch haben wir hier nur einen Versuch.
Mit der Resistenzvermehrung der Eryihiozyten hat die Er¬
scheinung sicher nichts zu tun. Sie war auch in dem Blute
solcher Kaninchen nachweisbar, die mehrere läge keine In¬
jektion von Phenylhydrazin bekommen hatten und bei denen
die Resistenz der roten Blutkörperchen wieder normal oder
annähernd normal war.
Von unseren 6 mit Phenylhydrazin vergifteten Kaninchen
zeigten 4 die Erscheinung in ausgesprochenster Weise. Bei
Jigitized I
>sle
^Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 190&
MUENCHENER MEDiZlNlSCHE WOCHENSCHRIFT.
1&19
den anderen beiden war sie deutlich, aber schwächer. Natür¬
lich lag es am nächsten, die Sauerstoffzehrung auf die An¬
wesenheit von Phenylhydrazin im Blut zurückzuführen. Da¬
gegen sprach allerdings schon die Tatsache, dass die Erschei¬
nung auch bei solchen Tieren beobachtet wurde, die mehrere
Tage lang keine Injektion mehr bekommen hatten. In der Tat
konnte denn auch durch Zusatz von Phenylhydrazin zu nor¬
malem Blut eine Zehrung nicht hervorgerufen werden, selbst
wenn man viel grössere Mengen zusetzte, als jemals im Blute
der anämischen Tiere vorhanden sein können. ’ Der beste Be¬
weis dafür, dass das Phenylhydrazin in der Tat nichts mit der
oben beschriebenen Erscheinung zu tun hat, liegt aber darin,
dass wir bei zwei Kaninchen, die nur durch Venaesektionen
anämisch gemacht worden waren, ebenfalls eine starke Zeh¬
rung beobachteten, die in einem Falle ebenso bedeutend war,
wie bei den besten Versuchen mit Phenylhydrazin.
Leider sind wir bisher nicht in der Lage, anzugeben, wie
lange die Sauerstoffzehrung im Blute sich beobachten lässt.
Ebenso möchten wir vorläufig in suspenso lassen, ob sich da¬
bei wirklich Kohlensäure bildet, wie wir auf Grund eines Ver¬
suches vermuten möchten.
Will man diese Vorgänge richtig verstehen, so muss man
ziemlich weit in der Literatur zurückgehen. Bald nachdem
auf Grund der bahnbrechenden Arbeiten von C. Ludwig
und E. Pflüger die ersten exakten Blutgasanalysen aus-
geftihrt waren, hat man sich bemüht, Oxydationen im Blute
nachzuweisen. Nachdem schon früher N a w r o c k i ll ) und
S*achs 11 ) gezeigt hatten, dass Blut, welches längere Zeit bei
Körpertemperatur steht, Sauerstoff verliert, wies E. Pflü¬
ger 13 ) nach, dass bei sofort vorgenommener Entgasung des
Blutes in der Regel weniger Kohlensäure und mehr Sauerstoff
gefunden wird, als wenn man das Blut erst längere Zeit
stehen lässt. Die Differenzen bewegten sich zwischen 0.2
und 10 Proz. des Blutvolumens. Alexander Schmidt 14 )
zeigte dann, dass bei kurzdauerndem Digerieren von Er¬
stickungsblut mit Oz 0—4 Proz. des Sauerstoffs verschwinden
können. Schmidt glaubte, dass die reduzierenden Sub¬
stanzen aus den Geweben stammen und daher im Plasma resp.
Serum zu suchen seien. Spätere Arbeiten aus Ludwigs
Laboratorium 15 ) 16 ) schienen aber dafür zu sprechen, dass nur
die Blutkörperchen, nicht das Serum reduzierende Sub¬
stanzen enthalten. C o h n s t e i n und N. Z u n t z 17 ) haben bei
Versuchen mit Nabelvenenblut von Schafföten eine starke
Sauerstoffzehrung gefunden, die sie unter Hinweis auf
die genannten Untersuchungen aus Ludwigs Labora¬
torium vermutungsweise auf die oben erwähnten Unter¬
suchungen auf die reichliche Anwesenheit von Leukozyten im
Nabelvenenbtut zurückführten. Herr Geheimrat Professor
Dr. Zuntz hatte die grosse Liebenswürdigkeit, uns mitzu¬
teilen, dass er gelegentlich im Blut, das von anscheinend ge¬
sunden Pferden stammte (aus der Arterie entnommen) das Ver¬
schwinden der Hauptmasse des Sauerstoffs in wenigen Stun¬
den beobachtet hat. Immerhin sind diese Beobachtungen, bei
denen auf bakterielle Einwirkungen keine Rücksicht ge¬
nommen werden konnte, mit einiger Zurückhaltung zu be¬
urteilen . Ausserdem ist die Sauerstoffzehrung meist relativ
sehr geringfügig, in stärkerem Grade nur vereinzelt und ohne
sicher nachweisbare Ursache beobachtet worden, so dass
daraus eine nennenswerte Beteiligung des Blutes an den oxy¬
dativen Vorgängen nicht erschlossen werden kann. Die Oxy¬
dationen finden, wie Pflüger das bewiesen hat, unter nor¬
malen Verhältnissen in den Geweben bis zu den Endprodukten,
Kohlensäure und) Wasser, statt. In der Tat findet man ja
u ) Nawrocki: Studien d. phys. Institutes zu Breslau. II.
S. 144. Zit. n. Zuntz: Der respirat. Gaswechsel in HerWianns
Handb. d. Physiol., IV. 2, S. 92.
**) Sachs: Arch. f. Anatomie und Physiol., 1863, S. 348. Zit.
n. Zuntz: Der respirat. Gaswechsel in Hermanns Handb. d.
Physiol., IV. 2, S. 92.
13 ) Pflüger: Zentralbl. f. d. med. Wissenschaften, 1867, S. 321
und 722 .
14 ) Alexander Schmidt: Dortselbst 1867, S. 356.
15 ) Afonassiew: Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., XXIV,
S. 253. 1872.
Tschicciew: Ebenda, XXV, S. 116, 1874.
f 17 ) Cohnstein und Zuntz: Pflügers Archiv, Bd. 34, S. 226.
auch gewöhnlich im Blute nur eine minimale oder gar keine
sichere Sauerstoffzehrung, aseptisches Arbeiten vorausgesetzt.
Um so auffälliger ist die enorme Sauerstoffzehrung bei
unseren Versuchen. Es finden also bei diesen
anämischen Tieren zweifellos ganz be¬
deutende Oxydationen im Blute statt. Man
muss annehmen, dass bei diesen Zuständen,
die zu einer länger dauernden Erschwerung
der Sauerstoffversorgung führen, unvoll¬
kommen oxydierte Produkte des Stoffwech¬
sels in die Blutbahn gelangen, die entweder im
Blute selbst oder in anderen Geweben zu Kohlensäure und
Wasser oxydiert werden. Auffallend ist es, dass wir diese
starke Sauerstoffzehrung in zahlreichen Anämien gar nicht oder
höchstens nur angedeutet gefunden haben. Allerdings haben
wir vielleicht auch nicht genügend darauf geachtet. Möglich
ist es aber, dass bei sehr chronisch verlaufenden Anämien die
Erscheinung nicht beobachtet wird, da der Organismus besser
imstande ist, sich den Verhältnissen der verminderten Sauer¬
stoffzufuhr ^nzupassen.
Im Lichte unserer Befunde gewinnen einige Beobach¬
tungen von Bohr und Henriques 18 ), die vielfach be¬
stritten wurden, neue Bedeutung. Bohr und Henriques
behaupten, dass ein Teil des respiratorischen Stoffwechsels
nicht in den Geweben, sondern in der Lunge stattfindet. Die¬
ser Anteil soll von 0—60 Proz. des gesamten respiratorischen
Stoffwechsels schwanken können. Die Autoren stellen sich
vor, dass die Oxydationen in den Geweben nicht immer bis
zu den Endprodukten vor sich gehen, sondern dass unvollstän¬
dig oxydierte Stoffwechselprodukte in den Kreislauf und die
Lunge gelangen, wo sie zu COs und Wasser verbrannt wer¬
den. Nun haben aber Bohr und Henriques unter Bedin¬
gungen gearbeitet (Abklemmung des Aortenbogens), die zu
einer starken Sauerstoffarmut in grossen Teilen des Körpers
führen. Ihre Resultate haben sie auf Grund der Aenderungen
des respiratorischen Quotienten gewonnen.
Mit ganz anderen Methoden sind wir zu einer Ansicht ge¬
kommen, die viele Berührungspunkte mit den Anschauungen
der dänischen Forscher bietet und die wir kurz dahin zu¬
sammenfassen können, dass bei schweren Anämien
experimenteller Art die Oxydationen in den
Geweben nicht vollständig bis zu den End¬
produkten des Stoffwechsels vor sich gehen,
sondern zum Teil im Blut oder in anderen Or¬
ganen (Lunge?) zu Ende geführt werden. Das
wesentliche Moment dabei dürfte der Sauer¬
stoffmangel sein.
Vielleicht sind* wir in der Lage, in einiger Zeit über die
chemische Natur der reduzierenden Substanzen berichten zu
können. Es wäre auch von Interesse, quantitativ den respira¬
torischen Gaswechsel isolierter Gewebe von normalen und
anämischen Tieren in vitro zu untersuchen 19 ).
Die Protokolle unserer Versuche werden später an anderer
Stelle mitgeteilt werden.
Aus der medizinischen Poliklinik zu Tübingen (Vorstand:
Prof. Otfried Müller).
Das absolute Plethysmogramm.
Von Prof. Otfried Müller.
Man sucht seit langer Zeit nach einer Methode, die es ge¬
statten soll, den Blutgehalt menschlicher Extremitäten nach
absolutem Mass zu bestimmen. Der Nutzen, den eine solche
Methode bringen könnte, liegt klar zutage. Gelingt es, den
Blutgehalt eines menschlichen Armes zu jeder beliebigen Zeit
einwandfrei zu bestimmen, so kann man die Schwankungen des
Blutgehaltes in der Körperperipherie über längere Zeiträume
hin verfolgen. Dadurch würden sich dann unsere Kenntnisse
über Wesen und Verlauf zahlreicher Kreislaufstörungen er¬
weitern lassön; auch wäre es vielleicht möglich, die Wirkungs-
18 ) Bohr und Henriques: Arch. de physiol., 1897, pag. 710.
19 ) cf. B a 11 e 11 i und Stern: Respiratorischer Gaswechsel
isolierter tierischer Gewebe. Internat. Physiologenkongress Heidel¬
berg 1907.
1 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1820
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sn. .n.
weise mancher therapeutischer Massnahmen besser kennen zu
lernen, als bisher.
Die Plethysmographie lässt uns hier im Stich. Mit dem
Plethysmographen können wir uns nur über Schwankungen des
arteriellen Blutgehaltcs orientieren, die in verhältnismässig eng
begrenzten Zeiträumen ablaufen; über die absolute Grösse der
im Arm gelegenen Blutmenge, auf der diese Schwankungen
sich aufbauen, erfahren wir nichts; der Nullpunkt der plethys¬
mographischen Kurve bleibt unbekannt. Nun lassen sich ja,
wie die Untersuchungen der R o m berg sehen l ) Schule,
speziell die Arbeiten von O. Müller*), 3 ) u. *) und die mit
dessen Methodik ausgeführten weiteren Bearbeitungen von
Weiland 6 ), S c h 1 a y e r"), Bruns 7 ) u. *), C ursch-
mann 9 ) und G e i s s 1 e r 10 ) gezeigt haben, auch schon aus
der Feststellung solcher in kurzer Zeit ablaufender Schwan¬
kungen des arteriellen Blutgehaltes wichtige pathologisch¬
physiologische und klinische Kenntnisse gewinnen. Aber der
Mangel eines Nullpunktes, einer Kenntnis der absoluten Grösse
der Kurven hat sich doch bei der Plethysmographie immer
wieder in ganz ähnlicher Weise geltend gemacht, wie früher,
vor ihrer Kombinierung mit der Druckmessung, bei der
Sphygmographie. Will man vergleichende Untersuchungen
über längere Zeiträume hin anstellen, so muss man gerade
beim Plethysmogramm danach streben, die absoluten Werte
seiner Kurven kennen zu lernen. Erst wenn sich das durch¬
führen lässt, werden sich die Studien über die Blutverteilung
in gesunden und kranken Tagen über lange Zeiträume hin mit
neuem Erfolg fortsetzen lassen.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass man schon früher
immer wieder versucht hat, einen Arm durch irgendwie aus¬
geübte Kompression blutleer zu machen, späteren Blutzutritt
durch Anlegen einer Kompressionsbinde am Oberarm abzu¬
sperren, den Vorderarm dann in Wasser zu tauchen, die Binde
zu lösen und nun festzustellen, wie viel Wasser durch das
wieder eintretende Blut verdrängt wird. Dieser Gedanken¬
gang liegt nahe und ist deshalb von verschiedenen Autoren
verfolgt worden. Seine Durchführung bietet aber weit
grössere Schwierigkeiten, als man zunächst glauben sollte.
Zunächst hat man den Arm nach Esrnarch anämisiert.
G r ö b e n s c h ü t z u ) hat den anämischen Arm einfach in
Wasser getaucht und beobachtet, wie viel Wasser beim Lösen
der komprimierenden Gummibinde durch das wieder ein¬
tretende Blut verdrängt wird. Hürthle 12 ) hat ebenfalls
nach Esrnarch anämisiert und den Arm dann in ein mit
Wasser gefülltes Plethysmographengefäss gelegt. Er mass
die beim Lösen der Gummiligatur aus dem Plethysmographen
austretende Wassermenge und schloss daraus auf die in den
Arm eingetretene Blutmenge. Diese Versuche sind nach dop¬
pelter Richtung hin ungenau. Einmal wissen wir durch die
Untersuchungen von P. Bruns 13 ) an amputierten Gliedern,
denen wir die ersten Anhaltspunkte über die Blutfülle
menschlicher Extremitäten verdanken, dass durch die
Esrnarch sehe Blutleere nur etwa 70 Proz. der Ge¬
samtblutmenge aus einer Extremität verdrängt werden.
Zweitens verursacht eine Esrnarch sehe Blutleere nament¬
lich durch die komprimierende Ligatur am Oberarm beträcht¬
lichen Schmerz. Schmerz kann man aber bei Studien über die
Blutverteilung durchaus nicht brauchen, da er dieselbe in ganz
unberechenbarer Weise verändert. Wir würden also bei
dieser Versuchsanordnung künstlich abnorme Verhältnisse
schaffen und diese mit einer ungenauen Methodik studieren.
*) Rom berg: Kongress fiir innere Medizin 19U4.
2 ) O. Müller: Deutsches Archiv fiir klinische Medizin 1905.
; ‘) O. Müller: Deutsche medizinische Wochenschriit P>no.
') O. Müller: Kongress fiir innere Medizin 1907.
r ’) Weiland: Inauguraldissertation, Tübingen bei Pietzker,
1905.
Schlaycr: Münch, nied. Wochenscfeft 1907.
7 ) O. Bruns: Zeitschrift fiir klinische Medizin 1907.
s ) O. Bruns: Zeitschrift für klinische Medizin 1907.
") C u r s c h m ann: Münch, nied. Wochenschr. 1907.
G c i s s 1 e r: Miincli. rned. Wochenschr. 190S.
3 J) ü r ü b c n sc h ii t z: Inauguraldissertation. Herlin 1*74.
5 *) Hiirthle: Deutsche medizinische Wochenschrift lsoo.
J,: ) P. Bruns: Yirchows Archiv 1S70.
' Ich selbst habe mich seit 4 Jahren bemüht, eine Methodik
auszubilden, welche einmal einigermassen genaue Resultate
ergibt und zweitens ohne Schmerz anwendbar ist. Ich habe
darüber bereits auf dem Kongress fiir innere Medi/m im April
1907 berichtet“). Der Unterarm wurde in ein mit Wasser
gefülltes, durch eine starkw andige Manschette abgeschlossenes
Plethysmographengefäss gelegt und darin einem In heil Druck
ausgesetzt. Der Druck wurde entweder durch, eine Luft- resp.
Wasserpumpe oder durch die Wasserleitung oder durch eine
Kohlensäurebombe erzeugt. Trotzdem ich aber Drücke bis
zu () Atmosphären anwardte. gelang es nur nullt, auf diese
Weise den Arm völlig blutleer zu machen. Der hohe hydro¬
dynamische Druck teilte suh eben auch der abschliessenden
Manschette mit, diese komprimierte die abführenden Neuen
und so blieb immer noch etwas Blut im Arm. auch wenn d.c
Arterien längst nicht mehr pulsierten. Ich bin aus diesem
Grunde schon vor längerer Zeit von der Anwendung hydro¬
dynamischen Druckes zur Anämisierung abgekommen und bin
zum hydrostatischen Druck übergegangen.
Man kann einen Arm sehr gut anamisieren, wenn man ihn
in Quecksilber taucht. Der Druck l^t am Boden des Gelasses
am grössten und nimmt nach oben lu;i gradatim ab. Das ge¬
rade wird gebraucht. Dadurch wird das Blut aus den peri¬
pheren reilen des Armes gewissenlosen ausgepressl ur.J
nach den zentralen hm lortgedruckt. Sperrt man dann den
späteren Hintzu!hiss durch l mlcgen einer Binde am Arm ab.
so bleibt der Arm auch nach dem Meraus/iehen aus dein
Quecksilber annähernd blutleer. Ganz blutleer ist er freilich
auch dann noch nicht und zwar aus folgendem Grunde: Dicht
unterhalb des Ouecksilberspiegels ist der auf den Arm em-
wirkeiide Oueckvilherdruch nicht so gross, dass er d.e Blut¬
gefässe komprimieren konnte. In einer menschlichen Bra-
chialis herrscht ein Druck von etwa 12o mm Mg. Die Brachiaiis
wird mithin bis mindestens 12 cm unterhalb des Quccksilber-
spiegels gefüllt bleiben und erst in dieser liefe etwa von dein
Aussendruck zusammengepresst werden. Ls muss mithin stets
ein Rest Blut unterhalb der komprimierender Binde liegen
bleiben und einen Fehler des Neriahreus darstcllc«. Aus
diesem Grunde habe ich die schon lauge von mir geubte Me¬
thode noch nicht weiter ausgestaltet und praktisch angew endet.
Inzwischen hat dann Mnraw itz : ) im No\ einher B<"7
nach ganz ähnlichen erfolglosen Bennduingen, wie ich s:e früher
gemacht hatte, eine weitere Methode angegeben, um einen
Arm zu anamisieren und dadurch seinen Blntgehalt zu be¬
stimmen. Er lässt den Arm eine Minute laug senkrecht erheben,
legt am Oberarm eine Kompressionsbinde um. taucht den
anämischen Arm in ein Plethysmographengefäss, lost die Koin-
pressioiisbmde und sieht aus der ahfliessendeii Wassermenge.
! 9ae viel Blut in den emgetau Jiten I eil des Armes eingetreten
ist. Mo r a w itz schreibt: „Durch eine Minute langes senk¬
rechtes Erhellen des Armes lasst sieh eine annähernd gleich-
mässige Blutleere erzielen, die wahrscheinlich nahezu voll¬
ständig ist." Das trifft rieht zu. Die durJi Erheben eines
Armes erzielte Blutleere ist nicht annähernd vollständig. Man
kann an einem selbst sehr lange Xut senkrecht erhobenen
j Arme jederzeit noch den Radialpuls änsserst deutlich fühlen,
i und man kann von einem solchen senkrecht erhobenen Arm ein
! Sphygmogramm, ein Plethysmogramm und ein Tachogramm
| aufnelimen, die alle drei einen sehr deutlichen ptilsatnris Ji und
j respiratorisch schwankenden Blntgehalt naJiw eisen. Beim
I ienkrechten Erheben eines Armes fliesst nur Blut aus den
, Neuen, vielleicht auch aus einem grösseren Teil der Kapillaren
I ab, die Arterien bleiben noch ziemlich stark gefüllt. Selbstver-
; stäiiJlieh wird der Druck in ihnen um so viel vermindert
; werden, als der Hohe der Blutsaule, d.e beim Erheben des
i Armes über dem Merzen stellt, entspricht. Das Blutleer-
i werden des Armes wird also bestimmt dnrJi die 11-die des
i arteriellen Druckes der betreffenden \ ersuvh'Spersim e.uerseits.
und durch die Grosse des hydrostatischen Momentes der aber
| dem Merzen sich erhebenden Biutsaule an Je rerse.ts. Der Arm
hat daher auch na Ji längerem Erheben noch einen mein unbe-
trächthehen liauptsäJf|ih arteriellen Blntgehalt. der andauernd
J “1 <>. Müller: K'-ng-ess f :r naan- Medizin P>o7.
i l ') M nriu itz: \...! numns mmar.iung kams v hvr V ■'{: cc
! 19u7, No. 40’.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1821
pulsatorische respiratorische und lang hinziehende vaso¬
motorische Schwankungen macht. Diese Tatsache erklärt die
kleinen Werte, die M o r a w i t z für den Blutgehalt des Armes
findet. Durchschnittlich etwa 4 Volumenprozent Blutgehalt ist
für den Arm zu wenig. Ich habe gezeigt, dass man den Blut¬
gehalt eines Armes durch einfaches Auflegen eines Eisstückes
am Oberarm um nicht weniger als 2,5 Volumprozent Blut
binnen weniger Sekunden vermindern kann 10 ) u. 17 ). und ich
habe plethysmographische Kurven, bei denen durch Vasokon¬
striktion im kalten Vollbade der Blutgehalt des Armes um
3 Volumenprozent fast momentan verringert erscheint. Das
wäre nicht möglich, wenn überhaupt nur 4 Volumprozent
Blut im Arme vorhanden wären. Es kommt dazu, dass
Hürthle 18 ) bei Entblutung des Armes nach Esmarch
etwa 60 ccm Blut für den Unterarm fand. In dem kurzen
Unterarmplethysmographen, den Hürthle bei seinen Unter¬
suchungen anwandte, und der auch von mir teilweise benutzt
wird, lässt sich aber selbst durch einen sehr kräftigen Unter¬
arm keine grössere Wasserverdrängung als höchstens ein
Liter erreichen. Das heisst das Volumen des im Plethys¬
mographen liegenden Armteiles hat bei dem Hü rthleschen
Versuch nur höchstens ein Liter betragen. In diesem einen
Liter Armvolumen fand Hürthle schon bei E s m a r c h scher
Ajnämisierung 60 ccm, d. h. also 6 Volumprozent Blut. Und
dieser Wert ist offenbar noch zu gering, da nach Bruns 19 )
die Esmarch sehe Blutleere nur etwa 70 Proz. des vor¬
handenen Blutes verdrängt. Man würde also demnach einen
Blutgehalt von mindestens etwa 7 Volumprozent im Arme
normalerweise zu erwarten haben.
Ich habe nun inzwischen die jahrelang fortgesetzten Ver¬
suche wieder aufgenommen und bin nach eingehender Prüfung
aller bisher angegebenen Methoden zu dem Resultat ge¬
kommen, dass man nur durch das von mir zuerst angewandte
Eintauchen des Armes in Quecksilber Genaueres erfahren
kann. Es ist mir auf eine sehr einfache Weise gelungen, den
oben beschriebenen Fehler der Quecksilbermethode zu ver¬
meiden. Legt man die abschnürende Binde oberhalb des
Quecksilberspiegels an, so bleibt etwas Blut im Arm. Könnte
man sie mindestens 12 cm unterhalb des Quecksilberspiegels
anlegen, so würde das nicht geschehen. Ich lege deshalb jetzt
eine von den früher üblichen schmalen Riva-Rocci sehen
Druckmanschetten unmittelbar oberhalb des Ellbogens um den
Arm. Dann tauche ich die ganze Extremität mitsamt der
nicht aufgeblasenen Manschette bis zur Achselhöhle in einen
mit Quecksilber gefüllten Zylinder, so dass der Spiegel des,
Quecksilbers etwa 12—15 cm oberhalb der Druckmanschette
steht. Dann blase ich in der Tiefe des Quecksilbers die Druck¬
manschette mit einer Luft- oder besser Wasserpumpe auf und
schaffe so einen Abschluss zwischen den Teilen des Gefäss-
systemes, die dicht unterhalb des Quecksilberspiegels liegend
noch mit Blut gefüllt sind, und jenen, die in der Tiefe liegen
und von dem starken Druck wohl wirklich annähernd voll¬
ständig anämisiert sind. Nunmehr ziehe ich den 1 Arm aus dem
Quecksilber heraus. Er erweist sich dann, soweit das ohne
äussere Verletzung nachweisbar ist, blutleer; die Venen sind
völlig zusammengefallen, jede kapillare Rötung fehlt, die Haut
fühlt sich kühl an. Dann lege ich den anämisierten Unterarm
fast bis zum Ellbogen entweder in einen mit Wasser von 34°
gefüllten Plethysmographen, oder ich tauche ihn einfach bis zu
der genannten Höhe in einen bis zum Rande mit warmem
Wasser gefüllten Glaszylinder. Lasse ich nun den Druck in
der Kompressionsmanschette durch Austreten von Luft oder
Wasser langsam absinken, so tritt Blut in den Arm ein, und
es muss eine entsprechende Menge von Wasser aus dem Ple-
thysmographengefässe oder dem Glaszylinder abfliessen.
Endlich nehme ich den Arm wieder aus dem Plethysmographen
oder dem Wasserzylinder heraus und bestimme das Volumen
seines vorher eingetauchten Teiles, indem ich sehe, wieviel
Wasser ich in den Zylinder oder den Plethysmographen ein-
1# ) O. Müller: Deutsches- Archiv für klinische Medizin 1905,
Seite 556.
17 ) O. M ü 11 er : Deutsche medizinische Wochenschrift 1906,
No. 38 und 39.
“) Hürthle: 1. c.
1# ) P. Bruns: 1. c.
giessen muss, um wieder eine Füllung bis zum Rande zu er¬
zielen. Jetzt habe ich also die Menge des in den eingetauchten
Teil des Armes wieder eingeströmten Blutes und ausserdem
das Volumen des eingetauchten Teiles. Ich kann also direkt
in Volumenprozenten angeben, wie viel Blut im Vorderarm
enthalten ist. Diese Zahl scheint beim Gesunden unter nor¬
malen Verhältnissen durchschnittlich etwa 7 Proz. zu betragen.
Das würde auch zu dem Ergebnisse H ü r t h I e s stimmen,
wenn man den durch die Esmarch sehe Blutleere bedingten
Fehler dabei in Rechnung stellt.
Ich möchte mich aber auf diese Zahl von etwa 7 Volum¬
prozent für den durchschnittlichen Blutgehalt eines normalen
Vorderarmes noch nicht festlegen, da ich erst nach mehreren
hundert Versuchen ein abschliessendes Urteil abzugeben im¬
stande bin. Ebenso möchte ich erst später Näheres über
technische Details der Methodik bringen, die sich bei weiteren
Versuchen voraussichtlich noch bequemer und sicherer wird
gestalten lassen. Nur soviel möchte ich jetzt schon sagen: Es
erscheint zweckmässig, wenn die Versuchsperson ihren Arm
in sitzender Stellung in einen etwa 75 cm hohen leeren Glas¬
zylinder von zirka 12 cm lichter Weite hineintaucht. Es muss
dann durch eine mit dem Zylinder fest und unverrückbar ver¬
bundene gepolsterte Handhabe, die nach Art eines Achsel¬
stückes von oben her auf die Schulter greift, dafür gesorgt
werden, dass der Arm nicht durch den starken Auftrieb des
Quecksilbers nach oben aus dem Zylinder herausgedrückt
wird, denn es gehört eine beträchtliche Muskelanstrengung
dazu, um einen Arm aktiv bis zur Achselhöhle in Quecksilber
einzutauchen. Eine solche Muskelleistung würde aber im
Arm eine abnorme Blutverteilung schaffen, auch könnte man
sie manchen Kranken nicht zumuten. Liegt der Arm in der
beschriebenen Weise mit nach oben festem Widerlager in dem
leeren Glaszylinder, so lässt man das auf etwa 34° C er¬
wärmte Quecksilber aus einer höher stehenden Flasche durch
einen weiten Druckschlauch und ebensolche Glashähne von
unten her in den Zylinder eintreten, bis sein Spiegel fast die
Achselhöhle erreicht. Dann wird die vor dem Eintauchen des
Armes in den Zylinder dicht oberhalb des Ellenbogens an¬
gelegte schmale Riva-Rocci sehe Druckmanschette auf¬
geblasen und das Quecksilber auf dem gleichen Wege durch
Niedrigstellen, der Behälterflasche wieder abgelassen. Das
Quecksilber kann durch die weiten Hähne und Schläuche sehr
rasch zu- und abfliessen. Auf den Arm soll es etwa eine
Minute einwirken. Ist das Quecksilber abgeflossen, so kann
man zur Bestimmung der beim Lösen der Binde einschliessen-
den Blutmenge zwei Wege einschlagen. Entweder nimmt man
den anämisierten Arm aus dem Glaszylinder heraus, legt ihn
in einen mit Wasser zu füllenden Plethysmographen, löst die
Binde und misst die aus dem Plethysmographengefäss ab-
fliessende Wassermenge. Oder man belässt den Arm im
Zylinder, lässt durch einen anderen Hahn Wasser von 34°
bis zur Höhe des Ellenbogens einfliessen, löst die Kompres¬
sionsbinde durch Ablassen von Luft oder Wasser, bestimmt
die durch das einschiessende Blut eintretende Wasserver¬
drängung und stellt schliesslich durch Herausziehen des Armes
das Volumen des eingetauchten Teiles fest. Bei dieser
letzteren Versuchsanordnung kann die ganze Prozedur in
3 Minuten erledigt sein. Wendet man den Plethysmographen
an, so dauert der Versuch doch etwa 5 Minuten. Da bei senk¬
rechtem Eintauchen des Armes in Wasser in der Tiefe des
Zylinders ein hydrostatischer Druck von etwa 40 cm Wasser
auf die eingetauchten Teile einwirkt, so könnte sich daraus ein
Fehler ergeben, der dem plethysmographischen Verfahren
nicht in dem gleichen Masse anhaften würde. Aber einmal
kann man an Stelle des Wassers eine spezifisch leichtere
Flüssigkeit nehmen, bei der sich dieser Fehler stark ver¬
mindern lässt; und zweitens sind die Werte, die man mit
beiden Methoden bekommt, tatsächlich so wenig verschieden,
dass der ja zweifellos vorhandene Fehler praktisch keine grosse
Rolle spieft: Jedenfalls ist es ein grosser Vorzug, wenn man
den Versuch so schnell wie möglich und ohne Vornahme allzu-
vieler verschiedener Manipulationen abwickeln kann. Bei
längerem Liegen der Kompressionsbinde tritt, man mag sie
gestalten, wie man will, doch Schmerz oder wenigstens Unbe¬
hagen ein; auch wird die reaktive Hyperämie, welche der
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1822
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25.
Anämisierung folgt, um so grösser, je länger die Anämie be¬
standen hat.
Nun lassen sich verschiedene Einwändc gegen die Me¬
thode erheben. Unter ihnen kommen die Folgenden am
meisten in Betracht:
Erstens lässt sich sagen, man misst auf diese Weise nicht die aus
dem Arm im gegebenen Falle entfernte Blutmenge, sondern man
misst die in den anämisch gemachten Arm wieder eintretende. Es
könnte mithin im Anschluss an die Anämisierung eine reaktive Hy¬
perämie eingetreten sein, und diese durfte dann die gefundenen Werte
grösser ausfallen lassen, als den wahren Verhältnissen entspncht.
Dieser Einwand lässt sich gegen alle bisher geschilderten Methoden
srheben, denn sie alle machen den Arm zuerst blutleer und messen
dann die wiedereintretende Blutmenge. Der Fehler, der durch den
Eintritt reaktiver Hyperämie bedingt werden könnte, wird nun aber
im allgemeinen um so geringer sein, je kürzere Zeit die Anämie des
Armes bestanden hat. Man kann sich immer wieder davon über¬
zeugen, dass länger dauernde Anämie eine starke, kurz dauernde
nur eine unbedeutende reaktive Hyperämie im (ieiolge hat. Bei
meinem Verfahren braucht die Anämie nur sehr kurze Zeit (etwa
3 Minuten) zu bestehen. Nun sieht man auch nach dieser kurzen
Zeit den vorher anämisierten Arm sicher in der Regel etwas stärker
gerötet, als den anderen unberührten. Doch lässt sich gerade hier
leicht zeigen, dass diese geringen Grade reaktiver Hyperämie bei der
Messung keinen nennenswerten Felder bedingen. Man braucht dazu
nur den Gang des Versuches umzukehren. Man würde also zuerst
rlen bluthaltigen Arm bis zu einer vorher mit Farbstift bezeiclmeten
Kreislinie in Wasser tauchen und sein Volumen feststellen. Dann
würde man ihn mit Quecksilber anämisieren und nun in anämischem
Zustand wieder bis zu der bczeichncten Höhe in Wasser tauchen,
um neuerdings sein Volumen in blutleerem Zustande zu erfahren. Aus
der Differenz der beiden Volumina ergibt sich die aus dem Arm im
gegebenen Falle entfernte Blutmenge. Vergleicht man die aus dem
Arm entfernte Blutmenge mit der nachher wieder einschiessenden,
so erhält man doch im allgemeinen so geringfügige Unterschiede,
dass man den Fehler, der durch reaktive Hyperämie bedingt wird,
gut vernachlässigen kann. Erst bei längerer Dauer der Hyperämie
differieren die beiden Zahlen stärker.
Weiter lässt sich einwenden, dass durch den Druck des Queck¬
silbers nicht nur Blut, sondern auch Lymphe und Gewebswasser
aus dem Arm entfernt werden könnte, und dass man dadurch eben¬
falls eine künstliche Erhöhung der gefundenen Werte erzielen durfte.
Auch dieser Einwand lässt sich nicht völlig beseitigen. Sicher kann
durch den Druck des Quecksilbers auch etwas Lymphe aus dem
Arm entfernt werden. Das würde in ähnlicher Weise bei der Anämi¬
sierung nach Esmarch in Betracht kommen, ja cs würde wohl
auch beim einfachen Hochheben des Armes nicht ganz ausbleiben.
Es fragt sich nur, ob die Menge von Lymphe und Gewebswasser,
die mit dem Blut entfernt w r ird, so gross ist, dass dadurch ein für
klinische Zwecke ins Gewicht fallender Fehler entsteht. Das scheint
mir an der Hand folgender Beobachtungen unwahrscheinlich: Lässt
man den Arm etwa eine Minute im Quecksilber, so verringert er sein
Volumen durch Flüssigkeitsverlust um etwa 7 Volumprozent. Lässt
man ihn sehr lange (5 Minuten und länger) darin, so wird diese
Volumsverminderung grösser. Es ist nicht anzunehmen, dass diese
mit der Zeit eintretende Zunahme der Volumsverringerung durch
weiteren Austritt von Blut zustande kommt, denn schon nach weniger
als einer Minute ist der Arm, soweit sich das ohne verletzende Ein¬
griffe überhaupt beurteilen lässt, offenbar blutleer. Seine Arterien
sind in einer Tiefe über 120 mm unterhalb des Quecksilberspiegels
sicher fcfr. Frey 20 )] komprimiert (sofern wenigstens keine Druck-
Steigerung bestand), die Venen sind absolut leer, das Kapillargebiet
ist völlig blass und kalt. Man wird mithin kaum fehlgehen, wenn
man annimmt, dass bei längerer Dauer des Druckes nicht mehr Blut,
sondern Gew'ebsw'asser ganz allmählich durch die Kapillarwand aus¬
gepresst und nach oben aufsteigend aus dem Arm entfernt wird. Ich
möchte demnach glauben, dass eine stärkere, klinisch in Betracht
kommende Entstellung der gefundenen Werte durch Auspressen von
Lymphe und Gewebswasser nicht stattfindet. In dieser Annahme be¬
stärkt mich auch die Tatsache, dass ein nur kurze Zeit anämisierter
Arm. sich beim Einschiessen des Blutes sofort auf sein dauerndes
Volumen einstellt, wührend ein längere Zeit anämisierter Arm nach
dem raschen Einschiessen des Blutes länger dauernde Volumen¬
schwankungen aufweist. Es scheint also auch hier so, als ob das
Blut rasch wiederkehrte, das abgepresstc Gewebswasser erst lang¬
samer. Doch müssen diese Verhältnisse erst noch eingehender ge¬
klärt werden.
Es ist nun von Wichtigkeit, dass man durch Eintauchen
des Armes in Quecksilber nicht nur die Blutmenge messen
kann, sondern wie Frey M ) schon vor längerer Zeit gezeigt
hat, auch den Blutdruck. Taucht man die Ha ml in ein Oefäss
*°) M. v. Frey: Festschrift für Benno Schmidt, Leipzig
*') M. v. Frey: 1. c.
mit Quecksilber, so bemerkt man in einer gewissen Tiefe
unterhalb des Quecksilberspiegels ein eigenartiges klopfendes
(iefiihl in den Fingerarterien. Zuerst tritt diese klopfsensation
in der letzten Fingerphalanx auf, heim weiteren Eintauchen
riickt sie in die Mittelphalanx hinauf und in die < irimdphalanx.
Geht man noch tiefer in das Quecksilber herein, so kann man
die Kloptsensation im Holilhandbngen, au der Stelle des Radial¬
pulses und schliesslich in den unteren Abschnitten der BraJii-
alis fühlen. Es ist anzunehmen, dass an der Stelle der KTnpi-
sensation die Arterien durch den Aussendnick des Quecksilbers
ziisammengedriickt blind endigen, und dass diese Sensation
dadurch entsteht, dass die Blutwelle gegen die blinde Endigung
des Gebisses anprallend in mannigfachen Wirbeln zuriickge-
w orten wird. Misst man mm nach, wie weit unterhalb des
Quecksilberspiegels die klopienJe Stelle gelegen ist. so erhalt
man direkt in mm Hg den systolischen Blutdruck in dem
betreffenden Gefäss. Man kauft also mit dieser Methode das
Druckgefälle aus der Brachiahs m die Radialis. in den Mobl-
handbogen ja bis in die letzten Endigungen der Fingerarterien
hinein verfolgen. Ergänzt man dann diese FrcysJie Me¬
thode der hydrostatischen Driickmessniig, die sich für die
Praxis selbstverständlich nicht eignet, als Kontrollverfahren
fiir andere physikalisch weniger exakte Metln-Jen der Driick-
messimg aber noch viel zu wenig beachtet ist, durch Ein¬
tauchen des Armes in durchsichtige Flüssigkeiten von Indiern
spezifischem Gewicht, so kann man auf h\drostatischem Wege
auch den Kapillardruck und Yericiulnick bestimmen. Man
braucht den Arm nur in einen hohen Zylinder mit einer spezi¬
fisch schweren Salzlösung zu tauchen, um in euier bestimmten
Tiefe die Venen zusammenfallen und die Kapillaren erbleichen
zu sehen. Man kann also in der Tat durch eine physikalisch
gleichartige Methode, nämlich durch hydrostatische Kom¬
pression, das ganze Druckgefälle aus der Brachiahs bis in die
Fingcrartericn.in die Kapillaren und in die Venen bestimmen.
Selbstverständlich hat man dabei darauf* zu achten, dass die
gefundenen Werte sämtlich auf Mir/hohe berechnet werden,
damit man sie wirklich unter einander vergleichen kann. Diese
Methode der hydrostatischen Bestimmung des Druckgefälles
hat vor der v. R e c k I i n g h a u s e n sJien manches voraus,
v. R e c k I i n g h a u s e n **) misst den 1 »nick m Jer Braduaiis
mit seiner breiten Manschette, in den Fingerarterien mit dem
(i ä r t n e r sehen Apparat, in den Kapillaren und Venen mittelst
Luftkompression. Das sind ungleichartige Methoden, die ver¬
schieden grosse Fehlerquellen haben, wahrend bei der hydro¬
statischen Methode die Fehlerquellen stets gleichartige sind.
Fine genauere Messung des Druckgefälles aus grossen Arterien
bis in die Venen hinein ist aber für die Erkenntnis vieler Kreis¬
laufstörungen, speziell der Hypertonien von nicht zu unter¬
schätzender Bedeutung.
Nun hat naturgemass jede Methode, l'ei der nun i;:r die Messung
auf die Angaben der \ ersuclisper sollen angewiesen ist, nun Jus
gegen sich. Das zeigt sich auch hier. Manche \ ersiuhspersimen
können die Klopfsensation nicht gut w ahrnehmen un i m.ufien un¬
genaue Angaben. Darum habe ich sj;«.n lange ruJi einem \ er¬
fahren gesucht, das uns die erste Wiederkehr des Birses m vier
liefe des Quecksilbers nbiektiv an/eigt. I >ie Bh\siker verwenden
nach dem Vorgang von K <• h I r a u s Ji- ’l zum Nachweis sehr ge¬
ringfügiger Bewegungen Mikrophone, die im ahcexjilosseiien lee-
Plion cm der emtretenderi feinen Bewegung eutspreuhendes sehr
deutliches DernusJj w .ihrnehmen lassen. In der Tat kann man
beim \ufset/en eines Mikr<■nh<ms aut ufle pi: verende Arterie im
angeschlossenen ’l eiephon ein dem Bii.s entsprechendes, v.gar die
Ihkrotie deutlich w ie de r ge Sende s GeräusJi wahrnehmen. Man
würde also auf diese M i ise auJi den ersten w ;e derkehrenden l’tils-
schiag sehr rem und gin.ui n.iJiweiHii km*eti. I s hat aber sehr
grosse Schwierigkeiten. Mikrophone he r /uste en. ehe de tu m vier
liefe des Quecksilbers her r se hende u Driuk sum,{halten. und uh
habe deshalb dicsbe/ug de he \ersiuhe au:.:* geben. Ibers, ha! e
ich Versuche um gegeben, ehe aus vier I ir • sse- der elektnsj*. n | e;t-
Tahigkeit festste Ihn sollten, ob ehe A'tetieu au emem K stimmtet!
Blinkte unterhalb des Quecksilber spie ge .s r t B nt gj ;dt se -.n r
nullt. Set/t man eine br eile- kie k t:- de auf die Brust, eme KmmL
elektroele z. B. auf den Radiaipuls u.u.l leitet nun e "en Mr*m; \«m
etwa 3 Milliampere durch eien Arm. so bekommt man am Galv »ibsw.
") v. R e c k I i n g haus e n: Archiv f. e\per. Bat 1 ' 1 u. Bharma-
kol. ]sup. BJ. ro.
•*) Kohl rausch: zitirrt n.iJi B i a s , .. sikal:s<4u.*
Lehmigen für Mediziner. Leipzig l v "'.
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1823
meter grössere Ausschläge,.wenn die Arterie mit Blut gefüllt ist, als
wenn man sie entblutet hat. Man könnte also wohl daran denken,
auf diese Weise den ersten wiederkehrenden Pulsschlag durch einen
Ausschlag am Galvanometer zu erkennen. In der Tiefe des Queck¬
silbers macht aber die notwendige Isolierung der auf einen ganz be¬
stimmten Punkt zu applizierenden kleinen Elektrode grosse Schwie¬
rigkeiten. Schliesslich bin ich dazu übergegangen, den wieder¬
kehrenden Puls durch das Zucken einer Gasflamme nachzuweisen.
Ich setze zu diesem Zweck auf die zu untersuchende Arterie eine
kleine, mit Membran abgeschlossene Luftkapsel. Am Finger kann
man das sehr güt mit einer Gärtner sehen Fingermanschette
machen, deren Innenblatt ja sehr fein und weich ist. Dann bringe
ich den der Arterie anliegenden, durch eine Membran ab¬
geschlossenen Luftraum durch ein annähernd starrwandiges Rohr,
z. B. durch einen dickwandigen halbelastischen Katheter, mit einer
Kries sehen Pulsflamme in Verbindung. Sobald der Puls schlägt,
zuckt die Flamme, wird er unterdrückt, so hört sie auf, kehrt er
wieder, so fängt sie wieder an, sich zu bewegen. Soweit ich bis jetzt
sehe, kann man mit diesem Verfahren auch unterhalb des Queck¬
silberspiegels an jeder beliebigen Stelle den wiederkehrenden Puls
nachweisen. Man hätte also damit eine objektive Methode zur
Erkennung des wiederkehrenden Pulses im Quecksilber, und man
könnte somit die hydrostatische Methode der Druckmessung zum
Studium des Druckgefälles bei Kreislaufkranken gut anwenden.
Können- wir also bisher durch die hydrostatischen Me¬
thoden einmal die in einem Arm liegende Blutmenge und
zweitens das in ihm stattfindende Druckgefälle aus der Bra-
chialis bis in die Venen hinein mit klinisch zureichender
Genauigkeit feststellen, so wäre es ganz auserordentlich er¬
wünscht, raun noch weiter zu gehen und ferner in Erfahrung zu
bringen, wie viel von der gefundenen Gesamtblutmenge im
arteriellen, wie viel im kapillaren und wie viel im venösen An¬
teil des betreffenden Kreislaufabschnittes gelegen ist . Diese
weitere Ausgestaltung der Untersuchungsmethoden würde,
wenn sie reinlich durchführbar wäre, für die Erkenntnis von
Wesen und Verlauf zahlreicher Zirkulationsstörungen, der
krankhaften sowohl, als der durch therapeutische Eingriffe be¬
dingten von Bedeutung sein.
Ich habe den Gedanken einer derartigen Differenzierung der ein¬
zelnen Kreislaufabschnitte bereits auf dem Kongress für innere Medi¬
zin im Jahre 1907 ausgesprochen und eine Methode zu seiner Durch¬
führung angedeutet. Da aber das Verfahren, mittels dessen ich
damals den Arm anämisierte (hydrodynamischer Druck) sich nicht
hinreichend bewährt hat, so muss auch die Differenzierung der
Arterien von den Kapillaren und Venen anders durchgeführt wer¬
den. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass die Unterscheidung
des Blutgehaltes der verschiedenen Kreislaufabschnitte bisher noch
nicht durch genügend zahlreiche Versuche empirisch sicher begrün¬
det ist, wie die Bestimmung der Gesamtblutmenge und des Druck¬
gefälles auf hydrostatischem Wege. Ich würde demgemäss auch
nicht über diese noch im weiteren Werden befindlichen Versuche
berichten, wenn man nicht in unserer schnellebigen Zeit bei all¬
zulangem stillschweigenden Arbeiten an einer schwierigen Frage
gar zu leicht in die Gefahr käme, der Priorität verlustig zu gehen.
Als vorläufige Mitteilung über meine nach dieser Richtung hin in
Gang befindlichen Versuche möchte ich deshalb folgendes anführen:
Anämisiert man einen Arm in Quecksilber und legt ihn dann in
einen mit Wasser gefüllten Plethysmographen, so kann man bei
langsamem Lösen der komprimierenden Binde das Wiedereintreten
des Blutes in den Arm sehr allmählich erfolgen lassen. Ein äusserst
langsames Lösen der Binde lässt sich erreichen, wenn man die
Riva-Rocci sehe Kompressionsmanschette mit Wasser auf¬
pumpt und nun aus einem feinen Reduzierventil das Wasser tropfen¬
weis abfliessen lässt. Ganz allmählich tritt nun Blut in den Arm
ein, und zwar zuerst in die Arterien. Man fühlt, wie langsam eine
warme Welle in der Tiefe des Armes distalwärts strömt. Schliess¬
lich erreicht die Pulswelle die feinen Arterien der Fingerspitze. Man
kann ihr Auftreten dort wiederum durch das Zucken einer Puls¬
flamme nachweisen, die man durch die Wand des Plethysmograph en-
gefässes mit einer um die letzte Fingerphalanx gelegten Gärt¬
ner sehen Manschette in Verbindung bringt. Wenn man nun abliest,
wie viel Wasser aus dem Plethysmographen durch Bluteintritt ver¬
drängt ist, bis zu dem Augenblick, in dem die erste arterielle Pulsa¬
tion an der Fingerspitze auftritt, so erhält man einen ungefähren
(schematischen) Anhaltspunkt, für die in einem bestimmten Teil des
arteriellen Systemes gelegene Blutmenge. Bald nach dem Eintritt
der ersten Pulsation in den Arterien der Fingerspitze beginnen dann
die Kapillaren sich zu füllen. Man sieht zunächst eine Rötung in
den weitesten Teilen des Kapillarsystems, die sich gewöhnlich über
den Knöcheln der Metakarpophalangealgelenke finden. Später röten
sich dann auch diese und jene andere Stellen und endlich kommt ein
Moment, in dem eine völlige Rötung der ganzen Haut eintritt. Bald
mich dem EiAschiessen des Blutes in die Kapillaren der Haut beginnt
sich dann die erste Venp eben zu erheben. Liest man nun ab, wie
viel Wasser durch eintretendes Blut aus dem Plethysmographen
verdrängt worden ist vom Augenblick des Eintrittes der ersten Pul¬
sation an der Fingerspitze bis zum eben wahrnehmbaren Erscheinen
der allerersten Venenfüllung, so hat man zwischen diesen beiden
Punkten die Füllung des Kapillarsystems eingegrenzt, und man würde
demgemäss diese Wassermenge als ein relatives (schematisches)
Mass für die in einem bestimmtem Teile des Kapillarsystemes ge¬
legene Blutmenge ansehen können. Liest man endlich ab, wie viel
Wasser aus dem Plethysmographen noch abfliesst von dem Augen¬
blick, in dem sich die erste Vene eben gerade zu füllen beginnt,
bis zum Sistieren des Wasserabflusses, so bekommt man ein relatives
(schematisches) Mass für die in einem bestimmten Abschnitt des
Venensystems gelegene Blutmenge. Ich hebe immer wieder hervor,
dass es sich bei dieser Trennung der arteriellen, kapillaren und
venösen Blutfüllung nur um grobschematische Masse handeln kann.
Immerhin scheint mir nach meinen bisherigen Versuchen, als ob
sich beim gesunden Menschen unter normalen Verhältnissen an¬
nähernd konstante Zahlen würden gewinnen lassen. Man könnte
dann aus wesentlichen Abweichungen von diesen Normalwerten bei
Kranken Anhaltspunkte für eine vermehrte oder verminderte Fül¬
lung des einen oder anderen Abschnittes des peripheren Gefäss-
systems ableiten.
Wie diese Bestrebungen aber auch ausfallen mögen, so¬
viel ist jetzt schon sicher, man kann durch die hydrostatischen
Methoden einmal die absolute Blutmenge im Arm mit klinisch
zureichender Genauigkeit messen und damit einen Nullpunkt
für eine im Anschluss an die Messung zu schreibende plethys¬
mographische Kurve geSviranem und man- kann weiter das
Druckgefälle aus der Brachialis in die Radialis, in die Kapillaren
und Venen nach einer einheitlichen Methode darstellen. Wenn
nun auch beide Verfahren wegen ihrer Kompliziertheit und der
durch sie bedingten hohen Ausgaben ganz sicher nicht be¬
stimmt sind, in die ärztliche Praxis eingeführt zu werden, so
darf man von ihnen doch im Laboratorium manchen Aufschluss
über Wesen und Verlauf der verschiedensten Kreislaufano¬
malien erhoffen.
Aus der K. Universitäts-Frauenklinik zu Kiel (Direktor: Geh.
Rat Prof. Dr. P f a n n e n s t i e 1).
Zur Einschränkung der Pessartherapie.
Von Dr. Franz Cohn, I. Assistenzarzt der Klinik.
In der heutigen Zeit, in der die vielfach nur sympto¬
matischen, sich lange hinziehenden und dadurch häufig dieNeur-
asthenie geradezu züchtenden Behandlungsmethoden der so¬
genannten kleinen Gynäkologie immer mehr durch operative,
radikale, zwar eingreifendere, aber schnell z>um Ziele führende
und die Erwerbsfähigkeit arbeitender Patientinnen rasch
wiederherstellende therapeutische Massnahmen verdrängt
werden, hat auch die Pessartherapic sehr an Boden verloren.
Der Grund dafür ist nicht allein in der operativen Tendenz
unserer Zeit zu suchen, sondern viel mehr in den Unzulänglich¬
keiten, die der Pessartherapie anhaften, und die einen Ersatz
derselben durch andere Behandlungsmethoden erheischen.
Der kardinale Fehler, der der Pessarbehandlung anhaftet,
und den K ü s t n e r treffend mit den Worten „öde Fremdkörper¬
therapie“ charakterisiert, ist, dass in eine sekreterfüllte Körper¬
höhle ein umfangreicher Fremdkörper dauernd zu liegen kommt.
Dass ein derartiges Verweilen einesGegenstandes in derVagina,
trotz diätetischer Massregeln, für die Schleimhaut nicht ganz
gleichgültig sein kann, liegt auf der Hand, und nirgends in der
Medizin finden wir ein Analogon für eine solche, lange Zeit aus¬
gedehnte Fremdkörpertherapie im Inneren eines Körper¬
hohlraums.
Wenn nun auch, namentlich seit B. S. S c h u 11 z e das
Pessar aus einem bloss ausfüllenden und zurückhaltenden
Fremdkörper verfeinert worden ist zu einem sinngemässen,
den architektonischen Verhältnissen der Genitalien angepassten
Stützapparat, so ist gerade durch die hierdurch bedingte Kom¬
plizierung des Verfahrens ein weiterer Mangel desselben her¬
vorgerufen. Es handelt sich jetzt darum, zu individualisieren,
das richtig sitzende Pessar für den betreffenden individuellen
Genitalapparat zu finden und auch der im Verlaufe der Be¬
handlung sich verändernden Schelde entsprechend die Form
und Grösse des Pessars zu modifizieren. Misslingt dies, so
setzen wir durch ein falsch gewähltes Pessar oft Schädigungen,
die den Nutzen der Behandlung völlig paralysieren. Dass nun
die Kunst des Pessareinlegens schwer zu erlerrien und nament-
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1824
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
lieh im klinischen Unterricht kaum gründlich zu lehren ist, wird
jeder klinische Lehrer zugeben. Und wenn Fritsch, einer
der Meister der Pessartherapie, verrät, dass er bis zur völligen
Beherrschung dieser Kunst 10 Jahre gebraucht habe, so wird
man ermessen können, ein wie unsicheres und „zweischnei¬
diges“ Instrument das Pessar in der Hand des weniger ge¬
übten Praktikers sein kann.
Dazu kommt noch ein Nachteil, der an dem Herstellungs¬
material des Pessars selber liegt. Kein Material erfüllt die
idealen Anforderungen, die Scheide nicht zu reizen, an der Ober¬
fläche nicht rauh zu werden, seine Form nicht zu verändern
und nicht durch seine Schwere einen Druck auf die Schleim¬
haut auszuüben. Die zahlreichen Modelle, aus den verschieden¬
artigsten Stoffen hergestellt, sind ein Beweis dafür, dass keine
Pessarform allen Bedingungen entspricht.
Ein Uebelstand, der allerdings nicht dem Pessar selbst zur
Last zu legen ist, ist seine Anwendung bei Lagearten des
Uterus, bei denen eine Pcssarbchandhmg überhaupt nicht indi¬
ziert ist. Wir finden sehr häufig bei Patientinnen, die die
klinische Sprechstunde aufsuchen, dass vom Hausarzt Pessare
eingelegt sind bei der infantilen, einer frühen Entwicklungs¬
stufe entsprechenden Retroversionsstellung des hypoplastischen
Uterus mit kleinem, meist stark anteflektiertem Korpus. Hier
führt die verlängerte und stark nach hinten gerichtete Zer¬
vikalpartie, wenn die Anteflexion des kleinen Korpus über¬
sehen wird, wie das bei der erschwerten Untersuchung
neurasthenischer Nulliparae sehr leicht möglich ist, dazu,
fälschlich eilte Retroflexio anzunelmien. Dann w'erden die
bestehenden dysmeuorrhoischen oder allgemein neurasthe-
nischen Beschwerden, über welche Nulliparae mit hypo¬
plastischen Genitalien ]a sehr häufig klagen, auf die vermeint¬
liche Rückwärtsknickung bezogen und durch ein Pessar zu
beheben versucht, was natürlich nicht den gewünschten Er¬
folg hat. Hier muss eine allgemein antineurasthenische und
ionisierende Behandlung, eventuell eine Zervixdilatation oder
aus Indikation der Sterilität eine Chrobaksche Diszision
an Stelle der Pessartherapie treten.
Ob eine mobile unkomplizierte, d. h. nicht mit perimetri-
tischen Prozessen, chronischer Metritis, Deszensus oder Gra¬
vidität verbundene Retroflexio als ein pathologischer Zustand
anzusehen ist, der eine Lagekorrcktion durch Pessar oder
Operation bedarf, darüber sind die Meinungen noch sehr ge¬
teilt. Während in den letzten Jahren der Auffassung der
mobilen Retroflexio als einer pathologischen Lage von ver¬
schiedenen Seiten entgegengetreten worden ist, wird diese
Meinung neuerdings wieder von Sippe l 1 ) energisch ver¬
fochten. Auch Küstner hält in seinen neuesten Publi¬
kationen 2 ) an der Anschauung fest, dass die Retroflexio mo-
bilis als krankhafter Zustand behandlungsbedürftig und auch
mittels orthopädischer Therapie durch Kräftigung des Hand¬
apparates zu beseitigen sei. Gegenüber dem Optimismus
K ü s t n e r s hebt Schwab ;i ) an der Hand des Menge sehen
Materials die sehr problematischen Resultate der Pessar¬
therapie sowohl bei der Retroflexio mobilis als beim Prolaps
hervor.
An der Pfannen stiel sehen Klinik, die seit Jahren an
dem Prinzip festhält, die mobile unkomplizierte Retroflexio
statt einer lokalen einer Allgemeinbchandlung zu unterwerfen,
haben wir mit dieser Therapie durchaus gute Resultate zu ver¬
zeichnen-.
Es bliebe somit nach Ausschaltung der mobilen Retroflexio
als das alleinige Gebiet der Pessarbehandlimg der Deszensus
und Prolaps übrig, und zwar - ein Resultat, zu dem auch
Schw ab kommt — auch nur als Notbehelf in den beiden
Altersklassen, in denen man sich schwer zu einer Operation
entschliesst. Das sind erstens die jungen, noch gebärfähigen
Frauen, bei denen die Operation doch eine gewisse Rezidiv¬
gefahr nach folgenden Geburten oder eine Erschwerung der
Geburtstätigkeit mit sich bringt. Diese kann man mit einem
Pessar über die Jahre der Zeugungsfähigkeit, wenigstens bis
J ) Nippel: Die klinische Bedeutung der Rfickvv ürtslagenmg
des rielnirniutterkörpers. Mnnntssclir. f. (ieb. u. <ivn.. Bd. 2n. 1 «>i»7.
*) Medizinische Klinik 190\ Nu. 15 und Veits llainlhiieh der
Dynakologie. Bd. 1, 2. Au fl.
‘) Miinch. ined. Woohensclir., I9n7, Nu. 29, S. MD.
zu einem gewissen Grade, bis zur Erzielung einer ausreichen¬
den Nachkommenschaft, liuivv egbrmgeii, um sie nachher einer
definitiv heilenden, eventuell mit Tubenresektion verbundenen
Operation zu unterwerfen. Bei hochgradigen Prolapsen wnd
man indessen auch in jugendlichem Alter die Operation der
Pessartherapie vorziehen müssen, um nicht beim Eintritt einer
Gravidität nach Entfernung des Pessars dem \\ ;eJervortreteii
des Prolapses mit seinen (jefahren für das Wochenbett macht¬
los gegenüberzustehen.
Die andere Altersklasse wären Greisinnen mit hoch¬
gradiger Senihrät oder Dekrepiditat. bei denen man einen
operativen Eingriff nicht mehr riskieren zu können glaubt. Die
Hoffnung, durch die Lumbalanästhesie wenigstens d,e Gefahren
der Inhalatioi.snarkose, namentlich die pt.*:< perat.\e Pneu¬
monie zu beseitigen, muss mau anges;Jits der Warnungen
Kronigs vor der Anwendung der Lumbalanästhesie bei de-
krepiden Personen w < hl umgeben. Dagegen hat sich uns das
Frühaufstehern nach der Operation, das wir audi sonst sehr
schätzen gelernt haben, be-sot ders bei alui Frauen ausser¬
ordentlich bewahrt, und so haben wir, iiaJtdem die Gcfahreti
der längeren Bettruhe ausgeschaltet waren, auch der Ope¬
rabilität der Prolapse bei Greisinnen bedeutend weitere Gren¬
zen gezogen.
Was uns, ebenso wie andere Autoren, da/ti veranlasst. J.e
Pessarbehaudlung immer mehr zu Gunsten der opira:,\ oi
Therapie cinznschränken. das sind die Schädigungen, wekhe
der in der Scheide liegende Eremdkorper auf d.e ^chkimhaut
derselben ausuht. Gegenüber dem Optimismus mancher
Publikationen verdient doch her\orgeln.heu zu werden, dass
das Pessar keineswegs in der überwiegenden .Mehrzahl der
Ealle reaktinuslos \ ertragen wnd. I rot/ richtiger Auswahl
der Pessare in Bezug auf Form. Grosse und Material m.d trotz
sorgsamer Pflege des Pessars begegnet es uns d<dl sehr
häufig - wie auch aus Schw ahs Mat.st.k ■instruktiv her-
vorgeht , dass subjektive Beschweideii der Patientin oder
objektiv nachweisbare \ erlet/uuge u oder Ent/tiu. Jungen der
Scheide uns zwingen, die begonnene Pessartherapie ais un-
zweckmässig und schädlich wieder aui/ugeben.
Es ist zwar nicht zu leugnen, dass manche Scheide das
Pessar anstandslos \ ertragt; Ealle, wie der \nii Prochow -
uik ‘), wo ein Schalenpessar IN lahre ohne Wechsel getragen
w urde, ohne dass Kolpitis ('der En ^->i i cn zustande kamen,
dürften indes zu den Seltenheiten gehören.
Es ist eben der Mangel der Pessartherap.e. die der prak¬
tische Ar/t immer noch als eine völlig harmlose .Methode an-
iisehen geneigt ist, dass sich die Reaktion der Scheide auf das
Pessar im Emzelfalle nicht im \oraus berechnen lasst. m:d
dass wir durch das Pessar dem Grnudlvideii Komplikationen
hinzufügen können, die viel Beschwerden machen und nicht so
bald wieder zu beseitigen sind. Wie oft bedarf ein Prolaps
mit Pessardekubitus erst einer vv oellenlang«.n Krankeuhaus-
behaudhing zur Abheilung der De kub.talges Jnv ure. ehe die
Operation vorgenommen werden kann.
Es ist in den meisten Publikationen über die schäJl.cheii
Wirkungen der Pessare vorwiegend die Rede von \ erk t/m gen
und Retentionen, die durch abnorm langes \erv\e.k-n vernach¬
lässigter Pessare liervorgerutkn sind. Namentlich die ver¬
dienstvolle /iisammenstelltftig Neugeba uersl entrollt ein
drastisches Bild der /erstonmgen. ehe der E'remdkorper. v iel-
faeli auch durch seine unzvv eckma^^ige f orm, hervorgebracht
hat. 1 iudeu sich doch nmer diesen Ea kn allem -4J mal
Blasensclieideiiiistelu, M mal RehtimiSvheidiuriMeln und läntnl
kombinierte Blasen- und Rektum'*J r .deuiisteln. Aus der
nein reu I.heraMr hisst skli die Statistik \ e u g e b a u e r s
noch bedeutend vermehren, z. B. durch Eu le von Jung-
e ii g e I ' ). ,M a I t o s ), S k u t s e h ') u. a. kh selbst hal'e Hi
I der mittelrhuniscI kii Gesellschaft für (iebtirtsh.itk- und Gvn.iko-
logie") über .s derartige Ealle ans der Giessuter Klm.k be-
') (ich. (i-s. /'i f l.iiuluir c. >U/ung \ >ri PT dual P'<w*.
') Vulkmamis Neue i -d. \ ., |os
Eraiikise li;e < i-s. f. u. ii\n„ 27 . Iiau p*>v
') biafüt.-l »iss. Miit/Hirg hnt,
s ) < ic s. f. ( ii-n. u. * j \ n. A\i Iai;v s . 1", | J,r. p>"7. /k”t'.(M.
f. (iyn. 1 <>■ »7. S. (>7.\
) \ >»1 1 1 d. Mai ! ‘> 11 ,, '' ■! 1 i ^l i ' i ( iM' |l <i\u I• »7
S. (.25.
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1825
richten können; in einem dieser Fälle war durch ein Löh¬
lein sches Pessar eine grosse Rektum-Scheidenfistel ver¬
ursacht. Jetzt kann ich diese Fälle noch um 7 eingewachsene
Pessare aus der Kieler Klinik vermehren; unter diesen befindet
sich ebenfalls eine Patientin, bei der das Pessar das Septum
rectc-vaginale durchbrochen hatte und durch das Rektum aus-
gestossen wurde.
Dass auch die Meyerschen Weichgummiringe, denen
wegen ihrer Weichheit fälschlich eine gewisse Unschädlichkeit
nachgerühmt wird, die verhängnisvollsten Folgen haben
können, beweist der tödlich verlaufene Fall von Büche-
1 e r ,0 ). Hier hatte das regelmässig gewechselte Pessar durch
Druckusur des Scheidengewölbes, des parazervikalen Gewebes
und des Peritoneums eine intraperitoneale, gegen die Därme
abgekapselte Abszesshöhle gebildet und war in diese ver¬
schwunden. Nach Entfernung des Pessars und anscheinend
glatter Rekonvaleszenz erfolgte plötzlich der Tod an Embolie
aus einer Thrombose der rechten Iliaca externa.
Wegen des scheusslichen Fluors und der heftigen Kolpitis,
die sie verursachen, sollten die Weichgummiringe, wie schon
von anderen Seiten so oft betont, endlich vollkommen aus der
Liste der Pessare gestrichen werden.
Alle diese zahlreichen Fälle von unzweckmässigen oder
vernachlässigten Pessaren können indes nicht als berechtigte
Einwände gegen eine rationelle Pyssartherapie gelten. Anders
ist es jedoch, wenn trotz richtiger Anwendung zweckmässig
gebauter Pessare und sorgfältiger Pflege derselben sich schäd¬
liche Wirkungen bei ihnen geltend machen. Dass dies nicht so
selten der Fall ist, und dass hierin eine Veranlassung zur Ein¬
schränkung der Pessartherapie liegt, darauf hinzuweisen ist
der Hauptzweck dieser Zeilen.
Hofmeier“) hält bei ausschliesslicher Verwendung von
Hartgummipessaren 4—6 Monate als einen ausreichenden
Zwischenraum für den Wechsel des Pessars, jedoch unter
Berücksichtigung der individuell verschiedenen Reizbarkeit
der Scheide. Dass die Patientin unterdessen das Pessar durch
Spülung rein halten muss, ist selbstverständlich.
Obwohl wir nun das Intervall für den Pessarwechsel auf
nur 3 Monate, in Fällen von anscheinend etwas reizbarer
Scheide sogar auf 2 Monate bemessen und unseren Patientinnen
stets eine sorgsame Reinhaltung des Pessars durch Spülungen
zur Pflicht gemacht haben, sind uns doch im Laufe der Jahre
eine ganze Anzahl von Fällen begegnet, in denen die Scheide
entweder bald oder erst nach längerer Behandlung heftig auf
das Pessar reagierte. Zur Verwendung gelangten bei uns aus¬
schliesslich Hartgummipessare, und zwar vorwiegend ent¬
weder die parallelbügligen Pessare nach Bo w oder bei Alters¬
prolapsen die Prochownik scheu Siebschalen. Auf die
richtige Auswahl der Pessargrösse wurde selbstverständlich
stets grosses Gewicht gelegt.
Die Reaktion der Scheide besteht bei den jüngeren, noch
nicht klimakterischen Frauen mit sukkulenter Schleimhaut in
einer beträchtlichen Vermehrung des Scheidenfluors mit kol-
pitischer Reizung. Der Fluor wird oft in kurzer Zeit so er¬
heblich, dass die Frauen sich stark belästigt fühlen und selbst
die Entfernung des Pessars wünschen. Dekubitalulzera da¬
gegen haben wir bei jüngeren Frauen kaum beobachtet. Nur
die aufgelockerte Scheide der Graviden macht hier eine Aus¬
nahme. Wir konnten erst vor kurzer Zeit bei einer im
3. Monat Graviden, der wegen mobiler Retroflexio uteri gravidi
zur Verhütung einer Inkarzeration ein sicher nicht zu grosses
B o w sches Pessar eingelegt worden war, schon nach 13 Tagen
im hinteren Scheidengewölbe ein tiefes Dekubitalulcus mit leb¬
haft granulierenden Rändern beobachten.
Eine Form der Reaktion der Scheide auf das Pessar, wie
sic meines Wissens bisher noch nicht beschrieben worden ist,
konnte ich bei 3 Frauen im klimakterischen Alter beobachten.
Hier war, ohne dass Dekubitusbildung aufgetreten war, die
Scheidenschleimhaut durch Bildung hyperplastischer Knoten
in die Löcher von Siebschalenpessaren eingewachsen. In allen
Fällen waren die Pessare regelmässig gewechselt und gut
10 ) Aerztl. Verein Frankfurt. Monatsschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. 23.
”) Fränk. Ges. f. Geb. u. Frauenkrankh., 13. Mai 1907. Zentralbl.
f. Gyn., 1907, S. 295.
No. 35
sauber gehalten worden. Der höchstgradige Fall stammt von
einer 43 jährigen Frau, die ihr Pessar schon seit Jahren ohne
Nachteile getragen hatte und bei der sich auf einmal bei dem
pünktlichen 3 monatlichen Ringwechsel die Verwachsung des
Pessars herausstellte. Die beigefügte Abbildung stellt den
Moment dar, in dem das Pessar, an der hinteren Scheidenwand
festgewachsen, aus dem Introitus herausgeklappt ist. Das
Pessar war von 6 knopfförmigen Wucherungen durchsetzt;
nur die kleineren davon Hessen sich glatt aus den Löchern
herausziehen, die grösseren mussten abgeschnitten werden.
Das mikroskopische Bild der entfernten Knötchen zeigte eine
lebhafte papilläre Schleimhautwucherung, ähnlich dem Bilde
bei spitzen Kondylomen . In den beiden anderen Fällen Hess
sich das Pessar durch Herausziehen der Knöpfchen aus den
Löchern leicht von seiner Verwachsung befreien; die Schleim¬
hautwucherungen blieben noch lange Wochen an der hinteren
Vaginalwand sichtbar und reproduzierten die ringförmige An¬
ordnung der Löcher im Pessar.
Ein Analogon zu diesen Befunden bieten die Fälle von
Calmann, Falk, Lomer, Selig mann, Prochow-
n i k 12 ), bei denen in die grosse zentrale Oeffnung des Schalen¬
pessars die Portio eingewachsen war. In einem Falle von
v. W i n c k e 1 war die inkarzerierte Portio sogar gangränös
geworden.
Die dünne und leicht verletzliche Scheide der Greisinnen
reagiert auf das Pessar nicht mit hypertrophischen Vorgängen,
sondern mit ulzerativen und Schrumpfungsprozessen, wie sie
durch die senile Atrophie der Schleimhaut bedingt sind. Der
konstante Druck des Pessars erzeugt eine Usur der atro¬
phischen Schleimhaut, die in kurzer Zeit zu tiefen Dekubital-
geschwüren führen kann. Erst nach Entstehung dieser Wund¬
flächen tritt ein eitriger, meist etwas blutig verfärbter Fluor
auf, der die Patientinnen auf die Pessarschädigungen erst auf¬
merksam macht, wenn dieselben schon grössere Ausdehnung
erlangt haben. So haben wir derartige symptomlos ent¬
standene Ulzera bei dem dreimonatlichen Pessarwechsel an
Greisinnen entdeckt, manchmal auch bei Fällen, in denen die
Pessartherapie schon seit langer Zeit ohne Reaktion durchge-
12 ) Geb. Ges. in Hamburg, 16. Januar 1906.
2
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MÜENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3S.
18 26
führt gewesen war. In einem Falle von M a 11 o s fand sich
bereits nach 2 Monaten eine schwere Scheidenverletzung.
Hildebrandt 13 ) berichtet über einen Fall, in dem bei einer
71jährigen Frau ein Menge sches Keulenpessar nach
5 Monaten mit der Keule die hintere Scheidenwand usuricrt
hatte und wie ein Hemdenknopf im Septum recto-vaginale sass.
Eine andere Reaktion der senilen Scheide ist die narbige
Schrumpfung der Schleimhaut, die ebenfalls in ziemlich kurzer
Zeit zu einer Retention des Pessars ohne Bildung von
Dekubitus führt. Die Entfernung des inkarzerierten Pessars
gelingt seit Anwendung der G i g 1 i sehen Drahtsäge meist
leicht, ohne dass Verletzungen entstehen oder Inzisionen ge¬
macht werden müssen, P i w n i c z k a u ) hat ein eigenes
Instrument, eine scherenförmige Kneifzange, Pessariotom
genannt, zur Entfernung inkarzerierter Pessare angegeben.
In seltenen Fällen, wie in dem von Hoffman-n 1!i ) berichteten,
kann allerdings die durch das Pessar hervorgerufene Narben¬
stenose heilend auf den Prolaps wirken; in Hoff mann s
Falle war bereits nach l A Jahre eine derartige Verengerung
eingetreten, dass der Prolaps ohne Pessar 10 Jahre darauf
nicht wieder eingetreten war.
Auch Kermauner 1 *) weist neuerdings auf die heilende
Wirkung der narbigen Schrumpfung hin und hält derartig spon¬
tan geheilte Fälle für nicht so selten.
Die Entstehung maligner Wucherungen auf dem Boden
von Pessardruckfurchen wird sicher in ihrer Häufigkeit über¬
schätzt; vielfach werden ulzerierendc Granulationsmassen
fälschlich für Karzinom gehalten. Neugebauer stellt
9 Fälle maligner in Pessarusurcn entstandener Tumoren zu¬
sammen, die indes nicht sämtlich mikroskopisch sichergestellt
sind. Wir erlebten in Giessen einen Fall, bei dem im Grunde
eines Pessarulcus sich ein, auch mikroskopisch deutliches,
Sarkom gebildet hatte. Obwohl Portio und Scheide in grosser
Ausdehnung entfernt wurden, ist doch nach Bericht des Haus¬
arztes in kurzer Zeit ein Rezidiv eingetreten.
Die erwähnten durch die Pessare verursachten Schädi¬
gungen müssen uns veranlassen, eine recht häufige und sorg¬
same Kontrolle derselben, wenn möglich in noch geringeren
Intervallen als 3 Monaten durchzuführen. Hierbei werden wir
genötigt sein, eine ganze Anzahl von Patientinnen von der
Pessartherapie wieder auszuschliessen, weil sich die Scheide
dem Fremdkörper gegenüber refraktär verhält. Gerade aus
den beiden Altersklassen, in denen wir das Pessar als Not¬
behelf noch haben gelten lassen, nämlich dem jugendlichen,
im Beginne der Gebärfähigkeit stehenden und dem Greiscn-
alter, fallen dadurch sekundär noch viele Fälle der operativen
Therapie anheim.
Dazu kommt noch, dass eine ganze Reihe von Prolaps¬
formen von vornherein für eine Pessartherapie überhaupt
ungeeignet ist, weil das Pessar in der Scheide keine genügen¬
den Halt- und Stützpunkte findet und daher bald wieder heraus¬
fällt. Das sind erstens die Fälle mit grossem Dammriss, die
dem Pessar keinerlei stützenden Boden gewähren, zweitens die
hochgradigen Zystozelen, die sich an jedem Pessar vorbei oder
durch dasselbe hindurch drängen, und drittens die Fälle mit
spitzem, nach oben zu konisch zulaufendem oder zu flachem
Scheidengewölbe, die dem oberen Teile des Pessars keinen
Halt bieten.
Es ist demnach in der Prolapsbehandlung der operativen
Therapie ein weit grösseres Feld anzuweisen als der Pessar¬
behandlung. Bei der arbeitenden Klasse kommt dabei noch
das Moment der schnellen Wiederherstellung in Betracht, das
die Operation in ca. 3 Wochen und bei der steigenden Ver¬
vollkommnung der Technik mit immer geringerer Rezidiv¬
gefahr gewährleistet. Wir haben seit ausgedehnter An¬
wendung der Vaginifixur, die wir bei Zystozelenfällen aus¬
nahmslos ausführen, unter vielen Hunderten von Fällen nur
sehr spärliche Rezidive zu verzeichnen gehabt und auch diese
meist durch kleine Nachoperationen, wie Portioamputation,
beheben können. In noch gebärfähigem Alter führen wir die
Vaginifixur transperitoneal, mit Zwischenlagerung des Peri-
,:1 ) Zentral!)], f. Gyn., Bd. 28, 1904. S. 482.
n ) Zentralbl. f. Gyn.. Bd. 27, 1902, S. 1302.
l:> ) Mittelrhein. Ges. f. Geb. u. Gvn., 4. Mai 1907.
1 ") Monatsschr. f. Geb. u. Gyn., 1908, Heft 5.
Digitized by Gougle
toncum aus; bei Frauen am Ende des 4. und im 5. Lebens¬
jahrzehnts, die schon über ausreichende Nachkommenschaft
verfügen, wenden wir die direkte vaginale Fixierung der
Gebärmutter mit Resektion der uterinen Tubenenden an.
Obwohl nicht streng zu unserem Thema gehörig, mochte
ich zum Schluss noch auf die schädlichen Folgen der Intraute¬
rinpessare hinweisen, um zu einem energischen Kampfe gegen
diese Instrumente aufzufordern. Heutzutage werden sie wohl
nur noch als antikonzeptionelle Mittel verwandt und leider
auch vielfach von Aerzten eingelegt. Die antikonzeptionelle
Wirkung kommt indes meist nicht durch Verhütung der Be¬
fruchtung, sondern durch Zerstörung einer bereits gebildeten
Gravidität zustande, indem der im Uterus liegende Fremd¬
körper als Abortivum wirkt. Abgesehen davon, dass hierin ein
verbrecherischer Akt liegt, ist hierbei die Infektionsgeiahr
durch den intrauterinen Fremdkörper nicht zu unterschätzen.
Ein Fall von ausgedehnter, die Patientin sehr erschöpfender
para- und perimetritischer, nach Abort eingetretener Exsudat-
bildung, den ich in der Giessener Klinik beobachtete, ist dafür
ein klassisches Beispiel. Die Patientin beichtete nach längerem
Klinikauienthalt, dass sie schon seit langer Zeit ein v< m Arzt
eingelegtes Intrauterinpessar trüge, das sie auch — cs war ein
Aluminiumobturator ’km vorzeigte. Trotz des Pessars war
Konzeption, durch das Pessar Abort eingetreten, der spontan,
ohne Eingriff, verlief, aber sofort von einer schweren, zu
Exsudatbildung führenden Infektion mit hohem Fieber gefolgt
war. Solche Fälle sind gewiss häufig, kommen aber nur selten
zur Kenntnis 17 ). Namentlich auf die Intrauterinpessare Konnte
der Ausspruch von Fritsch Anwendung finden, dass man
wie bei gütigen Medikamenten einen freien Verkant' dieser
Instrumente verhindern sollte. Zum mindestens sollte man in
den Katalogen, die den Aerzten von verschiedenen Firmen
übersandt werden, nicht mehr, wie es so häufig der bail ist,
eine Anpreisung der Intrauterinpessare als völlig harmloser
antikonzeptioneller Mittel vorfinden.
Aus der K. chirurgischen Universitätsklinik zu Bonn (Direktor:
Geheimrat Prof. Dr. Garr e).
Ein neuer Beitrag zur Basedowthymus.
Von Dr. Capelle, Assistenzarzt der Klinik.
In der Lehre vom Morbus Basedow hat in letzter Zeit,
neben der Schilddrüse, auch ein anderes Organ erhöhte Auf¬
merksamkeit verlangt. Es ist das die zur Zeit der Pubertät
in starker Rückbildung befindliche, beim Erwachsenen ge¬
wöhnlich nur noch in Resten anzutrefferde Thymusdrüse.
Während man sie früher zu den lymphoiden Organen rechnete
und ihr allenfalls noch im fötalen Leben gewisse blutbildende
Eigenschaften zuerkannte, kamen neuere anatomische wie bio¬
logische Forschungen zu dem Schluss, dass sie ungleich mehr
zu den Drüsen mit selbstständiger innerer Sekretion zu
rechnen ist und in ihren Resten im fertigen Organismus, wenn
auch maskiert, das epitheliale Organ bleibt, als das sie primär
angelegt wurde.
Die Sektionen von Basedow kranken mehrten nun die
merkw ii r d i g e B e o b a c h t u n g. dass dies in allem
noch recht rätselhafte Organ bei Basedow oft zu
finden ist und zwar, was besonders a u t f a 11 e n
m u s s t e, in einer ( j r o s s e, die g e w o h n 1 i c h n u r
au f der H ö he sein er E n t w i c kIu n g bei Nenne-
b o r e n en oder Kindern in den erst e n L e he n s-
fahren an ge troffen wird. Bei der Mehrzahl dieser
Autopsien war das Interesse am Sektionsbefur.d durch die Art
des eiiigetretenen Todes geweckt; vor allem waren es die
Fülle, die in chirurgischer Behandlung zugrunde gegangen
waren. Bei einem Teil von ihnen hatte nach technisch meist
glatt verlaufener Operation und Narkose gewöhnlich ln bis
20 Stunden später eine spontan einsetzer.de. klinisch durch
nichts zu begründende, aber auch durch kein Analept.kum auf¬
zuhaltende Herzschwäche in wenigen Minuten bis Stunden zum
Exitus geführt, bei einem anderen Tel war sie schlagartig
*') Vergl. Wagner: Septischer Ah"rt durch ein Intrauterin¬
pessar. Munatsschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. 25. lvu7.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1008.
MUENCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
18 21
während der Operation eingetreten mit dem gleichen, für die
Angehörigen und den Operateur gleich schmerzvollen Aus¬
gang in Tod.
Die letzten Augenblicke der Kranken hatten dabei
etwas eigenartig typisches im Bilde: ent¬
weder, beim Operationstod, blieb unvermerkt der bis zuletzt
noch gute Puls fort, während die Patienten mit einem Schlag
kollabierten, gewöhnlich noch einzelne Respirationen bei freien
Atemwegen machten und nach wenigen Momenten unwieder¬
bringlich verloren waren, trotz aller Wiederbelebungsver¬
suche (künstliche Atmung nach Tracheotomie, Tappotement
des Herzens, direkte Herzmassage, Kampher, Kochsalzinfu¬
sionen etc.) verloren blieben; o d e r die Operation verlief tadel¬
los, der Puls blieb von A—Z gut, der Kranke lag schon eine
Zeitlang, wie ein normal Operierter im Bett, war zu sich ge¬
kommen, hatte vielleicht schon den erleichternden Schlaf ge¬
funden, da plötzlich wird er unruhig, klagt über Herz¬
beklemmungen und wirft sich in Angstgefühlen hin und her.
Der Puls ist klein und fliegend geworden. Die Beklemmungen
werden stärker, das Gesicht blass, kalter Schweiss tritt auf die
Stirn, die Augen treten stärker aus den Höhlen heraus und
nach einem minuten- bis stundenlangen Todeskampf tritt der
Exitus meist bei klarem Bewusstsein ein.
Bei den Versuchen, diese Katastrophen, die meist wie ein
Blitz am heiteren Himmel erscheinen, auf Ursachen zurück¬
zuführen, kamen die Autoren zu recht abweichenden Ver¬
mutungen.
Einige brachten ihn in: Zusammenhang mit der Nar¬
kose, speziell dem Chloroform, dem wohl noch immer am
meisten verwandten Narkotikum, und erklärten die Todesfälle
schlechthin für Narkosentode, wie sie ab und an auch einmal
bei anderen chirurgischen- Eingriffen erlebt werden.
Andere legten den Hauptnachdruck auf eine plötzliche
U e b e r s c h w e m m u n g des Körpers mit Schild¬
drüsenprodukten», dadurch zustande kommend, dass bei
den heute gangbaren Operationsarten: das Schilddrüsengewebe
angeschnitten, eine Menge von Lymphwegen eröffnet würden,
aus denen dann die spezifischen, herzschädigenden Drüsen¬
produkte massenhaft und mit einem Male in den Körper aus¬
geschwemmt würden; die Antwort auf dieses Zuviel gäbe das
Herz in Form der geschilderten Paralyse.
Beide Annahmen hatten» zunächst viel Bestechendes, je¬
doch traten ihnen allmählich andere Erfahrungen
gegenüber: einmal erlebte man die gleiche Katastrophe auch
in reiner Lokalanästhesie, ohne einen »Tropfen Chloroform,
ein andermal konnte von der Möglichkeit einer „plötzlichen
Ueberschwemmung des Körpers mit Schilddrüsentoxinen“
überhaupt keine Rede sein, weil nur eine Unterbindung der
Schilddrüsenarterien vorgenommen war, ohne dass auch nur
die Kapsel der Drüse dabei verletzt worden wäre.
Man zog nun die grosse Thymus heran, deren
häufiges Vorkommen bei den zur Sektion gelangten Basedow¬
fällen schliesslich nicht mehr zufällig genannt werden konnte.
Auf ihre Häufigkeit machte vor allem v. Hansemann auf¬
merksam.
Ein französischer Forscher, Bonnet*), war es dann,
der sich neuerdings eingehender mit der Basedowthymus be¬
schäftigte, und der auf Grund grösserer Beobachtungsreihen zu
dem Schlüsse kam, dass für die plötzlichen Basedowtode zum
grössten Teil die Thymus verantwortlich gemacht werden
muss.
Veranlasst durch drei selbst erlebte Missgeschicke bei
Basedowoperationen haben auch wir a. a. 0. 3 ) die überall zer¬
streuten Berichte (60 an der Zahl) zusammengestellt und einer
kritischen Durchsicht unterzogen.
Dabei bekamen wir zunächst das überraschende Ergebnis,
dass sämtliche Basedowkranke, deren Aut¬
opsie vorlag, zu 79 Proz. eine hypertrophische
Thymus aufzuweisen hatten; ein Ergebnis, welches zu dem
Schluss berechtigt, dass die Thymus bei Basedow eine prin-
*)v. Hansemann: Schilddrüse und Thymus bei Morbus
Basedow. Berl. klin. Wochenschr. No. 44 a, 1905.
*) Thymus et mort subite. Province med. 1899, No. 36, 37, 38.
3 ) Capelle: Ueber die Beziehungen der Thymus zum Morbus
Basedow. Bruns Beiträge zur klinischen Chirurgie 1908. Bd. LVIII.
zipieWe Eedeutung beansprucht. Das leuchtet um so mehr ein,
wenn man bedenkt, wie selten sonst bei Sektionen Erwachsener
das hypertrophische Organ ziu finden ist.
Weiterhin konnten wir, in Rücksicht auf »die ein¬
zelnen Todesarten bei den 60 Fällen, deutliche
Frequenzunterschiede einzelner Kategorien
feststellen: Während nämlich die an interkurrenten Krank¬
heiten gestorbenen Basedowpatienten etwa zur Hälfte (44
Proz.) die Thymus persistens s. hypertrophica darboten, stieg
diese Zahl bei den ohne Nebenkrankheiten rein an der Schwere
ihres Basedow Eingegangenen auf 82 Proz., erreichte bei den
op. und postop. Herztoden schliesslich 95 Proz., ja
schloss bei den letzteren, wenn wir einen durch grossen Blut¬
verlust komplizierten und deswegen nicht ganz einwandfreien
Fall mitrechnen, mit einer Konstanz von 100 Proz ab.
Diese Statistik veranlasste uns zu den Schlussfolgerungen,
dass die Thymus 1. anatomisch nichts Zufälliges im Bild des
Basedow ist, dass sie 2. klinisch einen Indikator
für die Schwere eines Falles darstellt, und dass
3. die Herzkatastrophen nach Basedowoperationen als
reguläre Thymustode aufzufassen sind, ganz im Sinne
der Pal tauf sehen Lehre vom Status thymicus 4 ).
Der Zufall will es, dass wir kaum einige Wochen nach
Mitteilung unserer eigenen Erfahrungen und den aus der Zu¬
sammenstellung ähnlicher Mitteilungen gezogenen Schlüssen,
wieder in der Lage sind, über Thymustod bei Base¬
dow zu berichten. Dieser letzte Fall reiht sich klinisch wie
pathologisch-anatomisch wieder ganz den bekannten an, so
dass seine bemerkenswerten Daten kurz folgendermassen zu-
sammenzufassen sind:
Charlotte N., 16 Jahre alt, war, abgesehen von einer Halsent¬
zündung im 14. Lebensjahre, gesund bis vor 16 Monaten. Seit der
Zeit schwoll der Hals an, die Augen traten stärker vor, Patientin
wurde aufgeregt, magerte ab. Pinselungen des Halses und Diät
hatten keinen Erfolg.
Status: Für ihr Alter schlecht entwickeltes junges Mädchen,
sehr nervös, in weinerlicher Stimmung; Exophthalmus, Zeichen von
Graefe, Möbius, Stell wag positiv. Rechtsseitige weiche
Struma, mit vergrössertem Isthmus und Lobus pyramidalis, links¬
seitige Struma auch gross, wenn auch weniger wie rechts. Ueber
dem linken Lappen starkes Schwirren, rechts ebenfalls bestehend.
Halsumfänge:
Proc. spin. vert. prom.-Jugulum = 38Vs cm,
„ „ „ „ -Prominentia = 37 cm
„ „ „ „ Vorderhalsmitte = 39 cm.
Die Struma reicht nicht retrosternal.
Ueber dem Manubrium sterni eine Dämpfung,
die der Herzdämpfung aufsitzt und die Grenzen
des Manubrium nicht überschreitet (Thymus?).
Flimmern um den Mundwinkeln.
Ch vos tek negativ. Tremor der Finger. Starkes Herzklopfen.
Herzgrenzen verbreitert, Spitzenstoss im 5. Interkostalraum stark
hebend, so dass die ganze Brustwand mitzittert. Puls 144 Schläge
pro Minute.
Systolisches Geräusch über der Spitze.
Lungen und Abdomen ohne Befund.
Operation: In ruhiger Aethemarkose rechtsseitiger Schräg¬
schrift vor dem Kopfnicker. Die Struma ist durch Verwachsungen
offenbar entzündlicher Natur mit der Umgebung verklebt und er¬
schwert zunächst etwas die sonst komplikationslos und mit geringem
Blutverlust verlaufende Operation.
Unterbindung der Art. thyreoidea sup. und inf. dextra, Resektion
des rechten, weichen Strumalappens; dann Ligatur der Art. thyr.
sup. sin vom kleinen linksseitigen Schnitt aus.
Keilexzision aus dem Isthmus. Vernähung des Wundbettes.
Blutung steht vollkommen. Tampon in den unteren Mund¬
winkel, Hautnaht.
Post operationem: Pat. zunächst ziemlich kollabiert, erholt
sich in den nächsten Stunden, Puls ziemlich kräftig, 160 pro Minnute.
Freie Atmung, viel Durst. Der Nachmittag geht gut vorüber.
Gegen Abend, 12 Stunden post operatinem wird der Puls plötz¬
lich klein, frequent, beträgt 180 Schläge pro Minute; blasses, nicht
zyanotisches Aussehen, Lufthunger, Aufregung, Protrusio bul. stärker.
10 Minuten nach Beginn des Anfalles endigt die Herzparalyse bei
klarem Bewusstsein tödlich.
Wunde ohne Befund.
Autopsie: Keine Nachblutung; Herzhypertrophie, Leber und
Intestinum ohne Befund, vergrösserte Rachenmandel, Milzfollikel-
•) Pal tauf: Ueber die Beziehungen der Thymus zum plötz¬
lichen Tod. Wien. klin. Wochenschr. 1889. No. 46, 1890, No. 9.
2 *
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1828
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Schwellung; im vorderen Mediastinum etwa 1 cm vom unteren
Strumarand beginnend eine persistierende Thymus von 10 :6' 2 : 2‘4 ein.
Diagnose: Status thymicus. Struma mikroskop.: Paren¬
chymatöse Form, ohne Kolloid.
Also klinisch ein Schulfall von schwerstem Basedow mit
weicher, parenchymatöser Schilddrüse als Unterlage. Nach
ergebnisloser interner Behandlung lässt (der Chirurg sich zum
Eingriff bestimmen, trotzdem eine Dämpfung über dem oberen
Sternum warnt!
Nach glatt und ruhig verlaufener Operation in Aetlier-
narkose erfolgt nach einem 12 ständigen einwandfreien Zw i¬
schenstadium in bekannter Weise der tödliche Herzkollaps und
die Autopsie zeigt wieder den Status der vergrösserten
Thymus.
So spricht dieser Fall wieder seinem ganzen Verlauf nach
für die Richtigkeit unserer Schlüsse, die w ir für die Indikation
resp. Kontraindikation zu einer BasedowOperation gemacht
haben:
Es ist ein Gebot der Notw endigkeit, bei j e d e m s c h w e-
r e n Basedow, der operativ angegriffen wer¬
den soll, das Bild des Status thymicus vor
Aiugen zu behalten, wie es uns Pal tauf in seiner
ganzen Widerstandsunfähigkeit auch gegen geringe Schädi¬
gungen geschildert hat, und jedesmal erst die diagnostische
Kunst zu erschöpfen, für die Frage, ob der zu operierende
Kranke eine vergrösserte Thymus besitzt. Lässt sich eine
Dämpfung über dem oberen Sternum einwandfrei hcrausper-
k'Utieren mit begleitender blassroter Hypertrophie der Ton¬
sillen, fühlt man bei Inspirationen vielleicht im Jugulum einetie-
schwulst aus der Tiefe des Mediastinum anschlagen, haben
wir im Röntgenbikl den von Hotz 6 ) beschriebenen Schatten
oder bestehen Zeichen einer follikulären Hyperplasie am Kör¬
per (Tonsillen, Zungenbalgdrüsen, Milz), so ist die vergrösserte
Thymus mehr als wahrscheinlich; dann ist aber gleichzeitig
auch das Urteil bezüglich Operation gesprochen, denn nach
unseren Erfahrungen gibt der Nachweis einer grossen
Thymus eine Kontraindikation zu einem Ein¬
griff bei Basedow ab, wegen der zu gewärtigenden und
bei ihrem Eintritt durch nichts aufzuhaltendcn Herzkata¬
strophen, die wir mm schon zum 4. Male immer in gleicher
Weise haben verlaufen sehen.
Blutbefunde bei periodischer Azetonämie grösserer
Kinder.
Von Privatdozent Dr. Hecker in München.
Die Pathogenese dieser sicher nicht allzu seltenen, in
Deutschland aber noch wenig studierten Erkrankung ist noch
ganz unklar. In einer früheren Arbeit ‘) habe ich die verschie¬
denen herrschenden Theorien gestreift und dann der Meinung
Ausdruck gegeben, dass das Primäre bei der stets mit Magen¬
erscheinungen einhergehenden Störung des Fettchemismus
nicht in dem Erbrechen, nicht in hysterischer Veranlagung,
nicht in bestehender Appendizitis u. a. zu suchen sei, son¬
dern in einer konstitutionellen Anomalie, in einer
Entwicklungshemmung der Fettabbaufunktion. Gestützt wurde
diese Annahme durch den Blutbefund bei dem einen der Fälle,
einem 6 jährigen Knaben mit typischem rekurrierenden
azetonämischen Erbrechen: neben ausgesprochener Ver¬
minderung der weissen Blutkörperchen (Leukopenie) fand sich
ein sehr auffälliges Ueberwiegen der Lymphozyten über die
polymorphkernigen Zellformen; eine Verschiebung also des
Blutbildes in der Richtung des Säuglingsalters, eine Entwicke-
lungshemmung auf anderem Gebiete.
Der eigentümliche Befund veranlasste mich einerseits, die
bei zwei anderen Kindern hergestellten Blutausstriche erneut
durchzumustern, andererseits Kontrolluntersuchungen in an¬
fallsfreien Zeiten vorzunehmen. Aus äusseren Gründen — die
Kinder entstammen der Privatpraxis — konnte ich letzteres
nur an zwei Fällen durchführen. Die Leukozytenzählung
6 ) Hotz: Die Ursachen des Thymustodes. Bruns Beiträge
zur klin. Chirurgie, Bd. 55.
*) Ueber periodische Azetonämie bei grösseren Kindern. Münch,
-cd. Wochenschr. 1908, No. 29.
geschah in der T h o m a - Z e i s s sehen Zählkammer, w obei
stets mindestens zwei getrennte Zählungen vorgenommen wur¬
den. Zur Notierung der einzelnen Formen dienten exakt her¬
gestellte Blutausstriche aui sorgfältig m Alk«dud und Aether
gereinigten Objektträgern. Gezählt wurden von jeder Blut¬
probe zweimal je ÖIH) Zellen. Von beiden Zahlen wurde das
Mittel genommen, wobei die Differenzen nicht mehr als ImJi-
stens 4 5 Proz. betrugen. Folgende Formen wurden berück¬
sichtigt: kleine und grosse Lymphnzx teil. Polymorpho/ytert,
Dcbcrgangszellcn, grosse einkernige Zellui. eo\*.roplnlc Zellet:.
Da die letzten drei Arten keinerlei konstantes \ erhalten auf-
w lesen, lasse ich sie hier ausser Betracht und berücksichtige
nur das Verhältnis der (kleinen und grossen! L\mph<>/\teil zu
den Polymorphkernigen.
Fall 1. .■ jähriger Knabe. t\ pisjies Beispiel m*ii pen< JisJie.i
IIrhreellen mit A/etoiiamic. S Tage \** r dem schweren. J . 1 .uv
dauernden Anfall zeigte das Blut ausgispr<. v In ne Leukopenie:
nur 27 00 weisse Blutkörperchen bei einem l r\t!in>/\teiigehait \<>n
5 : -■ Millionen. Die Ausstriche ergaben stärkest e b e r w 1 e g e n
der Lymphozyten gegenüber den P<.';\ m>*r|>hkeriiigeii.
75.s Pro/, zu lb.0 Pro/. 5 Mmiate n.uli dioeiii \nta.l. zu einer /.ut
besten Wohlbefindens hatte das Blut annähernd me malen 1. e 11 k«»-
z\teiigehalt ( 13 JlM 1 pro KubikmilimieterL das hisl"i"gisJ:c lb:J zeigte
immer noch ein Ueberwiegen der L\mpln'/\teil. jed" V h nmht tm.br
So exorbitant, wie kurz \nr dem Amall. 52 l'o»z. I.x mpfm/x teil zu
4n Pro/. I’o|\im• rplikermgen.
Fall II. 5 • lahriges MaJJieri. subakutes, mehrere Wachen
dauerndes Kranklieilsbild mit A/etmiamie und gastrischen ITschei-
nungen. Das Blut wahrend der L.rkrankling zeigte rin Ausstrich sehr
auffällige Leukopenie (eine /ahiiing m der X.ih Kammer war
aus äusseren Urninleii unnn.gaJi» und starkes l eher wiegen
der Lymphozyten mit 75.1 Ln./, gegenüber den Pö!\m--rph-
kernigen mit 2o.fi Pro/. 2 Wochen 11 a Ji der Heilung 1 it.rm. 1 e'
Leukozytengehalt (14 non), vermindertes, aber poch deut¬
liches Ueberwiegen der L v m p h o 7 v t e n: 55.5 I’r< /. zu
39,5 Proz.
Fall III. 3 iahnges Madeberi mit akutem, '.echten \ria M . Bat
während der Krankheit hat 11«»"» Lenk. >/\ teil. Die l.xmph"-
/ y t e n ti I) e r w legen mit (»3 Pro/, gegenüber den P<>’\ rm 'r p'"-
kernigen mit 35 Pro/. Ihne UntersuJiung in gesumier Zeit k-nnte
nicht gemacht werden.
Ein zur Kontrolle untersuchter gesunder Knabe vi-n U * .1 .ihre 11
ergibt 40.0 Pro/. l.vmph"/vten und 5n.s Pr../. P AnmrphK t rm v e.
also ein den Normai/ahien \<>n Car st armen (s. u.i ungefähr ent¬
sprechendes Bild.
Im folgenden gebe ich die Befunde i
zur Orientierung einige Z.iKm be.. w e
einer grossen Menge von Präparaten fnr v
alter des Kindes aufgesteilt hat.
Tabelle 1.
n Tabedenn .rm und L,g. v
s e Garst a n > e n ; » a as
le versJm.denen Lebens.
L\ mph"- P"l\ nmrph-
z\ teil kernige
3iälir. Mädchen wahrend des \nfa!les
bl Pf"/ 3 5 Pr.. 7 .
5' .’jalir. Mädchen wahrend des Antalles
73.1 . >0 .
dasselbe 2 Wochen nach der Heilung
5'.5 . 5«.5
6 ' .nähr. Knabe kurz \ 0 r dem Amall . .
75.s . l*.r«
derselbe 5 Monate nas.li dem Anfall . .
5d . 4o
6 ' dalir. Knabe (KontrollkinJ).
4".'» . 5i..s
Tabelle 2
5 ) M. Garst atmen: Wie verhalten s.Ji de pro/ettt: sehen
Verhältnisse der verscluedenen formen der weissen IL ;tk'.rper^hen
beim Menschen unter normalen LTbTUmdci:? Jab.rb. i. Kmdcrhcük..
Bd. 52, 1900.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1829
ln 3 Fällen von periodischer Azetonämie findet sich also
während, bezw. kurz vor dem Anfall eine pathologische starke
relative Lymphozytosis, die bei zweien der Fälle in ver¬
mindertem Masse auch in der anfallsfreien Zeit nachweisbar ist
Beim 3. Fall konnte die Kontrolluntersuchung noch nicht aus¬
geführt werden. Die gefundene Präponderanz der Lym¬
phozyten gegenüber den Polymorphkernigen kann keine zu¬
fällige individuelle Schwankung sein, da selbst die in gesunder
Zeit gezählten niedrigeren Werte noch weit über dem von
Carstanjen aufgestellten oberen Grenzwerten der betr.
Lebensalter stehen.
Die Abnahme der relativen Lymphozytosis nach dem An¬
fall rührt wahrscheinlich nicht von einer Verminderung des
Lymphozytenbestandes her, sondern von einer reichlichen Ein¬
fuhr polymorphkerniger Zellformen aus den betreffenden De¬
pots in den Blutkreislauf. Dafür spricht die numerische An¬
näherung dieser Zellen an die Lymphozyten bei gleichzeitiger
Zunahme der Gesamtleukozytenzahl nach dem Anfall.
Das Blutbild der azetonämischen Kinder in der anfalls¬
freien Zeit entspricht einem Zustande, wie er sich in frühester
Säuglingsperiode findet und stellt demgemäss eine Entwick¬
lungshemmung dar. Während des Anfalles erfährt der Zu¬
stand eine akute Steigerung durch vorderhand unbekannte
Gründe.
Meine früher ausgesprochene Ansicht, dass die peri¬
odische Azetonämie der grösseren Kinder
nicht als zufällige Störung, sondern als eine
konstitutionelle Anomalie im Sinne einer
Entwicklungshemmung und- zwar der Fettab¬
baufunktion aufzufassen sei, erhält durch den vorstehend
gefundenen Parallelismus zwischen ihr und einer rückständigen
Blutentwicklung neue Stützen.
Des weiteren geht aber aus den mitgeteilten Befunden
auch hervor, dass die weissem Blutkörperchen wichtige Be¬
ziehungen zu rein chemischen Prozessen des Organismus,
hier zur Bildung der Azetonkörper haben. Ob die Lympho¬
zyten und mit ihnen die Lymphdrüsen als ihre Hauptbildungs¬
stätte das aktive Prinzip darstellen oder ob die Störung bei den
polymorphkernigen Zellen bezw. ihren speziellen Ursprungs¬
stätten zu suchen ist, muss vorderhand dahingestellt bleiben.
Zur Entstehungsgeschichte und Behandlung der Einge¬
weidebrüche.
Von Prof. Dr. Wilhelm Koch.
III. Die inneren Eingeweidebrüche.
Als häufigste und deshalb wichtigste Variante dieser
Gruppe durfte bisher die H. duodeno-jejunalis, jene darm¬
erfüllte Fossa duodeno-jejunalis betrachtet werden, welche wir
an der durchschnittlich bogigen Uebergangsstelle des Duo¬
denum ins Jejunum, dort finden, wo der T r e i t z sehe Muskel,
ein Gebilde den Danm überkreuzen würde, welches nach der
Auffassung meines Mitarbeiters C o r 1 e i s für das Duodenum
als Sphinkter in ähnlicher Weise wie der Pylorus für den
Magen zu gelten hat. Hier, überwiegend häufig also links
zwischen Wirbelsäule und dem Hauptaste der Vena mesen-
terica inferior, schmiegt sich die Grube mit ihren bald ein¬
fachen, bald doppelten, verschiedentlich aufgestellten Begren¬
zungsfalten der Milzseite der duodenalen Knickung zum Jeju¬
num aufs innigste an. Den nicht so einfachen Werdegang der
Grube kennen wir erst durch Klaatsch.
Ich empfehle, den Aufriss des Darmes während der Phase der
Nabelschleife sich vor Augen zu halten, ein Stück Draht, dessen
oberes Ende vom Beobachter ab, also zur Wirbelsäule hin konvex
ausgebogen wird. Es ist der noch lotrechte Magen. Dann folgen
kaudalwärts in etwa sagittaler Ebene, das Duodenum als wirbel-
säulenwärfts offener Dreiviertelkreis, diesem die schmale Nabel¬
schleife mit absteigendem gewundenen Dünndarm- und aufsteigen¬
dem gradem Dickdarrnschenkel, dem späteren üaecum-asccndens.
In Höhe des unteren Duodenum biegt dieser Schenkel, als Urflexur,
in das links von der Mittellinie haltende Kolorectum, den Inbegriff des
späteren Transversum, Descendens und Rectum um. Und all diese
Segmente erfüllt wirbetsäulenwärts das Mesenterium commune uno
continuo, eine von der Wirbelsäule ausgehende, Aortengekröse ge¬
nannte Duplikatur des Bauchfelies, welche nur begrifflich in Meso- |
gastrium, Mesoduodenum, Gekröse der Nabelschleife und JVleso-
rectum sich scheiden lässt Den zwischen Ende des Duodenum und
Urflexur sich ausspannenden, durch die Mesenterica etwa halbierten
Teil dieses Meso färbe man als Faden zum Duodenum hin rot zur
Urflexur hin schwarz und merke, dass schon im Entstehen der sagit-
talen Krümmungen Duodenum und Urflexur auch seitlich abweichen.
Infolgedessen erscheint das Duodenum mit seinem Meso rechts¬
gekehrt, ohne jedoch die hintere Leibeswand zu erreichen; hingegen
die Urflexur mit dem Kolorectum, in Erinnerung an Zustände niedrig¬
ster Säuger, von allem Anfang an links, milzwärts von der Wirbelsäule.
Alsbald wandert aber auch die Urflexur nach rechts hinüber und
gelangt dabei auf die ventrale Fläche des Mesoduodenum, um mit ihr
als Flexura colico-duodenalis (KJaatsch) ligamentös sich zu ver¬
binden. Dabei muss das Mesenterium commune zwischen Duodenum
und Urflexur, die primäre Radix (Klaatsch), unser gefärbter
Faden, im Sinne der Urflexur, entgegengesetzt also dem Urzeiger,
so sich drehen, dass der schwarz gefärbte Teil ventralwärts vor
dem roten zu liegen kommt Durch diese Bewegungen wird nicht
nur die Uebergangsstelle des Duodenum zum Jejunum verdeckt, son¬
dern zwischen Duodenumende und Kolorectum ein Recessus gebildet
welchen leberwärts und zum Rectum hin abziehende Falten des
Bauchfells efinschneiden, kopfwärts aber die primäre Radix be¬
deckt. Das ist der Recessus recto-duodenahs Klaatsch, die spätere
Fossa duodeno-jejunalis. Der gleichsinnigen Drehung des Duodenum
und der Urflexur wegen wird diese Grube zunächst rechts von der
Wirbelsäule zu suchen sein. Später, während das Kolon leberwärts
von der Flexura colico-duodenalis nach rechts, die Flexura d.-j.
nach links hinüberreichen, wird zusammen mit letzterer die Grube
die Wirbelsäule überkreuzen und dann sich links von dieser ein¬
stellen müssen, wobei links von der Fl. colico-duodenalis aus dem
bogigen Kolorectum das Trans versum ebenfalls nach links hinüber
mit einem Meso sich entwickelt, (welches in einer Flucht mit der
primären Radix liegt, also zum Dach der F. d.-j. ebenfalls beiträgt.
Es hängt also ganz von der Zeit ab, ob die Fossa
d.-j. leberwärts von der Wirbelsäule, auf dieser
oder milzwärts von ihrangetroffen wird und über¬
all hier ist die Flexura d.-j. mit der Grube aufs engste
verbunden.
Nun steht zweierlei fest. Erstens, dass der (menschliche
Darm im Bilde der Nabelschleife jenem der Ursäuger, bei
langewundenem Caecum-ascendens jenem gewisser Rep¬
tilien, nach seiner Ueberkreuzung und Befestigung ans Duo¬
denum zunächst jenem der Beutler und Nager, später, wenn
Bindungen auch an die Magenkurve eingeleitet werden, jenem
der Prosimier gleicht. Zweitens aber dass, genau wie beim
Zwerchfell, diese Entwicklungsphasen auch auf das spätere
Leben übernommen weiden können, ohne letzteres zu gefähr¬
den oder in seinen Aeusserungen zu beeinträphtigen. Kann
sich aber der Darm des Ausgewachsenen dauernd im Bilde
vergleichsweise niedriger tierischer Familien halten, so wird
diesem unsere dem Darm anhängende Grube ebenfalls nach-
kommen müssen; auch beim Erwachsenen muss es, je nach
seinem Vorbilde, die bald rechts, 'bald auf der Wiirbelsäule,
bald links von ihr haltende Fossa d.-j. geben; sie wird hier
nicht auf einen unverrückbaren Punkt angewiesen sein, son¬
dern, wie bei den einzelnen Arten der in Vergleich kommen¬
den Sippe, «in messbarer Breite sich bewegen können.
Bis auf Klaatsch ist all dieses übersehen und infolge¬
dessen die Grube, wenn sie an anderer als legitimer Stelle
sich zeigte, eigens benannt, ein Verfahren geübt worden, wel¬
ches die grösste Verwirrung zeitigte. Dieser entgehen wir nur,
wenn wirdie eng an dieFlexura d.-j. gebundene
und letztere als frühes Erbstück regelmässig
begleitende Grube ohne Rücksicht auf den
Ort als Ein «heit auffassen, also auch einheit¬
lich benennen.
Doch hat man noch weiteres nicht voll gewürdigt.
Wie in der Wagrechten schwankt nämlich das Duodenum
auch in der Lotrechten. Vgl. e S. 150, wo als seine äussersten,
allerdings selten begangenen Grenzen der Brustkorb (im Fall
der Zwerchfelldefekte) und, im anderen Extrem, der Processus
vaginalis, als mittlere Lage jene auf dem 2. und 3. Lenden¬
wirbel, unter Umständen auch auf Teilen des 1. und 4. Lenden¬
wirbels, nachgewiesen werden. Selbstredend folgt die Grube
dem Darm ohne Ausnahme.
Die Fossa d.-j. ist aber auch, beim Menschen wie beim
Tier, verschieden gross (e S. 61); bald nur ein winziger
Schlitz, bald erbsengross, bald mittleren, bald so erheblichen
| Umfanges, dass sie, gewissemiassen als zweiter Innenraum,
ausschliesslich der Drüsen und des Dickdarms, den ganzen
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Gck igle
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18 JO
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Bauchfellsack ausfüllt. Das Verwirrendste sind dann Gruben
und Taschen in der Nähe der Fossa d.-j.; namentlich aus¬
wärts von der Vena mesenterica inferior und ausser Zu¬
sammenhang mit der d.-j.-Flexur. Diese haben ich und die
älteren Autoren bis Jonnesco hinunter, letzterer in seinem
schönen Buch über die inneren Hernien, mit der duodeno-
jejunalen Grube ausnahmslos zusammengeworfen. Doch
konnte ich den Irrtum noch während des Druckes von e. auf
S. 258 richtig stellen und dort vorschlagen, alles nur der Nach¬
barschaft, nicht der Flexur selbst angehörigc parakolisch zu
nennen. Solche parakolische Aussackungen traf ich in ver¬
schiedener Grösse und Gestalt auch rechts; zu dreien über¬
einander zeigen sie Fig. 52 und 53 e S. 183. Und sind diese
Aussackungen der hinteren Leibeswand zwischen Kolon und
Wirbelsäule, so gibt es ähnliche auch auswärts vom Dick¬
darm, wenigstens vom Ascendens, wo ich bis zu 12, über- und
nebeneinander, an einer Leiche gezählt habe ‘).
Enthält nun die Grube Dann, so spricht man von der
Hernia duodeno-jejunalis. Jedesmal ist es der Dünndarm,
welcher die Tasche füllt. Bald mit einer, bald mit allen seinen
Schlingen. Liegt die Grube links, wie gewöhnlich, so steckt
in ihr nur diese und jene Schlinge, viel oder der ganze Dünn¬
darm hingegen im Fall der medianen oder rechtsseitigen Ein¬
ordnung. Je niedriger also der Zustand ist. welcher wieder¬
holt wird, um so inniger gestalten sich die Beziehungen zwi¬
schen Darm und Grube. Dieses Verhältnis wurde bisher gänz¬
lich übersehen und nur selten unternahm man es, der durch
die Darmeinlagerung bedingten Komplikation auf den Grund
zu kommen. Geschah cs, so rechnete man auch hier nur mit
der Macht der Bauchpresse und des Darminhaltes. Selbst
die Muttermilch sollte, noch während sie das Duodenum
passiert, am Werke sein. Man klammert sich also an physi¬
kalisch Unmögliches, an Velleitäten, welche die eine Frage
a/btut, warum, wäre es so, nicht ieder Mensch so bruchkrank
ist, da doch jeder, bei durchschnittlich leerer Grube. Milch
bekam und alsbald substantiell ernährt wurde. Und der
Bauchpressc oder gar der wachsenden Leber w ird Aelmliches
wie dem Kameel vor dem Nadelöhr der Wüstenherberge zu¬
gemutet — der Anfang des Jejunum ist, gleichgültig ob er
eine Windung oder einige Schlingen darstellt, durchschnittlich
der dickwandigste und umfänglichste Teil des Dünndarms,
die Grube durchschnittlich sehr klein, flach und dazu von
Falten eingefasst, w eiche sich der hinteren Bauch wand eng an¬
schmiegen. Jejunum und Leber dürften also die Tasche höch¬
stens fester verschliessen, als es ohnehin der Fall ist.
Versagt aber auch hier jeder Mechanismus des späteren
Lebens, so bleibt nichts übrig, als auf ein und dieselbe ent¬
wicklungsgeschichtliche Notwendigkeit zurückzugreifen, ob
die Grube leer oder ob sie mit Darm erfüllt ist. Ohne schei¬
den zu dürfen, sehen wir in beiden Modifikationen nur ein
und dasselbe Prinzip, keinerlei Aussenwirkungen, sondern
Motive, welche im Darm und seinem Bauchfell selbst liegen,
wie Arteigentümlichkeiten im Fall der Leere und Füllung, so
auch Arteigentümlichkeiten, je nachdem die Grube rechts oder
in der Leibesrnitte oder links hält; Artenfremdes also sowohl,
wenn die Grube bei einer Familie, für welche wie beim Men¬
schen die Leere den Durchschnitt vorstellt, mit dem Darm
besetzt erscheint und umgekehrt, w enn sie in Familien, welche
darmerfüllte laschen auszeichnen, leer bleibt. Nicht spät im
Leben, sondern wenn sie anschiesst, im Verlauf also der Phase
der Nabelschleife, geht auch der Darm in die Grube ein. Und
erinnert man sich des Drahtes, dessen, dass der Diinudarm-
schenkcl der Nabelschleifc rechts im Bauche, unmittelbar vor
dem Rezessus zu suchen ist, und ist in dieser Zeit der Eingang
zum Rezessus vergleichsweise weit, letzter selbst flach, so
bereitet nicht die Kopulation, sondern nur die Antwort auf die
*) Es ist auffällig, dass gerade auswärts vom Ascendens das
parietale Peritoneum, nach K 1 a a t s c li das I.ig. hepatn-eavo-dtio-
denale, so häufig seitenständig sich faltet und dadurch Taschen er¬
zeugt. Die halte desselben Bandes von der Mmterseite des Caecum
zur Darmschaufel hinunter setzt sich nicht selten bis in den Leisten¬
selbst Schenkelkanal hinein fort und ist wohl dasselbe wie die
1 reitzsche Pliea genito-enterica. Von letzterer handeln Engel,
/ u c k e r k u n d 1 und Sachs ebenfalls.
Frage Schwierigkeiten, warum nicht jedesmal und dann, wenn
er sich zu schlängeln anfängt, Darm in die Grube emtritt.
Dieses verhindern auf die l auer, meiner Meinung nach, mir
die in die einzelne Spezies gelegten besonderen, augenblick¬
lich ganz unbekannten Motive.
Freilich kann ich in dieser Reihe ein Glied als tatsächliches
nicht nachw eisen, tierische Familien nicht nennen, deren Grube
den Darm regelmässig einschliesst. Das ist ein l'ebelstan 1.
aber kein Uehelstand, der diese Auffassung aus der Well Schafft.
Er besagt, dass die vergleichende Anatomie für klinische Fra-
Ken bisher nur innerhalb bescheidener Grenzen interessiert
werden konnte. Auf diese Frage ist sic von nun an fort und
fort zu verweisen, sintemal aus der gemeinschaftlichen Arbeit
nicht nur neue Aufgaben für die Theorie sich ergeben, sondern
auch die Komplexe sich werden eins Jiranken lassen, deren
Existenz wir zu behaupten gezwungen sind, ohne dass wir
sie gesellen und materiell sichergestellt hatten. Doch ist es
eingestandenermassen Vorzug gerade der Vergleichung, in
dieser Weise indirekt, in der Art der Antizipation schhosen
und den Dingen beikonunen zu dürfen, wie z. B. die Er¬
fahrungen über die (iastrula. die Milchleisten und mm auch d..s
Zwerchfell es dargetan haben.
Im Punkte der dimdrno-jeiimalen Hernie stützen meine
Auffassung dann noch folgende Erfahrungen. Bei der kleinen
linken Variante ist der Pickdarm im BilJe jenes der Anthru-
piden, also so gesehen worden, wie er midi den Lehr¬
büchern • jedesmal aussehen soll. Bei den grossen und sehr
grossen Brüchen aber iibcrhrückt den Sack wiederum der erst
zw eischenklige Dickdarm, gebunden an die Flexura colicn-
duodcnalis, mit reichen Windungen, Divertikeln, Nct/lipomcii
u. a., namentlich in seinem aufsteigenden Teile. Es sind Bil¬
der, welche fortan auch der überzeugteste Entemptotiker als
abhängig von Druck, Zerrung und ähnlichem nicht wird
nehmen dürfen. Zum zweiten ist hier eine eigentliche Inkarce-
ration so wenig sichergestellt worden, dass ich sie habe be¬
streiten können*). Trotzdem ist die Eingangspforte sehr eng
und umklammert mit dem Anfänge des Je um um das Ende des
Ileum, vor der H a u li i n i sehen Klappe, gleich dem sehne -
denden Ring. Auch dieses weist zusammen mit der Tatsache,
dass der Darm dieses Bruches überhaupt nur ausnahmswe.se
erkrankt, eher auf angeborene als auf erworbene, pathologische
Einrichtungen hin beide Teile mussten sich trotz ihres Miss¬
verhältnisses von allem Anfang an ineinander schicken. Des¬
halb erscheinen sie bei Neugeborenen und totui Fruchten im
selben Ausmass wie bei alten Leuten, gleichgültig oh diese
einer Darm- oder anderen Krankheit erlagen.
Ich vermag nicht an/ugeben, wie oft die Hernia d.-i. zu er¬
warten ist und in welchem Verhältnis >:e zur parakulischcn
Hernie steht. Denn die meisten von einigen 7n Berichten,
welche ich durchgesehcn habe, lassen sich über die Fixpunkte
der beiderseitigen Bruchpforte nicht genau genug aus. wie
diese einerseits zur Elexura d.-j. imd andererseits zum Haupt¬
ast der V. mesenterica, ienem sich \ erhalt, welcher einwärts
vom Stamm der Vene der W irbeLa ilc im Pa »gen zustrebt.
Darf ich aber abschätzen, so wäre die Hernia d.-j. sens. strict.
ein sehr seltenes Ereignis, 8 bis höchstens 12 mal in ieveti
HH) Fällen zu erwarten, da die hintere und seitliche Lcibcs-
wand darmerfiillte PauchfeMtascheii a:m/eichrien. Wie ich
sagte, liegt diese Variante links; sie ist klein oder sehr klein,
im Extrem umfänglich höchstens wie d;c Madcher.faust und
umschliesst, je nachdem, eine oder mehrere, niemals alle Duun-
darmw indungen. l'ncntsclrcdcn will ich lassen, ob derartige
Eormatc möglich sind, wenn die Grube mit der zugehörigen
Parmflexur rechts oder auf der Wirbelsäule halt, wenn also
der Aufriss des Darmes niedrig ist. Dieser P;sp<. m';< m ent¬
sprechen eher grosse und sehr grosse Grübelt und daher die
grosse oder sehr grosse, selbst den Baud] i\. lende, immer
J ) Als Einklemmung im Same des Panr.\e• ''i-ss.-s \\ »j-Je bei
den inneren Zw ei chiV'hei n.i n imd dem s g t j». | e :s zecher-
weise eine hämorrhagische lute'n s gen- um in; dema P.r.is.tcn ich
wenigstens nicht kenne. D e L sdei /<„ dwn tr’v'tn en dann
der „Bruchent/iiiKlung“ oder ..chnm.s J ui I ise* irud'. w .e die
Praktiker sagen, nur in f .n/e Ut teil. • e” , \ d.r a teil v gen.
elastischen t nk’en meng. L'-'i. b u e.
Digitized by LcOi »öle
Original fram
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1831
aber eng an die Flexur anschliessende Hernie mit ebenfalls
enger Eingangspforte und mit dem erst zweischenkligen Dick¬
darm, Bilder also, welche wir in der Ahnenreihe erst
abwärts von den Prosimiern vermuten dürfen. (Ab¬
bildungen e S. 62—68.) Bisher wurden diese grossen
Varianten etwa ebenso häufig wie die kleine linke
gesehen. Endlich scheinen die parakolischen Brüche immer
gross zu sein und mit ihrer übrigens sehr verschieden ge¬
stalteten Eingangspforte vorwiegend der linken Hälfte des
Bauches anzugehören. Für diese charakteristisch ist dann noch
die Lage ausserhalb des Hauptastes der V. mesenterica,
zwischen diesem und der Stammvene, oder selbst auswärts
von letzterer usw. Immer in mehr oder weniger grossem
Abstand von der Flexura d.-j., wie es an den rechtsseitigen
Exemplaren besonders in die Augen springt. Letztere hat jüngst,
in erfreulicher Übereinstimmung mit meinen Abbildungen
e S. 183—184, Fig. 52 und 53, Martens Mitt. a. d. Grenzge¬
bieten der M. u. Ch. III, Supplem. 1907 sichergestellt. Ebenso
schied vor kurzem, wahrscheinlich ohne meine Arbeiten
zu kennen, auch V a u t r i n Rev. d. Chirurg. XXVII No. 1
zwischen rechts- und linksseitigen paraduodenalen Brüchen.
Die parakolischen rechten und linken gehören zu den
häufigsten, die duodeno-jejunalen also zu den selteneren Darm
einschliessenden Bauchfelltaschen. Rücksiohts ihrer Häufig¬
keit nähern sich also die duodeno-jejunalen dem bisher von mir
nicht gewürdigten Reste innerer Eingeweidebrüche, der H.
foraminis Winslowiii (besser Bursae omentalis), den peri¬
caecalen und intersigmoidealen Hernien. Diese letzteren
müssen in genetischer Richtung der duodeno-jejunalen und
parakolischen Variante durchaus gleich bewertet werden, ob¬
schon zuzugeben ist, dass die H. Bursae und periaecalis, an
regelmässig vorhandene, die intersigmoidea aber an nur
seltene Taschen anknüpften. Ich charakterisiere sie des ge¬
naueren nicht, verweise vielmehr auf e S. 55 und 258 und auf
Jonnesco H. internes retro-pöritoneales, Paris 1890, dessen
Darstellung bis heute nicht überboten worden ist. Denn kasu¬
istische Mitteilungen neuerer Zeit haben eigentlich nur die Art
der Danmeinlagerung gelegentlich der H. bursae etwas besser
kennen gelehrt, sonst unentschieden lassen müssen, ob in
diesem Falle die Bursa omentalis mit ihren zwei Abteilungen
oder aber die Bursa hepato-enterica im Sinne K1 a a t s c h’,
Morph. Jahrb. XVIII, S. 395 ff. nachgeahmt wurde. Von Fort¬
schritten in Sachen der H. pericaecalis und intersigmoidea aber
weiss ich nicht zu berichten. Neue Varianten der inneren Hernien
wären die parakolischen rechten und linken, innen und selbst
aussen vom Dickdarm möglichen.
Ich also vermag in allen inneren Hernien den Ausdruck
nur typischer, während der embryonalen Periode eingeleiteter
Beziehungen zwischen Darm und Bauchfell zu erkennen, von
vornherein intendierte Wachstumserscheinungen und Ausge¬
staltungen zu erblicken, welche auf tierische Muster hinweisen,
keinesfalls Folge der Bauchpresse, des Darminhaltes, des
Trauma oder gar der Infektion sind.
Aus der Hautabteilung der Städt. Krankenanstalt Altstadt in
Magdeburg (Oberarzt Dr. Schreiber).
Die Kromayersche Quecksilber-Inhalationskur bei
Syphilis.
Von Dr. Paul Bendig, Assistent der Abteilung.
Nachdem durch die experimentellen Untersuchungen von
Juliusberg 1 ) der Beweis erbracht war, dass bei der anti¬
luetischen Schmierkur die Quecksilberinkorporation im wesent¬
lichen durch Einatmung der entstehenden Quecksilberdämpfe
geschieht, sind wiederholt neue Methoden der Quecksilber¬
inhalation angegeben. So hat Thalmann*) eine neue Dis¬
pensierung des Quecksilbers eingeführt, indem er, statt wie
*) Juliusberg: Experiment und Untersuchungen über die
Quecksilberresorption beim Schmieren. Archiv für Dermatologie und
Syphilis 1901.
s ) Thal mann: Die Syphilis und ihre Behandlung im Lichte
neuer Forschungen. Dresden 1906, pag. 27.
Welairder 3 ) grössere Hautflächen mit Quecksilbersalbe zu
bestreichen-, kleinere Mengen davon einfach in die Nase strich.
Ferner hat C r o n q u i s t *) die Quecksilberschnupfungskur
eingeführt. Er liess die Patienten Hydrargyrum cum creta
schnupfen. Abgesehen davon, dass es bei dieser Methode
ausserordentlich leicht zu Nasenbluten kommt, sowie Schmer¬
zen in der Nase, da das Hydrargyrum cum creta, wie Cron-
q u i s t selbst zugibt, die Nasenschleimhaut reizt, ist dieselbe
auch nur bei Patienten anwendbar, die immer, auch während
des Schlafes, ausschliesslich durch die Nase atmen; ein Nach¬
teil, den sie mit der T h a 1 m a n n sehen Methode gemein¬
sam hat.
Dieser Uebelstand ist beseitigt bei der neuesten Queck¬
silberinhalationskur, wie sie von Kromayer 6 ) angegeben
ist. Das Prinzip besteht in der Inhalation von feinstem Queck¬
silber mittels einer Maske. Diese Maske besteht aus einem
biegsamen Drahtgestell und ist von einer doppelten Lage Mull
überzogen, der genau 8 g regulinisches Quecksilber impräg¬
niert enthält. Sie wird des Nachts oder auch am Tage über
Nase und Mund durch zwei an den Maskenrand befestigte
Bänder fixiert, die oberhalb der Ohren nach dem Hinterkopf
geführt, dort gekreuzt und vorne über der Stirn zusammen¬
gebunden werden, und gibt an die Atmungsluft das für die
Syphilisbehandlung notwendige Quecksilber ab. Vermöge
ihrer Biegsamkeit passt sie sich den Formen der Nase und des
Kinnes bequem an. Nach Kromayer reicht eine solche
Maske für die Dauer von 10 Tagen aus: Und zwar wird jede
Maske 5 Tage in einer Lage und 5 Tage in der entgegen¬
gesetzten Lage getragen, damit auch die oberen Teile der
Maske über dem Nasenrücken zur Verwertung gelangen.
Die durchweg zufriedenstellenden Erfolge Kromayers
mit dieser Maske gaben die Veranlassung, diese Art der Queck¬
silberinkorporation auch im hiesigen Krankenhause versuchs¬
weise einzuführen.
Es sind bisher 20 Patienten damit behandelt worden. In
allen Fällen handelte es sich um ausgesprochene Sekundär¬
erscheinungen: Zahlreiche, zum Teil konfluierende Condylo-
inata lata an den Genitalien, universelles Exanthema maculo-
papulosum und Angina luetica.
De‘r klinische Verlauf bei Anwendung dieser Inhalations¬
kur ist wohl am besten durch Einsicht in eine Krankengeschichte
zu erkennen.
H. S., Dienstmädchen, 21 Jahre, aufgenommen wegen Lues II.
29. IV. 08 Status praesens: Breite, z. T. nässende Kon¬
dylome an der Vulva, grosses makulöses Exanthem, starke Angina
specifica. Beide Labia majora ausserdem hochgerötet und ödematös.
Da Patientin sich im übrigen wohl befand, sofortiges Einleiten
einer Maskenkur. Keine Lokalbehandlung.
2. V. 08. Entzündung und Oedem zurückgegangen.
5. V. 08. Kondylome sind trocken, flacher, Exanthem fast ver¬
schwunden, Tonsillen nur noch leicht gerötet.
15. V. 08. ’ Kondylome nur noch als leicht gerötete Stellen er¬
kenntlich, Exanthem ziemlich abgeblasst.
18. V. 08. Kondylome verschwunden, desgleichen das Exanthem.
An den Tonsillen nichts pathologisches mehr sichtbar.
Aehnlich war der Verlauf in den anderen Fällen: Schon
nach zwei- bis dreimaliger Anwendung der Maske — dieselbe
wurde nur nachts getragen — waren die Entzündungserschei¬
nungen an den Genitalien zurückgegangen. Die Kondylome
nässten nicht mehr. Im weiteren Verlaufe wurden die Kon¬
dylome immer flacher und waren gewöhnlich am 16.—20. Tage
nur noch als leicht gerötete Stellen im Niveau der übrigen
Haut sichtbar. Hierbei sei ausdrücklich bemerkt, dass, um
den wirklichen Effekt der Inhalation allein beobachten zu
können, jede Lokalbehandlung der Kondylome mit irgend
welchen Hydrargyrumpräparaten oder sonstigen Mitteln voll¬
ständig unterblieb.
Der Rückgang des Exanthems war verschieden. In den
meisten Fällen war dasselbe bereits nach 5—6 Tagen spurlos
verschwunden, in anderen Fällen blieb es 2 —3 Wochen be-
8 ) Welander: Ueber die Behandlung von Syphilis mittelst
Ueberstreichens — nicht Einreibens — von Quecksilbersalbe. Archiv
für Dermatologie 1893.
4 ) Cronquist: Eine Quecksilberschnupfungskur. Archiv für
Dermatologie 1907, Bd. 86.
“) Kromayer: Ueber eine neue Quecksilberinhalationskur bei
Syphilis. Berliner klinische Wochenschrift 1908, No. 8.
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1832
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
stehen, um dann einer Pigmentierung Platz zu machen. In
einem Falle wurde es, wie es ja oft genug auch bei den anderen
Quecksilberapplikationen vorkommt, zunächst noch intensiver,
bildete sich dann aber im weiteren Verlaufe der Inhalations¬
kur allmählich zurück.
Am schnellsten verschwand die Angina luetica. Am 4. Be¬
handlungstage war davon gewöhnlich nichts mehr zu sehen.
Eine sehr schwere Angina mit dicken schmierigen Belegen
auf den geschwollenen Tonsillen heilte in 8 Tagen vollständig
ab. Diese schnelle Abheilung der Angina dürfte vielleicht auch
mit darin ihren Qrund haben, dass bei der Inhalation durch
die Atmungsluft feinste Quecksilberpartikelchen direkt auf die
Tonsillen gebracht werden und dort lokal antiluetisch wirken.
In einem Falle handelte es sich um eine luetische Psoriasis. Der
ganze Körper sowie die Extremitäten, namentlich die Beine waren
mit psoriatischen Borken bedeckt. Ferner bestand Psoriasis der
Handflächen und Fussohlen, sowie Psoriasis der äusseren Gehörgänge.
Ausserdem hatte Pat. nässende Papeln an den Genitalien. Schon nach
wenigen Tagen der Inhalationskur war ein deutliches Zurückgehen
der Psoriasis wahrzunehmen und am 9. Tage waren bereits zahl¬
reiche Borken, besonders am Rumpfe, abgetallen.
Ferner wurde eine Rupia specif. der Maskenbehandlung unter¬
zogen. Es befanden sich mehrere bis bohnengrosse Rupiastellen am
Oberkörper sowie zwei grössere, etwa 2 markstückgrosse Stellen im
Nacken an der Haargrenze. Am 14. Tage der Inhalationskur waren
am Körper nur noch gerötete Stellen, und auch die Borken im Nacken
begannen abzufallen. Nach weiteren 14 Tagen waren auch diese
versclnvunden.
Bei einem Falle bestanden neben den gewöhnlichen luetischen
Erscheinungen, Oedem der Labien, breiten Kondylomen und papulo-
niakulösem Exanthem ausserdem noch zahlreiche Papeln auf dem
Zungenrücken. Auch diese gingen innerhalb weniger Wochen gänz¬
lich zurück.
Unter diesen 20 Fällen trat nur ein einziges Mal, und
zwar schon am dritten Tage der Maskenbehandlung, eine
ziemlich heftige Stomatitis mercurialis auf, die nach Weglassen
der Maske und Lokalbehandlung mit Chromsäure sehr bald
schwand, so dass die Patientin nach 6 Tagen die Inhalations-
Kur fortsetzen konnte.
Im übrigen haben jedoch die Patienten niemals über
Schmerzen von seiten des Mundes geklagt. Klagen über
leichten Druck im Kopf und Schwindel des Morgens, sowie
über unruhigen Schlaf, die nach Kromayer gelegentlich
in den ersten Tagen der Maskenbehandlung vorgekommen
seien, habe ich in meinen Fällen niemals konstatieren können.
War somit der klinische Erfolg durchaus zufriedenstellend,
denn alle Erscheinungen gingen mindestens in der gleichen Zeit
zurück, wie bei der Schmierkur, trotzdem keine Lokalbehand¬
lung mit Kalomel stattfand, so kam es jetzt darauf an, nach¬
zuprüfen, wie viel Quecksilber bei der Inhalationskur dem
Körper einverleibt wurde, resp. wie viel Quecksilber durch
den Urin ausgeschieden wurde, da ja nach W i n t e r n i t z
bei einer jeden Quecksilberkur die Elimination des Metalles
durch die Nieren der eingeführten Menge bis zu einem ge¬
wissen Grade proportional verläuft. Leider habe ich nicht
tägliche Untersuchungen, wie cs wohl wünschenswert wäre,
sondern nur einzelne machen können. Ich bediente mich
dabei der von Höhne 6 ) angegebenen quantitativen Queck¬
silberbestimmung. Die gefundenen Werte sind aus nachfolgen¬
der Tabelle ersichtlich:
(Siehe nebenstehende Tabelle.)
Ich fand demnach am 6. Behandlungstage in der Tages¬
menge von 1100 ccm Urin 1,75 mg Quecksilber, am 12. Tage
in 1500 ccm Urin 3,24 mg Hg, atu 18. Tage in 1400 ccm Urin
4 mg Hg, am 22. Tage in 1400 ccm Urin 3,04 mg Hg, am
30. Tage in 1050 ccm Urin 4,08 mg Hg und am 30. Tage in
1500 ccm Urin 4,82 mg Quecksilber. Es findet also ein all¬
mähliches Steigen der ausgeschiedenen Quecksilbermenge statt.
Aber noch in anderer Hinsicht ist die Tabelle bemerkens¬
wert;'man ersieht nämlich daraus ein allmähliches Zunehmen
der täglichen Urinmenge. Schon Biirgi 7 ) hatte gefunden,
dass die Urinmenge infolge der diuretischen Wirkung des
Quecksilbers bei der Schmierkur fast durchweg von Woche
°) Fritz Höhne: Zur Behandlung der Syphilis mit Mergal.
Arch. f. Heimat. u. Sypli., 1907. Bd. *7.
‘) Biirgi: Grosse und Verlauf der Quecksilberausscheidung
durch die Nieren bei den verschiedenen üblichen Kuren. Archiv für
Perinatologie 19U(», Bd. 79.
zu Woche zugemunmen hatte, dagegen hei dein interne:; Ge¬
brauch des Quecksilheis das Verhalten des l'ruts mJit ein
deutig war. Ein Blick auf die Tabelle zeigt znn.aJist. dass die
durchschnittliche Tagesuiciige vnn der ersten Dekade zur
zweiten steigt, um auch in den folgenden Dekaden auf d.eser
Höhe zu bleiben. Dann aber findet sich noch innerhalb jeder
Dekade ein Urinmaximum, und zwar vom o. s. läge. B.s
dahin steigt die Menge allmählich, vom 8. Tage ab sinkt sie
immer wieder ziemlich bedeutend. Lh habe daher n<>Ji bei
drei anderen Patienten, die ebenfalls eine QueAsdhermha-
lationskur durchmachten, die taghellen l'ru.mengen gemessen
und folgende W erte geiunden:
II.
Zunahme der durchs JimttHJicii 'I agc smen^e des Urins von
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDiZiNiSCHE WOCHENSCHRIFT.___[833
der ersten zur zweiten Dekade statt und weiter zur dritten und
vierten Dekade, genau so, wie sie B ü r g i bei der Schmierkur
beobachtet hatte. Ferner besteht auch bei diesen drei Fällen
innerhalb jeder Dekade ein Maximum am 6.—8. Tage. Zieht
inan aus diesem Ansteigen und Fallen der Diurese innerhalb
einer Dekade einen Rückschluss auf die Quecksilberaufnahme
durch dem Körper, so dürfte vom achten Tage an die Maske
nicht mehr in vollem Masse genügen. ' Es wäre daher wün¬
schenswert, jede Maske nur 8 Tage tragen zu lassen.
Wie lange nun eine solche Inhalationskur dauern soll,
darüber müssen erst noch weitere Beobachtungen auf Rezidiv¬
erscheinungen angestellt werden, ferner weitere Quecksilber¬
bestimmungen stattfinden, und zwar nicht nur im Urin, son¬
dern auch in den Fäzes. Soll doch nach K r o n f e I d und
Stein die Qfuecksilberausscheidung durch dem Darm der
durch die Nieren nicht nachstehen. Allerdings habe ich 8 ) in
einem Falle von Syphilis, der im Verlaufe einer Schmierkur
— Pat. hatte 115 g Unguent. cinereum verrieben — ganz
plötzlich infolge akuter gelber Leberatrophie ad exitum und
zur Autopsie kam, im Dünndarminhalt kein Quecksilber ge¬
funden. Nur der Blaseninhalt enthielt Spuren von Quecksilber.
Das Idealste wäre es freilich, wenn man die so bequeme
Inhalationskur ohne Schaden für den menschlichem Organismus
so lange fortsetzen könnte, bis der Ausfall der Wasser¬
mann sehen Serumuntersuchung negativ wäre.
Vorläufig sprechen die klinischen Beobachtungen dafür,
die Inhalationskur auf dieselbe Zeit wie die Schmierkur aus¬
zudehnen, also auf zirka 40 Tage. Die Patienten werden gern
die Kur solange fortsetzen, da dieselbe mit keinerlei Unan¬
nehmlichkeiten verbunden ist. Aus diesem Grunde werden die
Patienten sich auch viel eher zu einer intermittierenden Kur
entschliessen, auch wenn keine neuen Erscheinungen vor¬
handen sind.
In der Privatpraxis dürfte sie daher bald den anderen
Kuren Konkurrenz machen. Denn vor der bisher wohl noch
immer an erster Stelle stehenden Schmierkur hat sie den Vor¬
zug der Sauberkeit und Bequemlichkeit. Oft genug dürfte
auch die Schmierkur wegen mancher Erscheinungen, wie
Rupia, Psoriasis spez. sowie besonders allgemeiner Körper-
schwache nicht ausführbar sein.
Gegenüber der ohnehin sehr ungenauen internen Queck¬
silbermethode besteht ihr Vorteil darin, dass sie in keiner
Weise Magendarmstörungen verursacht. Und der bisweilen
sehr schmerzhaften Injektionskur, klagen die Patienten doch
oft genqg über heftige Schmerzen an der Injektionsstelle in den
ersten 24 Stunden nach der jedesmaligen Injektion, ist sie vor
allen Dingen wegen der event. Vergiftungsgefahr überlegen,
weil die geringste Quecksilberintoxikation sofort durch Weg¬
lassen der Maske inhibiert werden kann .
Auf einen Punkt möchte ich nicht verfehlen hinzuweisen:
Die Apotheken müssen gehalten sein, nur auf ärztliche An¬
ordnung hin diese von P. Beiersdorf, 'Hamburg ange¬
fertigten Inhalationsmasken abzugeben, und zwar nicht allein
die erste Maske, sondern auch jede weitere Maske soll vom
Arzt angeordnet sein, so dass also die Patienten gezwungen
sind, wenn nicht öfter, so doch jeden 8. Tag sich der ärztlichen
Kontrolle zu unterziehen. Nur so lässt sich eine gewissen¬
hafte Kur durchführen.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Oberarzt Dr.
S c h r e i b e r für die Anregung zu dieser Arbeit meinen Dank
zu sagen.
Aus dem hygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br.
Ein Dysenteriebazillenträger.
Von Privatdozent Dr. med; E. Küster, Assistent am Unter¬
suchungsamt des Instituts.
Bei der immer grösseren Bedeutung, welche auf Grund
ätiologischer Studien die Bazillenträger für die Entstehung von
Krankheiten gewinnen, dürfte jeder Beitrag zur Frage des
Vorkommens pathogener Bakterien im Organismus des ge-
8 ) B endig: Ein weiterer Beitrag zu dem Artikel: Akute gelbe
Leberatrophie bei Syphilis. Berl. klin. Wochenschr., 1908, No. 26 .
No. 35
sunden Menschen im Interesse prophylaktischer Massregeln
erwünscht sein.
Bei einer Reihe von Infektionskrankheiten (Diphtherie,
Typhus, Zerebrospinalmeningitis, Tetanus u. a.) ist heute das
Vorkommen von gesunden Bazillenträgern zweifellos fest¬
gestellt. Bei anderen, z. B. der Dysenterie, ist es nach An¬
sicht verschiedener Autoren zwar sehr wahrscheinlich, doch '
stehen bestimmte Untersuchungsresultate bisher noch aus. Ich
hatte im Laufe des letzten Jahres Gelegenheit, einen Dys¬
enteriebazillenträger zu beobachten und teile das Ergebnis
meiner Untersuchungen hier mit.
Ein Mitkämpfer in dem Feldzug gegen die Hereros in Süd¬
westafrika wurde wegen eines Herzleidens als Invalide ent¬
lassen' und an dem bakteriologischen Untersuchungsamt des
hygienischen Instiuts als Laboratoriumsdiener angestellt. Der
betreffende A. M. machte bei seiner Anstellung und während
der Zeit seiner Beschäftigung einen durchaus gesunden und
leistungsfähigen Eindruck; lediglich der Umstand, dass er von
einer in Südafrika überstandenen Ruhrerkrankung erzählte und
auf Befragen angab, dass er auch jetzt noch zuweilen dünn¬
breiige, schleimige Darmentleerungen habe, veranlasste uns,
bei ihm bakteriologische Stuhluntersuchungen vorzunehmen.
A. M. wurde angewiesen, sobald er wieder verdächtige Stuhl-
entleerungen habe, jeweils seine Fäzes zur bakteriologischen
Untersuchung zu bringen. Dies geschah im Laufe des letzten
Jahres 5 mal.
Die Entleerungen dünnflüssiger Stühle, welche ohne be¬
sondere Krankheitssymptome erfolgte und die bei Fehlen
anamnestischer Angaben sicherlich auf zufällige harmlose
Darmkatarrhe zurückgeführt worden wären, hielt immer nur
kurze Zeit (etwa einen Tag) an, so dass bei jeder Attacke
mit Rücksicht auf die Dauer, welche eine Fäzesuntersuchung
beanspruchte, immer nur einmal ümersucht werden konnte.
Die beigebrachten Dejektionen waren dünnflüssig, missfarbig,
sehr übelriechend und enthielten reichlich Schleim, zuweilen
Spuren'von Blut. Es wurde nach dem Drigalskiverfahren unter
Verwendung von Lackmusnutrosezuckeragar in grossen
Schalen untersucht. Das Resultat war zunächst vollkommen
negativ. Auch die mikroskopische Untersuchung des Stuhl¬
materials und die Anamnese bezüglich vorausgegangener Diät¬
fehler war ergebnislos. Da wir bei dem verdächtigen Aus¬
sehen der Dejektionen ein Vorhandensein pathogener Darm¬
bakterien doch annfchmen mussten, und das negative Resultat
der Untersuchung auf die Verarbeitung zu geringer Mengen
Dejektion zurückführten, wurden bei jeder neuen Untersuchung
die Serien der Drigalskiplatten vergrössert; nichtsdesto¬
weniger gelang es erst bei der 5. Untersuchung typische Ruhr¬
bazillen auf der Platte nachzuweisen. Zunächst dachte ich in
den auf Drigalski blaugewachsenen Kolonien Typhusbazillen
vor mir zu haben, zumal in der später ausführlich folgenden
Krankengeschichte eine 2 Jahre zurückliegende Typhusinfek¬
tion angegeben wird, aber die weitere kulturelle Untersuchung
der gefundenen Stäbchen liess über die Dysenterienatur der¬
selben keinen Zweifel. Das gefundene Stäbchen war kürzer
und plumper wie Typhusbazillen und vollkommen unbeweg¬
lich. Gasbildung aus Traubenzucker, sowie Indolbildung auf
Bouillon fehlten.
Es wurde nun nach Art und Konzentration des Barsiekow-
nährbodens eine wässerige 1 proz. Nutrose, 0,5 proz. Koch¬
salzlösung hergestellt und je 100,0 derselben 5,0 Lackmus¬
lösung (K a h 1 b a u m) und 1 g von verschiedenen differential¬
diagnostischen wichtigen Kohlehydraten zugesetzt. Das
Wachstum des gezüchteten Stäbchens (Stamm F), verglichen
mit dem von Reinkulturen bekannter Bakterien auf den be¬
schriebenen Nährlösungen zeigt folgende Tabelle.
(Tabelle siehe nächste Seite.)
Das aus der Tabelle ersichtliche Wachstum des Stam¬
mes F lässt keinen Zweifel darüber, dass wir es mit einem
Ruhrbazillus zu tun haben, der zu dem Typus Shiga gerechnet
werden muss. Die Untersuchung mit Hilfe des Agglutinations¬
verfahrens bestätigt diese Annahme, denn einmal wurde der
Stamm F von einem spez. agglutin. Dysenterieserum (Shiga),
welches das hiesige bakteriologische Untersuchungsamt vom
Reichsgesundheitsamt bezogen hatte, bis zur Titergrenze ag-
3
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18.34
MUFNCHENFR MFDIZINISCHF WOCHENSCHRIFT.
Nn. 35.
Dextrin
Innulin
Mannit [
Lävulosc
Maltose
Sacharose
Trauben¬
zucker
Lackmus-
niolkc
Milchzucker
Stamm F.
unverändert
blau
1
blau
rot
violett blau
blau
geronnen
rötlich
v n Jett blau
Shiga-Sammlung . .
„
i •
„
rötlich
violett blau
Shiga Wien.
n
violett blau
.
geronnen
.
Flexner-Sammlung
geronnen
geronnen
rot
geronnen
geronnen
geronnen
•
•
Flexner Wien ... .
geronnen
„
blau
.
Typhus .
unverändert,
violett blau |
violett blau
rot
rot
-
rot
•
glutiniert und ausserdem zeigte das Serum des Patienten fol¬
gende Agglutination:
Blutserum F. a g g 1 u t i n i e r t am 3. April 19ns.
Serumverdiinnung
1:100
1:200
i
1:300
1:400
1 :5oo
Stamm F . . .
Stamm Flexner
Stamm Shiga .
Stamm F . .
Stamm Flexner
Stamm Shiga .
4*
4 ~
4 -
+
+ I
1 + i
+ + -
4 -
V,
1 nach 1 Stunde bei
4- - - - , 370
^ *^_ _ nach weiteren 6
Stunden bei 37»
-f- = Agglutination; -|-= Grenze der Agglutinationsw irkung;
— — keine Agglutination.
Bacterium coli wurde von dem Serum des Bazillenträgers
bis 1:200 (1 Stunde bei 37°) agglutiniert, während Bact. typhi,
sowie Bact, paratyph. B nicht beeinflusst wurden.
Die histologische Blutuntersuchung bot bei dem Patienten
keine Besonderheiten.
Ich lasse die Krankengeschichte des Bazillenträgers nach
Aufzeichnungen seines Kriegstagebuches hier folgen:
A. M., geboren am 23. X. HO, war in seiner Jugend nie krank:
trat am 4. X. 00 beim Militär ein und ging am (». XII. 04 zur Scliutz-
truppe nach Südwest-Afrika; am 2. und 14. II. 05 wurde er in
Liiderizbucht zweimal gegen Typhus geimpft. Bei der ersten Impfung,
welche an der linken Brustseite subkutan vorgenommen wurde, trat
eine starke örtliche schmerzhafte Reaktion ein; die zweite Impfung
vom 14. II. wurde vormittags 11 Uhr au der rechten Brustseite sub¬
kutan ausgeführt. Noch an demselben Abend begann unter wiederum
starker lokaler Schwellung, Rötung und Schmerzhaftigkeit die
Temperatur anzusteigen. Das Fieber, welches 3b Stunden anhielt,
bewegte sich zwischen 39 und 40,5" C. Der rechte Arm konnte
3 Tage lang nur mit grossen Schmerzen bewegt werden; am vierten
Tage nach der Impfung spürte Pat. noch leichtes Stechen an der
rechten Seite, fühlte sich aber sonst wohl. Vom 17. V. 05 bis
7. VII, 05 hat Pat. nach seinen Angaben einen leichten Typhus in
Bethanien durchgemacht, er fieberte damals 14 Tage lang zw ischen
38 und 39°. Häufige Stuhlentleerungen enthielten viel Schleim, zu¬
weilen etw f as Blut. Fr erholte sich rasch wieder und war am 8. VII.
wieder felddienstfähig. Vom 10. X. 05 bis 2. XI. 05 machte Pat.
einen fieberlosen Darmkatarrh durch; er hatte täglich 20 3u Fnt-
lecrungen, dieselben waren hell wässerig, erhsensuppeiiälmlich und
sehr übelriechend; häufig bemerkte er Blut in seinen Darmeut-
lcerungen; hin und wieder will er grüne Stühle gehabt haben (viel¬
leicht die Folge therapeutischer Massnahmen). Am 2. XII. 05 war
er soweit wieder hergestellt, dass er wieder als dienstfähig ent¬
lassen wurde.
Vom 25. V. 06 bis 1. VII. 06 wurde Pat. wiederum w egen Darm¬
katarrh im Feldlazarett behandelt. Fr wurde zwar am 1. VII. u<>
wieder felddienstfähig, fühlte sich aber trotz gutem Appetit immer
matt und krank, hatte täglich 5 b breiige Stuhlgänge, denen dann
und w-ann etwas Blut, häufig viel Schleim beigemischt war.
Am 24. VIII. Ob stellten sich wieder starke Leibschmerzen mit
ausgeprägtem allgemeinen Miidigkeitsgefiihl ein. Häufige Stuhlent¬
leerungen mit vermehrtem Schleimgehalt; Pat. bemerkte jetzt auch
häufiges Herzklopfen, sein Puls betrug 104 in der Ruhe, bei mässiger
Bewegung auf 140 bis 160 ansteigend.
Am 9. XI. Ob wurde er als Invalide in die Heimat entlassen.
Während der ganzen Seereise hielt der Darmkatarrh und die schlei¬
migen, häufig blutigen Fntleerungen noch an. Finmal hatte er auf
Schiff eine stärkere Darmblutung.
Nach seiner Rückkehr in die Heimat besserte sich sein Zustand
allmählich, er wurde wieder arbeitsfähig und war imstande, seine
Stelle als Laboratoriumsdiener, die immerhin auch ein mittleres Muss
von körperlicher Leistung erfordert, (Arbeitszeit vormittags 7 12,
nachmittags 2 -7 Uhr) auszufüllen. Nur hie und da traten noch Leib¬
schmerzen auf, die aber nicht so heftig w aren, dass sie ihn zur I nter- .
brecluir.g seiner Arbeit gezwungen hätten. Täglich 4 Stühle, oft '
dünnbreiig, mit Schleim durchsetzt. Auffallend war für seine Um- I
gebung, dass er häufig ohne sichtbare \ er anl.isstmg an ausge^pr* >J cmn
Blutkongestionen nach dem k<<|Ue litt. Das ganze Gesicht erschien
hochrot und odeinatos geschwellt; bei sojjien Zuständen machte mJi
eine erhöhte nervöse Erregbarkeit geltend. Audi die Reaktn.ns-
empimdlichkeit seiner Haut erschau \ ermdirt; dies zeute mJi v..r
allem darin, dass bei zufälliger Berührung mit ieidit atzenden 1 o-
sungen häufig starke lokale >chw cliungen und I iiiyM.ndungcn ein-
trateii. Als ihm eines I aggs ein I r<>pien einer P» pro/. L\s. . i..suug
wider die Nase spritzte, entwickelte sich eine 2 Jace andanc: ru.c
Hautentzündung, die durchaus eien Lindriick einer I r\ sipe'.ns Judci
machte.
Die eingehende klinische l niersiichung des Patienten. \\e- die an:
15. |V. Os von Herrn Prof. > c h u I e m liebensw urduster W e isc \
genommen wurde, ergab im allgemeinen normalen Befümi. keine
Milzscliw elliing, keine Pnic keinptindlidikeit dis Udmr.ins. ves,-
kulares Atmen, reme. regeimassige Her ztöne; Leber mdit \ ergn-ssert.
(ialleiiblase nicht iuhlbar. Die rektoskopiSche l uterMiditmg. me l..r
eien Patienten sehr schmerzhatt war. zeigte polvp,*se. Ieidit blutende,
zum Teil oberflächlich ulzei le reiule W udie rmuen der Re k t.ii.,ean-
liaut. Therapeutisch luss sic h bisher beim Patienten kein Dauere'!*’ g
erzielen. Die schleimigen Parmentleerungen \ cP* hw mden mit lind
ohne Beliandlung mich kurzer Zeit, um nach einem Intervall \>m
einer Ins mehreren Wochen m de r gleichen Weise w iede'/ukehreti.
Da der beschriebene Rulirba/illenträger wohl mit Sicher¬
heit seine Bazillen in Sudw estafrik a wahrend des Feldzuges
akquirierte, so haben die Berichte ober Dvsenterieepidetnien.
die während des Mereroanfstandes unter den duitschcn Trup¬
pen herrschten, natürlich iur seine Beurteilung besonderen
Wert. Ich mochte auf diese Vermiet tlidmr.gen in kurze mir
so weit eiugehen. als in ihnen von dein \orkommen cliromscher
Dysenteriefälle und Dyseiiterieha/iilenträgern die Rede ist.
Leider stellen mir mir zwei derartige Berichte von Mi Me¬
hr echt: „Deher ruhrartige Erkrankungen in Dtiitsch-Sud-
westatrika“ und Boi inner: ..lebcr die in LiiJcrit/hticht be¬
obachteten Riihrerkiankungen und ihre bakteriologische Unter¬
suchung“ (Referat im /entralbl. i. Bakt., Bd. 87 u. 8 4 >) zur
Vertilgung.
M i I I e b r e c h t fasst das Ergebnis seiner Untersuchungen m
folgenden hier wichtigen Mitzcn zusammen:
1. Ls gibt m De utsc Ii-Mulw est.iinka eine bisher nicht naher
beschriebene Abart dir Ruhr, die sich m den auf.mg heben klinischen
Erscheinungen durch m nichts von ikn bisher bekannten Ruhrnmmi
imtei scheidet, die aber m ihrem klinischen \i faule derartig gut¬
artig ist. dass man sie als besondere Krankheit autt.issen kann.
2. Die siidvv estamkamsche Ruhr wird seiten. vieSiugÄt auch nie¬
mals. chronisch.
3. Als Nachkrankheit sind l.eherabv/i sse bisher nicht beobachtet,
wohl aber chronische Durcln.ilie. ohne Schleim- und P.lutbeimengungen
zum Mühl.
7. Die Behandlung der chronischen Durvhfalle muh Ruhr ist Vor¬
wiegend diätetisch, \ieliadi war eine reichliche. der heimischen h>st
ähnliche tr nähr umg von guter Wirkung, wahrend milde reiziose I Mut
schlecht vertragen w urdc.
H. Das bisher bekannte Verbreitungsgebiet di r Ruhr m Dentsch-
Siidw estafrika ist das I lererolaud. wo me Rulir stits eiiTimsJi ge¬
wesen zu Sem scheint. Ibis N.mia'aml war Ins letzt rul" U ei,
ln. Die Ff reger der sudw est.if r ikanisc heu Ruhr sm.l jfoch nuht
festgestellt, sie Scheinen aber weder Amoben, m'dl der Bazillus krtise-
Shiga zu sein.
Zu wesentlich anderen Resultaten gelangte B o f i n g e r.
Fs gelang ihm aus den meisten Stahle:; dir Ruhrkranken Ruhr¬
bazillen zu isolieren, die morpliolog.scii. k uDu re II und sero¬
logisch als Typus Slugii hc/eidir.M werdin muss'.ui. Fi
hält es für bewiesen, dass Ruhrkranke radi dir (icsimdu’g
noch monatelang die spe/ifisdien Paz.licu lu i sidi tragen
j können, hält aber eine monateiarge Isolierung aas praktischen
(iriinden niefit für möglich.
Meine Untersuchung würde far d.e Ansicht Botin ge rs
iiber Art der südafrikanischen Ruhr, sowie über die dauernde
Bazillcnaussclieiduug f rillte rer R nhrpatu n.ten e;:;e wettere
Stütze abgeben. Fa:e Isolierung des Pat.ettcn war aadi in
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1. September 1908.
muencHener Medizinische Wochenschrift.
1835
unserem Falle nicht durchführbar, da derselbe sich wohl und
arbeitskräftig fühlte. Wir mussten uns auf eine Empfehlung
diätetischer und prophylaktischer Massregeln beschränken.
Die bisher in der Literatur beschriebenen Fälle von Ruhr¬
bazillenträgern wiesen immer nur eine spezifische Bazillen¬
ausscheidung auf, die sich» höchstens über einige Monate er¬
streckte. Es dürfte daher hier zum erstenmal der strikte
Nachweis für eine mehrjährige Ausscheidung von Dysenterie¬
bazillen durch einen gesunden Menschen erbracht sein.
Aus der chirurgischen Abteilung des Städt. Katharinenhospitals
Stuttgart (Direktor: Prof. Dr. Steinthal).
Ueber indirekte Mittelfuesbrüche.
Von Dr. Alban Nast-Kolb, Oberarzt der Abteilung.
Fast alle Mitteilungen der letzten Jahre über Mittelfuss-
brüche stammen aus der Feder von Sanitätsoffizieren. Die
militärische Fuss- oder Marschgeschwulst, früher in ihren Ur¬
sachen meist ungeklärt, ist seit der Anwendung der Röntgen¬
strahlen als mindestens in zwei Drittel der Fälle durch die
Fraktur eines Metatarsalknochens verursacht erkannt worden.
Die ungemeine Wichtigkeit dieser Erkrankung für die Marsch¬
fähigkeit unserer Truppen hat zu zahlreichen Untersuchungen
Veranlassung gegeben, viele hundert an Fussgeschwulst er¬
krankte Soldaten sind röntgenographiert worden und so ist in
das rätselhafte Dunkel, das ehemals diese Erkrankung unserer
Erkenntnis verhüllte, durch die Röntgenstrahlen Licht und Klar¬
heit gekommen.
Die Fussgeschwulst wird hauptsächlich während der
Marschperiode beobachtet, von Frühjahr bis nach den grossen
Herbstübungen in steigender Anzahl. Als Veranlassung
werden anstrengende Märsche, besonders mit vollem Gepäck,
angeschuldigt. Allgemein wird hervorgehoben, dass ein ein¬
maliges Trauma oft nicht nachgewiesen werden kann. Durch
die Ermüdung soll das Fussgewölbe einsinken, der Metatarsus
kommt dadurch dem Boden näher und wird beim Gehen über
eine Unebenheit oder durch einen Tritt in eine Vertiefung ab-
geknickt. Jedenfalls spielt die Ermüdung der Fussmuskulatur
für die Entstehung des Leidens eine ganz ausschlaggebende
Rolle. Die Symptome bestehen in einer teigigen Schwellung
des Fussrückens, Bruchschmerz und Schmerzen beim Gehen.
Bluterguss und Krepitation sind nur ausnahmsweise vorhanden.
So gewöhnlich und allgemein bekannt nun dem mili¬
tärischen Leben die Fussgeschwulst ist, so selten scheint sie
im Dasein des nicht mit schwerem Gepäck stundenlange
Märsche ausführenden Zivilisten beobachtet worden zu sein.
Soweit ich die Literatur durchgesehen habe, ist die indirekte
Fraktur eines Mittelfussknochens im Zivilleben als etwas
ziemlich Seltenes aufgeführt. Um so überraschter war ich, in
meiner hiesigen Tätigkeit kurz hintereinander zwei Fälle indi¬
rekter Mittelfussfraktur und zwar «bei zwei Dienstmädchen zu
finden. Die zwei Fälle haben so viel Gemeinsames, dass ich
nicht glauben kann, dass es sich hier um einen Zufall handelt.
Die beiden Mädchen standen im jugendlichen Alter, eine war
siebzehn, die andere sechzehn Jahre alt. Sie stammten vom Lande
und hatten erst vor kurzer Zeit ihren ersten Dienst in der Stadt
angetreten. Sonst ganz gesund, waren sie für ihr Alter kräftig ent¬
wickelt, ohne Zeichen stärkerer Rachitis. Ueber besonders an¬
strengenden Dienst oder grosse Ermüdung hatten Sie nicht zu klagen.
Ein nennenswertes Trauma hatten sie nicht erlitten; sie wussten
nicht einmal genau den Zeitpunkt des Eintrittes ihrer Schmerzen
anzugeben. Sie kamen in unsere Ambulanz mit der Klage über seit
einigen Tagen bestehende Schmerzen und Schwellung eines Fusses.
Die Untersuchung ergab eine geringe teigige Schwellung des Fuss¬
rückens, keine Zeichen eines Blutergusses, keine Krepitation, eine
ziemlich diffuse, nicht hochgradige Druckempfindlichkeit über den
Metatarsen. Bei genauer Palpation konnte man dann über einem
Metatarsus einen besonders druckempfindlichen Punkt feststellen.
Auf der Röntgenplatte ergab sich nun deutlich das Bild einer Fraktur,
einmal war der dritte, das andere Mal der zweite Metatarsus der
verletzte. Eine Dislokation war nicht zu sehen; die Frakturlinie
bildete einen ausserordentlich feinen, queren Spalt, einmal in der
Mitte, das zweite Mal an der Grenze von -distalem und mittlerem
Drittel des Metatarsus. Nach 14 Tagen wurden wieder Röntgen¬
aufnahmen gemacht und nun sah man einen deutlichen spindelförmigen
Kallus an der Stelle der Fraktur. Die Behandlung bestand lediglich
in Bettruhe und feuchten Verbänden. Nach 14 Tagen konnten die
Mädchen ohne Schmerzen auftreten und bald nachher beschwerde¬
frei geheilt entlassen werden. Beide' hatten keine Piattfiisse, sondern
ein gut entwickeltes hohes Fussgewölbe.
Es handelte sich also bei beiden Patientinnen um eine in¬
direkte, durch kein nennenswertes Trauma verursachte, Infrak¬
tion eines Mittelfussknochens. Als prädisponierend haben
wir wohl das jugendliche Alter anzusehen, als Ursache die
Ermüdung der an die Arbeit und an das harte Pflaster der
Grossstadt nicht gewöhnten jugendlichen Muskulatur, dadurch
ein Nachgeben des Fussgewölbes und seiner muskulären
Spannung und die Abknickung des Metatarsus über eine Un¬
ebenheit, eine Treppenstufe oder eine Trottoirkante. Merk¬
würdig bleibt immerhin, dass eine solche Infraktion unter so
geringen Schmerzen erfölgt. Das erklärt sich wohl durch die
geringe Verletzung des Periostes; sehen wir doch auch bei
Kindern häufig Infraktionen ohne nennenswerte Schmerzen
sich ereignen.
Auf die Therapie will ich hier nicht näher eingehen. Es
sind Gipsverbände, Extension, Stauungshyperämie empfohlen
worden. Diese Infraktionen heilen wohl unter jeder Behand¬
lung. Hinweisen möchte ich nur auf die unter Umständen,
besonders für militärische Verhältnisse wertvolle ambulante
Behandlung, wie sie von militärärztlicher Seite verschiedent¬
lich vorgeschlagen worden ist 1 ) 2 ). Im Prinzip beruht sie auf
der Anlegung festsitzender Heftpflasterverbände.
Ich glaube, dass bei genauerer Beobachtung diese indirekte
Metatarsalfraktur, die sog. militärische Fussgeschwulst, auch
im Zivilleben bei jugendlichen Individuen nicht so sehr selten
gefunden werden wird. Schon Mai liefert 3 ) hat anläss¬
lich eines von ihm beobachteten Falles diese Ansicht ausge¬
sprochen, es sind aber meines Wissens seitdem nur ganz ver¬
einzelte Fälle beschrieben worden. Sicher lassen sich in den
Ambulanzen» und Polikliniken der Grossstädte, wo so zahl¬
reiche, jugendliche Individuen mit Fussschmerzen Hilfe suchen,
diese Beobachtungen rasch vermehren. Wahrscheinlich finden
sich auch bei jungen Krankenschwestern, die häufig im Be¬
ginn ihres Berufes über Schmerzen beim Gehen und Stehen in
den Füssen klagen, nicht selten derartige Metatarsalfrakturen.
Bei dem Fehlen eines Traumas und bei den wenig ausge¬
sprochenen lokalen Symptomen verschwinden wohl manche
dieser Verletzungen unter dem grossen Heer der Plattfuss-
anlagen und Plattfussbeschwerden. Mit der häufigeren An¬
wendung der Röntgenphotographie werden, sich manche der¬
artige Fälle als Mittelfussbrüche entpuppen, und, was ich für
das wichtigste halte, einer geeigneten Therapie zugeführt
werden können. Es gilt heute nicht mehr, was M a i 11 e f e r t
noch 1900 sagen konnte: Die Röntgenstrahlen im Anfang zu (be¬
nutzen, hat keinen Zweck (nämlich vor der Kallusbildung). Die
Technik der Röntgenographie ist so fortgeschritten, dass wir
Infraktionen auch ohne Dislokation im Röntgenbilde erkennen
können. Nur ausnahmsweise wird uns bei aufmerksamer Be-
o»bachtung ein Mittelfussbruch auf der Platte entgehen.
Natürlich kann man in ausgesprochenen Fällen, die
starke Schwellung, Bruchschmerz, eventuell Krepitation dar¬
bieten, die Diagnose auch ohne Röntgenbild stellen, aber in
den zweifelhaften Fällen, ohne Trauma, ohne wesentliche
Schwellung, ohne stärkere Schmerzen sind die Röntgenstrahlen
ein unentbehrliches Hilfsmittel.
Ich möchte also darauf hinweisen, bei jugendlichen Indi-
widuen, die, ohne ein Trauma erlitten zu haben, mit massiger
Schwellung des Fussrückens und geringen Schmerzen beim
Gehen zur Behandlung kommen, an derartige indirekte Meta-
tafsalfrakturen zu denken und die Röntgenphotographie zur
Sicherstellung der Diagnose heranzuziehen. Ohne Zweifel
wird sich die Zahl derartiger Beobachtungen rasch ver¬
mehren und durch die Möglichkeit der richtigen Therapie die
kleine Mühe reichlich lohnen.
Literatur siehe bei Kirchner: Die Frakturen des Metatarsus.
Schmidts Jahrbücher 1906, Bd. 291, S. 18.
Reproduktion von Röntgenphotographien: Meiser: Brüche der
Mittelfussknochen. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen,
IV. Band.
l ) Blecher: Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1907, H. 21.
s ) v. Heuss: Ibidem 1908, H. 1.
3 ) Maillefert: Münch, med. Wochenschr., 1900, No. 36.
3*
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1836 MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 35.
Ein Fall von Distensionsluxation im Atlanto-epistropheal-
Gelenke.*)
Von Privatdozent l)r. Arnold \V i 11 c k in Graz.
M. H.! Ich will Ihnen einen interessanten kasuistischen
Beitrag zur Kenntnis von den Verschiebungen in den Gelenken
zwischen ersten und zweiten Halswirbel bringen. Und zwar
handelt es sich um keine traumatische Verrenkung, sondern
um eine durch einen Krankheitsprozfcss entstandene. Bekannt
sind die Verrenkungen im Bereiche der obersten Halswirbel,
wie sie im Verlaufe der Wirbeltuberkulose als Destruktions¬
luxationen Vorkommen. Dabei ist vom ersten und zweiten
Halswirbel mehr oder weniger durch den kariösen Prozess, zu¬
meist auch der Zahnfortsatz, zerstört. Bekannt sind ferner
solche Subluxationen, wie sie im Gefolge von rheumatischen
Affektionen auftreten: Jaksch, Coudray, Böger haben
derartige Fälle beobachtet und als Malum suboccipitale rlieu-
maticum bezeichnet. Man muss bei diesen Krankheitsbildern
annehjnen, dass ein Erguss in die Gelenke zwischen ersten und
zweiten Halswirbel stattgefunden hat, der den Bandapparat der
Gelenke so weit schädigen konnte, dass abnormale Gelenks¬
verschiebungen eintreten konnten. Ich habe nun folgende, auf
anderer ätiologischer Grundlage eingetretene, Stellunganomalie
der ersten beiden Halswirbel zu einander beobachtet und stelle
Ihnen gleichzeitig den betreffenden Kranken selbst hier vor.
Es handelt sich um einen bis zum April 1907 vollständig ge¬
sunden, kräftigen Knaben, der damals im Alter von 11 Jahreit stand.
Aniangs April 1907 erkrankte er an Zahnschmerzen, die von einem
kariösen Mahlzahn des linken Unterkiefers ausgingen. Der Kranke
weigerte sich den kranken Zahn extrahieren zu lassen; da stellte sich
einige Tage darauf am linken Unterkiefer eine Periostitis ein. welche
zuerst konservativ behandelt wurde. Am 4.-5. Tage seitdem die
Periostitis begonnen hatte,
wurde von seiten des Kran¬
ken über Schmerzen im Hin¬
terkopf und im Nacken ge¬
klagt. Gleichzeitig wurde
der Kopf nach rechts geneigt
gehalten und bei jeder Be¬
wegung des nun das Bett
hütenden Kranken mit den
Händen an Kinn und Hinter¬
haupt gestützt. In dieser
Zeit bestand Fieber bis zur
Höhe von 38°. Dann bildete
sich am Unterkiefer eine
deutlich fluktuierende Ge¬
schwulst, welche ein herbei-
geholter Chirurg am 12.
Krankheitstage operativ
öffnete. Anlässlich dieser
Operation wurde auch der
kranke Zahn extrahiert. Schon am 2.Tage nach der Operation war die
Temperatur normal; die Operationswunde verheilt in wenigen Tagen,
doch blieb die Schiefstellung des Kopfes bestehen; ebenso die
Schmerzen in den rechten Nackenpartien, wenn auch in viel ge¬
ringerem Masse als vorher. Sonst fühlte sich der Knabe wieder ganz
wohl und bewegte sich frei ausser Bett. Die Schiefstellung des
Kopfes bestimmte die Eltern den Kat des Orthopäden einzuholen.
Damals fand ich folgendes: Ein sehr kräftiger, blühend aussehender
Knabe weist nichts Abnormes auf, ausser der Haltung seines Kopfes.
(Fifg. 1.) Der letztere wird nach rechts geneigt gehalten, dabei ist
das Gesioht nach links gedreht und der ganze Kopf scheint etwas nach
vorne verschoben. Die aktive Beweglichkeit des Kopfes ist im Sinne
der Rotation eingeschränkt; besonders die Drehung nach rechts ist
fast aufgehoben. Nickbewegungen sind nur wenig behindert; ija s
Seitwärtsneigen des Kopfes ist nach rechts frei, nach links fast gar
nicht möglich. Bei allen diesen iBewegungsversuchen steigern sich
die auch in Ruhelage noch immer vorhandenen Schmerzen im Nacken:
ebenso bei vorsichtig ausgefiihrten passiven Bewegungen. Das Betasten
der rechten hinteren Nackenpartie, sowie der angrenzenden Schädel¬
partie wird vom Kranken als schmerzhaft bezeichnet. Irgendwelche
Symptome von Seite des Rückenmarkes und der Hirnnerven sind nicht
vorhanden. Ich dachte damals, dass es sich um entzündliche Vor¬
gänge in den rechten Nackenmuskeln handeln dürfte; und zwar wahr¬
scheinlich im ursächlichen Zusammenhänge mit der vorhanden ge¬
wesenen eitrigen Periostitis. Entzündliche Vorgänge, welche Span¬
nungen in diesen Muskelgruppen hervorgerufen hätten, die ihrerseits
wieder zu der geschilderten abnormalen Kopfstellung Veranlassung
*) Nach einem in der Versammlung des Vereins der Aerzte in
Steiermark am ü. Mai 19U8 in Graz gehaltenen Vortrag.
gaben. Vorsichtig ausgeführte Massagen dieser Muskelgruppen
brachten aber keine Besserung weJer in Bezug auf die Schmerzen,
noch hinsichtlich der Kopfhaltung. Das veranlasst mich, das vor¬
her unwahrscheinlich Geschienene anzunehmen, dass es sich viel¬
leicht doch um eine Verschiebung in den gelenkigen Verbindungen
im Bereiche der obersten Halswirbelsäule handeln konnte. I nd
tatsächlich fand man beim Abtasten der hinteren Rachenwand, dass
der vordere Atlasbogen abnormal gegen die Rachenhohle vorragte
und eine deutliche Stufe gegen den zweiten Halswirbel bildete. 1 ne
nunmehr vorgenommene Röntgenaufnahme zeigt die pathologischen
Verhältnisse. Vorerst aber will ich Ihnen die normalen Verhältnisse
dieser Korperregion im Rontgenbilde demonstrieren. Bei der seit¬
lichen Aufnahme (Fig. 2) sieht man den Schatten des Hinterhaupt¬
beines, der sich nicht deut¬
lich in allen Teilen von
dem Schatten des ersten
Halswirbels trennen lasst;
deutlich markiert sich nur
das Tub. anticum und
posticutn, sowie der Arcus
posterior des Atlas. Hin¬
ter dem Tub. anticum ist
der Zahnfortsatz sichtbar,
dessen Schatten sich nach
unten in den Schatten des
Körpers des zweiten Hals¬
wirbels fortsetzt. Die Sil¬
houetten der Massac la¬
terales des Atlas sind w ie¬
der nicht scharf vom
Schatten des zweiten Hals¬
wirbels abgrenzbar. Nach
riickwärts vom Schatten
des zweiten Halswirbel-
korpers setzt sich der Bo¬
gen des zweiten Halsw ir¬
bels fort, um schliesslich in
dem Schatten des mächti¬
gen Dornfortsatzes des
Epistropheus zu endigen. Nach unten vom zweiten Halswirbel setzen
sich die Schatten der folgenden Halswirbel i«*rt. an welchen man m
immer wiederkehrender Weise Körper, GeienkMortsatze. Bogen und
Dornfortsätze erkennen kann. Zieht man sich vom vordersten Punkt
des Tub. ant. des Atlas eine Linie, welche die \ordere Begrenzung
der Halsw irbelkorper trifft, so entsteht e.n ziemlich gleichnuvsiger,
nach vorne leicht konvexer Bogen. Eine analoge Lime verbindet
die hintere Begrenzung des Schattens des Zahnfortsatzes mit den
hinteren Begrenzungsflächen der W irbelkorper. Eine 3. solche in
gleicher Art und im gleichen Mime gebogene Lime entsteht, wenn
man sich die Ursprünge der lk»rnfortsatze an den Wirbe’.bogen
untereinander verbindet. Der Fortsatz dieser Lime trifft nach oben
den Ansatz des Tub. post, am hmteien Atlasr.nge. Die zwei letzt¬
genannten Linien geben die Begrenzung tur den Kanal für das
Rückenmark und die Medulla oblongala. Vor der Wirbelsäule * s t
der Schatten der Unterkiefer sichtbar; zwischen diesem und dem
Schatten der Wirbelsäule der weniger dichte der We:chteiie der
hinteren Rachenwand, welcher wieder einen analogen Bogen bildet,
w ie die bereits genannten drei Richtungslinien. Diese beschriebenen
Verhältnisse gelten für die aufrechte Stellung, bei welcher der Kopf
weder nach vorne noch nach rückwärts geneigt wird, also sozusagen
bei einer Mittellage des Kopfes. Wie schon herxorgehoben wurde,
ist bei der seitlichen Projektion weder eine genaue Abgrenzung des
Okziput vom Atlas, noch eine solche des letzteren vom Epistropheus
möglich. Um sich die betreffenden Gelenke im Rontgenbilde dar¬
stellen zu können, ist von 11 o 1 z k n c c h t ein \ erfahren angegeben,
welches darin besteht, an sagittaler Protektion die ersten beiden
platte sichtbar zu machen. Ddbei sieht man sehr gut den zweiten
Halswirbel, die seitlichen Teile des Atlas mit ihren Ouerfortsat/en
und die Gelenke zwischen Atlas und zweiten Halswirbel; weniger
gut, weil zumeist vom Schatten des Hinterhauptbeines überdeckt, die
Gelenke zwischen Atlas und Okziput. Ausserdem ist die Methode
Holzknecht nicht immer anwendbar, so z. B. bei Erkrankungen im
Bereiche der obersten Halswirbel, wenn der K-»pf in einer Beugung
nach vorne fixiert ist. Diese pathologische Stellung ist manchmal so
hochgradig, dass das Kinn, dem Brustbeine genähert ist und der
Mund infolgedessen nicht genügend weit geotfoct werden kann. Für
solche Fälle ist es notwendig, um sich die ersten zwei Halswirbel
in sagittaler Projektion darzustellen, d e Lagerung des Kranken bei
der Röntgenaufnahme so anzuordnen, dass man mit den Rontgen-
strahlen durch den Nasenraum die ersten zwei Halswirbel zur Dar-
Halswirbel durch den maximal geöffneten Mund aut der Rontgen-
stellung zu bringen sucht. Bei diesen Aufnahmen sieht man auch d.e
Gelenke zwischen Atlas und Schädel sehr gut. Es gibt aber auch
noch eine andere Möglichkeit der Darste.iung der Atlanto-Okzipita!-
Gelenke, d. i. in seitlicher Projektion, wenn gleichzeitig d.\s Gesicht
von der unterliegenden Platte nach auiwarts weggedreht wird. An
Stelle des Schattens des Tub. ant. ist die der P.atte aufregende Sei-
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1837
tenmasse des Atlas mit dem leicht markierten Querfortsatz vor
dem Zahn des zweiten Halswirbels erschienen (Fig. 3). An der
oberen Begrenzung dieser
Seitenmassc des Atlas
zeichnet sich deutlich der
Gelenkspalt zwischen
erstem Halswirbel und
Schatten des Hinterhaupt-
kondylus ab. Man kann
also auf diese Art, voraus¬
gesetzt, dass die Dreh¬
bewegungen des Kopfes
normale sind, sich das
Atlanto-Okzipitalgelenk
darstellen. Nach dieser
Abschweifung auf normale
Verhältnisse, deren Kennt¬
nis für das Verständnis
von pathologischen Stel¬
lungen notwendig ist,
kehren wir zu dem vor¬
gestellten Krankheitsfall
zurück. Auf der Röntgenplatte (Fig. 4) desselben ist folgendes
sichtbar:
Schädel und erster Halswirbel zeigen in ihrer Stellung zu¬
einander nichts Abnormes, wohl aber hat der erste Halswirbel seine
Fig. 4.
Stellung gegen den zweiten verändert in der Art, dass das Tub. ant.
sich vom Zahnfortsatz gegen den Rachen hin verschoben hat. In
demselben Grade hat sich das Tub. post, des Atlas der hinteren
Begrenzung des Zahnfortsatzes genähert, so dass der Zahn jetzt
letzterem näher steht als dem ersteren. Dadurch sind die am normalen
Bilde erwähnten leicht nach vorne konvexen Grenzlinien vom Wir¬
belkörper, Rückenmarkskanal unid Weichteilschatten der hinteren
Rachenwand so verändert, dass die Linien am Uebergang vom zwei¬
ten zum ersten Halswirbel gebrochen erscheinen, und an dieser
Stelle nach vorne konkav werden. Besonders deutlich ist das am
Schatten der hinteren Rachenwand zu bemerken. Zu erwähnen wäre
noch, dass der Atlas ausser seiner Verschiebung nach vorne auch
noch eine Drehung um eine frontale Achse in dem Sinne ausgeführt
hat. dass er sich samt dem Kopf vorne gesenkt und hinten ge¬
hoben hat.
Wenn wir nach Analysierung des Röntgenbildes zu diesem
Krankheitsfall zurückkommen, so finden wir: Eine Luxation
des Atlasses gegen den Epistropheus entstanden während einer
eitrigen Periostitis. Es ist naheliegend und jedenfalls das
Wahrscheinlichste, dass von der Periostitis aus ein meta¬
statischer Erguss in die Gelenke zwischen ersten und zweiten
Halswirbel stattgefunden hat. Man kann annehmen, dass durch
diesen Erguss in das Gelenk zwischen Zahnfortsatz und vor¬
deren Atlasring einerseits und Zahnfortsatz und das Lig.
cruciatum anderseits, sowie in die unteren Gelenke zwischen
Atlas und Epistropheus eine derartige Ueberdehnung von Ge-
lenkskapseln und Bandapparaten stattgefunden hat, dass eine
so hochgradige Verschiebung möglich wurde. Man muss nicht
annehmen, dass zu derartigen Verrenkungen ein Zerreissen der
Lig. alaria oder des Lig. transversum notwendig ist. Bei einem
Zerreissen der Bänder wäre es wohl zu einer schweren Ge¬
fährdung des Markes durch den plötzlich frei werdenden Zahn¬
fortsatz gekommen. Man könnte aber auch daran denken,
dass es nach Ueberdehnung der an der Spitze des Zahnfort¬
satzes inserierenden Haftbänder zu einem Durchschlüpfen des
Zahnes unter dem Lig. transversum kommen, könnte. Wie be¬
reits Boy er für Verrenkungen des Atlas ohne Bruch des
Zahnfortsatzes infolge forcierter Beugung bei Kindern für mög¬
lich gehalten hat. Im Kindesalter sei der Zahnfortsatz noch
nicht zu seiner vollen Länge entwickelt, dabei die Bänder
weniger fest und relativ länger. Auch bei der Annahme dieses
Verschiebungsmechanismus müsste es doch wahrscheinlich zu
einer Schädigung des Markes gekommen sein. Das nahe¬
liegendste erscheint mir somit, dass es sich nur um eine maxi¬
male Ueberdehnung der Bänder gehandelt hat. Unwahrschein¬
lich wäre die Annahme, dass gleichzeitig mit der Periostitis ein
zweiter differenter Prozess in den Wirbelgelenken stattgefunden
habe. Es kämen da tuberkulöse, osteomyelitische oder rheu¬
matische Prozesse in Frage. Für keine von diesen sind ge¬
währleistende Erscheinungen zu finden gewesen.
Die Therapie beschränkte sich darauf, den Kopf durch
eine Kravatte zu stützen. Nach Anlegung derselben ver¬
schwanden die subjektiven Beschwerden vollständig. Durch
entsprechende Massnahmen an der Kravatte gelang es die
Schiefstellung und die Rotation des Kopfes auszugleichen. Viel
weniger liess sich bisher die Vorschiebung des Kopfes beein¬
flussen; doch ist das Resultat im Ganzen ein ziemlich be¬
friedigendes. Die Bewegungen sind nach allen Richtungen
freier geworden und zeigen nur im Sinne der Rotation nach
rechts eine leichte Einschränkung. Schmerzen sind wie gesagt
gar nicht mehr vorhanden auch nicht mehr bei Vornahme der
Bewegungen. Der Kopf wird auch nach der in allerletzter
Zeit erfolgten Weglassung der Kravatte aufrecht und gerade
getragen. Eine nunmehr vorgenommene Röntgenaufnahme
zeigt aber, dass die Verschiebung des Atlas nach vorne eigent¬
lich gar nicht gebessert wurde. Wohl aber sieht man Knochen¬
schatten zwischen vorderen Ring des Atlasses und Körper des
zweiten Halswirbels. Es scheint dort eine Anbildung von
Knochensubstanzen stattgefunden zu haben.
Ich habe Ihnen diesen Fall mitgeteilt, weil ich kein Ana¬
logon dazu in der mir zugänglich gewesenen Literatur finden
konnte.
Zur Kasuistik der abortiven Pneumonie.*)
Von Dr. Simon in Plauen i. V.
Im Februar und März d. J. habe ich zwei Patientinnen an
Pneumonie behandelt, die beide Male einen eigentümlichen
Verlauf nahm, einen Verlauf, wie ich ihn in meiner 22 jährigen
Praxis noch nicht beobachtet habe: nach zweitägigem Bestehen
der Pneumonie trat die Krisis ein, an welche sich wiederum
recht schnell die restitutio in integrum in den erkrankt ge¬
wesenen Lungenpartien anschloss.
Derartig schnell verlaufende Pneumonien nannte Wun¬
derlich abortive, Fi n k 1 e r rudimentäre: ich werde in fol¬
gendem mich an die Bezeichnung abortiv halten.
Die Veröffentlichungen über sicher beobachtete abortive
Pneumonien sind sehr gering; wahrscheinlich deshalb, weil
die Aerzte dieser Form der Pneumonien skeptisch gegenüber¬
standen, da sie dieselben nicht von Anfang an zu beobachten
Gelegenheit hatten und der Anamnese der Patienten keinen
rechten Glauben schenken mochten. Ihr Vorkommen ist aber
sicher festgestellt. So haben Thomas 1 ) 3 Fälle, T o p h o f f.
B a r u c h und Bernhard je 2 Fälle zweitägiger Pneumo¬
nien, L e u b e 2 Fälle und Weil einen Fall von eintägiger —
ephemerer — Pneumonie veröffentlicht.
In den mir zur Verfügung stehenden Lehrbüchern der
speziellen Pathologie fand ich entweder die abortive Pneu¬
monie überhaupt nicht erwähnt, wie bei P e n z o 1 d t und
S t i n t z i n g. bei Strümpell oder wie bei N i e m e y e r,
nur eine kurze Bemerkung von S e i t z, der auf Grund seiner
*) Nach einem im Verein der Aerzte zu Plauen i. V. am
15. IV. 08 gehaltenen Vortrage.
*) Die Lungenentzündungen, von Geh. San.-Rat Dr. E. Aufrecht,
1899, S. 128 und 129.
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1838
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Beobachtungen seinerzeit in der Göttinger Klinik das Vor¬
kommen der abortiven Pneumonie zugibt. Ausführlicher be¬
schäftigt sich in seinen „Lungenentzündungen“ Aufrecht
mit der abortiven Pneumonie, deren Vorkommen er ohne Wei¬
teres zugibt, und von der er behauptet, dass sie öfter vor¬
kommt, als man allgemein annimmt, und wegen ihrer kurzen
Dauer häufig übersehen werde. Der französische Autor See 3 ) j
widmet der abortiven Pneumonie ein besonderes Kapitel und
beschreibt sie folgemlermassen: „Die Krankheit beginnt un¬
vermittelt mit einem heftigen Schüttelfröste, der von Seiten¬
stechen mit Husten und Brustbeklemmung gefolgt ist. Das
Thermometer steigt auf 40 0 und darüber. Sputa können fehlen,
einfach zäh-klebrig und gelblich sein oder das typische, ziegel¬
mehlartige, rostfarbene Aussehen kies pneumonischen Aus¬
wurfs haben. Man findet an einer ganz begrenzten. Stelle
etwas krepitierendes Rasseln, dem bald pfeifendes und Bron¬
chialatmen mit bronchophonischem Widerhall der Stimme
folgt. Dann am nächsten oder nächstfolgenden Tage, während
man erwartet, die Pneumonie sich ausdehnen oder das Bron¬
chialatmen mehr hervortreten zu sehen, hält die Krankheit
ebenso unvermittelt inne, abortiert; das Thermometer fällt
auf den Normalstand, und innerhalb 24 oder 48 Stunden ist
jedes örtliche Krankheitszeichen verschwunden.“
Wir haben hier also das Bild einer richtigen Pneumonie,
deren Eigentümlichkeit ihr ausserordentlich schneller Ver¬
lauf ist.
Ich komme nunmehr zur Beschreibung der von mir be¬
obachteten 2 Fälle von abortiver Pneumonie.
1. Frau Olga Helene A., 33 Jahre alt, erkrankte am 27. II. 08
unter heftigem Schüttelfrost. Am 28. II. 08 stellte ich bei meinem
ersten Besuche bei der Patientin folgendes fest: Patientin klagt über
Seitenstechen links und quälenden Husten; Temperatur 39,4, Puls 108;
von der 6.—8. Rip,pe hinten links Dämpfung und krepitierendes
Rasseln; 1—2 Finger breit oberhalb und unterhalb der gedämpften
Lungenpartie Bronchialatmen; Fremitus pectoralis über der er¬
krankten Stelle verstärkt; Sputum zähklebrig und rostfarben.
Diagnose: Pneumonia crouposa. Auf Grund dieses Befundes
glaubte ich natürlich, dass die Pneumonie sich noch über die 6. Rippe
nach oben und über die 8. Rippe nach unten weiter ausdehnen würde.
Umsomehr war ich erstaunt, als ich bei meinem Besuche am 29. II. 08
die Patientin ruhig und leicht atmend mit einem äusserst zufriedenen
Ausdruck im Bette liegend vorfand; sie gab an, gegen Mitternacht
reichlich zu schwitzen angefangen und sich danach plötzlich ganz wohl
gefühlt zu haben, das Seitenstechen wäre vollständig geschwunden
und der Husten, der sie tags zuvor noch sehr gequält hätte, jetzt
sehr leicht. T. 36,9, Puls 66; Sputum noch etwas rostfarben; Schall¬
verkürzung, bronchiales Atmen und Rasselgeräusche über der er¬
krankten Stelle. Am 1. III. betrug die Temperatur 36,6, Puls 66;
Auswurf schleimig, wenig und leicht; die Dämpfung über der er¬
krankten Stelle war geschwunden und es waren dort nur vereinzelte
Rasselgeräusche sowie vesikulo-bronchiales Atmen zu hören. Am
2. III. 08 war der Befund über der erkrankt gewesenen Stelle aus¬
kultatorisch sowie perkutorisch vollständig normal und kein Auswurf
mehr vorhanden; Temperatur und Puls normal; Allgemeinbefinden
sehr gut. In der weiteren Rekonvaleszenz traten irgendwelche Stö*
rungen nicht auf.
Die Patientin hat also in zwei Tagen eine kruppöse Pneumonie,
die als solche objektiv ganz genau festzustellen war, durchgemacht.
Dass diese Pneumonie nicht länger als zwei Tage, den 27. und
28. II, 08, gedauert haben kann, geht noch daraus hervor, dass ich,
als ich am 26. II. 08 das an Influenza erkrankte und In meiner Be¬
handlung gewesene Töchterchen der Patientin zum letzten Male be¬
sucht hatte, bei dieser Gelegenheit die Mutter noch ganz gesund ge¬
sehen hatte.
2. Die 17 Jahre alte Schneiderin Frl. Johanna H. war am
13. III. 08 morgens ganz gesund aufgestanden. Auf dem Wege nach
ihrer Arbeitsstelle fror sie recht heftig, arbeitete aber trotzdem unter
grossen Beschwerden, die sich besonders in Seitenstechen und quälen¬
dem, trockenen Husten äusserten, noch den ganzen Tag. Am 14. III. 08
konnte sie nach einer schlecht verbrachten Nacht nicht mehr auf¬
stehen und liess mich zu sich rufen. An diesem Tage stellte /ich
folgenden Befund fest: Temp. 39,6, Puls 120; von der 7.—10. Rippe
rechts hinten Dämpfung, krepitierendes Rasseln. Bronchialatmen be¬
sonders deutlich nach Aufhusten der Patientin; Fremitus pectoralis
über der gedämpften Stelle verstärkt; von der 7. Rippe nach auf¬
wärts ca. 2 Finger breit bronchiales Atmen; Sputum rostfarben.
Diagnose: kruppöse Pneumonie. Natürlich glaubte ich auch hier,
dass die Pneumonie sich noch weiter ausdehnen würde; aber schon
s ) Die Krankheiten der Lunge, von O. See, Professor der kli¬
nischen Medizin an der Faculte de medccine in Paris. II. Teil. S.
180 u. f.
am folgenden Tage, d. 15. III. 08, betrug die Temperatur 36,8, Puls 72;
das Sputum war schleimig und locker; die Auskultation ergab bron¬
chiales Atmen und Rasselgeräusche über der 7.—10. Rippe, die Per¬
kussion ebendaselbst keine Dämpfung mehr, sondern verkürzten
Schall. Die Patientin lag ruhig und leicht atmend im Bette und
erzählte mir, dass gegen Morgen reichlicher Schweissausbruch ein¬
getreten sei und danach alle Beschwerden, die sie die vergangenen
zwei Tage so sehr gequält hätten, verschwunden seien. Am 16. III.
waren Temperatur und Puls normal, Husten leicht und sehr wenig
schleimiges Sputum, das Atmungsgeräusch vesikulär, ab und zu über
der erkrankt gewesenen Stelle ein Ronchus zu hören, die Dämpfung
war vollständig geschwunden. Die Rekonvaleszenz verlief unge¬
stört.
Also auch hier geht eine objektiv genau festgestellte krup¬
pöse Pneumonie nach 2 Tagen in Genesung über. Das Charak¬
teristische an diesen beiden Pneumonien war die Raschheit
ihrer Entwicklung, ihre kurze Dauer und rasche Deferveszenz.
Und doch waren es unzweifelhaft richtige kruppöse Pneumo¬
nien: Wir fanden erhöhte Temperatur, frequenten Puls, krepi¬
tierendes Rasseln, Bronchialatmen, Dämpfung, verstärkten Fre¬
mitus pectoralis, rostfarbenes Sputum — und all diese Erschei¬
nungen verschwanden nach 2 Tagen und machten recht schnell
dem früheren normalen Zustande wieder Platz.
Wie erklärt sich nun der schnelle Verlauf der abortiven
Pneumonie? In den beiden von mir soeben geschilderten
Krankengeschichten sahen wir, dass der Krankheitsprozess be¬
züglich der Ausdehnung eng begrenzt gewesen und wahr¬
scheinlich nicht weit in die Tiefe der Lunge gedrungen ist, son¬
dern sich mehr oberflächlich gehalten hat; auf diese Weise
würde auch die schnelle Resorption des Exsudates leichter ver¬
ständlich sein. Vielleicht könnte man auch noch daran denken,
dass der Diplococcus Friedländer durch irgendwelche, uns
vorläufig unbekannte Umstände in seiner Virulenz stark ab¬
geschwächt ist, und infolge dessen ein weiteres Umsichgreifen
der Krankheit verhindert wird. Beides, die nur oberflächliche
Erkrankung eines kleinen Teiles des Lungengewebes und
andererseits in ihrer Virulenz abgeschwächte Pneumokokken
dürften, da wir andere Ursachen bisher nicht kennen, zur Er¬
klärung der abortiv verlaufenden Pneumonie wohl ausreichen.
Die neue Erklärung der Tuberkulinwirkung.
Entgegnung auf die Arbeit von Zieler über toxische Tu'ber-
kulosen, diese Wochenschrift 1908, No. 32.
Von A. Wolff-Eisner - Berlin.
Zielers Einwände gegen meine Erklärung der Tuberkulin¬
wirkung beruhen im wesentlichen auf 2 Tatsachen:
1. man erzielt eine Kutanreaktion auch mit filtriertem Tuberkulin
Höchst, in dem keine Tuberkelbazillensplitter nachweisbar sind;
2. auch Dialysate erzielen, wenn auch schwache TuberkuMn-
wirkung.
Nebenbei stellt Zieler fest, dass in der gesamten Literatur
meine neue Theorie ohne Widerspruch zitiert wird. Es ist zwar
leider nicht der Fall, doch angenehm zu hören.
Beide oben erwähnten Tatsachen sind mir bekannt und in meiner
Monographie (Wiirzburg, Stüber 1908) ausführlich mitgeteilt. Ich
habe mit Chamberland- und Berkefeldfiltraten, die keine Splitter nach-
weisen Messen, Kutanreaktionen erhalten und aus der Tatsache, dass
Höchster Tuberkulin (das filtriert und splitterfrei ist) Kutanreaktionen
von typischer Struktur erzeugt, den Schluss gezogen, dass die An¬
sicht von Pick nicht haltbar sei, dass durch sichtbare Splitter die
tuberkelähnliche Struktur der Kutanpapel erzeugt wird (cf. Berl.
klin. Wochenschr. 1908, No. 30, S.-A. S. 10). Auf Grund neuer Ver¬
suche (Berl. klin. Wochenschr. 1908, No. 30/31) komme ich sogar zu
dem Schluss, dass der Splitter nicht an sich den Tuberkel er¬
zeugt, sondern erst dann, wenn er in den löslichen Zustand
übergeht (lysiert wird). Hieraus wird der Schluss zu ziehen
sein, dass die im filtrierten Tuberkulin vorhandenen wirksamen
Stoffe ultramikroskopische Splitter sind. Es ist der „Splitter“ ein Bild,
das ich stets verwende, da ich die Wirkung von Eiweiss (Zentralbl. f.
Bakteriol., Bd. 40, H. 3) ebenfalls unter dem Bilde ultramikro¬
skopischer Splitter erklärlich mache. Wenn man will, kann man
sagen, dass die Wirkung an Tuberkelbazilleneiweiss geknüpft ist. Dass
eine geringe Menge der wirksamen Substanzen im Tuberkulin in voll
gelöstem Zustande vorhanden ist (wie bei allen Endotoxinen, was
Zieler ganz richtig anführt) halte ich für möglich, dass es aber
nur wenig ist, geht daraus hervor, dass Gesunde auf Tuberkulin
nicht reagieren. Doch bin ich selbst auf diese naheliegende Annahme
gekommen, um zu erklären, dass Gesunde auf sehr grosse Mengen
Tuberkulin (ca. 2 cg) doch reagieren. Andererseits habe ich ebenda
.den Nachweis erbracht, dass die Tuberkulinimpfung bei Tuberkulösen
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UNIVERSITY QF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1839
identisch mit der Wirkung von Bazillenleibersubstanzen ist. Da
ich für das in Wirkung Treten der Stoffe ebenfalls ein in Lösung
Gehen der Stoffe annehme, scheint mir der Unterschied nicht gross
genug, um eine Polemik zu rechtfertigen.
Ueber dfe Versuche, aus denen eine Dialysierbarkeit der im
Tuberkulin wirksamen Stoffe hervorgeht, habe ich auf S. 95 und 96
meiner Monographie berichtet. Es liegen also keinerlei
neue Tatsachen für eine Kritik vor.
Auf die aus der Komplementbindung gegen meine Tuberkulin-
theorie erhobenen Einwände von Zastka (Wien. klin. Wochenschr.
1908, No. 24) die von Zieler belobt werden, nach meiner Meinung
aber unhaltbar sind, komme ich in kurzem in der Wien. klin. Wochen¬
schrift zu sprechen. Die Arbeit erscheint Ende August oder Anfang
September.
Ich bitte die Kürze dieser Erwiderung damit zu entschuldigen,
dass ich in der demnächst in der 2. Auflage meiner Monographie aus¬
führlich auf die Grundlagen meiner Tuberkulintheorie eingehen kann.
Zur Technik der Nadelextraktion.
Bemerkungen zu dem Artikel von Dr. Carl H a e b e r 1 i n.
Von Privatdozent Dr. G. Holzknecht und Dr. Richard
L. G r ü n f e 1 d in Wien.
ln No. 32 dieser Wochenschrift teilt H a e b e r 1 i n ein Verfahren
mit, welches die chirurgische Entfernung eingedrungener Fremd¬
körper durch eine zweckmässige Lokalisation mittels der Röntgen¬
strahlen erleichtern soll. Diese Methode bestünde in dem „syste¬
matischen Hin- und Herbewegen des den Fremdkörper enthaltenden
Gliedes“ hinter dem Schirm. Die weiteren Angaben des Autors,
nämlich: man möge „in vielen Ebenen durchleuchten“, ferner „den
Körper um die Längsachse“, weiters „um die sagittale Achse“, end¬
lich „die Hand im Handgelenk“ bewegen, enthalten keine präzise Be¬
schreibung dieser Prozedur.
Der Vorschlag ist vielmehr eine genetische Vorstufe einer von
v. Karajan und dem einen von uns angegebenen Lokalisations¬
methode für Fremdkörper in den Extremitäten (Fortschr. a. d. Geb.
d. Röntgenstr., Bd. 4, pag. 174, 1900—01; siehe auch den dieser
Methode gewidmeten Abschnitt unserer Arbeit: „Die Fremd-
körperharpunierung“ im Zentrallbl. f. d. ges. Therapie, XXII. Jahrg.,
H. 2, 19U4), welche seither auch in radiologische Lehrbücher Ein¬
gang gefunden hat. Diese Methode besteht in kurzen Worten darin,
dass der Körperteil, in welchem sich der Fremdkörper befindet, hinter
den Schirm derart eingestellt wird, dass die Nadel auf dem Schinne
als Punkt erscheint. Man markiert nun die beiden Punkte der Haut,
welche sich mit dem punktförmigen Schatten decken (den uns und
den der Röhre zugewendeten Punkt) und hat damit die Lage der
Achse bestimmt. Man wendet nun den freigewählten Ort der In¬
zision dem Schirm zu, sieht jetzt den Fremdkörper in seiner Längs¬
ausdehnung und markiert seinen Schatten auf der Haut. Senkrecht
über die Mitte dieser Marke zieht die Inzisionslinie. Wo diese
Methode prinzipiell versagt, muss man selbstverständlich die Nadel¬
end punkte einzeln in der gleichen Weise wie rundliche Fremd¬
körper lokalisieren; gerade das sind die einfachsten Fälle. Im
Röntgenlaboratorium des k. k. allgemeinen Krankenhauses in Wien
stehen diese geometrisch präzisen Methoden seit 7 Jahren
(1901) in Verwendung, haben allen berechtigten Ansprüchen genügt
und es ist doch kein Grund vorhanden, eine Methode an deren Stelle
zu setzen, welche sich lediglich als Rückschritt Qualifiziert.
Die Fälle, in denen auch die genauesten Lokalisations¬
verfahren bei der Operation versagen, weil der menschliche Körper
nun einmal kein« feste und geometrisch einfache Form hat, weil alle
Marken sich durch Lagerung, Gelenkstellung und Eingriff verschieben,
können nur auf einem Wege, nämlich durch die Benützung der Rönt¬
gendurchleuchtung während der Operation, wie sie in unseren
Arbeiten: „Die Fremdkörperentfernung bei wechselndem Röntgen-
und Tageslicht etc.“ (Wiener klin. Wochenschr., No. 9, 1904, ferner
D. Zeitschr. f. Chir., Bd. 73, 1904), sowie nach uns von Perthes
(Zentralbl. f. Chir., No. 22 u. 23, 1904) beschrieben sind, erledigt
werden.
Dass die hierfür erforderliche Einrichtung vielfach nicht zur
Verfügung steht, wie Haeberlin bemerkt, ist wohl richtig, aber
bedauerlich, denn dann bleibt der Fremdkörper drin.
Wien, 14. August 1908.
Aerztliche Standesangelegenheiten.
Ethische Fragen für den ärztlichen Stand.
Zeitgemässe Revision der Etikettenfragen.
Von Dr. Max Nassauer in München.
(Schluss.)
Wie nun soll der jung niedergelassene Arzt eine Praxis er¬
werben? Wie soll und darf er sich ankiindigen? Was soll er tun,
um bekannt zu werden, Klienten zu finden, seinen Unterhalt zu ver¬
dienen, wissenschaftliches Material zu erlangen . . . und wie soll er
anderseits sich zu seinen Kollegen stellen, ohne sie zu schädigen,
ohne das Ansehen des gemeinsamen Standes herabzusetzen?
Da müssen wir von vornherein eine erste allgemein ethische
Pflicht erfüllen, wenn wir uns anschicken, diese Frage zu beant¬
worten : Wir müssen ehrlich sein. Und da müssen wir von
vornherein ehrlich zugestehen, dass jeder neu sich niederlassende
Arzt ein neuer Konkurrent ist. Und zwar ein gefährlicher Kon¬
kurrent. Denn er wird mit all seiner jungen Tatkraft und Energie
kranke Leute in Behandlung zu bekommen suchen und damit seinen
Lebenszweck auszufüllen streben. Da nun nicht vorgeschrieben wer¬
den kann, dass der junge Arzt nur solche Patienten übernehmen darf,
die noch keinen anderen Arzt haben, so ist er also darauf ange¬
wiesen, seinen Kollegen, den anderen Aerzten, Klienten abzunehmen.
Das wird nun hinwiederum diesen nicht erwünscht sein. Sie werden
einen passiven Gegenstoss unternehmen müssen. So setzt der Kon¬
kurrenzkampf ein. Wie in jedem anderen Beruf. Dieser Kon¬
kurrenzkampf muss kollegial geführt werden. Das
ist die erste und wichtigste Forderung der ärztlichen Ethik!
Und dazu werden Etiketteregeln aufgestellt werden müssen, wie
bei einer Mensur auf dem Paukplatz. Dieser Komment des ärzt¬
lichen Kampfplatzes ist es, den wir im einzelnen besprechen wollen.
In diesem Kampfe, in dem jeder Sieger sein will, können ausser¬
ordentlich leicht Verstösse gegen die kollegiale Gesinnung erfolgen.
Darum ist es vor allem erforderlich, ein allgemeines Solidaritäts¬
gefühl zu gestalten, wie es das Standesbewusstsein darstellt. Wird
dieses Standesbewusstsein allen Aerzten eingepflanzt, dann fügen
sie sich freiwillig -den sich entwickelnden Anforderungen des Standes.
Diese Freiwilligkeit aber ist, wie ich schon ausgeführt habe, ein
besserer Halt als der Zwang. Da indessen in jedem Stande un-
: lautere Elemente vorhanden sind, für welche nur Zwangsmassregeln
wirksam sind, sind gesetzliche Einrichtungen erstanden oder
im Erstehen begriffen, die eine Handhabe zur Bestrafung bieten.
Innerhalb der Aerzteschaft sind jedoch die Meinungen über diesen
j gesetzlich festgelegten Komment sehr geteilt. Unbedingte Voraus¬
setzung für eine wahrhafte Kollegialität ist es, dass man allen Mit¬
gliedern des Standes Duldsamkeit entgegenbringt und versucht, sich
in die verschiedenen Charaktere und die Eigenheiten der einzelnen
Kollegen hineinzudenken und darnach sein Urteil einzurichten.
Früher hatten die alteingesessenen Aerzte infolge ihrer Macht
und ihres Ansehens zu verhindern gesucht und auch gewusst, dass
der junge Arzt zu rasch bekannt würde. In einem kleinen Büchlein
„Meine Nachtglocke“ schildert Edel sehr anschaulich die klein¬
städtischen kollegialen Verhältnisse: „Die wenigen ansässigen Aerzte
terrorisierten jeden Eindringling durch ihre spöttischen Bemerkungen,
durch lieblose Urteile und begünstigten dadurch unbewusst die un¬
reinsten Elemente.“ Aber der neu angekommene Arzt wurde damals
wenigstens noch bemerkt, bekrittelt und begutachtet. Dadurch kam
er wenigstens in das Gerede der Leute. Er wurde bekannt. Die
Tagespresse spielte noch keine Rolle. Die Reklame steckte in jeder
Beziehung noch in den Kinderschuhen, ja sie war kaum noch geboren.
Es war verfehmt ein irgendwie grösseres oder auffallendes Schild
anzubringen, die Sprechstundenzeit, eventuelle Spezialität, anzu¬
schreiben, ja sogar eine Nachtglocke galt schon vielfach als un¬
erlaubte Reklame. Nun vergegenwärtige man sich, dass auch in
den anderen Berufen die Reklame etwas durchaus ungewohntes war!
Dann kam mit dem Anwachsen der Bedeutung der Presse die wach¬
sende Reklame durch die Zeitungen und schliesslich die schwindel¬
hafte Reklame. In deren Gefolge das Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb.
Die Tagespresse wuchs zur ungeheuren Macht heran . . . nur
wer den Augenblick ergreift, der ist der rechte Mann.
Wer von den Kaufleuten es verstanden hat, sich die Zeitungs¬
reklame bald nutzbar zu machen, hatte den Erfolg auf seiner Seite.
Dann kam die Zeit, in welcher die räumliche Ausdehnung der Stadt
es für die Aerzte zur Notwendigkeit machte, gewisse dringende Mit¬
teilungen an ihre Klienten durch die Tagespresse bekannt zu geben.
Gerade die beschäftigsten Aerzte werden zuerst in der Lage ge¬
wesen sein, ihren Urlaub, ihre Wiederkehr durch die von jedem ge¬
lesene Tageszeitung kund zu tun. Immerhin mag der erste Arzt, der
diesen Weg beschritt, eine gewaltige Revolution in den Köpfen seiner
Kollegen angerichtet haben und manches böse Wort mag an den
Stammtischen und Honoratiorentischen der Stadt gefallen sein, an
denen die Herren Doktoren ihren würdigen Platz innehatten. Und
wer es dann gewagt haben wird, seine Niederlassung ebenfalls
durch die Zeitung anzuzeigen, der wird wohl gar von seinen älteren
Kollegen keines Grusses mehr gewürdigt worden sein.
Heutzutage ist die Tagespresse einfach für den Arzt nicht mehr
zu entbehren. Dort ist der Ort, wo er seine Niederlassung ver¬
kündet, seine Rückkehr von einer Reise mitteilt. Ich möchte den
Weg der anständigen Annonce nicht nur nicht für unethisch, sondern
im Gegenteil für ethisch notwendig erklären. Denn es ist ethisch,
alle anständigen Wege zu beschreiten, um seine Persönlichkeit zur
Geltung zu bringen. Ethisch ist es, alle anständigen Handlungen zu
unternehmen, um sich unabhängig zu machen, seine Familie zu er¬
nähren. Für unethisch würde ich es im Gegenteil erachten, wenn
eine grössere Zahl von Kollegen, infolge guter ererbter Ver¬
hältnisse sich über ihre Kollegen für zu erhaben hielte, um Mass-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1840 MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. _N<» *5.
nahmen mitzumachen, die für den grösseren Teil der Kollegen für
notwendig erachtet werden. Gerade der materiell gut gestellte Kid¬
lege kann seinen sittlichen und ethischen Wert darin erweisen, dass
er den materiellen Unterschied beim Publikum verwischt und sich
nicht als einen Arzt höherer Ordnung betrachten lässt. So darf der
gut gestellte Arzt nicht etwa durch zu geringe Rechnungen die Wer¬
tung der ärztlichen Leistungen heruntersetzen; er soll z. B. sich der
im Interesse der wenig begüterten Kollegen geschaffenen x \ oder
Vs jährigen Rechnungsstellung anschliessen usw.
Nun werden in der Tradition befangene Leute sagen können,
dass es wohl erlaubt sei, zu annoncieren: aber nur 1 oder 2 mal.
Ich muss gestehen, dass ich da nicht so ängstlich bin. Ich kann
es verstehen, dass ein junger Arzt, wenn er nach seiner Nieder¬
lassungsannonce lange vergeblich auf Klienten gewartet hat, den
Versuch wiederholt und noch einmal seinen Namen in die Zeitung
bringt. Ich kann eine Grenze für die Zahl der Annoncen eigentlich
nicht als berechtigt anerkennen, selbst wenn ein Kollege in der un¬
glücklichen Lage wäre, ein Jahr lang alle paar Wochen wieder annon¬
cieren zu müssen. Ls würde schliesslich nur derjenige Ar/t annon¬
cieren, der es nötig hat. Wer aber schon eine gute und anständige
Klientel hat, wird sich hüten, durch häufiges Annoncieren zu dokumen¬
tieren, dass er diese Art der Reklame noch braucht. Selbstredend
w r ill ich damit nicht einem schrankenlosen Annoncenunfug das Wort
reden; ich will nur Vorschlägen — und darauf werde ich zuruck-
kommen —, dass w ir eine Aenderung in dem bisherigen Modus treffen
müssen und die nun einmal bestehende Woge in ein richtiges und stan¬
deswürdiges Fahrwasser leiten müssen. ,
Eine solche würdige Annonce — ihr Inhalt ist wichtiger, als die
Anzahl ihres Erscheinens — halte ich für anständiger, als wenn je¬
mand eine lächerliche Ausrede annonciert. Wenn ein Ar/.t mit Namen
und Strasse, Telephonnummer und Bezeichnung der Spezialität an¬
kündet, dass er vom 22 . bis 24. Dezember verreist sei, dann am 25..
27. und 29. Dezember wieder annonciert, dass er zurückgekehrt sei,
so ist das unwürdig und, was eigentlich ebenso schlimm ist, lächer¬
lich. Das schlimmste in der Welt ist, sich lächerlich zu machen.
Solche Leute sind aber auch dumm. Die in Dummheit Sündigenden
müssen w r ir belehren; die sich lächerlich machenden Kollegen müssen
wir vor weiterer Lächerlichkeit bewahren, die das Publikum täu¬
schenden müssen wir strafen. Denn das Publikum schiebt die
Dummheit und die Lächerlichkeit und die Täuschung schliesslich dem
Stande zu. Der Stand aber darf auch seinerseits keine dummen
und keine lächerlichen Massregeln treffen und in denselben Fehler
verfallen, wie die, die er belangt. Darum wird er in den bisher an¬
gezogenen Fällen von Fall zu Fall entscheiden müssen. So w ird er
es für durchaus berechtigt erklären müssen, die Rückkehr vom Ur¬
laub ein- oder auch mehrmals anzcigcn zu dürfen. Jeder beschäftigte
Kollege hat die Erfahrung gemacht, dass seine Klientel auf seine
Rückkehr wartet, auch wenn sie durch einen Vertreter zur Not¬
durft versorgt ist. Meist nehmen die Leute gar nicht den Vertreter,
sondern irgend einen Arzt, dem nun wdeder wenig daran gelegen
sein kann, die Rückkehr des Kollegen den Patienten zu vermelden.
Da ist es direkt Pflicht gegenüber den Klienten, sic zu benachrichti¬
gen. Mir selbst ist es oft begegnet, dass während des Urlaubs
Dutzende von Karten meines Vertreters an die Klienten der Sprech¬
stunde gegeben wurden, dass sich bei diesem aber nur ein ganz ge¬
ringer Bruchteil eingefunden hat. Die einmalige Benachrichtigung
in der Zeitung von meiner Rückkehr wurde sehr oft übersehen, wie
dann die Patienten ärgerlich erklärten, die erst später zufällig von der
Rückkehr hörten.
Wie ich schon andeutete, sollte die ganze Annoncenfrage in
grosszügige Bahnen geleitet werden. Die ärztlichen Organisationen,
die sich mit Standesfragen beschäftigen, sollten für ihre Mitglieder
sorgen! Gerade für die Bedürftigsten, die auch der Versuchung
am ehesten unterliegen, zu verzweifelten, imethischen Massnahmen
zu greifen, sollten die Organisationen sorgen. Werden diese in der
Organisation eine Stütze finden, so werden sie zum Standesbewusst-
sein und zur Befolgung der ärztlichen Etikette erzogen. Nicht aber
dann, wenn ihnen die Vorschriften der Organisation und der Etikette
alle möglichen Flindernisse in den Weg legen, bekannt zu werden.
Da wäre folgender Weg zu überlegen: Die Organisation, im ein¬
schlägigen Falle der ärztliche Bezirksverein, unterhält in den Tages¬
zeitungen eine ständige Rubrik, in welcher alle Mitteilungen der
einzelnen Aerztc an die Oeffentlichkeit gelangen: Niederlassungen,
Urlaub, Rückkehr, Wohnungswechsel etc. Von Vorteil dürite es
sein, in diese Rubrik auch allgemein interessierende ärztliche Tat¬
sachen, kurze Warnungen vor Schwüidelrnitteln. kurze hygienische
Winke u. dergl. aufzunehmen, um das Interesse des Publikums auf
die Rubrik zu lenken und es wach zu halten. In diese Rubrik, die
von dem Bezirksvereiu redigiert würde, soll nach Bedürfnis auch
eine gewisse Reklame fiir bedürftige Aerzte gelangen dürfen. Die
Organisation soll da nach Prüfung und Wägung der eingehenden An¬
träge nach gutem Gewissen handeln dürfen. Der beschäftigte Arzt
wird nur für seine wichtigsten Mitteilungen um Auinahme nach¬
suchen, der in Sorge lebende wird dieser Nachhilfe öfters zu Teil
werden. Es konnte damit noch etwas Gutes geschaffen werden:
Die Outsider, die bis letzt gewinnsüchtiger- und uuaustandigerweise
annonciert haben, werden damit kalt gestellt. Bis jetzt haben diese
von ihrer Unanständigkeit profitiert. Nur die wenigen Namen der
unanständigen Aerzte prangten bis jetzt in den Zeitungsannoncen.
Aber gerade, weil es wenige Namen waren, konzentrierte sich das
Auge der Lesenden auf diese Wenigen. Erscheint nun eine ständige
Rubrik mit vielen Namen und damit, ständig wechselnd, eine neue
Serie von Namen ... dann verschwinden die unanständigen Annoncen
von selbst. Denn sie verschwinden unter der Menge der anderen
und verlieren damit ihren Wert. Andererseits wird es bald bekannt,,
dass diese Annonceure von den Acrzten nicht als Kollegen be¬
trachtet werden und anrüchig sind. Aber ein anrüchiger Arzt er¬
wirbt kein Vertrauen. Und es wird verhindert, dass die anständigen
Annoncen vorn Zeitungsdrucker kunterbunt mit den unanständigen
zusammengestellt werden, wie es bis jetzt vieüadi der Fall ist.
Diese homöopathische Behandlung der Anrn»itccnfrage sei Ihrer
Diskussion emptohlen! Selbstredend werden durch dieses \ <»rgehen
nicht alle unsauberen Elemente \ erhindct t. neue Wege der eigen¬
süchtigen Reklame zu finden. Aber die Differenzierung ist zu offen¬
kundig. als dass sie vom Publikum nicht bemerkt wurde. Das soll
auch der Fall sein! Denn wir sollen uns durchaus nicht scheuen
— und das ist ein sehr wichtiger Punkt die unsauberen Elemente
unter uns offenkundig als solche zu deklarieren! Das Publikum be¬
kommt viel mehr Achtung vor uns. wenn wir offen und eh-lich zeigen,
dass es auch unanständige Aerzte gibt, als wenn wir \ersuchen
wollten, alle Verfehlungen innerhalb des Standes mit dem Mantel
der Kollegialität zu \ erdecken. Dadurch kommen wir allzu leicht in
Gefahr, dass uns das Publikum insgesamt unter diesen etwas flecki¬
gen Mantel steckt! So sollen wir auch die Namen dcriemgen Kol¬
legen, die sich w iederholt und bew usst gegen unsere Ethik
vergangen haben, zum ersten unter uns nennen und uns dann audi
nicht scheuen, sie auch denen gegenüber zu nennen, die vmi ihnen
geschädigt worden sind, z. B. die Krankenkassen. So wird unse r
ehrlicher Wille erkannt, dass wir auf absolute Anständigkeit inner¬
halb des Berufes den grössten Wert legen. Dies ist besser, als Wenn
nur die sachlichen Verfehlungen genannt und deren l rheber nur v-m
Ohr zu Ohr geflüstert werden. - Dies Vorgehen wurde audi j ro-
ph\ taktisch wirken!
Nun aber kann, ausser durch Annoncen, die Tagespresse auf
andere Weise zur Reklame benutzt werden. Das sind die Dank¬
sagungen von Patienten mit Namensnennung ihrer Aei/te. Die
Münchener Zeitungen lehnen sokhe Annoncen grundsätzlich ab. Mit
Recht. Gar zu leicht und gar zu oft kann diese Reklame vom Arzte
selbst redigiert und veranlasst werden, wie dies denn auch ein be¬
kannter Iric der Kurpfuscher ist.
Eine unwürdige Reklame wird auch vielfach im redaktionellen
Teil der Zeitungen getrieben. Da wird das Bu.-.etm irgend eines er¬
krankten Grossher/ogs als Deckmantel fiir tägliche Reklame benutzt.
Staunend lesen die arglosen l.eser von der Berufung eines Arztes
zu einer Persönlichkeit nach Bukarest oder sonstwohin. In München
sind wir noch nicht so weit; da aber diese feine Blute der Rekiame
im Norden schon heimisch geworden ist. ist ihre Verpflanzung hier¬
her nur eine Frage der Zeit. Das Bedauerlichste ist dabei, dass diese
Reklame selbstredend meistens durchaus nicht von notleidenden
Aerzten veranstaltet wird! Wenn eine Privatkümk auf Brief¬
kuverts etc. dm Stadtplan mul rot angestrichen die Klinik darauf
und den Weg vorn Bahnhof dahin markieren wurde, wurde das von
den Kollegen als nicht stamlcsgemavs bc/cichnci werden. Ob staat¬
liche Kliniken und deren Leiter davon aiis/muhmen sind, darüber
wird die Diskussion vielleicht auch Auikiarung ergeben.
Lline weitere Reklame kann, bewusst oder unbewusst, m der
Darstellung von populärer Medizin in den 1 ages/citiingvn tur den
Verfasser erfolgen. Gegen diese Art der indirekten Reklame wird
dann nichts einzuvv enden sein, wenn die I »ar Stellung wirklich geb,alt-
voll. belehrend und nutzbringend ist. Line geschickte Populari¬
sierung der Medizin wird nur zum Ansehen der ar/tlidien Wissen¬
schaft und damit der Aerzte beitragen. Macht sich der geschickte
ärztliche Antor dadurch einen Namen, so hat er dusen I rndg mir
Seiner Tüchtigkeit zu verdanken und damit ist auch seine Betätigung
gutzuheissen. Ich meine, es konnte in diesem Punkte noch viel mehr
geschehen. W ir haben viel zu wenig Kollegen, die es verstehen,
einen guten Kontakt zwischen Pub.ikum lind Ver/ten durch gute
Populäre Medizin lier/ustellen.
Ebenso wird tm nies LraditeüS e re irv inni ge. beüctr s; sj-..
htefa rische Betätigung, auch aus .e/'ü 1 i in M eil heraus, wenn s e
von grosszügigen, al.gemem menschlichen (iesichtspunkten aus er¬
folgt, mir zu Künsten des Standes W.IM.I 1 können. Audi eh rt. wo
menschliche Schwächen der Aerzte v-n d enii sdbst ’.td:e*ul ge-
geisselt werden. Man muss andi u'm vdi selbst i.icKn k-«r ihu
und manchem üblen Denken wird de N’.t/e abgebr« dien, wem-
man selbst zuerst sei ne Leiber ’adiend I e s-. f . >,.’die fe'.r.sd'e
Betätigung hat noch von ieher Ja zu ! t „ e ! * a }>. das Vrtvd’eu der
Aer/te zu erhöhen. Im IY Ja 1 ;: hu mH '• war das a:iss. ro-den: .d’e
Ansehen der Aer/te n.dit zum maule ste u m : gt durch d ese v e -
iache Betätigung der Ver/te in a de • e mn K : ’ .mt item Les¬
sing und Schiller stammen aus :? e : / " sd-, m >:am ! e; Bdl-
r o t h. Volk m a n n - 1. e a n d e r, S v h eM.ig.» Salus
haben dem ärztlichen Stande gew ,s< an V ^ en kc nett Abbruch
getan.
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1841
Im übrigen würde man sich sehr täuschen, wenn man annehmen
würde, dass ein Arzt durch literarische Betätigung seine berufliche
Tätigkeit vermehre. Es ist im Gegenteil die Beobachtung zu machen,
dass sch-riftstellernde Aerzte, wenn sie auch noch so seriös sind,
sich in ihrer Praxis schädigen. Das Publikum glaubt vielmehr, dass
der betreffende Arzt seine literarischeTätigkeit auf Kosten seiner ärzt¬
lichen Gründlichkeit ausübe. Ich bin sicher, dass B i 11 r o t h oder
Volk mann durch ihre literarische Tätigkeit nicht einen einzigen
Patienten neu erworben haben und nur etwa eine sehr sensitive
Dame könnte durch ein lyrisches Gedicht von Hugo Salus be¬
wogen werden, ihn als Geburtshelfer beizuziehen, damit, wenn auch
nicht die Grazien, so doch die Musen an der Wiege ihres Kindes
stehen.
Als erlaubte Reklame möchte ich öffentliche hygienische Vor¬
träge 'bezeichnen*. Natürlich werden sie gehaltvoll und geschmack¬
voll sein müssen. Ebenso muss das Publikum dazu ausgewählt sein.
Es geht aber nicht an, hygienische Vorträge in irgend einem Verein
zu halten, der sich von vornherein in einen Gegensatz zur Medizin
und ärztlichen Ausbildung stellt. So sind Vorträge in Naturheil¬
vereinen und dergl. absolut standesunwürdig.
Wer aber das Talent und den Fleiss dazu aufwendet, Vorträge
seines Faches in nutzbringender und würdiger Form zu halten, der
soll es tun. Erzielt er dadurch eine grössere Klientel, so ist das
sehr verdienstlich. Denn der Tüchtige hat noch immer das Recht,
seine Tüchtigkeit für seine Stellung und seinen Erfolg zu verwerten.
Nur Neid und Missgunst sind geneigt, etwas unwürdiges dahinter zu
erblicken, während dieser absprechende Kollege vielleicht gerade
seinen Frack anzieht, um mit seinen gesellschaftlichen Eigenschaften
als Protektor für irgend ein Fest zu gunsten einer sanitären Ein¬
richtung auf den Patientenfang auszugehen!
Wenn der jung niedergelassene Arzt seine Annoncen in die
Zeitungen gegeben hat, muss er den nun zu erwartenden Patienten
auch den Weg in seine Studierzimmer zeigen. Er muss unten am
Haus ein Schild anbringen. Es ist eigentlich kleinlich und lächerlich,
über die Zahl, Form, Farbe der Schilder, über den darauf befind¬
lichen Text viel zu diskutieren. Man sollte meinen, dass da ein jeder
den richtigen Geschmack besitze. In der Stadt ist ein . Schild un¬
bedingt notwendig. Der Mangel wäre eine Rücksichtslosigkeit gegen
das Publikum. Seine event. Spezialität muss der Arzt unbedingt be¬
zeichnen, damit nicht etwa zu einem Frauenärzte unnötigerweise
Männer die verschiedenen Treopen hinaufsteigen. Ebenso wird er
seine Sprechstundenzeit angeben müssen. Die Zahl der Schilder und
ihre Grösse wird nicht nach einem Schema vorgeschrieben weiden
können und dürfen. An einem sehr grossen Haus wird ein kleines
Schild verschwinden. An einem von anderen Schildern schon über¬
säten Hause darf das ärztliche auch versuchen, seinen Platz und
sein Dasein durch irgend eine auffallende Unterscheidung von den
anderen kenntlich und bemerkbar zu machen. Denn schliesslich ist
das ja sein einziger Daseinszweck. An einem Eckhaus kann einem
zweiten Schilde, je einem an jeder Ecke, die Daseinsberechtigung
nicht abgesprochen werden. Gegen ethische Forderungen wird
meines Erachtens hauptsächlich durch den Text gefehlt. Wenn je¬
mand die verschiedensten Spezialitäten auf das Schild schreibt, so
ist das unwürdig, weil damit in den meisten Fällen eine Täuschung
des Publikums vorliegt. Wenn jemand ein ganz spezielle Behand¬
lungsmethode angibt, z. B. Massage bei Frauenleiden, so dürfte das
vielfachen Anstoss erregen, da damit der Anschein beim Publikum er¬
weckt wird, vielleicht auch erweckt werden soll, als ob gerade dieser
Arzt nur das Verfahren pflege. Noch schlimmere Reklametafeln
weisen einzelne Spezialisten für Lichtbehandlung auf. z. B. „Ambula¬
torium für Chirurgie, Gynäkologie, Elektrotherapie, Haute Frequence,
Sinusoidalewechselstrom, Voll- und Zellenbäder speziell für Herz-,
Nerven- und Frauenkrankheiten, Zirkulationsstörungen, Rheumatis¬
mus, Gicht, Fettsucht, Lähmungen etc., Röntgenkabinett....“ Diese
Annonce stammt aus einer Strasse in München. Das grundlegende
Verfehlen liegt darin, dass der Arzt sich nicht dem Kran¬
ken gegenüber von vornherein festlegen soll, wie er ihn
behandelt, sondern dass er ihn behandelt. Denn in dieser
Festlegung seiner Behandlungsmethode liegt zugleich die Herab¬
setzung oder Geringerschätzung der anderen Behandlungs¬
methoden, d. h. die Tätigkeit der Kollegen. Die Bezeichnung als
Spezialist für Lichtbehandlung oder Röntgen verfahren Ist berechtigt;
unberechtigt ist eine Detaillierung auf dem Schilde; noch unberech¬
tigter die Angabe bestimmter Krankheiten, die man mit dieser Spe¬
zialmethode behandelt.
Bei der Schllderfrage ist der Vorgang zu erörtern, dass Aerzte
an verschiedenen Orten der Stadt ihr Schild befestigt haben. An
sich kann darin nichts Unethisches liegen, seine Hilfe an mehreren
Orten bereit zu halten. Die Professoren ordinieren in ihrer Klinik
und in der Privatwohnung; andere haben Privatsprechstunden in
ihrer Wohnung, Ambulatorien oder Polikliniken an anderem Orte;
wieder andere praktizieren an gewissen Tagen in einer anderen Stadt.
Mit all diesen Betätigungen ist für den betr. Arzt eine grössere Ar¬
beitsleistung verbunden, die ihm niemand wehren kann. Wenn je¬
mand Zeit findet und diie Arbeitskraft hat, täglich an zwei Orten zu
praktizieren, kann kein Grund gefunden werden, ihm das zu ver¬
wehren. Denn dazu ist eine Standesvertretung schliesslich nicht da,
die Konkurrenz auszuschalten und dem Tüchtigen und Arbeitsfrohen
Schwierigkeiten zu bereiten zu Gunsten der vielleicht weniger
rührigen Kollegen.
Trotzdem gilt zurzeit das Praktizieren an verschiedenen Orten
nicht für standeswürdig — meines Erachtens mit Unrecht. Was auch
hat man mit diesem Verbot erreicht? Es wird einfach das Verfahren
verschleiert. Man behauptet, dass man an dem zweiten Orte nur
Kassenpraxis ausübe, dass man zu Hause praktiziere, am zweiten
Orte ein Röntgeninstitut habe etc. Wer aber wird ernstlich einen
Privatpatienten abweisen, der in die Kassensprechstunde kommt und
umgekehrt? Ich bin sogar sicher, dass diese doppelte Tätigkeit mit
den wachsenden Grossstädten immer mehr um sich greifen wird;
Die Stadtzentren werden immer mehr Geschäftsquartiere und der
Privatwohnungen beraubt. Der Arzt einer nahen Zeit wird, ebenso
wie die Familien anderer Stände, aufs Land hinaus, an die Peripherie
der Stadt ziehen, seine Sprechstunden in der Stadt und eine zweite in
seinem Wohn- und Schlafort abhalten. Und er wird dort wie hier
auch an ihn ergehenden Rufen Folge leisten. Wenn wir Aerzte nur
schon so weit wären, unser Wohnhaus aus der verrussten Stadt
hinausverlegen zu können und draussen in der Natur uns Tag für Tag
erholen zu können von all dem Leid und Elend, das uns täglich vor
Augen steht! Alles in allem gebe ich meiner Meinung über die
Schilderfrage dahin Ausdruck, dass ein jedes Schild für sich zu be¬
urteilen ist. Fällt ein solches durch Form und Text als geschmacklos
oder standesunwürdig auf, so wird eine Mahnung bei standesbewussten
Kollegen stets Remedur schaffen. t Eine etwa zu schaffende Kom¬
mission zur Erledigung aller ärztlichen Etikettefragen sollte die Beauf¬
sichtigung dieser Schilder übernehmen und von Fall zu Fall gross¬
zügig entscheiden.
Gelegenheit zur Reklame geben in der Stadt Adress- und Tele¬
phonbücher. Es ist meines Erachtens nichts dagegen einzuwenden,
wenn ein Arzt in diesen offiziellen Verzeichnissen seine Angaben
ausführlich macht: Strasse, Stockwerk, Sprechstundenzeit. Spezialität,
Telephonnummer. Auch in die detaillierten Spezialverzeichnisse soll
er wieder seinen Namen setzen. Komisch und lächerlich und. weil
auf Täuschung berechnet, unethisch ist die Angabe verschie¬
dener Spezialitäten, so dass derselbe Name etwa bei den Kinder¬
ärzten und bei den Halsärzten steht. Genau so, wie es unstatthaft
ist, auf einem Schild der Vorstadt eine andere Spezialität
anzugeben, wie in der Stadt selbst.
Eine zweischneidige Reklame betreiben diejenigen Arzte, welche
ihren Namen für den Vertrieb eines Heilmittels hergeben. Auch wenn
in der Tat das Mittel von dem betr. Kollegen für vorzüglich befunden
worden ist, so ist es doch unstatthaft, dem Fabrikanten unbeschränkte
Erlaubnis zu geben, davon Kunde zu geben. Der Fabrikant und Kauf¬
mann hat ganz andere, ihm erlaubte, Grundsätze in Bezug auf Re¬
klame. wie wir Aerzte, und er wird schrankenlos in seinen Reklamen
den Namen des Arztes mitverwerten. So kann es kommen, dass ein
in gutem Glauben abgegebenes Gutachten jahrelang durch alle
Zeitungen geschleppt wird, ja noch nach dem Tode des Arztes wird
sein Name geschäftlich verwertet. Sollte dies geschehen, so darf
sich der betr. Arzt nicht damit begnügen, die Achseln zu zucken:
sondern er ist es dem Stande schuldig, dass er mit allen Mitteln auf
der Entfernung seines Namens aus der Reklame besteht. Eine andere
Frage ist die der kommerziellen Beteiligung von Aerzten an Heil¬
mitteln, die sie erfunden oder in die Praxis eingeführt haben. Ich
glaube, dass da viel zu oft die Fabrikaktionäre den dem Arzte ge¬
bührenden Anteil in die Tasche stecken. Der Arzt aber ist — un¬
berechtigterweise — mit dem idealen Erfolge abgespeist.
Die Frage, ob der Arzt dem Hotelportier, der ihn rufen liess. ein
Geldgeschenk' verabreichen darf, muss von zwei Gesichtspunkten
aus betrachtet werden. Der Hotelportier ist überhaupt auf Trink¬
gelder angewiesen und in seinen Augen wird derjenige Arzt, der ihm
kein solches verabreicht, weniger Ansehen gemessen, als der
„noblere“ Arzt, der dies nicht versäumt. Etwas anderes ist es und
gewiss nicht standeswürdig, wenn gleichsam Kontrakte mit den
Hotelportiers geschlossen werden und diese für jeden einzelnen Fall
eine Entlohnung erhalten. — Viel wichtiger ist die Stellung der Aerzte
zu den Hebammen. Es ist bekannt, dass gar mancher Arzt die
Hebammen zu veranlassen sucht, ihn zu empfehlen. Dazu werden
die verschiedensten Mittel in Anspruch genommen. Darunter die
allerunwürdigsten. Was soll man dazu sagen, wenn Aerzte
Hebammen zum Kaffee einladen, wobei dann eine jede unter ihrem
Teller ein Geldgeschenk vorfiudet? Das ist Bestechung im schlimm¬
sten Sinne, doppelt verwerflich, als ein solcher Arzt dazu beiträgt,
auch die ethischen Qualitäten der Hebammen zu untergraben. Allzu¬
leicht wird eine solche Hebamme versuchen, den sie entlohnenden
Arzt auch zuzuziehen in den Fällen, in welchen die Gebärende ärzt¬
licher Hilfe gar nicht bedürftig ist. Bei solchen engen Beziehungen
von Aerzten zu Hebammen schädigt nicht nur der Arzt das Ansehen
des ärztlichen Standes, ei korrumpiert auch die Hebammen und
schädigt die Patientinnen an Geld. Gewiss ist ein freundliches Ver¬
halten gegen die schwer und verantwortungsvoll arbeitenden He¬
bammen am Platze; gewiss wird man oft genug Gelegenheit nehmen,
ihr Ansehen bei den Gebärenden zu stützen, auch manchen Fehler
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1842
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N *. 25.
derselben vor -den 1 Gebärenden zu verheimlichen: aber all die«c
Rücksichtsnahme auf unsere am Gcbärbette mitarbeitenden Gehilfinnen
darf nicht so weit gehen, dass man etwa Zirkulare an sie erlasst und
sich oder seinen ärztlichen Nachfolger empfiehlt! — Die Hebammen¬
frage ist von einer Seite her kompliziert, die sich ihres schädigenden
Vorgehens sicherlich nicht recht bewusst ist und die doch in erster
Linie berufen wäre, ärztliche Ethik zu treiben und zu verbreiten:
Das sind die Universitätskliniken oder Polikliniken. Da ist es fast
allgemein Sitte, dass die Hebammen für eingeschickte Präparate ein
Geldgeschenk erhalten. Dagegen wäre nicht allzuviel eiiizuw enden,
weil dadurch manches wertvolle Studienobjekt gewonnen wird. Aber
ausserordentlich schädigend wirken die unter dem Namen von
„Prämien“ segelnden Geldgeschenke bei Inanspruchnahme der poli¬
klinischen Hilfe bei Geburten. Man überlege sich folgendes: Die
Hebammen sind an sich in schlechter materieller Lage. Darum haben
sie ein Interesse daran, möglichst viele solcher Prämien zu er¬
halten. Die weniger bemittelten brauen der Gressstadt wohnen nun
meist an der Peripherie, weit entfernt von den Polikliniken und
Kliniken. In Erwartung der Prämie wird nun die Hebamme leicht
geneigt sein, bei gefährdeten Gebärenden in die Klinik zu schicken,
während vielleicht ein oder auch mehrere Aerzte ganz in der Nähe
wohnen. Dadurch wird die brau einer Gefahr ausgesetzt. Man
denke an Blutungen, schlechte Herztone des Kindes etc. So laufen
also schon die Mutter und das Kind eine Gefahr. Nun aber denke
man sich in das Herz eines schwer arbeitenden Kassenarztes in diesen
Vorstädten hinein. Die herumwohnenden brauen werden poliklinisch
entbunden. Ihm entgeht aus seinem mageren und schwer errungenen
Verdienst die Gebühr, die ihm noch am meisten einbringen wurde.
Erbittert wird er sich schliesslich sagen, warum soll ich nicht auch
eine „Prämie“ zahlen, um mich von der gewaltigen Konkurrenz
cinigermassen zu befreien? Er kann sich sagen, was die Universität
dem Lehrzweck schuldig zu sein und mit ihm entschuldigen zu
können, glaubt, das kann ich mit meinem mageren Verdienst und
meiner grossen bamilie ebenso gut ethisch rechtfertigen. Sicherlich
ist dies nicht richtig und nicht standesw iirdig: aber der Anreiz zur
Vernachlässigung der Standeswürde in diesem Punkte geht nicht von
dem armen Arzte aus! — Man denke weiter und frage sich, ob der
poliklinische Assistent, der die „Prämien“ ausgezahlt hatte, mit dem
Tage seiner eigenen Niederlassung eine neue Ethik an/iehen soll und
nun das als unwürdig betrachten soll, was er a's Universitätsassistent
als ethisch zu betrachten gelernt hat?
Wir sehen an diesem Beispiele am klarsten die von mir am
Eingang meiner allgemeinen Betrachtungen erhobenen borderungen
erwiesen: Gerade die Universität müsste sich es angelegen sein
lassen, nicht nur Mediziner auszubilden, sondern in der Praxis
stehende und bestehende Aerzte. Die von Sc h wen in ge r
erhobene Forderung nach Aerzteschulen ist ganz gewiss berechtigt
und könnte und müsste von den Universitätslehrern mit verwirklicht
werden. Oder die Zeit bringt unaufhaltsam Aerzteschulen, in denen
die Aerzte aus eigener Kraft heraus Lehrer bestellen, die die jungen
Aerzte über soziale und Standesfragen aufklären. Vor allem mussten
selbstredend die Universitätslehrer die ärztlich-ethischen Grundsätze
kennen und, was noch wichtiger ist, in strengster b'orm betätigen
und sich mehr, wie bisher, an den ärztlichen Standesfragen aktiv
beteiligen.
Wenn ich nun zurückschauend die von mir speziell besprochenen
Fragen, wie sie sich mir Glied an Glied in die beder gedrängt
haben, überdenke, so sehe ich, dass mich meine Deduktionen em
abgeschlossenes Kapitel der ärztlichen Ethik Inben abhaiuleln lassen.
Das ist das Kapitel der Reklame, und zwar der ärztlichen Re¬
klame. Nun ist mir klar geworden, dass die Reklame auch bei den
Aerzten sich Eingang verschafft hat. Meine Betrachtungen haben
auch schliesslich dazu geführt, dass eine ärztliche Reklame unter ge¬
wissen bormen standeswürdig ist. Bestanden Int die Reklame von
jeher. In einer früheren Zeit, die es liebte, verschw iegene und indirekte
Wege einzuschlagen und die einen Gefallen daran fand, gewissen
Erscheinungen nicht den richtigen Namen zu geben, war auch die
ärztliche Reklame eine mehr indirekte und verschämte. In unserer
offeneren, brutaleren und rücksichtsloseren Zeit, welche die borm
und das Aeusscrc nicht mehr so sehr in den Vordergrund schiebt,
wie früher, hat auch die ärztliche Reklame sich ihres Mäntelchens
mehr und mehr entkleidet. Ungezügelt und aussein eilend darf sie
niemals im ärztlichen Stande werden . . . eine eigene ärztliche Eti¬
kette werden wir immer aufrecht erhalten müssen. Nur weiden w ir
diese Etikette von Zeit zu Zeit wechseln und revidieren müssen,
damit wir nicht Zunft regeln aufstellen, die. starr und moderig,
die fortschreitende Zeit negierend, den ärztlichen Stand zu einer
moderigen Zunft entarten lassen.
Die ethischen borderungen an sich aber werden nie und nimmer
geändert werden dürfen. Sie müssen stets die ethischen Anspinchc
d'T gebildeten Menschen befriedigen Mögen uns die vielfachen
Kämpfe, die wir um die Erhaltung der Höhe unseres Standes zu fuhren
haben, mögen die Anfeindungen von oben und unten her uns niemals
solche Elemente zuführen, die unsere ethischen Anschauungen auf ein
niederes Niveau herabdrücken könnten!
Vielleicht werden rückständige Merzen mir den Vorwurf machen,
1 < ne weitgehenden Zugeständnisse au die Reklame schon im
Widerspruch mit den ethischen Anforderungen an den ärzfichen
Stand stehen. Diesen Leuten mochte ich erw dein, dass ich mit
meinen Ausführungen nur einem Kinde der. riditueii Namen gegeben
habe, das Ins jetzt ungetauft herumgelauteu und sJmu recht krall,g
geworden ist. .letzt muss es in die >c!iuie gehen und wir Aerzte
müssen sein verständiger Lehrer sein. Dies k aul aber ist n.dit
mein Kind und auch nicht das Ku.d des arzthJien Mundes: Ls ist
ein Kind der Zeit!
Seiner Zeit aber mit klaren Augen ins Auges.Jit zu sehen, ist
das Haupterfoideiins iur irden denkenden Menschen, de r den Pi.it/
in seiner Zeit ausiuiien und an dem Bau der kunt! gen /e t n:.'wirken
Will. Wenn wir Aerzte dies mit a, uase-en Konten erst'eben und
uns dessen bew nst ble.beil, dann n ag d.e ../akuutt des Arztes“ e r e
solehe werdet!, wie sic Nietzsche I sJu.dert. der du sagt: ..Es
gibt keinen Beim, eie*i eine so h< lic Mcigcunig zu .es\e. w .e der des
Arztes. Die höchste geistige Ausb.ldimg eines Arztes ist letzt fi.Jit
erreicht, wenn er ehe besten, neuesten Methoden kennt und aut s.e
eingciibt ist . . . er muss ausserdem tmc Beredsamkeit bes.i/en. d.e
sieh jedem Individuum anpasst - e ne M.«rni:Jike:t. deren Au: ..ds
selnm den Kleinmut Verse beucht - eine Dipomule uge s^ iime idigke it
. . . . die Ecmheit eines Piu/ei.ige alten und \d\i-kulcn. ehe Gehc.rn-
insse einer Seeie zu verstellen, ohne sic zu verraten - kurz c.n guter
Arzt bedarf jetzt der Kuustgrifie und K uristv«-r re chtc a‘ er aride reu
Berufsk lassen: so ausgerüstet ist er dann imstande, de: ganzen
(iesellschatt ein Wohltäter zu werden er wnd .uis einem Med.zn-
mami ein Heiland miel braucht d"vh keine Wunder zu tun. hat auch:
mellt notig, sich kicuzigcn zu Losen.“
Referate und Bacheranzeigen.
Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde,
herausgeg. von F. Kraus, O. Minkowski. Fr. Müller.
H. Sahli, A. Czerny, O. Heubner. Redigiert von
| Th. Brugsch, L. Langstein. Erich Meyer, A. Schit-
; tenhelm. I. Band. Verlag von Jul. Springer, Berlin.
Preis 18 M.
Das neue Werk will in peru disJici böige Fragen aus der
inneren Medizin und Kinderheilkunde, sowie ihren (irund- und
(ireii/.gebieteti soweit sie eine /usunnnculasscndc Dar¬
stellung vertragen in kritischer Weise von einem
einheitliche' n Standpunkte aus durch möglichst berufene,
auf dein betreffenden Gebiet selbst arbeitende Autoren be¬
handeln lassen. Man ist also des trockenen Eons der obkktiv
Arbeit tiir Arbeit referierenden „Ergebnisse“ satt. In einer
kurzen Besprechung dem überreichen Inhalt des Btuhes ge¬
recht zu werden, ist nicht möglich; das zwingt den Referenten
zur Beschränkung.
Friedrich Kraus lebet das Werk mit einem Aufsatz
,.ii he r die A b h ä n g i g k e i t s h e z i c h u n g e n z w i s c h e n
Seel e u n d Körper i u b r a g enden n n e reu Medi-
z i n“ ent: die Beherrschung der philosophisch und phv siofogisJi-
psychologischi n Literatur und ihte gku.zcnde Darstellung
durelt einen internen Mediziner dessen Arbeitsgebiet diesen
Fragen bisher fern zu stellen schien muss Staunen erwecken:
dass K raus dem ärztlichen Leser eine schwere, sehr sch.were
Kost bietet, kann man nicht ihm. sondern eher der mangel¬
haften philosophischen und psychologischen Schulung des letz¬
teren Zimt Vorwurf machen. Die innere Medizin sollst kommt
aber leider das muss ausgesprochen werden bei k raus
zu kurz; interne Pathologen, die experimentell und klinisch au
den Fragen des obigen Titels mitgearbeitet haben (Bickel.
L. R. M ii I I e r, K ö It 1 e r u. a.) sind nicht berücksichtigt.
Ibis folgende Kapitel behandelt den Morgagni-Adams-
S t o k e s s c It e n S v m p t o me n k o in p I e \ (D. P I e t n e w )
in sehr klarer und erschöpfender Weise; bei der theoreüseben
Schwierigkeit dieses modernsten Abschnitts der Me rzpathologte
ist eine derartig zusammenfassende Daistellm g em besonderes
Bedürfnis gewesen. Der A. F r a e n k e I sehe Aufsatz über
D i g i t a I i s t h e r a p i e gipfelt in der fei karrten I etidetiz des
verdienstvollen Autors: der dringenden Mahnung, nur w irk-
1 i c Ii exakt dosierbare Digitaiisprap.irute anzu w enden*
Seine besondere Linpfebltmg gilt der mtrav ei:««seit Stroph.m-
thiiuherapie, seine besondere Abneigung dein Dualer.; F\-
treine, die aus de r Arbeiten des V e r f ass.-r s w * b| ve r s!ai;jluh
sind, denen man aber in weiteren Kreisern jp.ch inJi; vnü zu-
stimmen wird. Es folgt mm e i.e Hamlets die e'Per.nien-
tell-pathologische und khmsclfe AiEe.t l u bev* II beriicksiJui«
:i ) N i c t / s c Ii c : Memsc 1 :' .!\s. \
Digitized by Gck igle
Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1843
gende Darstellung des Kapitels Ikterus durch H Ep-
Pinger. — Das nächste Kapitel bringt die Ergebnisse
der experimentellen Erforschung der bös¬
artigen Geschwülste“ von Carl L e w i n - Berlin.;
. s schwierige, für den Praktiker nicht mehr übersehbare Ka¬
pitel wird in seinen überaus wichtigen Ergebnissen von be¬
rufener, mitschöpfender Seite vorzüglich dargestellt. — Das
I b r ahim sehe Kapitel über die Pylorusstenose im
o a u g 1 1 n g s a 11 e r lässt uns über das enorm rasche An¬
wachsen der Literatur dieser modernen Säuglingskrankheit
staunen. I b r a h i m, dem wir selbst ausgezeichnete Unter¬
suchungen über den betr. Gegenstand verdanken, gibt in seiner
klaren, sachlichen und wohldisponierten Art einen guten Ueber-
bhek über den' jetzigen Stand der Frage, an der vor allem
das Kapitel der Therapie und hier die überwiegenden Erfolge
der internen Behandlung interessieren werden. — Wolfg.
H e u b n e r behandelt das' aktuelle Thema der experimen¬
tellen Arteriosklerose in kritischer und sehr knapper
Weise; er beweist, wie sich Kürze mit erschöpfender Darstel¬
lung vereinen können. DieArteriosklerosedesZen-
tralnervensystems zeigt in der an sich guten Darstel¬
lung durch den Psychiater C i m b a 1, wie ungemein schwierig
der klinische Teil der Aufgabe (besonders der leichteren Krank¬
heitsformen) für einen Psychiater allein, dem in der Wahl und
Sichtung der grossen internistischen Arterioskleroseliteratur
keine genügenden Erfahrungen zu Gebote stehen können, ist.
— Das folgende Kapitel behandelt in mustergültiger Weise die
Ernährungsstörungen und den Salzstoff¬
wechsel beim Säugling (Ludwig F. Meyer- Berlin).
— Das ungemein wichtige und interessante Kapitel über d i e
Azetonkörper hätte kaum einen besseren Bearbeiter
finden können, als Magnus-Levy, der in wirklich sou¬
veräner Weise die schwierige Materie gemeistert hat und sie
auch dem Verständnis des Nichtfachmannes nahe bringt. — Der
aktuelle Abschnitt „Allergie“ ist bei dem Schöpfer dieses
Begriffs, v. Pirquet, natürlich am besten aufgehoben; bei
der grossen Bedeutung, den der Stoff hat, und den mangelhaft
verbreiteten Grundbegriffen, die aus manchen Arbeiten über
die neuen Tuberkulinreaktionen sprechen, kommt diese klare,
kurze (und dabei so wohltuend bescheidene) Darstellung des
Spiritus rector der Frage einem allgemeinen Bedürfnis ent¬
gegen. — Ueber ältere und neuere Fermentfor¬
schungen berichtet ein bekannter und in vielen Fragen
grundlegender Autor, Peter Berg eil. — „Die biologi¬
sche Forschung in Fragen der Säuglings¬
ernährung“ (B. S a 1 g e - Göttingen) behandelt die inter¬
essante Frage über die angebliche Differenz des enteral ein¬
geführten artfremden Einweisses (Hamburger contra
L a rt g s t e i n, S a 1 g e u. a.) in durchaus negierendem Sinne.
— L. Tobler -Heidelberg hat das wichtige Kapitel der
Verdauung der Milch im Magen, an dem er selbst
durch vorzügliche Experimentaluntersuchungen 1 mitgearbeitet
hat, in sehr schöner und erschöpfender Weise dargestellt. —
Die Therapie der Tabes (besonders Uebungstherapie)
findet im Schöpfer der letzteren, F r e n k e 1 - Heiden, den
berufensten Bearbeiter; Fr. rechnet mit Recht wieder scharf
mit der Polypragmasie der Apparatübungstherapie ab; im
übrigen (trotz allen Interesses) ein für die Aufgaben des Werkes
etwas zu enges, zu spezialisch behandeltes Thema! — Die
klinische Diagnose der Bronchialdrüsen-
tuberkulose wird von dem auf diesem Gebiet so ver¬
dienstvollen O. de la Camp in mustergültiger Weise dar¬
gestellt. — Den Schluss des I. Bandes bildet eine recht geist¬
volle, dabei Natürlich etwas subjektive Behandlung der
Pseudobulbärparalyse durch Georg Peritz, der dies
Kapitel zu recht interessanten allgemein! pathologisch-physio¬
logischen Ausführungen (über den unnötigen Dualismus von
Hemmungs- und Erregungszentren u. a.) benützt.
Soweit in gröbsten Zügen der Inhalt des Werkes. Wenn
es in Zukunft hält, was es in seinem ersten Band verspricht
(und die schon angekündigten Arbeiten des nächsten Bandes
erwecken grosses Vertrauen), wird es eine wissenschaftliche
Tat werden und für die Weiterarbeitenden unter den Aerzten
eine starke Quelle der Belehrung und des sich stets erneuenden
Interesses an wahrer Wissenschaft in der Medizin.
Hans Curschmann -Mainz.
v. Bergmann, Bier und Rochs: Operationskursus
an der Leiche. BerHin 1908, Hirschwald. 463 S.
Das in dieser Wochenschrift wiederholt angezeigte Werk
liegt jetzt in 5. Auflage vor. An die Stelle des verstorbenen
v. Bergmann ist dessen Nachfolger Bier getreten. Die
bekannten Vorzüge des Werkes, das für die typischen Ope¬
rationen bei aller Kürze höchst klare Vorschriften gibt unter
Fortlassumg alles UeberflüsSigen, kommen auch der neuen Auf¬
lage in hohem Masse zu. Die 'in den letzten Jahren neu be¬
kannt gewordenen und als bewährt erprobten Operationsver¬
fahren sind überall berücksichtigt. An dem Charakter des
Buches ist nichts Wesentliches geändert. Man erkennt aber
doch vielfach die bessernde Hand des neuen Autors Bier,
der aus seiner reichen Erfahrung namentlich auf die bewährten
einfachen Methoden hinweist; es sei nur verwiesen auf die Be¬
tonung der Vorteile der einfachen Lembertschen Darm¬
naht. Das Buch wird auch in der neuen Auflage rasch weitere
Freunde gewinnen. j( r
Schoenborn und Krieger t: Klinischer Atlas der
Nervenkrankheiten. Mit 186 Lichtdrucktafeln und 13 Textab¬
bildungen. Carl Winters Universitätsbuchhandlung. Heidel¬
berg 1908. Preis 28 M.
Das vorliegende Werk ist weniger eine wissenschaftliche
als eine künstlerische Leistung. Die beiden Autoren, von denen
der eine die Fertigstellung des prächtigen Atlasses nicht mehr
erleben durfte, fixierten während ihrer * Assistentenzeit alle
typischen und seltenere neurologische Krankheitsfälle mit
grossem Geschick und Verständnis auf die lichtempfindliche
Glasplatte. Da sie beide lange Zeit an der Erb sehen Klinik
m Heidelberg waren, ist es kein Wunder, dass ihr Material so
ausserordentlich reichhaltig und schön ist. Neben den ver¬
schiedenen Arten von Muskelatrophien, von Hemiplegien, von
Tabes, Syringomyelie, Tetanie, Hydrozephalus und allen an¬
deren geläufigen Erkankungen des Nervensystems, die mit
charakteristischen Krankheitsbildern einhergehen finden sich
in dem vorliegenden Atlas auch die seltensten Raritäten, wie
ein prächtiger Fall von Hemiatrophia facialis, von Akromegalie,
von Kopftetanus, von Sklerodermie, von Huntington scher
Krankheit, von Fazialiskrampf und anderen Feinheiten mehr.
Ja fast zu viel bietet das Werk; so sind manche Fälle im Bild
wiedergegeben, bei denen die klinische Diagnose nicht mit
Bestimmtheit gestellt werden konnte; auf anderen ist auch bei
längerem Studium kaum etwas krankhaftes zu sehen. Gerade¬
zu klassisch sind die Abbildungen, welche die Ulnaris-, Medi-
an/us- und Radialislähmung und die Lähmung der verschiedenen
Schultermuskeln illustrieren. Ausgezeichnet sind auch die ver¬
schiedenen Augenmuskellähmungen wiedergegeben. Am
Schlüsse des Werkes findet sich eine Serie von Aufnahmen
eines jugendlichen Athleten in den verschiedenen Stellungen,
welche die Wirkung der einzelnen Muskelgruppen dartun. Der
Text beschränkt sich bei jeder Tafel auf einige, das Krankheits¬
bild erklärende Zeilen, handelt es sich doch auch um einen
Atlas und nicht um ein Lehrbuch oder um einen Abriss der
Nervenkrankheiten. Die Ausstattung des Buches ist, abge¬
sehen von der grell roten Einbanddecke, ausserordentlich ge-
schmackvoll und solide. Die Reproduktion der Bilder ist über
alles Lob erhaben; solche Tafeln sind eben auch nur dort
möglich wo die Orginalaufnahmen mit so künstlerischem Ge¬
schick hergestellt wurden. Erb gibt in einem Geleitworte
dem Werke als der letzten aus seiner Klinik hervorgegangenen
Arbeit lebhafte Wünsche für seine Verbreitung mit auf den
Weg. Diesen Wünschen kann sich der Referent auf das
Wärmste anschliessen. L. R. Müller.
Jahrbuch der praktischen Medizin. Kritischer Jahres¬
bericht für die Fortbildung der praktischen Aerzte. Heraus¬
gegeben von Prof. Dr. J. Schwalbe in Berlin. Mit 54 Ab¬
bildungen und 2 farbigen Tafeln. Jahrgang 1908. Stuttgart
Verlag von Ferd. Enke, 1908. Preis M. 15.40. 655 Seiten,
, Das so überaus praktische Jahrbuch, welches der Heraus¬
geber mit seinem bewährten Stabe von Mitarbeitern auch heuer
wieder sehr prompt veröffentlicht hat, erlaubt durch die in
kritischer Form gegebenen Zusammenfassungen der im Vor¬
jahre erschienenen medizinischen Literatur eine rasche Orien¬
tierung über alle wichtigen' neueren Erscheinungen und ver-
Digitized b"
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1844
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 85.
dient auch heuer wieder in vollem Masse die warme Emp¬
fehlung, welche wir auch den früheren Jahrgängen mitgeben
konnten. Als ein Fortschritt gegenüber dem bisher (iebotenen
erscheinen heuer zum ersten Male die für manche Punkte aus
den Referaten gewiss gerne aufgenommenen Abbildungen und
farbigen Illustrationen, von denen besonders auch die letzteren
technisch hübsch gelungen sind.
Dr. Ü r a s s rn ann- München.
Artur Freiherr v. Hü bl: Das Kopieren bei elektrischem
Licht. Enzyklopädie der Photographie. Heft 59. Verlag von
Wilhelm K n a p p. Halle 1908. 1.80 M.
Artur Freiherr v. Hübl: Die Theorie und Praxis der
Farbenphotographie mit Autochromplatten. Enzyklopädie der
Photographie. Heft 60. Verlag von Wilhelm Knapp. Halle
1908. 2 M.
Dr. E. König: Die Autochromphotographie. Photo¬
graphische Bibliothek, Bd. 23. 1.20 M.
Bei der zunehmenden Bedeutung der wissenschaftlichen
Photographie für medizinische Zwecke mag ein Hinweis auf
obige Schriftchen berechtigt sein. Das erste gibt die iiir Ko¬
pierzwecke bei künstlichem Licht geeigneten Lampentypen mit
Berücksichtigung der Inteusitäts- und Lichtstromverhältnisse
an; die beiden anderen sollen vor allem jenen empfohlen I
werden, die das einfache und überaus schöne Resultate gebende
farbenphotographische Verfahren mit den bekannten Lumiere-
schen Autochromplatten anwenden wollen. ().
Neueste Journalllteratur.
Zeitschrift für Tuberkulose. Band XII. Heft 6.
Karl Damann und Lydia R a b i n o w i t s c h: Die Impftuber-
kulose des Menschen, zugleich ein Beitrag zur Identitätsfrage der von
Mensch und Rind stammenden Tuberkelbazillen.
Die Arbeit tut dar. dass zwischen dem menschlichen Tuberkel¬
bazillus und dem des Rindes Beziehungen bestehen, die eine gegen¬
seitige Ansteckung unmöglich machen.
O. S c h e 11 e n b e r g - Beelitz: Der Wert der Röntgen¬
untersuchung für die Frühdiagnose der Lungentuberkulose und die
Bedeutung der röntgenologischen Lungenuntersuchung für die
Lungenheilstätte.
Die Röntgenuntersuchung ist betreffs der Frühdiagnose der
Lungentuberkulose in mancher Beziehung den üblichen klinischen
Uritersuchungsrnethoden nachzustellen, in mancher aber höher als
diese. Sie bildet jedenfalls eine wertvolle Ergänzung und soll immer
mehr eingeführt werden.
A. D u t o i t - Burgdorf (Schweiz): Ein Beitrag zur medi¬
kamentösen Behandlung der Lungentuberkulose.
Verschiedene Beobachtungen an Lungenkranken, nicht zum
wenigsten der schreckliche Zustand von deren Zähnen, zeigen, dass
der Körper an Kalkarmut leidet. Verfasser empfiehlt daher eine Zu¬
fuhr von Kalk, besonders durch alkalisch-erdige Duellen.
Erhard S u e s s, Oberarzt der Heilanstalt Allaml: Ucbcr den
Einfluss der Radlumemanation auf Tubcrkelbazillen und auf experi¬
mentelle Tuberkulose.
Radiumemanation hat auf keine Bakterienart eine wachstum¬
hemmende oder keimtötende Wirkung.
Klimnier - Dresden: Tuberkuloseschutzimpfung der Rinder
mit nichtinfektlösen Impfstoffen, (Eortset/uug aus Heft 5.)
„Den heutigen Stand der Forschung auf dem (iebiete der
Tuberkuloseschutzimpfung kann man in folgende Sät/e zusamnien-
fassen:
1. Den Rindern kann eine erhebliche Widerstandsfähigkeit gegen
eine Tubcrkiiloseinfektion durch die Impfung mit niehtriiulerpatlio-
genen Tubcrkelbazillen verschiedenen Ursprungs leicht verlieben
werden.
2. Der erzielte Impfschutz währt nicht, wie man früher annulnn.
zeitlebens, sondern mir etwa ein Jahr.
X Der Impfschutz ist durch alljährliche Nachimpfungen zu ver- j
längern. i
4. Zu den Nachimpfungen sind mir nicht infektiöse Impfstoffe I
brauchbar. 1
Es ist hiernach ohne weiteres verständlich, dass die Tuberkulose- !
immunisierungen nach v. B e h ring mul K o c h - S c li ii t z in der i
Praxis versagen mussten und den gehegten Erwartungen nicht ent- |
sprechen konnten und dass das Problem der Tuberkuloseschutz¬
impfung nur mit Hilfe nichtinfektiöser Impfstoffe gelost werden kann,
wie dies in folgendem ausführlich dar gelegt wird.“
Mit diesen Worten bezeichnet K. das Programm seines interes¬
santen Aufsatzes, dem er zuerst einen an Literaturhinweisen längeren
historischen und kritisierenden Ueberblick vorausschickt. Der
2. Teil behandelt: Eigene Tuberkuloseschutzimpfimgsversuche und das
von mir ausgearbeitete Verfahren. Rinder gegen die Tuberkulose
mit Hilfe mclitmfektioser Impfstoffe zu immunisieren. Abschnitt 1:
(iew innung der mclitiniektioseii Tuberkuioseitnpfstoffe und zwar
durch Erhitzen von Mcuscheiituberkelba/iüen. deren Infektiosität m.t
Zunahme der Erhitzung'' lauer üjbmmmt und deshalb w :-!kar‘:ch
bis zu ihrem Verschwinden abgesc hw acht werden kann. D.c zwe te
Art nennt er die a virilen teil I ube; ke !ha/:l!en, das konnten «ein
Menschentut#rkelbazi;len, d:e den Mo! Ji passiert haben, k .il'dwüer-
tuberkiilosel’a/iüen und säurefeste Sapr< pti\ teil. Da a K cr d.e Be¬
obachtungen die beiden letztgenannten Arten ausschl.essen, kann
es sich hei den avirulenten Ba/illvn in W .rkbdikeit nur um Mvn-
bazillen mit Molch passiv handeln. D;c dritte Art w rd durc| <ie-
w innung* von Rindcrtubcrkc'ba/.lle n gewonnen. Lri. fragt trau-
riiehr: Wirken die Dresdener Tuber kill* *se :inpf st* »ffe miekt.os oder
toxisch? Said sie für Menschen ungefahrheh ? und hea-.tw ortet
dieses dahin, dass die abgescliw achten Mensciientuberkalov<.ba/.l eti
M. (iruppe) nicht mehr infektiös sind, nicht einmal nulir für Mee r -
scliw einchen. >ie erlangen auch im ’l itrkorper ihre Iutekt < s tat
nicht wieder. Dasselbe gilt \ ofl der 2. < iruppe. den .n nr vielt
Tuberkeiba/ii'en. Der 2. Abschnitt /e gt, dass diese sogen. Pcsde'M
Schut/impfstoffe von den Rinde) u sehr gi.t \ei tragen wederu I :u
e!'e nächste I rage zu beantworten: Schnt/t das Dresdener I ttbe*’-
kuloseimpiv er fahren die Rinder \or einer I übet kulose.nie k!.• r: ?
: 11 nsv man sich zmiachst daiubcr < u \\ ,»slie t v.rschaöc’t. "b de'
Imptlrng frei von 'I uhe: kir s V ;st. Dum Immun.tatsp' 'dang ge¬
schieht naliirlic!i durch Tubeikw n. >e M .i! er m v'ct P;a\> ...i’
nicht notig.
Das E'ilgei* de bringt aut m-vb L’ v e tui d.nrJi /.i'öi \h- I *• •
kol'e he'egte Xiisiuhr im-.w :i '.du i d.e Pihtimg der W ile^'aeS'.: -
keit sc hllt/ge;n;pl!er R.mier aui dm Wege der r.iitr i.Jicn \' steck im.'
mul der kmisl.ie! eil latvkt.oii. die n.idi M.f.t lim.g und Ans Mt de s
\ erf. alle zu se'*r gm M gen Ergehn evui r irrten, Is w.rd d
Dresdener 1 über ku losesc. iiut/mipfs er f.th: c n äv'i UM. des » i.o .U
auf V .< Gelten iMj'iuals zusammeiigcfasst und m.t e nun Nk' ".' u.
und mit einem Xrk.mge \ ef%hcn.
I. i e 1' c - W a’dk t Blge's' ein".
Zentralblatt für Gynäkologie. No. 34. 19uS.
(i. Z i c k 1 - Bi r ! ir : Zu der Mitteilung des Herrn Dr. (ioth:
„Ein neuer Handgriff zur Behandlung der atonischen Nachblutungen.
Z. hat dmi \o-i ( i. t nip?. ui et.cb H.p'dgr.u in einem I a e %■ n
•\toiiie hei einer d< i.du eu: Mirtpaa angew ei'.de|i dabei al e' e' -
lebt, tlass Luit ilt den l '.das gongte und Pa!, k-■ lable: te. Wegen
der < iefalir einer 1.ulten b. e m-uhte er d.eseii Har: Jgr.ff da!:er n\ ; :I
empfehlen.
I s c h r o e d e r - K"ii.gsK :g : Einfache Therapie bei einer Va-
Kiuolixatlnnsgehurt.
filier dfMaln. VIII. Para war vor 2 Eihren \. ■ n >. de riliT.gt
\aginoii\.it;o ulen etlnie isol.ct te Naht des I *e r .tnia ums gemacht w •»:-
den. Am Ende der 0. Mhw tngcrsJuiit war he. |U .mn vier <u’ a f
die Portio nach Irnten abge w iciien. der Muttermund ohne Na: kose
picht zu er re.eben, der Kopf beweglich über dun Becken. S. i te
die halbe liand vorn in den Uterus ein um! u Ute e.neri \ gc:i
Zug nach vo r n unten aus. Dabei folgten Zervix und unteres l ter.n-
seguient und mit ihnen der kindliche Kopf mit g- -sse r le.cht.gkeit
ins Becken. In/is : .,m des Mutter munde s und eiue'c Z.uuc beendeten
die (iebui t. Mutter mul Knie! hhebeii am l eben.
N a c k e - Berlin: Menstruatio praecox.
Es handelte suh um e n tui'i’ali'iges M.ilch.c”. das sc t sc irr,
X .Iahte regelmässig menstruierte. D e Brüste s -d gut entw cke't.
prall, die < ie mtabc li behaart. der Habitus der er es e't-.it.: .gen
Mädchens.
A. W e i s c h e r - H.iimii i. W.: Zirkulärer AhrBs d«*r Vagina
am Introitus.
Es handelte sich um eine dl iahiige I. Paia, d.e bei Bcg.nu der
Uubuit ii« »eil muhei gegangen war. >p<«>b»ugeburt \ *r Ankunft des
Ai/tes. W. fand einen zentralen Dammriss \m dein l arge; Ercntilum
mul Anus eiha’ten. Die ganze \ agina lag am-ge r o' t in ei er Nabe
! der Zervix, die Urethra hmg in die Vag na herab. W. nahte che
abgerissene Vagina an die d sta'e Zu kirnte 'er/ des mbc deiie r.gargs.
Hcdnmg.
Ihne totale /iiku’are \btreiimtr'g der \‘ag na konnte W. n de:
Eiter.• tur nicht autmnlcti. .1 a ! f e - Ham: :r g.
Gynäkologische Rundschau. Jahrgang II. Heft 14
Walter P f e i 1 s t i c k e r - Mut-t^a: t : Die \V a I c h c r sehe oder
die B u m m sehe Hebosteotomie? i \us der k.l. Lande ^-Pc iaumieu-
schule in Stuttgart.)
Polemik zur Wahrung der PrioM.it vier W a h e r vUmn Me-
tfiode der subkutanen 1 te bosteo». n> e. weiche \ • .p der B ii tn tn -
sclieri .Methode in einigen iebviis.i.hhchen Pimkiert nute • sJ:c det.
Richard W e b e r - Breslau: l eher ventrifixierende Methoden bei
j Verlagerung der Beckenorgane. < Xus de- k m s vott iö. I.. I r a c n -
I k e 1 in Breslau.)
I Veri. unterzieht d e f’Nher W'"’" c’-'e”. nu! : m <iebrauch der
I Operateure hetindhclien Methoden der 1 ,\.r.. :: des l tcras e.r.er aus-
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Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
l.~ September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1845
fiihrlichen Besprechung. In zwei mitgeteilten Fällen wurden nach
Ventrifixur und Vaginifixur Geburtstörungen beobachtet. Als be¬
sonders brauchbar hält Verf. die von L. Fraenkel geübte Methode,
welcher die Fixationsfäden aus unresorbierbarem Material an den
Ansatzstellen der Ligg. rotunda anlegt und auf der Haut knüpft.
In einem weiteren Teile geht Verf. auf die Ventrifixura vaginae
ein, welche in zwei Fällen von Prolaps der Scheide nach früherer
anderweitig ausgeführter Exstirpation des Uterus in der Fraenkel«
sehen Klinik mit gutem Erfolge ausgeführt wurde.
Im dritten Teile der Arbeit ist die Ventrifixur des Mastdarms
unter Mitteilung eines einschlägigen Falles besprochen.
Emil Eckstein -Teplitz: Anstalts- und Hausgeburten. (Ein
Beitrag zur Bekämpfung des Puerperalfiebers in
der geburtshilflichen Praxis in Oesterreich.)
Anknüpfend an das Werk „Das Kindbettfieber“ von O. v. H e r f f,
M. Walthard und M. Wildbolz sucht Veri. die Frage zu be¬
antworten, warum die Hausgeburten gegenüber den Anstaltsgeburten
eine so grosse Mortalität an Kindbettfieber aufweisen. Es liegt dies
seines Erachtens einmal an der Ausbildung der Aerzte, welchen auf
der Universität die Geburtshilfe der Klinik und nicht die der Praxis
gelehrt wird; „die Geburtshilfe der Hausgeburten resp. die Aus¬
bildung des praktischen Geburtshelfers^ist ein Stiefkind der medi¬
zinischen Alma mater geblieben* In zweiter Linie ist daran schuld
die mangelhafte Vorbildung der Hebammen. Aus diesem Grunde ver¬
langt Verf. eine Vermehrung der Gebäranstalten; eine Besserung
erhofft er von der Zukunft: genau wie man in letzter Zeit die Tuber¬
kulose durch Einrichtung von Heilanstalten etc. bekämpft hat, wird
man auch die Mortalität der Hausgeburten bekämpfen. Zur Durch¬
führung dieser hohen Ziele verlangt Verf. die Bildung einer dem
Ministerium angegliederten Körperschaft, zusammengesetzt aus den
Vorstehern der geburtshilflichen Kliniken und Hebammenlehranstalten,
welche alle akut gewordenen Forderungen auf dem Gesamtgebiete
der Geburts- und Wochenbettshygiene realisieren sollen.
A. Ri 1 eiänder -Marburg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 34. 1908.
1) Z i e h e n - Berlin: Beziehungen zwischen angeborenen Mus¬
keldefekten, infantilem Kernschwund und Dystrophia muscularls pro¬
gressiva Infantilis.
Mitteilung eines Falles, bei dem sich an dem 18 jähr. Patienten
eine kongenitale Ophthalmoplegia externa, Pektoralisdefekt, kongeni¬
tale Hypoglossus- und Fazialislähmung zusammen vorfanden; ein 2.
vorgestellter Fall bot totalen einseitigen Defekt des M. pector. major
dar. Im Anschluss hieran bespricht Z. die-systematische Gruppierung
der oben bezeichneten Affektionen. Im 1. Falle könnte es sich, statt
um eine kongenitale Anlage, auch um eine durch Blutungen intra
partum verursachte Kernparalyse gehandelt haben.
2) M a s c h k e - Strassburg: Ueber 2 Fälle von multipler Enze¬
phalitis bei Meningokokkenmeningitis.
Mitteilung der betr. Obduktionsbefunde, mikroskopischen und
bakteriologischen Untersuchungsergebnisse. Die gefundenen Kokken
der Meningitis und Enzephalitis entsprachen sehr wahrscheinlich dem
Meningococcus Weichselbaum.
3) Ed. Melchior-Berlin: Ueber multiple peritoneale Pseudo¬
metastasen eines Ovarialdermoids.
4 einschlägige Fälle werden aus der Literatur zusammengestellt,
ein 5. Fall aus eigener Beobachtung mitgeteilt. Bei letzterem (48 jähr.
Patientin) fanden sich zahlreiche Dermoidknoten am parietalen Blatte
des Bauchfells, am Dünndarm, der Serosa des Magens, am Zwerch¬
fell. Mitteilung mikroskopischer Einzelheiten.
4) R. Fabian und H. Knopf- Berlin: Weitere Ergebnisse der
Konjunktivalreaktion auf Tuberkulose.
150 Fälle kommen zur Untersuchung. Bei den Tuberkulösen im
3. Stadium konnte kurz vor dem Tode ein negativer Ausfall der
Reaktion festgestellt werden. In einigen Fällen ging der anfänglich
negative Ausfall in einen positiven über, entsprechend der Besserung
des Befindens, in anderen Fällen war der Verlauf der Reaktion
analog umgekehrt, so dass ein gewisser prognostischer Wert der
letzteren besteht. Positive Reaktion spricht sehr für Tuberkulose,
negative nicht völlig dagegen. Einen Schaden durch die Reaktion
sahen die Verfasser nie entstehen.
5) H. Boas und G. Hauge-Kopenhagen: Zur Frage der Kom-
pfementableukung bei Skarlatina.
Die Untersuchung von 61 Sera Skarlatinöser ergab, dass die Kom¬
plementablenkung eine so seltene ist, dass sie den Wert der Was-
ser mann sehen SyphHisreaktion nicht einschränkt.
6) M. Einhorn - New York: Ueber eine Vereinfachung der J a -
koby-Solmssehen Rizinmethode der Pepsinbestimmung.
Abbildung und Beschreibung des von E. angegebenen Apparates
vergl. im Original. Die Untersuchungszeit kann durch die Methode
von 3 auf Vs Stunde herabgesetzt werden.
7) Edm. Förster- Berlin: Ueber die körperlichen Strafen in
der Schule.
F. teilt eine Anzahl von Fällen mit, wo es bei psychisch kranken
Kindern noch zu körperlicher Bestrafung in der Schule gekommen
ist. Die z. Z. geübte Aufklärung der Lehrer führt, wie weitere Bei¬
spiele zeigen, von Seite letzterer nicht selten zu diagnostischem
Uebereifer. F. spricht sich für Abschaffung körperlicher Strafen in
der Schule aus.
8 ) M. Böhm-Berlin: Erinnerungen an Amerika.
Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908. No. 34.
1 ) F. L o e f f 1 e r, K. R Ci h s und E. Walter- Greifswald: Die
Heilung der experimentellen Nagana (Tsetsekrankheit). Dritte Mit¬
teilung.
Kombinierte Anwendung von arseniger Säure und Atoxyl hat
sich auch weiterhin als die beste Behandlungsweise der experimen¬
tellen Nagana bewährt. Die ausprobierte zweckmässigste Dosierung,
welche sichere Heilung ohne Gefährdung herbeiführt, wird für die
einzelnen Tierarten, Meerschweinchen, Katzen angegeben. Hunde
waren weniger geeignet. Prophylaktische und heilende Wirkung ge¬
lang bei Meerschweinchen auch mit arseniger Säure in Substanz,
doch mussten die Dosen 5—6 mal grösser genommen werden als bei
Anwendung der arsenigen Säure in Lösung.
2 ) Georg Lockemann und Martin P a u c k e - Berlin: Ueber
den Nachweis und den Gang der Ausscheidung des Atoxyls im Harn.
Die Untersuchungen der Verf. ergaben, dass Atoxyl nach sub¬
kutaner Injektion grösstenteils durch den Harn sehr schnell fast ganz
unverändert ausgeschieden wird. Geringe Arsenmengen lassen sich
noch tagelang im Harn nachweisen. Bei kurz nacheinander folgen¬
den Injektionen zog sich bei den untersuchten Kranken die Ausschei¬
dung 25 Tage hin. Während der ersten beiden Tage scheint in ge¬
ringem Mass ein wachsender Zerfall des Atoxyls in seine Kompo¬
nenten stattzufinden, später wird ein gewisser Teil des Arsens im
Organismus gebunden und dann allmählich durch die Keratinsub¬
stanzen ausgeschieden.
3) Paul R ö m e r - Greifswald: Der gegenwärtige Stand der
Pneumokokkenserumtherapie des Ulcus serpens.
Verf. betont, insbesondere v. Hippel gegenüber, Wert und
Wirksamkeit seines Serums, über dessen Anwendungsweise er nähere
Angaben macht.
4) H e i 1 e - Wiesbaden: Zur Behandlung des Hydrozephalus.
Auszugsweise vorgetragen auf dem Chirurgenkongress 1908, s.
Referat Münch, med. Wochenschr. No. 20, pag. 1097.
5) Liepmann -Berlin: Relative Eupraxle bei Rechtsgelähmten.
Bemerkungen zu dem Artikel von S. Meyer in No. 26 gleicher
Wochenschrift; L. weist daraufhin, dass die objektiv kompliziertere
Handlung nicht immer die schwierigere Leistung ist, dann nämlich
nicht, wenn sie im Dienst einer sehr oft .vollzogenen Aufgabe steht
und die gewohnheitsmässig sie auslösenden sensiblen Reize gegeben
werden. Daher kann der Kranke z. B. Asche wegpusten, Gegenstände
vom Boden aufheben, den Rock abbürsten, aber nicht auf Geheiss
den Mund vorstülpen, die Hand schliessen.
6 ) R e n n e r - Augsburg: Ueber einen Fall von Milzbrandsepsis
mit auffallend geringen Lokalerscheinungen an der Impfstelle.
Der beschriebene 16 jähr. Kranke war bei der Notschlachtung
eines Tieres beschäftigt, bei dem sich Anthrax fand. Trotz intensiver
Waschung und Desinfektion der frostrissigen Hände nach 3 Tagen
Allgemeinerscheinungen. Am Handrücken nur eine kleine Pustel.
R. nimmt als Ursache der geringen Lokalerscheinungen an, dass eine
Allgemeininfektion auf dem Blutweg erfolgte und dadurch die An-
thraxbazillen an der Eingangspforte eine Abschwächung erhielten.
7) Alban K ö h 1 e r - Wiesbaden: Momentaufnahmen mit ein¬
fachem Röntgeninstrumentarium.
K. macht sog. Momentaufnahmen mit gewöhnlichem Induktor
und einfachem Gleitkontaktunterbrecher, den er den elektrolytischen
entschieden vorzieht, schon wegen des sparsameren Röhrenver¬
brauchs.
8 ) N. J. M a c r y - Berlin: Die mechanische unblutige Erweite¬
rung des unteren Uterusabschnittes durch einen neuen, verbesserten
Konkavmetreurynter.
Da der trichterförmige Ballon dem kindlichen Kopf eine konkave
Fläche zukehrt, gleitet er nicht ab.
9) Viktor H e r r n s t a d t - Posen: Ein Beitrag zur Appendizitis
während der Schwangerschaft.
10) P. J. E i c h h o f f - Elberfeld: Ein neuer Fall von Vakzine¬
infektion.
Die Infektion erfolgte durch gemeinsames Baden eines Ekzem¬
kindes mit einem Vakzinekind.
11 ) H a m m - Braunschweig: Die Gefahren des Gasbadeofens.
R. Grashey - München.
Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXXVIII. Jahr¬
gang. No. 13 bis 15. 1908.
Theodor Kocher-Bern: Appendizitis gangraenosa und Früh¬
operation. (Mit 2 Tafeln.)
V. greift 9 typische Fälle heraus (7 initiale und 2 von akuter
Spätperitonitrs) und gibt von ihnen Beschreibung und Bild. Er
teilt die akute Appendizitis klinisch ein in A. acuta Simplex (nicht
superficialis) und gangraenosa. Mit Asch off erklärt er Geschwüre
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1846
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nn. 3'.
und chronische Prozesse am Wurmfortsatz für Folge. nicht Ursache
des primären Anfalls; er findet die Blutungen und Nekrosen oft zir¬
kulär angeordnet. Als Ursache des ersten Anfalls genügt nicht die
„Retention“ (auch nicht die „akute Verschwellung der Schleimhaut"
nach Sprengel), nicht die Kotsteine. sondern nur eine plötzliche
Infektion durch besonders virulente Keime oder durch akute Ge¬
websschädigung. Hämatogene Infektion kommt weniger in Betracht
als intestinale. Die Nekrosen werden bedingt durch die Parmtiora
und (schon im Beginn) durch Zirkulationsstörungen und Blutungen.
Praktisch wichtig ist die Häufigkeit der A. gangraenosa schon im
ersten Beginn, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, nicht zu war¬
ten. Die reine A. ergibt keine Dämpfung und keine prägnanten
Bntziindungserscheinungen. Perityphlitis ist schon ein zweites Sta¬
dium.
Ernst Anderes: Betrachtungen über Wohnungsdesinfektion
mittels Formaldehyddämpfen unter Berücksichtigung des Autanver-
fahrens. (Aus der bakteriol. Abt. des Hygiene-Inst. Zürich.)
Vergleichende Versuche mit dem F 1 ii g g e sehen Apparat, dem
Apparat St. Margarethen und mit Autan ergaben für die beulen letz¬
ten wesentlich geringere Leistungsfähigkeit, ferner die verschiedene
Leistungsfähigkeit jeder Methode nach den Bakterienartciu dem
Ort der Objekte und der Luftfeuchtigkeit. Eormaliu leistet aber stets
nur Oberflächendesinfektion.
E. Sch warzembach-Zürich: Ueber die Aetiologic und
Therapie des Schwangerschaftserbrechens.
V. nimmt an, dass es sich um eine Intoxikation handelt, wobei
das Gift in den Magen ausgeschieden wird. Durch hantige, regel¬
mässige Nahrungsaufnahme wird deren Wirkung verhindert. Die
Kranken sind hierzu anzuhalten. Die wesentliche Mitwirkung der
Suggestion wird zugegeben.
Ernst S o m m e r - Zürich: lieber Röntgentherapie.
Kurze Zusammenstellung des Wichtigsten über Natur der Rönt-
genstrahlen, ihre Wirkung und Anwendbarkeit.
Rudolf D i e t s c h y: Die Geburten im Skopolamin-Morphium-
Dämmerschlaf. (Aus dem Erauenspital in Basel.)
V. schildert anschaulich die Art der Anwendung und die Wir¬
kung. Die Erfahrungen im Baseler Spital zeigen, dass sich die
Methode nicht für (jrossbetrieb, auch kaum ihr die Privatpraxis
eignet. Irgendwelche Schädigungen von Mutter und Kind konnten
der Methode nicht zugeschrieben werden. Die Kontraindikationcn
decken sich mit den von üauss (Archiv f. Üynäkol., Bd. 7 \ M. 3)
angegebenen.
M. Tieche: Ein Fall von multiplen dlphtheritischen Ulzera-
tlonen der Haut nach Pemphigus neonatorum resp. infantills. (Aus der
dermatol. Universitätsklinik Bern.)
Die Hautdiphtherie, deren Herkunft unerklärt blieb, wurde durch
Serumernspritzung sehr rasch geheilt.
P. T h e 11 u ti g: Ovarialzyste bei einem Mädchen von ft Jahren.
Stieltorsion, Achsendrehung des Uterus. Vioformvergiftung.
Der Uterus war um 360° gedreht. Es w urde lm/JAcm 2 ': proz.
Vioformgaze eingelegt. Vergiftungserscheinunger»: sehr ircmienter
Puls, starke Alteration der Psyche, häufiges Erbrechen. Im Urin
kein Jod. Heilung.
E. M e 111 e r - Rorschach: Zur Therapie der Melaena neo¬
natorum.
Die (echte) Meläna wurde durch 10 ccm 10 pro/. Gelatine sub¬
kutan rasch und sicher geheilt. P i s c h i n g e r.
Oesterreichische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
No. 33. M. B1 a s s b e r g - Krakau: Neuere Anschauungen über
die Sprachzentren. (Revision der Aphasiefrage.)
Ueberblick über die Entstehung der herrschenden Anschauungen
und über die in letzter Zeit von französischen Autoren (Marie,
Dejcrine, Souques, Moutier, Bernheim) vertretenen
neueren Auffassungen.
A. Puchs- Wien: Neurologische Kasuistik.
Krankengeschichten: a) Fast normale elektrische Erreg¬
barkeit bei Portdauer vollkommener Lähmung des Pazialis. b) Spi¬
nale Hemiplegie (einseitig aszendierende Spinalparalyse), c) Eigen¬
tümliche Sensibilitätsstörung (Tastlälmmng) bei Polyneuritis. d)
Zwangsvorstellungen bei R a y n a u d scher Krankheit.
L. Hess und P. Saxl-Wien: Zur Kenntnis der proteo¬
lytischen Zelltätigkeit maligner Tumoren.
Nach den Versuchen der Verfasser wird bei der gemeiusamen
Autolyse zweier Organe desselben Individuums weniger in Siede¬
hitze lösbares Eiweiss gebildet als bei der getrennten AutoKse der
Organe, cs findet also bei gemeinsamer Autolyse eine Hemmung des
Abbaues statt; dasselbe zeigte sich bei der gemeinsamen AutoKse
von Karzinom und einem normalen Organ des gleichen Individuums.
Es fand sich keine Vermehrung des Eiweissabbaues durch Karzinom,
letzteres verhält sich bezüglich der Heterolyse wie ein normales
Organ. Bei der Autolyse des Karzinoms ist die Geschwindigkeit des
Piweisszerfälles dieselbe wie bei Organen von dem gleichen Zcll-
■ Ttum.
A. W o I f i - E i s n e r - Bei Im : Die Gefahren der Ophthalmo¬
reaktion und ihre Vermeidung.
Nach W.-E. sind die Gefahren der Reaktion auf die Nichtig adi-
tung der Kontramdikationeii und die Anwendung ungeeigneter Prä¬
parate /iiruckzuiuhrei). Als Kontramdikationen sind zu be/csdl-neii :
Remstillatioiieii, besonders dann Wenn dasselbe Auge bereits einmal
positive Reaktion zeigte. Zudem lasst eine Reaktion eist auf wieder¬
holte Instillation keinen Mhluss auf aktive I ul ei kua.se, s u'u!i r u nur
auf eine eventuelle latente zu. I einer die Instiilation \on 'I isbcr-
k u 1 1 n bei bestehender oder vermuteter Augentuber k tia >se. he-soiUcrs
auch wo einmal skroph ul-o.se A ugetik r auk heile n bestanden haben.
Zu empfehlen ist das von dem \ert. geprutte und koutro;a c rte luber-
kühn zur Ophthalmoreaktion der I irtna Ruete-I iijoch in Ham-
burg, Hermannstrasse.
A. S t r n b e I 1 - 1 »resdeii : Zur Semiotik der Herzkrankheiten.
(Schluss.)
Die Besprechung kann nur kurz auf die einen breiten Raum
einnehmenden Erörterungen imer die \ngi"sk!erosc eilige he n. Die
letztere steht in Zusammenhang mit der vermehrten I ..asti/ital der
Geiasse bei mehr oder weniger gestörter, verminderter oder nudi
pervers vermehrter Reaktionstalugkeit. M. unterscheidet eine An/aul
von sich steigernden 1 v peil der Kiankheit: 1 Me tuuktu nie ,.e vas«>-
molorische Kontraktion der Abdoimiuhget isse bei Nervösen, Pseudo*
angU'sklcrose nach v. Basch; die toxischen Zustande, wie Nik- tVtas-
niiis. die akute Ncphntis. Bleibende i' iasti/itatsveruieiirung entsteht
bei subakuter und chronischer Nikotmv et gittung, den Zustande n ar
Schlemmer. Dabei tritt die sekurul.it e I lei ziu pc r tropine auf: stärkere
aiigiosklerotische Veränderung der Gelasse und dauernde Biutdnick-
steigeruug findet sich bei chronischer Nepiiritis; daun l"igt die latente
Angioskleidse midi v. Basch, bei der die Ihcrapie weniger au! die
Markung des Herzens ( I erramk ur en u. de-t-gi.) a.s auf eine Be¬
einflussung vier Gelasse < l Mir uikui en) gerichtet sein muss; sdi.icss-
licli die ausgesprochene Arteno- un i Angioskkn'sc mit den bekannten
schwereren Erscheinungen.
No. 3-L A. i; b e r - Leipzig: Leber den Tuberkelbaziliengchalt
der ln Leipzig zum Verkauf kommenden Milch und Molkereipro¬
dukte.
Die ausgedehnten Untersuchungen - Impfungen \ oti Meer¬
schweinchen mittels einer Probe und 1 estMei.ung der law \"ii
generalisierter 1 uberkuiose von der Impiste.ie aus durch die Ob-
duktioii des Tieres führten zu folgenden interessanten Ergebnissen.
Von 7tl innerhalb eines Jahres dreimal Konti oiiier teil .Miidi K e sd.-iITe n
lieferten W J7.1 Pro/, mindestens einmal eine 1 über ke.bazi :e n
enthaltende Milch. \"ii Milchprobeii waren 22 l"d Pr-»',
tuberkelbazillenhaltig. \ oii lAo B ut t e r proben enthielten 1 2 Pro/.
Tuber kelbazrlfen: dabei waren von der .Molkereibntter erster Oua i-
tiit PS Proz. {über kelbaziiieuha.tig. von der Baiiei ubuttcr > Pro/.
15 ii Proben von Margarine, bu deren Herstellung die MetT.i-
satimi des Mateiials eine Rolle spielt, waren trei von | über ke.ba/:. eil.
Von den .All > a h n e proben enthielten f> Pro/., von An (,) u a r k proben
4 Proz. Ttiberkelbazilien. Diese im al.gemeinen recht bedenk'icheii
Resultate spiechen tur die I oideruüg euer allgeiiu men Schärferen
MilchkoutioHe und lur einen Vusb.ui des Mudteng«.setzes mit Be¬
seitigung der kranken I lere. fur weiche dem Besitzer eine tavuiw’
Lntschadigung zu gewahren ist. Dann aber muss der Betrieb der
Molkereien verbessert werden; zur [Erstehung von Butter ist die
Verwendung pasteurisier teil Rahmes za \ er ungen. worüber sdum
lange die bestell I Nahrungen v orlie geil.
R. .1 o s s e k - < iraz : Die Theorien über die Entstehung der Alters¬
katarakt.
I Probevorlesung. Ueber sicht über die m dem l auf der Ze it auf-
] gestellten Theorien. Verf. ist. zum I eil auf Grund eigener l liier*
I suchungen lind elcr R o me r Sc heil Beobachtungen iler Meinung., eiass
Storungen gewisser Blutdi tiseii. welche die memaie reginaiM isdie
I Lntgittuug autotoxischer Stofte verhindern uuJ die Anwesenheit So|-
; eher Luisengifte in eie-r Blutbahn begünstigen, vo-i Bedeutung sind,
daneben Veränderungen der normalen Zirkulation m den Gelassen
eles Ziliarkörpers, eventuell auch de ge lier ativ e Vorgänge m ele:i
Ziliarepithelien. welche eien l el'ertritt gdt ger M- fe in die 1 r-
niihrmigsflussigkeit elcr Linse ei tiiog idieu. I’.e k on/eiitratioiis-
äiulerimgen eles Kammerwassers und spuit-W-dtmgcn in der Linse
j u. ä. sind nicht als Ursachen, sondern logen der Murhildung zu
betrachten.
! S. I e u z e r - \V lett; Leber Befunde von pulsierenden Gelassen
j im Rachen.
; T. fand in der Literatur derartige T.Tc. wobei es siji w.ilir-
I schein lieh um elie Carotis interna oder \Me-n,t plia-vruwn asecudens
1 gehandelt haben Soll; dieselben Geiasse kamen m zwei v-n ihm bc-
; obachteten Eällen in Betracht, von dimeti der emc eine 7 S -.ihr.ige an
Arteriosklerose leidende I rau. der andere nn kir'd betraf.
| M. K r a e m e r - \V ien : Blutuntersuchungen in verschiedenen
peripheren Gefässprovinzen bei Zirkulationsstörung.
R. hat von eien betreffenden l s kranken das Blut der Emger-
heere. des Ohrläppchens mul der Z.eiienkuppe tmtersudit. und zwar
i auf den Hämogiobmgehalt. das spezinsche Gewühl, die Zahl der
! Erythrozyten und Leukozyten, den Pr ozeMgehait der mom.-nuklcären
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1847
Elemente, und schliesslich durch den Befund der gefärbten Trocken¬
präparate. Die in Tabellen zusammengefassten Resultate ergaben,
dass bei bettlägerigen Kranken mit allgemeiner Stauung gewöhnlich
eine Anhäufung der Erythrozyten im Blute der Zehen besteht. Dabei
ist in der Regel das spezifische Gewicht des Zehenblutes erhöht.
Dieser Unterschied zwischen Zehenblut und Ohrläppchenblut ist ein
Merkmal ungenügender Herzarbeit.
O. Burkard - Graz: Aufgaben und Ziele sozialer Medizin.
(Schluss folgt.) B e r g e a t - München.
Englische Literatur.
Sir Almroth E. W right: Ueber Vakzinebehandlung' und
Immunlsationstherapie. (Practitioner, Mai 1908.)
Der erste Teil von Verf. Arbeit sucht zu beweisen, dass alles,
was wir von wissenschaftlicher Immunisierung und Vakzinetherapie
wissen, auf der Entdeckung des opsonischen Index beruht und dass
die Methode der Indexbestimmung eine durchaus zuverlässige und
wissenschaftlich genaue ist; dass ferner eine wirklich wirksame
Vakzinebehandlung (z. B. Tuberkulinbehandlung) im Einzelfalle nur
durchzuführen ist, wenn man dieselbe unter steter Kontrolle des
opsonischen Index vornimmt. Tuberkulin und andere Vakzine¬
injektionen auf Grund klinischer Beobachtung allein sind unwissen¬
schaftlich und in der Mehrzahl der Fälle direkt gefährlich. Der
zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die anti¬
bakteriellen Kräfte, die der Kranke besitzt oder die er durch künst¬
liche Immunisierung erwirbt, benutzt werden können, um die Bak¬
terien am Orte der Infektion zu zerstören. Verf. bespricht die Ver¬
teilung der antibakteriellen Agentien im normalen Organismus; die
Art der entzündlichen Reaktion, die einer bakteriellen Invasion der
Gewebe folgt und die Veränderungen in der Verteilung der anti¬
bakteriellen Agentien, die dieser Reaktion folgen; dann werden die
Bedingungen geschildert, die vorhanden sind, wenn Mikroben die
entzündliche Reaktion (die ihrer Invasion folgte) überlebt und sich
an einer bestimmten Gewebsstelle festgesetzt haben. Dann zeigt
Verf. wie man diese antibakteriellen Agentien durch therapeutische
Massnahmen aus dem zirkulierenden Blute auf den Infektionsherd
konzentrieren kann. Grosses Gewicht legt er dabei auf die Ver¬
minderung oder Vermehrung der Gerinnungsfähigkeit und Viskosität
des Blutes durch Zitronensäure oder die Kalziumsalze. Er glaubt,
dass vermehrte Gerinnungsfähigkeit des Blutes mit verminderter
Transudation der Lymphe und mit Zunahme der Gerinnung der in
die Gewebsmaschen ausgetretenen Lymphe einhergeht und dass
dieser Zustand zur harten braunen Schwellung der Gew r ebe (Angina
Ludovici, Karbunkel) führt. Man muss also in diesen Fällen Zitronen¬
säure geben. Ein anderes Hindernis für den Eintritt von Phagozyten
und antibakteriellen Stoffen in den Infektionsherd (Abszess z. B.) sind
die dort aufgehäuften bakteriellen Toxine und digestiven Fermente.
Inzisionen und Aspirationen von Abszessen oder Phiegmonen er¬
füllen ihren Zweck ebenso wenig, wie die mit ihnen verbundene Saug¬
behandlung, da entweder der Lymphstrom bald stockt oder, wenn ge¬
saugt wird, die Wände der Kapillaren reissen; man muss punktieren
oder inzidieren und dann durch Tamponade oder Spülung mit 0,5 proz.
Natr. citric.-Lösung in 1,5—2,0 proz. Salzlösung den Lymphstrom
flüssiger und dadurch reichlicher machen. Bei oberflächlichen Wun¬
den entfernt er die Krusten, spült mehrere Minuten bis Va Stunde
lang die Wunde mit der eben erwähnten* schwächeren Lösung und
pudert dann mit Calc. chlor. 1 zu Cret. praec. 400,0. Zum Schluss
stellte Verf. die Behauptung auf, dass in Zukunft sowohl der Internist
wie der Chirurg den grössten Teil ihrer jetzigen Tätigkeit aufgeben
und zu Immunisatoren werden werden. (Wenn Sir Almroth W r i g h t
uns nicht mehr Tatsachen als bisher und weniger Theorien gibt, so
dürfte bis zu diesem goldenen Zeitalter in der Medizin noch recht
viel Zeit vergehen. Ref.)
Alexander Fleming: Bemerkungen über den opsonischen In¬
dex, mit besonderer Berücksichtigung der Genauigkeit der Methode
und ihrer Fehlerquellen. (Ibid.)
Verf., einer der Mitarbeiter W r i g t h s, kommt in dieser Arbeit
zu folgenden Schlüssen: Die Variationen im tuberkulo-opsonischen In¬
dex gesunder Personen sind so gering, dass man normales Serum gut j
als Standard für die tägliche Vergleichung mit dem Serum tuber¬
kulöser Personen heranziehen kann. Mit der Verminderung der Zahl
der gewaschenen Blutkörperchen in der opsonischen Mischung geht
eine Vermehrung der Phagozytose einher. Agglutinierung der ge¬
waschenen roten Blutkörperchen vermehrt die Phagozytose. Der
tuberkulo-opsonische Index ist derselbe, ob man gewaschene Blut¬
körperchen von einem gesunden oder tuberkulösen Individuum be¬
nutzt. Nimmt man mit dem Serum rote Blutkörperchen auf, so wird
die Phagozytose vermindert. Serum, das in einer versiegelten Ka¬
pillare bei Zimmertemperatur gehalten wird, behält, wenn es von ge¬
sundem Blute stammt, für mindestens eine Woche seine volle Kraft;
stammt es von einem kranken Individuum, so erlischt die opsonische
Kraft 1 bis 2 Tage früher. Blutkörperchen, die einige Stunden offen
gestanden haben, geben sehr ungenaue Resultate. Zw ei geübte Unter¬
sucher erhalten bei Zählungen derselben Präparate höchstens Unter¬
schiede von 10 Proz. Bestimmen zwei Beobachter diesen opsonischen
Index tuberkulöser Kranker, so variieren ihre Zahlen höchstens um
20 Proz.
J. H. Wells: Der opsonische Index bei Säuglingen. (Ibid.)
Verf., der ebenfalls seine Untersuchungen unter W r i g h t s Lei¬
tung gemacht hat, glaubt, dass ein niedriger opsonischer Index bei
Kindern unter einem Jahre nichts zu bedeuten hat; derartige Kinder
können ganz gesund sein und sich auch bei fallendem Index gut weiter
entwickeln. Ein niedriger Index steigt nach Impfung mit der ent¬
sprechenden bakteriellen Vakzine. Gesunde, an der Brust gesäugte
Kinder haben keinen höheren opsonischen Index, als gesunde Flaschen¬
kinder. Die antibakteriellen Verteidigungsmittel des kindlichen Or¬
ganismus müssen auf anderen Dingen beruhen, als auf den Opsoninen.
Arthur W. White: Irrtümer in der Bestimmung des tuberkulo-
opsonischen Index. (Ibid.)
Verschiedene Autoren haben behauptet, dass die Fehlerquellen
in der Technik der Indexberechnungen zu gross seien, um wissen¬
schaftlich einwandsfreie Resultate zu ergeben. Verf. sucht nachzu¬
weisen, dass diese Behauptung unrichtig ist und dass selbst ungeübte
Untersucher höchstens 4 bis 13 Proz. Variationen erhalten; dass aber
bei geübten Untersuchern die Zahlen nur von 2 bis 6 Proz. variieren.
M. Greenwood: Statistische Erwägungen in Bezug auf den
opsonischen Index. (Ibid.)
Es ist durchaus unerwiesen, dass die Fehlergrenzen meist 20 Proz.
der Durchschnittswerte überschreiten. Bei dünnen Emulsionen sind
Irrtümer nach oben häufiger als nach unten. Es ist möglich, (aber
unbewiesen), dass wenn man allgemein mit dicken Emulsionen ar¬
beitet, die Variationen symmetrischer werden. Man muss also hohe
opsonische Indizes kritischer betrachten, als niedrige und man sollte
stets mit dicken Emulsionen arbeiten (bei normalem Serum sollten
mindesten 3 Bazillen auf jedes weisse Blutkörperchen kommen).
A. Butler Harris: Die Behandlung mit bakteriellen Vakzinen.
(Ibid.)
Wenn möglich, suche man vor Operationen wegen Tuberkulose
den opsonischen Index zu bestimmen, ist er niedrig, so erhöhe man
ihn durch Inokulationen und operiere erst, wenn er dauernd hoch ist.
Ausser Tuberkulose hat Verf. besonders Akne, Furunkel und Kar¬
bunkel mit Staphylokokkenvakzine behandelt, ferner Komplikationen
der Blase und Nieren, des Uterus (Endometritis) und des Darmes
(Colitis mucosa) mit Kolivakzine. Auch bei Maltafieber sah er gute
Erfolge mit Vakzinebehandlung. Zum Schlüsse gibt er eine Tabelle
der Dosierung der verschiedenen Vakzinen. Tuberkulin Vioooo bis
Vaooo mg alle 10 Tage; Kolivakzine 5 bis 15 Millionen Bazillen alle
2 bis 5 bis 10 Tage; Pneumokokkenvakzine 10 bis 50 Millionen
Kokken alle 36 bis 48 Stunden; Pneumokokkenvakzine 20 bis 60 Mil¬
lionen wöchentlich und später alle 2 bis 3 Wochen; Staphylokokken¬
vakzine 100 bis 1000 Millionen alle 10 Tage; Maltafieber */i« ccm der
Kultur alle 7 bis 14 Tage.
A. C. Inman: Der Wert des opsonischen Index In der Behand¬
lung der Lungentuberkulose. (Ibid.)
Frühe, nicht fiebernde Fälle von Phthise können mit graduierten
Körperübungen in frischer Luft behandelt werden. Es handelt sich
dabei um eine Tuberkulinbehandlung durch Autointoxikation. Hierbei,
wie bei der Behandlung mit Tuberkulineinspritzungen sollte der op¬
sonische Index regelmässig kontrolliert werden. Bei fieberhaften
Fällen von Tuberkulose ist Ruhe am Platze und in diesen Fällen muss
man auf die Autoinokulation verzichten und durch sorgfältig unter
steter Leitung des opsonischen Index vorgenommene Tuberkulin¬
injektionen die Immunisierung des Körpers anzustreben suchen.
J. Charlton B r i s c o e und E. U. Williams: Die Behandlung
der Lungenerkrankungen durch Vakzine unter Leitung des opsonischen
Index. (Ibid.)
Die Verfasser haben bei Empyemen Pneumokokkenvakzine ein¬
gespritzt und, wie sie glauben, mit gutem Erfolge. Bei verzögerter
Resorption konsolidierter Lungenabschnitte spritzten sie mit Erfolg
Staphylokokkenvakzine ein. Die besten Erfolge erzielten sie bei
Tuberkulose der Lungen. Sie benutzten T.B. R. und zwar meist in
Mengen von Vicoo mg. Meist wurde alle 14 Tage eine Einspritzung ge¬
macht; in 2 Fällen musste wöchentlich gespritzt werden, um den
Index hoch zu halten. Am besten reagieren die Fälle von Tuberkulose,
in denen Verdichtungen des Lungengewebes im Vordergründe des
Interesses stehen. Fälle mit Kavernen oder Erweiterungen der Bron¬
chien geben viel weniger gute Erfolge. Im allgemeinen eignen sich
die chronischen Fälle besser für die Tuberkulinbehandlung als die
akuteren.
H. Stansfield Collier: Der opsonische Index in der Chirurgie.
(Ibid.)
Die Bestimmung des opsonischen Index unterliegt allerlei Fehler¬
quellen. Verf. liess das Blut eines Kranken von 11 verschiedenen La¬
boratorien untersuchen; der Index der zur selben Zeit entnommenen
Blutprobe schwankte zwischen 0,84 und 1,7. Trotzdem glaubt Verf.,
dass die stete Kontrolle des Index von grossem Nutzen ist; in allen
Fällen von Tuberkulose, die zur Ausheilung kamen, zeigte der Index
ein stetiges Ansteigen von einer niedrigen Zahl zur Norm. Bleibt der
Index dauernd normal, so kann man annehmen, dass die Heilung ge¬
lungen ist. Eine Indexkarte mit steilen Kurven bedeutet eine un¬
günstige Prognose. Die Tuberkulinbehandlung lässt sich nur beur¬
teilen aus einer grösseren Zahl so behandelter Fälle, da einzelne Fälle
von Tuberkulose grosse Tendenz zur spontanen Heilung zeigen. Verf.
glaubt aber, bei mehr als 150 mit Tuberkulin behandelten Fällen von
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1848
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
chirurgischer Tuberkulose den Eindruck gewonnen zu haben, dass sic
viel glatter und rascher heilen als die ohne Tuberkulin behandelten.
Verkäste Drüsen heilten nicht unter Tuberkulinbehandlung. Vert.
empfiehlt daher, Drüsen, von denen man annimmt, dass sie verkäst
sind, zu entfernen und später prophylaktisch Tuberkulin zu geben.
Bei Mischinfektionen muss man gleichzeitig Vakzine gegen die anderen
Mikroorganismen anwenden. In jedem Ealle müssen die Ein¬
spritzungen unter steter Kontrolle des Index erfolgen. Operationen
soll man vornehmen, wenn der Index niedrig ist, da die Operation
als Autoinokulation wirkt.
Arthur W h i t f i e 1 d: Der opsonische Index In der Dermatologie.
(Ibid.)
Verf. behandelt nur die Staphylokokkeninvasionen und die Tu¬
berkulose der Haut. Bei allgemeiner Furunkulose ist die Behandlung
mit Staphylokokkenvakzine die beste, die es gibt; alle so behandelten
Fälle kamen zur Heilung, die längste zur Heilung erforderliche Zen
betrug 12 Wochen (8 Einspritzungen). Man muss aber den opsoni¬
schen Index kontrollieren. Bei frischen Fällen von Sykosis brachte
die Vakzinebchandlung allein sehr rasche Heilung, bei chronischen
unterstützte sie sehr die Behandlung mit Rontgenstrahleii. Bei Akne
ist der Erfolg unsicher, in vielen Fällen aber höchst eklatant. Tuber¬
kulöse Geschwüre werden sehr günstig beeinflusst. Lupus dagegen
nicht. Hier ist das Finsenlicht oder die Exzision der Tuberkulm-
behandlung vorzuziehen.
Hunter F. T o d und G. T. Western: Die Behandlung des Lu¬
pus und der Tuberkulose der Nase, des Kehlkopfes und des Ohres mit
Tuberkulin. (Ibid.)
Diese Arbeit stammt aus dem London Hospital, das ein eigenes
Inokulationslaboratorium besitzt. Die Verfasser glauben, dass Inoku¬
lationen, die mit der richtigen Dosis und in den richtigen Zwischen¬
räumen gemacht werden, ungefährlich sind. Akute Verschlimme¬
rungen wurden nie beobachtet. Bei akuten Fällen mit niedrigem In¬
dex leisten die Inokulationen meist vortreffliches; bei mehr chroni¬
schen Fällen und leidlich hohem Index kann man von ihnen allein nicht
viel erwarten. Das liegt daran, dass bei den chronischen Fällen
stärkere Bindegewebswucherungen vorliegen, die eine genügende Zir¬
kulation am Orte der Krankheit erschweren; wenn man also auch die
Opsonine im Blute erhöht, so gelangen diese doch nicht an den Krank¬
heitsherd. Man muss also in diesen Fällen gleichzeitig eine lokale
Kongestion herbeizuführen suchen; hieran scheitert z. B. die Behand¬
lung des Lupus der Schleimhäute, da die üblichen Methoden, eine
lokale Kongestion zu erzeugen, hier versagen. Man soll also die I ii-
berkulinbehandlung mit der operativen Behandlung verbinden. Ope¬
rationen dürfen nur dann gemacht werden, wenn der Index normal
oder iibernormal ist; ist er dies nicht, so muss er zuerst durch Inoku¬
lationen erhöht werden. (Collier s. o. sagt gerade das Gegenteil.
Ref.) Die Bestimmung des opsonischen Index kann in zweifelhaften
Fällen die Diagnose sichern.
Thomas J. Norder: Die Vakzinebehandlung bei der ulzerösen
Endokarditis. (Ibid.)
Bei 28 konsekutiven Fällen fand Verfasser 18 mal Streptokokken
(S. salivarius und S. faecalis), 5 mal Influenzaba/.illen, 8 mal Pneumo¬
kokken, je 1 mal Gonokokken und Staphylokokken im Blute. Es ge¬
lang Verf. niemals, durch bakterizide Seren oder durch Medikamente
Heilungen zu erzielen. Er hat 4 Fälle (2 Streptokokken, 2 Influenza-
bazillen) mit Vakzine behandelt, die von den Mikroben des Patienten
hergestellt w urden. Bei den 2 Streptokokkentüllen trat Nachlassen des
Fiebers und Besserung des Allgemeinbefindens ein, doch starben beide.
Von den Influenzafällcn wurde der eine geheilt. Das Blut wurde frei
von Bazillen.
J. W. Thomson Walker: Die Tuberkulinbehandlung der Uro¬
genitaltuberkulose. (Ibid.)
Die Tuberkulinbehandlung gibt die besten Resultate bei der pri¬
mären und sekundären Blasentuberkulose; bei der reno-vesikulen und
genitalen Tuberkulose ist sie ein gutes Hilfsmittel in Verbindung mit
operativen Massnahmen. Benutzt w urde T. R. zuerst in Dosen von
Vaso bis i§ mg in 1—4 wöchentlichen Zwischenräumen. Neuerdings
wurde stets der opsonische Index bestimmt und wurden nur 1 ?imm bis
’/ftoo mg wöchentlich oder zwciw'öchentlich eingespritzt. Die Ei folge
waren gute, doch sind manche der Kranken seit über 4 Jahren in
Behandlung.
R. W. Allen: Der opsonische Index in der Augenheilkunde.
(Ibid.)
Verf. beginnt bei primärer Tuberkulose des Auges mit T. R. von
menschlichem Typus; hilft dies nichts, so versucht er nach 2 bis 8 Mo¬
naten T. R. vom Typus bovinus; zuweilen mischt er auch beide in
gleichen Mengen von Anfang an. Ist die Tuberkulose des Auges ver¬
gesellschaftet mit Lungentuberkulose, so benutzt er T. R. vom Typus
humanus, bei gleichzeitiger Driisentuberkulose T. R. Vom Typus bo¬
vinus. Stets müssen die Einspritzungen unter Kontrolle des Index
vorgenommen werden. Ist das ganz, unmöglich, so injiziere man
( 1,00001 und steige jeden Monat, bis man o.oooob erreicht. Chorioidcal-
tuberkel verschwinden dabei sehr schon; Phlyktänen und Episkleritis
werden nur wenig beeinflusst. Tuberkulose der Orbitalknochen wird
oft geheilt, bei Mischinfektionen muss man die entsprechenden Vak¬
zinen anwenden. Bei gonorrhoischer Konjunktivitis, beginne man so¬
fort mit Gonokokkenvakzine (125 Millionen abgetötete Kokken); oft
gelingt es, die Entzündung in 24 Stunden zum Stillstand zu bringen.
Konjunktivitiden, die auf anderen Mikroorganismen beruhen, werden
mit den entsprechenden V akzinen behandelt. Ganz besonders günstig
wird die sonst so hartnäckige Konjunktivitis, die auf der Gegenwart
des F r i e d I ä n d e r sehen Bazillus beruht, durch die entsprechende
Vakzine (250 Millionen Organismen) beeinflusst, Heilung nach 5 los
4 Einspritzungen. Dasselbe gilt von der hartnäckigen Konjunktiv ins.
die auf dem M o r a x - A x e n f e I d sehen Bacmiis lacunatus beruht;
hier bringen 2 bis .i Fanspritzungen von im Millionen Huzulen in 2
bis d wöchentlichen Zwischenräumen bald Heilung. Audi die tuber¬
kulöse Konjunktivitis wnd günstig durch Tuberkulin beeinflusst. Bei
Ulcus serpens corneae erzielte Verf. gute Erfolge mit Pneumokokken¬
vakzine, die wie m allen Fallen von den aus dem l Icus gezüchteten
Mikroorganismen präpariert wurde. In einem Falle war der Index
vor der Injektion 2,5 (also ganz ungewöhnlich hoch. Ret.i. Verf.
spritze 25(1 Millionen Organismen ein. Fs kam soiort zur Besserung;
nach 15 lagen wurde dieselbe Menge emgespritzt, der Index liegt
auf b.d. Das Auge des so jährigen Mannes, das vorher verloren Schien,
wurde gerettet und behielt eine gewisse Sehschärfe.
Das M\pop\ oiiulcus wird besonders dann günstig beeinflusst,
wenn es auf dem Pneumokokkus beruht. Dunstige I tmlge wurden
auch erzielt bei Hordeolum und Chalacion. sowie hei Pac r\ oc v st it in
chronica, die fast minier auf dem Siteptococcus longus beruht.
(Die hier referierten Arbeiten genen einen kiunen Begrill von
dem Eifer, mit welchem augenblicklich itt London V akzmetherapie
getrieben wild. Von überall her. besonders aber auch Von Deutsch¬
land. strömen | meist recht junge | Aerzte nach London, um an der
Duelle die neue Weisheit zu studieren, die. wenn man VV right
Glauben schenken darf, m absehbarer Zeit den Ar/t. wie er bisher
war, völlig uhei flussig machen wird und an seine Steile den Immtim-
sator setzen wird. Fragen wir uns mm aber einmal, was denn neues
an der ganzen Bewegung ist, so müssen wir die therapeutische Seite
der Frage als etwas alles bezeichnen; neu sind höchstens die kleinen
Dosierungen. Was nun den opsonischen Index betrmt. so ist dessen
Bestimmung mit so viel Fehlerijuellen behaltet, dass es dem Ref.
wenigstens äusserst fraglich erscheint, ob man auf eine solche Be¬
stimmung wirklich viel geben kann; da/u kommt noch, dass es bisher
völlig unbewiesen ist. was man als einen normalen Index bezeichnen
kann und ob das Ansteigen des Index ohne weiteres als etwas \i.r-
teilhaftes iiir den Kranken zu bezeichnen ist. Ausserdem sind die An¬
sichten sehr geteilt darüber, ob es wirklich notig ist, stets den opso¬
nischen Index zu bestimmen, wenn man Vakzine emsprit'en wiil.
selbst die entschiedensten Vertreter dieser Meinung geben aber zu.
dass die Untersuchungen sehr zeitraubend sind, unj deshalb wirj
auch dort, wo mau bei der V ak/inebehandlung die stete Kontrooe
des Index fordert, diese Regel oft v ernachlassigt und man richtet sich
vielfach nur nach den klinischen >\mptomcii. Wer die oben rete-
rierten Arbeiten genau durchstudiert, wird sicherlich dem ReJerenten
beistimmen, dass etwas weniger Entteusiasmus mul mehr Kritik, etwas
weniger Theorien und mehr Tatsachen sein w unsJiensw ert waren.)
(Schluss folgt.)
üewerbehyglene.
L. Lew in-Berlin: Leber die gewerbliche \ erglftung mit
Chromverbindungen. i/eirschr. i. Gewerhehvg. etc. l'*'\ s,,. i=u; »
Wahrend bei manchen Betrieben, m denen mit L-hrcütn geai beitet
wird, z. B. den Alkalichromtabriken. behördlicherseits gewisse Re¬
geln und Vorschriften gegen eine Geiahrduug durch Chrom erlassen
sind, sind andere Chrofhlabrikations/w eige tiodt nicht damit bedacht.
Es ist dies um so wünschenswerter, ais alle C h r o m s t o f j o. so¬
wohl die Chromo\\de. wie die Same. wie die Salze und zwar im
gelosten wie im festen Zustande gütig sind. Die häutigsten Verände¬
rungen sind zunächst die Aet/ungeii im Gesicht, besonders an der
Nasenscheulew and mul den Händen, spater die allgemeine Vergütung
durch Aul nähme des Chroms m das Blut, wodurch Magenstorungcn
und Nierenentzündungen veranlasst werden. Wichtig ist daher vier
gleiche Schutz gegen die Aufnahme des Chroms in diu Körper bei
Färbern, Walkern, Holzbeizein. Zeugdruckern. I .ipeteiidrucke'i).
Malern. Zmulholzarbeitern usvv. V oii Bedeutung ist bei den Vor-
siclitsmassregeln die Regelung der Arbeitszeit. Schutz vor atzender
Wirkung durch Emreihen mit Gel. Handschuhen oder K-■^ditim.iber-
zug, das Tragen von Respiratoren und eine möglichst weitgehende
Reinigung, ähnlich, w ie es bei der Bleitab: ikatioii geboten ist.
Zur Hygiene in der Haarfilz- und Hutfahrlkation. (Ebenda.
No. 7. S. Ib2.)
Bei der Haarfilz- und Hutfabr ikatmn kommen eine Reihe \<>u
Manipulationen m Frage, bei denen durch die Chemikalien und den
ausserordentlich reichen Staub die Arbeiter sehr gefährdet werden.
Zunächst w ird hei dem Lostrennen der Biber-, Ilasen- und Kaumdien-
liaare vorn Fell und beim Sortieren viel staub erzeugt. aS.ianrf ge¬
langen bei der Sogen. Sekrctage. bei we’Jier die Maare mit Sa’.pcter-
saurer Ouecksilberlosung imprägniert werden. Dampte von Gueck-
Silber und Kohlynoxydgase aus den animd.-cdien I rockenkam'tuern
in den .Arbeitsraum. Der meiste staub wird aber beim Karden, heim
Bearbeiten mit dem Lach bogen und besonn-s beim Abreiben der
i geformten Hute mittels Glaspapier erzeugt, wo aas Glas und leichtem
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1849
Wollstaub bestehender Staub aufwirbelt. Zur Vermeidung dieser
Unzuträglichkeiten werden einige bereits in französischen Industrien
mit Erfolg eingeführte Massnahmen beschrieben. Besonders wird auf
die Abschaffung der alten Trockenkammern, auf Ersatz des Queck¬
silbers und auf staubabsaugende Apparate Gewicht gelegt.
Vergleichende Statistik der Unfälle Im Bergbau und Im Ge¬
werbebetriebe. (Ebenda, No. 7, S. 167.)
Die interessante Statistik zeigt, dass der Bergbaubetrieb, in dem
man gewöhnlich die weit schwersten Unfälle vermutet, weit hinter
manchen gewerblichen Betrieben zuriicksteht. Im Jahre 1905 ent¬
fielen auf 10 000 Arbeiter im Steinbruchbetriebe 425, in der Holz¬
verarbeitung 364, in Hütten 343, in Maschinenfabriken 321, im Bau¬
gewerbe 300, bei Eisenbahnen 268, bei Bauunternehmungen 252
schwere Unfälle. Dagegen weist der Bergbau nur 111 schwere Un¬
fälle auf. Ganz ähnlich verhält es sich bei den tödlichen Unfällen.
So entfallen auf 10 000 Arbeiter in Gräbereien 37, in Steinbrüchen 26,
im Baugewerbe 21, bei Transport zu Lande 16 tödliche Unfälle. Auf
den Bergbau dagegen nur 14,5.
Die Nickelkrankheit, Ursachen, Verlauf und Schutzmassnahmen.
(Ebenda No. 8, S. 185.)
Die sogen. Nickelkrankheit oder Nickelkrätze wird
beobachtet in galvanischen Anstalten, Lampenfabriken, Messing- und
Metallwarenfabriken, Ofenfabriken und Vernickelungsanstalten. Sie
äussert sich in Jucken und Brennen an den Händen, darauf in knöt¬
chenartigem Ausschlag, der manchmal von den Händen und Armen
auf Gesicht und Brust übergeht. Die Haut wird rot, es bilden sich
kleine Bläschen, die beim Aufspringen einen wässerigen Inhalt ab¬
sondern. Es macht den Eindruck, als ob alle Arbeiter nicht gleich
empfänglich wären, bei manchen tritt sie stärker auf und wiederholt
sich auch. Es ist jetzt als sicher anzunehmen, dass die Nickelkrätze
wirklich nur auf einer Einwirkung von Nickelsalzen beruht und man
hat besonders Nickelsulfat und Nickelammoniumsulfat als verdächtig
angesehen, da man die Beobachtung machte, dass Arbeiter, welche
nach der Erkrankung den Betrieb gewechselt haben, von ihrem Uebel
befreit wurden. Die Meinungen über die Entstehung des Ekzems
gingen und gehen allerdings noch auseinander und man kann aus ein¬
zelnen Gewerbeberichten entnehmen, dass die Erkrankungen auf die
Wirkung des Aetzkalkes, mit dem die zu vernickelnden Gegenstände
vor dem Vernickeln gereinigt werden, zurückzuführen wären. Auch
die galvanischen Bäder, Messing- und Kupferbäder und auch Benzin
und Petroleum, welches in den Vernickelungsanstalten gebraucht
würde, führen zu dieser Erkrankung.
Die Schutz- und Vorbeugungsmassnahmen gegen die Nickelkrank¬
heit bestehen in gutem Abtrocknen, ausgiebiger Benützung von Zink¬
salbe und Byrolin, falls nicht etwa zweckmäsig ein Uebergang zu
einem anderen Gewerbe in Frage kommt. In die Nickelsalzlösungen
darf nur mit Haken oder Gummihandschuhen hineingefasst werden
und ein Verspritzen der Lösung ist zu vermeiden. Neuerdings wird
ein Verfahren erprobt, welches die Entfettung der zu vernickelnden
Gegenstände auf elektrolytischem Wege bezweckt. Auch wird der
Aetzkalk durch Bimstein ersetzt.
Ueber Arbeiterwechsel. (Ebenda 1908, No. 9, S. 203.)
Dieses Stück soziale Hygiene erfährt eine gute Beleuchtung in
dem Bericht der preussischen Regierungs- und Gewerberäte von 1907.
Die Ursachen des Arbeiterwechsels liegen in lokalen Eigentümlich¬
keiten, sozialen Verhältnissen, Alter, Stand, Geschlecht, Heimats¬
zugehörigkeit und Nationalität. Daher sind auch die Massnahmen zur
Vermeidung der Abwanderung recht verschieden. Uebereinstimmend
werden als günstig wirkend angeführt: Beschaffung von guten Woh¬
nungsgelegenheiten, auskömmliche Lohnzahlung, Aussetzen von Prä¬
mien für Innehaltung längerer Arbeitsfristen, Schaffung günstiger Ein-
kaufsgelegenheiten für Nahrungsmittel, Brennmaterial usw.
Verheiratete Arbeiter sind leichter geneigt, sich diese Vorteile zu
Nutze zu machen, während Unverheiratete oft nur um zu wandern
günstige Verhältnisse ausschlagen. Ein weiteres Mittel zur Sesshaft-
machung der Arbeiter ist die Erstellung hygienischer Arbeitsräume
und technisch vollkommener Betriebsmittel. Ferner wurde von einem
Unternehmer der Versuch gemacht, durch Gründung einer Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, die aus ihm und seinen Arbeitern bestand,
ein längeres Bleiben derselben zu veranlassen. Bei der Aussetzung
von Lohnprämien ist der Erfolg ein zweifelhafter. Das Vorhandensein
von Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen, Pensionskassen, die Erwerbung
von liegendem Besitz für Arbeiter-Spar- und -Unterstützungskassen,
Dienstaltersprämien ist mitbestimmend. Lebensmittelteuerung ver¬
treibt die Arbeiter. Arbeiterinnen ziehen in den Gegenden, wo sich
Bäder und Kurorte befinden im Sommer meist dorthin, weil sie als
Zimmermädchen und dergl. besseren Lohn finden.
Interessant ist, dass infolge der geringen Sesshaftigkeit der Ar¬
beiter sich die leichteren Unfälle stark vermehrt haben. Andererseits
befördern Unfalls- und Gesundheitsgefahren in den Betrieben und
mangelnde hygienische Einrichtungen den Arbeitswechsel ganz be¬
deutend; überhaupt macht sich eine Strömung bemerkbar, dass die
Betriebe, die sich durch Entstaubungsanlagen, gute Ventilation. Licht
und Luft, allerhand hygienische Einrichtungen auszeichnen, aufgesucht
werden. Und durch gute und billige Wohnungen, Pensionsversiche¬
rungen, Zuschüsse für unfreiwillige Beurlaubungen und für die
jüngeren Arbeiter Sparkassen mit Werkzulagen werden die Arbeiter
gehalten.
Victor S t e i n e r - Wien: Hygiene Im Kleingewerbe. (Ebenda,
1908, No. 10, S. 227.)
In dem Masse, wie sich die hygienischen Verhältnisse in der
Industrie und im Grossgewerbe verbessert haben, haben sie sich im
Kleingewerbe verschlechtert. Die gewerbehygienischen Massnahmen
sind ausschliesslich der Fabrikhygiene zugute gekommen. Daher fin¬
den wir auch im Kleingewerbe schlechte Arbeitsstätten, die zugleich
noch Wohnräume sind, weder Ventilation noch Entstaubungsanlagen,
die Arbeitszeit ist unbegrenzt, Erholungspausen unter Tage gibt es
nicht, dazu kommt noch mangelhafte Ernährung und Alkoholgenuss.
Diesen Schäden entgegenzuwirken, ist eine schwierige Aufgabe, da
die gesetzlichen Bestrebungen vielfach an der Indolenz der betreffen¬
den Kreise scheitern. Zu fordern wäre möglichste Trennung der
Wohn- und Arbeitsräume, eine rationelle Wohnungs- und Werkstätten¬
hygiene, nebst Ventilation und Beleuchtung, Regelung der Arbeitszeit
und anderes. Freilich gehört dazu auch die obligatorische Sicherung
des Kleinhandwerks gegen Krankheit und Invalidität. Mit Recht be¬
tont Verf., dass man in Vereins- und Jünglingsversammlungen Vor¬
träge mehr gemeinnütziger Art über hygienische Dinge halten solle,
anstatt die Leute mit „steriler politischer Schwadroniererei“ zu
füttern.
Ganz: Euböolith als vortrefflicher Fussboden für Spinnereien
und Webereien. (Ebenda 1908, No. 10, S. 234.)
Von den Euböolithwerken in Zürich und Prag wird eine Fuss-
bodenmasse in den Handel gebracht, die sich als beinharte Fussboden-
schicht für Kasernen, öffentliche Gebäude, Fabriken und gewerbliche
Räume ausserordentlich gut bewährt hat. Das Euböolith besteht aus
einer Mischung von Holzfasern, Chlormagnesium und Magnesit. Es
wird in breiiger Masse auf Beton oder Steinunterlage aufgetragen
in 12—16 mm dicker Schicht und erhärtet alsbald. Besondere Vor¬
züge sind die leichte Befreiung von Staub, die Fugenlöslichkeit, die
schlechte Wärmeleitung, eine gewisse Elastizität und die bequeme
Reinigung.
Heim und H. A. H 6 b e r t: Beitrage zur Prophylaxe der durch
Arsenwasserstoff bedingten gewerblichen Vergiftungsfälle. (Zeitschr.
f. Gewerbehygiene 1908, No. 10, S. 229 und No. 11, S. 251.)
In experimentellen Versuchen ermittelten die Verf., dass Arsen¬
wasserstoff in einer Konzentration von ca. 3,5 Prom. bei Meerschwein¬
chen nach weniger als V» Stunde eine schwere Vergiftung hervor¬
ruft. Eine chronische Vergiftung mit tödlichem Ausgang wird durch
wiederholte Einschliessung um V* Stunde und dazwischenliegende
24 ständige Pausen bei einer Konzentration von 0,05 Prom. hervor¬
gebracht. 0,02 Prom. konnten 8 mal ungestraft eingeatmet werden.
Vögel sind viel empfindlicher. Bereits eine Atmosphäre mit 0,09 Prom.
tötet nach weniger als V* Stunde. Zwei Einschliessungen in einer
Atmosphäre von 0,02 Proz. bringen ebenfalls tödlichen Ausgang. Es
muss daher 1:50 000 = 0,02 Proz. Arsenwasserstoff für den Vogel als
bereits schädlich wirkende Minimaldosis angesehen werden. Nach
der Berechnung für den Menschen würde der Gehalt an Arsenwasser¬
stoff in der Luft 1:200 000 niemals überschreiten dürfen. Um Ver¬
giftungsgefahren in industriellen Betrieben auszuschliessen, würde
man demnach prophylaktisch nur Materialien benützen dürfen, bei
deren Verarbeitung sich keine grösseren Arsenwasserstoffgasmengen
entwickelten. Die Bestimmung des ArsenwasserstofTs geschieht mit¬
tels Quecksilberchlorürpapiers, nachdem Schwefel-, Phosphor- und
Antimonwasserstoff absorbiert sind. Der hierzugehörige Apparat ist
in Abbildung beigegeben.
Gewerbehygiene In Zuckerfabriken und Zuckerraffinerien.
(Ebenda 1908, No. 11, S. 256.)
Beobachtet sind in Zuckerfabriken durch Einatmung von Zucker¬
staub Lymphangoitis und nach P o i n c a r 6 auch Diabetes. Anderer¬
seits aber auch durch örtliche Einwirkung des Zuckerstaubes Furun¬
keln an den Extremitäten. Besonders sind die Arbeiter an den Zentri¬
fugen und die das Umrühren der Melasse zu bewirken haben den
Schädigungen ausgesetzt. M e u d r a glaubt, dass bei der Erzeugung
von Lymphangoitis und Furunkulose Staphylokokken mit im Spiel
seien und man will beobachtet haben, dass in den Fabriken, wo das
Ausbringen des Zuckers aus den Rüben mittels schwefliger Säure be¬
trieben wird, die Krankheiten — vielleicht wegen der Desinfektions¬
kraft der schwefligen Säure — in geringerer Menge auftreten. Pro¬
phylaktisch ist als einzig rationelle Massnahme die Einführung von
Absaugevorrichtungen einzuführen.
Frois-Paris: Die Beseitigung der Staubgefahr und Desinfi¬
zierung der Stücke in den Wäschereien. (Ebenda 1908, No. 11, S. 258.)
Der beim Sortieren von schmutziger Wäsche entstehende Staub
soll nach den Angaben von Landouzy die Ausbreitung der Infek¬
tionskrankheiten, besonders der Tuberkulose, erheblich fördern. Alle
Massregeln zur Verhütung des Staubes führten zu keinem günstigen
Resultat, auch nicht die Befeuchtung der Wäsche, weil sie nur in un¬
genügender Weise ausgeführt wird. Verf. bringt daher die ameri¬
kanische „Schlagmaschine“, welche das Abstauben und Befeuchten
der Wäsche besorgt, in Vorschlag. In dem zylinderartigen Kessel
wird durch mechanischen Antrieb die Wäsche in fortwährender
Drehung und Umkehrung gehalten, dadurch tüchtig ausgeklopft und
später mit Dampf, der in den Zylinder hereingelassen wird, benetzt.
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1850
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Die Caissonkrankheiten und Caissoneinrichtungen. (Ebenda
1908, No. 11, S. 260.)
lieber die Entstehung der Caissonkrankheiten existieren eine
Reihe Theorien, von denen die „Gastheorie“, d. h. das Freiwerden
der Gase durch plötzliche Verringerung des Luftdruckes die an¬
erkannteste ist. Das freiwerdende Gas soll nach den Untersuchungen
von Bert nicht Kohlensäure oder Oxygen, sondern Nitrogen sein,
und der Krankheitsgrad davon abhängen, aus welcher Körpergegend
Nitrogen frei wird und wohin sich dieses verteilt. Bei den Schleusen¬
bauten bei Nussdorf bei Wien sind von 675 Arbeitern im ganzen 198
~ 29,3 Proz. an Caissonkrankheiten erkrankt. 2 mal kamen Todes¬
fälle vor, in 68 Fällen Ohrenkrankheiten. Alle Krankheiten entstanden
beim Ausschleusen, also bei der Verringerung des Druckes. Der
Ueberdruck von 1,4 Atmosphären scheint am kritischsten zu sein. Ein¬
atmen von Sauerstoff hat eine günstige Wirkung, weil es den in das
Zellgewebe eingedrungenen Stickstoff beseitigt. Das Ausschleusen
muss derart bewerkstelligt werden, dass die Druckvermindening um
0,1 Atmosphäre 2 Minuten dauern soll, so dass bei 3 Atmosphären 60,
bei 5 Atmosphären 100 Minuten erforderlich sind. Auf eine Person
soll mindestens 0,7 ccm Luftraum entfallen und die 'Temperatur soll
höchstens 18° betragen.
Karl Hencke - Wesel: Ersatz der Quecksllbersekretage durch
unschädliche Prozeduren. (Ebenda 1908, No. 12. S. 281.)
Die Quecksilbersekretage, ein Vorgang, den man auch als
Karroticrcn oder Beizen bezeichnet, besteht in dem Einreiben von
Fellen auf der Haarseite mittels einer Lösung von salpetersaurem
Quecksilber, und wird gehandhabt in Hutfabriken, Filzfabriken usw.
Auch bei den weiteren Manipulationen bis zur Fertigstellung der
Haarprodukte kommen die Arbeiter mit den Quecksilberverbindungen
dauernd in Berührung. Trotz der verschiedenen Versuche an Stelle
des Quecksilbers einen anderen chemischen Körper, wie /. B. reine
Salpetersäure einzusetzen, sind bisher noch keine Erfolge er¬
zielt worden. Auch das Quecksilber in ungiftige Verbindungen iiher-
zufiihren hat keine praktisch brauchbaren Resultate ergeben. Es
bleibt daher nichts übrig, als die prophylaktischen Massnahmen zu
beachten, die in folgendem bestehen: Die Beizer müssen Gummihand¬
schuhe bis über die Gelenke tragen. Die 'Trockenoien und sämtliche
Arbeitsräume müssen ständige Ventilation aufweisen. Die Arbeiter
sollen einen besonderen Oberanzug und deckenden Kopfschutz tragen.
Essen und Trinken während der Arbeitsperiode sind unbedingt zu
vermeiden. Es müssen reichlich Waschgelegenheiten vorhanden sein
und äusserste Sauberkeit in den Betriebssälen. Jeder Arbeiter wird
vor Arbeitsantritt ärztlich untersucht, um bei den geringsten An¬
zeichen von Merkurialismus die Arbeit inhibieren zu können.
Josef Rambousek: lieber die Verhütung der Bleigefahr.
(Wien und Leipzig, Hartlebens Verlag, 1908, 79 S.. 3 M.)
In dieser lesenswerten Studie sucht Verf. den Beweis zu er¬
bringen, dass die bisher ergriffenen Massnahmen gegen die Blei¬
gefahr noch keine vollkommenen sind, dass ausserdem die Erkran¬
kungshäufigkeit dadurch beeinflusst wird, in welcher Form dem Ar¬
beiter das Blei unter die Hände kommt und dass endlich die Blei¬
erkrankung uns bei verschiedenen Beschäftigungsarten in verschie¬
denen Formen entgegentritt. Im ersten Teil seiner Arbeit bringt er
„Wichtiges über die Pathologie der Bleivergiftung mit praktisch be¬
deutsamen Folgerungen“ und im 2. Teil „Verwertung der praktischen
Schlüsse zur Bekämpfung der Bleigefahr in der Technik“. Die meisten
Erscheinungen der Bleivergiftung lassen sich auf Erkrankungen des
Blutes zurückführen. Das wichtigste Ausscheidungsorgan fnr das
Blei ist der Darm, die wichtigste Resorptionsstätte der Magen. Blei¬
sulfid ist die einzige Bleiverbindung, welche relativ ungiftig ist. da¬
her besteht bei der Aufbereitung von Bleierzen, sofern nur Bleiglanz
in Betracht kommt, keine Bleigefahr. Man müsste deshalb bei der
weiteren Verarbeitung des Bleies, sobald cs möglich ist. w ie z. B.
bei Bleigegcnständen, einen dauernden Sulfidüberzug schaffen können.
Auch der persönliche Schutz der Bleiarbeiter Hesse sich verbessern,
wenn bei Wasch- und Reinigungsprozeduren Schwefelw asserstoff zur
Bildung von Bleisulfidcn benutzt werden könnte. Bleihaltige Luft
soll aufs äusserste vermieden werden, ebenso sollte jede Ucber-
anstrengung der Bleiarbeitcr ausgeschlossen werden können.
R. O. Neu mann - Heidelberg.
Inauguraldissertationen *).
Willy Vogel liefert in einer Arbeit aus der k. psychiatrischen
und Nervenklinik der Universität Breslau (Prof. Dr. B o n h o e i f e r)
einen wertvollen Beitrag zur Klinik der Puerperal-
Psychosen und zur Prognose der Katatonie. (Breslau
19i>s, 59 S., Breslauer Ocnossensch.-Dnickeiei.) Fr hat 38 Fülle
aus den Jahren 1892—1897. welche aus Stadt und Land stammende
und den verschiedenen Ständen ungehörige Frauen betreffen, unter¬
sucht und den späteren Verlauf katamnestisch fest/ustellen versucht.
Unter diesen Fällen befinden sich manisch depressive Zustände in
II Fällen r - 28,9 Proz., Amentia 8 Fälle ' 21 Proz., Dementia praecox
15 Fälle = 39,5 Proz. (katatonische Form 10, paranoische 5 Fülle),
*) Zusendung von Dissertationen an die Adresse der Redaktion,
München, Arnulfstrasse 26, erbeten. Besprechung Vorbehalten.
unklare Fälle 4. In 21 Fällen 55.2 Proz. erfolgte der Ausbruch der
Psychose innerhalb der ersten 6 Wochen nach der Geburt, m 15 Faden
39.4 Proz. erst nach der b. Woche: die beiden übrigen Fal e s.nd
unklar. Abgesehen von diesen sind II 1 u de wahren! der Ps\ch<»se
gestorben, 23 Falle G',5 Pro/, sind gehe dt be/w . gebessert. - Die
Zusammenstellung der Falle mit Katatonie bestätigt d e neuerd.ngs
von verschiedenen Seiten ausgesprochene Meinung, dass die Pro¬
gnose der Katatonie nicht so ungünstig ist.
H i s t o 1 o g j s c li e Unters u c h u n g e n über d i e Hei¬
lung von T r e p a n a tion sw u n d e n an Kan:n c hen-
Schädeln hat Mas.iichi K o c h i t ama m.t Unterstützung von
Prot. Borst, Wiir/burg. angestellt. Fr fasst d.c Ergebnisse seiner
Untersuchungen wie fo’gt zusammen: Nach Purchmcisselung des
Schädels von Kaninchen — unter gleichzeitiger stärkerer Sch.ul.gurig
des Periosts und Schnitts eoet/ung der Dura muter — beteiligt sich
an den Meilungsvorgangen Mark g e w e b e, Pcriost und die dem
Knochen aufliegende Schicht der Dura in ater. Der Defekt wird
ausgetullt durch junges Bindegewebe, welches sich \<>m Defekt¬
rand zentralw ärts fortschre.tend m Knochen umwandelt. Zum Ted
entsteht der neue Knochen auch an der Oberfläche praform.erteil
Knochens durch saumartig angeorJnete Osteoblasten. In den zen¬
tralen 'Teilen des Defektes sind nur Anlaute zur Kimchcnbädung
bemerkbar. Der neue Knochen wird ganz \<>rw egend vom Marke
geliefert; in einigen Fallen ist jedoch audi das Pera*st uivd die Dura
mater deutlich an vier Knochertbilduug bete gt. Junge Knochen¬
substanz lagert sich auch regelmässig an der Oberfläche nekm-
biotischen Knochens ab. Resorption \on praform.ertem Knochen
ist im Verlaufe der Heilung nur m geringem Masse nachwesbar.
Deutlich war sie ep;dtiral unJ subpcriosta! m der nächsten Umgebung
des Defektes zu verfolgen, wo sie durch iimges ze lredies Gewebe
besorgt wurde, aber nur sehr geringen Umfang hatte. De Heilungs-
Vorgänge fuhren fast nie zu vollstatid.ger knöcherner Deckung des
Defektes, sondern es heilen die zentralen Jede des Deliktes
fast immer mit bindegewebiger Narbe. Interessant ist. dass
fertiges Bindegewebe m K nodieflgew ebe umgew arolelt werden
kann, wenn cs vom Mark her neu v.isku ar.siert wird. Der Knochen
entstellt liier ans dem Bindegewebe unter dem Firffuss der Mark ge¬
fasst 1 und der sie begleitenden osteoblastischen Zel en; es handelt
sich also um eine besondere Form \<n J rar s’j. umatn *n des B.ndc-
gewebes. nicht um echte Metap’ave. Echt metaplast.schc Prozesse
waren nicht nachzuw eisen. Kn-*rpe‘b: dtirg trat in ke nern Falle
auf. (Wurzburg I9i»8. 21 S.> Fr.tz I. » c b.
Neu erschienene Dissertationen.
Universität Göttinnen. Mai August F>os,
K. Albert: Beiträge zur Resektion der Hamrohrenstrikturen.
G. Andrae: Zur Zvtodiagrmse der Meningitis.
(). Beckmann: Klinische Beobachtungen über die Tonhohe patho¬
logischer (iehorsempfindiingen.
L. Bl eck wenn: Zwei seltene Hererlet/ungen.
M. Brauner: Versuche über die täglichen \ ariationen der Nieren-
b istimg bei konstanter Kost.
C. Davids: Beitrage zur Urogenitaltuberkulose.
H. Giffhorn: Beitrag zur Aetiologie der k-ingenitalen Atresie des
Oesophagus mit Oesophagotrachea’hMel.
T. Grnenew old: Ueber professionelle Sdiw eriorigkeit bei Fisen-
hahnheanitcn.
W. Kornriimpf: Ueber vasomotorische Krampi/ustünde. inter-
rmttier ende P\ skittesiv mul verwandte Frk'ankimgvformen.
K. Lehmann: die grosseren Ampiitatiorien und Fxartikulatiorien der
ch nur gischen Klinik in Gottmgen m der Zeit \"in I. Dezember 1s‘)5
bis I. Oktober 1 f >i>7.
R. Mehrdorf: Fibrosarcoma m\\<.matoi| t s pleurae permagnum.
H. M c ii die: Beitrage zu der lehre \ «in Fr\sipe! desph.ir\n\ und
Larynx.
R. Redepenning: Der geistige Besitzstand von sogen. Dementen.
P. Sonnenberg: Zwei lade R a v n a u d scher Krankheit.
K. Stern: Operative Behandlung eines \nmr\smn emb<4"-m\ko-
ticum der Arteria mesenterica superior.
H. T a c h a u : Beiträge zur Lumba ! anästhesie mit Stovain.
G. Thal he im: Die Fiweisskorper der glatten Muskeln.
Universität Wiirzbtirg. Juli l° l 'v
[) ii r i g Franz: Ueber den Fm’hms *Ls Selbststil’ens der Mutter auf
die Neugeborenen ln dm erteil Lebenslagen.
Mir sc Ilfeld Alfred: Zur >\mptomati üg.e und Pathologie der
traumatneben Hirnverletzungen.
K i r c ii n e r Karl: Ueber Ster fl b e r e s eigenartige unter dem B:\Ie
der Pseudoleukamie verlaufende Tuberkulose des lymphatischen
Apparates.
Schiemann Lina: Ueber Regenyrat mi im Gehirn.
S ii s s e Kar!: Zur Frage der konzentr.schen Hyperostose der Schä-
del Jachkriochen.
Ziirndorfer Ludwig: Das Trauma als Fntstehungsursache der
Syringomyelie und rmiltip'en r-klen sc.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1851
Vereins- und Kongressberichte.
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden.
(Offizielles Protokoll.)
XXIII. Sitzung vom 4. April 1908.
Vorsitzender: Herr Schmorl.
Vor der Tagesordnung:
Herr Brückner: Demonstrationen:
a) 5 Monate alter Knabe mit angebornem partiellen Riesenwuchs
der rechten Hand, der, wie das Röntgenbild zeigt, nicht auf einer
nennenswerten Vergrösserung des Knochengerüstes beruht. Die
starke, lediglich die Mittelhand betreffende Grössenzunahme ist viel¬
mehr, wie in anderen Fällen, wohl ausschliesslich durch die lipo-
matöse Umbildung des Unterhautfettgewebes bedingt.
b) Zwei Schwestern im Alter von 6 und 11 Jahren mit hereditärer
Ataxie, Typ Friedrich. Das ältere Mädchen lernte nie selbst¬
ständig gehen. Seit dem 4. Jahre vermag sie es überhaupt nicht mehr.
Gehirnnerven ohne Befund. Augenhintergrund normal. Kein
Nystagmus. Geringe Ataxie der oberen und unteren Extremitäten,
Starke lokomotorische und statische Ataxie. Kann nicht ohne Unter¬
stützung sitzen und gehen. Erhebliche Muskelschwäche der unteren
Extremitäten. Keine Sensibilitätsstörungen. Patellarreflexe ge¬
schwunden, Babinski beiderseits positiv. Sprache schwerfällig.
Skoliose, Spitzfuss mit Extensionsstellung der Zehen.
Bei der jüngeren Schwester dieselben Symptome, nur zur Zeit
noch geringere Beeinträchtigung der Lokomotion. Ausgesprochen
ataktischer Gang.
c) 11 jähriges Mädchen mit Dextrokardle, angeborenem Herz¬
fehler, wahrscheinlich Septumdefekt und Lungentuberkulose.
Tagesordnung:
Herr Ganser: Krankenvorstellung:
1. Fall von Akromegalie. 60 jähriger Schlosser, frei von erb¬
licher, Anlage, Trunk, Syphilis; hat 2 gesunde Kinder, aus dem Feld¬
zuge 70,71 liegt ein Lichtbild von ihm vor, das völlig normales Aus¬
sehen zeigt; während des Feldzuges Typhus, später häufig „Darm-
leiden“ unbekannten Charakters; 1892 wegen Darmblutungen 32
Wochen krank gelegen; näheres darüber ist nicht zu erfahren. 1907
Schlaganfall mit Sprachstörung, leichter Lähmung der Finger rechter
Hand, Erblindung; die Sprachstörung und Fingerlähmungen nach
wenigen Tagen geschwunden, das Sehvermögen besserte sich all¬
mählich, so dass nach 4 Monaten die Arbeitsfähigkeit wiedergekehrt
war. In letzter Zeit häufig Schwindelanfälle, seit Mitte März allge¬
meine Schwäche, Vergesslichkeit und unklares Sprechen. In der
Nacht zum 21. März Anfall von Bewusstlosigkeit, darnach heftige
motorische Erregung und Verwirrtheit, Aufnahme in die städtische
Heilanstalt, nach kurzer Zeit Klarheit.
Status: Am Knochensystem die bekannten charakteristischen
Veränderungen: mässige Entwicklung der Arcus superciliares, der
Lineae semicirculares, der Ober- und Unterkiefer, zapfenförmig vor¬
springende Protuberantia occipit. externa; ungeschlacht grosse,
plumpe Hände, die mit Länge und Dicke der Arme kontrastieren;
kyphotische Veränderung der Rückenwirbelsäule; stark vorspringen¬
der Angelus Ludowisi des Sternum; Füsse nicht auffällig. Im Augen-
hintergrunde: beiderseits Papille hyperämisch, Grenzen verwaschen,
Venen etwas erweitert, Neuritis optica. Sehnen-, Haut-, Pupillenreflexe
ohne Störung, desgleichen Motilität und Sensibilität. Innere Organe
ohne Befund, keine Pulsverlangsamung noch -beschleunigung; Urin
frei von abnormen Bestandteilen; Geruch und Geschmack ungestört.
Ueber den Beginn des Leidens ist nur soviel bekannt, dass es
nach der Militärzeit entstanden sein muss, aber seit vielen Jahren
besteht; der Kranke und seine erwachsenen Kinder wissen nicht
anders, als dass er immer so grossen Kopi und Hände gehabt, dass
er sich immer Mütze und Handschuhe besonders habe machen lassen
müssen; das alte Lichtbild weist aber, wie gesagt, keine Spur der
Krankheit auf.
Diskussion: Herr Rostoski beobachtet zurzeit einen
Fall, der bei seinem Eintritt ins Krankenhaus das Bild einer Tabes
dorsalis darbot; doch fiel damals schon eine besonders starke Ent¬
wicklung des unteren Teiles des Gesichtes, der Genitalien und
der Hände auf, ohne dass man berechtigt war, eine Akromegalie zu
diagnostizieren. Röntgenaufnahmen des Schädels Hessen erkennen,
dass die S e 11 a t u r c i c a, auf der bekanntlich die Hypophyse liegt,
eine grössere Ausbuchtung besass, als es normaler Weise der
Fall zu sein pflegt. Dieser Befund ist bekanntlich zuerst von Oppen¬
heim bei der Akromegalie erhoben worden und sicherte im vor¬
liegenden Fall die Diagnose schon zu einer Zeit, wo sie sonst noch
nicht möglich war. Inzwischen ist das Krankheitsbild nach Verlauf
von noch nicht einem Vierteljahr ganz deutlich geworden. Im Ge¬
sicht ist das Wachstum des rechten Unterkiefers und der bedeckenden
Weichteile dem des linken vorausgeeilt. Die Kombination von
Tabes und Akromegalie ist sehr selten, bisher sind erst 1 bis
2 Fälle beschrieben.
2. Fall von hereditärer Ataxie (Fried reich). 17jähriger
Mensch, von einem verkommenen Trinker und schwachsinniger
Mutter abstammend; von seinen 6 Geschwistern ist der jüngste
(10 jährige) Bruder schwachsinnig und mit demselben Leiden behaftet
wie er selbst. Er ist gleichfalls ausgesprochen schwachsinnig, schon
in der Schulzeit wiederholt straffällig, später mehrmals wegen Dieb¬
stahls, Betrugs, Unzucht gerichtlich bestraft, zuletzt in Zwangs¬
erziehung gebracht worden, hat dort Selbstmordversuch gemacht
und ist endlich der städt. Heil- und Pflegeanstalt übergeben worden.
Status: Kleiner Kopf, schmaler Gaumen, Kyphoskoliose nach
rechts, Fazialisgebiet symmetrisch, normal imverviert, Zunge zittert,
Sprache schlecht artikuliert. Starkes Rombergsches Phänomen.
Gang breitbeinig spastisch ataktisch; Hände zittern, intendierte Be¬
wegungen stark ataktisch; Nystagmus; grobe Kraft gering; keine
Sensibilitätsstörung. Die Pupillen zeigen in jeder Beziehung nor¬
males Verhalten; die linke Papille temporal abgeblasst. Haut- und
Schleimhautreflexe erhalten: rechts B a b i n s k y sches Phänomen
deutlich, links angedeutet; Patellarsehnenreflexe lebhaft, Anconaeus-
reflex erhalten, Achillessehnenreflex nicht auszulösen.
Diskussion: Herr Seifert fragt nach Sprachstörungen.
Herr Ganser: Dieselben fehlen hier.
3. Fall von Tabes cerebralis.
L., 51 Jahre alt, Porzellandreher, verheiratet. Vater von 3 ge¬
sunden Kindern (3 Kinder sind gestorben, 1 Fehlgeburt), stellt Trunk
und Syphilis in Abrede, gibt Gonorrhöe zu; sonst keine erhebliche
Krankheit. Ist kurz vor Weihnachten 1907 mit der Stirn an Laternen¬
pfahl angerannt, hatte seither Kopfschmerzen, keine Erscheinungen
von Commotio. Seit Anfang Januar beständig schmerzhafte Emp¬
findungen beiderseits in symmetrischer Ausbreitung in der Haut der
Stirn, Nase, Lippen, Zahnfleisch und Mundschleimhaut; schmerzhaftes
Gefühl, als ob die Lippen geschwollen wären; Zunge frei von
Parästhesien; Doppeltsehen. Suchte Zahnarzt auf, der ihn zum Re¬
ferenten schickte.
Status Mitte Februar: Kein Romberg, Gang normal,
keine Ataxie; grobe Kraft erhalten, Sprache fliessend; Gesicht sym¬
metrisch. Fazialrsinnervation beiderseits gleich, Zunge nach links ab¬
weichend; Augenbewegungen nach allen Seiten ausgiebig, keine
Doppelbilder; beide Pupillen myotisch und reflektorisch starr. Augen¬
hintergrund normal; keine objektive Sensibilitätsstörung; Parästhesien
beiderseits auf das Trigeminusgebiet beschränkt; Patellarreflex
beiderseits erhalten, eher lebhaft.
Mitte März: Subjektive Beschwerden unverändert, quälend;
unteres Fazialisgebiet rechts deutlich paretisch; leichte Kontraktur
in der linken Oberlippe; Pupillen myotisch, reflektorisch starr, 1> r;
Akkommodation und Konvergenzreaktion erhalten; linker Patellar¬
reflex deutlich schwächer als rechter.
Ende März: Status idem; rechts im Gebiete des II. Trige¬
minusastes objektive Sensibilitätsstörung: manche Berührungen
werden nicht empfunden, die Schmerzempfindlichkeit ist daselbst
herabgesetzt; Patellarreflex 1 < r. Geruch und Geschmack intakt.
Keine Krankheitserscheinungen innerer Organe, keine Albu¬
minurie, noch Glykosurie, Pulsfrequenz 80—120. Psyche völlig frei.
Nachdem bisher Jodkalium wirkungslos war, soll Hg-Kur ein¬
geleitet werden.
Herr Hans H a e n e I: Das Problem der Vergrösserung der
Gestirne am Horizont.
Die Frage: Weshalb ist der Mond am Horizont ver-
grössert? beschäftigt die Menschen seit den ältesten Zeiten.
Von Ptolemaeus und Aristoteles an, von den alten
arabischen Astronomen bis auf die jüngste Gegenwart sind Er¬
klärungen gegeben und Theorien darüber aufgestellt worden;
ihre grosse Zahl beweist nur. dass keine bisher voll befriedigte,
keine die Frage endgültig gelöst hat. Vortr. gibt eine Dar¬
stellung der Hauptgruppen dieser Theorien. Zugrundegelegt
muss die Tatsache werden, dass das Phänomen kein physi¬
kalisches ist: mit optischen Instrumenten gemessen beträgt die
Grösse des Mondes stets ca. 31 Min. Alle Theorien, die eine
reale vergrössernde Wirkung der Luftschichten am Horizonte
annehmen, erledigen sich damit. Es handelt sich um eine
optische Täuschung im engeren Sinne, um eine Urteils¬
täuschung, und die meisten Theorien gehen in der Tat auch
hiervon aus. Die naheliegende Erklärung, die die Täuschung
auf einen Vergleich mit den entfernten irdischen Gegenständen
zurückführt, ist unzureichend, weil sie nicht für alle Fälle
stimmt, z. B. nicht, wenn der Mond über einer hohen Berg¬
wand aufgeht. Die Lichtschwäche und gelbrote Farbe am
Horizonte kann nicht der Grund sein, weil eine künstliche Ab¬
schwächung und Tönung durch gefärbte Gläser oder Rauch
das Gestirn im Zenith nicht vergrössert. Gegen andere Theo¬
rien sind jedesmal andere Einwände geltend gemacht worden.
Am häufigsten zitiert wird die von H e 1 m h o 11 z näher aus¬
geführte Theorie, die von der scheinbaren Form des Himmels¬
gewölbes ausgeht. Nach dem Vorgänge von Ptolemaeus.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1852
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35.
Euler u. a. schreibt er diesem eine flachkuppelförmige Ge¬
stalt zu, folgert daraus, dass uns der Mond am Horizonte wei¬
ter erscheint als im Zenith, iund nach den Gesetzen der Per¬
spektive ist für uns von den Gegenständen gleicher Gesichts¬
winkelgrösse derjenige, den wir für näher halten, der kleinere,
der fernere der grössere. — Stimmt jene Voraussetzung, dass
der Himmel eine abgeflachte Kuppel ist, so wäre damit das
Problem gelöst; an der Richtigkeit dieser Voraussetzung hat
man aber berechtigte Zweifel erhoben, und in der Tat ant¬
worten die meisten Menschen auf die Frage, ob ihnen der
Mond iim Zenith näher oder weiter erscheint, ohne Zögern mit:
„Weiter!“ Das beweist, dass auch die Flachkuppeltheorie
unzulänglich ist.
Betrachten wir auf einem freien Felde stehend oder auf
dem Meere, den wolkenlosen Himmel, und versuchen wir,
seine Form zu beschreiben, so können wir folgendes aussagen:
Am Horizonte steht der Himmel den letzten erkennbaren
Erdenpunkten auf, er bildet dort eine senkrechte Ringmauer
von ungenau begrenzter Breite. Von einer gewissen, nicht
sehr bedeutenden Höhe aus indessen hört dieser Eindruck auf,
und wir sind nicht mehr imstande, irgend eine Form noch zu
erkennen, es bleibt nur noch ein Blau übrig, an dem Gestalt,
Form, Wölbungsradius zu sehen ein vergebliches Bemühen ist.
Der Himmel besteht also für unser Auge aus zwei TeiSlen von
wesentlich verschiedenen Eigenschaften: einem Horizontstrei¬
fen oder -Ringe, der als zur Erde gehörig aufgefasst wird, von
sehr grosser, aber jedenfalls messbarer, irdischer Entfernung,
und einem Zenithanteile, an dem jede Entfernungsschätzung
ausgeschlossen ist.
Bei der Beurteilung der Grösse eines gesehenen Gegen¬
standes zieht man unter irdischen Verhältnissen stets eine
Schätzung seiner Entfernung mit in das Urteil ein; die Ge¬
sichtswinkelgrösse allein sagt uns nichts, die aus den Be-
wegungserinnenungen stammende Erfahrung über das „Wie
weit“ ergänzt jene erst zu dem Urteil über die „wirkliche“
Grösse. Die gewöhnlichen optischen Täuschungen und
Grössenschätzungsfehler rühren fast sämtlich daher, dass un¬
bemerkt ein Irrtum über diese zweite Komponente des
Grösseneindrucks, eben die Entfernung, besteht. Wo nun,
wie es bei den Gestirnen im Zenithanteil des Himmels der Fall
ist, die aus den Bewegungserinnerungen stammende Kompo¬
nente völlig fehlt, wo wir über die Entferung auch nicht an-
nähenungs- oder Schätzungsweise etwas aussagen können, sind
wir bei unserer Betrachtung allein auf die erste, die optische
Komponente, den Gesichtswinkel oder, was dasselbe besagt,
die Netzhautbildgrösse angewiesen. Und unter diesen Um¬
ständen ist ein Lichtkreis von 31 Min. in dem Gesichtsfeld von
50—90° jedenfalls nicht sehr gross. Es liegt hier der in der
uns umgebenden Natur einzig dastehende Fall eines ent¬
fernungslosen Sehens vor: alle anderen Objekte können wir
nicht ohne eine bestimmte Entfernung sehen, den Mond
allein können wir nicht mit einer bestimmten Entfernung
sehen. In dem Augenblicke aber, wo er in den Horizontstreif
des Himmels eintritt und an dessen irdischen Eigenschaften
teilniimmt, tritt auf einmal auch eine Entfermungskomponente
mit in den Gesichtseirtdnuck ein; und da die Entfernung bis
zum Horizonte unter allen Umständen eine sehr weite ist, wird
ein Lichtkreis von 31 Min. dort für enorm gross gehalten.
Mit dieser Auffassungsweise lassen sich die Fragen, die
bei den früheren Theorien unerklärt bleiben mussten, ohne
Schwierigkeiten lösen.
Diskussion: Herr F. Schanz: Bei diesem Problem
scheint man sich die Deutung: besonders schwierig zu
machen. Schanz hält die Vorstellung von der abge¬
flachten Form des Himmelsgewölbes für die Beurteilung für
belanglos. Nach seiner Ansicht handelt es sich um eine Täuschung
über die Form des Horizontes. Steht die Sonne hoch am Himmel
und befinden wir uns auf einer ebenen Fläche, so haben wir die Vor¬
stellung vom Horizont, als bilde derselbe um uns einen Kreis, in
dessen Mittelpunkte wir stehen. Dies ändert sich, wenn die Sonne
( der der Mond nahe am Horizont zu stehen kommt und wenn diese
durch Dunst in ihrem Licht so geschwächt werden, dass wir in sie
hineinsehen können. In diesem Falle erscheint uns der Horizont in
der Richtung des Gestirnes näher. Wir befinden uns nicht mehr im
Mittelpunkt eines Kreises, den der Horizont um uns beschreibt. Dieser
Kreis erscheint in der Richtung des Gestirnes stark eingedrückt. Die
Herabsetzung der Lichtstärke des Gestirnes ist erforderlich, weil wir
nur dann in das Gestirn hineinblicken und dann nur Einzelheiten am
Horizont rn der Nähe des Gestirnes beobachten können. Dieselben
haben sehr intensive Schatten, die mit sehr stark belichteten Partien
kontrastieren, und erscheinen uns deshalb viel näher als bei Hoch¬
stand des Gestirnes. So kommt es zu einer Täuschung über die Ent¬
fernung des Horizontes. Diese Täuschung kommt uns aber weniger
zum Bewusstsein, sondern wir überschätzen, durch diese Täuschung
beeinflusst, die Grösse des Gestirnes.
Eine ähnliche Täuschung lässt sich hn Stereoskop erzeugen,
wenn man die verschieden weit von- einander entfernten Doppelbilder
zweier gleichgrosser, Punkte zur Vereinigung bringt. Dabei erscheint
der eine dem Auge näher und es treten auffällige Grössenunterschiede
auf. Der fernerliegende erscheint grösser als der näherliegende. Ein
solches Bild findet sich beispielsweise in der Sammlung stereo¬
skopischen Uebungsbilder von Dr. H e g g (V, 2). Selbst 4 jährige
Kinder bezeichnen von den gleich grossen Scheiben- die ihnen als
fernerliegend erscheinende als die grössere.
Herr Gmeiner glaubt, der Luftperspektive und den durch sie
bedingten Farbänderungen am Horizont den Hauptanteil zuschreiben
zu sollen.
XXIV. Sitzung vom 11. April 1908.
Vorsitzender: Herr Scihimorl.
Verlesung der Eingänge durch Herrn H a e n e 1.
Tagesordnung:
Herr Kl immer: Ueber die Schutzimpfung der Rinder
gegen die Tuberkulose mit Hilfe nichtinfektiöser Impfstoffe.*)
Nach einem historischen und kritischen Ueiberblick über
die bisherigen Tuberkuloseimmunisierungsversuche und -Ver¬
fahren mit Hilfe von Tuberkelbazillen bezw. tuberkelbazillen¬
haltigem Material, wobei u. a. auf die Gefahren und Nachteile
hingewiesen wird, die mit der Verwendung infektiöser Impf¬
stoffe, so des Taurumans Koch-Schütz’ und des Bovovakzin
von Behrings verbunden sind (wie Infektionsgefahr für
Menschen beim Impfakt, Entwertung der Impflinge als Schlacht-
und Milchtiere, Unmöglichkeit den nur etwa einjährigen Impf¬
schutz durch Nachimpfungen zu verlängern), wendet sich
Klimmer zu seinen in den Jahren 1903/04 ausgearbeiteten
Verfahren, Rinder mit Hilfe nichtinfektiöser Impfstoffe gegen
die Tuberkulose zu immunisieren. Er schildert die Herstellung
und Prüfung der Impfstoffe (der durah längeres, vorsichtiges
Erhitzen auf 52—53 0 abgeschwächten Menschentuberkel¬
bazillen und der durch Kammolchpassagen der Virulenz be¬
raubten avirulenten Tb.). Die Impfstoffe sind für alle geprüften
Versuchstiere (Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Hunde,
Kaninchen und Mäuse) und vor allem auch für Meerschwein¬
chen, bekanntlich der für Tb. menschlichen Ursprungs
empfänglichsten Tierart, nichtinfektiös und bleiben auch nach
einfachen Tierpassagen nichtinfektiös. Sie werden von den
Tieren gut vertragen und mit ihnen können Rinder gegen die
Tuberkulose leicht immunisiert werden. Die Impfung erfolgt
subkutan. Sie ist zunächst nach einem Vierteljahr zu wieder¬
holen. Um den Impfschutz, der bei allen Tuberkuloseimpf¬
stoffen nur etwa 1 Jahr dauert, über diese Zeit hinaus zu ver¬
längern, sind sodann alljährlich einmalige Nachimpfungen vor¬
zunehmen. Die mit diesen Impfstoffen bei Rindern erzielte
Immunität ist eine sehr beträchtliche. Eine grössere Anzahl
schutzgeimpfter Rinder (ca. 20) wurden einer sehr schweren
künstlichen Infektion mit Rindertuberkelbazillen, welche ein
nicht vorbehandeltes Rind in 4—7 Wochen tötet, ausgesetzt;
sie überstand die Infektion. Diese Versuchstiere wurden 3 bis
5 Monate nach der Infektion im besten Wohlsein geschlachtet.
Bei der Untersuchung wiesen einzelne nur ganz geringfügige
tuberkulöse Prozesse auf, -die Mehrzahl war vollkommen frei
von Tuberkulose. Daneben wurden ca. 1000 schutzgeimpfte
Rinder der natürlichen Tuberkuloseansteckung ausgesetzt.
Von diesen sind bisher, soweit Angaben vorliegen, 27 Tiere
geschlachtet worden bezw. sind an interkurrenten Krankheiten
verendet. Bei der Sektion erwiesen sie sich sämtlich frei von
Tuberkulose. Die erste Impfung lag zum Teil 3 Jahre zurück.
Nachdem auch von unbeteiligter Seite die gleichen guten Er¬
fahrungen gesammelt worden sind und das Verfahren sich 3
*) Der Vortrag erscheint erweitert im nächsten Heft der Zeit¬
schrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized b'
Google
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1853
bezw. 4 Jahre in der Praxis bewährt hat, ist es nunmehr
der Allgemeinheit zugänglich gemacht worden. Mit der Her¬
stellung und dem Vertriebe der nichtinfektiösen Tuiberkulose-
impfstoffe ist die chemische Fabrik H u m a n n und T e i s 1 e r,
Dohna i. Sa., beauftragt worden.
Herr S c h m o r 1 schliesst die Sitzungsperiode.
Wissenschaftliche Vereinigung am städt. Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 2. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr Herxheiimer.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr Reiss: Konzentration des Blutserums und Körper¬
gewicht.
Die Beziehungen zwischen Körpergewicht und Konzen¬
tration des Blutserums sind zahlreiche. Seit langer Zeit be¬
kannt ist die Verdünnung des Blutes bei Wassersucht. Die
gleichzeitig vorhandene Körpergewichtserhöhung wird klinisch
zur Beobachtung des Krankheitsverlaufes herangezogen. Auch
bei verschiedenen anderen Krankheitszuständen wurde mehr¬
fach die Vermutung ausgesprochen, dass auftretende Gewichts¬
veränderungen auf Anomalien im Wasserhaushalt des Körpers
zurückzuführen seien. Zur genaueren Verfolgung dieser Ver¬
hältnisse ist wegen der schwankenden Menge der Blutkörper¬
chen das Gesamtblut ungeeignet. Die Untersuchung muss am
Blutserum vorgenommen werden. Verdünnungen oder Ein¬
dickungen des Blutserums brauchen dessen osmotischen Druck
nicht wesentlich zu verändern, weil die Salze des Blutserums
sehr leicht auf ihrem normalen Wert gehalten werden können.
Daher gibt die Bestimmung der Gefrierpunktserniedrigung über
die genannten Verhältnisse keinen genügenden Aufschluss.
Desgleichen sind für die dauernde Krankenbeobachtung alle Me¬
thoden unzureichend, die mit einer grösseren Blutmenge aus¬
geführt werden. Es wurde daher zur Bestimmung der Kon¬
zentration des Blutserums seine Lichtbrechung benutzt. Wäh¬
rend nun die alleinige Beobachtung der Lichtbrechung ledig¬
lich die Zu- oder Abnahme des Gehaltes an gelösten Bestand¬
teilen, insbesondere an Eiweiss lehrt, und die alleinige Kontrolle
des Körpergewichtes völlig unentschieden lässt, ob Gewichts-
veränderungen auf Aenderungen im Wassergehalt oder auf An-
resp. Abbau von Körpersubstanz beruhen, gestattet die Ver¬
gleichung beider Werte viel weitergehende Schlüsse zu ziehen.
Sinkt beispielsweise die Konzentration des Blutserums und
steigt das Körpergewicht, so deutet das auf Wasserretention,
das umgekehrte Verhalten auf Wasserverlust. Diesen Modus
beobachtet man ausserordentlich häufig bei Störungen der
Kompensation bei Herz- und Nierenleiden. Es lässt sich da¬
durch auch die Wirkung von Kardiacis und Diureticis kontrol¬
lieren. Aber auch bei anderen Krankheiten, z. B. beim Dia¬
betes, ist häufig Zu- oder Abnahme des Körpergewichtes, wie
die gleichzeitige Untersuchung des Blutserums zeigt, eine trü¬
gerische, hervorgerufen durch Aenderungen im Wassergehalt.
Sinkt die Konzentration des Blutserums gleichzeitig mit dem
Körpergewicht, so bedeutet das einen wirklichen Verlust an
Körpersubstanz. Man beobachtet das sehr häufig bei schweren
Inanitionszuständen, Phthise, Karzinom etc., während das ent¬
gegengesetzte Verhalten in der Rekonvaleszenz festzustellen ist.
Diskussion: die Herren: Albrecht, Lüthje, Reiss.
Herr Walther Ewald: Klinische Vorstellung von Hypophysls-
tumoren nebst Bemerkungen über die biologische Bedeutung der
Hypophyse.
Für Hypophysentumoren charakteristisch sind ausser den ge¬
wöhnlichen Zeichen eines Tumors der mittleren Schädelgrube eigen¬
tümliche Veränderungen des Gesamtorganismus, die sehr ver¬
schiedenfach sind und deren ursächliche Beziehung zur Hypophyse
selbst vielfach rätselhaft ist. Hierhin gehören die Akromegalie, und
zwar mit oder ohne Diabetes mellitus, Diabetes Insipidus, Ver¬
änderungen der Haut, Fettsucht, verschiedenartige Störungen der
Genitalsphäre und myxödemartige Erscheinungen. Die beiden vor¬
gestellten Fälle stehen in einem Gegensatz, indem der eine mit
Athyreoidismus, der andere mit Hyperthyreoidismus einhergeht.
I. Jetzt 28 jähriger Mann, dessen Vater anscheinend an Paralvsis
agitans gelitten hat, entwickelte sich in der Jugend normal. Mit
21 Jahren Kopfschmerzen, Gesichtsschmerzen, häufiges Erbrechen.
Diese Erscheinungen im Laufe der Erkrankung von wechselnder
Intensität. Allmählich zunehmende Sehschwache des rechten Auges,
das seit dem 23. Jahre blind ist. Seit dem 24. Jahre Aenderung der
Gesichtszüge, die Augenlider werden dicker, die Gesichtshaut ge¬
dunsen. Schnurrbart, Achsel- und Schamhaare fangen an auszufallen.
Die Hoden werden kleiner. Erektionen und Ejakulationen bleiben
seitdem aus. Keine Veränderung der Stimme. Zur Zeit myxödem¬
artiger Habitus, Fehlen der Schnurrbart- und Achseihöhlenhaare,
geringe Entwicklung der Schamhaare. Hoden wie bei einem
15 jährigen. Schilddrüse nicht zu fühlen. Kopfschmerzen, Gesichts¬
schmerzen und Erbrechen zeitweise vorhanden. Rechts Sehnerven¬
atrophie mit Amaurose, links Sehnervenatrophie mit konzentrischer
Gesichtsfeldeinengung. Im Röntgenbild ist die Sella turcica stark
erweitert, vor allem der Eingang zu ihr. Man sieht im Bogen vom
Sattelwulst zur Sattellehne eine dünne Knochenspange verlaufen, die
möglicherweise auf eine Verkalkung der Tumorwand zu beziehen ist.
II. Junges Mädchen von 18 Jahren, deren Vater Potator und
deren einer Bruder Epileptiker ist. Normale Entwicklung. Mit
15 Jahren Menses. Seit 1 Vs Jahren Amennorrhoe, zu gleicher Zeit
Sehstörungen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Erbrechen. Seit
1 Jahr fast völliges Erlöschen der Sehkraft. Seit der Erkrankung
wurde sie sehr dick und in psychischer Hinsicht etwas apathisch.
Jetzt besteht Struma, Exophthalmus und Tachykardie. Ferner beider¬
seitige Sehnervenatrophie, hemianopische Lichtreaktion und, wenn
auch keine Hemianopie, so doch stärkerer Ausfall der temporalen
Gesichtshälften. Es sind Menstruationsanomalien vorhanden, ohne
Erkrankung der Genitalien und Fettsucht. Kein Diabetes. Im
Röntgenibild sieht man eine enorme Vergrösserung der Sella turcica
mit nur geringer Verbreiterung des Hypophyseneinganges.
Demonstration der Entwicklung der Hypophyse, normaler
Röntgenbilder, Röntgenbilder bei Hypophysengeschwülsten (aus der
Arbeit von E r d h e i m und der Schädelaufnahmen der beiden vor¬
gestellten .Krankem
Aus dem Vergleich ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass es
sich bei I um einen Tumor des Hypophyseneinganges handelt mit
Druckatrophie der Hypophyse, bei II um einen schnell wachsenden
Tumor der Hypophysensubstanz selbst.
Hypophysenextrakt steigert den Blutdruck und macht nach
Borchardt Glykosurie, hat also Aehnlichkeit mit dem Neben-
n-ierenextrakt. Bei Nebennierenerkrankungen wurden auch’vielfach
Störungen des Knochenwachstums beobachtet. Daher ist es nicht
unwahrscheinlich, dass die Akromegalie und der Diabetes meHitus als
Ausdruck der Funktionssteigerung der Hypophyse anzusehen sind.
Hiermit steht in Einklang, dass Geschwülste des Hypophysenganges
stets ohne Akromegalie verlaufen. Zwischen Schilddrüse und Hypo¬
physe bestehen enge Beziehungen; auffallend ist, dass in der Regel
in beiden gleichartige Degeneration auftritt; also bei Hypertrophie
des einen Organs, auch solche des andern und entsprechend bei
regressiven Zuständen. Es muss also bei beiden eine gemeinsame
Funktion vorhanden sein, die das eine Organ auf das andere anweist.
Alle Erscheinungen, die bei Hypophysentumoren in das Bereich des
Myxödems oder das Basedowkomplexes gehören, sind auf die be¬
gleitende Erkrankung der Schilddrüse zurückzuführen.
Die Fettsucht hat mit der Hypophysener^rankung nichts zu tun
und ist entweder Folge einer Hirnreizung oder eine solche der kom¬
plizierenden Schilddrüsen- oder Geuitalaffektion.
Die Atrophie der Hoden ist vielleicht in manchen Fällen in Be¬
ziehung zur Hypophyse zu bringen, meist ist sie aber wohl eine Teil-
erscheinung des Myxödems.
Die Amennorrhoe ist nicht auf die Erkrankung der Hypophyse
selbst zu beziehen, sondern auf die Schädigung des Gehirns. Denn
sowohl bei andersartigen Hirntumoren wie bei Geisteskrankheiten
tritt diese Erscheinung auf.
Somit ist nur die Akromegalie und der Diabetes mellitus die
Folge der Hypophysenerkrankung. Daneben bestehen aber Be¬
ziehungen der Hypophyse zur Schilddrüse; die Erkrankung der
Hypophyse hat eine Schädigung der Schilddrüse im Gefolge und
letztere macht die bekannten charakteristischen Erscheinungen.
Diskussion: die Herren: Albrecht, Knoblauch, Voss,
Ewald.
Naturhistorisch-Medizinischer Verein zu Heidelberg.
(Medizinische Abteilung.)
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 14. Juli 1908.
Herr Magnus: Zur Regulation der Bewegungen durch
das Rückenmark (mit Demonstration).
Vortr. berichtet über Versuche, die er im physiologischen
Institut von Prof. Sherrington in Liverpool ausgeführt
hat, und aus denen sich ergibt, dass die Lage und Stellung der
Glieder von Einfluss auf die Reflexbewegungen ist, welche
sich an diesen Gliedern hervorrufen lassen,
Diskussion: Herren Cohnheim, Fischler, Erb.
Magnus.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1ÖS4
MtJENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .15.
Sitzung vom 28. Juli 1908.
Herr E. v. Hippel: Die Palliativtrepanatioii bei Stau-
ungspapille.
Der Vortrag erscheint ausführlich in dieser Wochenschrift.
Diskussion: Herren Krehl, Ernst, v. Hippel.
Herr C o h n h e i m und Herr D r e y f u s: Zur Physiologie
und Pathologie der Magenverdauung.
Diskussion: Herren Magnus, Cohnheim.
Herr L. Schreiber und F. Wengler: Ueber Wir¬
kungen des Scharlachöls auf die Netzhaut. Mitosenbildung der
üangüenzellen. (Mit Demonstration.)
Den Ausganspunkt der Versuche bildet die Frage nach der
Wirkung künstlicher Drucksteigerung auf die Netzhaut und den
Sehnerven. — Die Ergebnisse der Untersuchungen Fischers
über die Folgen subkutaner Injektionen von Scharlachöl am
Kaninchenohr berechtigten zu der Annahme, dass Injektionen
dieses Oels in die vordere Augenkammer eine Obliteration des
Kammerwinkels und damit Drucksteigerung (sog. Sekundär-
glaukom) herbeiführen würden. Diese Voraussetzung erw ies
sich in der Tat als richtig; doch bot die Methode für die Er¬
zeugung des experimentellen Glaukoms keinen Vorteil gegen¬
über anderen bekannten.
Dagegen traten recht bemerkenswerte Veränderungen an
der Netzhaut auf, die als eine Art spezifisch-toxischer Wirkung
bezw. als eine Art von Reizwirkung des Scharlachöls auf die
nervöse Substanz betrachtet werden müssen. — Dieselben be¬
stehen einerseits in einer schon nach wenigen Tagen i 1 e c k -
weise einsetzenden Atrophie insbesondere
der äusseren Netzhautschichten, anderseits in
lebhafterZellenproliferation sowohl der Pigmcnt-
epithelien (Netzhautatrophic und Pigmenteinwanderung erinnern
an die Befunde von Retinitis pigmentosa des Menschen) als der
Ganglienzellen. — An den G a n g I i e n z e 11 e n beobachtet
man einmal Verlagerung derselben in die üussern Netz¬
hautschichten und zwar auch an solchen Stellen, wo diese nicht
zu Grunde gegangen sind; die Verlagerung ist nur durch die
Annahme einer aktivenLokoniotion der Ganglien¬
zellen zu erklären. Ferner zeigen einzelne Ganglienzellen,
die verlagerten und die in loco befindlichen, e n ormeHype r-
trophie (echte Hypertrophie, keine Schwellung!).
Besonders bemerkenswert ist der Befund von zahlreichen
Mitosenbildungen der Ganglienzellen in ver¬
schiedenen Phasen der Mitose bis zur vollendeten Zellenteilung.
Die mitotischen Zellen besitzen alle Kriterien der Ganglien¬
zellen: entsprechende Grösse, schön ausgebildeten perizellu¬
lären Raum und einen nach der Nervenfaserschicht gerichteten
Fortsatz. — Somit kann die prinzipiell wichtige Frage nach der
Fähigkeit der Ganglienzellen zur Mitosenbildung und Teilung
als im positiven Sinne endgültig entschieden gelten.
Diskussion: Herren W erne r, E rnst.
Herr Nissl erkennt auf Grund der vorgetragenen und demon¬
strierten Befunde die Fähigkeit der Ganglienzellen zur Mitosenhil-
dung an.
Physiologischer Verein in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 27. Juli 1908.
Herr Holzapfel: Ueber die Beziehung der Kopf¬
geschwulst zum Leben der Frucht.
H. erörtert die Bedeutung der Kopfgeschvvulst für die Diagnose
des Lebens der Frucht. H. konnte noch über 21 Stunden nach dem
Tode des Neugeborenen künstlich eine Kopfgeschwulst darstellen, die
makroskopisch und mikroskopisch einer natürlichen Kopfgeschwulst
gleich war. Unter Berücksichtigung klinischer Beobachtungen kommt
H. zu detn Schluss, dass der Kopfgeschwulst für die Diagnose des
Lebens des Kindes eine Bedeutung nicht beizumessen ist.
Herr Ho eh ne weist in seinem Vortrage: Die Hypoplasie
der Tuben In ihrer Beziehung zur Extrauteringravidität zu¬
nächst darauf hin, dass Tubenwind un gen durchaus nicht
nur infolge von Wachstumsstörungen und -Imn-
m u n g e n, sondern häufig auf entzündliche m W e g e
entstehen. Die Windungen spielen bezüglich der Aetiojogic
der Tubargravidität gar keine Rolle. Wenn in sicher nicht
entzündlich veränderten und darum von den durch Entzündung
erworbenen mechanischen Hindernissen freien Tuben die Ei¬
implantation erfolgt, so kann liir diese Fälle die Ursache nur
in dem c i b e w e g e n d e n Apparat gesucht werden, ln
der Tat hat rum Hoch ne in einzelnen Fällen von Extra¬
uteringravidität medialwärts vom Eisitz grosse tlimmcrlose und
flimmerarme Epithelstrecken gitundeii und in typischen inian-
tilen ruhen eine mangelhafte Ausbildung des Flimmtrapparates
nachweiscn können, so dass für die Fälle von Extrauterin¬
gravidität, bei denen mechanische Hindernisse in der Ei-
leitungsbahn fehlen, ein unvollständiger, unter-
h r o c h e n e r oder mit z u geringer B e w egungs-
e n c r g i e a u s g e s t a 11 e t e r E 1 i m in e r s t r o m als ätio¬
logisches Moment in Betracht gezogen werden muss.
Herr Piper: Leber die Leitungsgeschwindigkeit im
menschlichen Nerven.
Der Nervus medianus wurde mit dem Oeffnungsschlag
! eines lnduktoriums einmal an einer Stelle gereizt, welche dein
als Erfolgsorgan dienenden Muskel, den l'nterarmflexoren.
nahe gelegen ist, und zwar im Sulcus bicipitis internus hand¬
breit oberhalb der Elleubeugc. Ein zweites Mal wurde der
Nerv in der Achselhöhle gereizt. Im letzteren Falle iolgt die
Muskelreaktion mit etwas grosserer Pause auf den Reiz¬
moment, als im ersten, und die ZeitJiiierenz der Reaktions¬
anfänge bei beiderlei Nervenreizung gibt die Lcitungs/eit,
welche die zwischen beide Reizpunkte eingeschaltete etwa
lö 17 cm lange Nervenstrecke beansprucht. Daraus lasst sich
dann die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung
pro Sekunde berechnen.
Die Muskelreaktion wurde nicht, wie in den Versuchen von
Hel m h ol t z, durch die mechanische Zustar.Jsänderung re¬
gistriert. sondern es wurde der Aktionsstrom aufgezeiJinct.
Es wurden unpolarisierbare Elektroden auf die Haut über den
Unterarmflexoren aufgesetzt und mit dem Saitengalvanometer
verbunden. Bei den durch die Nervenreizung erzeugten
Zuckungen wurde auf diese Weise der die Kontraktion be¬
gleitende doppelphasische Aktionsstrom des Muskels zum Gal¬
vanometer abgeleitet und sein Ablauf photographisch regi¬
striert. Eine besondere Schreibung des Rei/momentes war
unnötig, da sich der Oeffnungsschlag des Ir-Juktormms durch
einen kleinen Ausschlag der (ialvanoiiKtersaite ohne weiteres
registrierte. Die Zeit wurde durch eine Stimmgabel von
MB Schwingungen geschrieben.
Reizt man die Nerven im Sulcus bicipitis, >«» verstreicht
zwischen Reiz und Beginn des Muskelstronu-s eine Zeit von
0,1)0*02 Sekunden, bei Reizung in der Achselhöhle o.m.S7S Se¬
kunden. Die Differenz O.ooi2<» Sekunden ist die Leitungszeit
in der zwischen beiden Reizpunkten liegenden Nervenstrecke.
Da diese lö 17 cm lang, berechnet sich die Leitungs¬
geschwindigkeit im Nerven 117 125 Meter
pro Sek u n d e.
Setzt man die Nervenstrecke vom Rcizpunkt im Sulcus
bicipitis bis zur Miiskclmscrtion |o un an. so wurde die Er¬
regung diesen Weg in O.ms.U Sekunden durchlaufen bei An¬
nahme einer Leitungsgeschwindigkeit von 12" m. Dieser Wert
von der Zeit abgezogen, welche bei Reizung des Nerven m der
Bizepsfurche zwischen Rei/moment und Beginn der .Muskel¬
reaktion verstrich, ergibt die Latenz der Nervenendorgane und
des Muskels und das ist also imiG5Q Sekunden.
Herr Piper: Leber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Kontraktionswelle im menscliliehen Muskel.
Ueber den Flexoren des Unterarmes wurden unpolarisier-
bare Elektroden an ge setzt, eine etwas unterhalb der Eilen¬
beuge, die andere handbreit oberhalb des Handgelenkes, so
dass ihr gegenseitiger Abstand rund 10 cm betrug. Wahrend
durch diese Elektroden zum Saitcrgalvannmcter abgeleitet
wurde, wurden Einzel/uckungeu der EIe\oreii durch Reizung
des Nervus im Medianus mit OennungssJiIngcn erzeugt. Der
Ablaut der Gulvauometcrnuss J:lage wurde unter gleichzeitiger
Zeit schrei billig photographisch registriert;' es kam auf diese
Weise der doppelphasische Muskelstrom iu tvpischer Form zur
Darstellung. Die ganze W elle dauert im Mittel 1 Sekunde.
Der Gipfelpunkt der ersten Phase entspricht der Zeit, in welcher
die Kontraktionswelle im Muskel unter der oberen ERktrode
hinläuft; der Gipfelpunkt der zweiten Phase der Zeit, in welcher
der Miiskclquerschnitt unter der Unteren E’tA:roJ c von der
Kontraktionswelle passiert wird. Der Zi.tüJie Abstand beider
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 19Ö8.
MÜENChENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Gipfelpunkte gibt also die Zeit an, welche die Kontraktions¬
welle gebraucht, um den Weg vom Querschnitt unter der
oberen bis zum Querschnitt unter der unteren Elektrode zu¬
rückzulegen. Diese 10 cm betragende Muskelstrecke wurde
im Mittel in 0,01 Sekunden durchlaufen. Daraus ist die Fort¬
pflanzungsgeschwindigkeit pro Sekunde zu
10 m.
Die auf den Nerven wirkende Reizintensität wurde in sehr
grossen Grenzen variiert, so dass Zuckungen von sehr ver¬
schiedener Hubhöhe erfolgen. Dabei änderte sich die Ampli¬
tude der abgeleiteten Stromwellen mit der Hubhöhe der
Zuckung. Die Wellenlänge aber und der Gipfelabstand beider
Halbwellen blieb konstant; daraus ergibt sich, dass die F o r t -
Pflanzungsgeschwindigkeit der Kontrak¬
tionswelle im Muskel konstant bleibt, gleich¬
gültig, ob starke oder schwache Zuckungs¬
kontraktionen erfolgen.
Bei willkürlicher Innervierung tetanischer Muskelkon¬
traktionen laufen, wie ich früher zeigte, 50 Kontraktionswellen
in der Sekunde über den Muskel hin; jede derartige Welle
braucht für ihren Ablauf l Uo Sekunde, d. h. dieselbe Zeit, wie
eine durch Reizung des Nerven erzeugte Einzelwelle, welche
einer Zuckung entspricht. Jede der 50 Kontraktionswellen,
welche in der Zeiteinheit beim willkürlich innervierten Tetanus
über den Muskel laufen, ist also einer Zuckungswelle äqui¬
valent.
Bei Variierung der Kraft willkürlicher Muskelkontraktionen
ändert sich nicht die Zahl der pro Sekunde ablaufenden Kon¬
traktionswellen, und nicht die Wellenlänge, sondern nur die
Amplitude. Auch in diesem Falle dürften also die Kontraktions¬
wellen im Muskel bei starken, wie bei schwach innervierten
Kontrakturen mit derselben Geschwindigkeit, etwa 10 m in der
Sekunde, ablaufen.
Medizinische Gesellschaft zu Leipzig.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 30. Juni 1908.
Vorsitzender: Herr Curschmann.
Schriftführer: Herr R i e c k e.
Herr La wen:
I. lieber die Behandlung des äusseren Milzbrandes beim
Menschen.
In der Leipziger Klinik sind im Anschluss an die beiden
von W i 1 m s mitgeteilten Beobachtungen noch weitere
5 Anthraxfälle mit intravenösen Injektionen von Sobern-
h e i m schem Serum behandelt worden. Es wurden im Verlauf
mehrerer Tage bis zu 100 ccm Serum injiziert. 2 schwere
Fälle von Gesichtsmilzbrand sind gestorben. Ein abschliessen¬
des Urteil über den Wert des Milzbrandserums gestatten die
Erfahrungen der Klinik noch nicht. Es wird beabsichtigt, künf¬
tig, nach dem Vorgänge B a n d i s, in schweren Fällen grössere
Serummengen auf einmal intravenös zu injizieren. Bandi
spritzte bis zu 150 ccm des von ihm hergestellten Serums ein,
ohne schädliche Wirkungen hervorzurufen.
Der Vortrag erscheint als Originalmitteilung an
anderer Stelle.
II. 3 Fälle von operierter Keozoekaltuberkulose. (Demon¬
stration.)
1 . 32jähr. Mann. Seit 4 Jahren Anfälle von Kolikschmerzen mit
Dünndarmsteifung in der rechten Seite des Leibes. Kein Erbrechen.
Zeitweise Durchfälle.
Keine Lungenveränderungen. In der Zoekalgegend ist ein druck¬
empfindlicher Tumor fühlbar, der vom oberen Drittel des Lig.
inguinale bis etwa zum M a c B u r n e y sehen Punkt reicht. Die
Diagnose wurde auf tuberkulösen Ileozoekaltumor mit Dünndarm¬
stenosen gestellt.
Laparotomie durch Inzision am Aussenrand des rechten Rektus
durch seine Scheide. Der Tumor besteht aus einem Konvolut von
Dünndarmschlmgen, die aus Zoekum und Colon ascendens herangeholt
sind. Zahlreiche, bis hühnereigrosse Drüsen im Mesenterium. Der
erkrankte Dünndarm (ca. iVz m) wird mit dem Colon ascendens bis
nahe an die Flexuna hepatica zusammen mit dem Mesenterium und
den Drüsen reseziert. Die Darmenden werden blind verschlossen.
Dann wird eine seitliche Anastomose zwischen Dünndarm und dem
Rest des Colon ascendens hergestellt.
1855
Demonstration des Präparates: ln dem resezierten Dünndarm¬
stück finden sich 5 tuberkulöse Strikturen. Die letzte liegt unmittel¬
bar an der B a u h i n sehen Klappe. Die Klappe ist in die schwielige
Verdickung mit einbezogen. Verkäste Mesenterialdrüsen bis zur
Grösse eines Hühnereies.
Patient ging 14 Tage nach der Operation an Peritonitis zugrunde.
Bei der Autopsie fand sich eine Gangrän und Perforation am Reste
des aufsteigenden Kolons unterhalb der Anastomosenstelle. Bei der
Entfernung des Mesenteriums waren zum Colon ascendens führende
Gefässe mit durchschnitten worden.
2. 27 jähr. Mann. Vor 2 Jahren tuberkulöse Spitzenaffektion
mit Bluthusten. Vor V\ Jahr Schmerzanfall in der rechten Seite des
Unterleibes; seitdem allmähliche Entwicklung der bestehenden Ge¬
schwulst. Keine Stenosenerscheinungen.
Schwächlicher Mann mit phthisischem Habitus. Ueber beiden
Lungenspitzen verschärftes Exspirium. In der Zoekalgegend ist ein
etwas druckempfindlicher und beweglicher Tumor fühlbar, der bis
an die Mitte des Lig. inguinale reicht.
Bei der Laparotomie fand sich eine tumorartige Verdickung am
Innenrande des Zoekums oberhalb des Wurmfortsatzes. Im Mesen¬
terium einzelne bis walnussgrosse Drüsen. Das Zoekum wird mit
einem etwa 5 cm langen Stück des Colon ascendens und des Dünn¬
darms reseziert Blinder Verschluss der Darmenden und seitliche
Anastomose zwischen Dünndarm und dem Reste des aufsteigenden
Kolons.
Demonstration des Präparates: Schwielige Tuberkulose am
unteren Zoekumende und in Umgebung der B a u h i n sehen Klappe.
Dünndarm frei. Verkäste Drüsen im Mesenterium an der Mündungs¬
stelle des Dünndarms in das Zoekum.
Verlauf kompliziert durch einen Bauchdeckenabszess. Pat.
noch in Behandlung.
3. 22 jähr. Mädchen. Vor 5 Jahren Lungenblutung, dann Rippen¬
fellentzündung und tuberkulöse Erkrankung der Halsdrüsen.
Seit 1 Jahre Anfälle von Kolikschmerzen im ganzen Leib mit
Erbrechen und Durchfällen. Diese Anfälle treten jetzt alle 14
Tage auf.
Schwächliche Person. Ueber beiden Lungenspitzen kleinblasige
Geräusche. In der Zoekalgegend eine oben bis 2 Querfinger unter
den Rippenbogen reichende, auf Druck ziemlich empfindliche
Resistenz.
Der Tumor betraf, wie die Laparotomie zeigte, hauptsächlich
das Colon ascendens. Im Mesenterium des Dünndarmendes fanden
sich zahlreiche verkäste und verkalkte Drüsen. Vom Colon ascendens
werden etwa 15 cm, vom Dünndarm 5 cm zusammen mit den Drüsen
reseziert. Nach dem Verschluss der Darmenden wird eine seitliche
Anastomose zwischen Dünndarm und Querkolon hergestellt.
Präparat: Am Colon ascendens findet sich 4 cm oberhalb der
B a u h i n sehen Klappe eine tuberkulöse Striktur und 3 cm über
dieser ein markstückgrosses tuberkulöses Geschwür. Schwielige
Tuberkulose der Zoekalwand in Umgebung der Klappe und am
blinden Ende.
Im Verlauf Bauchdeckenabszess, dann Heilung der Operations¬
wunde und wesentliche Erholung der Patientin.
III. Fremdkörper 4m Oesophagus.
23 jähr. Mann, der etwa 5 Stunden vor der Krankenhausaufnahme
im Schlafe sein künstliches Gebiss (Gaumenplatte mit 2 Schneide¬
zähnen) verschluckt hat. Er ist mit dem Gefühl der Erstickung auf¬
gewacht und hat stark husten müssen.
Die Röntgenuntersuchung ergab den Schatten des Gebisses in
Form einer S-förmig gebogenen Linie in der Höhe der oberen
Thoraxapertur. Das Gesicht des Kranken war in seinem oberen
Teil etwas gedunsen; in der Haut in Umgebung der Augen fanden
sich vereinzelte punktförmige Blutaustritte; erhebliche Blutsugillation
unter die Conjunctiva bulbi beider Augen. Diese Blutergüsse werden
auf die starken Husterastösse »m Moment des Verschluckens des
Fremdkörpers zurückgeführt.
Das Gebiss wird durch die laterale Oesophagotomie entfernt.
Es gelingt den Fremdkörper nach Eröffnung der Speiseröhre ohne
vorherige Zerstückelung herauszuziehen. Heilung ohne Fistel im
Verlauf von etwa 3 Wochen.
Herr Geh. Rat Trendelen bürg hat 1907 einen ganz ana¬
logen Fall (28 jähr. Mann) operiert, bei dem aber der Fremdkörper
(künstliches Gebiss) bereits 3 Tage im Oesophagus etwa in Höhe
des 4.—6. Brustwirbels steckte. Zurzeit der Operation bestand be¬
reits eine schmale Dämpfung über dem rechten Lungenunterlappen.
Dieser Fall endete letal infolge der sich weiter entwickelnden
Lobulärpneumonie, sowie einer Phlegmone des den Oesophagus am
Halse umgebenden Gewebes und des Mediastinums. Der scharfe
Haken des fest eingekeilten Gebisses hatte wahrscheinlich bereits
zu einer Drucknekrose oder Durchspiessung der Speiseröhrenwand
geführt. Beim Herausziehen des Fremdkörpers wurde diese Wunde
weiter eingerissen und es kam, wie dann die Autopsie zeigte, zu
einer ausgedehnten Verletzung der Oesophaguswand. (Vergl. näheres
in der Inaug.-Diss. von W. Sasse, Leipzig 1907.)
Diskussion: Herr Löhlein bestätigt die Anschauung des
Herrn Läwen, wonach die einmalige intravenöse Injektion relativ
grosser Dosen von Fremdserum für den Patienten keine nachteiligen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1856
MUENCHENER MEDIZINISCHE W OCHENSCHRIFT.
Nr».
Folgen hat. Diese Tatsache ist durch klinische und experimentelle
Feststellungen Residiert. Bei einer ausgedehnten therapeutischen
Verwendung der intravenösen Injektion von Erenulseris muss mau
andererseits die grosse (ieiahrlichkeit von Reinjektionen nach Ein¬
tritt der sog. Ueberempfindlichkeit berücksichtigen, die in letzter
Zeit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen geworden ist.
Herr ff eineke demonstriert chronische Hüfterkrankungen nach
Knieverletzung. (Wird originaliter publiziert.)
Herr Slevers berichtet über einen Tall von isolierter Talus¬
luxation.
Die 27 jährige Patientin ist beim (lardinenabnehmen von der
Leiter abgerutscht und mit der rechten Eiissspit/.e aui die Fenster¬
bank, daun rücklings ins Zimmer gefallen.
Befund: Bluterguss massigen Grades am Sprunggelenk, ex¬
treme Supinationsstellung, so dass der innere bussraud nach oben
stellt, der äussere Knöchel fast den tiefsten Punkt einmmmt. In
Narkose Krepitation in Sprunggelenk und abnormer Knochenvor¬
sprung vor und unter dem äusseren Knöchel. Diagnose wird auf
Kombination der Braktur und Luxation des Talus gestellt. Reposition
misslingt. Provisorischer Gipsverband, wobei der Buss annähernd in
Mittelstellung steht.
R ö n t g e n b i I d e r zeigen im Einzelnen die borm der Ver¬
letzung: es stellt sich heraus, dass nur ein unwesentlicher Ab¬
bruch des hinteren Teiles des T a I u s k ö r p e r s mit dem
Process. post, tali vorliegt, dagegen in der Hauptsache eine iso¬
lierte Talusluxation nach innen und aussen, kombiniert mit
Drehung des T a 1 u s um die s a g 1 11 a 1 e Achse um «45 ".
Wegen der totalen Auslösung des Sprungbeines aus allen seinen
Gelenksverbindungen und der Kombination mit braktur wird aui
blutige Reposition verzichtet und die Exstirpation d e s T a 1 u s
nach 8 Tagen vorgenommen von einem Schnitt an der Aussenseite
aus. Dabei bestätigt sich die Röntgendiagnose, indem die Unter¬
flüche des Talus mit ihren drei Knorpelüberzügen der Aussenseite
des busses zugekehrt ist und ausserdem ein Teil der Talonavikuiar-
gelenkfläche sichtbar wird.
Glatte Heilung und, soweit bis jetzt (nach 7 Wochen) zu be¬
urteilen, gutes funktionelles Resultat.
Das anatomische Präparat zeigt die erwähnte braktur
sowie Kompressionserscheinungen an der Innenseite des Talus, be¬
stehend in Eindrücken und bissuren der Knorpelflächen der drei Talo-
kalkanealgelenke und des medialen Randes der Talonavikulargelenk-
fläche, woraus sich Schlüsse auf den Entstehungsmcchamsmus der
Verletzung ziehen lassen.
Nähere Beschreibung und Erörterung des balles mit Repro¬
duktion -der Röntgenogramme erscheint in den „bortschritten auf dem
Gebiete der Röntgenstrahlen“.
Herr Wolf demonstriert einen ball von Makrochoille.
Herr Schümann a. G. berichtet über zwei Fälle von Pankreas¬
nekrose. (Wird in einer chirurgischen Zeitschrift veröffentlicht.)
Aerztlicher Verein zu Marburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 22 . Juli 1908.
Vorsitzender: Herr Tuczek.
Schriftführer: Herr Sardemann.
Herr Dibbelt: Die Pathogenese der Rhachltis.
Das einzige, was in der Pathologie der Rhachitis als fest¬
stehend gelten kann, ist, dass die Erkrankung die Kinder fast
nur in der ersten Wadistunisperiode befällt, und dass sie sich
vor allem in den Skeletteilen manifestiert, die im Gegensatz zu
denen normaler Kinder reicher an Wasser, reicher an organi¬
scher Substanz, dagegen ärmer an Kalksalzen sind.
Es war natürlich, dass die Forschung nach der Patho¬
genese dieser Krankheit von dieser Tatsache ausging und dass
man das Wesen der Krankheit in einer Verarmung des Körpers
an Kalksalzen suchte, die nun entweder durch verminderte
Kalkzufuhr oder durch vennehrte Kalkaussclieidung hervor¬
gerufen sein konnte.
Erst in neuerer Zeit hat man diese Ansicht, gestützt auf
experimentelle und analytische Forschungsergebnisse mehr
oder weniger ganz a/ufgegoben. Die Forschungsergebnisse,
welche zu dieser Aenderung Veranlassung waren, sind vor
allem folgende: Br uh ach er, von der Ansicht ausgehend,
dass bei einer Kalkarmut nicht nur die Skeletteile, sondern auch
die übrigen Bestandteile des Organismus an Kalkgehalt ver¬
loren haben müssten, untersuchte die Organe von gesunden und
rhachitischen Kindern und kam zu dem überraschenden Re¬
sultat, dass der Kalkgehalt der Weichteile bei den Rhachitischen
keineswegs vermindert, sondern eher sogar noch im geringen
Grade vermehrt sei. Dies schien in der Tat, zumal Unter¬
suchungen, die S t o e I t z ii e r /n dem gleijieii Zwecke unter¬
nahm, nicht dagegen zu sprechen schienen. geeignet, d,c An¬
nahme, dass es sich bei der Rhachitf* um etile k ulkarn.iii
handle, gänzlich umztisiosscn. Aber wenn wir die balle, welche
Brubacher zur Verfügung standen, einmal kritisch be -
trachten, so sehen wir, dass von den 8 normalen Ländern
eigentlich mir eins, das eine totgebnrene Ku. l am bilde J«.:
Schwangerschaft, und von den rhachitischen Kindern wiederum
mir eins, das dritte der mitgeteilten, für die hier vorliegende
Frage in Betracht kommen. Bei den anderen handelte es mJi
zum I eil um balle, die sicherlich keine RhaJutis dirsteilteii.
zum Teil ist die Di tgm.se Rhu Jntis zweiülliait und /um an¬
deren Teil schhesslich waren die Kinder zu alt. um ais wirk¬
liche Schulialle von Rhachitis gelten zu können. Verg'eiJien
wir aber nur die beiden m BetraJit kommenden b * e. s.
müssen wir gerade zu dem umgekehrten Schluss wie der \ er-
tasser kommen, dass nämlich der Kalkgehalt in den W eiJite.leu
des Körpers rhachitischer Kinder bedeutend herabgesetzt ist.
Der zweite Grund weshalb man glaubt eine kalkarmat bei der
Rhachitis ausschliessen zu können, war die Annahme, dass de i
Kindern reichlich genug Kalk in der Nahrung gegeben werde.
Wenn man aber das Kalkbedurims der Kinder im ersten Le¬
bensjahre berechnet, so kommt man zu dem Resultat, dass
der Kalziumgelialt der Frauenmilch Ln Jer ersten Halite we¬
nigstens) in den meisten Fallen mir g..rz ungenügend das
Bedürfnis zu decken vermag. Dies beruht darauf, d iss d.e
Frauenmilch eine relative \ ermu; Jernug ihres k d/imrge halte-'
höchst wahrscheinlich durch die Nahrung. weUic mit Aus¬
nahme der Kuhmilch ausserordeHtli Ji genüge Mengen von
Kalzium enthält, erfahren hat. Wenn man nämlich Frauen
kalk reiche Nahrung, v or allem viel Kuhttii! Ji. gibt, so ist der
Kalkgehalt der von ihnen se/ermerten Müdi bctrachiiiJi Indier,
ebenso auch bei Darreichung von anorganischen Kalk¬
präparaten, besonders in Verbindung mit organischen Sauren,
so dass die von Bunge für die übrigen Saugetiere antge-
stellten Beziehungen zwischen der Zusammensetzung der AsJic
des Säuglings und der Milch der betreuenden Mutter auch für
den Menschen das PhysmlogisJie darstellen dariten. und J.os
nur unter dem buifhiss der Ernährung eine Abmihme der Kalk¬
salze in der Frauenmilch emgetreten ist. Die KuhmtLh enthalt
mm zwar melir Kalksalze wie die Frauenmilch, aber die Aus¬
nutzung ist, wie wir aus den Stoifvv cchsclvcrsu Jien von
C h r o n h e i m und M ii I I e r. B 1 a u b e r g u. a. w isseii. so
schlecht, dass trotz der KalkreiJ k reu Nahrung der Säugling in
Wahrheit noch viel geringere Mengen von Kal/mmsal/cn zu
retinieren pflegt, w ie bei Ernährung mit der an sich kalkarmeren
Frauenmilch. Schliesslich bei Mehlpraparaten scheinen d.e
.Ansatzverhältnisse für das Kalzium wiederum ungünstiger zu
sein wie bei der Kiihmilchnahnmg. So sehen wir also, dass m
der Tat der Säugling im ersten Lebensjahre entschieden unter
dem Einfluss eines Kalkmangels stellt und dieser wird zweifel¬
los ein prädisponierendes Moment von grosser Bedeutung mi¬
die Entstehung der RhaJutis sein. wenn diese Krankheit auch
durch diese relativ kalkarme Nahrung allein nicht erklärt wer¬
den kann.
Bisher hatten wir nur von klinisch gvsiir.däu Kindern ge¬
sprochen. Es erlicht sich mm die Frage, wie die Ans.it/v erhu't-
nissc für die Kalksalze bei \ erdauimgsstorimgen sein werden.
Es linden sich in der Literatur mehrere Angaben, d.e merk¬
würdigerweise Wenig Beachtung gefunden haben, uns denen
hervorgelit. dass bei dv speptisJien /usi.mdeii b. trüJitÜJic
Mengen Kalzium mehr mit den La/es ausges Ji.e den werden
wie mit der Nahrung eingenommen sind (Uffelman n. Ma¬
gi n s k y). Auch ich selbst konnte bei einem hereä.iar-hicb*
scheu Hru stk in Je mit dyspept.sehen. Stühlen testsivlien. dass
täglich 2 cg CaO mehr m den Fäzes ausgesdiie Jen wurde aS
in der Nahrung gegeben war. Da mm aber keineswegs alle
rhachitischen Kinder dyspepiis die Zustände zu haben br.mJien.
so erhob sich die Frage, wie weit auJn lie: ungestörten allge¬
meinen Verdauungsvorgängen Meningen ;:n Kalkst» »ftw echsJ
Vorkommen können. Zu diesem Zwe.k stellte ich mit der
gütigen Erlaubnis des Direktors der li.es, gen medizinischen
Klinik. Herrn Professor Brauer. Mincrn’stottvveJiselver-
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1857
suche an einem Kinde an, das 2 Tage zuvor abgestillt war.
Dieses Kind schied in den 7 Tagen des Versuches bei normalen
allgemeinen Verdauungsvorgängen 2,7 g CaO mehr aus als es
mit der Nahrung überhaupt eingenommen hatte, so dass also
als erwiesen gelten kann, dass auch unabhängig von der Ver¬
datung organischer Substanzen Störungen des Kalkstoff¬
wechsels stattfinden können, die zu einer beträchtlichen Mehr¬
abgabe dieser Salze durch den Darm führen. Hieran knüpfte
sich die weitere Frage, wieweit für die Entstehung der Rha¬
chitis Störungen des Kalkstoffwechsels verantwortlich zu
machen sind. Es ist merkwürdigerweise nur einmal von
Chronheim und Müller vor kurzem der Versuch ge¬
macht worden, diese Frage auf dem einzig möglichen Wege,
nämlich diurch einen Kalkstoffwechselversuch zu entscheiden,
und zwar kamen die Autoren zu dem Schluss, dass der Kalk-
stoffweohsel bei der Rhachitis nicht gestört sei. Jedoch be¬
fanden sich diese Kinder unter dem Einfluss eines Wechsels
gegenüber der früheren Nahrung und man konnte also von
vornherein nicht sagen, w/ieweit dieser eine Aenderung in dem
vor kurzen noch bestehenden Verhältnis hervorgerufen haben
mochte. Mir war es hingegen möglich, ein Kind zu unter¬
suchen, bei dem sich unter genau der gleichen Nahrung (Butter¬
milch), wie sie im Versuch gegeben wurde, während der Jetzten
2 Monate eine Rhachitis entwickelt hatte, und ich fand bei
diesem Kinde eine Ausscheidung von 2,7 g CaO durch Kot und
Urin während der 7 Tage des Versuches. Als man die Nah¬
rung wechselte und rohe Kuhmilch gab, hatte dieses Kind einen
CaO-Ansatz von täglich 0,75 g, so dass man also sagen kann,
dass hier kontemporär mit einer verhältnismässig enormen
Kalkabgabe sich eine Rhachitis entwickelt hat, und dass hier¬
von nicht sowohl eine Unfähigkeit des Organismus die Ur¬
sache war, Kalksalze zu retinieren, als vielmehr Verhältnisse,
welche durch die Nahrung geschaffen worden waren; dass bei
einem Wechsel der Nahrung dann ein enormer Kalkansatz statt¬
fand, und dass, wie die klinische Beobachtung des Weiteren
lehrte, kn Anschluss an diesen Kalkansatz eine schnelle Hei¬
lung der Rhachitis eintrat. Dadturoh können wir des weiteren
als erwiesen betrachten, dass dasWesenderRhachitis
in einer Störung des Kalkstoffwechsels be¬
steht.
Therapeutisch würde man aus den Ergebnissen die
Schlussfolgerung ziehen müssen, dass man vor allem prophy¬
laktisch die Rhachitis zu bekämpfen habe, indem man die
künstliche Nahrung nach Möglichkeit auszuschalten sucht und
indem man ferner den Kalkgehalt der Frauenmilch durch kalk¬
reiche Nahrung wieder auf die physiologische Norm bringt.
Die Anwendung von Kalkpräparaten im floriden Stadium
würde bei der darniederliegenden Funktion kaum Aussicht
auf Erfolg haben, dagegen wird man iim Stadium der Aus¬
heilung diese durch Darreichung von Kalkpräparaten unter
Umständen bedeutend beschleunigen können. Eine ausführ¬
liche Mitteilung wird demnächst erscheinen.
Herr Römer: Demonstration tuberkulose-immunisierter
Meerschweine.
Die Demonstrationen des Vortragenden ergänzen seine Aus¬
führungen über spezifische Ueberempfindlichkeit und Tuberkulose-
inrmunität, die er am 19. Mai 1908 in der Sitzung des Vereins (vgl.
diese Wochenschr. 1908, No. 27 ) machte. In weiteren Versuchen hat
der Vortragende wieder bestätigen können, dass man beim tuber¬
kulösen Meerschwein gegen nachfolgende weitere tuberkulöse In¬
fektionen Immunität beobachtet und speziell gab ihm ein grösserer
systematischer Versuch Qelegenheit, genauer die Bedingungen zu
studieren, unter denen man diese Immunität beobachtet. In der
nachfolgenden Tabelle ist der augenblickliche Stand dieses Versuches
eingetragen, soweit man aus dem Lokalbcfund nach der Infektion,
aus dem allgemeinen klinischen Verhalten etc. der infizierten Meer¬
schweine Schlussfolgerungen ziehen kann. Der Grad der Tuber¬
kulose bei den verschiedenen Tieren wird durch eine kleinere oder
grössere Anzahl von *T ausgedrückt. 0 bedeutet keine erkennbaren
Folgen der 2. Tuberkuloseinfektion.
(Siehe nebenstehende Tabelle.)
Di« Tabelle demonstriert die Bedeutung der D o s i e r u n g für
den Nachweis der Immunität, sowie die Bedeutung des Inter-
v alles zwischen Erst- und Zweitinfektion.
Die Demonstration der Versuchstiere dieser Serie, sowie
Demonstration pathologisch-anatomischer Präparate aus früheren
Kontroll-
Meerschwein
Meerschwein
tuberkulös
seit 1 Jahr
Meerschwein
tuberkulös
seit 6. I. 08
Meerschwein
tuberkulös
seit 5. II. 08
Meerschw. in¬
fiziert mit
lebenden aber
avirulenten Tb.
Meerschw. in- |
feiert mit |
toten Tb. |
Vioooo gr
Schwein-Tb.
Viooo gr
Schwein-Tb.
++P
4-1 1
0
o — h
0
0
++
+++
++4-
+++
Serien illustrieren des Näheren die Ausführungen des Vortragenden,
die an anderer Stelle ausführlicher erscheinen werden.
Herr Bach: Ueber Gicht des Auges.
In den letzten Jahren hatte ich wiederholt Gelegenheit
Fälle von Augengicht zu beobachten, die mir wegen ihrer
Seltenheit einer kurzen Mitteilung wert scheinen.
Bei einem der von mir beobachteten Fälle kam es während
der Uichtanfälle wiederholt zu einer zirkumskripten Hyperämie
und Schwellung der Bindehaut und der Episklera, die nach
mehreren Tagen wieder verschwand.
Das gleiche beobachtete ich bei einem Falle von chronisch-
atomscher Gicht ohne gleichzeitige stärkere anderweitige gich¬
tische Erscheinungen.
Einmal war die Hyperämie von längerer Dauer und es
kam zur Bildung eines stecknadelkopfgrossen Gichtknotens in
der Episklera.
In mehreren Fällen erwies sich ausschliesslich oder haupt¬
sächlich die Regenbogenhaut erkrankt.
Einmal beobachtete ich eine zuerst ein- dann doppelseitige
akute Iritis mit Blutungen in die vordere Augenkammer.
Die Iritis rezidivierte zuerst nach längeren, dann nach
kürzeren Intervallen und beim 4. Rezidiv, das ich beobachtete
kam es, nachdem die Iritis einige Tage bestanden hatte, zu¬
nächst zu einer ringförmigen Trübung um das Zentrum der
Hornhaut, der eine Trübung des Zentrums selbst folgte derart
dass zunächst die hinteren Partien sich graugelblich trübten
und erst ganz allmählich die graugelbliche Trübung sich nach
vorn schob. Es kam schliesslich zur Defektbildung an der
vorderen Hornhauthälfte und zur sequesterartigen Abstossung
einer gelblichweissen Masse. Diese Beobachtung machte ich
bei einem Falle von chronisch-atonischer Gicht.
In einem Falle mit akuten Gichtaufällen kam es wiederholt
gleichzeitig mit dem Auftreten des Gtichtanfalles zu dem Auf¬
treten einer schweren rechtsseitigen Iritis mit Hypopyon-
öddung.
n- beobachtete ich bei lange bestehender chronischer
Gicht eine doppelseitige, schleichend sich entwickelnde Iritis
zu der bei dem einen Falle sich eine chronische Entzündung
auch der übrigen Abschnitte des Uveatraktus sowie eine eigen¬
artige m hohem Grade als typisch zu bezeichnende, zunächst
periphere, Retinitis punctata albescens hinzuge¬
sellte.
Die Peripherie der Netzhaut war übersät mit rundlichen,
stecknadelkopf- bis hirsekorngrossen, glänzend weiss aus¬
sehenden. an Tophi erinnernden Herden.
Die P r o g n o s e der gichtischen Erkrankungen des Auges
.ist besonders deshalb eine etwas ungünstige, weil eine un-
gemeine Neigung zu Rezidiven zu bestehen scheint.
Therapeutisch hat sich mir neben der üblichen ätio¬
logischen und symptomatischen Behandlung lokale Wärme¬
anwendung bewährt.
Aerztiicner verein München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 1. April 1908.
(Schluss.)
F. M. Groedel-Bad Nauheim: Moment- und Teleröntgeno-
graphle.
.nno °\ und Ingenieur H o r n in der Münch, med. Wochenschr.
1908, No. 11 mitgeteilten Versuche haben auch weiter sehr günstige
Resultate gezeitigt. G. verwendet jetzt 220 Volt und mindestens
Ampere und kann hierdurch mit seinem einfachen Instrumentarium
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1858
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .15.
die Expositionszeiten noch weiter herabsetzen, so dass z. B. für ein
Teleröntgenogramm weniger als eine Sekunde Expositionszeit be¬
nötigt wird, eine Magenaufnahme auf Platte ohne Verstärkungs-
schirme weniger als % Sekunde braucht. G.demonstriert eine grössere
Anzahl Diapositive. Mehrere Momentaufnahmen der Thoraxorgane,
die bei fortlaufender Atmung aufgenommen sind, Aufnahmen des
Magens und Dünn- und Dickdarms. Unter den Eernaufnahmen sind
besonders die Fernaufnahmen in den schrägen und im frontalen
Durchmesser interessant. G. zeigt zum Vergleich entsprechende
Nahaufnahmen, und macht auf die korrekteren Projektionsverhältnisse
der Fernaufnahmen aufmerksam, und die schönere Zeichnung der
letzteren, bei denen die Schatten weniger auseinander gezogen, daher
besser gedeckt sind. Trotzdem sei cs niemals möglich, wirklich
exakte Masse von Fernaufnahmen abzunehmen, da die Herzränder
immer noch nicht deutlich genug ausfallen. Die Fernaufnahmen im
schrägen Durchmesser sind erst durch die abgekürzte Expositions¬
zeit möglich geworden. G. bemerkt aber, dass Dr. Köhler- Wies¬
baden ihm mitgeteilt hat, dass er auch schon eine Fernaufnahme im
schrägen Durchmesser aufgenommen hat. Zum Schlüsse demonstriert
G. eine Frontalaufnahme des Magens (Expositionszeit 1 Sekunde) und
bemerkt, dass diese Bilder, die er früher vergebens hcrzustellen
versucht hat, nun leicht und sicher gelingen.
Diskussion: Herr Kästle erklärt, dass die von Herrn
Groedel zu Anfang seines Vortrages angezogene Arbeit von
Kästle, Rieder und Rosen thal in No. 13, 1908 der Münch,
med. Wochenschr.: „Zur Frage der Herstellung von Momentröntgcn-
aufnahmen** nach An- und Absicht der Autoren weder unrichtige Be¬
hauptungen, noch eine ungerechtfertigte Polemik gegen die Herren
Groedel und Horn enthalte. Eine sachliche Erwiderung auf Ein¬
zelheiten und Vergleiche in der Arbeit von Groedel und Horn in
No. 11, 1908 der Münch, med. Wochenschr.: „Ucbcr Röntgenmoment¬
aufnahmen mit den bisher gebräuchlichen Apparaten“ habe sich nicht
umgehen lassen. Rieder und Kästle haben seit Oktober 1907.
der Zeit, zu welcher die Versuche zu ihrer Arbeit: ..Neue Ausblicke
auf die weitere Entwicklung der Röntgendiagnostik“ (Münch, med.
Wochenschr. 1908, No. 8) beendet waren, in Zusammenarbeit mit
Dr. Rosen thal weitere Fortschritte gemacht. So sei jetzt die
Aufnahme der Brustorgane eines kräftigen 18 jährigen Mechanikers
auf Platte ohne Verstärkungsschirm und eine Entfernung von 60 cm
in 0,3 Sekunden möglich (gegen 1 Sekunde Groedels und Horns).
Für Fernaufnahmen der Brustorgane (Film mit 2 Verstärkungs¬
schirmen) in 2 m Abstand werden *'*—1 Sekunde unter durchschnitt¬
lichen Verhältnissen gebraucht (gegen 2 Sekunden von Groedel
und Horn).
Eine Thoraxfernaufnahme eines sehr starken Mannes (Gewicht
170 Pfund bei mittlerer Körpergrösse und einem Brustumfang von
106% cm in Inspiration und 101 cm in Exspiration) sei in tadel¬
loser Beschaffenheit in 2 Sekunden erzielt worden auf 2 m Distanz
(Film mit 2 Verstärkungsschirmen), ein Beweis dafür, dass sehr hoch-
gestellten Anforderungen genügt werden könne.
An dem grossen Wert der Moment- und Fern-Röntgenaufnahmen
sei nicht zu zweifeln. Die Verzeichnung der Organe bei Aufnahme
auf 2 m Distanz sei praktisch — auch bei grossen Herzen —
zu vernachlässigen, wie Untersuchungen von Albers-Schön¬
berg. Alban Köhler und Rieder und Kästle ergeben haben,
richtige Einstellung vorausgesetzt. Bei Herzfernaufnahmen sei im
allgemeinen die Schärfe der Herzkonturen völlig hinreichend, um die
Ausmessung des Herzens zu ermöglichen. Die Schärfe sei cetcr. par.
um so grösser, je kürzer die Expositionszeit gewählt werden könne.
Der Hauptwert der ganz kurzen Aufnahmen liege hauptsächlich
in der Erreichung schärfster Bilder, w'ie schon früher Rieder und
Rosen thal betont haben. Die Schärfe der Groedel sehen Bilder
lasse sich schwerer beurteilen, weil sie als Projektionen nach Dia¬
positiven gezeigt wurden. Die Originalncgative hätten hier mehr
Aufschluss gegeben. Nach den Autotypien — die natürlich auch nur
bedingungsweise Schlüsse erlauben — liesse z. B. die Nahaufnahme
in 1 Sekunde an Struktur, in *m Sekunden an Schärfe der Herz¬
kontur zu wünschen — bei welch letzterer Aufnahme die ausser¬
ordentliche Herabsetzung der Expositionszeit mit Hilfe zweier Ver¬
stärkungsschirme (um das 15 fache) auffallc.
Die Messmethode, welche Rieder, R o s e n t h a 1 und
Kästle zur Feststellung der Expositionszeit benützen, schildert
Kästle folgendermassen:
Eine mit einem in Schwarzpapier eingeschlagenen Filmstreifen
versehene Trommel von bekanntem Umfang rotiert mit genau regu¬
lierbarer Geschwindigkeit hinter einem mit engem Schlitz versehenen
Bleischirm. Die Trommel mit Bleischirm w ird so aufgeste’lt. dass die
bildgebenden Röntgenstrahlen durch den Schlitz im Bleischirm auch
den Film der Trommel treffen. Aus der Länge des — natürlich ent¬
wickelten — belichteten Filmstückes, dem Umfang und der Um¬
drehungsgeschwindigkeit der Trommel lässt sich die Expositionszeit
genau berechnen; diese Methode ist selbst für wissenschaftliche
Zwecke vollkommen einwandfrei.
Die Kurve des Sekundärstromes — der physikalische Ausdruck
für die Qualität der jeweils gelieferten elektrischen Ströme — sei bei
der für Moment- und Fernaufnahmen vorgesehenen Schaltung des
R o s e n t h a 1 sehen Induktors eine andere als bei Benützung des
60 cm-lnduktors mit eingeteilter Sekundärspule, wohl aber veränder¬
licher Selbstinduktion der Pnmärspulc, unter sonst gleichen Verhält¬
nissen; die Amplituden seien im ersten Falle grosser.
Ein näheres Eingehen auf weitere ph\sikalischc Details sei heute
unmöglich.
Von irgend welchem Defektwerden des Instrumentariums und der
Röhren hat Kästle im Verlauf von 5 Monaten nichts beobachtet
und auch sonst nichts gehört. Die Rohren — deren verschiedene
Modelle benutzt werden — halten sich vorzüglich, die Rohrenschonung
ist unbedingt grosser als früher.
Herr R. Gras he y: In der chirurgischen Klinik sind mir d.c
Schnellaufnahmcn bereits unentbehrlich geworden, zumal da sich
herausgestellt hat, dass mit dem hierzu benutzten Roscnth Bi¬
schen Induktor und den mit sehr scharfem Brennpunkt ausgestatteten
Iridiumrohren die für unsere Zwecke so w ichtige Bildschärfe in keiner
Weise leidet und auch der Rohrenverbrauch ein massiger ist. Ein
Urteil darüber abzugeben, ob die verschiedenen, zwecks Abkürzung
der Expositionszeit konstruierten technischen Neuerungen einander
ebenbürtig sind, erscheint mir nach dem bis jetzt vorliegenden Bäder-
niaterial noch nicht möglich, da dasselbe zu ungleichartig und auch
zu klein ist.
Herr (iilmer: Als vor kurzem Rieder. Rosen thal und
Kästle uns ein Verfahren nntteiiteti. mit dem es gelang. Moment¬
aufnahmen, d. h. Aufnahmen in weniger als 1 Sekunde, vorn Thorax
anzufertigen, da mischte sich in unsere Freude aber den enormen
Fortschritt etwas wie Trauer darüber, dass dies \ erfahren wegen
der dazu notigen und komplizierten und kostspieligen Apparate nur
wenigen Glücklichen. Krankenhäusern und Kliniken zugänglich sein
werde. Diese Bedenken sind nun zerstreut, nachdem uns heute Herr
(irodel in seinem Demonstrationsvortrag gezeigt hat. dass man
auch auf einfachere Weise zum Ziel gelangen kann. Die Moment¬
bilder der Brust- und Bauchemgew eide, die er uns vorgefuhrt. Auf¬
nahmen in 1 m> 1 ?o Sekunden, sind wirklich ganz her \ orragend ge¬
lungen; speziell der Roiitgenolnge wird über die Klarheit der so un¬
gemein schwierigen Sagittalauinahmen des Herzens und Magens ent¬
zückt sein. Es ist das besondere Verdienst < i r o d e I s, uns ge/eut
zu haben, dass man auch mit den bisher gebräuchlichen Apparaten
guter Provenienz Bilder hersteilen kann, die jeder Kritik bezüglich
Güte und Kurze der Expositionszeit standhalten.
Es hat sich an die Mitteilungen Grodels in der Munch. med.
Wochenschr. eine Polemik von Seiten der Herren R i e d e r. Ros e n -
thal und Kästle angeknnpft, die ich nicht inr ganz gerechtfertigt
halte. Fis haben sich darauthm beide Parteien bemüht, ihre Resul¬
tate bezüglich Kur/e der Exposition noch zu verbessern und sind bis
zu 1 Sekunde gelangt. Die gewonnenen Resultate sind natürlich
nicht streng miteinander zu vergleichen, da die Anlnahmeohieklc und
die Versuchsanordnungen viel zu verschieden sind. Um zu ent¬
scheiden. wer den Sieg davon getragen, musste mit den beiden Appa¬
raten unter völlig gleichen Bedingungen am gleichen Patienten ge¬
arbeitet werden. Ich glaube schon »et/t annehmen zu können, dass
dann der Unterschied der gewonnenen Bilder nicht gross sein wird.
Und dabei komme ich zum springenden Punkt. Rosen thal hat
seinen Riesemnduktor als den Apparat katexochen fnr Momentauf¬
nahmen bezeichnet. Das ist er icdogh nicht, denn jeder gutgebaute
Induktor von Ü» cm Funkenlange an ist bei genügender Belastung
imstande, dasselbe zu erreichen. Auf die Stromstärke, die wir in
den Apparat schicken, kommt es an. auf die Belastungsuioglichkeit:
das ist auch beim R o s c n t h a I sehen Instrumentarium die Haupt¬
sache, trotzdem davon merkwürdiger Weise in allen Publikationen
nichts e r wälmt ist. Rosint Jtjt \ erreicht diese >tromstärken dirch
einen besondeien Induktor, »irodel durch emi.tche Vergrossertmg
der Stiltoberiläc he des W elinelM 'nterlu echers. Wer auf die Hasen¬
jagd geht, nimmt keine Kanone mit ich werde mich huten, einen
neuen komplizierten Riesemnduktur um teures Geld zu Kaufe n. Wenn
ich mit meinem gewohnten Instrumentarium ohne neue Kosten das¬
selbe erreichen kann. Ob bei dem neuen Ind.iikbT die lütladungs-
kurve des sekundären Stromes eine andere, günstigere ist. mag als
theoretische Frortenmg fnr den Phxsiker interessant sein, wir Aer/te
können das nicht nuchpruten. als Praktiker müssen wir uns an den
Effekt halten. Hier kann ich die Angaben Grodels vollinhaltlich
bestätigen. Audi ich arbeite in meinem Laboratorium mit einem ge¬
wöhnlichen Induktor der Firma Reiniger, »iebbert und
S c h a I I. nach den Angaben Grodels mit dreiteiligem Wehnelt und
hohen Stromstärken Ins »><• Ampere bei 11" Volt: sowohl Apparat wie
Rohren halten diese Belastung vorzüglich aus. Dabei verwende ich
nicht die von R o s e n t h a 1 geforderte teure und grosse Piatm-
Iriduimrohre. sondern eno gewohtdidie billige » nindt achrohre mit
grossem Liseiffvlot/. la, idi mochte füll.Hinten, dass die Rohren trotz
der hohen Ihkistühg ihr Vakuum besser halten als bei Zeitaufnahmen.
Man kann hintereinander f* und meh r Moimemaumahncn mit der
gleichen Rohre bei gleiehb'eü! endem Härtegrad machen, w .is für Zeit¬
aufnahmen ausgeschlossen ist.
Ich habe nun versucht, die G r o d c 1 scheu Mome ntaufnahmen
auch auf das Ariwendungsg'-bief des Chirurgen zu ' d 'trage n und
habe dabei bemerkenswerte Resu’iate erzielt. Freidh muss man liier
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1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1859
etwas länger belichten, da wir den Verstärkungsschirm wegen seiner
leicht verschleiernden Wirkung entbehren müssen. Abgesehen von
Aufnahmen der Extremitäten in 1—4 Sekunden, gelangen mir Schädel¬
aufnahmen bei Erwachsenen in beiden Ebenen in 5—10 Sekunden.
Die Bilder lassen an Schärfe und feinster Differenzierung nichts zu
wünschen übrig. Ich kann sie Ihnen leider heute nicht vorführen, da
sie zum internationalen Laryngologenkongress nach Wien eingesandt
werden.
Ich halte diese chirurgischen Schnellaufnahmen nicht für
Spielerei. Abgesehen von unruhigen Kindern und schmerzhaften ge¬
brochenen Gliedern — auch der nicht schmerzhafte Körperteil kann
selbst bei starker Kompression und exaktester Lagerung fast nie so
still gelegt werden, dass nicht ein unwillkürliches oder durch die
Arterienpulsation und Atmung verursachtes leichtes Zittern die
Schärfe des Bildes etwas beeinträchtigt. Die Moment- resp. Schnell¬
aufnahme wird diese Fehlerquellen vermeiden. Es wird mit der
Röntgenphotographie ebenso gehen wie mit der gewöhnlichen Photo¬
graphie: das Ziel ist erst erreicht, wenn wir jeden Körperteil in
1 Sekunde und weniger werden aufnehmen können. Unsere Appa¬
rate wären dazu schon jetzt imstand: man baut seit längerer Zeit
Intensivinduktoren, deren Sekundärentladung keine Röhre gewachsen
ist. Man schaffe eine geeignete Röhre, die derartige Stromstösse aus-
halten kann — dann ist auch die Frage der kinematographischen
Röntgenaufnahmen gelöst.
Herr Sielmann: Ich habe eine grosse Zahl von Röntgeno-
graphien, die mit dem Universalinduktor (Polyphos) angefertigt
waren, gesehen und auch selbst mehrfach mit demselben gearbeitet,
wobei mir die ausserordentliche Schärfe der Bilder und der Kontrast¬
reichtum auffielem
Der Ansicht des Herrn Kollegen Dr. Groedel, dass die Tele-
röntgenographie in Zukunft keine Rolle spielen werde, möchte ich
widersprechen, insbesondere auch in Hinweis auf die Publikation
Prof. Moritz’ in der letzten „Münchener Medizinischen“, der die
Teleröntgenographie als Ergänzung der Orthodiagraphie gelten lässt.
Mir ist eine derartige Aufnahme — es handelte sich um ein Aorten¬
aneurysma — im Gedächtnis, bei der das Orthodiagramm sich mit
dem Teleröntgenogramm deckte. Die Anfrage des Herrn Grödel
an Herrn Kästle bezüglich der Differenz der Exposition bei Auf¬
nahmen mit und ohne Verstärkungsschirme, Hesse sich vielleicht be¬
antworten, wenn wir uns ins Gedächtnis zurückrufen, dass wir bei
Momentaufnahmen (Thorax) mit Verstärkungsschirmen im Durch¬
schnitt 6 Sekunden, ohne Verstärkungsschirme die dreifache Zeit,
plso 18 Sekunden, zu exponieren pflegen.
Herr Held rieh erwähnt, dass Herr Spezialingenieur Horn
neulich mit dem von Reiniger GebbertÄ Schall vor 2 Jahren
in seiner Privatklinik aufgestellten Röntgenapparate (60 cm Funken¬
länge des Induktors) eine Aufnahme eines Thorax in V* Sekunde
machte, ohne am Apparate etwas anderes geändert zu haben als die
Wehneltregulierung. Besonders sei dabei zu bemerken, dass die
sehr gut gelungene Aufnahme mit einer schon 4 Jahre alten
Gundelachröhre gemacht wurde. Diese Röhre war zu anderen Auf¬
nahmen bereits völlig unbrauchbar.
Herr Groedel (Schlusswort): G. bemerkt zu den Ausführungen
Kästles: die Abkürzung der Expositionszeit durch Verstärkungs¬
schirme lässt sich nicht zahlenmässig angeben, da hier zu vielerlei
Umstände in Frage kommen, wie vor allem Art der Herstellung,
Expositionszeit, Intensität der Strahlen usw. Uebrigens wenn K.
glaubt, dass ein Schirm 4—5 mal abkürze, so käme bei Verwendung
von zwei Schirmen ja schon das Verhältnis 1 : 1 /io heraus. Herrn K.
und Herrn Siel mann gegenüber bemerkt G., dass sie wahrscheinlich
noch kein Teleröntgenogramm eines Herzkranken mit hochgradigeren
Stauungserscheinungen in den Lungen aufgenommen haben, sonst
könnten sie nicht behaupten, /dass der Herzrand sich immer scharf
abhebe. Der Ausdruck des Herrn K.. dass die Erreichung grösserer
Schärfe der einzige Zweck der Momentaufnahmen sei, sei doch zu
weitgehend. Das Urteil des Herrn K., dass die Bilder G.s nicht so
scharf wie seine seien, sei durch nichts bewiesen. Das Gegenteil er¬
scheine dem bis jetzt von K. publizierten Material nach wahrschein¬
lichen Auf die übrigen physikalischen Fragen will G. nicht weiter
eingehen, um nicht zu lange die Zeit der Versammlung in Anspruch
zu nehmen, und will nur noch eine kurze Erklärung verlesen, die sich
gegen die vollkommen unberechtigten Angriffe der Herren Kästle,
Rieder und Rosenthal richtet, Angriffe, die auch heute Herr
K. wiederholt hat. Zuvor fragt G. an, ob einem der Herren aus der
Versammlung bekannt sei, dass der neue Induktor Rosenthals
bei starker Belastung Schaden gelitten habe. (iEs meldet sich nie¬
mand.) Da die vollständige Verlesung der Erklärung G.s und weitere
Diskussion nicht gestattet wird, erklärt G„ dass er sehr bedauere,
dass die Versammlung ihm nicht gestatte, sich gegen die unberech¬
tigten und unrichtigen Behauptungen K.s zu verteidigen, die sich mit
den in der Arbeit von K. R. und R. enthaltenen decken.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Polikliriik.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 2. April 1908.
Vorsitzender: Herr Fla tau.
Herr Griinbaum demonstriert ein durch Laparotomie ge¬
wonnenes Präparat von Tubenruptur. Pat. kollabierte in der Sprech¬
stunde und musste wegen der Gefahr der inneren Verblutung ohne
weitere Vorbereitung von der Sprechstunde weg operiert werden.
Im Abdomen fand sich neben alten Blutklumpen iVs Liter frisches
Blut. Das Eichen — 4 Wochen alt — lag intakt neben der Ruptur¬
stelle auf dem oberen Teil der Pars isthmica der Tube. Die Plazenta
steckte zum Teil noch in der spindelförmigen Tube selbst.
Pat. verlies« am 4. Tag post operationem das Bett und wurde
nach 14 Tagen geheilt entlassen.
Ferner demonstriert Herr G. ein durch Laparotomie gewonnenes
Präparat von Tubenabort der Pars ampullaris tubae. Die Tube war
kl ein apfelgross, im Abdomen fand sich viel altes geronnenes Blut:
auch hier war die Indikation zur Operation eine neue innere Blutung
trotz der Hämatocelenbildung. Pat. verliess das Bett am 2. Tag
post operationem, am 12. Tag geheilt entlassen. Im Anschluss an
die Demonstration bespricht Vortragender die Indikation zum opera¬
tiven Vorgehen bei Tubenaborten und Tubargraviditäten und ver¬
teidigt den Standpunkt, dass ln jedem Fall, wo eine extrauterine
Gravidität diagnostiziert wird, auch zur Operation geschritten wer¬
den sollte.
Herr Fla tau spricht über Anwendung der Bi ersehen Saug-
theraoie In der Gynäkologie.
Gegenüber dem Heer chronischer Beschwerden, die dem Gynäko¬
logen täglich entgegentreten und gegenüber den relativ wenigen und
monotonen therapeutischen Massnahmen insbesondere für die ambu¬
lante Behandlung, ist es nur zu begreiflich, dass man versucht und
verpflichtet ist, neue Ideen auch für das Spezialgebiet fruchtbar zu
machen.
Es soll deswegen nicht davon die Rede sein, dass man selbst¬
verständlich Furunkel. Abszesse, Drüsenerkrankurtgen etc. ebenso
wie an anderen Oberflächengebieten des Körpers nach Bierschen
Grundsätzen bekämpfen kann, sondern ob es möglich und nützlich ist,
chronische Erkrankungen der inneren Genitalien vermittels einer
hyperämisierenden Saugung zu beeinflussen. Die Portio uteri ist d»e
gegebene Angriffsfläche. Und zylinderartige Instrumente, die in die
Vagina eingeführt die Portio umfassten und an* ihrem distalen Ende
mit einer Luftpumpe versehen waren, kamen bald genug in An¬
wendung. Die chronische Metro-Endometritis in allen (übrigens
pathologisch-anatomisch ungenügend geklärten) Formen wurde mit
Saugung behandelt. Nach der entsprechenden Luftverdünnung konnte
man die raschen Folgen an der Portio schön beobachten: das Organ
wurde tief in den Glaszylinder hinabgezogen, seine Färbung wurde
livid, aus dem Muttermund quollen grössere Mengen von Uterus-
sekret. Bei Erosionen der Portio konnte man öfter eine serös-blutige
Absonderung bemerken. Länger als 10 Minuten wurde die ganze Pro¬
zedur nicht vorgenommen. Sie musste in einer sehr zahlreichen
Reihe von Fällen schon eher abgebrochen werden, da die Kranken
über Schmerzen klagten. Zum Teil über krampfartige Zusammen¬
ziehungen, zum Teil ein schmerzhaftes Ziehen, das im ganzen Unter¬
bauch verspürt wurde. Jedenfalls müssen diese Beschwerden sehr
intensiv gewesen sein, denn ein Teil der Kranken verweigerte die
Anwendung der Saugbehandlung. Und auch der Referent hat sie
gern aufgegeben, da auch nicht in einem Fall eine gün¬
stige Wirkung der Saugung einwandfrei fest-
zustellen war.
Auch der naheliegende Gedanke, bei hypoplastischen Verände¬
rungen der Genitalien (InfantMismus) mit Amenorrhoe und Oligomenor¬
rhoe einen Versuch mit der Hyperämie zu machen, führte zu keinem
positiven Resultat
Eine ganz andere, originelle Anwendungsart der Saugglockc hat
auf Grund einer interessanten Gedankenreihe P ol a n o - Würzburg
vorgeschlagen: nämlich die Beeinflussung der Genitalien von der
Brustdrüse aus. Der Referent hat dieses Verfahren bei einer ganzen
Reihe von Dysmenorrhoe zur Anwendung gebracht. Und
zwar, um möglichst einspruchslose Fälle zu haben, lediglich bei jung¬
fräulichen Individuen. Also bei dem Symptomenkomplex, den wir
idiopathische Dysmenorrhöe nennen können, bei intakten Virginibus,
bei denen jede andere Ursache der Dysmenorrhöe (Endometritis,
Metritis, Salpingitis, die Beckenbauchfellerkrankungen etc.) im all¬
gemeinen ausgeschlossen werden kann. Und die gerade deswegen
so oft eine Crux auch für den Arzt werden können, weif ihm jede
direkte Einwirkung unmöglich gemacht ist. Es wurden die Versuche
so angeordnet, dass je 4. 5 Tage vor dem Menstruationstermin
2 B i e r sehe Glocken an den Brustwarzenhof gelegt und meistens
eine halbe Stunde daran gelassen wurden. Auch hierbei klagten die
Mädchen anfänglich über ein starkes Ziehen, das jedoch im Laufe der
ersten 5 Minuten nachzulassen pflegte. Die Resultate waren über
alle Erwartungen günstig. Bei den meisten der Mädchen traten die
Menses beschwerdefrei auf. j Eine Dauerwirkung konnte nicht be¬
obachtet« werden; die meisten Patientinnen verlangten auch spontan
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1860
MUF.NCHENFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N'*. 3s.
die Anlegung der Glocke wieder und setzten sich seihst bald in den
Besitz des kleinen Instruments. Ein Nachteil konnte niemu’s kon¬
statiert werden. ■ Nur in einem Fall (unter etwa 2u bisher), einer
31jährigen Virgo, konnte der Referent nach einer auifä! bgen Aer.dc-
rung der Gesichtsfärbung und des Ausdrucks aus dem Mädchen d e
Beichte ziehen, dass durch die Saugung an den Warzen starke
erotische Empfindungen ausgelost wurden. Immerhin wird
auf diesen heiklen Punkt zu achten sein. Der Referent et sich kl ir.
dass.eine suggestive Wirkung eventuell nicht ausgeschlossen wer¬
den kann, wenn er selbst dieses Moment zu unterdrücken möglichst
versucht hat, aber bei der Armut unserer Hilfsmittel gegenüber der
Dysmenorrhoea virginum kann der Versuch mit der H i e r scheu
Glocke nur empfohlen werden. (Selbstbericht.)
Diskussion: Herr G r ii n b a u m bestätigt die geringen Er¬
folge bei der Saugtherapie der Portio; mit der T h u r a n scheji
Methode könne man bei Endometritis chronica, wenn der Arzt und
die Patientin die nötige Geduld haben, momentane Erfolge erzielen,
die aber oft nicht von langer Dauer sind. Schmerzen sind zu ver¬
meiden, wenn man nur geringen Druck zur Anwendung bringt.
Betreff das Saugverfahren der Brüste bei Dvsmeiiorrhoe sei be¬
merkt, dass theoretisch eine Beeinflussung der Ovarien, deren Punk¬
tion fiir gewisse Formen von Dysmenorrhöe ätiologisch in Betracht
kommt, durch die Brüste möglich ist. He gar hat schon ls7s eine
bestimmte Korrelation zw ischen Mamma und Ovarium nachgew iesen,
und dies ist durch neuere Arbeiten auf diesem Gebiete bestätigt.
Vortr. selbst konnte durch methodische l'ntersuchüi.ig der Brüste nach
Kastration beim Menschen feststellen, dass der plötzliche Wegfall
der inneren Sekretion des Ovariums erregend auf die Brustdrüse ein¬
wirkt, indem selbst bei alten Null iprir is Milchseki etion ausgelost wird.
Beim Saugen der Brust nach dem Polanoscheti Verfahren
wird umgekehrt ein Einfluss von der Brust auf das Ovarium aus¬
geübt.
Herr .Frankenburger: Bemerkungen über die thera¬
peutische Verwendbarkeit des Spirosal.
Spirosal — Monosalizylsäureester des Aethylenglvkols -von
Friedr. Bayer <5c Cie. hergestellt, hat der Vortragende seit fast einem
Jahre in einer grossen Versuchsreihe erprobt und a's sehr gutes
Mittel befunden. Es kommt in der W irkung dem Mesotan nahe, ohne
aber dessen hautreizende Wirkung zu äusseru.
Günstige Erfahrungen wurden bisher aus Ofen-Pest von
Schönheim (W'iener med. Presse 1 ( o7, No. J(>) und aus Bethanien-
Berlin von Garde m i n (D. med. Wochenschr. 10117 . No. Jö) be¬
richtet. Diesen schliesst sich der Vortr. am Sowohl bei akuten Ge¬
lenkrheumatismen als bei den chronischen Bormen. besonders aber
bei Muskelrhemmatismen, Lumbago waren die Erfolge günstige. Sehr
bemerkensw'ert ist auch ein Ball von <icleuksclimerzen bei Tabes
dorsalis gewesen, in welchem keines der angewandten inneren utfoi
äusseren Mittel mit dem Spirosal sieh an Erfolg messen konnte.
Irgendwelche Nebenwirkungen — weder Salizv! Wirkungen noch
andere — wurden nicht beobachtet. Das Präparat ist fast geruchlos.
Es wurde teils nur eingerieben, teils aufgepinselt und mit undurch¬
lässigem Verbände bedeckt, unter welchem es zur völligen Auf¬
saugung gelangte. Der IJebergang von Salizvl in den Harn wurde
mehrfach nachgeprüft. Vortr. hat das Mittel zuerst rein, später ver¬
dünnt mit Spiritus reetif. (1 :2 oder.P verwendet und auch von der
alkoholischen Lösung gute Erfolge gehabt. Der Preis von 1 1 » g Spi¬
rosal beträgt M. 1.55; verdünnt mit Alkohol ln :3o (Gesamtpreis des
Rezeptes M. 2) würde diese Menge fiir 2 3 Tage eeiiiivcii. Das
Mittel ist also wohl teurer als andere Einreibungsmittel, dafür aber
auch wirksamer und zwar nicht nur durch Suggestion.
Für alle Fälle, in welchen innere Darreichung von SalizvI-
präparaten untunlich oder undurchführbar ist. empfiehlt Vortr. an
Stelle des Mesotan dieses Präparat zu versuchen.
Versagt haben nur einige wenige Bälle von akutem Gelenk¬
rheumatismus, in welchen man ohne innere Darreichung nicht aus-
kommen konnte; von den chronischen Gelenkaffektionen hat
nur 1 Ball versagt; von den Muskelrheumatismen keiner.
Herr He Inf ein gibt einen kurzen Abriss des heutigen Standes
der Lehre vom Hallux valgus und demonstriert anschliessend ein von
einem 78 jähr. Manne herrührendes Ecielienpräparat. w elches die
diesem Leiden entsprechenden Veränderungen in teilweise charak¬
teristischem Ansehen zur Anschauung bringt, so die sogen. Sagittal-
furehe He ubaclis; an Stelle der äusseren Seitenbandinsertion im
Bereich des Köpfchens des I. Metatarsalknoclien findet sich eine
flache, mit zahlreichen warzigen Osteophyten bedeckte Hervorrugung.
sonst überwiegen im Bereich der Synovialis und der knorpeligen Ge¬
lenkflächen die Vorgänge des Schwundes.
Aus den französischen medizinischen Gesellschaften.
Soci6t6 mgdlcale des höpltaux.
Sitzung vom 26. J uni 191 iS.
Behandlung des Lupus mit Skarlfikatlonen und Hochfrcqucnzstrümen.
^-Zimmern und O au c li e r besprechen die Resultate, welche
[j^RUt einigen Monaten mit kombinierter Anwendung linearer skari-
fikationen. denen unmitte'bar dm AnpIikaGon von Hochfreuuenz-
strörnen lügt, erzielt haben. Sie waren überrascht von der raschen
Wirkung dieser Behandlung und dem erzielten kosmetischen Re¬
sultate. Nachdem sie ursprünglich dnse Therapie nur bei ervthema-
tosem und tuberkulösem Lupus angewandt hatten, dehnten sie die¬
selbe weiter auf alle lläiituifektioiieu aus. wo die Methode der Skari-
fikationen allein bis jetzt angewandt wurde, lind auf alle t<*rmdeu
pliagedämschen Schanker- und sv plolitisc 1 • 111 Gesdiw ure. welche der
gewöhnlichen Behandlung trnt/tui. Berichterstatter werden 111 einer
späteren Arbeit ihre bezüglichen Inst.•!-.gisglien und pathologisdt-
ai lato mischen l 11 tersuc Innige 11 v er ofentiic lien.
Sitzung v o rn 21. u n d .< 0 . M a 1 1‘* s.
lieber den spezifischen Wert der Ophlhalmodiagnose durch Tuber¬
kulin.
A. C a I in e t t e und C. (iuerin haben die Versuche B. Ar-
I o i n g s, welcher fand, d iss Kaninchen, mit verschiedenen Giften «des
I \ pliiish izillus, der I hphlher ie, mit staplivh >k> »kkeugit: 1 geimpft und
gegen I etaiuis oder Diphtherie immunisier te Pur de eine p<»sn,\e
Reakfi.m bei Instillation einer geringen Menge 1 über k ;n:iis in das
Auge zeigten, nadigepniit. Bei I \ pkusnikkmm (naturiidier o, it r
experimenteller) verursacht zweifeli-s nie Iristniati-.n Von Tuber¬
kulin m das Auge ziemlich häufig p«: 1 \ g- Reaktionen; aber dieselben
sind viel weniger intensiv und auh.du ml als bei I ube r kid-.se. Aber
was die anderen Infektionen oder Intoxikationen betrifft formt >:.i-
pliv lokokheii. Pest. Diph'lmnr, l< T.inus). so ge lang es L. und < i.
niemals auch nur die Spur einer Augenreaktion beim Kaninchen lur-
yor/uriUeu. Andererseits haben sie bei mehreren Hunderten von
Kranken, Erw acliseuen oder Kindern, und bei einer grossen \nz4l1i
Von Kindern, die Seit mehr als einem latir der (tpbffbiimodiugnnxe
unterworfen worden sind, stets eine negative Reaktion geluiiden.
wenn es sich um mehttuberkniose Auktionen har de te. \of kurze"'!
"och haben C. und G, 23 Pterde. Wovon s gegen Tetanus und
I * 1 [>i 11 1 1 er 1 e* immunisiert sind, der 5 pn*/. J uber ku'inmsti’f.itton unter¬
zogen und es zeigte sich weder bei diesen mm. ii den 7 md't Vor¬
beilande! teil I leren die geringste Reaktion. Eine sJimic, deiit.idic
Reaktion war nur bei den tuberkulösen I leren zu konstatieren. I m
diese Etage der spezifischen Tube r kuimr e.ikti -n. welche lUridit-
erstatter vorläufig nogfi iur eine 1111 positiven Sinne gelöste h.i ien.
definitiv zu entscheiden, hallen sie mmieihin m-di weitere Inler-
sucliungen tur notig.
Mechanismus der Atoxylw Irkung bei der experimentellen S>philis.
E e v a d 1 t i und T. V a m a n o u c h i prüften die I'rgebmsse v-m
Ihlen h 11 t h. H o f f m a n n und W e 1 d a n z. w eldie zuerst die
präventive Wirkung des Atovvls bei dir e\pe t imente den Sv phms des
Kaninchens festgest- llt haben, nadi mul fanden iluui Aug iben voll¬
ständig bestätigt. Die Mikroorganismen (Spirochätent w erden dii'di
die Atoxv Iiniektiop ( 11.25 g) /-et stört, aber mdit durch die 'I atigkeit
der Pliagozv teil, sondern unter dem Emflusse irgend einer lusbdieit
Substanz. I.. und V. haben in der lat keinerlei ausgesiuodu ne
Phago/v tosebilduug wahritehmeu können. Das Ato\\I verhütet a so
mul heilt die sv phihtisdie Keratitis des Kaninchens, es /erst nt voll¬
ständig die Smrodi.iten. aber rndit direkt, sondern du?dl die ver¬
mittelnde Tätigkeit des Organismus.
C. E e v a d i t i und T. V a tu tiinuidii gelang audt die l'ehcr-
impfung der Syphilis auf das Präputium des Kaninchens 1 vermittelst
eines von Berta reih bezogenen Stückchens. \..n experimeitte'ler
Sv philis stammender Hornhaut), wahrend die l eher irnpmng aut die
äussere Haut (Glu) des Kaninchens bis jetzt nie 111 gelungen ist.
Diesen Filterte lned der Wirkung aut Haut und Sdilt imliaut erklären
sie damit, dass die \ askularisatiou des implantier u »1 Stückes Kornea
sich rascher m der Mukosa der Genitalien als in der Haut des (»Ines
vollzieht; im ersteren Balle vidiert der l mstand. dass das zur Rem-
Kultur der Spirochäten notwendige Nähr m.iter lai Ki-ebr adit wird,
leichter deren Vermehrung.
Sitzung v o m 13 . .1 11 n i 1'ms
Die Möglichkeit einer Todesvorhersaee bei Paralvtikern durch die
l ntersuchung des Blutdruckes.
V a s c Ii i d e und Rav rtiond M e 11 n 1 e r «ändert m s ballen von
aUgemeiner Paralvse (ö Männer und 2 Irjiun». dass einige G«‘ _’)
l äge Vor dem I plötzlich und m konstanter Werne der Blutdruck
gesunken ist. Diese \ ei minder 11mg des lV11t.l1 ud es ist emc beträcht¬
liche (ca. 3 n mm Gute ksi.l'er) und gä ic hmassige. so\\.,ri| an der
Tempor id is. wie Radialis. links wie rechts \ k omme nd • sie ist un¬
abhängig von jeder Art ammhd tm amen Insults. Ihoir verminderte
Pduiifriu k seinen Berichterstattern un ausge^pr o v hern. s Zeichen eles
nahen Jodes zu sein und e’ha’eu *->e damit, dass bei a l.ememer
Parah se der J od mit ior tsdi- eit«, n T r \ cr.ffoüge: ting der I : regbarkeit
der v asotuotoi iMjlrtü Zentren e; f .ft. St.
OriginBl fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1861
76. Jahresversammlung der British Medical Association
in Sheffield
vom 29. bis 31. Juli 1908.
Die Verhandlungen wurden eröffnet durch eine Rede des
Präsidenten Simeon Sn eil (Sheffield), in welcher der bekannte
Augenarzt einen Ueberblick über die Entwicklung der Sheffield School
of Medicine gab, die den Ausgangspunkt der jetzt blühenden Uni¬
versität bildete. Er sprach dann über das grosse Interesse, das man
seit langer Zeit in Sheffield dem Studium der Oewerbekrankheiten
gewidmet hat und erwähnte seine eigenen Untersuchungen über das
Zustandekommen des Nystagmus der Grubenarbeiter. Nicht das
schlechte Licht, sondern die bei gewissen Arbeiten nötige Haltung
(halb liegend mit nach oben gewendetem Gesicht) ist die Ursache
des 1 'Nystagmus. Vor allem kommt in Betracht die dadurch hervor¬
gerufene Ermüdung der Elevatoren des Auges. Der Nystagmus ist
für den Grubenarbeiter von ähnlicher Gefahr wie die Farbenblind¬
heit für Eisenbahnangestellte und Seeleute. Der Nystagmus ver¬
hindert nämlich den Minenarbeiter die blaue „Kappe 4 zu sehen, die
sich bei der Anwesenheit von Grubengas über der Flamme der
Sicherheitslampe bildet und es sind häufig dadurch Unglücksfälle vor¬
gekommen. Alle sogenannten „deputies“, denen die Kontrolle der
Lampe obliegt, sollien in legelmässigen Zwischenräumen auf das Vor¬
handensein von Nystagmus untersucht werden.
Die Sektion für innere Medizin wurde von James Kingston
Fowler- London mit einer Ansprache über moderne Medizin
eröffnet.
Redner spricht ausführlich über die von W r i g h t und seiner
Schule aufgestellte Opsonintheorie und mahnt zu vorurteilsfreiem
Studium dieser neuen Vakzinetherapie, die sich ihm in vielen Fällen
gut gewährt hat. Von grosser Bedeutung ist die Autoinokulation der
Kranken, von der man z. B. bei der Lungenphthise mit grossem Vor¬
teil Gebrauch gemacht hat. In dem F r i m 1 e y Sanatorium des
Bromptom Hospitales liess man nämlich alle Phthisiker sorgfältig
abgestufte Arbeit leisten; die Kranken begannen mit dem Tragen
kleiner Lasten, und endeten mit schwerer Erdarbeit mit Schaufel und
Hacke. Sie bauten in 3 Jahren ein Wasserreservoir von 108 Fuss
Länge, 58 Fuss Breite und 13 1 /* Fuss Tiefe und gruben zu diesem
Zwecke 4175 Tonnen Erde aus, die sie dann fortschafften; von 344
Kranken, die während 2VSs Jahren an diesem Bau beschäftigt waren
sind 253 heute imstande, durch schwere Arbeit ihren Lebensunterhalt
zu erwerben; 9 sind ausser Arbeit, 8 sind gestorben und 74 haben
nichts von sich hören lassen. Diese graduierte Arbeit hilft nicht nur
zur Heilung der Krankheit, sondern sie macht kräftige Männer aus
Schwächlingen. Genaue Kontrolle der opsonischen Indizes dieser
Patienten ergab, dass während der Arbeit der Index über die Norm
lieraufging. Es unterliegt für Redner keinem Zweifel, dass diese
schwere körperliche Arbeit zu einer genau zu kontrollierenden
Autoinokulation des Individuums mit Tuberkulin führt, die wesentlich
zur Heilung beiträgt. Nur in 2 Fällen führte Uebermüdung (die
Kranken arbeiteten mehr als ihnen vorgeschrieben war) zu vorüber¬
gehendem Kopfschmerz, Appetitmangel und leichtem Fieber mit Auf¬
treten einer negativen Phase des opsonischen Index. Es genügt bei
afebrilen Fällen eine genaue klinische Ueberwachung der arbeiten¬
den Kranken, regelmässige Untersuchung des opsonischen Index ist
nicht unbedingt nötig. Ferner berichtet Redner über erfolgreiche
Tuberkulinverabreichung per os. Das T. R. wird in langsam steigen¬
den Dosen zusammen mit Serum oder normaler Salzlösung auf
nüchternen Magen genommen und übt eine deutliche günstige
Wirkung auf die Temperatur der Phthisiker aus.
Dann eröffnete Osler- Oxford eine Diskussion über MIlz-
vergrösserung mit Ausschluss der Leukämie. Er unterscheidet 1. die
Mliizvergrösserungen bei rachitischen und an Amyloid leidenden
Kindern; 2. die Splenomegalie chronischer Infektionskrankheiten wie
Syphilis, Malaria, Tuberkulose, Hodgkin etc.; 3. die durch primäre
Erkrankung der blutbildenden Organe verursachten Spleno¬
megalien — Leukämie, Chlorose, perniziöse Anämie. Poly-
cythaemia splenomegalica; 4. die Splenomegalien bei den ver¬
schiedenen Formen der Leberzirrhose; 5. hereditäre und fami¬
liäre Milzvergrösserung; den angeborenen acholurischen Ikterus mit
Splenomegalie und die familiäre Form der Splenomegalie bei
Zwergen; 6. maligne Geschwülste, wie das infiltrierende Sarkom und
das von G a u c h e r beschriebene Endotheliom; 7. eine Reihe von
Fällen, die sich noch nirgends einreihen lassen wie z. B. die Spleno¬
megalie bei Anämie, die B a n t i sehe Krankheit u. a. m.
Bouchard - Paris sprach über das von ihm beschriebene
Blasegeräusch in der vergrösserten Milz. Man findet dabei deutliche
systolische Expansion der Arterien, ja selbst Kapillarpuls ohne
Zeichen von Aorteninsuffizienz. Bei den zirrhotischen Fällen sieht
man häufig Nävi und schwere innere Blutungen. Therapeutisch sah
er oft grossen Nutzen durch die innere Anwendung des Kalomel.
Saundby - Birmingham glaubt, dass neben der Leukämie
Lymphadenom, Herzkrankheiten und Leberzirrhose am häufigsten zur
Splenomegalie führen. Er spricht ausführlicher über in mehreren
Generationen derselben Familie vorkommende Fälle von Spleno¬
megalie mit Ikterus, die er von der B a n t i sehen Krankheit
trennen will.
Gibson-Edinburgh sprach besonders über die Polycythaemia
splenomegalica; er glaubt nicht, dass diese Krankheit auf Zirkulations¬
störungen beruht, in einem seiner Fälle trat 2 Mal durch Röntgen¬
strahlen Besserung ein, die beim zweiten Male mehr als 2 Jahre an-
hielt; dann wurde die Milz grösser als je zuvor. Statt 4Vz Millionen
zählte man über 12 Millionen rote Blutkörperchen, 120 statt 87 Proz.
Hämoglobin und 30000 statt 10 000 Leukozyten. Die Viskosität und
Koagulabilität des Blutes war auf das Doppelte gestiegen. Mau ent¬
fernte durch eine Operation etwas Knochenmark aus der Tibia und
fand grosse Erweiterung der ßluträumc; starke Verminderung der
Myelozyten, Vermehrung der gekernten und voll ausgebildeten roten
Zellen; Anhäufungen kleiner Zellen unbekannter Herkunft (Lympho¬
zyten oder kleine gekernte rote Zellen). Im ganzen deutete alles auf
eine primäre Veränderung im Knochenmark als hervorragende Ur¬
sache in der Entstehung des Krankheitsbildes hin.
Rolleston -London sprach über die chronische Splenomegalie
der Erwachsenen, die er ads bestimmtes klinisches Bild aber nicht als
einheitliche Krankheit auffassen will, da man bei der Sektion ver¬
schiedenes findet. In einer Reihe von Fällen findet man ausge¬
sprochene Fibrosität und beträchtliche Wucherung des Endothels,
bei anderen (Gauchers Typus) Endothelwucherungen, die als
primäre Neubildung nicht maligner Natur aufzufassen sind. Als
Ban tische Krankheit bezeichnet er die Fälle terminaler Zirrhose
bei chronischer Anaemia splenica. Milzvergrösserungen bei Herz¬
krankheiten (mit Ausnahme der ulzerösen Endokarditis) beruhen auf
Embolien; Stauung allein erzeugt keine Vergrösserung. Während er
früher häufiger Fälle von chronischer Splenomegalie zur Operation
geschickt hat, ist er davon zturiiekgekommen, weil die Gefahren der
sekundären Blutung zu gross sdnd. Bei den mit Ikterus verbundenen
Fällen spielt Infektion und chronische Cholangitis sicherlich eine be¬
deutende Rolle.
Robert H u t c.h i s o n - London glaubt, dass bei Kindern die
Pseudoleukämie am häufigsten zur Milzvergrösserung Anlass gibt.
Rachitis gibt nie, Syphilis nicht so häufig wie man annimmt Anlafes
zur Splenomegalie. Bei älteren Kindern findet man nicht selten Fälle,
die unter dem Bilde der rapid verlaufenden B a n t i sehen Krankheit
verlaufen.
Osler im Schlusswort betont die Seltenheit mit der die Milz
allein bei Lymphadenoma ergriffen ist; in allen Fällen, die er sah,
waren gleichzeitig die Drüsen erkrankt.
Dann eröffnete Newton Pitt- London eine Diskussion über die
Aetlologie der degeneratlven Veränderungen der Aorta. Atheroma
und Arteriosklerose sind zwei ganz verschiedene Erkrankungen- Die
Aorta kann gesund sein bei schwer atheromatösen peripheren Ge-
fässen und vica versa. Fieberzustände führen oft zu atheromatösen
Veränderungen der Aorta, ebenso hoher Blutdruck und Ueberan-
strengung; immerhin ist mehr als die Hälite der Fälle von Atherom
nicht mit Hypertrophie des Herzens verbunden. Atherom der.Pul¬
monalarterie findet man nur bei Erhöhung des Druckes in den
Lungengefässen (z. B. bei Mitralstenose). Redner glaubt, dass die
Veränderungen in der Intima als Schutzmassregel aufzufassen sind..
Das höhere Alter an sich hat nichts mit der Enstehung des Atheroms
zu tun, je älter der Mensch wird, um so mehr Gelegenheit hat er t zu
Infektionen. Sehr früh auftretendes Atherom ist eine Folge der ange¬
borenen Syphilis. Die Syphilis und nicht das Atherom geben Anlass
zur Enstehung von Aneurysmen. Sitzende Lebensweise, toxische
Einflüsse, Gicht etc. haben unleugbar einen grossen Einfluss auf die
Entstehung des Atheroms.
B oii cha r d-Paris fand bei 4000 Herzkranken 83 mal Angina
pectoris, 12 von diesen waren sicher luetisch. Bei 261 Syphilitischen
12 Fälle von Angina (4,5 Proz.); bei3739 Nichtsyphilitischen nur 71
Fälle (weniger als 2 Proz.). Von den 71 zeigten 38 Spuren von Er¬
krankungen der Aorta. Die syphilitischen Erkrankungen der grossen
Arterien werden durch Quecksilbereinspritzungen gu t beeinflusst.
Sir Lauder Brun ton - London hat gefunden, dass Adrenalin,
Barium, Digitalis und Tabak den Blutdruck steigern und zu Er¬
krankungen der Aorta führen. Man muss deshalb den Blutdruck
niedrig halten. In Indien ist der Blutdruck im allgemeinen niedriger,
in Kanada höher als in England. Er gibt älteren Leuten eine Mischung
von Nitraten und Nitriten und setzt dadurch den Blutdruck herab.
Ausserdem gibt er Jodkali und salinische Abführmittel. Er glaubt,
dass diese Mittel das Leben verlängern. Sir James Barr- Liverpool
glaubt, dass es besonders intermittierende Ueberanstrengungen sind,
die das Atherom verursachen. R u s s e 1 - Edinburgh glaubt an einen
infektiösen Ursprung des Atheroms. Osler- Oxford glaubt, dass der
Blutdruck in England höher ist als in Kanada; Aortenveränderungen
werden hauptsächlich durch die Syphilis verursacht; sie erzeugt
Aorteninsuffizienz; Angina pectoris und Aneurysmen bei jungen
Leuten, letzteres durch einen Riss in der Intima bei plötzlichen An¬
strengungen. Das Aneurysma der älteren Leute beruht auf athero¬
matösen Veränderungen. Sir John B r o a t b e n t - London glaubt,
dass Aneurysmen sowohl durch Syphilis, als durch inter¬
mittierende Ueberanstrengungen hervorgerufen werden. Auffallend
ist die Seltenheit degenerativer Veränderungen in der Aorta
bei chronischer interstitieller Nephritis. Von grosser Bedeu-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
18 62
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
tung ist die syphilitische Entarteriitis der Vasa vasorum, wodurch
die am weitesten entfernte Intima zuerst geschädigt wird.
Pitt im Schlusswort hebt noch hervor, dass Pflanzenfresser
viel mehr an Aneurysmen leiden als Fleischfresser. Es zeigt dies
den Wert stickstoffreicher Nahrung.
R u s s e 11 - Edinburgh sprach dann Uber den Einfluss der Ar-
terienwand bei klinisch-manometrischer Bestimmung des Blutdruckes.
Er zeigte, dass eine verdickte Oefässwand abnorm hohe mano¬
metrische Zahlen gibt.
Otto Qrönbaum und W. O. Pitt- London sprachen über die
Prophylaxe der Pleuraverwachsungen nach Entzündungen. Ver¬
wachsungen der Pleurablätter führen zu mangelhafter Durchlüftung
besonders der Lungenspitzen. Sowohl beim Fier wie beim Menschen
gelang es ihnen durch Injektionen flüssigen Paraffins in den Pleura¬
sack Verwachsungen nach Pleuritis, ja selbst nach Empyem zu ver¬
hüten. Sir James Barr hat die Methode seit mehreren Jahren mit
Erfolg angewandt. Er injiziert gleichzeitig Luft.
Es folgte ein Vortrag von Hort-Torquay über die Behandlung
der Magen- und Duodenalgeschwüre mit normalem Serum und dessen
Derivaten. Redner glaubt, dass das runde Magengeschwür nur als
lokales Symptom einer bisher noch unbekannten Krankheit aui/.u-
fassen ist. Die beste Behandlung besteht in der Verabreichung nor¬
malen Serums per os. Man kann bei dieser Methode getrost kräftige
Nahrung reichen und dem Blute dadurch die dem Körper so notigen
antitryptischen Stoffe zuführen. Man kann den therapeutischen Wert
eines Serums leicht prüfen, indem man Wunden damit verbindet und
die Heilwirkung beobachtet. Verf. erzielte bei 15i) Fällen (darunter
25 Magengeschwüre) verschiedener Krankheiten, bei denen Autolysis
eine Rolle spielte, vorzügliche Erfolge. Die Magengeschwüre heilten
innerhalb von 6 Wochen bei Vermeidung einer sogen. Llcusdiät ab.
Dann sprach Nathan R a w - Liverpool über Tuberkulose von
menschlichem und bovinem Ursprung und über die Tuberkulinbehand¬
lung. Er führt seine schon früher veröffentlichten Ansichten über
die Entstehung der Lungenphthise und der sogen, chirurgischen Tu¬
berkulosen näher aus und gab die Resultate seiner Untersuchungen
von 560U Fällen. Die verschiedenen Formen der Tuberkulose müssen
mit verschiedenen Arten von Tuberkulin behandelt werden; die
Lungenphthise mit bovinem, die chirurgische Tuberkulose mit hu¬
manem Tuberkulin, die beiden Formen der Bazillen hält er für anta¬
gonistisch.
P r a 11 - Baltimore sprach über die Sanatoriumsbehandlung der
Tuberkulösen, Squire -London über exokardische und kardio-
respiratorische Geräusche, B r 1 n d I e y - J a m e s - London über die
Ischiasbehandlung mit Iniektionen. Er verwendet eine 20 Zoll lange
Nadel und beginnt mit Injektionen von 5 Tropfen Schwefeläther mit
2 Tropfen einer 5proz. Kokaion- oder d Tropfen einer 1 proz. Mor¬
phiumlösung. Der Nerv ist nur dann getroffen, wenn der Kranke bei
der Einspritzung blitzartig das Bein streckt.
Waterhouse-Bath sprach über Arthritis syphilitica.
Dann berichtete H e r t z - London über seine Untersuchungen bei
der Konstipation. F> zeigt zahlreiche Bilder von der Passage von mit
Bismuth versetzten Probemahlzeiten, die auf dem Röntgenschirm kon¬
trolliert wurde. Konstipation ist ein Zustand, in dem nichts von den
Resten einer Mahlzeit während 72 Stunden per anum ausgeschie¬
den wird. Um Konstipation zu vermeiden, muss die Passage der
Speisen vom Magen bis zum Rektum in 12 TS Stunden vollendet
sein; das Rektum selbst müssen die Speisen dann innerhalb der
nächsten 24 Stunden verlassen. Tritt eine Verzögerung in der ersten
Etappe ein, so liegt dieselbe fast immer abwärts von der Mitte des
Kolon transversum, wo die Fäzes schon hart sind. Das Rektum ist
bei diesem Fällen fast leer. Die Therapie besteht, wenn kein direktes
Hindernis vorhanden ist, in Diät und Abführmitteln. Als Ursachen
kommen in Betracht, schwache Darmmuskulatur (Alter, Anämie.
Kachexie, entzündliche Vorgänge im Darm). Depression des zen¬
tralen oder peripheren Nervensystems, die zu einer Abscliw ächung
der Reaktion auf normalerweise genügenden Reize fuhrt (Neur¬
asthenie, Hypochondrie, Irresein. Tabes, Hirntumor etc.). Unge¬
nügende Peristaltik durch zu geringe Nahrung oder zu wenig reizen¬
den Kot. Reize im Sympathikusgebiet. Obstruktion mechanischen
Charakters, z. B. harte Kotmassen, hier muss die Klystierbehandlung
jeder anderen Behandlung voraufgehen. Die zweite Art der Ob¬
stipation beruht auf dem Liegenbleiben der Fäzes im Rektum. Dies
wird verursacht durch Verlust des Defäkationsreflexes infolge von
allmählicher Abstumpfung durch Vernachlässigung der Defäkation
(Indolenz, falsche Scham, Furcht vor Schmerzen bei Fissuren. Hämor¬
rhoiden etc.) oder durch Atonie und Parese des Rektums und der
Flexur durch verlängerte Uebcrdehnung. Beide Zustände gehen
meist Hand in Hand. Eine dritte Ursache ist Schwäche der will¬
kürlichen Defäkationsmuskeln.
Wllfred Harris- London zeigte klnematographlsche Aufnahmen
des verschiedenen Ganges Nervenkranker, Ihres Zitterns, ihrer Re¬
flexe etc.
Godfrey C a r t e r - Sheffield sprach über apyretischen Ab¬
dominaltyphus.
(Fortsetzung folgt.)
Aus den italienischen medizinischen Gesellschaften.
Aus den Verhandlungen der Lancisiana-üeselKchaft in Rom.
Sitzung vom 7. März 19 u,s. erwähnen wir die weiteren Beiträge zur
Entstehung der Osteomalazie auf dem Wege der Infektion.
Area n g e 1 i und F i o c c a sind die Vertreter dieser Lehre und
berichten über einen bestimmten Diplokokkus, den sie für ätiologisch
wichtig halten. Im ganzen verfugen sie über 2*4 posm\e Befunde in
dll Untersuchungen.
Signore I li will aus kleinen Knochenfragmenten des Os ilei
diesen Diplokokkus in Reinkultur erhalten haben.
Arcangeli erwähnt die Kontagiositat der Osteomalazie unter
ungünstigen hygienischen \ erhaltnisscn. L har rin und Moiissa
sei es gelungen, die Krankheit auf Tiere zu übertragen: aiuh hier sei
es gelungen, die Infektiosität durch Aufenthalt gesunder Tiere mit
kranken zusammen unter ungünstigen \erhuitmssen naJi/uw eisen.
Morpurgo hat ebenfalls den Osteonala/iediplokokkus isoliert
und mit Erfolg weisse Mause mit demselben geimpft.
Hager- Magdeburg.
Verschiedenes.
Die Unfallversicherung In Bayern 1897—I9M. *)
Nachdem in der Zeitschrift des Kgl. baver. Statistischen Bureaus
im vorigen Jahre die Kranken- uni luv a. dt nv efsicherung in Bavern
für die Jahre D97 bis einschliesslich Fx*» gebracht smd. wird in
vorliegender Arbeit die l nlaliVersicherung für den gleichtn Zc.träum
naher gewürdigt.
Die deutsche Unfallversicherung ist eine offent’iOi-rt Jitl.che Für¬
sorge auf (irund allgemeinen \ ersehe' ungs/w an.ges; d,e \ersjche-
rungspflichtigen Betriebe smd zu \ ersiOierungsv erbaiuK n /t’san mt u-
geschlossen. und zw ar a) B e r u i s g e u o s s e n schalten 11 r.iali-
\ t rsicherung m den gewerblichen, iatwl- unJ forstw irtschanhch.er Be-
ti leben), b> A u s f u h r u u g s b e h o r d e n (zum \ oji/ug des l nfail-
\ ensicherungsgeset/es), g) Vers i c h e r u n g s a n s ! a 1 t e n ( um¬
fassen die Betriebe der Baugew crksbcruSgetiossenschafteM sowie der
'I lefbaugettossenschaft und dienen hauptsächlich der \ ersichenmg der
Regie bauten I. Kranken-, Invaliden- und l maliv ersichenmg bemhen
auf dem Versicherungs/w ang. Dieser erstreckt s:Ji h.nsichtlich der
letzteren auf das ganze (iewerbe. auf mehrere mit besonderen < ic-
fahren verbundene Handwerksbetriebe, cm ge Zweige \ on Omss-
handclshctrieben und die Staatsbetriebe der Post-, I clcg-aphen-,
Fisenbalm-, Heeres- lind Marmeverw altung ferner unterstellen dem
\ ersicherungs/w ang die Betriebe der l.a id- und I ot*:v\ .r tschatt samt
ihren Nebcnbctrfflnn, sowie sämtliche Baubetriebe imd B.i’.i.i'bi teil,
die Schiffahrt und deren llhlsbetnebe. die >u- und K ustermscherei.
Vcrsichcrungspfhchtig sind alle Arbeiter, d.c Bet: lebsbeamien mit
emem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr as M. und h.n-
sichtlich der SecuniaUverMCheru 11 g gewisse K.einunte:nehrner. Aus¬
serdem kann die \ crsiehcningspihcht auf hoher besoldete Bctnehs-
T.eamtc, auf K leimmternehmer und 1 lausrndiisi: :e Sowie aul alle l uter¬
in. Inner in der Land- und Forstwirtschaft erstreckt weiden. Auch bei
der Unfall Versicherung ist eine freiw ill.ge \ er schcrimg zuge .ish'ii.
An Versichei uncsv er bamk n kommen tur Bavtrn f»5 in Bitaclit. dav.>:i
smd 2ö ausscIT'ess’ich lut ha\ erisdie \ crha'tmsse /üsr.nid g. Zu
dieser < j ruppe \ gehören: I. von Berutsgcno^scnschaV.en 2 gewerb¬
liche. h landwirtschattliclie; 2. von Ausnhiungsbehorden 12 staatliche,
b kommunale; d. die \ ersicheriings.rnstai! der b iver. Baugew erks-
beriifsgenosseuschait. Der Bericht zali.t ausserdem de d<> mc!i auch
auf mchtbav erische (iebietsteile be/ elu uJen \ erstell.•rmigsv erbande
auf. Von den unter dieser (iruppe B aiit.gciuvten \ ersic her ungstr .»gern
berücksichtigt die vorliegende Arbeit nur d e 27 >ek turne n, deren
Sitz in Bavern gelegen ist.
Bei (Iruppe A wurden festgestellt an versichert«.n
Betrieben Personen
im Jahre 1 S ‘>7 <>72 17-4 IMdJsl
, m px*(> P52 Sd7 1 S52 -455
Davon gehörten zu den
gewerblichen lä'.nd wirtschaftlichen
BerutsgenossenSc halten
Betriebe Pers-mcn Betriebe Personen
im Jahre IW I7M5 12.(1-47 «Ol-On lo*"^7v
, , l'xK. 21 047 M2 55J (dl7‘>o il»>o"s7ö)
Bei (iruppe B ergaben dm I im tt.imccii
v ersicherte
Betriebe Personen
im Jahre l s 97 21 ,J 22 l s -4 5u>
1 25 d<'7 d I n 2s.S
*) Sonderabdruek aus der Zeitschrift des Kgl. haver. Statik sehen
Bureaus. Redigiert von Dr. Fnednch /.ahn. Kgl. (»bcrreglerupgsrat.
Jahrgang 1*ms. Heit d. Ausgegeben am 17. Juli 1 ‘x‘s. 2" >eitcn.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
I. September 10ÖÖ.
MUBNCHeNeR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1863
Verletzungen. Voraussetzung für das Eingreifen der Un¬
fallversicherung ist eine im Bereiche des Betriebes erlittene Ver¬
letzung (Unfall). Die Zahl aller Verletzten, welche zur Anzeige ge¬
langten, betrug
Gruppe A
im Jahre 1897 23 117
„ „ 1900 26 313
* „ 1904 34 988
„ „ 1906 36166
Die vorstehenden Zahlen der Gruppe A verteilen sich für die ver¬
schiedenen Arten der Versicherungsverbände folgenderinassen:
1. Berufsgenossenschaften 2. Ausführungsbehörden
im Jahre a) gewerbi. b) landwirtsch. a) staatl. b) kommunale
1897 6584 11 598 4161 297
1900 6855 12 090 6336 416
1906 7311 21378 6248 628
3. Vers.-Anst. d. Bayer. Baugewerks B.-G.
im Jahre 1897 577
, „ 1900 616
„ „ 1906 601 (1903:707)
Was die tatsächlich entschädigten Verletzten anlangt, so war
deren Zahl bei Gruppe A
im Jahre 1897 42 512 im Jahre 1906 96 426
davon waren neuer Zugang , * * 10 331 * „ , 14 048
Ehe Zahl der tatsächlich entschädigten Verletzten hat sich seit
dem Jahre 1897 mehr als verdoppelt; bei den landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaften hat sich nahezu eine Verdreifachung der tat¬
sächlich entschädigten Unfälle ergeben. Eine vom Reichsversiche¬
rungsamt veranlasste Unfallstatistik für Land- und Forstwirtschaft
für das Jahr 1901 ergab als Monat mit «der höchsten Durchschnitts¬
tagesunfallziffer den August (Erntemonat), als Wochentag den Mon¬
tag. Auch hinsichtlich der gewerblichen Berufsgenossenschaften er¬
gaben Ermittlungen als Tag der höchsten Unfallziffern den Montag.
Von den 11419 im Jahre 1906 bei den landwirtschaftlichen Be¬
rufsgenossenschaften der Gruppe A neu zugegangenen entschädi¬
gungspflichtigen Unfällen treffen 75,1 Proz. auf die Betriebsunter¬
nehmer, 24,9 Proz. entfallen auf die Dienstboten und Arbeiter. Der
Anteil der Kleinunternehmer an den Unfallrenten ist demnach sehr
beträchtlich. Die meisten zur Entschädigung gelangten landwirt¬
schaftlichen Unfälle waren in Niederbayern, die wenigsten in der
Pfalz zu verzeichnen. Hinsichtlich des Alters und des Geschlechtes
weist die Arbeit daraufhin, dass bei den landwirtschaftlichen Berufs¬
genossenschaften die Jugendlichen überhaupt, sowie die weiblichen
Erwachsenen in ziemlich bedeutender Zajil unter den Verletzten ver¬
treten sind. Die letzteren stellten hier' jährlich nahezu ein Drittel
der Verletzten. Bei der Besprechung der Ursachen der festgesetzten
neu zugegangenen Unfälle wird als bemerkenswert hervorgehoben,
dass die Maschinenunfälle von 1534 im Jahre 1903 auf 1442 im Jahre
1905 ur.d 1394 im Jahre 1906 zurückgegangen sind und dass die
Abstürze von Leitern, Treppen etc. seit 1904 erheblich seltener ge¬
worden sind. (Minderung gegen 2 Jahre vorher nahezu 9 Proz.)
Dagegen haben die Unfälle, die mit dem Fuhrwerksverkehr Zu¬
sammenhängen — Ueberfahrenwerden, .Absturz von Wagen und
Karren, Auf- und Abladen etc. — eine erhebliche Steigerung gegen
früher erfahren:
1897: Fuhrwerk 1360, Eisenbahnbetrieb 95
1906: „ '2036, „ 110 (1905:141)
Verletzungen durch Tiere (Stoss, Schlag. Biss usw. einschliess¬
lich aller Unfälle beim Reiten) 1897:965, 1906:1723.
Die Zahl der festgestellten Verletzungen ist im allgemeinen in
Zunahme begriffen. Die Ursache liegt einmal in der Steigerung der
Zahl der gewerblichen Arbeiter an sich, ferner kommen vielfach in
Zeiten des guten Geschäftsganges ungeschulte Arbeiter zur Ein¬
stellung, die sich eher Gefahren aussetzen, das gleiche ist der Fall,
wenn bei Mangel an Erwachsenen jugendliche Arbeiter und Ar¬
beiterinnen eingestellt werden. Andererseits nimmt auf Seite der
Arbeiter mit der Kenntnis der bestehenden Versicherungsgesetz¬
gebung und der sich hieraus ergebenden Rechte das Bestreben zu,
alle — auch geringfügige — Unfälle zu melden. Demgegenüber ist es
erfreulich, dass die schwereren, von Tod oder völliger Erwerbs¬
unfähigkeit begleiteten Unfälle eher eine sinkende Tendenz aufweisen.
Für Bayern ist hinsichtlich der jedes Jahr neu hinzukommenden ent¬
schädigten Verletzten ein sich ziemlich gleichhleibendes Verhältnis
zu konstatieren. Nur die Zahl der vorübergehend Erwerbsunfähigen
zeigt ein stärkeres Anwachsen. Als Folgen der neu zugegangenen
Verletzungen wurden festgestellt:
(in Gruppe A)
Erwerbsunfähigkeit
im Jahre
Tod
dauernde
dauernde
vorüber¬
völlige
teilweise
gehende
1897
556
195
5569
4011
1900
632
85
5698
4931
1906
590
87
6289
7082
Bezüglich der Zahl der Hinterbliebener! ist gegen das Vorjahr
bei Gruppe A 1906 eine Abnahme zu verzeichnen. Seit 1903 stetige
Abnahme.
Leistungen. Die Unfallversicherung leistet Ersatz des
Schadens, welcher durch Körperverletzung oder Tötung entsteht.
Die hiernach zu gewährenden Entschädigungen erstrecken sich auf
Heilverfahren, Verletzten- und Hinterbliebenenrenten sowie Sterbe¬
geld.
An Entschädigungen wurden insgesamt bezahlt bei
Oruppe A Gruppe B r
im Jahre 1897 4 625 749 M. 1 800 341 M.
, , 1900 6 405 929 . 2 449 807 .
, , 1906 9 392 666 „ 3 374 108 ,
Die Kosten des Heilverfahrens haben sich seit 10 Jahren mehr als
verdoppelt
Es wurden gezahlt bei
Gruppe A Gruppe B
im Jahre 1897 165 267 M. 38 957 M.
„ , 1900 221 964 , 64 354 ,
„ „ 1906 344 715 , 88 668 ,
Der Bericht beklagt dass der Bedeutung des Heilverfahrens noch
zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde und weist auf die Indolenz
der Landbevölkerung gegenüber anscheinend unbedeutenden Ver¬
letzungen, die in manchen Gegenden dazu noch der unzweckmässigen
Behandlung eines Heilkünstlers unterstellt werden. Es wird auf die
zur Besserung dieser Verhältnisse dienende Ministerialentschliessung
vom 6. Juli 1907 hingewiesen: Es sollen die Distriktsverwaltungs¬
behörden im Benehmen mit den Bezirksärzten für die geeignete Be¬
lehrung der landwirtschaftlichen Bevölkerung über die Gefahren der
Wundinfektion, über die Behandlung frischer Wunden etc. entspre¬
chend Sorge tragen etc. Auch die gewerblichen Berufsgenossen¬
schaften mahnen in ihren Jahresberichten vielfach vor Vernach¬
lässigung anscheinend unbedeutender Verletzungen und geben eine
Reihe von zweckmässigen Ratschlägen und Anordnungen für die erste
Hilfe.
An Verletzte wurden Renten bezahlt bei
Gruppe A Gruppe B
im Jahre 1897 3 688J772 M. 1358 864 M.
, , 1900 5174 672 , 1827 319 ,
, „ 1906 7 591 188 w 2 645 457 „
Besonders bemerkenswert ist, dass an den von den land- und
forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften geleisteten Renten die
Arbeitgeber grösseren Anteil haben als die Arbeitnehmer.
An Hinterbliebenenrenten wurden gewährt bei
Gruppe A Gruppe B
im Jahre 1897 590 071 M. 237 739 M.
, „ 1900 785 575 „ 325 350 ,
, „ 1906 1 092120 , 476 591 ,
Die Sterbegeldzahlungen betrugen
Gruppe A Gpuppe B
im Jahre 1897 25 ^M. 8833 M.
„ , 1906 35258^., .12142 „
Unfallverhütung. Noch höhere Bedeutung als den Ent¬
schädigungen der Unfallversicherung kommt der durch die Unfallver¬
sicherung veranlassten Unfallverhütung zu. Sie ist die Seele
der Unfallversicherung. Auf dem Gebiete der Unfallverhütung haben
die von den einzelnen Berufsgenossenschafteh erlassenen Unfallver¬
hütungsvorschriften sehr günstig gewirkt Alle für Bayern in Be¬
tracht kommenden Berufsgenossenschaften haben (mit einer Aus¬
nahme) Unfallverhütungsvorschriften; gleichwohl sind weitere Ver¬
hütungsmassnahmen fernerhin ins Auge iu fassen. Auf die Bedeu¬
tung des Kgl. Arbeitermuseums in München wird mit gebührendem
Nachdruck hingewiesen. "
Ausgaben. Die Gesamtausgaben, die sich seit 10 Jahren
verdoppelt haben, betrugen bei
Gruppe A im Jahre 1897 5 161 113 M.
„ 1906 11203 825 ,
Die meisten Ausgaben machten die zu leistenden Entschä¬
digungen.
Einnahmen: im Jahre 1897 bei Gruppe A 4737687 M.
„ 1906 „ „ „ 10263 692 ,
Ueber Vermögen, Reservefonds wird kurz im Schluss-
kapitel der mustergültigen, gediegenen Arbeit berichtet.
Fritz Loeb.
Pusch berichtet über die Kindermilchproduktion
in wirtschaftlicher und hygienischer Beleuch¬
tung unter besonderer Berücksichtigung der im
Rassestall der tierärztlichen Hochschule zu
Dresden gemachten Erfahrungen. Er führte sämtliche
hygienischen Massregeln zur Gewinnung einer einwandfreien Kinder¬
milch durch und fand, dass die so gewonnene „U e b e r m i 1 c h“ pro
Liter etwa 80—100 Pfg. kosten würde. (Zeitscbr. f. Inf.-Kr. d. Haus¬
tiere, Bd. III, H. 5.) F. L.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1864
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Kn. 3*.
Tagesgeschichtliche Notizen.
München, den 1. September 1908.
— Die diesjährige Generalversammlung der Freien
Vereinigung der Deutschen medizinischen Fach¬
presse, die gelegentlich der Naturforschcrversammlung am
24. September in Köln stattfinden wird, wird sich wiederum mit der
Frage des Vorgehens gegen das geschüftsnuissige Empfehlen neuer
Arzneimittel befassen; insbesondere soll die Frage erörtert werden,
ob und unter welchen Umständen überhaupt Untersuchungen über die
Wirkung von Arzneimitteln gegen Honorar gemacht werden dürfen.
Darüber scheint in den Kreisen der Fachpresse Uebereiiistimmung zu
bestehen, dass nichts dagegen cinzuwenden ist, wenn iiir zeit¬
raubende und durch den Bedarf an Tiermaterial kostspielige, rein
pharmakologische Untersuchungen ein entsprechendes Honorar ver¬
langt wird. Dagegen bedarf weiterer Klärung die Frage, ob auch
klinische Versuche am Krankenmaterial der Krankenhäuser und
der Privatpraxis gegen Honorar unternommen werden diirien. Fs
wird geltend gemacht, dass der Gewinn, den eine chemische Fabrik
aus einer ihr Mittel empfehlenden Arbeit zieht, so bedeutend ist. dass
es wohl berechtigt sei. wenn der Arzt, dessen Arbeit dieser Gewinn
verdankt wird, auch eine entsprechende Entschädigung iur seine
Mühe erhält. Andererseits steht der Honorierung solcher Arbeiten,
die von den Aerzten doch nie im Interesse der Fabriken, sondern
nur im Interesse der Kranken und der Wissenschaft gemacht werden
dürfen, durch die interessierten Fabriken eine Weihe schwerster
ethischer und praktischer Bedenken entgegen. Es wäre wünschens¬
wert, dass an der Erörterung dieser wichtigen Frage, deren end¬
gültige Entscheidung doch nicht Sache der Redaktionen ist. auch
Kliniker und Krankenhausärzte sich beteiligen mochten.
— Der Leipziger Verband hat die Sperrung der Kranken-
hausarztstelle in Bingen ausgesprochen, weil dem bis¬
herigen Chefarzt, Dr. B r o d, aus unzureichenden Gründen gekündigt
wurde. Die Mainzer Volkszeitung gibt als Grund der Kündigung
klerikale Einflüsse an. Dr. Brod habe für das Seelenheil der
Patienten nicht das genügende Interesse gezeigt, er habe das Scham¬
gefühl der katholischen Krankenschwestern nicht genügend geschont
und habe sich der Anbringung eines Kruzifixes im Operationssaal
widersetzt, da nach dem heutigen Stand der Wissenschaft jeder
Staubfänger eine Gefahr für die Kranken bedeute. Seitens des L. V.
wird die Sperrung der Stelle damit begründet, dass Dr. Brod die
Entlassung von Schwestern verlangte, die sich weigerten seine An¬
ordnungen zu befolgen und dass statt dessen ihm gekündigt wurde.
— Eine wesentliche Abnahme des Bierkonsums weist
die Statistik für München nach. Während der Bierverbrauch in
den Jahren 1881 85 auf den Kopf der Bevölkerung in München 4(>5,
1886/90 sogar 487 Liter betrug, nahm er von da an stetig ab und be¬
trug 1891 95 noch 412. 1896 1900 381, 1901/05 332, 1900 303 und 1907
287 Liter, im letzten Jahre also 200 Liter auf den Kopf der Bevölke¬
rung weniger als vor 20 Jahren. Auch in Berlin nimmt der Bier¬
verbrauch sehr ab. wie die Eisenbahnstatistik beweist. Während
im Jahre 1906/07 über 99 Millionen Liter Bier an den Stationen des
Eisenbahndirektionsbezirks Berlin abgeliefert wurden, sank diese
Ziffer im letzten Jahre auf w enig über 95 Millionen. Ebenso sank die
Ausfuhr, die von 136* 3 Millionen auf 134‘ü Millionen Liter zurnck-
ging. Diese Tatsachen sind hocherfreulich, soferne dem geringeren
Bierverbrauch nicht etwa eine Zunahme des Alkoholkonsums in
anderer Form gegenübersteht.
— An den österreichischen Universitäten stu¬
dierten im abgelaufenen Sommersemester 21 499 Studierende, da¬
runter 3270 Mediziner. Die Mediziner verteilen sich wie tätigt auf
die einzelnen Universitäten: Wien 1198. Innsbruck 180. Graz 275.
Prag deutsche Universität 244, tschechische 446, Lemberg 242,
Krakau 440.
— Der Prcussische M e d i z i n a I b c a m t e n v e r e i n
begeht in diesem Jahre die Feier seines 25jährigen Be¬
stehens. Die diesjährige Hauptversammlung findet gemeinsam mit
derjenigen des Deutschen Medizinalbeamtenvereins am Dienstag, den
29. September und Mittwoch, den 30. September |9iis in Berlin im
Preussischen Abgeordnetenhause statt. Die wichtigsten Beratungs-
gegenstände sind: lieber die hygienische Kontrolle der zentralen
Wasserleitungen. Referent: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge-
Breslail. — Vorläufiger. Entw urf des Reichsgesetzes, betreffend die
Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen und den
Geheimmittel verkehr. Referent: Reg.- und Med.-Rat Dr. Diitschke-
Erfurt. — Der gegenwärtige Stand und Wert der Kriminalanthro¬
pologie. Referent: Gerichtsar/t und Privatdozent Dr. Strauch-
Berlin. — Die Psychologie der Aussage. Referent: Prof. Dr.
Lo e h t c - Güttingen. — Medizinalbeamter und ärztliche Privatpraxis.
Referent: Kreisarzt Dr. G u t k n c c h t - Belgard.
- Die Verlagsbuchhandlung F. C. W. Vogel in Leipzig, die
am 16. Oktober 1905 das Jubiläum ihres 175 jährigen Bestehens feiern
konnte, beging am 20. August 1. .1. den Gedenktag der Ion jährigen
Führung ihres jetzigen Namens. Am 20. August 1808 ging die Firma
an Friedrich Christian Wilhelm V o g e 1 über und blieb seitdem im
Besitz derselben Familie.
Veri»n von J F. Lclimana in MunOicn. - L)nn.k von
Im Verlag mhi Willi. Engel mann m I cipzig erschien d.is
1. Heit einer neuen Zeitschi itt: ., A r c li i \ i n r /. e I I i o r s c h n n g
Herausgegeben von Dr. Richard (inldsOi mult. Privatdozcnt an
der Universität München. Das Heft wird eingeleitet durch eine Arbeit
von Richard Hertw lg: „Leber neue Probleme der Zellenlehre."
Das Archiv erscheint m zwanglosen Heften. Der Preis des Banden
von etwa 40 Druckbogen wird 4<> M. betragen.
- Cholera. Russland. An der Cholera erkrankten 'starben)
im Goiiv. Astrachan vom s. bis 13. August 171 <vS) Personen, im
Gouv. Saratow vom 7. Ins 12. Airgiot 1"<» <74) Personen, im «i«-u\ .
Samara vom 7. bis 12. August 7 <3. im Goiiv. Ina x ><m 5. Bis
10. August 2 (2). im Pongebiet Vom 7. Ins lo. August 7 (4L
— Pest. Türkei. In Bagdad situ! vom 2. Ins s. August 2 Per¬
sonen an der Pest gestorben und 1 Person ist neu erkrankt; im
ganzen sind hiermuh seit dem 7. Mai an der Pest Ins Pers uieu er¬
krankt und 62 gestorben. - Aegvplcn. \ ottl V Ins 14. Aiuust sind
an der Pest Jt» Personen erkrankt und 12 gestorben. - BnOsvijf?*.
Ostindien. Wahrend der am IV Juli abgehobenen Woche sind m
ganz Imlien 445 I t Kränkungen und 3G I ödest.nie an der Pest zur
Anzeige gelaugt. Hongkong. \ oin 31. Mai Dis 27. Juni wurden
in der Kolonie 312 Pest totest.i.i:je feMgesteht. \ on den 3 so wahrend
dieser 4 Wochen gemeldeten Erki ankung-n entluden 321 auf die
Stadt Viktoria. Mauritius. \ om 5. Juni Dis 2. Juli betrug die Zahl
der Pestei krankuiigeii 5. der Pestlode st.ilie 2. Britismic Kolonie
an eie-r Goldkuste. Zufolge einer Mitteilung vom 7. August sind m
Accra 3 neue Pest falle* v orgekoimneii.
- In der 33. Jahrcsw oche. vom Ins 15. August I'A's, hatten
Von deutschen Stadien über 4 <"mmi t in wohn er die grösste >tcti&ich-
keit Boxh.-Rummelslnu g mit 5n,o. du geringste DtsJi. W .ItücrsJorf
mit 5.2 Todesfällen PB* hdir und 11 »>m» Imwohrur. Mehr a's ein
Zehntel aller Gestorbenen starb an 8uh.iri.uh m Solingen. Z.ibr/e,
an Masern lind Röteln m Tner, an Diphtherie und Krupp m Hbdes-
lieim, Linden. V. J. K. G.-A.
(H o c h s c h u I n a c li r i e li t e n.)
Heidelberg. Die Professoren Emil leer < Kinde r he iikunde >
und Siegfried Bett mann (Haut- mul Gesclilechtsk ranshe iten) wur¬
den zu etatmassigen a. o. Professoren ernannt. <hc.»
W i e n. Habilitiert: Dr. med. Leopold Senfeider für Ge¬
schichte der Medizin. iIk.)
Zürich. Ib-rr Dr. E. R. Nager aus Euzcrn. Iiiiigu&f ice r
Assistent von Prni. Sieb e n in ;i n n in Basel, hat die \ e nid icgcn||
erhalten für Ohren-, Nasen- und Kehikopikrankhciten.
(Todesfälle.)
ln Paris starb im 5n. ErhciiM.mr der her\orragerule 1 sikc r
Henry B e c u li e r e 1. Sem Name wurde besonders bekannt durch
Seine Arbeiten über Phosphoreszenz und die Intdeukimg der \ «>n
Uransalzen ausgehenden Strahlen ' Hi.euiierclstT.ihJc n >. eile dam zu
Entdeckung lies Radiums und de-r Radioaktiv itat dinrh das Ehepaar
Curie führten, für diese Arbeiten erhielt B. m < iememsc li.ot mit
dem Ehepaar Curie Ivu3 den Nobelpreis für Chemie.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Verzogen: Dr. Wilhelm Ortloph \«»n Marktsteft mmli
l'ntcrstcmbach. Bcz.-Amt Hassflirt.
Uebereicht der Sterbefälle in München
während der 33. Jahreswoche vom 9. bis 15. Aug 19oS.
Bcv olkerungszahl 55o i m'.
Todesursachen: Angeborene Lebe-nsscliw. il. Leb.-M ) 15 iloü
Altersschw. (ub. <>r) .1.) 5 iJi, kmdbetiiiehcr 2 ( ), and. folgen der
Geburt 1 (I). Scharlach 1 (2i. Maseru u. Rotein 1 1 1 1 . Diphtlr. u .
Krupp — (--). Keuchhusten 2 i2). T\phus — < — ». ubertragb. I lerkraukh
— ( ), Rose (Ervsipcl) - (■-). and. W uüjmicktn'uskr. icmsGil. Hüt-
li. Eitervergift.i 3 t h, Tuberkul. d. I ungeit lo iJh. Juberkul. and,
Org. 7 (2), Miliartuberkul. — läi, Einigem :i!z ,ud il üciimon.» s (S),
Influenza — (I), and. ubertragb. K rau r. h. 2 < -1 >. I ul / und. d. .Atmungs¬
organe 1 (2). sonst. Kraukh. derselb. I < 1 1 . o* gan. Herzleiden lo il").
sonst. Kr. d. Kreislauisofg, um ns«, hi. Her/schi.ig» 4 i14». t lehirnsv W*vg
7 (3), (ieisteskrankh. 2 (2), 1 raiseii. Ekiamps. d. Kinder 2 Di. and.
Kraukh. d. Nervensvstems o ( ). .Ma gen- u. i »arm.-Kat.. iBeJ’.Jnre hf.til
(eiuschl. Abzehrung» 32 (35). Krank!« d. Leber 0 ih. K'.mkh. des
Bauchfells — < 11, and. Kraukh. d. \ c-datinn gsorg. 2 1 7«. K'.mkh. d.
Harn- u. < ieschlechtsorg. o (2i, Krebs •K.ir/in>m Kaukro. !• 12 r i * *.
and. NeuUiklg. (eiuschl. Sarkomi 3 i =*». ><. nstumrd 2 1 1 1 . D J dU-tch
fremde Hand 1 ( ). I nglmksi.tüe 5 ib, .» iibrig. KrarT.h. 1 i7-.
Die ( iesamtzahl der Sterbefaiie IJS 1 1 ** m. \ erluiitniszah! auf das
Jahr und UM» Einwohner im allgeme neu |o.4 (I7.ii. für dm über
dem 1. Lebensjahre stellende Bevo.kcruug 11,5 <U.oi.
I •) Die eingekiammerten Zahlen bedeuten d e Eu le der Vorwoche.
E. M>ihlih«lcri lJin.li- itr*d Kun*'i 1 rin.kf rci A tj . M lr ui rn.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Münchener Medizinische Wochenschrift erscheint wöchentlich m ir v V « r /N t y -*■» . tr > ^ Zusendungen sind zn adressieren: Für die Redaktion Arnulf-
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Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
l.r.logtnr, CMlonler, S.r.Billfoger, I.CarschnaDo, LHeHerlch, V.r.Lenbe,6.r.lerkel,J.v.liehel, F.Peuildt, Lv.laikt, 1.Spalt, P.r.liackel,
München. Freiburg L B. München. Leipzig. Eisenadi. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 36. 8. September 1908.
Redaktion: Or. B. Spatz, Arnulistrasse 26.
Verlag: J. F. Lehmann. Paul Heysestrasse 15a.
55. Jahrgang.
Originalien.
Aus der medizinischen Universitätsklinik zu Marburg i. Hessen
(Direktor Professor Dr. L. Braue r).
Eine neue Methode zur Funktionsprüfung des Magens.
Von Dr. Schlaepfer, I. Assistenzarzt der Klinik.
Die Absicht, eine neue Methode der Magenuntersuchung
einzuführen, wird bei der ansehnlichen Anzahl bekannter Ver¬
fahren auf diesem Gebiete einigem Misstrauen begegnen. Ge¬
rade jene Tatsache aber beweist, dass keine der bisherigen Me¬
thoden dem Ideal irgend wie nahe kommt und bitte ich daher,
das Folgende als den Versuch einer Verbesserung betrachten
zu wollen. Gleichzeitig möchte ich bemerken, dass die Dar¬
stellung vor allem der Praxis dienen soll und dass deshalb auf
theoretisch wissenschaftliche Fragen weniger Rücksicht ge¬
nommen wird. Dies wird andernorts erfolgen.
Die bisher am meisten gebräuchlichen Verfahren zur
Magenuntersuchung sind das Probefrühstück von Ewald und
das Probemittagessen von Riegel. Ihre Vorteile sind be¬
kannt, von P r y m*) ja neuerdings betont worden; der Mangel
aber, die Motilität und Sekretion quantitativ nicht genau be¬
stimmen zu können, drängt sich immer wieder auf und hat
vielleicht nicht zum mindesten beigetragen, dass die Ansichten
z. B. über den Begriff der Hyperazidität und Hypersekretion
so stark auseinandergehen.
Als eine theoretische Lösung dieser Schwierigkeiten darf
wohl die von Sahli eingeführte und von Seiler 2 ) publi¬
zierte Methode, vermittelst vergleichender Fettbestimmung
einer Mehlsuppe vor und nach Ausheberung die betreffenden
Faktoren zu bestimmen, betrachtet werden.
Der Gedankengang des Sahli sehen Verfahrens übertrifft
an Feinheit des Aufbaues den aller bisherigen Methoden, und
es ist deshalb um so bedauerlicher, dass, wenn nicht alle, wie
Prym behauptet 3 ), so doch wahrscheinlich zwei Voraus¬
setzungen desselben in praxi nicht ganz zutreffen, das sind die
fehlende Stabilität der homogenen Fettverteilung, namentlich
im salzsäurefreien Magen nach L i n s e r *) und das wechselnde
Verhältnis vom Magensaft zu Fett infolge der von
G r ü t z n e r beobachteten Sedimentierung oder Schichtung
der Speisen; auch ist die Technik etwas kompliziert und
erfordert einen speziellen grösseren Apparat, so dass
wohl dies der Hauptgrund ist, weshalb die ingeniöse
Methode bedauerlicherweise in der Praxis nicht den richtigen
Anklang gefunden hat. Ob daher das neue modifizierte und
ebenfalls etwas komplizierte Verfahren von S t r a u s s 5 ) mit
Fettzwieback und Thee einen Fortschritt bedeutet, scheint mir
vorderhand- noch nicht bejaht werden zu können.
Um daher der von Sahli gewünschten genaueren Dia¬
gnostik die Wege zu ebnen, ist es nötig, die genannten Fehler
zu umgehen.
*) Prym: Deutsches Archiv für klinische Medizin, 90. Bd.,
pag. 310—334.
*) Seiler: Deutsches Archiv für. klinische Medizin, 71. Bd.,
pag. 271—291.
3 ) Prym: Deutsches Archiv für klinische Medizin, 90. Bd.,
pag. 310—334.
*) Linse r: Beiträge zur chemischen Physiologie und Patho¬
logie, Bd. 7, 1905.
6 )Strauss und Leva: Zeitschrift für klinische Medizin,
65. Bd., Seite 161—193.
Jm». ^
(Nachdruck der Originalartikel ist nicht gestattet)
Von dieser Absicht ausgehend, entwickelte sich schliesslich
der Versuch zu einer ziemlich wesensverschiedenen neuen
Methode.
Auf Grund färbetechnischer Versuche legte sich die Ver¬
mutung nahe, dass an Stelle des Fettes in der Suppe ein Farb¬
stoff, der sich durch Diffusion im ganzen Mageninhalt verteilen
würde, geeigneter wäre, und bewährte sich schliesslich am besten
N
NH,/\/ x,/\ N(CHj),CI,
Neutralrot oder Toluylenrot, chemisch I I I I
CH# N /X/
abgekürzt Nr., bekannt als vitalfärbend, ungiftig und
reizlos. Der Gedankengang war, aus der Ver¬
schiedenheit der Neutralrotfärbung der zu¬
geführten und durch den Magensaft verdünn¬
ten, ausgeheberten Suppe im Sinne der Sahli-
schen FeUbestimmung®) nach weiter zu er¬
örternden Verfahren (s. u.) Schlüsse zu ziehen.
Zur Farbvergleichung war aber vor allen Dingen eine
an sich farblose Suppe erforderlich und bewährte sich
schliesslich eine mit folgender Zusammenstezung: -400 ccm
Wasser werden mit 30 g Weizenmehl angerührt, 4 g Koch¬
salz und 9 g gekochte Butter dazugesetzt und gekocht.
Bei Abkühlung auf ca. 50° werden noch 30 ccm = 30 g Eier-
eiweiss zugesetzt und der Farbstoff, 9 ccm einer 0,5 proz.
Neutralrotwasserlösung, zugerührt.
Die Suppe enthält unter Benutzung der Tabelle von
König, Schwenkenbecher u. a.
Eiwciss Fett Kohlehydrat Kalorien
30 g Eialbumen — 3,8 g 0,04 g 0,16 g 17,7
30 g Weizenmehl = 3,0 g 0,3 g 21,0 g 114,0
(Variante) = (4 g) (0,45 g) (21,5 g)
9 g Butter = 0,06 g 7,5 g 0,02 g 76,8 g
69 g Nahrung = 6,86 g 7,84 g 21,18 g 208,5 g
Diese Mischung ist ohne Nr. farblos, schmackhaft und ent¬
spricht der Durchschnittsnahrung in jedem Kulturstaat, der
unumgänglichen Vorbedingung einer grösseren Verbreitung.
Sie ist demnach überall herstellbar, sowie auch das Neutralrot
überall erhältlich ist.
Da es nun ein nicht zu unterschätzender Nachteil der
Sahli sehen Suppe ist, dass sie nicht immer mit ganz gleicher
Konsistenz und Fettgehalt hergestellt werden kann, se führte
ich die Neutralrotsuppe in ein Pulver über, das von ganz
gleicher Zusammensetzung überall erhältlich ist und dessen
Alleinvertrieb in gut schützender Verpackung ich, um vor
schlechten, das Verfahren diskreditierenden Nachahmungen und
zu hohen Preisen geschützt zu sein, vor allem aber, um die
Herstellung einer ganz gleichartigen Suppe zu ermöglichen,
in Deutschland der Firma W. Holzhauer in Marburg über¬
tragen habe.
Das entstehende Pulver ist rot und kann unter Zusatz von
400 ccm Wasser und Erwärmen und Umrühren 5—10 Minuten
wieder in eine Suppe verwandelt werden, wobei wegen der
Gerinnung des Eiweisses Sieden vermieden werden muss.
Gegen die Sahli sehe Suppe ist bekanntlich von Zweig
und C a 1 v o 7 ) der Einwand erhoben worden, sie rege die
*) Sahli: Klinische Untersuchungsmethoden, IV. Auflage, Franz
Deutike, Wien 1906.
7 ) Zit. aus Seiler und Ziegler: Deutsches Archiv für kli¬
nische Medizin, 81. Bd., 1904, pag. 551—573.
1
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1866
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Sekretion weniger an, als andere Probefrühstücke, ein Vor¬
wurf, der auch gegen diese Suppe selbst bei Berücksichtigung
des Eiweisszusatzes in gewissem Masse erhoben werden
könnte, der aber sofort an Bedeutung verliert, wenn man sich an
die dominierende Rolle des Appetits bei der Sekretion erinnert,
und der durch die Arbeit von Würz 8 ) endgültig unhaltbar ge¬
worden ist. Das Probemittagessen von Riegel bildet aller¬
dings einen grösseren peptischen Reiz, dafür besteht aber dort,
wie übrigens auch beim Ewald sehen Frühstück, die unan¬
genehme Nebenwirkung der häufigen Sondenverstopfung, die
hier fehlt [S t r a u s s und Leva •)].
Eine Probekost muss vor allem auf alle drei Komponenten
der menschlichen Nahrung Rücksicht nehmen und schmackhaft
sein, was sicherlich bei Thee und Semmel nur bedingt der Fall
ist. Denn die eigenartigen Wirkungen von Fett, Kohlehydraten
und Eiweiss und des Appetits auf Sekretion und Motilität sind
ja seit Pa w 1 o w l0 ) und Cannon 11 ) Allgemeingut der
Physiologie geworden. Am zuverlässigsten werden diejenigen
Werte sein, die als Repräsentanten der ganzen Nahrung dienen
können. Die Zusammensetzung der Nr.-Suppe dürfte dieser
Forderung am ehesten Rechnung tragen, um so mehr, da durch
die Herstellung im grossen eine ganz gleiche Zusammensetzung
erzielt wird.
In der Suppe ist nun der Farbstoff so eng an Mehl und Ei¬
weiss gebunden, dass er durch Auswaschen nicht im geringsten
ausgespült und filtriert werden kann; nur in starker saurer
Reaktion, bei Zusatz von organischen oder Mineralsäuren,,
löst er sich los und geht dann ins Filtrat über, dasselbe sofort
schwächer oder stärker rot färbend. Aehnlich wie Säure
wirkt auch Pepsin- oder Pepsin-Salzsäure (siehe unten). J e
nachder Verdauungskraft wird also Nr. mehr
oder weniger frei, und ist so der ganze Magen¬
inhalt auch bei Sedimentierung doch infolge
Diffusion des Farbstoffes gleich massig rot
gefärbt; d. h. es tritt weder Suppe noch Ma¬
gensaft aus dem Magen aus, selbst auch bei anazidem
Magen, da hier der Speichel in geringem Grade lösend wirkt.
Ungleiche Verteilung des Nr. im Inhalt ist daher nicht möglich,
wie beim Fett, und es ist demnach erlaubt, Stichproben aus dem
Ausgeheberten zu entnehmen, um die Menge Nr. zu bestimmen,
die den Magen verlassen hat, mit anderen Worten dessen
motorische Kraft. Denn nur die Motilität kommt für den Trans¬
port von Nr. aus dem Magen in Betracht, jede Resorption im
Magen aber ist auszuschliessen; ebenso habe ich auch eine
Ausscheidung von Nr. in den Magen nie beobachten können.
Sowie aber der Farbstoff frei oder als Suppe in den Dünndarm
gelangt, so beginnt die Resorption, und das Nr. gelangt nach
individuell verschiedener, aber im allgemeinen nicht sehr
variierender Exkretionsdauer in den Urin, denselben rot fär¬
bend. Diese Färbung fängt kurze Zeit nach Beginn der Re¬
sorption an und erreicht dann, wenn der Hauptteil des Nr., das
heisst des Mageninhalts, den Magen verlassen hat, ihr Maxi¬
mum.
Durch Beobachtung des Urins lassen sich
also Schlüsse ziehen, einmal auf die Zeit der
ersten Entleerung des Pylorus nach Beginn
der Mahlzeit und auf die G e s a m t m o t i 1 i t ä t.
Durch die Arbeiten von Sick und Tedesco 12 ), Cohnheim l; ‘),
Cannon 14 ) etc. ist klar bewiesen, dass die Motilität in viel
engerer Beziehung zur Magenfunktion stellt und von viel
grösserer Bedeutung ist, als man früher annahm und dürfte der
eingeschlagene Weg noch weiter führen. Gerade aber über die
I atigkeit des Pylorus, des motorisch wichtigsten Teiles, können
diealten Untersuchungsverfahren keine Auskunft geben. Eine
^ rz: Deutsche medizinische Wochenschrift, No. 24 , mos,
I I5ö»
Bd„ pa|‘161/93, S l"»R. LeVa: ZcitScl,rift fiir klinisc,l,; Meilizil '' 65-
1898 Pawlow: Die Arbeit der Vertlaiiiingsdriisen, Wiesbaden
ll ) Cannon: The aniericain Journal of phvsiologv. XII. Bd
Pag. 388—419, 1905.
**) Sick und T c d e s c o: Deutsches Arch. f. klin. Med., 92 Bd
pag. 416/51.
0 13 J Cohnheim: Münch, med. Wochensehr., No. 52, 1907, pag.
ä5o1 ( 83.
grosse Versuchsserie mit der neuen Methode aber hat gezeigt
(s. a. O.), dass in der Tat der Pylorus ziemlich selbständig
arbeitet, entsprechend den Versuchen von Sick, Cohn-
h c i m, Moritz etc., und dass viele Fragen der Hypcr-
motilität und Atonie etc. nur unter Berücksichtigung seiner
speziellen Funktion eine befriedigende Losung finden können.
Auch die Gesamtmotilitat lässt sich so auf ziemlich einwands¬
freie Weise, auch ohne Ausheberung als Kontrolle, prüfen,
indem eben die ganze Mahlzeit als Indikator der motorischen
Krait in Betracht kommt, im Gegensatz zur Penzoldt-
F a b e r sehen Jodkali- oder E waid-Siebcr sehen Salol-
probe, bei denen die Pulver gleichsam nur als Passagiere mit
der Mahlzeit fahren, ausserdem aber besitzt das Jodkali nach
F e i g 1 ,r> ) sekretionsreizende Eigenschaften, und das Salol
wird nach Boldyrefi 5 ') oft durch in den Magen über¬
tretenden Pankreassaft vorzeitig gelost und resorbiert.
Praktisch macht sich die Methode so, dass der Patient mit
nüchternem oder durch Ausheberung geleertem Magen die Suppe
nimmt, eine halbe Stunde vorher aber 1- 3 Glas W asser oder
Thcc trinkt. Nach Einnahme der Suppe soll, wenn möglich, alie
5 -10 Minuten in der ersten halben Stunde uriniert werden und
der Urin auf seine Färbung vom Patienten oder vom Arzt be¬
obachtet werden. Nach der ersten halben Stunde genügt eine
y* stündliche Prüfung bis zu 2 oder 3 Stunden. Der Patient
kann die einzelnen Proben entweder in Reagenzgläsern der
Reihe nach aufbewahren oder von je einer Probe einen Tropfen
auf weisses Filtrierpapier bringen und mit Zeitangabe nume¬
rieren, so dass der Arzt auch aus der Papierfarbe Schlüsse
ziehen kann. Wird der Urin, dessen Färbung bald nach der
Ausheberung stets abnimmt. gelb, so ist es zur sicheren Ent¬
scheidung nötig, diese gelben Proben mit verdünnter Essig¬
säure leicht anzusäuern, da die mangelnde Rotfärbung oft nur
auf leicht alkalischer Reaktion (gelbe Färbung) oder Reduktion
beruht, wobei das Nr. in eine farblose Modifikation ubergeht.
Als Normalzahlen der Färbung haben sich ergeben: Beginn
derselben oder Pylorusoffnung 30—35 Minuten nach der Mahl¬
zeit und der Hauptentleerung, der der MavimalfärInnig 45 Pis
bö Minuten. Dieses Maximum dauert oft l i Stunde an,
je nach der Geschwindigkeit und Intensität der Resorption und
Sekretion, die gewöhnlich dann schwächer sind, wenn die pep-
iisehe Funktion des Magensaftes stark herabgesetzt ist und
der Darm allein die Lösung des Nr. besorgen muss. Die Aus¬
heberung zeigt im allgemeinen keinen störenden Einfluss auf
die Urinfärbung. Irgendwelche Nierenreizung habe ich nie
beobachtet. — Etwaige rote Wäscheflecken lassen sich mit
schwacher Essigsäure leicht auswaschen.
'« Stunden bis 1 Stunde nach Einnahme der Suppe erfolgt
die Ausheberung, die am besten nach dem Vorschlag von
Sahli 17 ) vorgenommen wird d. h. anstatt der zw eilocherigen
wird eine vielfach durchbohrte Sonde verwandt, so dass bei
hängendem Oberkörper eine möglichst vollständige Entleerung
erzielt wird, wobei ein Saugballon im Spulschlauch gute Dienste
leistet. Nach möglichster Entleerung auf diesem Wege wird
noch mit einer bestimmten Menge lauwarmen Wassers nach-
gespiilt, um die noch Testierenden Speisemengen zu bestimmen.
Die Verarbeitung des Ausgeheberten erfolgt zum Teil dem
Prinzip nach auch wieder nach den Sah I i sehen Vorschriften.
Dasselbe wird in einer Schale makroskopisch auf Schleim
und auf die Verdauung geprüft. I m G e Neusatz zu d e n
a u d e r e n Met h o den unterscheidet s i c h hier
der M a g e n s c h I e i m dadurc h v o m vers c 1 : I u c k -
t e n Speichel, dass letzterer farblos, c r s t e r e r
rot ist oder einen roten Kern besitzt, so dass
s i ch o ft sc ho n a n der Menge kleiner roter
S c h 1 e i m f 1 o c k e n die S c h I e i m s e k r e t i o n f c s t -
stellen lässt. Der rote Kern der Flocken besteht mikro¬
skopisch aus Bakterien. Zellfragmenten und Leukozvten-
kerneu und gibt damit die Menge des Schleimes auch makro¬
skopisch schon Anhalt über die Stärke der Desquamation und
n ) Cannon: The aniericain Journal of phvsi«>!i>g\. XII Bd
1905. •
‘Ö Fei gl: Biochemische Zeitschrift. * IG. pag
’*) Boidyreff: Pflügers Archiv. 121. Bd.. 1***7.
J ’) Sahli: Klinische Untersuchuncsna. th<iJe 4
und Wien, Franz Deutike, 1905, pag. 4Jn 437 .
4<>7— 519.
Auf!.. Leipzig
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
8. September 1903. _ MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1867
des Zellreichtums. Die Zellen und Bakterien sind deutlich rot
gefärbt, machen eine spezielle Färbung unnötig. Dagegen
stören sie später (s. unten) beim Alkalisieren, indem der Schleim
für die Lauge schlecht durchlässig ist und das Nr. des Kernes
vor deren Einwirkung schützt. Es empfiehlt sich daher, um
eine homogene Emulsion zu erhalten, die Schleimflöckchen
vorher zu entfernen. Hieran schliesst sich die Untersuchung
des Spülwassers, das gewöhnlich aus klarem Wasser und
einigen Flocken roter Suppe besteht, welche, wenn reichlich
vorhanden, durch Sedimentieren in einem Messzylinder oder
auf kolorimetrischem Wege (siehe unten) durch Verdünnen
eines bestimmten Quantums Suppe bis zur gleichen Färbung
wie die des Spülwassers in ihrer Menge bestimmt werden
kann. Reichliche Beimengung kann, abgesehen von schlech¬
ter Ausheberung, für Karzinom sprechen, wenn letzteres
ein schwammiger Tumor ist (vergl. S t r a u s s 18 ) und in seinen
Nischen Nr.-Suppe retiniert.
Diese ganze Untersuchung muss in kurzer Zeit erledigt
werden, weil sonst die Azidität durch saure Gärung zunimmt
oder die freie Salzsäure bei fortdauernder Verdauung durch
Bindung abnimmt und so das ganze Titrationsresultat ge¬
fährdet würde.
Das Ausgeheberte wird nun gut durchgerührt auf seine
Menge gemessen und im graduierten langen Reagenzgläs¬
chen a zur Marke 10 ccm aufgefüllt.
Um die Handhabung der Methode in der Praxis zu er¬
leichtern, wurden zwei solche Röhrchen a und b mit den
weiter unten beschriebenen Utensilien, Gebrauchsanweisung,
Schema, Tabelle, Skala, Tropäolinpapier und Stopfen zu einem
Apparat zusammengestellt, dessen Alleinvertrieb in Deutsch¬
land ebenfalls im Interesse der Sache die Firma W. Holz¬
hauer, Marburg übernommen hat.
In das zweite Röhrchen b kommt eine beliebige (im Maxi¬
mum 10 ccm), aber bestimmte Anzahl Kubikzentimeter
Suppe. In Röhrchen a erfolgt nun die Titrierung durch Zu¬
giessen von Vio Normalnatronlauge (Vio N. N. L.) bis
zur Gelbfärbung, jeweiliges Umschütteln und Ablesen der
Zufuhr an der Graduierung in % und 1 ccm. Wenn
nötig, kann die freie Salzsäure durch Betupfen des Tropäolin¬
papiers mit dem benutzten Kautschuckstöpsel bestimmt werden
und die gebundene mit Alizarinrot, sulfosaurer Natronlösung.
Als Indikator für die Gesamtazidität (G. A.) dient das in der
Suppe a priori vorhandene Nr., das bei Eintritt der alkalischen
Reaktion, mit einer dem Phenolphthalein ähnlichen Empfind¬
lichkeit für Säuren und Basen, einen Umschlag in Gelb er¬
leidet. Als durchschnittliche normale Säurezahlen ergaben
sich auch bei der Suppe 35—50 Aziditäten.
Die gleiche, aber bei geringerer Suppenmenge ent¬
sprechende Anzahl Kubikzentimeter Vio N.N.L. muss auch bei
b zugefügt werden, d. h. wenn die Suppenmenge hier 5 ccm
betrug, halb so viel Kubikzentimeter Lauge wie bei a, wenn
6 ccm = 6 /iomal soviel wie bei a etc. Gleichzeitig ist
es empfehlenswert, für den Fall, dass die
Suppe an sich eine leichte Azidität besitzt,
auch hier auf den Farbenumschlag zu achten.
Zum Farbumschlag der reinen Suppe sind meistenteils
ca. 0,5 ccm Vio N.N.L. nötig, wenn mehr Fettsäuren vorhanden,
auch etwas mehr und ist der Wert von der G. A. zu sub¬
trahieren. Nun werden a und b gut durchgeschüttelt und unter
fortwährendem Umschütteln in b so viel Wasser zugesetzt, bis
die gelbe Färbungsintensität in b gleich ist wie in a, d. h. zur
Suppe wird im gleichen Verhältnis Wasser zugesetzt, wie im
Magen Magensaft. Bezeichnen wir daher die anfängliche An¬
zahl der Kubikzentimeter Suppe in b mit klein c, die Menge
zugesetzten Wassers mit c\ so verhält sich die Suppe zum
Magensaft quantitativ wie c zu c 1 . Als Norm ergab sich auch
hier, wie bei Sahli 19 ), dass c = c 1 ist, d. h. Suppe und
Magensaft zu gleichen Teilen im Ausgeheberten enthalten sind.
Die tatsächlich im Ausgeheberten vorhandene Menge Suppe
(Su) und Magensaft (Ma) berechnet sich auf einfache Weise
18 ) Strauss: Zeitschrift für klinische Medizin, 41. Bd., 1900,
pag. 303/20.
1# ) Sahli: Klinische Untersuchungsmethoden, 4. Aufl., Leipzig
und Wien, Franz Deutike, 1907, pag. 420/437.
durch folgende Formel: Su = To -_£ c t und Ma = To X -^^r.
Durch Subtraktion- der ausgeheberten Suppe (Su) von der ein¬
genommenen lässt sich die in denDarm übergetreteneSu-Menge
bestimmen, die im Vergleich zur eingenommenen normal ca.
7 —9 Zehntel derselben betragen muss. Gleichsam als auto¬
matische Kontrolle für die in diesem Mengenverhältnis aus-
gedrückte motorische Kraftbestimmung kann ja, wie oben be¬
merkt, die Urinuntersuchung dienen. Es sei gleich hier be¬
merkt, dass die Werte Su und Ma resp. Motilität und Sekre¬
tion reziproke, einander gegenseitig bedingende Grössen sind,
was bei der Beurteilung zu beachten ist.
Auf diese Weise wird auch sehr einfach, entsprechend dem
Vorgehen vonSeiler 21 ),Müller 22 )etc.,das ganze Ausgeheberte,
Speise und Magensaft und nicht nur letzterer allein, wie im
Filtrat titriert, so dass die Resultate zweifellos die sekretorische
Funktion viel besser repräsentieren als die Filtratwerte. In
der Tat sind auch die auf diesem Wege gewonnenen Aziditäten
um ca. 10—15 höher als jene, was daher kommt, dass die
Suppe sich sehr stark mit Magensaft imbibiert, so dass es Vor¬
kommen kann, dass ein Sekret säurefrei zu sein scheint im
Filtrat, während bei Titration des Ausgeheberten immerhin
noch 10—15 Aziditäten zum Vorschein kommen. In diesem
Falle also hat die Suppe alle verfügbare Säure etc. zweifellos
im Sinne der Verdauung für sich in Anspruch genommen.
Daher kommt es auch, dass auf diese Weise die meisten sogen,
anaziden Magen doch noch eine leichte azide Reaktion be¬
sitzen, auch bei Subtraktion der zum Umschlag der Suppe
nötigen Lauge. Auch ist zweifellos die Titration des ganzen
Ausgeheberten bei Zusatz von Phernolphthaleinlösung nicht
dasselbe, wie wenn das Nr. der Indikator ist, der alles voll¬
ständig gleichmässig durchtränkt.
Die übrige ausgeheberte Menge wird nun filtriert in das
Röhrchen b und wenn nötig auch das Filtrat später nochmals
titriert. Vor allem von Bedeutung ist die Farbe des Filtrates.
Wie anfangs erläutert, ist Pepsin-Salzsäure und in
geringerem Grade auch letztere allein, oder
eine andere anwesende Säure imstande, das
Nr. aus der engen Bindung mitdem Mehl etc. zu
lösen. Man kann daher aus der Intensität der
Färbung des Filtrates, d. h. der Menge ge¬
lösten Nr. auf die Grösse jener Faktoren
schliessen. Vor allem richtet sich die Frage nach der
Pepsinstärke, da ja die Azidität auf anderem Wege bestimmt
wird. Da nun die Säure an sich je nach ihrer Konzentration
auch stärker oder schwächer wirkt, so erfordert die Beur¬
teilung eine gewisse Erfahrung. Um diesem Mangel abzu¬
helfen, wurde aus einer Reihe von Versuchen das Mittel ge¬
nommen und eine Skalenreihe von Färbungsgraden nach be¬
stimmter Pepsinkraft zusammengestellt, bei der Gesamt¬
azidität 50. Eine nähere Darstellung wird andernorts erfolgen.
Die beigegebene Skala besteht aus 6 Feldern: 1, 2, 3, 4, 5, 6,
deren Färbung in steigender Reihe eine in Zahlen beigefügte
Menge Pepsineinheiten repräsentiert. Entspricht nun die Fär¬
bung eines Filtrates im Röhrchen b der Färbung eines Feldes,
z. B. No. 3, was sich dadurch leicht bestimmen lässt, dass man
das Röhrchen hinter den Oeffnungen der Skala vorbeischiebt,
so besitzt das Filtrat die Anzahl Pepsineinheiten, die bei 3
angeführt sind, wenn es ebenfalls die Gesamtazidität 50 hat.
Die Bestimmung derselben mit Vio N.N.L. erfolgt am besten
nach der kolorimetrischen Untersuchung, weil das Filtrat ge¬
legentlich sehr spärlich ist. Ist nun die gefundene Azidität A z.B.
25, so ist die Skalenzahl x mit 50:25 zu multiplizieren, d. i. mit 2,
oder, allgemein ausgedrückt, mit einem Bruch, in dem 50 im
Zähler, die gefundene Azidität im Nenner steht = x X x m
Denn bei geringerer Gesamtazidität muss die Pepsinwirkung
um so grösser sein, um dieselbe Färbung zu erzielen, weil die
mangelnde Azidität ersetzt werden muss. Die gefundenen
Werte können vorderhand nicht den Anspruch auf volle Ge¬
nauigkeit machen, mit Sicherheit kann nur ange-
20 ) Seiler: Deutsches Archiv für klinische Medizin, 71. Bd.,
pag. 271/292, 1901.
“) Müller: Deutsches Archiv für klinische Medizin, 88. Bd.,
pag. 521/42, 1907.
”) Pawlow: Die Arbeit der Verdauungsdrüsen, Wiesbaden
1899.
1 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1868
No. Mk
nommen werden, dass, wenn das Filtrat farb¬
los ist, weder Pepsin, noch deutliche Säure
vorhanden ist und dass bei deutlicher Fär¬
bung beide in gegenseitig kleineren oder
grösseren Mengen sich vorfinden. Da das
ganze Verfahren aber sicherlich an sich ein gewisses
Interesse verdient, und da es sich um neue, der vollen
Ausarbeitung noch harrende Wege handelt, so glaube ich. die
Sache doch dem öffentlichen Forum unterbreiten zu dürfen, um
so mehr, als durch die Ergebnisse der Praxis die an sich so
einfache und daher wünschenswerte Methode um so rascher
eine Klärung erfahren kann.
Wenn die auf diese Weise gewonnenen Resultate nicht
immer mit denen übereinstimmten, welche sich nach der
von Nierenstein und Schiff modifizierten Mett-
schen Probe, die als Kontrolle verwandt wurde, gewinnen
Hessen, so ist dabei nicht zu vergessen, dass es sich
im Grunde eben um zwei ganz wesensverschiedene Ver¬
fahren handelt; denn bei der M e 11 sehen Methode mit Ver¬
dünnung durch ‘/20 N.N.L. wird Magensatt von der letzten Ver¬
dauungsphase verwandt. Nach Paw low •*) aber tritt be¬
kanntlich beständig eine Aenderung der Pepsinkonzentration
im Sekrete auf. — Bei der Färbungsmethode aber wirkt nun
nicht nur Sekret der letzten Phase, sondern die Färbung ist
gleichsam das Produkt längerer Perioden. Die Gesamtw irkung
kann also je nach der Eigenart des Individuums bei der einen
Methode grösser oder kleiner sein, als bei der anderen. Ausser¬
dem aber ist nicht zu vergessen, dass auch bei allen Vorsichts-
massregeln doch bei Mett sich die Spaltungskörper, Peptone,
etc. hemmend ansammeln, bei der Färbungs- oder vitalen Me¬
thode, wie man sie auch nennen kann, dagegen mehr oder
weniger fortwährend weggeschafft werden und dass es sich
dort um Eiweiss, hier aber um ein Gemisch von Ei¬
weiss, Fett und Kohlehydrat handelt. Es sind dies
wichtige Fragen, ohne deren Beantwortung eine endgültige
Beurteilung unmöglich ist. Der Vorteil der vitalen Methode
liegt ja auf der Hand, einmal weil sie sich möglichst an die
Tätigkeit des Magens anschliesst, andererseits aber, weil die
Gesamtuntersuchung sich in kurzer Zeit vollständig inklusive
der Pepsinbestimmung erledigen und so einen besseren Ge¬
samtüberblick gewinnen lässt als wenn die Dauer der Unter¬
suchung 24 Stunden hingezogen wird.
Damit hat die Untersuchung ihr Ende erreicht, abgesehen
von einer eventuellen Milchsäurebestimmung, bei der weder
bei der U f f e 1 m a n n sehen noch Straus sehen Methode das
Nr. stört, indem es für jene zu schwach färbt, in Aether aber
unlöslich ist.
Entsprechend der S t r a u s s sehen Empfehlung, die
Gärungsvorgänge nicht nur qualitativ an dem Vor¬
handensein von Fettsäuren, sondern funktionell zu
prüfen, empfiehlt es sich, das mit alkalisiertem
Ausgeheberten gefüllte Gläschen a stehen
zu lassen und zu beobachten, ob und wann
innerhalb 24 Stunden ein roter Umschlag,
d. h. saure Reaktion infolge saurer Gärung
c i n t r e t e. Durch T i t r a t i o n bis zum Umschlag
dieser Färbung in Gelb kann man die Säure-
menge bestimmen. Das Verfahren ist so imstande, das
S t r a u s s sehe Gärungsröhrchen zu ersetzen. Die Bakterien¬
flora, die oft im Ausgeheberten keine deutlichen vorherrschen¬
den Merkmale zeigt, hat sich inzwischen nach der Richtung
der dominierenden Form verändert und empfiehlt sich daher
in wichtigen Fällen nochmals die Anlegung eines mikroskopi¬
schen Präparates.
Die vorliegende Darstellung beantwortet, wie bemerkt,
noch nicht alle der Methode zu Grunde liegende Fragen.
Einige derselben bedürfen noch der weiteren Beantwortung,
so die Frage der Pepsinbestimmung, der individuellen
Dauer der Nr.-Ausseheidung auf ihrem Wege durch den
Stoffwechsel und der Resorption der Nr. im Darm.
Als wichtige unbestimmte Grösse kommt hierbei vor allem in
Betracht die oxydative Zerstörung die das Nr. im Körper zum
T eil erleidet und deren Bestimmung allein ein grosses Kapitel
neuer w ichtiger Fragen aufrollt.
All diese Aufgaben dürften durch die Praxis eine wesent¬
liche Förderung erfahren und berechtigt diese Ueberlegung
allein schon, der Sache Interesse entgegen zu bringen.
Wie aus der obigen Darstellung hervorgeht, verlauft d;e
Bestimmung der einzelnen Punkte bei der Untersuchung in
einer gewissen Reihenfolge. Hierbei hat sich folgendes
Schema, das, der Natur der Sache entsprechend, sich mehr oder
weniger an das von Riegel *). S a h I i * *) etc. empfohlene
anlehnt, gut bewährt, indem kurz zusamniengefasst das ganze
Wesen der Methode zum Ausdruck kommt und welches mit
der Tabelle zur Skala dem Apparat beigelugt ist.
S c h c m a
zur M a g e u u n t e r s u c h u n g nach I > r. S c h lacp f e r.
Name:. . I >at :
1) Nucliteriibefutid - - . .
2) Suppcueinnahme — Menge.. Uhr.
d) Ausheberung nach Mm. -- .
Aussehen = .
Total-Menge (To) — ..ccm
Rcst =. . ccm
Aufblähung: .
4) U r i n f Ü r b U M g Beginn = p. Mm.
Maximum = .
5) Titration und Volumetrie.
O e s. - A z i 4 i t a t ^ .
Oebuncl. H 01. .
Freie M Ol . .
Gesamt MCI .
Rest.
e =. ccm
c : c 1 — Suppe (Su): Magensaft = (Mm)
Su = To- C , = .... ccm In den Darm ati'^rtrctcne
c + c 1
Ma = To-
o
ccm S u p i* e 3 Su —
(>) Pepsmbcstimmung .
1 .i hun i No.
O.-s Azidität . Ir.
I*. I mheiien ..
MCI .tl. I dir.
7) Organische Sauren
tS) Saure (iarung. Luittemp.
Umschlag nach Std. = .
A/iditat ., ,, = .
0 ) Diagnose: .
Motilität = .
SkietJon =.
Azid.
50
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Feld 1 .
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140
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2.U
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—
. b .
2 Ml
J5i i
-
-
Bei genauer Beobachtung all der genannten Versuchs-
bedingungen, die in kurzen Zugen in der Gebrauchsanw eisung
dem Apparat beigegeben sind, bietet die Anwendung der Me¬
thode keinerlei Schwierigkeiten und die genannten Resultate
lassen sich auf einfachste Weise gewinnen, auch fiir den prak¬
tischen Arzt, der kein grosses Laboratorium besitzt und eine
genauere Diagnostik erstrebt.
Selbstverständlich gilt auch hier dasselbe, wie bei allen
anderen klinischen Methoden: Eine allem darf nie ausschlag¬
gebend sein, und werden das Probemittagesseu und die Des-
moidprobe nach Sahli stets eine wertvolle Ergänzung blei¬
ben. Erst bei Zusammenfugen aller auf verschiedenem kli¬
nischen Wege gefundenen Daten lässt sich die sichere Dia¬
gnose stellen.
Z u s am m e ug e i as s t lässt sich dies e Me-
t h o d c i n folg e n d en W n rt e n definier c n :
* ) Riegel: Nothnagels Mandbi
und Therapie. XVI.
* ) Sahli: s. oben.— M a g c n:
sch der «me de'lcn Pnth'd,
D'>7. rag. 17 K
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1869
purch Einführen einer mit Neutralrot (Nr.) gefärbten
Suppe in den Magen gelingt es einmal an der Urinfärbung die
erste Entleerung des Pylorus und die Qesamtmotilität des
Magens zu bestimmen und auf einfache Weise die Mengen¬
verhältnisse von Suppe und Magensaft im Ausgeheberten und
damit die motorische und sekretorische Funktion festzustellen.
Durch ihre Zusammensetzung aus Eiweiss, Kohlehydrate und
Fett bildet die Suppe einen physiologisch adäquaten Reiz.
Aus der Färbung des filtrierten Magensaftes lässt sich
ungefähr die peptische Kraft desselben erkennen und aus dem
Farbenumschlag im Ausgeheberten von Rot in Gelb und um¬
gekehrt auf die Säuremenge und die Intensität und Anwesenheit
von Gärungsvorgängen schliessen.
Zum Schluss möchte ich Herrn Prof. Brauer für die
gütige Ueberlassung des Materials verbindlichst danken.
Ueber schlimme Zufälle bei der Apomorphinanwendung
und Ober die Beziehungen zwischen Würgakt und Muskel¬
lähmung.
Von Dr. Erich Harnack, Prof, der Med. in Halle.
Als vor etwa 40 Jahren das Apomorphin bekannt und in
die praktische Heilkunde eingeführt wunde, da interessierte
man sich für dieses einzige subkutan anzuwendende Brech¬
mittel in hohem Grade und rasch wunde das neue Mittel rach
den verschiedensten Richtungen hin pharmakologisch analy¬
siert. Heutzutage ist es ziemlich stille darüber geworden und
doch ist das Apomorphin unbedingt eines der interessantesten
Mittel. Einmal wegen der Art seiner Wirkung und sedann
wegen seiner Beziehungen zu den Opiuimalkaloiden. In der
Natur selbst als solches nicht vorkommend wird es bekanntlich
aus dem Morphin durch einen künstlichen chemischen Eingriff
gewonnen. Es ist das ein analoges Verhältnis, wie man aus
einem anderen Opiumalkaloide, dem Narkotin, das Kotarnin
(Styptizin) gewinnt. In beiden Fällen ist aus der ursprüng¬
lichen Substanz scheinbar etwas wesentlich anderes geworden.
In der Praxis findet das Apomorphin immer noch nicht gar
zu selten Verwendung und man hat neuerdings von üblen Zu¬
fällen bei seiner Anwendung wenig mehr gehört. Diese
schlimmen Zufälle, wahre akute Apomorphinvergiftungen, bieten
aber praktisch wie theoretisch ein hohes Interesse dar, und ich
will daher zunächst die wichtigsten dieser Fälle kurz zu¬
sammenstellen und vergleichen.
Den einen Fall habe ich an meinem eigenen Körper erlebt
und auch einmal bereits im Zusammenhang mit einem anderen
Gegenstand kurz erwähnt 1 ). Ich war damals Rekonvaleszent
von einer leichten Bronchopneumonie, von etwas ge¬
schwächtem Kräftezustand und befand mich allein in einem
Hotel eines grösseren Badeortes. Um einen zufällig beim
Essen verschluckten Fremdkörper rasch wieder herauszu¬
schaffen, begab ich mich auf mein Zimmer, verriegelte die Tür
und injizierte mir subkutan in frisch angefertigter Lösung 10 mg
Apomorphinsalz. Mit dem Mittel war ich durch eingehende
Experimentalstudien, die ich damit angestellt hatte 2 ), sehr ver¬
traut, hatte auch seine Anwendung am Menschen wiederholt
zuvor beobachtet. Wenige Minuten nach der Injektion trat
einige Male starkes Erbrechen ein, aber ebenso rapide steigerte
sich schon während des letzten Breohaktes eine allgemeine
Muskelerschlaffung, so dass ich bald wie ein umgeworfener
Wollsack auf den nahestehenden Divan stürzte und nun in
kürzester Frist völlig ausser Stande war, auch nur das kleinste
FingergMed zu rühren. Die sämtlichen Körpermuskeln, die
dem Willen gehorchen, befanden sich im Zustande absoluter
Erschlaffung, Bewusstsein und Wille waren nicht aufgehoben,
aber der Wille war nicht zur Geltung zu bringen, es herrschte
völlige Bewegungsunfähigkeit, nur die Atmung und der Herz¬
schlag dauerten fort. Es ist dies einer der hilflosesten Zu¬
stände, in die ein Mensch versetzt werden kann, und er wirkte
um so peinlicher, als eben das Bewusstsein erhalten blieb. Erst
nach einiger Zeit, wohl ca. 30 Minuten, konnte ich, ohne dass
neues Erbrechen erfolgt war, wenigstens schwache Bewe¬
*) Vgl. Münch, med. Wochenschrift. 1892. No. 11.
9 ) Vgl. Archiv f. exper. Pathol. u. Pharmakol., Bd. II, S. 25*1.
gungen ausführen und bis zur Zimmertüre kriechen, um die Türe
zu entriegeln und Hilfe herbeizuklingeln. Noch am folgenden
Tage fühlte ich mich sehr kraftlos und erholte mich nur
langsam.
Bei .diesem Erlebnis ahnte ich noch nicht, dass durch eine
merkwürdige Duplizität der Ereignisse fast um die gleiche Zeit
: ein französischer Professor der Medizin eine gefährliche
akute Apomorphinvergiftung an sich selbst erlebte! Viel später
! erst fand ich zufällig in den Annales d’hygiöne publique *) den
1 französischen Bericht ijber dieses Erlebnis. Es scheint der
deutschen Literatur, selbst unseren grossen Hand¬
büchern der Toxikologie, ziemlich unbekannt ge¬
blieben zu sein. Es handelte sich um Prof. P e c h o 1 i e r 3 ),
I der überarbeitet und durch dreimonatliche Milchkur ge¬
schwächt, seit 8 Tagen an einer sehr schmerzhaften Angina mit
I rheumatischer Affektion litt. Dagegen hatte er einmal die sehr
starke Dosis von 6,0 g Natr. salicyl. genommen und dann noch¬
mals 4,0 in zwei Portionen; ausserdem waren Morphininjek¬
tionen und Blutegel angewendet worden, also eine ziemliche
Pferdekur an geschwächtem Körper. Die Mittel halfen wenig
und so nahm er seine Zuflucht zu einer Injektion von 13 mg
Apomorphin. Schon nach zwei Minuten entwickelte sich eine
sehr quälende Nausea und eine ohnmachtsähnliche Schwäche,
aber es trat kein Erbrechen ein. Die Respiration
wurde unregelmässig, dazwischen aussetzend, wo¬
zu sich ein unbeschreibliches Angstgefühl gesellte. Die
rasch henbeieilenden Kollegen halten es für richtig, eine zweite
Apomorphindosis (!) anzuwenden, die einige Male Brechakt
auslöste, aber von neuem Kollaps gefolgt war, der 30—35 Mi¬
nuten andauerte und während dessen die Atmung sehr lang¬
sam und stertorös blieb, während das Gesicht livide gefärbt
war. Ein jetzt angewendetes analeptisches Verfahren (Senf¬
teig, Aetherinjektion) machte dem Zustand bald ein Ende, die
Erholung trat rasch ein, und nach 4 Tagen war auch das ur¬
sprüngliche Leiden fast verschwunden.
P ö c h o 1 i e r meint nicht gerade, dass die starken Dosen
Salizylat und das Morphin die Apomorphin Wirkung so ge¬
steigert hätten, dass aber mehr der etwas anämisch-schwäch¬
liche Zustand, in dem er sich befand, angeschuldigt werden
muss. Aber wenn er dieses auch einräumt, so wirft er doch
mit wohl berechtigter Erregung die Frage auf, was man zu
einem Mittel sagen soll, von dem eine Anzahl Milligramm einen
Menschen glattweg töten könne! Er weist auf die engen Be¬
ziehungen zwischen Brech- und Respiratiönszentrum in der
Medulla oblong, hin und meint, diese erkläre bestens die Wir¬
kung des Apomorphins auf die Atmung.’
Nun, gerade diese Frage habe ich in meinen experimen¬
tellen Untersuchungen eingehend behandelt, aber von meinem
Apomorphinsalz 'bei Warmblütern nur heftigste E x z i t a t i o n
der Atmung, sowie auch anderer Zentren (psycho¬
motorische, Kaubewegungen etc.) beobachtet, worauf ich weiter
unten zurückkomme.
Schon bald nach Einführung des Apomorphins in die Praxis,
d. h. 10 Jahre vor dem letztgenannten Falle, hatte L o e b 4 ) über
ähnliche Beobachtungen berichtet.
Einem 23 jährigen robusten, an akutem Magenkatarrh leidenden
Burschen injizierte er absichtlich in einer acht Wochen alten, a’so
sehr dunkelgefärbten Lösung, um deren Wirksamkeit zu erproben,
8 mg Apomorphin. Nach zehn Minuten trat Nausea ein, nach weiteren
drei Minuten wurde Patient so schwindlig, dass er zu Boden stürzte
und nur mit Mühe auf den nahestehenden Divan gebracht werden
konnte. Da wurde er totenblass, die Augen schienen gebrochen,
kalter Schweiss bedeckte die Haut, Patient begann zu röcheln,
kurz lag da wie in der Agone. Als ihm die Zunge mit dem Zeigefimrer
herabgedrückt wurde, fing der Kranke an Massen flüssigen Magen¬
inhaltes auszubrechen, was sich wiederholte, worauf er in einigen
Minuten wieder wohlauf war.
L o e b berichtet ferner von einem 13 monatlichen, an Bron¬
chitis leidenden Kinde, bei dem zwei Minuten nach Injektion
von 2 mg Apomorphin Erbrechen erfolgte. Dann aber wurde
das Kind wachsbleich, der Atem röchelnd, indes besserte
sich der Zustand wieder nach Verlauf einer Stunde.
3 ) Vgl. Annal. d’hyg. publ., 3. Sör., T. VIII, 1882. S. 185.
4 ) Loeb: Berl. klin. Wochenschrift, 1872, No. 33, S. 400.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1870
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Ein weiterer Fall, ln dem versehentlich statt 0,02 das Zehn¬
fache (0,2) infiziert wurde, ist von Wertner 5 ) berichtet wor¬
den. Es traten schwere Ohnmacht, schlechte Atmung,
Erstickungs- und höchstes Angstgefühl ein, aber nachdem hef¬
tiges Erbrechen erfolgt war, erholte sich der Vergiftete all¬
mählich.
Endlich berichtet Binz®) über einen ganz merkwürdigen,
von Ungar publizierten Fall, der sehr verhängnisvoll verlief:
Ein mit Kyphoskoliose behafteter 54 jähriger Mann litt an chroni¬
schem Bronchialkatarrh mit geringem Emphysem, doch war das All¬
gemeinbefinden nicht gerade erfreulich. Nachdem ihm nur 4’ .-mg
Apomorphin vorn an der Brust subkutan injiziert worden waren, starb
der Patient unter Kollapserscheinungen schon nach sieben Minuten.
Der Fall ist wohl nicht recht aufgeklärt worden, er würde
unter den obigen der einzig tödlich endende sein, aber die
Dosis von 4M mg erscheint dazu doch als zu gering?
In therapeutischer Hinsicht hat neuerdings R a b o w
das Apexmorphin in kleinen Dosen als Schlafmittel emp¬
fohlen, das aber für geschwächte Personen und Kinder nicht
passen soll. Als Mittel gegen Aufregungszustände von Geistes-
kranken ist cs übrigens schon früher von anderer Seite in Vor¬
schlag gebracht worden.
Visanska 6 7 ) empfahl sehr kleine, nicht emetisch wir¬
kende Dosen (I—U4mg subkutan) bei puerperalen Konvul¬
sionen und bei Asthmatikern (Muskelerschlaffung), sowie auch
Kindern bei Diphtheritis (0,5 0,7 mg subkutan).
Dann hat vor zehn Jahren der Franzose G u i n a r d ") aufs
neue eingehende Experimentaluntersuchungen ausgeführt und
dabei namentlich die Wirkungen des Apomorphins mit denen
seiner Muttersubstanz, des Morphins, zu vergleichen sich be¬
müht, was ich übrigens 24 Jahre früher auch bereits getan
hatte. Er bestätigte im Einzelnen alle meine Beobachtungen,
in betreff der Atmung, der Reizung von Zentren, der Exzitation,
der unwillkürlichen und unaufhörlichen Kau- und Nage¬
bewegungen bei Pflanzenfressern, der Muskclerschlaffung usw.,
was alles ich damals schon eingehend beschrieben hatte. Aber
G u i n a r d wies ausserdem auf einen erheblichen Unterschied
im Verhalten des kristallisierten und des a m orphen
A po m o r p h i n s a 1 z e s hin: er gab an, dass die amorphe
Modifikation des Apomorphins sich von der kristallisierten we¬
sentlich unterscheide, indem erstere in nahezu antagonistischer
Weise lähmend auf die Zentren wirke, besondeis auch auf die
Atmung, die sie zimi Stillstand bringe, während sie nicht
emetisch wirke. Bei intravenöser Injektion treten Atmungs¬
lähmung, Erniedrigung des Blutdruckes und Muskelerschlaf¬
fung ein.
Vergleicht man das halbe Dutzend obiger Fälle, so ergibt
sich: jedesmal, wo schon mässige oder relativ kleine Dosen
Apomorphin so übel wirkten, handelte cs sich um zeitweilig
geschwächte Individuen, und zwar fast durchweg um solche,
die an Krankheiten der Respirationsorgane litten oder gelitten
hatten. Gemeinsam allen Fällen ist die Muskcl¬
erschlaffung, der Kollaps. Dann aber zeigen sich Unter¬
schiede: in einem Teil der Fälle tritt erst Erbrechen ein, dann
rasch der Kollaps, in einem anderen kommt es zuerst zu den
bedrohlichen Erscheinungen, für die der Brechakt dann Er¬
leichterung schafft. Ein weiterer Unterschied zeigt sich darin:
in dem an mir selbst erlebten Falle bestand nur absolute
Muskellähmung bei intakter, jedenfalls nicht bedrohter Atmung,
in den anderen war die Respiration von vornelicrcin bedroht,
so dass sofort anscheinende Lebensgefahr, ja in einem freilich
nicht ganz aufgeklärten Falle sogar sehr rasch der Tod eintrat.
Es versteht sich von selbst, dass der Muskelkollaps ganz anders
lebensgefährlich wird, wenn das Respirationszentrum ge¬
schwächt wird, als wenn es intakt bleibt oder durch das Apo¬
morphin sogar erregt wird.
6 ) W e r t n e r: Vgl. Kunkel s Handbuch der Toxikologie, loni.
S. 840.
®) Binz: Vorlesungen über Pharmakologie, 2. Aufl.. Berlin lsuj.
S. 635 ff.
7 ) Visanska: Med. Record 1898, Juli 2, pag. 15. — Jahresber.
d. ges. Med., 1898, I., S. 397.
H ) h u i n a r d s Lntersucliimgen finden sich ausführlich referiert:
Oihresber. d. ges. Med., 189s, I., S. 396. Lew in und Po liehet:
’LüitO de toxikol., Paris 1903, S. 600 ff.
Bei meinen sehr eingehenden Untersuchungen über die
Apomorphinwirkung an Tieren verschiedener Art habe ich in
bezug auf das zentrale Nervensystem bei \V a r m b I ii t c r n
eigentlich nur exzitierende Wirkungen beobachtet, namentlich
auch auf die Atmung, die beim Hunde in tiefster Narkose auf
die achtfache Frequenz durch Apomorphin gesteigert werden
konnte. Bei Pflanzenfressern, die nicht erbrechen, erzeugen
schon kleinste Dosen psychomotorische Exzitation, unwillkür¬
liche und unaufhörliche Kau- und Nagebewegungen und einen
geradezu maniakalischen Zustand. Ganz exzessive Dosen
riefen dann beim Hunde die furchtbarsten cpileptiformen Kon¬
vulsionen hervor, die ich je beobachten k( mite unJ denen d um
das Tier erlag"). Nach n.5 Apomorphinsalz subkutan wurden
binnen 15 Minuten 4U Anfälle gezahlt! Pei Kaninchen toten
schon ungleich kleinere Dosen, und zwar ebenfalls unter Kon¬
vulsionen, gegen die die Narkose schützt.
Nun hat aber Guinard, wie gesagt, beobachtet, d iss
das a m o r ph e Apomorphin, namentlich bei unmittelbarer Ein¬
führung in die Zirkulation, sich von dem kristallisierten we¬
sentlich unterscheidet und aus den angegebenen Gründen viel
gefährlicher ist, insbesondere wegen der Lähmung der Atmung.
Es wäre demnach wohl möglich, dass in einem Teil der obigen
Fälle das verwendete Präparat ein am< rphes ('der ein not
diesem vermengtes war. Das amorphe \;v morphms.il/ kommt
auch bei uns im Mandel vor und ist billiger. Unsere Pharma¬
kopoe schreibt allerdings ausdrücklich Apomorphin, hvdrochlor.
in Kriställchen vor, aber es musste doch wohl noch schärfer
darauf geachtet werden, dass die Präparate durchweg einheit¬
lich kristallisiert sind, zumal die Kristalle oft sehr win/'g sinJ
lind eine Vermischung mit amorphen Körnchen schon leicht
gestatten. Es ist sehr bemerkenswert, dass bald nach Be¬
kanntwerden des Mittels die damaligen englischen Präparate
nach S i e b e r t wie nach Riegel und B o e h m 1# ) prompt
und ohne schlimme Nebenerscheinungen - ausser einem
Schwächegefühl verschiedenen Grades emetisch w irkten,
während das gleichzeitige deutsche Präparat (M e r c k) damals
erst in viel (4-- 5 mal) grosseren Dosen und auch weit zögern¬
der den Brechakt erzeugte. Die emetischen Dosen führten
aber schon sehr kurze Zeit nach Darreichung des Mittels un¬
überwindliche Schlafsucht herbei und später Kollaps von
langer Dauer! Ein zw eites englisches Präparat wirkte da¬
gegen dem ersten englischen gleich prompt und günstig. Das
damalige deutsche Präparat war augenscheinlich ein zum über¬
wiegenden Teil anu rphes, wenn nicht gar noch mit Morphin
verunreinigtes.
Allen den oben geschilderten Fällen gemeinsam war aber
die M u s k e 1 e r s c h I a f i u n g. die sich in meinem Falle bis
zur vollständigen, aber bald wieder weichenden Muskel-
lähmung steigerte. Das führt uns auf die Beziehungen zwischen
A p o m o r p h i n u n d M u s k e 1 I a h m u n g bezw. Hrccli -
a k t und M u s k c 11 ä li tu ti n g.
Experimentell batte ich seinerzeit eine unmittelbare und
selbst ganz lokalisierte Muskellähmung durch Apomorphin am
Kaltblüter leicht wahrnchmcn können; auch am Warmblüter ist
eine Muskelerschlaffung wohl zu konstatieren, aber es lässt
sich hier schwer nachw eisen, w ie sie zu stände kommt. Dass
sie auch beim Menschen vorhanden ist und einen sehr hohen
Grad erreichen kann, beweisen die obigen Fälle ohne Aus¬
nahme. Mehrfach ist auch das Apomorphin gerade dieser er¬
schlaffenden Wirkung w egen als Heilmittel empfehlen wor¬
den. selbst ganz lokalisiert bei lokalen Muskclkrampfcii, z. B.
einem Krampf des M. rcctus abdominis in rem urthJier An¬
wendung. sr dann, wie oben erwähnt, bei puerperalen Konvul¬
sionen etc., in selbst bei Strvchninkrümpfen hat man das Mittel
anzuw enden versucht und nicht ganz ohne Erfolg.
Der Zusammenhang /wachen Brechakt oder riJibger ge¬
sagt Nausea und Wiirgakt einerseits und Muskelschw äclie bis
zum Muskelkollaps andererseits ist längst und allgemein be¬
kannt, aber noch in hohem Grade dunkel. Schon \ nn alters
lier hat man die so erzeugte Muskelerschlaffung praktisch zu
") Vgl. Archiv f. exm-. IV: ■ \ u. I ,; en .-r .. !]J, S. 64.
"’) Riegel und B u h in: W,.v k./’. Mel.. BJ. IX. > Ml
1871.
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Original from
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1871
verwerten gesucht, bevor man die Narkose kannte, z, B. zur
Einrichtung von Luxationen, Reponierung von Hernien etc.
Wahrscheinlich geht die Einwirkung hauptsächlich von der
Magengegend aus (Magennerven), wenn auch vielleicht nicht
ausschliesslich. Versuche an Tieren allein können hier keinen
rechten Aufschluss geben, es müssen daher Erfahrungen und
Beobachtungen am Menschen dazugenommen werden. Wenn
jemand wiederholt und intensiv würgt, so kann er sehr bald
das deutliche Oefühl haben, als würde von der Magengegend
aus etwas in die Nervenverzweigungen hineingepresst, was
diese nach der Peripherie hin durchrieselnd rasch bis zu den
Muskeln gelangt und die letzteren schwach macht. Es sind
nicht nur die Extremitäten, an denen der Effekt dann auch ganz
objektiv hervortritt; auch die Sprechmuskeln z. B. werden ge¬
schwächt, so dass die Sprache plötzlich matt wird und ganz ge¬
dämpft klingt.
Qanz so, wie er empfunden wird, kann natürlich der Vor¬
gang nicht gut statthaben, aber augenscheinlich findet durch
nervöse Vermittlung — was wohl wahrscheinlicher ist als die
durch Vermittlung von Lymphbahnen — eine Einwirkung statt,
die in gleichsam vergiftender Art die Muskelsubstanz selbst
beeinflusst. Bei gewissen Vergiftungen, die zu besonders hef¬
tigem Würgen und Brechen führen (z. B. Digitalis), ist die zu¬
gleich rasch sich steigernde Muskelschwäche besonders deut¬
lich ausgesprochen, aber das Eigentümliche ist eben, dass der
Würgakt au sich, ja in geringerem Grade schon jede Nausea,
ganz abgesehen von einer spezifischen Giftwirkung, durch die
die Nausea erzeugt wurde, die Alterierung der Muskelfunktion
veranlasst. Hier steckt das eigentlich physiologische oder,
wenn man will, physiologisch-pathologische Rätsel.
Bei der Apomorphinwirkung kann, wie wir gesehen haben,
diese Muskellähmung auch beim Menschen einen besonders
hohen Grad erreichen, bis zur kompletten Bewegungsfähigkeit,
also in einem Grade, wie sie durch Würgakt oder gar Nausea
allein niemals hervorgerufen wird. Weshalb hier dieser be¬
sonders hohe Grad der Wirkung? Man kann bei der Apo¬
morphinwirkung Wenigstens für den Kaltblütermuskel leioht
nachweisen, dass der Muskel auf direkte faradische Reizung
immer schwächer und schwächer reagiert und schliesslich gar
nicht mehr. Eine kurareartige Wirkung besitzt das Apomorphin
eigentlich nicht, bei der Kurarewirkung bleibt ja auch die direkte
Reizbarkeit der Muskelsubstanz zunächst erhalten, aber eine
derartige Veränderung der Muskelsubstanz selbst durch be¬
stimmte Gifte (z. B. auch die Kupferdoppelsalze) kann immerhin
für ihr Zustandekommen die Vermittlung des motorischen Nervs,
resp. seiner Endapparate voraussetzen. So verhält es sich
wahrscheinlich auch bei der Muskelerschlaffung durch die Wir¬
kung des Würgaktes, aber es bleibt doch das Eigentümliche
dabei, dass der Endeffekt anders wie bei der Kurarewirkung
— wo zunächst nur die Uebertragung ausgeschaltet wird —
in der Muskelsubstanz selbst si?h abspielt und dass die Funk¬
tion des Muskels sich verhältnismässig schnell wiederherstellen
kann. So lässt sich die Mukelerschlaffung durch den Würgakt
mit einer Art von schnell vorübergehender Vergiftung des
Muskels vergleichen.
Es wäre von hohem Interesse, wenn es bei dieser un¬
zweifelhaft vorhandenen, aber immerhin noch recht dunklen
Beziehung gelänge, festzustellen, ob bei der durch den Würgakt
bedingten Muskelschwäche die direkte faradische Reizbarkeit
der Muskeln beim Menschen nachweislich abnimmt. An ge¬
eignetem klinischen Material würde sich das wohl ohne allzu¬
grosse Schwierigkeit feststellen lassen. Leider hatte die Frage
in allen jenen Vergiftungsfällen durch Apomorphin nicht be¬
rücksichtigt werden können.
Zur physiologischen Deutung jener merkwürdigen Be¬
ziehung könnte man auch vielleicht zu der Annahme geneigt
sein, dass es sich beim Zustandekommen jener motorischen
Schwäche um eine reflektorische Erregung von hemmenden
Einflüssen handle, die auf die motorischen Bahnen ab-
fliessen. Viel wäre dadurch für das Verständnis freilich nicht
gewonnen, und es bliebe insofern immerhin merkwürdig, als
bekanntlich die sekretorischen Funktionen zugleich ge¬
steigert werden. Auch die Annahme wäre wenig wahrschein¬
lich, dass die Muskelschwäche eine Folge von Zirkulations¬
störungen sei; denn sie tritt in gewissem Grade schon während
der Nausea ein, und der Puls ist während des Brechaktes zwar
frequenter und etwas schwächer, aber der Blutdruck in den
Arterien sinkt dabei kaum, es handelt sich wohl im wesentlichen
um AkzeleransreiZung, so dass stärkere Zirkulationsstörungen
zunächst nicht in Betracht kommen. Dagegen muss an den
Muskelkollaps durch starke Stösse oder Schläge auf den Magen
erinnert werden. Die ganze Frage ist von hohem Interesse
auch für die Beurteilung der sogenannten Seekrankheit. Wie
diese auch zustande kommen mag, worüber ja verschiedene
Anschauungen geäussert worden sind: das Würgen und
Brechen dürfte wohl hier, wie bei der Gehirnerschütterung,
direkt vom Gehirn ausgehen, also ähnlich wie beim Apo¬
morphinbrechakt. Die Seekrankheit, die auch in der Eisen¬
bahn etc. vorkommt, wind bekanntlich vielfach nur als eine
zu bespöttelnde betrachtet, an der niemals ein Mensch zu
gründe gehen kann. Sehr zu Unrecht; denn erstens ist es einer
der qualvollsten Zustände, und dann kann sehr wohl jemand
auch daran sterben. Ich habe es an mir erfahren, wie eine
hochgradige, aber nur 1K Stunden dauernde Seekrankheit ein
10 Tage nachdauerndes, heftiges Unwohlsein veranlasste. Ge¬
rade bei der Seekrankheit tritt mit dem unaufhörlichen Würgen
und Erbrechen ein hoher Grad von Muskel schwäche oft äus-
serst rapide ein, der den Kranken völlig hilflos und nahezu
bewegungsunfähig machen kann. Wie ich oben schon erwähnt
habe, nehmen auch die Sprachmuskeln an dieser Schwäche teil,
so dass der Kranke schliesslich fast ausser stand gesetzt wird
sich überhaupt der Sprache zu bedienen. Eigentümlich ist es
auch, dass die bei jedem Würgakt krampfhaft angestrengten
Respirationsmuskeln 'bald so schmerzhaft werden, dass dieser
Schmerz bei jedem Atemzuge noch lange Zeit nachdauern kann.
Dieser nacbdauernde Muskelschmerz kann übrigens bei jedem
heftigeren Krampfe willkürlicher Muskeln beobachtet werden.
Die Respirationsmuskeln verfallen aber, beim Würgakt krampf¬
haft gereizt, der Schwächung glücklicherweise nicht so wie
die übrigen willkürlichen Körpermuskeln; denn sonst würde
überhaupt jedes heftige Erbrechen und zumal die Seekrankheit
in ganz anderer Weise lebensgefährlich sein, als es tatsächlich
der Fall ist.
Wenn daher in einem Teil der oben von mir referierten
Vergiftungsfälle gleich von vornherein die Atmung bedroht war,
so lässt sich das nur aus einer diirekt lähmenden Wirkung auf
das Respirationszentrum erklären, wie sie aber das arzneilich
allein zu benutzende kristallisierte Apomorphin jeden¬
falls nicht besitzt.
Aus der med. Klinik (Dir.: Geh.-Rat Prof. Dr. v. Strümpell)
und der Augenklinik (Dir.: Geh.-Rat Prof. Dr. U h t h o f f) der
Universität Breslau.
Untersuchungen über die Ophthalmoreaktion der Tuber¬
kulose.
2 . Mitteilung.
Von Marine-Stabsarzt Dr. Wiens, kommandiert zur medi¬
zinischen Klinik, und Oberarzt Günther, kommandiert zur
Augenklinik.
In unserer ersten Mitteilung *) konnten wir über 52 Fälle
berichten, in denen wir ein von den Höchster Farbwerken nach
den Vorschriften von Calmette angefertigtes Präparat zur
Anstellung der Reaktion verwandt hatten. Wir haben unsere
Untersuchungen mit verschiedenen anderen Präparaten fort¬
gesetzt und jetzt zu einem Abschluss gebracht. Das Material,
über das wir nunmehr verfügen, umfasst 409 Fälle, an denen
456 Untersuchungen vorgenommen sind. Folgende Präparate
sind von uns verwandt worden.
*) Münch, med. Wochenschr. 1907, No. 52.
3 ) Berl. klin. Wochenschr. 1908, No. 35.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1872
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Zahl der Fälle
| Zahl der
i Untersuchungen
1 Trockenes Tuberkulin, von den Höchster
Farbwerken, nach den Vorschriftai von
balmette aiur<*fV*rtiirt.
52
53
2 Tuberkulin Tost pour Pophthalmoreaktion
(1 proz.), bezogen von Poulenc Fröre« in
Paris.
8
8
3. Tuberkulosodiairnostikura HöclistfO.l pro/,)
11»
17
4. Diairnostikiiin zur Ophtlialmodiairuose nach
W, Iff-Kisner, bezogen vom medizinischen
Warenhaus in Berlin.
100
106
f>. Gewöhnliches Kochsches Alt Tuberkulin
(1 proz) .
233
272
In 114 Fällen ist gleichzeitig die kutane Reaktion nach
Pirquet angestellt worden, worüber Pr. Zicsche an
anderem Ort*) berichtet. Auch die alte subkutane Reaktion
wurde einige Male angewandt, näheres darüber siehe weiter
unten.
Auf die Methodik noch einmal einzugehen, erscheint uns
überflüssig.
Der allgemein üblichen Einteilung folgend, haben w ir die
von uns untersuchten Kranken in drei Gruppen eingeteilt:
a) Klinisch sicher Tuberkulosefreie,
b) Tuberkuloseverdächtige,
c) klinisch sichere Tuberkulosen.
Zu b) sind gerechnet alle Spitzenaffektionen, bei denen
Tuberkelbazillen im Auswurf nicht nachgewiesen sind, ver¬
dächtige Bronchitiden und Pneumonien, Pleuritiden, deren
tuberkulöse Aetiologie wahrscheinlich war, ferner Skrophu-
losen, Drüsentumoren. (Augenkrankheiten s. bes. Uebersicht.)
Zu c) sind gerechnet alle Fälle, in denen Tuberkelbazillen
im Auswurf nachgewiesen werden konnten, oder die klinischen
Erscheinungen die Diagnose Tuberkulose absolut sicher stellen
liessen. Folgende zwei Grade sind unterschieden
I. frischere Fälle mit klinisch günstiger Prognose ur.d
II. mehr fortgeschrittene Fälle mit klinisch ungünstiger
Prognose.
Bemerkt sei hier, dass unser Material mit ganz geringen
Ausnahmen auf Wochen bis Monate langer Beobachtung
beruht.
Lediglich zwischen negativer und positiver Reaktion zu
unterscheiden, w ie es in den bisherigen Arbeiten vielfach ge¬
schehen ist, erschien uns nicht zweckmässig; andererseits
haben wir die von Wolff-iEisncr angegebene Einteilung in
lebhafte oder spezifische Normalreaktion und in schwache (der
Schnellreaktion nicht durchführen können. Wir haben viel¬
mehr folgende Einteilung vorgenommen:
a) Schwere positive Reaktion: stärkere subjektive Be¬
schwerden, schwerere Veränderungen der Konjunktiva mit Be¬
teiligung des Bulbus, von mehr als dreitägiger Dauer.
ß) Positive Reaktion: fehlende, oder ganz geringe sub¬
jektive Beschwerden, Schwellung und Rötung der Conjunctiva
palpebrae inferioris, Schwellung der Karunkel, mehr oder
weniger starke fibrinöse Exsudation, meist geringe Injektion
der Conjunctiva bulbi im Bereich des unteren Lides, Ablauf der
Reaktion nach höchstens 3 Tagen.
y) Fraglicher Ausfall der Reaktion: Rötung der Con¬
junctiva palpebrae inferioris, aber keine deutliche Schwellung,
keine fibrinöse Exsudation, keine Beteiligung der Conjunctiva
bulbi.
<5) Negative Reaktion: Keine Veränderung (der ganz
leichte Rötung der Conjunctiva palpebrae inferioris.
Den fraglichen Ausfall der Reaktion von positiver einer¬
seits, negativer andererseits zu trennen, erscheint uns nu:h
unseren Erfahrungen durchaus notwendig, da namentlich der
weniger Geübte in manchen Fällen ausser Stande sein wird,
ein sicheres Urteil über den Ausfall der Reaktion abzugeben.
Abgesehen von den besonders besprochenen Augen¬
erkrankungen sind die Resultate, d'e w ir mit den verschiedenen
Präparaten gewonnen haben, folgende: (berücksichtigt sind zu¬
nächst nur einmalige Einträufelungen)
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!. Siehe erste Mitteilung.
2. a) 2 Falle: negative Reaktion.
b) 2 Fälle: positive Reaktion.
e) 4 Fälle: 1 I, 3 II; sämtlich negative Reaktion.
Mit diesem Präparat grossere Untersuchungen anzustJLn,
erschien uns nullt zweckmässig. Ja der sehr hohe Preis lerne
Pipette für 1 2 Einträufelungen 1.5(1 Er.) von vorneherem
seine allgemeine Verw ei; Jung verbietet.
3. a) 4 Fälle: negative Reaktion.
h) 7 Fälle: 2 negative. 5 positive Reaktion.
c) 5 Fälle: samtlull II: 4 positive. 2 negativ e Reaktion.
Auch dieses Präparat halten wir wegen sc.t es hoben
Preises (Pipette für 1 j Eu.trank hingen M. 0.75) nicht tut
zw cckmässig.
4. a) 59 Fälle. 56 negative, 2 positive. 1 stark positive Reaktion.
Die beulen positiven Reaktionen betraten ic einen b.i I
von multipler Sklerose mul von (iastritis acuta. die stark
positive Reaktion einen Fall von I Vk artlv ms rbemmitica.
ein M.uklien. das sJmn vorher an KonmnsOv its\ ge.tit*ti
hatte. Mut war nach 16 Minuten Ma-ke R.*tm»g mul
Schwellung Jer Konainktivn palpebrarum und bulbi. vi\»n
starke eitrige >ekretion vorhanden. Nach JA Stunden Zu¬
nahme aller bait/mulimgsei sdieimmveM. 4 4 1 ace b’eb
der Zustand unverändert, dann aiüuah'.iJ:es Aukln eu.
nach 1 J Tagen noch ausgesprochene* Imekti «n der Cou-
junetiv a palp*'brarintt,
b) 2A Falle: du negativ. 3 p isitiv. 1 fragluhe Reakti- n
c) 17 Fatfek. davon II I: n negative. 1 fragliche. 2 p«.s :*v e.
2 stark positive Reaktionen: 6 II: 4 negative. 2 Pov*\e
Reaktionen. In den beiden Fallen von stark positiver Re¬
aktion waren schwere koiiiimktiv.de \ irarul« run.u n vor¬
handen. Welche einmal 5. das andere Mal 14 läge lang a::-
liHt'ti.
5. a) 155 l alle: 14<* negative. Pi fragliche 2 positive 3 st «’V
positive R«alvt|oiu-n. Die beult n positiven Reaktionen be¬
trafen ir einen ha l von akutem < ie'euk r heum.ooomis mul
von Nbtralv itmm. Del den 3 st.uk n>Mtiv*n rWou'i
handelte es sich ie einmal um Di .ifatm crvhs b mp 1 "
• Arterioskierose Inbueu/a In den bei.kn letzten b rVn
bestand bei Anstellung der Reaktion eine leichte Konjunkti¬
vitis.
b) 35 Fall*-; 31 negative. 6 fraglfe he. s o«.s.tiv e R. akn■■nett
c) 22 Fäll**: davon 11 I: 2 negative. 2 ir.m'uhe. 6 P'Sitive.
1 stark positive Rrjktu>n; II II: 9 negative, 2 positive
Reaktion.
In dem Falle mit stark positiver Rvaktbm h uuielte es si h
um eine beginnende Phthise mit Ham. pt e Besonders inf-
fallend war hier die starke Beteiligung der Cntmmctiva bulbi.
Nach 14 Tagen bestand noch ein leichter Reiz/tist in J des Auges.
Eitier gesonderten Besprechung bedürfen die Unter¬
suchungen, die wir bei Augenk ranken \ orgew tmr.eti lnben.
Bei diesen ist die Anwendung der Reaktion ritnrgcmass eine
beschränkte, d i jeder Rei/zust 11 J der Augen die Instillation
von vorneherein verbietet: es c'gmn sieh d 'her im Allge¬
meinen bloss die Falb 1 zur Untersuchung, in denen entweder
nur das eine Auge befallen ur 1 das an Irre rei/b s ist. «ulet m
denen es sielt um tiefliegende Prozesse handelt, die äiisserhch
keine Rei/ersebeimmgen m alten, also namcntluh Affektionen,
die in Zusammenhang mb Allgemeinerkrankangen stellen.
Die Einträufelung wurde bei 21 Kranken \orgemmmtett
und zwar:
a: 5 Falle: negative Reaktion.
I): 13 balle: S negative. I fraglivhe. 3 positive Reaktion.
ei: 3 bähe: 1 negative. 2 positive Reaktion.
e II: 1 Fall: stark positive Reaktion.
Uebcr die Art der Erkrankung gibt die folgende Tabelle
Aufschluss:
(Tabelle siehe nächste Sehe.)
Interessant ist der Vergleich der Ophthalmoreaktion n t
der in b Fällen vorgetiummencn subkutanen Imcktiun \ >n
K o c h scliem AbMiberkiiliu. In 4 Fallen gab diese sclmn am
scltwaclie Dosen eine typische Re ikt. *n mit Tctftpcratur-
steigerung. Kopfschmerzen tisw., walirend J;e k< nimiktivale
Reaktion negativ war. In den beiden letzten Fallen gaben
beide Reaktionen übereinstimmend dasselbe Frgebms. ln
Fall 4 und Fall II bewies die durch eine spater regelrecht
durchgeführte Tuberkiihnkiir er/'e!te Be'seftmg der \uge:i-
arfektirn, dass es sich in der lat um einen tnl'er'-.nl«*scn Pro¬
zess gehandelt hatte, für den :mJi das kl.msJie B.IJ sprach.
OrigiriäTTrom
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1ÖÖ8.
MUENCHENER MEblZINlSCHE WOCHENSCHRIFT.
187.1
1.
Keratitis parenchymatosa.
negativ
Subkutan Alt-
Tuberkulin pos.
2 .
Okulomotoriuslähmung .
—
3.
Stauungspapille, Tumor?.
9
Subkutan pos.
4.
Episkleritis.
»
Subkutan pos.
5.
Keratitis superfic. scrophulosa . . .
6.
Stauungspapille, Tumor?.
positiv
7.
Skleritis u. Tenonitis.
negativ
8.
Chorioid. disseminata.
Subkutan pos.
9.
Empyem der Stirnhöhle.
10.
Juvenile Tabes, Atrophia nervi opt.
11.
Irido-Cvclitis.
positiv
Subkutan pos.
12.
Orbitalkaries.
13.
Atrophia nervi opt., Progr. Paralyse
negativ
14.
Keratitis parench. Iritis plastica . .
positiv
fraglich
15.
Ulcus corneae scrophul.
m
Orbitalkaries.
Bitemp. Hemianopsie, Hypophysis¬
tumor, Atrophia nerv. opt. . . .
positiv
negativ
18.
Iritis tuberculosa, Pericarditis, Pleu¬
Subkutan pos.
H
ritis tub.
Multiple Hauttuberkulide.
stark pos.
positiv
Pirquet pos.
E
Stauungspapille, Tumor?.
negativ
2 U.
Hemeralopie, Phthisis pulm.
21.
Neuritis optica, Sclerosis multiplex .
Klinisch besonders erwähnenswert erscheinen folgende
Fälle: I
Fall 6. 25Jähriges Mädchen mit ausgesprochener Stauungs¬
papille beiderseits; ausser einer leichten Herabsetzung der Sensi¬
bilität auf der ganzen rechten Körperhälfte keine Allgemeinsymptome.
Da die serodiagnostische Blutuntersuchung auf Lues negativ aus-
nel, die konjunktivale Reaktion dagegen positiv, erschien die Ver¬
mutung gerechtfertigt, dass es sich um einen Solitärtuberkel in der
hinteren Schädelgrube handelte.
Fall 14. Bereits 48 Stunden nach Anstellung der Reaktion Ent¬
wicklung von 2 typischen Randphlyktänen in dem vorher völlig reiz¬
losen Auge; Im weiteren Verlauf eine 5 Wochen unverändert fort¬
bestehende Randkeratitis.
F a 11 18. 4 jähriger Junge mit nach Masern entstandener tuber¬
kulöser Pleuritis, Perikarditis, einseitiger Iritis und multiplen Haut¬
tuberkuliden; 6 Stunden nach Einträufelung in das gesunde Auge be¬
reits schwerer Reizzustand, starke eitrige Sekretion. Erst nach
8 Tagen Abklingen der Entzündungserscheinungen.
Eine einmalige Wiederholung der Reaktion ist bei 41
Kranken vorgenomimen worden, nur bei solchen, bei denen die
erste Reaktion negativ war. Die Resultate sind folgende:
A. (Zweite Einträufelung in dasselbe Auge.) Gesamtzahl: 6.
Zwischenräume zwischen den Einträufelungen: 6 Tage = 5 Fälle,
a: 2 negativ, 1 positiv, 2 stark positiv; 2 l /a Monate = 1 Fall,
a: stark positiv.
B. (Zweite Einträufelung in das andere Auge.) Gesamtzahl: 35.
Zwischenräume zwischen den Einträufelungen: 1—7 Tage = 10 Fälle,
8 a: 7 negativ, 1 stark positiv, 2 b: 1 negativ, 1 fraglich; 8—15 Tage
= 20 Fälle, 15 a: 14 negativ, 1 fraglich, 2 b: 2 negativ, 1 c I:
1 negativ, 2 c II: 2 negativ; 16—22 Tage — 4 Fälle, 3 a: 2 negativ,
1 b: 1 negativ; 23—30 Tage = 1 Fall, 1 c I: 1 negativ.
In 3 Fällen ist eine dreimalige Einträufelung vorgenommen:
1. Rückenmarkstumor: 1. Einträufelung rechtes Auge stark posi¬
tiv. 7 Monate später 2. Einträufelung linkes Auge negativ. 21 Tage
Später 3. Einträufelung linkes Auge stark positiv. Abklingen nach
etwa 14 Tagen. 1 Vs Monate später Wiederaufflackern des Entzün¬
dungsprozesses am linken Auge. 2 Monate später noch immer leich¬
ter Reizzustand links.
2. Friedreich sehe Ataxie: 1. Einträufelung linkes Auge nega¬
tiv. 15 Tage später 2. Einträufelung rechtes Auge positiv. 8 Tage
später 3. Einträufelung linkes Auge stark positiv.
3. Lungentuberkulose mit klinisch günstiger Prognose: 1. Ein¬
träufelung linkes Auge negativ. 12 Tage später 2. Einträufelung rech¬
tes Auge negativ. 12 Tage später 3. Einträufelung rechtes Auge
negativ.
Die autoptisch kontrollierten Fälle sind in der folgenden
Tabeile zusammengestellt:
(Siehe nebenstehend.)
Bei der Beurteilung der Resultate glauben wir von der
Gruppe b absehen zu müssen. Das, was die Reaktion leisten
soll (in der Folge der Kürze halber als „Norm“ bezeichnet),
ist negativer Ausfall bei a, positiver Ausfall bei c I, negativer
bei c II. Erst wenn diese Forderung auch tatsächlich erfüllt
ist, können die Resultate der Gruppe b verwertet werden.
Von 256 Fällen der Gruppe a sind positiv bezw, stark positiv
No. 36.
Klinischer Befund
Obduktionsbefund
Zeitpunkt der
2 '
S .
Einträufelung
1
1
Progresse Phthise
Phthis. pulm. tub. ulceros.
ca 1 Monat
neg.
c 11.
ante exitum
2
Multiple Sarkomatoso
Keine Tub.
■ ca 1*/• Monat
neg.
3
Ä.
Carcinosis periton.
Tub pulm. invet. als Neben-
ca l 1 /* Monat
I
bofund.
a. e.
\ neg.
r. 10 Tage später
1
4
Tub. chron. Meningitis
Tub. pulm.
Wenige Tage a. e.
neg.
c II.
Tub. mening. purulent.
5
Lues cerebri
Tub. circumscripta.
1.
} neg.
a.
lob. med. doxtr. als Nebenbefund.
r.
6
Arteriosklerosis, Poly¬
neuritis alcoholica a.
Keine Tub.
Wenige Tage a. e.
neg.
7
Progresse Tuberkul.
Tub. pulm cavemos. ulceros.
1. ca 3 Mon. a. e.
neg.
8
c II.
r. 15 Tage später fraglich
Hyperemesis gravid.
Keine Tub.
1. ca 14 Tage a. e.
Jneg.
a.
r. 6 Tage später
9
Urämie
Keine Tub.
Wenige Tage a. e.
neg.
10
Hodgkin sehe
Tub pulm. Nebenbefund
ca 1 Mon. a. «.
posit.
Krankheit
Todesursache: Sepsis infolge
11
Lungentub. c I.
Erysipel.
Nephritis chron.
a.
Keine Tub.
ay fca3W.a. e.
A \8Tagespät.
Jneg.
12
Myelitis dissem.
Tub pulm. invet
ca 1 Mon. &. e.
neg.
a.
als Nebenbefund.
13
Progresse Tuberkulose
c II.
Progresse Tuberkulose
c 11.
Tub. pulm.
Tub. pulm. cavemos. ulceros.
ca l*/a Mon. a. e.
neg.
14
Keine Obduktion.
ca 14 Tage a. e.
neg.
15
Tub. pulm. Nobenbefund
ca 14 Tage a. e.
posit.
c I.
Todesursache: Gallenblasen¬
karzinom.
16
Progresse Tub. pulm ,
Tub. pulm. cavemos,,
ca 1 Mon a. e.
posit.
hryng. et intestin.
laryng. et intestin.
c II.
c. II.
Zusammenfassung:
Klinischer Befund Zahl der Fälle Reaktion Obduktionsbefund
a 8 neg. 2X Tub. pulm inveterat. als
Nebenbefund.
c I. 2 pos. 2 K Tub. pulm. als Nebenbefund,
eil. 6 5 neg. 6 X Ausgedehnte Tub. pulm. Im
1 pos. Fall ist keine Obduktion ge¬
macht, doch war die Todesursache:
Schwere Tuberkulose, absolut klar.
Von 5 Wiederholungsreaktionen fielen 4 neg, 1 pos. aus.
Das Gesamtresultat unserer Untersuchungen ist folgendes:
Gesamtsumme der Fälle: 409.
14 3 ), die FehlerQuellen betragen also 5)4 Proz. Bedeutend
ungünstiger ist das Resultat bei c I: von 35 Fällen 13 negativ
= 37 Proz. Fehlerquellen. Von 29 Fällen c II sind positiv
8 = 28 Proz. Fehlerquellen.
Die Reaktion ist also in keiner Beziehung absolut zuver¬
lässig, selbst wenn man berücksichtigt, dass unter den schwer
positiven Reaktionen der Gruppe a einige die Folge eines zu
konzentrierten, fehlerhaften Präparats sind, so -bleiben doch
noch einige Fälle übrig, in denen klinisch sicher Tuberkulose¬
freie bei absolut korrekter Anwendung der Reaktion mit einem
ein wandsfreien Präparat positiven Ausfall zeigten. Weit auf¬
fälliger noch sind die Abweichungen von der Norm bei der
Gnuppe c. Zugegeben, dass die Abgrenzung von I und II sjch
nicht immer scharf genug hat durchführen lassen, sing; die
3 ) Um das Resultat möglichst günstig für die Norm zu gestalten,
sind die fraglichen Fälle bei a zu den negativen, bei c’I zu den posi¬
tiven gerechnet worden. '
Z
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1874 MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT._ No. 36.
Fehlerquellen doch derartig grosse, dass von einer Präzision
der Methode nicht die Rede sein kann, infolge dessen erlauben
auch die Resultate der Gruppe b keinerlei Schlüsse.
Dazu kommt, dass in 5 Proz. der Ausfall der Reaktion der¬
artig war, dass wir nicht entscheiden konnten, ob sie im
positiven oder negativen Sinne gedeutet werden musste.
Schliesslich haben wir auch mit einwandsfreien Präparaten
gelegentlich derartig schwere Augenveränderungen bekommen,
dass das Mass dessen, was der Arzt, zumal in der Privat¬
praxis, verantworten könnte, bei weitem überschritten ist. Fs
ist uns nicht gelungen, einen Grund für dieses Verhalten zu
finden. Einige Male trat die stark positive Reaktion im An¬
schluss an eine schon bestehende leichte Konjunktivitis auf,
andererseits haben wir bei Konjunktivitiden leichte oder nega¬
tive Reaktion beobachtet. Es scheint, als ob chronisc h e,
vor allem follikuläre Konjunktivalerkrankungcn für eine
stark positive Reaktion prädestinieren. Jedenfalls haben wir
auch bei sonst reizlosem Auge stark positive Reaktion be¬
obachtet.
Was die Art der von uns angewandten Präparate anbe-
trifft, so ist 1 allgemein als zu konzentriert erkannt worden.
Ueber 2 und 3 können wir wegen der geringen Heobachtungs-
zahlen kein Urteil fällen, wir halten beide für zu teuer zum
allgemeinen Gebrauch, ausserdem erscheint uns die Ver¬
wendung der zugeschmolzenen Pipetten für 1 2 Unter¬
suchungen nicht recht praktisch. 4 uikI 5 sind in gleicher Weise
brauchbar.
Die Zahl der wiederholten Einträufelungen ist zu gering,
als dass wir daraus Schlüsse ziehen könnten, w ir beschränken
uns daher auf die Wiedergabe der Resultate. Der eine Fall,
wo bei zweimaliger Instillation in einem Zwischenraum von
2 t l» Monat in dasselbe Auge, beim 2. Mal schw ere Augenverän¬
derungen beobachtet sind, war von uns in der Weise gedeutet
worden, dass bei der 2. Einträufelung ein Aufflackcrn eines
chronischen Entzündungsprozesses der Kouiunktiva bestanden
und die schwere Reaktion hervorgerufen hätte. In einer Kritik
unserer ersten Mitteilung hat W o 1 f f - E i s n e r diese Ansicht
für falsch erklärt. Wir haben ähnliche Versuche licht wieder¬
holen können und wollen, da das angewandte Präparat unge¬
eignet war, auch die Schwere der Reaktion dies verbot. Mit
Rücksicht auf unsere Erfahrungen, die uns eine stark jm-
sitive Reaktion nach chronischen k o n j u n k t i v a I e n
Reizzuständen mehrfach beobachten Hessen, muss die von uns
ursprünglich gegebene Erklärung ebenso in den Hereich der
Möglichkeit gezogen werden, wie die von \Y o 1 f f - F i s n c r
angegebene Ueberempfindlichkeit.
Auch die Zahl unserer Obduktionsprotokolle erscheint uns
zu einer kritischen Besprechung zu gering. Wir haben eine
ausführliche Mitteilung derselben indessen für zw jckmassig ge¬
halten, um für zusammenfassende Bearbeitungen Material zu
liefern.
Unser Endurteil ist folgendes: Wir halten die Anwendung
der Ophthalmoreaktion in der Praxis nicht für zweckmässig,
da sie einerseits keine ganz sicheren Resultate gibt, andererseits
die Möglichkeit schwerer Reaktionen nie ausgeschlossen wer¬
den kann. In der Klinik wird sie gelegentlich eine Unter¬
stützung anderer Untersuchungsmethoden sein können.
Aus der Akademie für praktische Medizin in Köln (Abteilung
Professor Hochhaus).
Zur Frage der „ohne Mitwirkung'von Tuberkelbazillen“
erzeugten „tuberkulösen“ Veränderungen.
Von Sekundärarzt Dr. G. L i e b e r ni e i s t e r.
In allerletzter Zeit hat Zieler in No. 32 dieser Wochen¬
schrift Untersuchungen veröffentlicht, deren wesentliche Be¬
deutung er darin sieht, „dass auch ohne An w esen-
h eit von korpuskularen (selbst ultramikroskopischen)
Bestandteilen der Tuberkelbazillen, also
allein durch echte Lösungen aus Tuberkel-
bazillen stammender Stoffe das histologi¬
sche Bild der Tuberkulose erzeugt werden
kann“. Er zieht diesen Schluss aus Beobachtungen bei
Impfungen nach v. Pirquet: er fand häufig „D aucr-
r e a k t i o n e n‘* in der Nähe der Impfstelle; diese Dauer-
rcaktioncii Hessen echte histologisch tuberkulöse \ eran.de-
ruiigeu erkennen. Sehr charakteristisch s.nd die luberkel-
knotchen im Verlaufe der Geiässe und zwar besonders der
Venen.
Der Autor glaubt nun — und er sucht durch exakte Ver¬
suche mit Dialysatcn von Tuberkukncn und von Tuberkel-
bazillenkulturen seine Ansicht zu stutzen —, dass „für die Ent¬
stehung dieser weit über den Impfstich hmausre; eilenden
Datierreaktionen nur geloste, dmusioiiM. luge Stoffe (Toxine im
weitesten Sinne) verantwortlich gemacht wer Jen konnten“,
und er weist auf die klinische und biologische Wichtigkeit
dieses Befundes hin.
Diese Deutung der DntersuJiungsresultatc wird auf viel¬
fachen WiJerspruch stossen. Die m der Literatur nieder-
gclegten zahlreichen experimentellen Untersudumgen von den
\ erscliicdcnsteu Autoren machen es sehr w ahrsJieii.li Ji. dass
die geiosten, diffiisionsfahigeii Stoffe der Tüberkelba/ilie n, auJi
wenn sie in grossen Mengen em\er!eibt werden, keine histo¬
logische Tuberkulose verursachen. Die wenigen Unter-
suchungsrcsuliatc, die zu anderen Ergebnissen geführt hatten,
wurden bisher \oii den besten Kennern der Lxpcrriie utahuber-
kulose meist dahin gedeutet, dass eben doJi suspendierte Ba-
zillentitimmer mit verimpft worden sind. Die Z i e 1 c r selten
Untersuchungen sind in dieser Richtung v oll k om¬
ni e n e i u w a u d i r e i angestellt.
Dagegen vermisse uh m der Arbeit eine Aeiisserui.g da¬
rüber, ob 1 ktuerreakiioiu n mit dem lnsp»j« -gisJien Bau der
Tuberkulose je auch bei Menschen, die sicher frei von tuber¬
kulösen Erkrankungen waren, beobachtet worden sind. So¬
lange die Resultate nullt auch m dieser Richtung einwandfrei
sind, können wir uns der Erklärung der Befunde nicht an-
schliessen. Bei dem Fehlen einer Aeiisserung über d.esen
Punkt nehme ich an. dass die Befunde bei Individuen mit
iigend welchen tuberkulösen Erkrankungen erhoben worden
sind, wenigstens habe ich bisher „Dauerreaktionen“ nie bei
nicht tuberkulösen Menschen beobachten können, uh glaube
auch nicht, dass das je gelingen wird.
Sind aber die Befunde au Tuberkulosekranken
erhoben, so wird die oben aiigiiuhrtc Deutung aufs
schlagendste* widerlegt durch d;e Ergebnisse von Unter¬
suchungen, du* ich seit mehr als 2 Jahren im Gang habe, und
über deren Resultate ich zum Teil auf dein 24. Kongress für
innere Medizin in Wiesbaden kurz beruhtet habe. Lh fasste
damals meine Uulcrsiuhungsresnkute folgen Jermasseit zu¬
sammen :
»Bei der Lungentuberkulose findet mau, ohne dass es zur
akuten Miliartuberkulose zu kommen braucht, in den späteren
Stadien intra vitam T u b e r k e 1 b a z i 11 e n in der
B 1 u t b a li n.
In L e i c Ii e n o r g a n e n, welche keine Tuberkel, wohl
aber \ erändcrungen aufw c.scri, die man bisher als toxisch
am fasste, lassen sich virulente --- wenigstens für Mecr-
sehw cinchen \ iruleiite — I u b e r k e I b a z i 1 1 e n nacliw eisen.
Der Oigamsmtis der Tuberkulosen scheint demnach in den
späteren Stadien der Erkrankung in viel weitergehendem Masse
mit I iiberhelbaziflen durchseucht zu sein, als wir bisher an-
nahmeii.“
leh berichtete speziell aruh über ttibe rke Ibazdlcnlialtige
Uautv eilen: „Meine Aiiiuk rks.uiikeil lenkte ich zuerst aut
eigentümliche \ eränderiingen der mitteigrossett II a u t v e n e u
an den Extremitäten. Wir beobachteten diese Veränderungen
zuerst an einem Jii jährigen Phthisiker, bei dem sich unter
Rötung und Schmerzhaftigkeit im \ erlaufe der Ihmtv eilen an
den beiden Armen eine subahnte Phlebitis ohne Oedeme ur.d
ohne 'Ihrombeiibddiiiig entwickelte. In einer Reihe von
anderen Lallen waren die böigeZustände dieser Phlebitis
bei I u b e r k ti 1 o s c n klinisch an dt r \ erdukurg und \ er-
härtung der Ycnciiwaud kenntlich. ILst«.gisdi findet nun
in solchen Venen eine sehr starke Verdickung der Wandung
infolge von Wucherungen der Inreiisc.h.Jit in \crb;nJu:;g mit
hochgradiger Hyperplasie der muskuläre:: und bindegew ebigeti
LJcmeiite der Muskularis und reichlicher \ entlehn:ng f und Nui-
b.ldutig der adve nt. hellen kleinsten 1 ieOssclien. .Meine Unter-
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
suchungen auf Bazillen in derart veränderten Venen sind bis
jetzt in 5 Fällen abgeschlossen. In allen 5 Fällen war durch
das Tierexperiment der Nachweis der Bazillen mit Sicher¬
heit zu erbringen. Dabei waren nirgends in diesen Venen¬
wandungen Tuberkel oder tuberkelverdächtige histologische
Bilder zu finden“*).
Die weitere Fortführung meiner Untersuchungen hat eine
volle Bestätigung meiner damaligen Resultate ergeben: Im
ganzen haben von 8 Venenimplantationen 6 eine
Impftuberkulose ergeben. Durch Verimpfung von
Blut von mehr oder weniger schweren Tuberkulosen Hess
sich bisher bei 16 Fällen der Tuberkelbazillus
in der Blutbahn dieserKranken nachweisen. Einige
dieser Fälle waren sogar zu den leichteren Tuberkulosen zu
rechnen.
Zieler hat bei Anstellung seiner Versuche exakt ver¬
mieden*, dass mit dem Impfmaterial Bazillen oder
deren Trümmer mitverimpft wurden, er hat aber nicht mit
den im Körper seiner Patienten vorhandenen
Bazillen gerechnet.
Schon lange kennt man bei der subkutanen Tuber¬
kulineinspritzung die lokale Reaktion in tuberkulösen Herden
und deren Umgebung; klinisch ist diese besonders deutlich bei
der Lungentuberkulose und vor allem bei Lupus nachweisbar.
Auch experimentell sind diese Reaktionen an tuber¬
kulösen Organen und in deren Umgebung
häufig studiert worden.
Es ist ausgeschlossen, dass die Bruchteile eines
Tropfens von gelösten, diffusionsfähigen Stoffen der Bazillen,
die bei der v. P i r q u e t sehen Reaktion zur Wirkung kommen,
für sich allein echte histologische Tuberkulose machen, die
sogar bis zu VA Monaten (in einem Falle) nachweisbar ist.
Nach meiner Ansicht und in Uebereinstimmung mit meinen
Befunden handelt es sich bei diesen Dauerreaktionen
um ganz ähnliche Erscheinungen wie bei der Reaktion der
echten Tuberkuloseherde und ihrer Umgebung auf subkutane
Tuberkulineinspritzung. Die von mir — wenigstens bei
Lungentuberkulose — häufig im Blut und in den Venen¬
wandungen nachgewiesenen relativ „latenten“ Tuberkel¬
bazillen werden durch das Tuberkulin gewissermassen akti¬
viert und können so zu echter histologischer Tuberkulose
führen. Für diese Erklärung spricht ganz besonders auch
die Lokalisation der von Zieler gefundenen
Tuberkelknötchen im Verlauf der Blutge¬
fässe.
Gerade in dieser Richtung scheinen mir die
Zieler sehen Befunde besonders wichtig zu sein, weil
C o r n e t (24. Kongress für innere Medizin 1907, S. 190) gegen¬
über meinen Resultaten den Einwand erhoben hat, die von mir
als für Meerschweinchen virulent nachgewiesenen Ba¬
zillen seien nicht vollvirulent für den. Menschen. Cor net
betonte damals, der Beweis, dass diese Bazillen für den Men¬
schen virulent seien, werde aus begreiflichen Gründen wohl
überhaupt nicht mit Sicherheit zu erbringen sein. Dieser Be¬
weis wird aber durch Zielers Beobachtungen erbracht,
die in dieser Beziehung eine schöne Bestätigung und
Erweiterung meiner Untersuchungsresultate bilden. —
Dass dialysierbare, aus den Tuberkelbazillem stammende Stoffe
fähig seien, für sich allein echte tuberkulöse Strukturen zu
zu erzeugen, wird sich auf dem von Zieler eingeschlagenen
Wege nicht einwandfrei beweisen lassen.
Die Aufgaben der modernen Orthopädie.*)
Von Dr. med. Hans v. Baeyer, Privatdozent.
M. H.l Es ist ein schwieriges Unternehmen, die Aufgaben
der modernen Orthopädie zu schildern, weil der Begriff der¬
selben nicht genau feststeht. Die Unklarheit, die in dieser
Beziehuhg herrscht, hat sich erst vor kurzem nach dem Tode
J ) Verhandl. d. 24. Kongresses f. innere Medizin, Wiesbaden 1907,
S. 180 ff. Vergl. auch die soeben erschienene v. Baumgarten-Fest¬
schrift, Leipzig 1908. Die ausführliche Arbeit wird in kürzester Zeit
erscheinen.
*) Probevorlesung, gehalten am 29. Februar 1908.
1875
Hof fas kundgegeben, da gegen den Wunsch der medi¬
zinischen Fakultät die Stelle der Orthopädie wieder besetzt
werden sollte.
Aber selbst auch aus den Reihen der Orthopäden sind
Stimmen laut geworden, die in bezug auf dies Thema ganz
verschiedene Ansichten vertreten.
Lorenz in Wien reklamiert für die Orthopädie in einer
aufsehenerregenden Abhandlung das ganze Gebiet derjenigen
Chirurgie, die sich mit den Erkrankungen des Bewegungs¬
apparates befasst. Er schildert in drastischer Weise, wie ein
Stein nach dem andern von dem mächtigen Bau der grossen
Chirurgie abbröckelt und er prophezeit, dass es einstmals
heissen wird:
Die Chirurgie ist tot, es leben die Chirurgien!
Ein anderer Führer auf dem Gebiete der Orthopädie,
Vulpius in Heidelberg, vertritt einen völlig anderen Stand¬
punkt, welcher der Wirklichkeit und der Entwickelung dieses
Faches Rechnung trägt. Seine persönliche Ansicht geht dahin,
dass die grosse chirurgische Klinik ihr ganzes Gebiet um¬
spannen und zur Lehrerörterung bringen, also demonstrieren
muss; dass aber der Detailausbau und die Verbreitung der
Detailkenntnrsse der Orthopädie in den Händen des Spezialisten
liegen sollen. An den grossen Universitäten wünscht er eigene
Institute für Orthopädie, in kleinen eine enge Angliederung an
die chirurgische Klinik.
Die Aufgaben der Orthopädie fasst er vom Standpunkte
H o f f a s auf und beschränkt im grossen und ganzen das Ge¬
biet der Orthopädie auf die Erkenntnis, Beurteilung, Verhütung
und Behandlung der erworbenen und angeborenen Deformi¬
täten des Körpers, die sich in letzter Linie als - Gestalts- und
Stellungsabweiohungen des Skelettsystems äussern.
Wenn wir uns nun fragen, wie es kommt, dass sich schon
verhältnismässig so lange dies Gebiet aus der grossen
Chirurgie in so weitgehendem Masse spezialisiert hat, so
müssen wir selbstverständlich vor allem die Geschichte dieses
Zweiges an unseran Auge vorüberziehen lassen. Wir werden
dann auch den Grund dafür finden, warum die Aufgaben der
modernen Orthopädie nicht in der ganzen Chirurgie des Be¬
wegungsapparates gegeben* sind und nur einen Teil davon
betragen.
Nachdem Mitte des XVIII. Jahrhunderts der Franzose
Andry zwei Bände über „die Kunst bei den Kindern die
Ungestaltheit des Körpers zu verhüten und zu bessern“ heraus¬
gegeben und diese Kunst mit dem Namen: Orthopädie belegt
hatte, widmete sich eine grosse Anzahl von Aerzten diesem
Zweige der Medizin.
Es erwies sich bald als vorteilhaft, die Kranken in eigenen
Anstalten unterzubringen, weil nur hier die damals aus¬
schliesslich angewandten mechanischen Behandlungsmethoden
Zweckentsprechend durchgeführt werden konnten.
So entstand in Orbe 1780 die erste orthopädische Heil¬
anstalt, gegründet durch den Schweizer Arzt V e n e I. Das
nächste derartige Institut, das zugleich zu einem musterhaften
Vorbilde wurde, rief Johann Georg Heine in Würzburg ins
Leben, 1821. Es folgten nun in allen Ländern eine grosse An¬
zahl orthopädischer Neugründungen. Im Verlauf der Zeit
fanden allmählich auch wieder chirurgische Eingriffe in diese
Anstalten Eingang und damit erwachte bei den Chirurgen neues
Interesse für die Behandlung der Deformitäten. So betätigen
sich in der Folge Chirurgen und Orthopäden auf ein und dem¬
selben Gebiet.
Eine Pause trat ein durch die Aibeiten von L i s t e r. Als
er auf Grund von Experimenten Pasteurs eine neue Epoche
in der Chirurgie inauguriert hatte, öffneten sich dem Chirurgen
ungeheure neue Arbeitsfelder. Er suchte natürlich zuerst die¬
jenigen Erkrankungen mit dem Messer zu bekämpfen, die das
Leben der Kranken bedrohten. Ferner lockten ihn die, Ge¬
biete, auf denen schneller Erfolg zu erwarten stand. Die
Heilung und Behandlung der Deformitäten traten in den Hinter¬
grund, teils, weil sie nicht dringend ärztlicher Hilfe bedurften,
teils, weil sie viel Zeit und Mühe erforderten.
Erst seit ungefähr 20 Jahren wandten sich einige wenige
Chirurgen wieder diesem eine Zeit lang vernachlässigten
2 *
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1876
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .Vv
Zweige zu un-d Hessen ihn dadurch, dass sie die moderne
Chirurgie auf ihn übertrugen, zu neuem Leben erwachen:
Das sind die modernen orthopädischen
Chirurgen. Sie treiben die alte mechanische, unblutige
Orthopädie weiter, aber sie scheuen sich auch nicht, durch
grosse operative Eingriffe ihren Kranken zu helfen. Ihr Arbeits¬
feld liegt auf dem Gebiet der Chirurgie des Bewegungs-
apparates, aber im grossen und ganzen nur, wie wir sahen,
insoweit, als es sich hier nicht um Erkrankungen handelt, die
chirurgischer Hilfe dringend bedürfen oder die üusserst lang¬
wierige oder besondere technische Hilfe beanspruchen.
Die Abgrenzung der Orthopädie von der Chirurgie ist also
nicht scharf zu ziehen, denn weder die Art der Erkrankungen
noch die Konzentration auf ein bestimmtes Organsystem, noch
die Methodik trennen die beiden Gebiete.
Ich möchte nun nicht Ihre Zeit damit in Anspruch nehmen,
dass ich alle diejenigen Aufgaben der modernen Orthopädie im
Einzelnen schildere, die aus der Praxis heraus an den Ver¬
treter dieses Faches gestellt werden, sondern ich werde nur
die hauptsächlichsten Gruppen herausgreifen und hierbei nur
davon sprechen, inwieweit die Lösung der praktischen Pro¬
bleme gelingt.
Am wenigsten ermutigend scheint die Pehandlung der
Wirbelsäulenverkrümmungen zu sein. Dieser Pessimismus
trifft zu, "wenn die Skoliose ins Stadium der Versteifung ge¬
treten und der Patient erwachsen ist. Beginnende Verkrüm¬
mungen bei Kindern dagegen lassen sich nicht nur in ihrem
Fortschreiten aufhalten, sondern auch in vielen Fällen dauernd
beseitigen.
Grossartig sind die Erfolge bei der Behandlung der ange¬
borenen Hüftgelenksverrenkung zu nennen, denn wenn die
daran Leidenden frühzeitig dem Arzte gebracht werden, so
lässt sich fast immer eine völlige Heilung erzielen, zum min¬
desten in funktioneller Beziehung.
Die rhachitischen Verbiegungen sind entweder unblutig
oder blutig der Therapie zugänglich.
Zu den dankbarsten Gebieten der Orthopädie gehören die
Beschwerden, die man unter dem Sammelnamen Platttuss zu-
sammenfasst.
Die orthopädisch-konservative Behandlung der Knochen-
und Gelenktuberkulose erw irbt sich immer mehr Anhänger auch
unter den Chirurgen. Die hieinit erzielten Erfolge, besonders
bei Kindern oder in leichteren Fällen bei Erwachsenen recht-
fertigen das Verfahren. Buckel bi klung bei Tuberkulose der
Wirbelsäule lässt sich verhüten oder, wenn die Erkrankung
noch nicht zu lange bestanden hat, wieder beseitigen.
Auf die Therapie und die hiedurch erzielten Resultate bei
Lähmungen werde ich später zurückkommen.
Bei der Behandlung der zum Teil angeführten Erkran¬
kungen ist es nun oft erforderlich, eigenartige Apparate zu
konstruieren und anzuwenden. Es bildete sich somit eine be¬
sondere Technik heraus, die lange Zeit ausschliesslich durch
die Bandagisten betrieben wurde. Neuerdings haben sich aber
auch hier die Orthopäden praktisch betätigt und konnten da¬
durch, dass sie die Verarbeitung des technischen Materiales zu¬
gleich mit der Kenntnis der Erkrankung beherrschten, manches
neue wertvolle Rüstzeug liefern. Ausser den kleinen porta¬
tiven Apparaten entstanden dadurch viele der grossen Ma¬
schinen, die sie aus den modiko-mechanischen Sälen kennen.
Aehnlich verhält es sieh mit der Massage, die, früher von
Nichtärzten ausgeiibt, heute von jedem Orthopäden in kunstge¬
rechter Ausführung zu verlangen ist.
Dadurch nun, dass dem Orthopäden in diesen technischen
Dingen eine grössere Fertigkeit zukommt, w ird sein Rat und
seine Hilfe auch in anderen Zweigen als in der Chirurgie ge¬
schätzt; vor allem mehren sich die Gelegenheiten, wo der
Internist die Unterstützung des Orthopäden anruft. Ich er¬
innere nur an die Entlastimgsapparate bei Ischias und Tabes,
an all die verschiedenen Behandlungsarten bei Lähmungen und
ferner an die mechanische Therapie der Gelenkerkranktmgen
gonorrhoischer und rheumatischer Natur. Den grössten Dank
erntet der Orthopäde von denjenigen Kranken, die infolge von
chronischem Gelenkrheumatismus und den daher stammenden
winkligen Gelenkversteifungen für ihr Leben an das Bett ge¬
fesselt sind und weder stehen noch gehen können. Durch ein¬
fache Schienen lernen diese unglücklichen Menschen wieder im
aufrechten Stand ihr Gleichgewicht zu wahren, und nach we¬
nigen Wochen oft sind sie fällig, mit Hilfe von Stocken zu gehen.
Ja selbst die Schienen werden nach nicht langer Zeit über¬
flüssig und der Kranke vermag, mit entspreche»'.Jen Schuhen
versehen, selbst Treppen zu bewältigen.
Ausser der Bchei:Jlung vorhandener Erkrankungen sind
dem Orthopäden auch \ crpilichlangeii auierlegt, die einesteils
in der V erhütung der in sein Euch eins.niägigen Erkrankungen,
anJernteils in der Fürsorge für unheilbare Kranke, in der Mil¬
derung des Kriippelelendes bestehen. Emen T eil aus der Pro¬
phylaxe auf orthopädischem Gebiet betreffen Fragen, die ge¬
rade in letzter Zeit allgemeineres Interesse beanspruchten: cs
sind die Forderungen hygienischer Kleidung, geeigneter Sclml-
mobel, Schulhaltung und vermmltgemässer KorperansbiiJung
durch systematisches Turnen oder freies Bewegen in der
Natur.
Fug verbunden mit den prophylaktischen Bestrebungen
scheinen mir die Aufgaben zu sein, die an den Unter»icht in
der Orthopädie gestellt werden müssen. Denn man kann vom
praktischen Arzt nicht verlangen, dass er die ganze ortho¬
pädische Technik beherrscht; er muss mir in der Diagnose be¬
sonders der Anfangsstadien einige Sicherheit haben. Der Arzt
drausseu braucht, nicht die Orthopädie zu können, er muss
aber die Erkrankungen e r k e n n e n. Dann lassen sich zwei¬
fellos eine Unmenge von schweren Verkrüppelungen verhüten.
Soweit die Aufgaben, die in der (iegenw art von den
Orthopäden allenthalben mit mehr oder weniger Erfolg be¬
wältigt werden. Gestatten sie nur, dass i.h auch einen Bluk
in die Z u k u n f t werfe und mich auf das Prophezeien verlege.
Welches ist wohl die nächste Aufgabe m der Orthopädie,
die für die Praxis einen wesentlichen SJiritt vorwärts be¬
deutet? Ich will nicht Lorenz folgen imd man die gesamte
Chirurgie des Pew egimgsapparates für die Orthopäden bean¬
spruchen. Bleibe du Orthopädie lieber ihren Traditionen treu
und suche sie neue Felder aut dein Gebiete der menschlichen
Mechanik zu bebauen.
Am vielversprechendsten scheint mir die Peaibeitung Jer
Nerveiiplastiken zu sein. Die Anfänge smJ hier gemacht und
auch einzelne praktische Erfolge gemeldet. Die ersten Ir.erner-
gehorigen Versuche stammen aus Frankreich v»n Letie-
v a »l t 1N7.L Neuerdings hat sich Spitzy dieses Gebietes
angenommen. Fs handelt sich bei diesen Plastiken tim Ver¬
pflanzung eines Nerven auf einen anderen bei Lähmungen infolge
spinaler Erkrankungen. Die Methoden unterscheiden sieh da¬
durch, dass der eine Autor den gesunden Nerven zum Tul auf
den funktionsunfähigen überträgt, wahrend andere gerade ent¬
gegengesetzt Vorgehen.
Bisher half man sich bei diesen Lähmungen mit Sehnen¬
plastiken. Durch diese Metln Je können, wenn noch einige
Muskeln erhalten sind, die Defekte zum T eil w leder ausgeglichen
und unter Umständen die wichtigsten ausgef dienen Funk¬
tionen in dem durch die Lähmung beeinflussten Gelenk wieder
hergestellt werden. Besonders durch die Arbeiten von L a n g e
(München) erreichte dieses Gebiet einen hohen Grad von Voll¬
kommenheit. Er zeigte, dass lange seidene Bimdel. am Muskel
befestigt, sich mit echtem Sehnengewebe umgeben und dann
dauernd die Funktion einer wahren Sehne übernehmen können.
Ferner konnte er durch die Methode der periostalen Sehnen-
anheitung viel bessere Erf< !ge erzielen, weil nun vor allem du
Wahl des Sehneiiansatzes am Skelett freistand. So lassen suh
zu in Beispiel bei drei erhaltenen Muskeln am Unterschenkel
nach erfolgter Sehnenplastik die w e^eiijlkhsten Bewegungen
mit dem Fnss ausfuhreii.
Es berührt aber den Operateur immer sJrner/ÜJi. wenn
er bei diesen Sehnenplastiken die gelahmten Mukein ganz ans¬
schalten oder unbenutzt liegen lassen muss. Svhmerzluh des¬
halb, weil ihm bekannt ist, dass diesen gelahmten Muskeln
höchste Regenerationskraft innew olmt. sobald sie nur mit
einem gesunden Zentrum in leitende Verbindung gebracht sind.
Dieses Anschlüssen der Muskel an das Zentralnervensystem
ist, wie schon erwähnt, in einigen Eulen gelungen.
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8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1877
Hier gilt es also, die Methoden weiter auszubilden, denn
wenn die Nervenplastik bei der essentiellen Kinderlähmung
gelingt, so kommt man der völligen Wiederherstellung der
vierlorengegangenen Funktionen sicher näher, wie mit der
idealsten Sehnenplastik.
Bevor sich aber der Orthopäde an dieses Arbeitsfeld
macht, muss er beim Physiologen in die Lehre gehen und sich
mit der Physiologie der Nerven vertraut machen. Der alte
Streit über die Neuronenlehre, der heute wieder einmal zu ihren
Gunsten steht, hat viel neues Material zu tage gefördert, das für
die Nervenplastik von grösster Bedeutung ist.
Vor allem muss hierbei der Orthopäde eingedenk sein, dass
die Nervenfaser lebt und nicht nur ein toter Leitungsdraht ist.
Jeder Zweifel hieran ist ausgeschlossen, seitdem es mir ge¬
lang, einwandsfrei nachzuweisen, dass das Geschehen in der
Nervenfaser vom Sauerstoff abhängig ist, d. h., dass sie atmet.
So gelingt es in einem sauerstcfffreiem Medium den Nerven
zu ersticken* es erlischt seine Fähigkeit zu leiten cder Reize
aufzunehmen. Durch Sauerstoffzufuhr stellen sich die Funk¬
tionen wieder in kürzester Zeit her. Bei diesen Experimenten
kam auch die seit langem gesuchte Ermüdbarkeit zur Beob¬
achtung.
Kennt man diese Tatsachen, so wird man sich davor hüten
Nerven bei Plastiken in kaum permeable Hüllen zu legen und
ihm also die Aufnahme von Sauerstoff zu erschweren.
Nach dieser kurzen Uebersicht über die Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft der praktischen Orthopädie erscheint
es mir angezeigt, auch noch der theoretischen Aufgaben zu ge¬
denken. Denn man muss vom Vertreter eines praktischen
Faches, zumal wenn er an Universitätsanstalten tätig ist, ver¬
langen, dass er am Fundamente seiner Disziplin mitarbeitet,
dass er die pathologische Anatomie und pathologische Physio¬
logie angewandt .auf sein Arbeitsfeld treibt.
Es gibt hier natürlich eine Unmenge von Fragen und Auf¬
gaben. Indem ich sie in ihrer Gesamtheit übergehe, will ich
nur zwei Probleme, die mir die Grundlage für die moderne
Orthopädie zu bilden scheinen, kurz streifen. Das eine
Problem lautet: der normale und der kranke Knochen. Die
vielen Arbeiten die über dieses Thema geliefert worden sind,
haben auch für die Praxis manche Frucht gezeitigt, ich erinnere
nur an die Arbeiten von Julius W o 1 f f über die Struktur der
Knochen. Verhältnismässig wenig wissen wir noch über die
Physiologie des wachsenden Knochens. Das günstigte Objekt
hierfür wäre wohl ein Knochen, an dem weder Muskeln in¬
serieren noch inkonstante Kräfte einwirken. Auf der Suche nach
einem derartigen Knochen kam ich auf den knöchernen Zapfen
im Horn des-Rindes. Bei noch nicht erwachsenen Tieren sieht
man im Röntgenbilde fast parallel verlaufende Trajektorien, die
in ihrer Anordnung gewisse Aehnlichkeit mit den Haaren eines
Fuchsschwanzes haben. Querstrukturen fehlen, ausgenommen
an der Spitze des Zapfens. Da nun am Horn weder Muskeln
änsetzen noch Belastung im gewöhnlichen Sinne fehlt, so könnte
man meinen, dass die mächtigen Knochenzüge infolge der spä¬
teren Funktionen des Hornes, d. h. um als Stosswaffe zu dienen,
durch Vererbung angelegt werden. Diese Deutung trifft aber
nicht zu, denn beim ausgewachsenen Tier ist der auffallende
Bau verschwunden und macht eingewachsenen Vakuolen Platz.
Man kann also am Knochenzapfen des Rinderhornes wohl in
reinster Form das Wachstum der Knochen beobachten und
untersuchen.
Eine weitere theoretische, heute schon teilweise in die
Praxis übertragene Aufgabe betrifft das Verhalten von Fremd¬
körpern im Organismus. In meiner Habilitationsschrift habe
ich versucht einen Beitrag hiezu zu liefern. Das wichtigste
praktische Ergebnis aus dieser Arbeit und aus den Angaben
anderer ist, dass die Fremdkörper im allgemeinen nicht dazu
benützt werden können, Funktionen im Organismus zu über¬
nehmen. Sie können nur dazu dienen, das Wachstum in be¬
stimmte Bahnen zu leiten. Wie dies unter Umständen ge¬
schehen kann, zeigt das Ergebnis eines Versuches, das, wenn
es sich bestätigen sollte, auch für das Verständnis der Elektro¬
therapie von grösster Bedeutung wäre. Es handelt sich um
den richtenden Einfluss der Elektrizität auf die Bindegewebs-
körperchen. Es wurde einem Tier ein elektrisches Element,
bestehend aus einer Kupferwalze, die in der Mitte mit einem
Zinkmantel umgeben war, einverleibt. Auf den mikroskopi¬
schen Schnitten der Kapsel, die sich um diesen Fremdkörper
gebildet hatte, sieht man nun die Bindegewebskörperchen und
die Fibrillen in zwei halbkreisförmigen Systemen angeordnet,
die an die bekannten magnetischen Kurven erinnern.
Ich bin am Schluss. Wir sahen also, dass die Aufgaben
der Orthopädie von altersher auf jenen Gebieten der Be¬
wegungschirurgie lagen, die aus äusserlichen Gründen
von der grossen Chirurgie nicht gepflegt wurden. Möge
die Orthopädie auf diesem Wege fortfahren und nicht der
Chirurgie ausgebaute Felder zu entreissen suchen. Ich hoffe,
dass die kommende Orthopädie neue Probleme aus der Patho¬
logie menschlicher Mechanik aufsucht und hier Erfolge erzielt,
durch die sie den Krummen und Lahmen Heilung bringen kann.
Ueber eine Schraubvorrichtung zur Heilung des Knie¬
scheibenbruchs.
Von Dr. B e 11 m a n n, Spezialarzt für Chirurgie und Orthopädie
c in Leipzig.
Es ist keine Frage, dass in dem noch immer fortdauernden
Streit über die Behandlung der Kniescheibenbrüche die opera¬
tiven Methoden mehr und mehr Anhänger gefunden haben,
hingegen die konservative Behandlung eingeschränkt worden
ist, obwohl letztere sicherlich für viele Fälle noch zu vollem
Recht besteht und bestehen bleiben wird. Allgemein dürfte
jetzt der Grundsatz zu befolgen sein, dass alle Knie¬
scheib enbrüche mit erheblicher Streckläh¬
mung oder erheblicher Streckschwäche und
solche mit klaffenden Bruchstücken operativ
zu behandeln sind. Diesem von Thiem [l] aus¬
gesprochenen Grundsatz schliessen sich heute wohl die meisten
Chirurgen an.
Was nun die Operationsmethcde selbst anlangt, so ist,
nachdem die Ma 1 g a i g n e*sche Klammer und ähnliche Vor¬
richtungen mit Recht verlassen worden sind, bisher ganz all¬
gemein die Naht in irgendeiner Form in Verwendung, sei es als
offene direkte Naht der Bruchstücke, sei es als subkutane oder
als — wie ich sie nennen möchte — subkutan-transkutane Naht.
Es kann hier nicht der Ort sein, auf die Technik aller dieser,
zum Teil höchst sinnreich ausgedachter Nahtmethoden im ein¬
zelnen näher einzugehen. Möge sie nun in dieser oder jener
Form geübt werden, so bleibt es keine Frage, dass die Naht
für viele Fälle durchaus befriedigende Resultate gibt. Ebenso
fraglos ist es aber auf der anderen Seite, dass der Naht nicht zu
unterschätzende Mängel anhaften.
In erster Linie käme hier die oftmals doch nicht genügende
Fixation der Fragmente in Betracht, die namentlich dann zu
befürchten ist, wenn, wie in älteren Fällen, die Bruchstücke
durch Schrumpfung des Quadrizeps schon stärker auseinander¬
gewichen sind oder hierzu das Bestreben haben, die Naht in-
lolgedessen, vorausgesetzt, dass die Bruchstücke zur Be¬
rührung gebracht werden, einen relativ starken Zug auszuhal¬
ten hat. Diesen Anforderungen ist insbesondere die Silber¬
drahtnaht nicht genügend gewachsen. Die relativ doch noch
recht häufigen Refrakturen beweisen dies, man kann auch im
Röntgenbild bei der Silberdrahtnaht des öfteren ein Ausein¬
anderweichen der Fragmente beobachten. Der Grund hier¬
für liegt darin, dass der Silberdraht nicht biegsam genug
ist, auch nicht hinreichend stark zusammengedreht werden
kann, um ein Nachgeben zu verhindern. Ausserdem fand
v. Brunn [2] bei Nachuntersuchungen, dass die Silberdraht¬
schlinge durchgehends zerbrochen und zerbröckelt war. Er
verwirft deshalb die Silberdrahtnaht und empfiehlt Katgut und
Seide. Riedel [3] empfiehlt ebenfalls das Katgut. In der
Tat scheint mir die Seide oder das Katgut für die direkte Naht
des Kniescheibenbruchs geeigneter als der Silberdraht zu sein,
da beide fester und unnachgiebiger geknotet werden können,
das Katgut resorbiert wird und die Seide bei aseptischer Ein-
heilung nicht bricht oder zerreisst. Auch für diejenigen Metho¬
den, bei denen die Nahtschlinge um die Bruchstücke herum-
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1878
MUENCHENFR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
gelegt und aussen auf der Haut über einem kleinen Bausch
geknotet wird, dürfte Seide und Katgut aus den angeführten
Gründen mehr als der Silberdraht zu empfehlen sein.
Ich habe nun oben schon diejenigen Fälle beleuchtet, bei
denen meines Erachtens die Fixation durch eine Nahtschlingc
— es sei diese von irgendeiner der gebräuchlichen Arten —
überhaupt auf grosse Schwierigkeiten stösst. Da ich es nun
aber nicht für richtig halte, bei veralteter Patellarfraktur, wie
es Trendelenburg [4] tut, von vornherein in jedem Falle
auf die Vereinigung der Bruchstücke zu verzichten, vielmehr
glaube, dass in einer Reihe von Fällen mit Strecklähmung auch
spät noch durch die Operation Nutzen geschafft werden kann,
so möchte ich an Stelle der Naht hierbei eine Vorrichtung emp¬
fehlen, mit deren Hilfe man eine feste Vereinigung der Frag¬
mente in unverrückbarer Lage erreichen kann.
Es handelt sich um eine Schraubvorrichtung, deren Konstruktion
und Anordnungsweise wohl ohne nähere Beschreibung aus den Fig. 1
lind 2 ersichtlich sein wird.
Eig. 1.
(Schematisch.)
Diastase der Frag¬
mente.
a. Die lose Hülse.
Fig. 2.
(Schematisch.)
Die Fragmente fest
zusammengeschraubt.
Von den beiden Querstäben, die nichts weiter sind als zwei lange
Bohransätze, wird der eine durch das obere, der andere durch das
untere Fragment mittels eines Drillbohrers hindurchgebohrt und zwar
so, dass sie parallel zu einander zu stehen kommen. Jeder der beiden
Stäbe hat nach den Enden zu je ein kleines Loch. In dem einen Stab
bilden die beiden Löcher Schraubengänge. Stellt man nun die Ocff-
nungen senkrecht zu einander, so kann jederseits eine Flligelschraube
durch dieselben hindurchgeführt, die Schraube angezogen und die
Stäbe so einander genähert werden. Das geschieht dadurch, dass sich
zwischen dem Flügel der Schraube und dem Stab mit den einfachen
Löchern eine über die Schraube iibcrgeschobcne kleine lose Hülse
(Fig. 1 a) befindet, welche sich beim Anziehen der Schraube gegen
den Stab und den Flügel stemmt. Sind die Fragmente leidlich be¬
weglich, was mitunter erst durch Abmeisselung der Tuberositas tibiae
oder durch andere Massnahmen erreicht wird, so kann man sic so fest
gegeneinander verschrauben, dass die angefrischten Fragmente direkt
ineinander eingepresst werden und man von einer direkten Ver¬
zahnung resp. Verfalzung derselben sprechen kann (Fig. 2). Auf diese
Weise gelingt es eine feste knöcherne Verwachsung zu
erreichen und damit die Gefahr einer Rcfraktur
zu vermeiden.
Fin weiterer Vorteil des Apparates liegt nun noch darin, dass
man das Bein nur etwa für 14 Tage bis 3 Wochen mit einem be¬
quemen fixierenden, abnehmbaren Verband zu versehen braucht, mit
welchem der Patient schon nach einigen Tagen herumgehen kann.
Mit diesem Zeitpunkt kann man auch schon mit Massage beginnen.
Das Knie ist aseptisch bedeckt, die Schrauben liegen ausserhalb des
Verbandes. Nach 14 Tagen ist die Konsolidation der Fragmente schon
so fest, dass man den Apparat entfernen und sich auf einen fixieren¬
den, die Kniescheibe umfassenden Heftpflasterverband beschränken
kann. Man kann dann auch bald mit vorsichtigen passiven,
später aktiven Bewegungen beginnen.
Ich habe auf diese Weise 2 veraltete Fälle von Patellarfraktur
mit starker Diastase zur Heilung gebracht. Der Kontakt der Frag¬
mente war ein so inniger, dass eine feste knöcherne Verwachsung er¬
folgte, ohne dass es noch möglich gewesen wäre, durch Palpation den
Verlauf der Vereinigungslinie ausser an einer gewissen Knochen¬
rauhigkeit nachzuweisen.
Tch füge die Röntgcnbilder eines so behandelten Falles bei (Fig. 3
und 4). Das funktionelle Resultat meines ersten Falles war ein gutes.
vom zweiten Falle, der noch in Behandlung steht, lässt sich heute
schon so viel sagen, dass die Funktion des (Juadrizcps sich wieder
hcrgcstcllt hat.
Fig. 3. Fig. 4.
(Juerbruch der Kniescheibe mit Kniescheibe nach Verheilung der
starker Diastase. Fragmente.
Es sei noch bemerkt, dass man die Stäbe statt durch die Frag¬
mente durch das Lig. pat. sup. uud inf. quer durchstecken und so die
Biuchstückc gegeneinander verschrauben kann. In ähnlicher Weise
geht Schäfer (5) bei frischen Frakturen vor. welcher 2 Troikart-
hiilsen oben und unten durch die Ligamente sticht und durch die¬
selben eine Drahtsdilinge legt, welche über einem Tampon fcstgc-
knotet wird. Uebrigens ist natürlich meine Schraubvorrichtung auch
für die frische Patellarfraktur geeignet und ersetzt hierbei jede Art
von Naht, w r ic sie überhaupt an Stelle derselben auch für andere
Pseudarthroscn und für die operative Behandlung frischer Extremi¬
tätenbrüche in geeigneten Fällen Anwendung Finden kann.
Der Apparat wird von Herrn A. Schütze. Leipzig, Wind¬
mühlenstrasse .JO. zum Preise von 12 Mk. angefertigt.
1. Thiem: lieber die Grösse der Unfallfolgen bei der blutigen
und unblutigen Behandlung der einfachen (subkutanen) Ouerbrüche
der Kniescheibe. (Kotigr. d. Deutsch, des. f. Chir. 19n5 und Mo-
natsschr. f. Unfallh., 19'»5. No. 5.) — 2. v. Brunn: Schicksal des
Silberdrahtes bei der Naht der gebrochenen Patella, (v. Bruns*
Beiträge z. klin. Chir., Bd. L, Heft 1 und 35. Kongr. d. Deutsch. Ges. f.
Chir., 1905. — 3. Riedel: Die Katgutnaht bei Fraktur der Patella.
(Deutsch, mcd. Wochcnsehr.. 1905. No. 8.) — 4. T rcndclenburg:
Die Erfolge der Knochennaht bei Kniescheibenbrüchen. (Therapie
der Gegenwart. No. 1.) — 5. Schäfer: Zur Technik der Knie-
schcibennaht. (Münch, mcd. Wochcnsehr^ No. 50, 1906.)
Mastopexie zur Beseitigung der Hängebrust.
Von Dr. Dehner, Oberarzt der chirurgischen Abteilung
des städtischen Krankenhauses in Ludwigshafen.
Ich hatte im Laufe dieses Jahres Oelegcnheit, bei einer
korpulenten Dame einen operativen Eingriff zur Beseitigung
zweier exquisiter Hängebrüste auszuführen.
Da nun meines Wissens ein operativer Eingriff aus solcher
Veranlassung in Deutschland noch nicht vorgenommen worden
war und eine dringende Indikation wegen dieser Anomalie
nicht vorlag, verhielt ich mich zunächst ablehnend, bis eine
genauere Anamnese unter Berücksichtigung eigenartiger Um¬
stände mich veranlasste, den dringenden Wünschen der
Patientin nach operativer Beseitigung des Leidens Rechnung
zu tragen. Ich bringe nachstehend in Kürze die Kranken¬
geschichte:
Die 30 jährige verheiratete Frau gibt an. das«; in den 5 Jahren
ihrer Flic die Brüste an Grosse und Schwere erheblich zugenommen
haben. Die Frau, welche mit ihrem Gatten seit 3 Jahren in China
lebt, leidet bei der grossen Hitze des subtropischen Klimas an starken
Ekzemen, so dass trotz der üblichen Applikation von Puder und
Salben eine Heilung des zeitweise recht schmerzhaften Ekzems nicht
erreicht wurde. Fine vor 1 Jahre akquirierte schwere Dysenterie
zwang die Patientin, einen längeren Aufenthalt in Deutschland zu
nehmen; sie verlangt nun dringend die operative Beseitigung der
Hängebrüste.
Ich entschloss mich nun auf operativem Wege Abhilfe zu schaffen.
Nachdem ich zunächst in der chirurgischen 1 iteratur nach etwaigen
Publikationen über operative Versuche zur Hei'ung der Hängebrüste
mit völlig negativem Erfolg mich urmresehen hatte, legte ich mir
folgenden Opcrationsplan zurecht: Ich erstrebte nach zwei R.chtungen
eine Korrektur; es galt einmal eine Verkleinerung der schweren
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8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1879
hypertrophischen Brüste zu erreichen, zweitens die Mamma an nor¬
maler Stelle gehörig zu fixieren. Der ersten Indikation war durch eine
ausgiebige elliptische Exzision von Haut und Unterhautzellgewebe
zu genügen, der letzteren Indikation durch zuverlässige Fixation -des
Drüsengewebes selbst an einer höheren Stelle. Ich exzidierte zu¬
nächst eine grosse Ellipse von Haut und Unterhautzellgewebe an
der oberen Peripherie der Mamma bis auf die Faszie des M. pectoralis
maior. Dadurch wurde eine Verkleinerung der Mamma wohl er¬
reicht; nicht aber würde, wegen des Zages des hypertrophischen
Drüsengewebes nach unten der Eingriff hingereicht haben, annähernd
normale Formen der Mamma zu schaffen. Dies erreichte ich durch
Fixation des Drüsengewebes am Periost der 3. Rippe. Ich spaltete
den M. pectoralis maior und rumor entsprechend dem Faserverlauf
in einer Ausdehnung von etwa 8 cm, mobilisierte durch Abhebelung
das Periost an der Vorderfläche der 3. Rippe und fixierte mit drei
starken Jodkatgutfäden, welche tief durch das Drüsengewebe hin¬
durchgeführt wurden, die Brustdrüse an diesen Periostlappen. Da¬
rüber Hautnaht ohne Drainage. Die gleiche Operation wurde an der
anderen Mamma ausgeführt. Der Wundverlauf war reaktionslos.
Bei der Entlassung der Patientin fand sich beiderseits eine
grosse lineäre, bogenförmig mit der Konvexität nach oben verlaufende
Narbe. Das Gewebe der Brustdrüse war fest an der 3. Rippe fixiert.
Grösse und Form der Mammae entsprechen annähernd normalen
Verhältnissen.
Ich glaube das Operationsverfahren empfehlen zu können
bei hartnäckigen, jeder Behandlung trotzenden Ekzemen, ferner
bei stark hypertrophischen und deshalb schmerzhaften Hänge¬
brüsten, wenn von seiten der Patientinnen gegen die durch die
Narben gesetzten kosmetischen Nachteile keine Bedenken er¬
hoben werden.
Aus der inneren Abteilung des Stadtkrankenhauses Johann-
stadt-Dresden (Chef: Geh. Med.-Rat Dr. Schmaltz).
Ueber akute nichteitrige Thyreoiditis*).
Von Dr. ReinholdDunger, II. Arzt.
Gegenüber der grossen Häufigkeit der chronischen Er¬
krankungen der Schildrüse gehören akute Störungen im Be¬
reich dieses Organes zu den seltenen Ereignissen. Es gilt dies
nicht sowohl von den eitrigen Erkrankungen als vielmehr von
den akuten nichteitrigen Entzündungen und hier besonders
wieder von den akuten Erkrankungen der bis dahin gesunden
Schilddrüse, die uns im folgenden ausschliesslich beschäftigen
sollen.
Diese Seltenheit des Vorkommens einer akuten nicht
eitrigen Thyreoiditis ist wohl, trotz der oft auffallenden Er¬
scheinungen, die sie verursacht, der Grund gewesen, dass,
wie einer der besten Kenner auf diesem Gebiete, de Quer¬
vain, sagt, dieselbe bis zum heutigen Tage noch eine wenig
gekannte Krankheit ist und bis in die letzte Zeit hinein sozu¬
sagen neu entdeckt werden musste.
Die ersten Mitteilungen über Thyreoiditis stammen aus
dem Anfang des 19. Jahrhunderts; jedoch wurde anfänglich
nicht unterschieden zwischen der Entzündung der normalen
und derjenigen der kropfig entarteten Schilddrüse; diese
Trennung wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein¬
geführt von Weitenweber und besonders von B o u c h e t,
der die Affektiom bereits richtig und vollständig beschrieb.
Spätere Mitteilungen finden sich vorwiegend in der fran¬
zösischen Literatur; durch Pinchaud wurde 1881 der Be¬
griff der Strumitis — Entzündung des Kropfes —
der Thyreoiditis — Entzündung der gesunden
Schilddrüse — gegenübergestellt. Vor 3 Jahren wurde
schliesslich die Lehre von der akuten nichteitrigen Thyreoiditis
von de Quaervain in ausgezeichneter und erschöpfender
Weise, auch auf Grund zahlreicher experimenteller Studien,
dargestellt und zu einem gewissen Abschluss gebracht; seither
sind nur einige kleinere kasuistische Mitteilungen erschienen.
Das klinische Bild unserer Erkrankung ist scharf
umgrenzt und erlaubt — wenigstens in den voll ausgebildeten
Fällen — die Diagnose mit grosser Leichtigkeit zu stellen.
Meist unter mehr oder weniger hohem Fieber kommt es plötz¬
lich zu einer Anschwellung im Bereich der Schilddrüse, meist
nur eines Lappens, seltener beider zugleich oder nacheinander.
Diese Schwellung ist kongruent mit der Gestalt des erkrankten
*) Nach einem in der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu
Dresden am 22. Februar 1908 gehaltenen Vortrage.
Drüsenteiles; sie ist ziemlich derb und stets druckempfindlich,
oft sogar ausserordentlich schmerzhaft. Die darüberliegende
Haut bleibt in der Regel ganz frei oder wird höchstens leicht
gerötet. Die subjektiven Beschwerden bestehen in Hals¬
schmerzen, ferner ausstrahlenden Schmerzen nach Ohr und
Nacken, Schmerzen beim Schlucken sowie beim Atmen und in
schweren Ellen sogar in Behinderung der Atmung. Die Sym¬
ptome entwickeln sich rasch, halten wenige Tage in voller
Intensität an und klingen dann allmählich ab; die völlige Rück¬
kehr zur Norm erfordert öfters eine Reihe von Wochen.
Ich gehe nun zu unseren eigenen Beobachtungen
über. Der Zufall hat es gefügt, dass, während zuvor auf der
inneren Abteilung des Johannstädter Krankenhauses 5 Jahre
lang kein einziger Fall vorgekommen war, in den letzten
2 Jahren 6 Fälle dieser seltenen Erkrankung zur Beobachtung
gelangten; hierzu kommt noch ein von Herrn Geheimrat
Schmaltz konsultativ gesehener Fall. Fünfmal trat die
Thyreoiditis erst während des Aufenthaltes im Krankenhause
auf und konnte so vom Anfang bis zum Ende beobachtet
werden. Im einzelnen verhielten sich die Fälle folgender-
massen:
I. Pleuritis sicca; Thyreoiditis acuta.
Anna R., 30 jährige Zigarettenarbeiterin, aufg. am 27. IX. 07.
Vor 10 Tagen im Anschluss an einen heftigen Schnupfen akut er¬
krankt mit Husten, linksseitigen Brustschmerzen, Mattigkeit und
Appetitlosigkeit.
Befund bei der Aufnahme: Lautes Reiben über dem lin¬
ken Oberlappen vorn und hinten, knackende Geräusche über der lin¬
ken Spitze, etwas Husten, kein Auswurf. Temp. 37,4. Schilddrüse
von normaler Grösse.
Unter Heftpflasterfixierung der linken Brusthälfte rascher Rück¬
gang aller Erscheinungen; nach 8 Tagen Reiben verschwunden,
Abendtemperaturen unter 37°. Am 9. X. aufgestanden.
10. X. Plötzlicher Fieberanstieg auf 38,8, Mattigkeit,
Schmerzen beim Schlucken. Rachenorgane völlig frei,
nicht gerötet. Am Isthmus der Schilddrüse ein rund¬
licher, halbhühnereigrosser Knoten fühlbar, der
ziemlich derb und sehr druckempfindlich ist. Haut darüber
frei verschieblich, nicht gerötet.
10. X. Knoten weicher, verkleinert, weniger druckempfindlich.
Abendtemperatur 37,8.
13. X. Kr den kaum noch fühlbar, nur ganz wenig empfindlich.
Abendtemp. gestern 37,5, heute 37,2. #
15. X. Schilddrüse völlig unempfindlich, nicht mehr geschwollen,
ein Knoten ist nicht mehr nachweisbar. SubJ. völlig wohl.
Bei der Entlassung am 24. X. zeigt der Hals völlig normale Kon¬
figuration, die Schilddrüse keinerlei abnorme Resistenz oder Druck¬
empfindlichkeit; insbesondere lässt sich auch am Isthmus keinerlei
Verdichtung mehr nachweisen.
II. Bronchopneumonie, Thyreoiditis acuta.
Erna Th., 17 jähriges Hausmädchen, aufg. am 2. XI. 06.
Vor 3 Wochen Mandelentzündung mit starken Halsschmerzen.
Darnach allmähliches Auftreten von Husten, zuletzt anfallsweise,
besonders nachts. Spärlicher Auswurf. Allgemeinbefinden nicht ge¬
stört.
Befund: Rachenorgane frei, Schilddrüse von normaler Grösse
und Konsistenz. Ueber dem linken Unterlappen in einem handteller¬
grossen Bezirk dichtes, feuchtes, halbklingendes, feinblasiges Rasseln
und verschärftes Vesikuläratmen, ohne Schallverkürzung. Temp. 37,6.
— In den nächsten 14 Tagen Verringerung des Hustens ohne wesent¬
liche obj. Veränderung. Leicht erhöhte Abendtemperatur, bis 37,7.
17. XI. Klagt über Halsschmerzen. Ganz leichte Rötung
der Rachenorgane. Abends 36,8.
18. XI. Zunahme der Halsschmerzen, auch beim
Leerschlucken. Plötzlicher Temperaturanstieg auf 38,5.
In der Gegend der Schilddrüse ist eine etwa ei¬
grosse Schwellung sichtbar, die genau median liegt, sich
ziemlich hart anfühlt und auf Druck sehr schmerzhaft ist. Grösster
Halsumfang 35% cm.
19. XI. Halsschmerzen geringer. Schwellung unverändert. All¬
gemeinbefinden stark gestört. Abends 38,3.
20. XI. Abnahme der Schwellung. Leichte Schmerzen vorn am
Hals, spontan und besonders auf Druck. Halsumfang 34% cm.
Abends 37,6.
21. XI. Schilddrüse kaum noch empfindlich. Abends 36,9.
23. XI. Empfindlichkeit und abnorme Resistenz sind völlig ver¬
schwunden, der Ort der Erkrankung ist nicht mehr nachweisbar, die
Konsistenz der Schilddrüse überall die gleiche. Halsumfang 33% cm.
Pat. hat keinerlei Beschwerden mehr; der Hals ist überall völlig
unempfindlich.
27. XI. Halsumfang 32% cm.
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1880
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Wegen der sich nur ganz langsam lösenden Bronchopneumonie |
verblieb Fat. noch bis zum 28. XII. im Krankenhause; an der Schild¬
drüse zeigten sich keine krankhaften Erscheinungen mehr.
III. Ulcus ventriculi, Thyreoiditis acuta.
Doris R., 17 jähriges Hausmädchen, aufg. am 19. IV. 07.
Seit 2 Monaten Kopfschmerzen, allgemeine Mattigkeit; nach
dem Essen Magendrücken und zusammenziehende Schmerzen in der
Magengegend. Seit 6 Tagen mehrfach nach dem Essen erbrochen
(nie blutig); gestern ein Ohnmachtsaniall.
Befund: Kräftig gebautes Mädchen mit massiger wei¬
cher Struma; die Vergrösserung betrifft vorwiegend den linken
und den mittleren Lappen; der rechte ist nur ganz leicht vergrossert.
Keine Knoten fühlbar. An den Brust- und Bauchorganen zunächst
keine krankhafte Veränderung nachweisbar. Im Stuhlgang am
19., 20. und 22. IV. Blut durch die Benzidinprobe nachgewiesen. —
Nach einigen Tagen entsprechender (Ulcus-) Diät keine Beschwerden
mehr; am 5. V. Benzidinprobe negativ.
10 . V. Plötzlich aufgetretene Schmerzen vorn
am Hals, spontan und besonders beim Schlucken. Im Bereich
des Mittellappens deutliche Sch wcllung. stärker als
bei der Aufnahme, und massige D r u c k e m p f i n d I i c h k e i t.
Halsumfang 36 cm.
12 . V. Halsschmerzen geringer, Mittcllappen weniger ge¬
schwollen.
13. V. Es bestehen noch geringe Halsschmcrzen. Der Mittel¬
lappen hat jetzt wieder die gleiche Grösse wie bei der Aufnahme;
dagegen ist nun der linke Lappen ausgesprochen druck¬
empfindlich und stärker geschwollen als bisher.
16. V. Schwellung des linken Lappens ist zuriiekgegangen;
leichte Druckempfindlichkeit noch vorhanden.
20. V. Keine Halsschmerzen mehr; die Schilddrüse ist ganz un¬
empfindlich und zeigt in allen Teilen die gleiche Grösse wie bei
der Aufnahme. Halsumfang 35 cm.
Pat. wurde bei gutem Befinden am 28. V. geheilt entlassen. Die
Körpertemperatur war während der ganzen Zeit normal und über¬
schritt — auch während der Thyreoiditis — nie 36,8.
IV. Catarrh. apic. pulmon.; Thyreoiditis acuta.
Marie L., 19 jähriges Hausmädchen, aufg. am 15. I. 08.
Vom 14. bis 18. Jahre „bleichsüchtig“. Seit 2 Jahren allmähliche
Anschwellung der Schilddrüse, ohne Beschwerden. A m 12. I. ns
ganz plötzlich heftige Schmerzen in der linken
Halsseite und erschwerte Atmung; zugleich allgemeine
Schwäche, Frieren und heftige Kopfschmerzen. Wegen z u -
nehmender Atemnot kommt Pat. am 15. I. ins Krankenhaus.
Befund: Akut fieberhaft kranker Eindruck; Tcmp. 3s,s, Puls
112, Deutlicher inspiratorischer Stridor, subj. und obi. Dyspnoe.
Pharyngitis sicca. HalS: Mittlerer und linker Schild¬
drüsenlappen diffus vergrossert, etwa apfelgross, von
gleichmässig derber Konsistenz; Haut verschieblich, nicht gerötet.
Rechter Lappen nur leicht vergrossert. Linker Lappen stark druck¬
empfindlich, die übrigen nicht. — Lungen: Ucbcr beiden Spitzen ver¬
längertes Exspirium und feuchte kleinblasigc Rasselgeräusche. Sonst
nichts Bemerkenswertes.
Verlauf: Bis zum 20. I. hohes remittierendes Fieber bis zu
59,4 abends. Die Atemnot hält während der ersten 2 Tage noch an,
ist am 20. I. völlig verschwunden. Die Empfindlichkeit der Schild¬
drüse klingt ganz langsam ab und ist am 21. I. nicht mehr nachweis¬
bar. Die Schilddrüse verkleinert sich allmählich, aber sehr langsam.
Am 22. I. fällt die Temperatur ziemlich plötzlich ab und bleibt bis
zum 7. II. noch leicht erhöht; darnach normale Temperaturen unter
37. Die langsame Verkleinerung der Schilddrüse schreitet weiter
fort. Am 26. II. wird Pat. nach einer Lungenheilstätte entlassen; der
mittlere und linke Schilddriiscnlapncn sind noch leicht diffus ver-
grössert, der rechte von fast normaler Grösse, und Pat. gibt mit Be¬
stimmtheit an, dass die Schilddrüse jetzt kleiner sei als während der
letzten 2 Jahre.
V. Catarrh. a p i c. pulmo n.; Thyreoiditis acuta
mit 2 Rezidiven.
Martha R., 27 jährige Wäscherin, aufg. am 5. VIII. 07.
Mit Tt Jahren Drüsenoperation am Halse. Seit 1 Jahr etwas
Husten, ab und zu etw'as Auswurf; in den letzten Wochen starke
Nachtschw eisse.
Befund: Gracil gebautes, mageres, blasses Mädchen von
leidendem Aussehen. Pityriasis versicolor an der Stirn. Hals mager;
Schilddrüse von normaler (irösse. Beide Lungenspitzen verkürzt;
über der linken feuchte kleinblasige Rasselgeräusche und verschärf¬
tes Atemgeräusch. Die übrigen Organe ohne krankhafte Verände¬
rungen.
Verlauf: Die anfangs subfebrile Temperatur wird nach
14 Tagen normal und hält sich auch abends unter 37,0.
Am 22. 8. klagt Pat. plötzlich über Halsschmcrzen und
allgemeines Unbehagen; die Körpertemperatur steigt unter Schüt¬
telfrost auf 39,3. Rachenorgane völlig frei. An der linken Hals¬
seite im Bereich der Schilddrüse zeigt sich eine
Anschwellung von reichlich H ii h n e r e i g r ö s s e, die
auf Druck ausserordentlich empfindlich ist und in ihrer
Form vollständig dem gleichmässig vergrosserten linken Schild¬
drüsen! jppen entspricht. Die Haut lM weder gerötet, noch fixiert.
Beim Schlucken bewegt sieh diese Arschwellung nach aufwärts; da¬
bei üussert Pat. stechende Schmerzen nach der linken Maisveite und
dem Nacken hinauf; die gleichen Schmerzen werden au dl durdi
Di uck auf den gesell wolle neu SdiiLldnisentcil erzeugt.
Während der nächsten 5 läge blieben diese Erscheinungen
ziemlich unverändert; Temp. froh 37.7 - 3s.2. abends 39.ii 3<v.3; Ad-
gemeinbeiinden schwer beeinträchtigt, dauernd Mals- und sdi'uck-
schmerzen; Schilddrüse ausserordentlich eir.pfukiiicii gegen Be¬
rührungen. — Vom 27 . VIII. an geht die Temperatur etwas herab,
die Anschwellung der Schilddrüse bildet sid) langsam /».trnck. Am
4. IX. ist die Temperatur wieder normal, am 7. IX. der linke Lappen
vollständig abgeschw ollen, zeigt die gleiche Grosse wie der rechte
und ist nur noch in geringem Grade druckempfmdlic 1».
10. IX. Schüttelfrost, jäher T e m p e r a t u r a n s t i e g
a u f 39.1, Halsschmcrzen; Anse h well u n g des rechten
S c h i I d d r ii s e n 1 a p p e n s <m völlig gleicher Weise wie am
22. VIII.).
Am 11. und 12. IX.. nach Abendtemperaturen von 3s,3 le/w.
38,4, dann rasche völlige Entiieberung. Der zuerst erkrankte linke
Lappen war bereits am 12. IX ganz unempfindlich: der rechte Lappen
blieb noch 10 'Lage laug geschwollen und druckempfuu! ic h; Anfang
Oktober waren auch hier wieder \olhg normale Verhältnisse ein¬
getreten.
In der Folgezeit fühlte sich Pat., von häufigen Leibsdruer zen
und Durchfällen abgesehen, leidlich wohl; mir hielt mJi die Körper¬
temperatur etwas hoher als fruher (abends 37.3 37.sl. Am 11. X.
klagte sie w ieder über M a I s s c h m e r / e n. hevmukrs an der lin¬
ken Halsseite. Fs zeigte sich, dass der linke S c h i I J d r u s e n-
lappen deutlich geschwollen w ar und sich harter ani .Täte
als der rechte: die Druckempflftdlichkeit war ausgesprochen, jed«>di
nicht So stark als bei den ersten beiden Attacken. I ic I emperatur
war nicht hoher als fruher.
Schon am 12. X. waren Schwellung und Schmerzen geringer;
in den nächsten 5 lagen gingen diese Erscheinungen \.d!ig zurück;
bei der Fiitlassuug der Pat. am 2<>. X. bot die Schilddrüse wieder
ein vollkommen normales Bild.
VI. Influenza; Thyreoiditis acuta mit eine m
R e z i d i v.
Marie Sm.. 29 jährige Ko. hin. aufgenommen am 29. 1. us.
Vor 8 'Lagen plötzlich erkrankt mit l ieber. Mattukeit. Kopf¬
schmerzen und Schmerzen in den Armen und Beinen. Seit n lagen
bettlägerig. Vom Arzt als Influenza ins Krankenhaus geschickt. (NB.;
Ls herrschte zu jener Zeit im Ort eine Imluenzaepulenue.)
Befund: Grosses, mag« res. Schlank gebautes M.iddieii \<-n
blasser Gesichtsfarbe. Temp. 37,7. Zunge etwas belegt, Rächers*
organe frei. Mals schlank, mager; Sc luiddi i.se \<>n durchaus n«-ima.er
Grosse. Innere Or gane ohne krankhafte V er.mder imgen.
Verla ui: Wahrend der nächsten läge \iei K-pi- und Krcii'-
schuicrzen; keine katarrhalischen l ischeinuucen. Bs zum 1. II.
noch erhöhte Abendtcmpcraiumi. Am 5. 11. nur n< «dr leichte Kopf¬
schmerzen; Pat. steht auf.
11. II. Mehr Kopfschmerzen; Schwere in den Gliedern.
12. II. Heftige K opfschmerzen. Krankheitsgefühl; plötzliche
T empcratursteiger u n g auf 3\\ Am Nachmittag klagt Pat.
über H a I s s c h in e r / e n. kann nicht schnieken. Radienorgane
völlig frei, nicht einmal gerötet. An der Aussenseite des Halses
keine Schmerzen.
13. II. Seit heute Früh ist im B e r e i c h der S c h i I d d r u s c.
dem Ist h m u s ent s p r e c h e n d. aber etw as mehr nach imks hm.
e i n e e t w a h ii h n e rti g r o s s e. r u n d e. leicht prnrni-
n e n t e und etw as derbe S c h w eil u n g aiifgctrek n; daselbst ausge¬
sprochene. nicht sehr hochgradige I »riickviMp* tdudikeit. Beim
Schlucken Schmerzen an der linken Maisseite limaul bis zum Hinter¬
kopf, Radienorgane völlig frei. K raukhcitsgeluhi, K■ >pf- und Rücken-
sdimerzeu, hohes Lieber (abends 3'\3>.
14. II. Keine Kopischnierzeu; Abendtemperatüf nur 37.2. Beim
Schlucken noch Halsschmerzen mul Ziehen muh dem linken < >hr hm.
Schwellung im Bereidi der Schilddi use etwas geruuer; Druck-
empfmdlichkeit noch erheblidi.
13. II. Kettle siditbaie Schwellung mehr. Hds- utsd Ohren»
schmerzen beim Sdilucken. (ianz fieberfrei.
17. 11. Am Sdilmid besteht n««di eine taubuK igr< .sse. halh-
kugehge, deutlich bildbare dr iic keniptmdlidie V e r viu htimg. Druck
auf diese Stelle erzeugt ziehende Malssdimerzeii an der linken 11.i s-
Seite hinauf.
19. II. Die Verdichtung ist kaum noch L Ibb.ir
22. II. Am Isthmus keine Vermditimg uidir id bar.
In den letzten 2 l agen ist a 1 I m ä h I i c h der g a u / e r e c h t e
S e h i I d d r ii s e n I a p p e n lei c h : a n g e s c h w o i I e n; er ist
derher als der linke. Subiekliv kc"ie Ik vd.k e r den.
28. ||. Keine Beschw erd« n. sd:i! Id* "w im\ eränder t.
4. III. Wahrend der letzten T.ivg lat die S c h w e i I u n g des
rechten Schild dniseulappcr.s langsam noch mehr z u g e n «« m -
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8. September 1908,
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1881
men; die Resistenz ist dort grösser als links; Fat. empfindet ein ge¬
wisses Spannungsgefühl daselbst, aber keine Schmerzen, hat auch
keine Schlingbeschwerden.
8 . III. Schwellung geht wieder zurück.
12 . III. Beide Lappen zeigen jetzt wieder die gleiche weiche
Beschaffenheit. Am Isthmus, der Lage der anfangs vorhandenen In¬
filtration entsprechend, besteht noch eine leicht vermehrte Resistenz;
diese Stelle ist auf stärkeren Druck noch ganz leicht empfindlich.
13. IV. An der Schilddrüse nichts abnormes mehr, auch nicht
am Isthmus. Von dem früheren Infiltrat ist nichts mehr zurückge¬
blieben; auch die Druckempfindlichkeit ist gänzlich verschwunden.
Pat. wird geheilt entlassen.
In diesem Falle wurden fortlaufende regelmässige Leuko¬
zytenzählungen und - Differentialzählungen vorge¬
nommen, deren Ergebnisse im Folgenden wiedergegeben sind:
13. II.!
15. II.
17. II.
19. II.
22. II.
25. II.
4. III.
Gesamt-Leukozyten
16,810
10,600
5130
1
| 9555
7840
8010
6780
Lvmphozyten . . .
2000
2190
2000
1 2640
2580
2280 |
2040
Gr. Mononukleäre u.
i
1
Uebergangsformen
965 1
810
590
750
600
480
420
Neutrophile ...
13,780*
7435
2350
5940
4295
4635
4000
Eosinophile ....
50
145
150
200
350
600 i
270
Mastzellen.
15*
20
40
25
15
15 1
50
VII. T h y r e o i d
i t i s
a c u t;
a (n a
c h I n f 1 u e
n z a?).
in i t
cinemRezidiv.
Frl. C., 30 Jahre; am 17. I. 08 erkrankt mit Husten; am 19. I.
dazu starker Schnupfen, Kopschmerz, allgemeine Mattigkeit; Tem¬
peratur 38,6. Wurde nun bettlägerig. Abends starke Schmer¬
zen an der linken Halsseite, der Lage der Schilddrüse ent¬
sprechend,
20 . I. Kopfschmerzen; Fieber bis 38,8. Heftige linksseitige
Halsschmerzen, besonders beim Schlingen, so dass nur Flüs¬
siges genossen werden kann. Der linke Schilddrüsen¬
lappen ist geschwollen und sehr druckempfind¬
lich.
21.1. Kopfschmerzen, Fieber bis 39,0, schwere Stö¬
rung des Allgemeinbefindens. Starke Schwellung der
linken Schilddrüsenhälfte; Schmerzen daselbst, die nach unten bis
in die Brust und nach oben bis hinter das linke Ohr hinauf aus¬
strahlen.
22 . I. Abendtemperatur 39,2. Die gleichen Beschwerden. In
der Nacht starker Schweissausbruch.
In den nächsten 3 Tagen erhebliche Besserung; vom 25. I. an
kein Fieber mehr; die Schwellung der linken Schilddrüsenhälfte geht
zurück, doch halten die Schmerzen, namentlich beim Schlucken, noch
bis zum 4. II. an.
Am 6. und 7. II. erhält Fat. 3 mal Vs Theelöffel Sir. Ferri jodati.
Schon am 7. II. nahmen die Schmerzen wieder zu; die Abend¬
temperatur steigt auf 37,2. Am 8. II. 3 mal 1 Theelöffel Sir. Ferri
jodati: Erhebliche Zunahme der Halsschmerzen (bisher
stets linksseitig); der linke Schilddrüsenlappen schwillt wieder
stärker an; Abendtemperatur 37,7.
9. II. I mal 1 Theelöffel Sir. F. jod. Weitere Zunahme der
Anschwellung, stärker als je vorher. Abends 37,9.
10 . II. Noch 1 mal 1 Theelöffel Sir. F. jod. Schmerzen und
Schwellung nehmen noch mehr zu; seit heute istauchderrechte
Schilddrüsenlappen geschwollen und druckschmerzhaft;
heftige Hals- und Schluckschmerzen; bei der Inspiration stechende
Schmerzen vorn am Halse, die nach der Brust hinunter ausstrahlen.
Abends 37,8. Das Jod wird nun weggelassen.
12 . II. Viel besseres Befinden. Temperatur normal. Schlucken
ohne Schmerzen möglich. Schilddrüse schwillt ab.
16.11. Volles Wohlbefinden; keine Schmerzen mehr; Schild¬
drüse nicht mehr geschwollen, kaum noch empfindlich.
An den vorstehenden Fällen ist zunächst bemerkenswert,
dass sie alle weibliche Personen und zwar vorwiegend-
junge Mädchen, betreffen; die jüngste Kranke war 17, die
älteste 30 Jahre alt. Dies Vorherrschen des weib¬
lichen Geschlechtes bei der Thyreoiditis findet sich,
wenn auch nicht in diesem Masse, auch sonst bei den in der
Literatur niedergelegten Beobachtungen. Unter 58 Fällen aus
der Zusammenstellung von de Quervain befinden sich 33
Frauen = 57 Proz. Die weitaus grösste Mehrzahl der Er¬
krankten befindet sich im geschlechtsreifen Alter. Kinder er¬
kranken nur selten, noch seltener ältere Personen; jenseits des
60. Jahres ist bisher überhaupt noch kein Fall gesehen worden.
Unter den prädisponierenden Momenten wird
von mancher Seite ein gewisses Gewicht gelegt auf eine schon
vorher bestehende leichte diffuse Hyperplasie der
Schilddrüse. Derartige Fälle rechnen wir mit de Ouer-
No. 36
v a i n noch zur Thyreoiditis und nicht zur Strumitis, da bei
ihnen die Volumzunahme des Organs nur durch Vermehrung
des normalen Schilddrüsengewebes bedingt ist. Eine
solche leicht diffus vergrösserte Schilddrüse verhält sich
Entzündungserregern gegenüber fast ebenso wie eine
Schilddrüse von normaler Grösse, wobei noch zu bedenken
ist, dass die Grösse dieses Organs schon unter physiologischen
Bedingungen beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist.
Unter unseren 7 Fällen zeigten 2 (Fall III und IV) schon vor
der Erkrankung eine leichte diffuse Hyperplasie.
Befällt die Entzündung eine echte Struma nodosa, sei es
nun ein zystischer oder ein* Kolloidkropf, so spricht inan von
Strumitis. Diese Fälle scheiden aber, wie schon bemerkt, aus
unser heutigen Betrachtung aus. Ihre Sonderstellung beruht
darauf, dass die bei der echten Struma so häufigen Nekrosen
lind Blutungen die Ansiedlung von Entzündungserregern
ausserordentlich begünstigen, so dass solche Entzündungen' viel
häufiger sind als die eigentliche Thyreoiditis; auch gehen sie
viel leichter in Eiterung über und führen zu Abszess- und
Phlegmonenbildung. — Wir kehren nun zu unseren Fällen von
Thyreoiditis Simplex zurück.
Der Ausbruch der Krankheit erfolgte fast stets
ganz akut, zweimal sogar unter Schüttelfrost. Sechsmal war
die Affektion mit — meist hohem — Fieber verbunden; nur
ein Fall (III), der ein an Magengeschwür leidendes Mädchen
betraf, verlief ohne jede Temperatursteigerung. Bemerkens¬
wert ist weiterhin, dass in einem Fall (IV) ein Rezidiv nicht
in der gewöhnlichen Weise akut, sondern ganz allmählich im
Verlauf mehrerer Tage, gleichsam schleichend, einsetzte, ein
Verhalten, das bei unserer Erkrankung sehr ungewöhnlich ist
und auch sonst nicht beobachtet wurde.
Die subjektiven Beschwerden waren in erster
Linie Halsschmerzen, spontan sowohl als ganz besonders
beim Schlucken, ganz wie bei einer Angina. Diese Schling¬
beschwerden sind sehr charakteristisch und verdienen allge¬
mein gekannt zu sein, da gerade sie sehr leicht zur Verwechs¬
lung mit einfacher Angina führen können. Sie erklären sich
weniger durch das Vorbeipassieren des Bissens an der ge¬
schwollenen und empfindlichen Schilddrüse als vielmehr durch
die bei jedem Schhngakt stattfindende Aufwärtsbewegung der
Schilddrüse. Das letztere ist wohl die Hauptsache, da in un¬
seren Fällen die Schluckschmerezn auch beim Leerschlucken
auftraten.
Ausser den Halsschmerzen gehören noch zur charak-
te ristischen Symtomentrias die ausstrahlenden
Schmerzen nach Ohr und Hinterhaupt und dann
die Atembeschwerden. Erstere, die besonders bekannt sind
von der malignen Struma und durch Druck der vergrösserten
Drüse auf die Stämme des N. auricularis magnus zustande
kommen, haben wir nur zweimal gesehen; einmal konnten
nach Ablauf der akuten Erscheinungen diese ausstrahlenden
Schmerzen noch tagelang durch Druck auf den vergrösserten
Schilddrüsenteil ausgelöst werden.
Die Atembeschwerden, zusammen mit einem
leichten inspiratorischen Stridor, konnten wir ebenfalls zwei¬
mal beobachten. Dass sie nicht öfter vorhanden waren, hängt
wohl damit zusammen, dass die Fälle im allgemeinen über¬
haupt leicht und gutartig verliefen.
Was die spezielle Lokalisation der Entzündung
betrifft, so zeigt sich bei unseren Fällen sehr häufig ein Er¬
griffensein des Isthmus, nämlich 6 von 7 mal, während in der
grossen Zusammenstellung von de Quervain sich dieser
Sitz nur einmal unter 45 Fällen erwähnt findet. Ob dies ein
Spiel des Zufalls ist, muss dahingestellt bleiben. Nach de
Quervain erweckt eine isolierte Erkrankung des Isthmus
stets den Verdacht, dass es sich nicht um echte Thyreoiditis,
sondern um Entzündung eines kleinen Kropfknotens, also um
Strumitis, handele. In unseren Fällen w^ar jedenfalls, was be¬
sonders betont sein mag, vor der Erkrankung kein Kropfknoten
fühlbar gewesen. — Dreimal wurden nacheinander ver¬
schiedene Schilddrüsenteile befallen, ein ebenfalls sonst nur
selten beobachtetes Verhalten.
Ueber das Verhalten des Blutes bei der akuten
nicht eitrigen Schilddrüsenentzündung ist bisher nichts be¬
kannt und es verdient deshalb unser Fall VI, in dem genaue
2
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1882
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Leukozytenzählungen fortlaufend vorgenommen
wurden, einiges Interesse. Hier bestand auf der Höhe der Er¬
krankung eine neutrophile Leukozytose von fast 17 000; die
Eosinophilen waren stark verringert, die Lymphozyten und
grossen Mononukleären nicht beeinflusst. Nach dem Ab¬
klingen der akuten Erscheinungen sank die Leukozytenzahl
zur Norm ab, wobei die Neutrophilen vorübergehend sogar
subnormale Werte erreichten; sehr deutlich zeigte sich dann
etwas später auch die „postinfektiöse“ Lymphozytose und
Eosinophilie ausgesprochen. Pathologische Leukozytenformen
sowie Erythroblasten wurden nicht gesehen.
Betrachten wir den ganzen Krankheitsverlauf, so stellen
sich unsere Fälle in der Regel als leichte Erkrankungen dar.
Eine nennenswerte Störung des Allgemeinbefindens war nur
3 mal zu bemerken, sonst bildete die Thyreoiditis mehr eine
Belästigung der Patienten als eine ernsthafte Erkrankung.
Dass dieselbe aber nicht immer so harmlos verläuft, zeigt die
Literatur. Zahlreich sind die Fälle, in denen sehr heftige und
Quälende Halsschmerzen tagelang bestanden und das Schlucken
völlig unmöglich machten; ebenso sind eine ganze Reihe von
Fällen durch schwere Atmungsstörungen ausgezeichnet, ja es
sind sogar zwei Fälle bekannt, in denen schliesslich der Tod
durch Erstickung erfolgte.
Wir haben uns nun zu fragen, ob die Thyreoiditis in
unseren Fällen eine primäre oder sekundäre Er¬
krankung darstellt. Beide Formen werden von deQuer-
vain scharf getrennt. Die sekundäre Thyreoiditis
ist bisher bei einer ganzen Reihe von Krankheiten beobachtet
worden: An der Spitze stehen Influenza und P o 1 y -
a r t h r i t i s, dann folgen Angina, septische Erkran¬
kungen, Typhus und Malaria; vereinzelte Beob¬
achtungen betreffen auch Cholera, Variola, Diph¬
therie, Masern, Scharlach, Orchitis, Paroti-
t i s und Erysipel. Vielfach trat die Thyreoiditis erst nach
Ablauf der fieberhaften Primärerkrankung auf, zum Teil sogar
nach wochenlanger Fieberlosigkeit. Wird schon hierdurch die
Frage, ob sekundär oder primär, erschwert, so kommt noch
dazu, dass auch bei einigen der als klinisch primäre
T h y r e o i d i t i d e n erscheinenden Fälle nebenher noch
eine andere Krankheit, z. B. Lungenschwindsucht, bestand;
bei wieder anderen waren ein oder zwei Tage vorher leichtes
Unbehagen, Kopfschmerzen und Mattigkeit vorhanden, so dass
der scheinbar primären Thyreoiditis sehr wohl eine leichte
Infektionskrankheit vorausgegangen sein kann. Da das Ein¬
dringen der Krankheitserreger — seien es nun organisierte oder
nicht organisierte — in die Schilddrüse ja nun auf jeden Fall
auf dem Blutwege zustande kommt, so scheint die Trennung
der Fälle in primäre und sekundäre nicht sehr zweckmässig;
wir werden vielmehr bei der scheinbar primären Thyreoiditis
annehmen, dass die an anderer Stelle eingedrungene Infektion
entweder unbeachtet verlaufen ist oder aber im übrigen Or¬
ganismus überhaupt keine krankhaften Erscheinungen ver¬
ursacht hat. So kann sich eine Thyreoiditis, z. B. an einen
leichten Katarrh der oberen Luftwege oder des Darmkanales
anschliessen, vielleicht in seltenen Fällen auch den einzigen
Ausdruck einer rheumatischen Infektion darstellen.
Von unseren 7 Fällen ist bezüglich der Aetiologie folgendes
zu sagen: Zweimal war eine Influenza mit leichtem Bronchial¬
katarrh vorausgegangen (VI und wahrscheinlich VII), einmal
bestand vorher eine trockene Pleuritis (I), einmal eine um¬
schriebene Pneumonie (II); die letzten beiden Fälle beruhten
möglicherweise auch auf Influenza. Zwei weitere Kranke
litten an manifestem Lungenspitzenkatarrh (IV und V); das
sind also 6 Fälle = 85,5 Proz., in denen eine, wenn auch zum
Teil nur geringfügige Affektion des Respirationstraktus bestand.
Nur bei einem Fall (III), einem an Magengeschwür leidenden
Mädchen, war ein ätiologisches Moment nicht nachweisbar,
so dass also hier anscheinend eine „primäre“ Thyreoiditis vor¬
liegt; jedoch kann auch hier nicht ausgeschlossen werden,
dass eine geringfügige katarrhalische Affektion dem Auftreten
der Thyreoiditis vorausgegangen ist.
Die Diagnose der akuten Thyreoiditis ist
leicht, sobald man überhaupt an die Krankheit denkt und bei
plötzlichen Klagen über Hals- und Schluckschmerzen neben
den Rachenorganen auch die Schilddrüse untersucht; andern-
Nf). 36 .
falls kann — wie wir bei unseren Fällen mehrfach sahen —
irrtümlicherweise eine Angina angenommen werden. Diffe¬
rentialdiagnostisch handelt es sich höchstens darum, zu ent¬
scheiden, ob Thyreoiditis oder Strumitis vorliegt. Dies ist
leicht in den Fällen, in denen man schon vor der Erkrankung
die Schilddrüse untersucht und frei von Kropfbildung gefunden
hat. Schwierigkeiten können dann: entstehen, wenn man
zwischen einer Thyreoiditis an umschriebener Stelle — z. B.
am Isthmus — und der Entzündung eines kleinen, der Palpation
nicht zugänglichen Kropfknotens zu entscheiden hat. Jedoch
spricht in solchen Fällen zweierlei mehr für Thyreoiditis: Ein¬
mal ein Weiterwandern der Entzündung über die übrigen
Schilddrüsenteile (vergl. Fall III und VI), dann das völlige Ver¬
schwinden aller Erscheinungen an der erkrankten Stelle
(Fall I, II, III, VI).
Die Prognose der akuten Thyreoiditis ist nach dem
Gesagten fast ausnahmslos eine günstige. Die völlige Wieder¬
herstellung kann sich allerdings mitunter etwas in die Länge
ziehen; leichte Verdichtungen des Schilddrüsengewebes
bleiben gelegentlich wochenlang zurück und verschwinden nur
langsam. Den Ausgang in Eiterung haben wir nicht beob¬
achtet; es ist dies aber auch schon gesehen worden, und zwar
namentlich bei der Thyreoiditis .nach Typhus und Sepsis, bei
den anderen Formen gehört eine Vereiterung zu den grössten
Seltenheiten. — Ein ernsteres Gepräge kann das Krankheits¬
bild dufch die bei hochgradiger Schwellung eintretende Be¬
hinderung der Atmung erhalten; die Erstickungsgefahr lässt
sich jedoch durch die Tracheotomie stets beseitigen. Die
beiden bereits erwähnten Fälle, in denen der Tod durch lang¬
same Erstickung erfolgte, liegen weit zurück; bei ihnen ist die
Tracheotomie, die wahrscheinlich lebensrettend gewirkt hätte,
nicht einmal versucht worden.
Die Behandlung der akuten Thyreoiditis hat sich zu¬
nächst nach der jeweiligen Grundkrankheit zu richten. Bei
der rheumatischen Thyreoiditis sind Salizyl und verwandte
Mittel am Platze, bei der Malaria-Thyreoiditis das Chinin. Im
übrigen sind wir auf symptomatische Massnahmen angewiesen,
wie Priessnitzumschläge, bei heftigen Schmerzen auch Eis¬
blase oder Eisschlauch um den Hals. Wir haben ausserdem
nach Ablauf der akuten Erscheinungen in der Mehrzahl unserer
Fälle Einpinselungen von Jodtinktur auf die Haut über der
erkrankten Stelle vorgenommen und hatten den Eindruck, dass
die völlige Resorption der Infiltration dadurch begünstigt
wurde. Die von anderer Seite warm empfohlenen Antipyretika
haben wir nur ausnahmsweise, wie zur Linderung von Kopf¬
schmerzen, verwendet. Dringend zu warnen ist dagegen vor
der inneren Darreichung von Jodpräparaten, und in* dieser
Hinsicht ist unser Fall VII bemerkenswert. Hier trat, nach¬
dem die hauptsächlichen Erscheinungen bereits im Rückgang
begriffen waren, nach der Darreichung von Jodeisensirup ein
regelrechtes Rezidiv auf. Es ist dies besonders interessant
wegen der Analogie zur B a s e d o w sehen Krankheit, von der
.nachher noch die Rede sein wird.
Dass bei sehr hochgradiger Schwellung mit schwerer Be¬
hinderung der Atmung auch die Tracheotomie einmal nötig
werden kann, wurde bereits erwähnt. Ein chirurgischer Ein¬
griff ist weiterhin auch am Platze, wenn die Entzündung in
Eiterung übergeht. Mit Recht empfiehlt de Quervain,
lieber einmal bei nicht eitriger Thyreoiditis zu inzidieren, als
bei Eiterung die lebensrettende Operation hinauszuschieben.
Probepunktionen zum Nachweis eines eventuellen Eiterherdes
sind in ihrem Erfolge sehr unsicher und wegen ihrer Gefähr¬
lichkeit ganz zu verwerfen.
Zum Schluss noch einige Worte über die Beziehungen
der akuten Thyreoiditis zur Basedowschen
Krankheit. Schon längere Zeit ist bekannt, dass sich ein
Basedow im Anschluss an eine akute Infektionskrankheit ent¬
wickeln kann. Früher hatte man dafür keine rechte Erklärung.
Nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse hat es nun
durchaus den Anschein, dass in derartigen Fällen das Binde¬
glied zwischen der Infektionskrankheit und dem Basedow
durch eine akute Thyreoiditis gebildet werden kann. Bisher
sind vier einwandsfreie Fälle mitgeteilt, in denen sich nach
einer akuten infektiösen Schilddrüsenentzündung das volle
Bild der Basedowschen Krankheit entwickelte. Eine
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8. September 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1883
höchst bemerkenswerte Ergänzung zu dieser Tatsache bilden
pathologisch-anatomische Untersuchungen von de Quer¬
vain bei experimentell an Tieren erzeugter Thyreoiditis; es
zeigten sich dabei Wucherung und Desquamation des Epithels
und Schwund des Kolloids, Veränderungen, wie sie in ganz
der gleichen form auch bei der Basedowschen Struma
beschrieben sind. — Eine weitere Parallele zwischen der
Schilddrüse bei akuter Thyreoiditis und der bei Basedow
bildet ihr Verhalten gegenüber Jod, für das oben ein Beispiel
gegeben wurde. Dort sahen wir nach Jodgebrauch ein- Re¬
zidiv der Thyreoiditis auftreten; vom Basedow wissen wir,
dass Jod oft geradezu als Gift wirken und den Zustand be¬
deutend verschlimmern kann. Wenn wir nun mit M o e b i u s
die Ursache des Basedowschen Symptomenkomplexes in
einer Hyperfunktion der Schilddrüse erblicken, so erscheint
es wohl verständlich, dass eine Entzündung der bis dahin ge¬
sunden Schilddrüse die Ursache für deren spätere abnorme
Funktion bildet. In welcher Weise dies vor sich geht, lässt
sich nicht ohne weiteres sagen. Da, wie oben bemerkt wurde,
die letzten Reste der Entzündung sich mitunter nur langsam
zurückbilden, so liegt vielleicht die Annahme am nächsten,
dass die Veränderungen, welche die Entzündung in der Schild¬
drüse in Form von Infiltrationen und Epithel Wucherungen ge¬
schaffen hat, auf das Drüsengewebe einen Reiz ausüben und
so eine abnorm reichliche Sekretion hervorrufen.
Wie dem auch sein mag, jedenfalls verdient der Zu¬
sammenhang der akuten Thyreoiditis mit dem Basedow alle
Beachtung, und man darf mit de Quervain erwarten, dass
mancher Fall von scheinbar spontanem Basedow sich bei ge¬
nauer Berücksichtigung der eben dargelegten Verhältnisse als
etwas weniger spontan heraussteilen wird.
Literatur:
(Die Literatur bis 1903 findet sich vollständig in de Quervains
Monographie von 1904, auf die hiemit verwiesen sei. Nachstehend
die Arbeiten der letzten Jahre.)
1. D e Q u e r v a i n: Die akute nichteitrige Thyreoiditis und die
Beteiligung der Schilddrüse an akuten Intoxikationen und Infektionen
überhaupt; Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und
Chirurgie 1904, 2. Suppl.-Band, S. 1—165. — 2. Derselbe: Thy¬
reoiditis Simplex und toxische Reaktion der Schilddrüse, ebenda, 1905,
S. 297. .— 3. Sarbach: Das Verhalten der Schilddrüse bei In¬
fektionen und Intoxikationen; ebenda 1905, S. 213. — 4. Bayou:
Ueber die Thyreoiditis Simplex und ihre Folgen; Zentralbl. f. allg.
Path. und path. Anatomie, 1904, XV, 18. — 5. Ruthe rf o r d: Goitre
secondary to septic endometritis; Glasgow med. Journal 1904, LXI,
3, pag. 204. March. — 6. Stadler: Ein Fall von akuter nicht-
eitriger Thyreoiditis, Münch, med. Wochenschr. 1906, S. 170.
Zur Basedowschen Krankheit.
Von San.-Rat Dr. M. O h 1 e m a n n, Augenarzt in Wiesbaden.
Es gibt wenig Krankheiten, die eine so enorme Literatur
aufweisen wie gerade die Basedow sehe Krankheit, eine
neue Publikation dürfte daher nur dann gerechtfertigt sein,
wenn sie etwas Besonderes brächte. Da ich nun selbst an
dieser Krankheit leide, glaube ich, wenn auch gerade wenig
Neues, so doch Einiges von besonderem Interesse bringen zu
können, das diese Mitteilung rechtfertigt. Dies trifft zunächst
die Diagnose, dann aber auch Symptome und Verlauf.
Die Erkrankung begann — im 57. Lebensjahre — mit plötzlichem
starken Herzklopfen in der Nacht bei sonstigem völligen Wohlbefin¬
den. Es dauerte nur ganz kurze Zeit und kam später nie wieder,
mutmasslich aber wohl nur wegen dauernder Abstinenz aller Art
von Genussmitteln. Am folgenden Morgen fand sich eine Puls¬
frequenz von 84—96, wechselnd, die in den nächsten Tagen und
Wochen noch mehr zunahm trotz aller diätetischer Vorsicht. Im Ver¬
laufe der nun folgenden Monate hatte eine Reihe von Kollegen
Gelegenheit dies zu beobachten. Ein Nervenarzt empfahl BornyvaL
das erfolglos blieb, ein Gynäkologe meinte, es hätte nichts zu sagen,
da der Puls regelmässig sei. Aehnlich lautete das Urteil anderer.
Es fehlte ja auch jedes weitere Symptom. Da suchte ich eine grössere
Klinik auf. Dort wurde ich sogleich im Röntgenzimmer untersucht
Es fand sich, dass das linke Herz etwas grösseren Schatten zeigte als
normal. Dieser Befund führte zu einfacher diätetischer Herztherapie,
obwohl auf Genussmittel schon längst verzichtet war. Aber die
wenn auch kurze Reise hatte dennoch eine ganz erhebliche Ver¬
schlimmerung der Tachykardie zur Folge, die noch Wochen lang
anhiett Damit traten auch andere Symptome ein: Zittern, Transpi¬
ration und Abmagerung. Doch wurden sie als Folge der veränder¬
ten Lebensweise angesehen, da einfache Herzdiät immerhin etwas
Ungewöhnliches im vorgerückten Lebensalter ist
Etwa 4 Monate später, % Jahr nach Auftreten der Tachykardie,
wurde eine zweite Untersuchung in der Klinik vorgenommen, eben¬
falls gleich wieder im Röntgenkabinett Diesmal zeigte die Herz¬
gegend normale Schatten* wohl aber fand sich ein solcher hinter
und unter dem linken Schlüsselbein, und die Diagnose wurde auf
Basedow gestellt Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Die Veränderungen, die ich am Halse und dem rechten Auge im
Spiegelbild sah, hielt ich für Folgen der grossen Abmagerung, sie
waren auch gering, war doch die Aufmerksamkeit allein auf die
Herztätigkeit gerichtet. Zur Therapie hörte ich, dass man mir nicht
helfen könne, aber wo Struma, da sei auch Jod indiziert. Ich griff
zum nächsten, was ich hatte, Jodkaüum, und bat bei E. Merck in
Uarmstadt um Antithyreoidin Moebius. Doch davon später. Um
diese Zeit waren, wohl auch mit infolge der zweiten Reise wieder
Tachykardie und Zittern verschlimmert starke Transpiration hinzu¬
getreten, die Kräfte erheblich reduziert
Die Struma trat nach aussen wenig hervor, links mehr als rechts,
aber die Palpation ergab, dass sie hinter dem Sternokleidomastoideus
weit in die Tiefe ging. Pulsation oder Schwirren war nicht vor¬
handen.
Beim Studium der Handbücher und Monographien über die
Basedowsche Krankheit war das erste, was ich las, bei Fuchs
und Eulenburg fast wörtlich: die Erkrankung beginnt mit Herz¬
klopfen und Hypertrophie des linken Herzens; Moebius sagt sogar,
eine länger bestehende Tachykardie müsse immer den Verdacht er¬
wecken, dass es sich um Basedow handele. Das Symptoqitrio: Ex¬
ophthalmus, Struma, Tachykardie kann iu dieser Zusammenstellung
für den Praktiker gefährlich werden und zu langen diagnostischen Irr-
tümern führen, ausserdem gibt es einen falschen Begriff vom Beginn
der Erkrankung. Mag es auch Ausnahmen geben, meist ist wohl
die Reihenfolge der wesentlichsten Symptome: Herzklopfen, Tachy¬
kardie und umgekehrt, denn- der frequente Puls wird selten gleich
entdeckt, Transpiration, Zittern, Abmagerung, Schwäche, Dyspnoe,
besonders beim Treppensteigen, Struma, Exophthalmus. Früher noch
als dieser bestehen schon Lidödeme, und Tränen. Aber die Augen¬
symptome können auch längere Zeit ganz gering sein, zumal eine
Reihe von Monaten vergehen können* ehe alle diese Symptome sich
entwickeln. Vielleicht liegt der Beginn der Erkrankung noch früher.
Lange schon vor der Entdeckung der Tachykardie besteht Abneigung
gegen Genussmittel, wie Kaffee, Thee, man findet gewohnte Getränke
der Art stärker wie früher, offenbar weil sie das Herz alterieren.
Dann tritt beim Gehen, besonders beim Treppensteigen, eine früher
ungekannte Müdigkeit ein. Das sind schon Anzeichen gestörter Herz¬
tätigkeit, die aber nicht weiter beachtet werden, ebensowenig wie
wiederholtes Nasenbluten. Unter den Symptomen ist das Verhalten
des Pulses bemerkenswert. Er ist ausserordentlich wechselnd, Jarm
aber kommen auch regelmässige tägliche Schwankungen vor. Am
geringsten ist die Frequenz in der Ruhe natürlich, vor den Haupt¬
mahlzeiten, am grössten bald nach denselben. Heisse Getränke,
besonders Milch, beschleunigen den Puls, kalte retardieren ihn, so
schon etwas kaltes Wasser.
Das G raefesche und St eil wag sehe Symptom war vor¬
handen, das Moebius sehe nicht beobachtet. Der Exophthalmus,
der zunächst nur das rechte Auge traf, entwickelte sich ausser¬
ordentlich langsam, so dass er erst im 9. Monat der Erkrankung
diagnostiziert wurde. Aber schon 2 Monate später stellten sich
Doppelbilder im oberen Gesichtsfeld ein, beginnende Paralyse des
Rectus sup. dexter, und Parese des Rectus sup. sinister.
Langsam und unaufhaltsam schritt die Augenmuskellähmung
weiter, bis die Doppelbilder auch im unteren Drittel des Gesichtsfeldes
waren. Es ist eine ganz eigentümliche Erscheinung, dass im Verlaufe
der Erkrankung in den späteren Monaten die Lähmung der Augen^
muskeln immer weiter schritt, während alle übrigen Symptome zu¬
rückgingen. So waren allmählig nach iVz Jahren von Entdeckung
der Tachykardie an gerechnet sämtliche Rekti des rechten Auges
fast ganz gelähmt, vom linken Auge die Lähmung auf den Rectus
sup. beschränkt gebüeben. Die Obliqui schienen nach dem Stande der
Doppelbilder intakt Während anfangs mit Prisma 4° Basis nach
oben die Diplopie überwunden wurde, musste allmählig, um dies zu
erreichen, bis zu 18° gegriffen werden. Als dann später die
Parese des Rectus internus die des Abduzens überwog musste
noch ein Prisma von 4° mit der Basis nach aussen am anderen
Auge zu Hilfe genommen werden. Die erste Besserung der
Lähmung zeigte sich im 18. Monat der Erkrankung. Das zweite
Prisma konnte zur Fusion wieder fortgelassen werden. Eine
subjektive Erscheinung wäre noch zu erwähnen, das ist das Auf¬
treten von Phosphaenen, Sie zeigten sich besonders deutlich im
Dunkeln beim Liegen mit dem Lidschlage. Wiederholt man ihn
öfters hintereinander, so treten die Phosphänen strahlenförmig sehr
intensiv hervor. Es sind wohl Druckerscheinungen von der Orbita
her, denn durch Druck auf den Buibus von vorn entstehen ja Phos¬
phänen. Dagegen zeigte sich kein Symptom irgendwelcher Art, das
etwa auf interne Tensionszunahme deuten könnte, kein Symptom von
Glaukom. Die beginnende Lähmung des Rectus sup. dext hatte icfo
3*
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No. M\
1884
selbst nicht erkannt, ich hielt die Doppelbilder im oberen Gesichts-
feld als mechanische Folge des noch einseitigen Exophthalmus als
Verschiebung des Bulbus, bis ich in der Augenklinik in Leipzig, die
ich aut einer Durchreise aufsuchte, und wo sich Herr Brot. Sattler
meiner freundlichst annahm, eines Besseren belehrt wurde. Herr
Brof. Bielsehowsky hatte die Güte die Prüfung vurzunelnnen.
Herr Prof. Birch-Hirschfeld war so freundlich, den Exoph¬
thalmus mit seinem Exophthalmometer zu bestimmen. Sehtälngheit
und Pupillen blieben normal. Augcnniuskdlälmiuugen sind übrigens
so selten beim Basedow, dass M o e b i u s in seiner Literaturangabe
von über 1000 Nummern nur etwa 5 erwähnt. W i 1 b r a n d und
S ii n g e r erwähnen sie im Register gar nicht. Zw eier anästhe¬
sierender Erscheinungen ist noch zu gedenken. Die eine betrifft die
Haut des rechten oberen Augenlides, die sich beim Faradisieren im
Vergleich zur linken Seite als weniger sensibel zeigte, die andere
die Epiglottis. Wiederholtes sehr lästiges Verschlucken beim Essen
kann nicht anders gedeutet werden als eine verringerte Sensibilität
der Epiglottis, als paretische Erscheinung seitens des Nervus laryu-
geus sup., der ja einige Zweige in die (ilandula thyreoidca schickt.
Der Verlauf war kein regelmässiger, gelegentliche Verschlimme¬
rungen brachte das tägliche Leben mit sich. Besserung zeigte sich,
wenn die Pulsfrequenz auch bei körperlichen Bewegungen zurück¬
ging und eher als Zunahme des Körpergichtes zu ermitteln war.
Die Pathogenese sei nur kurz berührt: Es schien anfangs, als
ob die Ursache allein forciertes Bergsteigen gewesen sei. allein es
waren unzweifelhaft schon vorher einzelne Anzeichen vorhanden, wie
leichtere Ermüdung gegen früher, wie oben schon erwähnt, so dass
die Annahme besteht, dass vor längerer Zeit dagewesene psychische
Alterationen den ersten Anstoss gegeben haben.
Dazu mag Anlage zu leichter Struma kommen, die sich jedoch
nur in etwas starkem Hals zeigte. Es lässt sich nun leicht erklären,
wie der grosse Reichtum der (ilandula thyreoidca an sympathischen
Nervenfasern zur Erkrankung der Drüse durch psychische oder so¬
matische Reize beitragen kann. Was ein psychischer Reiz aus-
lösen kann, dafür hat man im Erröten das einfachste Beispiel. Man
erinnere, dass Sympathikusfasern fast netzförmig die 4 grossen Ar¬
terien der Thyreoidea aus dem Ganglion ccrvicale supiemuni
median von der Carotis communis begleiten, und dass sie \iele
Ganglien enthalten. Dann ist auf eine Tatsache aufmerksam zu
machen, der in der Literatur der Basedowschen Krankheit kaum
noch gedacht wird, es ist das Verhältnis des Sympathikus zu den
Drüsennerven. Schon Heule führte in seiner Neurologie an, dass
es bekannt sei von der Submaxillardriise, dass sie auch auf Reizung
des Sympathikus ein Sekret liefere, aber es sei verschieden von
dem, das eine Reizung des Eazialis hervorrufe. Aehnliches konnte
auch bei der (ilandula thyreoidca vorliegen.
Auf die Theorie von Möbius braucht, weil bekannt, nicht weiter
eingegangen zu werden, allein kann der Hyperthyreoidismus nicht in
durch Sympathikusreizung verändertem Thyreoidealsekret, wenn
man so sagen darf, seine Erklärung finden? Soweit mir bekannt,
betreffen jedoch die Untersuchungen über Thyreoidosen von Nur-
but-St. Petersburg, Hoff mann in München IMimch. med. VV o-
chenschr. vom 11. Februar 1908j und neuerdings von Ealta m
Wien, mitgeteilt auf dem letzten Kongress für innere Medizin in
Wien, nur gesunde Kropfdrüsen in ihrem Verhältnis zur
Nebenniere, Hypophysis und Bauchspeicheldrüse. Dasselbe ist
der Fall bei den Untersuchungen Hürthles (Deutsche med. Wo¬
chenschrift 1894, No. 12) und Wieners (Zentralblatt für Physio¬
logie 1899, Hef. 6) in Bezug auf die Beziehungen der (ilandula tliy-
reoidea zur Gallensekretion. Ferner darf ich auch erinnern an das.
was Schmidt-Rimpler in seinem vorzüglichen Werke über die
Krankheiten des Auges in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen
1898 bei der Besprechung der Bulbärtheorie sagt, dass immerhin ganz
sichere und nicht allzu seltene Fälle übrig bleiben, wo die Struma
ganz fehlt oder ganz klein ist, und man keine Erklärung fnr die
Basedow’sehe Krankheit findet, während andererseits ganz gleich¬
artige Kröpfe keinen Basedow’ hervorrufen. Allerdings konnte in den
ersteren Fällen das Wachstum der Drüsenschläuche in der 1 iete hinter
dem Sternokleidomastoideus erfolgen, aber doch wäre diese Er¬
klärung nicht genügend. Vielleicht aber durfte es auch sein, dass
eine Struma in der Tiefe, namentlich wenn Röntgenuntersuchung ihren
Schatten hinter dem Schlüsselbein erkennen lässt, örtliche Druck¬
erscheinungen macht. So können durch partiellen Druck auf die Vena
jugularis int. Gesichtsödeme, Exophthalmus und Nasenbluten hervor¬
gerufen werden. Bekannt ist ja, dass Aphonie durch Druck auf den
N. laryngeus sup., Verengerung selbst der Trachea durch Struma¬
druck verursacht werden könne. Birch-Hirschfeld fand bei
der Sektion einer Dame, die während des Lebens an einer eigen¬
tümlichen Herzneurose litt mit Tachykardie, Unregelmässigkeit des
Pulses und Symptomen von Beängstigung, eine knollige fibröse
Hypertrophie eines in die Brusthöhle gewucherten Schilddrüsen¬
lappens der einen Ramus cardiacus einklemmte. W ächst eine Struma
nach vorn und aussen so fehlen Druckerscheinungen, nach der 'l iefe
aber ist es anders. Dort liegen die Ganglien des Sympathikus mit
ihrem Plexus, nach unten ziehen die drei Rami Cardiaci, median-
wärts der äussere Ast des N. laryngeus sup. und endlich der Nerven-
plexus zwischen den llerzästen des S\ mputhikus und dm Y rccur-
rens vagi. Allerdings den Stamm des S\ lupathikus kann eine Struma
nicht komprimieren wohl aber diiicli Druck und Verschiebung der
Lage die genannten Nervemasern reizen. 8 «» wer Jen wohl che¬
mische und mechanische Momente zusammen das P» J der Base¬
dowschen Krankheit her\ornifcii. Atigcumuskc a rmmgetr s.nJ
wohl ohne Präge Folgen von Antomiox.kal.on und denkt man imw
kurlich an dieselben Lähmungen bei 1 111 ektboiJs k rankIie1 1 en ader Art
sowie Ptomaiimitovkatiuueii Des er inner t daran, dass nuueüc
glauben, die Basedow sehe Krankhe.t se: e :.c F.;e ktmnskr ankhc.t,
durch noch unbekannte Proto/mn her\o?-ge: ulen. V u .echt hang:
damit auch der Gebrauch \ou Natrium v.r .o .mm n neuester Zct
zusammen (Revue Ncundogtque ». Die slrkoe Pu 's; ;e q lenz g'c.cb
nach der Nahrungsaumahme kann man \ n. a. mi daui.i! zu. uekt. men.
dass schon mit dieser durch Re;/ des V omm'.is sup.. de: zur
Piuse geht, eine stärkere Sek’ctbddung :n dir linre-.dea ersetzt,
das wurde auch den Beziehungen der I h\ ff dea / ar < :a. cusek; ct,<
nicht Widersprechen.
1 > i e T h e r a p i e hat sid» sehr cml.uli gmtaitm. 1 he idi das
Alltitln reoidm Moelmis erlneil. nahm iJi m kie.ua.ti D- se n L.Ik.i .mi.
.(Kal. jodat. Aqu. dest. X n•, 2 mal t.u dl l" 2" ITopt^l m
der Annahme, dass solche kleinen Dosen w><ni die He r it a..l
kurze Zeit noch mellt altenereii w m Jen. /um ■"■•ss’vn L'st.uimn
jedoch sank die Pulsfrequenz am X Ja ge am 7". b.s /um 7. läge au;
(tS morgens, tags u he r nicht über 7s hinausm he ud. Ir.jr.snsr.iij.il
lind Zittern w aieil \ erschw linden. I rter du» l mM.rd-n w urde d is
Mittel weiter gebraucht, und hielt die VVnkung ö W . dun staiu;.
Schon glaubte ich au Heilung, als nadi eurem hn ami spaz e r gar.ge
sich wievler eine leichte PuSstc.ge: ung zv de. d e .m \ er .aute der
nächsten Wochen weiter zun ilmi, d"di muh i:.d:t 1 u: vier Meute
ei reichte, aber auch nicht durch vi.e Jodka :um < vi: g bee.rmjss:
wurde. Nun nahm ich 2 mal taghell \r In-pun \ ■ rn rc.- d n
Moelmis. Allein schon an: selben läge st.cg de P i.spvqiicn/ Uber
UM, stellten sich I ranspnfatioii und Zittern wieder em. \m !<■ gerdm
läge war der Puls sogar 11" 12" und ii.elt s.di s läge 1 arg auf
dieser Hohe, bis ich das M.ttel aussetzte und zum J d- af unn d.eses
Mal griff. Als icJoch bis zum 8. Tage kenne Aeudc uug kau., r.aivn*
ich die von Till m a n n s :n seiner Chirurg e bc; >t'uma emn-
fohleue Jodtinktur, zunächst 2m.il taghell einen 1 " ptut m W aae'.
ging aber bald auf 2 I topfen uber. Nun kam am 2. 1 age d e W r-
Ku ii g, die Pu stieipienz sank unter 1 ".', ^.ng in mer u.enr /trmk und
erreichte die Norm mit 72 7 S m 1" lagen. Ich tat d. d is> s.ch d e
beiden Tropfen Jodtinktur, mit einem Auge: tro; tglas abgemessen
und mit einem Weinglas \oil Wasser \erdn:mt. s.di gar n.ci.t un¬
angenehm wahrend des Fruhvtftvks um! M;ttagessens, .mJi \or • de'
nachher, nelimen hessem. Selbst LugoJsdie Losung i bj, ruf« Kal.
jodat. aa ti,75, (i!\ cerin. 2. = .". 2 mal tag .ch 2 logneni wurden \c r -
suclit, doch schien kenn l T.tcrsdi.cJ mit c.nf.idtcr Ldtektur zu be¬
stellen. und so biieb ich bei d e^er. Spater las .di m der Mop# grapb v
von M n c Io u s, dass man sclmn bei geringen Mengen von J.J-
kalium grossen Nachteil gesellen habe, besonders aber v.-n der An¬
wendung der Jodtinktur im Munde. N.u h scieyü F.r fahnmgcii ;
Jod (iift! Infolgedessen versuciite ich zum zwe.ten Mae das \-.t -
thyreoidtn, doch mit derselben W.rknrg w e r.ilicr. Sch-m am
eisten Jage stieg die Pulstrequeiiz wieder auf F-', am /we.teii .tu:
12ö, da horte ich definitiv dam.t auf und bdc*' bei der Jod:. r:\tu:.
die den Puls bald wieder unter 8" brachte. Sdbstredcml vimlo rr.
Laufe der Zeit wiedeilnhi das M.ttel bn ;g<. ass«.ii und de Herz¬
tätigkeit kontiolhert. Ai lein es zeigte s:di uJcsma’. dass auts neue
Puissteigeningen Ins ö i uml 1"" die l'o’ge waren. Da' e. s nd ausser¬
dem Traiivpiration uml Zittern tu vier Ruhe f"rtge b.n bv n. m .1 das
Körpergewicht nahm zu. \ oii einem .schad.*.emlv n .log smas keimte
also keine Rede sem. l'ml so nehme ieh it.*ch letzt. s L t I ' \\.-nateu.
die 4 Tropfern Jodtinktur täglich, von der etwa2" g pr o \ ;e-te aiir ver¬
braucht wird. Auch auf d.e Stiuma w.ik'.e bis 1 -J. :.»;:gs wurde
sie etwas grosser, doch vlauerte vbes nur etwa s j .j^v. J nm nahm sie
ab. ohne iedoch volhg zu \ erschw inden. e n nicht im ne deutender Rest
bleibt hinter dem Schl üsselbein, wenn auch \e’ke ,, ert. Auf den
bxophthnlmtis war die Wirkung germg. \:k h nienem Iah
entspricht nicht vlie Seite des grosseien I \ mus vier Seite de*
nach aussen tretenden grosseren Striimasc’ w i 'u”g. Dass abe' de
S\ rnptome mir her abgednic kt. nicht beseit g; wvuli'i. hess s.ch d.ran
erkennen, dass bei geringen ko: per' eben \' e' . uu gen de S\ m-
ptorne wievler Zunahmen. In.uuriin be.'eurvt is e ■ e g'osse }
leichterung, viele Monate m der Ruhe e.:. c n }h. s n nur 74- 7 S
zu haben.
Wiederholt wurden and) rmh andere M t:e* ,v gewandt, sämt¬
lich erfolglos. So wurde der Versuch gemuht, r.mdt vieuisdic
Hg-Lmreibungeii bis zur Saiivatu-n d ic ( iphthalm- ;• v. g:e zu beein¬
flussen. Sie blieb unverändert. Fruhze.t g wnMe f - d c M'm--a mul
nachher für die Augeulahmiingen der k •nstante — gt ‘»'aucht.
für die Augenmuskellahmungiil au di d-.r t.i;a..l sd.v. is war a des
umsonst. Dasselbe gilt voti der (mthemr e. r ne J m mus. Para¬
nephrin. seihst Sperm.n und. w ,e Swium angeführt. Au: :: > :e J.n.
Hypophysenextrakt wäre ve"e cht eher ind.zle't. da man bei
Erkrankung der Hypophyse mit E:; 'g Th\-re'-..d.r. g ht.
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8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1885
Bei einem allerdings nur kurzen Gebrauch von Sajodin und
Jodglidine trat keine Wirkung auf die Pulsfrequenz ein. Dass Jod
vielleicht doch pulsretardierende Eigenschaft hat, könnte aus einem
Vortrage geschlossen werden, den v. Fürth in Wien auf dem
letzten Kongress für innere Medizin hielt. Er hatte experimentell
beobachtet, dass Injektionen des Schilddrüsensekretes, des Jodo-
thyrins, starken Abfall der Pulsfrequenz hervorriefen. Ferner konnte
er durch eine Verbindung eines Bluteiweissstoffes mit Jod einen
Körper hersteilen, der gleiche Wirkung wie das Jodothyrin aufwies.
Was die Wirkung des Höhenklimas anlangt, so kann ich nur
bestätigen, dass man über mittlere Höhen nicht hinausgehen soll.
Schon bei 1400 m Höhe bleibt die Pulsfrequenz etwas höher als in
der Ebene abgesehen davon, dass dies die Reise an sich schon
mit sich bringt. Höhen von 1600—1800 m, wie Zermatt und Engadin,
dagegen soll man nicht aufsuchen und geben auch die Schweizer
Aerzte die Grenze auf 1400 m an. Und es mag wohl so sein, dass
die Hauptwirkung des Höhenklimas in der etwas niedrigeren Tem¬
peratur liegt, da Basedowkranke in der Juli- und Augusthitze stärker
leiden und höhere Pulsfrequenzen haben. Dazu kommt, dass Höhen¬
lagen in der Schweiz bei Nacht besonders erheblich geringere Tem¬
peraturen haben als die Ebene oder geringere Höhen in Deutschland.
Allein man darf nicht vergessen, dass es dort bei Tage auch recht
heiss werden kann und die Hitze dann doppelt fühlbar, weil es
so wenig schattige Wege gibt; man muss ferner stark steigen, wie
in Wengen, um in den Wald zu kommen. Wie wenig aber Höhenlage
auf die Krankheit selbst Einfluss hat, geht allein schon daraus hervor,
dass, wie ich in der Züricher Augenklinik hörte, die meisten Base¬
dowkranken dort aus der Andermatter Gegend kommen. Vom ersten
Assistenten dieser Klinik erfuhr ich jedoch etwas Wichtigeres, dass
nämlich Eiweissnahrung auf die Basedowerkrankung von Einfluss sei.
Nun hatte ich eine Erklärung für die schon im Beginn der Erkrankung
beobachtete starke Pulssteigerung nach den Mahlzeiten und be¬
sonders seitdem ich mich vorwiegend an Milchnahrung hielt. Es
konnte kein anderer Grund vorliegen, dass die schwachen Jodkalium¬
lösungen plötzlich versagten, da kein anderer Wechsel der Lebens¬
weise in Frage kam noch sonst eine Aenderung im Leben. Be¬
stätigt wurde diese Auffassung, dass sehr bald nach Fortlassen der
Milchnahrung fast wieder die alten Pulsverhältnisse eintraten, wie sie
zur Zeit der Jodkalibehandlung bestanden, obwohl nicht dieses, sondern
2 mal täglich 1—2 Tropfen Jodtinktur in Wasser genommen wurden.
Auch auf die Augenlähmung wurde bald eine Wirkung bemerkbar,
während vorher mit Prisma 18° Basis nach oben nur kurze Zeit mit
Verschmelzung der Doppelbilder gelesen werden konnte, blieb die
Fusion schon nach zwei Wochen bei der Naharbeit mit Prisma von
14° dauernd, und es scheint, dass diese Besserung noch weiter geht
Ferner wurde der vorhandene Strumarest noch kleiner und weicher
und trat fast ganz zurück. Ein Fachkollege, den ich auf der Strasse
traf, und der 5 Wochen früher mich zuletzt sah, sagte erstaunt: „Sie
haben ja gar keine' Augenlähmungen mehr, Ihre Struma ist ja auch
fort!“
Ich komme zu folgenden Schlüssen:
1. Das Wesen bei der Basedowerkrankung ist in erster Linie
funktionelle Störung der Thyreoidea mit Toxinwirkung also Auto¬
intoxikation durch vermehrte resorbierte Drüsensekrete. Ob Reizung
durch den Sympathikus ein pathologisches Drüsensekret liefert, wie
etwa bei der Submaxillardrüse, ist freilich nicht untersucht, aber wohl
möglich. Das Toxin dürfte ein Eiweisstoxin sein.
2. Ein wesentlicher Teil der Symptome dürfte durch Zirkulations¬
störungen bedingt sein. Durch Druck auf die Vena jugularis interna
seitens der nach innen wachsenden Struma entstehen frühzeitig Lid¬
ödeme, Tränen, Venenerweiterungen selbst pterygiumartige, endlich
wohl Exophthalmus. Ein Blick auf die Topographie des Halses
(cf. z. B. Atlas von Bardeleben und F r o h s e) macht dies wahr¬
scheinlich, auch wohl Nasenbluten.
3. Bei der Tachykardie scheint ebenso ein Druck der Struma
auf das Sympathikusgeflecht zwischen Ganglion med. und inf., nament¬
lich auf die Rami communicantes und cordis vorzuliegen, auf den
Stamm des Sympathikus natürlich nicht.
4. Durch akute und chronische Reizungen des Sympathikus vom
Zentrum kann, wie Erröten des Gesichtes, Gefässerweiterung der
Glandula thyreoidea eintreten und dadurch abnorme Sekretion her¬
vorgerufen werden.
5. Bei der Behandlung ist erste Indikation: Verkleinerung
der Struma. Dies kann bei akuten Fällen schon durch Kälte
(Leiter sehe Röhren) gelingen, sonst bei primärem Basedow
mittels Antithyreoidin, bei sekundärem durch -Jodpräparate, wobei
1—2 Tropfen Tinctura jodi, 1—2 mal täglich mit 1 Glas Wasser
zu den Mahlzeiten als am leichtesten zu nehmen, auch am billigsten,
sich sehr vorteilhaft zeigen kann, auch sehr rasch zur Gewissheit
macht, ob Jod hilft oder nicht, in allen Fällen am raschesten natür¬
lich durch Strumektomie.
6. Seitens der Nahrung hat Eiweissnahrung, besonders Milch,
in der Tat einen erheblichen Einfluss auf Pulssteigerung ja Steige¬
rung aller Symptome. Dies kann sich nur dadurch erklären, dass bei
ihr eher eine Toxinbildung eintritt als bei Kohlehydraten und Fetten,
dadurch treten dann Erscheinungen ein von Autointoxikation.
So habe ich meinen Basedow obwohl auf dem richtigen Wege
doch selbst verschlimmert, weil die Handbücher keine Mitteilungen
über die Chemie der Nahrungsmittel bei dieser Krankheit bringen, im
Gegenteil wird gerade von M o e b i u s Milch, und was aus ihr
bereitet wird, besonders empfohlen (cf. pag. 81 der letzten Auflage).
Wenn nun auch die Erkrankung noch nicht abgelaufen ist, so habe
ich doch geglaubt im Interesse der vielen Basedowkranken meine
Erfahrungen jetzt schon mitteilen zu dürfen.
Aus dem Allgemeinen Krankenhause St. Georg-Hamburg.
Isolierte, quere Mesenterialabreissung bei Kontusion
des Abdomens.
Von Dr. R e i n e c k e, ohirurg. Sekuradärarzt.
Bei dem grossen Material von schweren Verletzungen des
Abdomens durch stumpfe Gewalt, wie sie das Krankenhaus St.
Georg infolge seiner zentralen Lage in der Stadt aufzuweisen
hat, sind isolierte Mesenterialabreissungen, senkrecht zur
Achse des Mesenteriums, d. h. Abreissungen des Darmes von
seinem Mesenterialansatz, sehr seltene Vorkommnisse, während
Verletzungen des Mesenteriums in der Mesenterialachse bei
gleichzeitig vorhandener oder fehlender Darmverletzung häufig
genug angetroffen werden.
In den letzten 10 Jahren ist bei uns nur ein Fall dieser
Art beobachtet und zur Operation gekommen. Nach Neu¬
mann (Gar res Klinik): „lieber ausgedehnte Mesenterial¬
abreissungen bei Kontusionen des Abdomens“, ist die Mortali¬
tät dieser Verletzungen annähernd 100 Proz. N e u m a n n und
jüngst in No. 10 dieser Wochenschrift Au t e n r i e t h - Calw
berichten über je einen durch Laparotomie und ausgedehnte
Darmresektion geheilten Fall von isolierter querer Mesenterial¬
abreissung.
Ich bin nun in der Lage, über einen von mir operierten und
zur Heilung gekommenen Fall der gleichen Verletzung zu be¬
richten.
Friedrich F., 41 Jahre alt, Kutscher, aus Hamburg. Am 5. VII. 07
morgens 8*4 Uhr fiel Pat. beim Verladen von schweren Ballen in
einen Eisenbahnwagen von seinem Wagen herab; er kam platt auf
den Boden zu liegen, ein ca. „10 Zentner schwerer“ Ballen fiel
hinterher auf ihn („auf das Becken“). Pat. verspürte sofort die
heftigsten Leibschmerzen und grosse Schwäche, so dass er sich nicht
mehr erheben konnte. Kein Erbrechen. Bewusstsein erhalten. Auf¬
nahme im Krankenhaus 8% p. m.
Status: Kräftiger Mann, macht den Eindruck eines schweren
Schocks: Puls klein, flatternd, beschleunigt (ca. 120). Gesichtsfarbe
blass, Temp. 36,6. Reflexe und Pupillen o. B. Zunge trocken.
Atmung beschleunigt, angestrengt. Thorax gut gebaut. Lungen ohne
Besonderheiten. Herzdämpfung normal, Töne rein, Aktion beschleu¬
nigt, etwas unregelmässig. Abdomen eingezogen. Sehr vermehrter
Muskeltonus, heftigste Schmerzen bei vorsichtigster Berührung. In
den abhängigen Partien eine nach oben konkave, ca. handbreite deut¬
liche Dämpfung. Per rectum nichts Abnormes. Katheterisierter
Urin enthält kein Blut. Starke Suggillationen über dem oberen
Schambeinast links. Kompressionsschmerz, abnorme Beweglichkeit
und Krepitation der linken Darmbeinschaufel. Sensorium frei. Mehr¬
faches Erbrechen von morgens genossenem Kaffee und Weissbrot
ohne Blutbeimengungen.
Diagnose: Schwere intraabdominelle Verletzung und Blutung.
Beckenbruch links.
Pat. verweigert zunächst die Operation, wird einstweilen sorg¬
fältig beobachtet. Mehrfaches Erbrechen galliger Mengen. Tem¬
peratur sinkt auf 35.8. Puls stundenlang sehr langsam und klein (46
per Minute), Schweissausbruch, kühle Extremitäten. Wenig zu¬
nehmende Blässe. Sensorium bleibt frei. Heftigste „Druckschmerzen
im Leibe“. Spannung des Leibes nimmt immer mehr zu. Dämpfung
in den abhängigen Partien nicht gestiegen. Abends 6 Uhr Operation
zugegeben.
Sofort Laparotomie in Aethernarkose. Schnitt in der Mittellinie
unterhalb des Nabels. Gleich nach Durchtrennung des Peritoneums
fliesst reichlich Blut aus. viel Gerinnsel im Abdomen, besonders das
kleine Becken ganz ausgefüllt, ca. 1 Liter im Ganzen. Grosser Me¬
senterialriss sichtbar. Verlängerung des Leibschnittes nach oben.
Das Ileum ist handbreit von seiner Einmündung in das Zoekum ent¬
fernt, auf 22 cm von seinem Mesenterium völlig abgerissen. Darm
nicht eröffnet. Zurzeit keine Blutung aus einem Mesenterialgefäss.
Im Mesenterialriss mehrere thrombosierte Gefässe sichtbar. Heraus¬
lagerung des abgerissenen Darmteiles. Entfernung der Blutmassen
aus der Bauchhöhle. Nun erkennt man. dass das Mesenterium noch
weiter oralwärts einen kompletten queren Riss zeigt von ca. 12 cm
Länge, und zwar beginnt dieser an dem Endpunkte, wo das Mesen¬
terium vom Darme vollkommen abgerissen erscheint, verläuft zu-
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1886
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
nächst in 1—P/zcm, dann ca. 2 cm Entfernung vom Darm, parallel
demselben; auch hier zurzeit thrombosierte (icfasse im Mesenterium
sichtbar; dann verläuft der Riss in einem nach der Radix niescnterii
offenen Winkel noch eine Strecke von 4 cm weit in das Mesenterium
hinein, also mehr in der Längsrichtung des Mesenteriums. Hier blutet
ein grösseres üefäss beim Vorziehen. Unterbindung desselben. Der
Darm über den grossen Mesenterialrissen, aber auch zoekalwürts
noch einige Zentimeter über die Mesenterialabrissstelle hinaus und
besonders weit oralwärts hinauf (ca. 12 cm), erscheint seiner Er¬
nährung beraubt, zeigt eine grau-bläuliche und gelbliche Verfärbung.
Serosa getrübt, nicht spiegelnd; ebenso zeigt das Mesenterium zwi¬
schen Darm und Riss und weiter oralwärts eine eigentümlich
schmutzig-graugelbe Verfärbung. Resektion des Dünndarms weit
im Gesunden (54 cm). Der kleine nachbleibende Ileumstumpf
am Zoekum wird verschlossen, cingestiilpt und zweifach über¬
näht. Einpflanzung des lleum in das Colon ascendens oberhalb der
ßauhinschen Klappe nach Längseröffnung des Kolon, in dem eine
Unzahl von Oxyuren sich zeigen. Zirkuläre Darmnähte. Naht des
Mesenterium mit ganz feinen, keinen die Anastomosen abschnürenden
Stiohen. Da keine Darmverletzung vorlag, völlige Versenkung und
etagenweiser Nahtverschluss des Hauches. Dauer der Operation
1*4 Stunde, während derselben Kamphorinjektioncn und intravenöse
Kochsalzinfusionen (600 ccm). Puls nach der Operation 120, mittel¬
kräftig. Warme Lagerung des Patienten.
6. VII. Starker Meteorismus, keine Elatus. Kein Erbrechen.
Pat ist ziemlich unruhig. Puls 124, leidlich kräftig. Urin durch Ka¬
theter gewonnen, ohne Blut. Theo und Eisstückchen per os. Atropin.
Morphin, Digalen, Darmrohr 3 mal 1 Stunde.
7. VII. Unruhe hat nachgelassen, sonst Status und Therapie un¬
verändert.
8. VII. Mehrfach Flatus. Metcorismus geringer. Pat. fühlt sich
sehr schwach und sieht elend aus. Kein Erbrechen. Puls klein, ino.
wenig kräftig. Kochsalzeinläufe per rectum, 2 stündlich 200 ccm. Thee
und Welgcn per os Urin wird spontan gelassen.
9. VII. Bisher afcbril, heute 38,4. Viel Hustenreiz und Aus¬
wurf. Bronchopneumonie (1. Unterlappen). Starke Zyanose. Wein,
Milch, Digalen, Morphium. Mässiger Metcorismus. Elatus vorhan¬
den. Schwerer Allgemcineindruck.
10. VII. Nach Glyzerinklystier Stuhlgang, normal gefärbt. Sonst
Status idem. Reichliches Sputum nach Ipecacuanha-Infus.
11. VII. Nach Glyzerinklystier Stuhlgang, besseres Allgemein¬
befinden. Hustenreiz lässt etwas nach. Leicht febrile Temperaturen.
Meteorismus fast geschwunden.
13. VII. Pneumonische Erscheinungen lassen nach, dagegen tritt
eine Bauohdeckenphlegmonc deutlich in Erscheinung. Eröffnung
einiger Nähte; reichlich Pus. Tampon. Fixierender Verband. Stuhl¬
gang täglich einmal nach Einlauf. Elatus vorhanden. Keinerlei
Schmerzen im Abdomen.
22. VII. Wunde reinigt sich gut und rasch, lieber den Lungen
nur noch einzelne Rhonchi sonori. Puls kräftig, regelmässig, SO-öo.
Afebril seit einigen Tagen. Guter Allgemeineindruck. Abdomen
weich. Stuhlgang erfolgt seit einigen Tagen reichlich und spontan.
Konsistenz und Farbe normal.
9. VIII. Wunde so rein, dass Sekundärnaht der Bauchdecken
vorgenommen werden kann. Präparieren der Faszien und Muskeln.
Loslösung -der'Haut. Faszienmuskelnaht, teilweise wegen des noch
bestehenden starken Hustens mit Seidenknopfnähten. Durchgreifende
Seidennaht. Fortlaufende Scidennaht der Haut.
17. VIII. Heilung gelingt jetzt per primam. Keinerlei Beschwer¬
den, regelmässige Verdauung.
28. VIII. Pat. steht auf.
3. IX. Röntgenbild zeigt, dass schwerer Beckenschaufelbruch
links vorlag. .Deutliche Osteombildung, infolge der schweren Blutung
in der Nähe des os ischii, in der Aduktorensehne fühlbar; traumatisch
entstanden.
13. IX. Röntgenbild bestätigt die Osteombildung. Das Osteom
macht nach Aussage des Pat. keine Beschwerden.
Vom 4. X. ab Bäderbehandlung. Hauch wunde fast geheilt.
18. X. Geheilt entlassen. Gewichtszunahme 11,2 kg. Blühendes
Aussehen.
Es handelt sich also in unserem Falle um eine beginnende
Garcgraen des lleum, hervorgerufen durch eine ziemlich aus¬
gedehnte Abreissung des die ernährenden (ietässe führenden
Mesenterium vom Darm ohne Verletzung des Darmes selbst.
Die klinischen Erscheinungen, die eine sofortige Operation
erforderlich erscheinen Hessen, waren die einer intraabdomi-
ncllen Blutung, die schon bei der Aufnahme des Patienten du reit
die Dämpfungsbezirke im Leibe nachgewiesen werden konnte,
im Laufe der wegen der Weigerung des Patienten, sich ope¬
rieren zu lassen, verstrichenen 9 Stunden aber keine auffallende
Dimension anzunehmen schien. Die (ietässe waren eben zu
einer Zeit thrombosiert. Das Krankheitsbild beherrschten
Herzschwäche, Abkühlung der Extremitäten, peritoneale Reiz-
erschcinungen (Erbrechen, heftigste Druckschmerzen im Leibe
und zunehmende brettharte Spannung des Leibes).
Dass von vornherein die Indikation zu frühzeitiger Laparo¬
tomie gegeben war, versteht sich von selbst. Die Wahl der
Operationsmethode war durch den Ik-fund bei der eroffneten
Bauchhöhle gegeben; es konnte eben nur noch eine ausgedehnte
Darmresektion in Erage kommen, wollte man den Patienten
vor dem sicheren Tode an Peritonitis retten.
W ie gut solche Dünndarmresektionen, ia noch ausgedehn¬
tere Resektionen (bis zu .*oo cm) ohne Schaden vertragen w er¬
den, beweisen Angaben in der Literatur zur Genüge. Die
Arbeiten von Z e s a s, Bier. T a n s i n i, M a d e 1 u n g, R y -
digier berichten über interessante Versuche, innerhalb w ei¬
che r Grenzen eine Ablösung des Mesenteriums dicht vom
Darme vertragen wird und beweisen, welche sclnm unbedeu¬
tenden Abtrennungen vom Darme genügen, eine Gangrän her¬
beizuführen.
Motorische Darmstörimgen, Abmagerung wurden bei
unserem Patienten wahrend seines Kranken! igers (abgesehen
von den ersten lagen post operationeni) nicht beobachtet, im
Gegenteil Stühle von normaler Konsistenz urJ Farbe und eine
beträchtliche Gewichtszunahme (cfr. oben). Pat. hat sich jetzt.
1 Jahr nach der Operation, wieder vorgestellt urd erfreute
sich während der ganzen Zwischenzeit des besten Wohlbefin¬
dens. ParmstöriiTigcn in Gestalt von breiigen Stühlen oder
gar Durchfällen sind nie aufgetreten. Pat. ist voll erwerbs¬
fähig. Die Narbe fest.
Was die Ent stehn Mg vart der MesenterialabreisMing. in
unserem Fall bei der Einwirkung dieser schweren stumpfen
Gewalt, anlangt, so glaube ich. dass hier nur ein Abriss durch
Zugwirkung in Betracht zu ziehen ist. Jedenfalls würden wohl,
wollte man die Trennung des Darmes vom Mesenterium auf
eine direkte Zeruuetsehung des Mesenteriums zurückführen,
irgendwelche Zeichen einer solchen am Mesenterium und am
Darme zu finden gewesen sein müssen.
Literatur.
Neu mann: Beiträge /ur klinischen Chirurgc. Bd. 43. —
Zcsas: Feber Verhalten des von hmioii Mese"'c r um atgi’"s!ni
Darmes. Arch. f. klm. Chir., Bd. M. Bier: I*.e Entstehung des
Knllatera’kreislaufes. Yircliows Archiv. Bl. 147. Tansin:; Arch.
f. klm. Chir.. Bd. 33. - Madelung: Feber zgkii'are Parmnaht und
Resektionen. Arch. f. k’m. Clur., Bd. 27. - Redigier: l'c'cr zirku¬
läre Darmnaht nach Darmresektion. Arch. f. klm. Chirurg.e. Bd. 27.
lieber Messung und Dosierung der ROntgenstrahlen in
absoluten Einheiten. Röntgenolyse.
Die Ben,erklingen des Herrn Nagels c h rn i d t in No. 34 d. W. - -
die mir in den Nimmerferien dr.iussen in» Gebirge zu Gesicht kamen,
so dass mir eine sofortige Beantwortung des mir von der Redaktion
zu diesem /.wecke /ugestellten Schreibens nicht möglich war -
sind eigentlich, richtiger gesagt, eine Ergänzung zu meiner Mittedung
zu nennen. Das. was Herr Nagel Schmidt bezüglich der Eak-
toren der Konstante sagt, hatte ich in meiner MitteiMm.: ebenfalls er¬
wähnen können, habe es aber als bekannt \ >•: ausgesetzt mul vor-
anssetzen dürfen, und daher dem Charakter e:*'e> kurzen Mitteilung
entsprechend, w eggelassen. In dem iliesbe/i;gu hen k’cit'.it am
letzten Röntgenkofigress. das in den Verhandlungen der Deutschen
Rontgengesellschaft iti extenso erscheinen wird, sagte ich wörtlich
bezüglich der Eaktoren der Gleichung C INt:
„Hierbei ist selbstverständlich vorausgesetzt,
tl a s s e n t \v e d er die s e c li s A u f u a h m e n mit einer
R ö h r e, oder mit Rohren gleicher s n e z i t i s c h c r
Härte h c r g e s t e 1 1 t w c r d e n. denn bei Rohren von
v e r s c h i e d e n eil 11 ;i r t c g r a d e n m nss w e g e n der
a n d e r e n Dur c h d r i n g u n g s f ä h t g k e i t tl c r Strahl e tl
e i n e a n d ere V e r t e i I u n g d e r gesamt e n S c h w ,ir-
z u n g h e r v o r g e r u f e n w e r d e n.“
Damit scheint mir in der M mpfs.u he gezeigt zu m in. d.iss k h
die Rontgeiulosierimg nicht einfacher auffasse a's Herr Nagel¬
schmidt. und uh konnte iio v h hm/ufiigen. da^s icli durch Kontrolle
versuche mit meinen Instrumenten Schwere Be denken bekommen
habe, bezüglich der Zu\er '.issjgkeit der u VT üblichen Reakti«*ns-
vergleichsmethodcn bei der Dosierung der R ntgensr.d'.cn. Abge¬
sehen von subjektiver Täuschung, bleibt i. ht mul immer die Ge¬
fahr bestehen, dass zw ei absolut gä i v h H lichtete K'.istreiien.
z. B. iles K i o n b o g k s. heu t.hiantimet* m*. s vh nicht schwarz
entwickehi. Pas kann lerruhien \ oi» \ «mN. Ivedener Erftm rd'ichkeit
der Papierstreiten und vo« \ cTSgfiicde :;cr Konzentration des Ent-
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8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1887
Wicklers, die sich beide schwer kontrollieren lassen, und sollten beide
Abweichungen von den Normalien derart liegen, dass sich die Fehler
addieren, so können — wie es mir vorgekommen ist — bei gleicher
Belichtung, gemessen an den absoluten Messinstrumenten, sich Diffe¬
renzen von 25 Proz. ergeben. Dass der Fehler an der Entwicklung
(oder dem Bromsilberpapier) liegt und nicht an einer Fehlerquelle
bei den absoluten Messinstrumenten, wurde dadurch festgestellt, dass
mehrere unter gleichen Bedingungen auf einer und derselben photo¬
graphischen Platte belichtete Streifen, wodurch Entwicklungsdiffe¬
renzen ausgeschaltet wurden, bei allen Streifen gleiche Schwärzung
ergaben.
Unter solchen Umständen kann Herr Nagelschmidt mit
vollem Recht sagen „auf Differenzen von 5 Einheiten (wie in dem
Beispiele K.s) einer Skala von 150 Teilen, kommt es in der Therapie
niemals an; für klinische Zwecke reicht eine 8teilige Skala voll¬
kommen aus.“ Das ändert sich aber, wenn die oben erwähnten
Fehlerquellen ausgeschaltet werden können, und das glaube ich, ge¬
schieht bei Anwendung der absoluten Dosierungsmethode, sobald ge¬
nügendes Erfahrungsmaterial gesammelt ist, u. a. auch über die
Eigenschaften der Röhren; bezw. der von ihnen ausgesandten
Strahlen unter verschiedenen Belastungen.
Was die Fig. 1 in meiner Mitteilung anbelangt, deren Beweis¬
kräftigkeit für die Praxis Herr Nagelschmidt negiert, so muss
ich bemerken, dass die Streifen erhalten wurden durch eine absor¬
bierende Metalltreppe hindurch, so dass auch das Mischungs¬
verhältnis des Strahlenkomplexes bei dieser Figur wie bei zahl¬
reichen anderen sich bei verschiedenen Belastungen (innerhalb ge¬
wisser Grenzen) als konstant erweist. Mit Hilfe der absoluten Mess¬
methode lässt sich eine vollständige Charakteristik einer gegebenen
Röhre anfertigen, die für die spätere Benützung der Röhre zu thera¬
peutischen Zwecken als wichtige Grundlage dient.
Ich bin noch mit diesbezüglichen und zahlreichen einschlägigen
Untersuchungen beschäftigt und gedenke nach Abschluss derselben
im Zusammenhänge darüber zu berichten.
Die Schlussbemerkung des Herrn Nagelschmidt geht zu
weit, da er so wenig als ich bis heute einen Beweis für deren Rich¬
tigkeit beibringen kann. Ich habe auch nur so viel behauptet, dass
man mit dem absoluten Messverfahren imstande ist, mit sehr viel
grösserer Genauigkeit die Röntgenstrahlen zu kritisieren und deren
Qualität zu messen, als mit irgend einer der bisher angewandten
Methoden, und dafür kann ich in mehrfacher Beziehung den Beweis
ad oculos erbringen.
Wenn schliesslich Herr Nagelschmidt sagt, dass die abso¬
lute Messmethode für die Medizin nichts bedeute, als eine über¬
flüssige Komplizierung, welche bereits vorhandene Methoden einer¬
seits nicht entbehrlich macht, andererseits kaum verbessert, so kommt
mir das vor, als wenn jemand seinerzeit hätte behaupten wollen,
weil wir die absolut richtig gehende Sonnenuhr besitzen, wollen wir
von dem komplizierten Werk einer mechanischen Uhr nichts wissen,
und das Ablesen von Minuten und Sekunden brauchen wir nicht, uns
genügt die Einteilung in Viertelstunden.
Im übrigen verweise ich auf das Referat ..1. Ueber ein neues
Verfahren zur kontinuierlichen Ablesung der Härte einer Röntgen¬
röhre; 2. Ueber ein neues Messverfahren zur Dosierung der Rönt¬
genstrahlen mittels Strom- und Spannungsmessung an der gedämpften
Welle“, in den Verhandlungen der Deutschen Röntgengesellschaft
1908.
Basel, den 20. August 1908. Fr. Klingelfuss.
—-►-«&>—o-
Prostitution und Reglementierung.*)
Von Prof. Dr. C. K o p p in München.
Seit Dezennien ist das Prostitutionsproblem und die Frage des
besten Systems staatlicher Ueberwachung heiss umstritten. Zur Zeit
kann die erneute Besprechung des letzteren Themas als besonders
zeitgemäss deshalb betrachtet werden, weil einerseits wohl unter dem
Einfluss der Tätigkeit der deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten die Regierungen ein regeres Interesse für
die Prostitutionsfrage zeigen, und weil andererseits die bevorstehende
Revision des Strafgesetzbuches gerade jetzt die Möglichkeit ge¬
währen würde, jene Aenderungen vorzunehmen, welche, wie gezeigt
werden soll, zur Beseitigung eines gänzlich unwürdigen Rechts¬
zustandes und zur Ermöglichung einer einigermassen aussichtsvollen
staatlichen Ueberwachung des Prostitutionswesens allein führen
können, und darum von den meisten wirklich Sachverständigen seit
lange befürwortet werden. So wenig ich mich mit den bekannten
Schlagworten, welche in abolitionistischen und Frauenvereinen, in
Sittlichkeitsvereinen und in politischen Vereinigungen gegen die staat¬
liche Ueberwachung der Prostitution vorgebracht werden, befreunden
kann (und es ist bekanntlich nicht schwer, mit Schlagworten bei
einem geeigneten Publikum Effekt zu machen), so ist doch nicht
zu leugnen, dass diese Agitation mit Veranlassung gegeben hat, der
___________ '■
*) Referat, erstattet im ärztlichen Bezirksverein München am
30. Mai 1906.
ernsten Prüfung der Frage, ob die gegenwärtigen Verhältnisse be¬
friedigende sind, näher zu treten. Und dabei hat es sich nun doch
gezeigt, und alle Wissenden sind darüber einig, dass in der Tat
das gegenwärtig an den meisten Orten bestehende System einen auch
relativ nur sehr geringen Wert besitzt, dass überall dort, wo mit
einigem Erfolg überwacht wird, diese Ueberwachung auf nicht
legalem Boden steht, und dass man daher vor der Frage steht, ent¬
weder die staatliche Ueberwachung gänzlich aufzugeben, oder die¬
selbe gründlich zu reformieren. Ich bin nun, und ich muss dies
um so mehr betonen, weil man mich wegen meiner freimütigen und
entschieden ablehnenden Kritik der gegenwärtig in den meisten Gross¬
städten üblichen Reglementierungsmassregeln direkt für die Sache
des Abolitionismus in Anspruch genommen hat, der Ueberzeugung,
dass einer polizeilich sanitären Ueberwachung immer dann das Wort
zu reden sein wird, wenn aus dieser Ueberwachung ein wenn auch
nur bescheidener Erfolg im Hinblick auf die sanitären Verhältnisse
weiterer Volkskreise erwächst. Andererseits bin ich aber überzeugt,
dass man auch mit der sorgfältigsten Kontrolle allein der Ver¬
breitung der Geschlechtskrankheiten nie und nimmer erfolgreich
entgegentreten kann.
Ich wünsche auch bei dieser Gelegenheit der Ueberzeugung Aus¬
druck zu geben, dass durch gewisse Massnahmen des Staates, Ver¬
breitung einer besseren Bildung, Sorge für ausreichenden Erwerb,
bessere Bezahlung der weiblichen Arbeiterinnen in gewissen Berufs¬
arten, Wohnungsgesetzgebung, Fürsorgeerziehung, speziell auch der
Unehelichen (Findelhäuser?), allgemein gesprochen durch weiteren
Ausbau der sozialen Gesetzgebung eine gewisse, wenn auch zahlen-
mässig nicht zu bestimmende Verminderung derjenigen Personen,
welche sich der Prostitution als Erwerb hingeben, erzielen lassen
wird. Ich bin aber durchaus nicht der Meinung, dass damit jemals
und ganz gewiss nicht in absehbarer Zeit, die Prostitution selbst aus
der Welt geschafft wird. Die Wege, die zur Prostitution führen,
sind so unendlich mannigfach und in den Schwächen der mensch¬
lichen Natur begründet, dass es sehr verkehrt wäre, anzunehmen,
dass nur die pure Not, der Hunger, den wesentlichen Faktor dar¬
stellt. Dass Belehrung, Erziehung und gutes Beispiel und allgemeine
humanitäre soziale Fürsorge im Laufe langer Zeiten eine gewisse
Entwicklung der Menschen zu einer höheren moralischen Stufe her¬
beiführen wird, halte ich für möglich und wahrscheinlich; seit den
Zeiten der Rohheit des Altertums und des Mittelalters hat sich eine
humanitäre Fortentwicklung der Menschheit wohl bemerkbar ge¬
macht, aber von einer gewissen Schnelligkeit dieser Entwicklung ist
im Laufe der uns bekannten kulturellen Geschichte nichts bemerk¬
bar, und dass es auch Zeiten einer Entwicklung nach rückwärts
gibt, lehrt uns nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegen¬
wart. Unter diesen Umständen tut man jedenfalls gut daran, sich
auf die aufsteigende Entwicklung der gesamten Menschheit zu
höheren, mehr dem Ideal entsprechenden Zielen nicht allzusehr zu
verlassen, sondern so zu handeln, wie es die Bedürfnisse der Gegen¬
wart erheischen.
Das Ueberwachungssystem der Prostitution in Deutschland
(ausserdem in der Mehrzahl der europäischen Staaten, welche ein
Ueberwachungssystem haben, England, Dänemark, Norwegen und
Italien sind ausgenommen) beruht auf folgenden Punkten:
1. Eintragung in die Liste,
2. regelmässige ärztliche Untersuchung,
3. zwangsweise Behandlung der erkrankt Befundenen.
Ich muss nun sofort hervorheben, dass dieses System, dessen
erste Anwendung auf über 100 Jahre zurückgeht, den damaligen An¬
schauungen über die Pathologie der venerischen Erkrankungen ent¬
sprechend, theoretisch sehr fein ausgedacht war, und wenn es mög¬
lich wäre, die gesamte Prostitution oder doch die überwiegende
Mehrzahl der Prostituierten zur Einschreibung, regelmässigen Unter¬
suchung und eventuell zwangsweisen Behandlung bis zur Heilung zu
bringen, würde an diesem System auch bis zur Stunde nicht viel
auszusetzen sein. Da man aber heute weiss, dass Syphilis und
Gonorrhöe ihre Ansteckungsfähigkeit durch viele Jahre hindurch
behalten, dass deren Heilung auch durch längere Spitalbehandlung
nicht gewährleistet werden kann, und da es zumal in grösseren
und Grossstädten absolut unmöglich ist, die Gesamtheit der gewerbs¬
mässigen Prostitution zur Einschreibung und regelmässigen Unter¬
suchung zu veranlassen, wird man von vorneherein seine Erwar¬
tungen bezüglich des Effektes der staatlichen Ueberwachung auf
ein geringes Mass herabsetzen müssen; ganz besonders bei uns in
Deutschland, wo die bestehende Gesetzgebung einen Rechtszustand
in den Fragen der Prostitutionsüberwachung geschaffen hat, der ein
zielbewusstes und konsequentes Vorgehen der Polizeibehörden zur
Unmöglichkeit macht.
Für Deutschland ist die Gewerbsunzucht in 2 Paragraphen des
RStOB. berührt, doch in einer Art und Weise, welche die Absicht
des Gesetzgebers in Dunkel hüllt und einen ganz unmöglichen Rechts¬
zustand herbeigeführt hat.
Durch den § 180 des RStGB. wird der § 361/6 direkt in Frage
gestellt. Es ist ein Widerspruch, wenn auf der einen Seite jede
Duldung der Prostitution als strafbar erklärt wird, anderseits aber
doch der Staat selbst durch seine Polizei für gesundheitliche Ueber¬
wachung bestimmter Kategorien geduldeter Prostituierter sorgen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1888
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
lässt. Ja, von durchaus ernst zu nehmender Seite ist direkt die
Frage juristisch erörtert worden, ob nicht der Staat seihst durch die
Massnahmen der sanitären Ueberwachung sich einer ungesetzlichen
Handlung schuldig macht. Ein guter Teil der Vorwiirie, die man
der heutigen Reglementierung macht, ist aui diesen gänzlich un¬
würdigen Rechtszustand zuriickzuiührcn.
Nur ein Beispiel: eine reichsgerichtliche Entscheidung (InM)
erklärt das Halten von Bordellen iiir strafbar ($ isn). Heute, nach
25 Jahren, bestehen Bordelle in einer grossen Anzahl von Bundes¬
staaten mit Wissen der Behörden!
Der § 180 ist aber noch aus einem anderen Grunde verhängnis¬
voll. Auf Grund desselben werden die Prostituierten, auch wenn
sie sich auf einem relativ anständigen Niveau halten, und zu sonstigen
Beanstandungen keinen Anlass geben, von Wohnung zu Wohnung
gehetzt und schlieslich dem Zuhältertum und Verbrechertum in die
Arme getrieben (A u b).
Falls man sich überhaupt ihr die staatliche Ueberwachung der
Prostitution entscheidet, sind Bordelle und Kontrollstrassen m. E.
unbedingt zuzulassen und unter gewissen örtlichen Verhältnissen
geradezu zu begünstigen. In grosseren Mittelstädten und selbst m
manchen Grossstädten bestehen sie denn auch tatsächlich mit W lsse-u
der Behörden, und über die Vorteile dieses Systems kann m. E. I
ein Zweifel nicht sein, allerdings nur dann, wenn eine scharte Kon¬
trolle seitens der Behörde die der Kasernierung ziigescliriebcnen
Nachteile beseitigt. Diese Nachteile können aber beseitigt werden,
wenn für jede einzelne Stadt von Fall zu Fall die Erlaubnis zur
Führung eines Bordells von der Erfüllung gew isser Bedingungen ab¬
hängig gemacht wird, deren wichtigste sind:
1. Schutz der Bewegungsfreiheit der Bonlellinsassinnneu und
Schutz gegen Ausbeutung,
2. genaueste tägliche sanitäre l'eberw achüng,
5. Verhinderung jeder vom Bordell ausgehenden Provokation.
•4. Verbot der Verabreichung alkoholischer Getränke.
Die Vorteile der Kasernierung liegen aui du Hand. Diese
sind die bessere Ermöglichung der sanitären Ueberwachung. die
Reinigung der Strasse, die Verminderung des Zuhaltertums. „l ieber
50 Bordelle“, sagt N e i s s e r. „in einer Stadt wie Berlin oder Leip¬
zig, als 300 auf Erwerb ausgehende Prostituierte auf der Strasse. .
Ich weiss sehr wohl, dass, selbst wenn diese 3oo in Bordellen sind,
noch 2000 oder 1000 zugängliche, ja sehr leicht zugängliche Personen ,
auf der Strasse spazieren gehen. Aber zwischen den wahren Er- \
werbsprostituierten und den Viertel- oder Halbprostituk rten be- I
stellt doch der Unterschied von aggressiven Elementen einerseits und [
passiv zugänglichen Personen anderseits, zumal letztere ja auch j
ohne Bordelle neben den Erwerbsprostituierten existieren.“ '
Aber es ist ohne weiteres zuzugeben, dass die Kasernierung
nicht für alle Fülle passt. Die Verhältnisse sind anders in einer
kleinen und einer Mittelstadt, anders in einer Universitäts- oder
Garnisonsstadt oder Festung, anders in einer Hafen- oder Handels¬
stadt, und wieder anders in den grossen W eltstadten. und es er¬
scheint mir dringend notwendig, bei einer zu hottenden Revision 1
der Gesetzgebung darauf Bedacht zu nehmen, dass den Behörden ;
bezüglich des zu wählenden Systems staatlicher Ueberwachung ie i
nach den Verhältnissen ein gewisser Spielraum gelassen wird. I
Man hat den Bordellen und Kontrollstrassen, wie auch der j
staatlichen Ueberwachung überhaupt, den Vorwurf gemacht, dass
sie irreführend wirken, weil sie fälschlicherweise den Eindruck er- ]
wecken, als ob der geschlechtliche Verkehr mit der Kontrolle unter- '
stellten Dirnen eine Sicherheit in gesundheitlicher Beziehung ge¬
währleiste. Ausserdem leide die Moral durch die mit der staatlichen
Ueberwachung offiziell ausgesprochene Sanktion des Prostitutions¬
gewerbes und endlich seien durch Bordelle unerfahrene .Jüngling«-
besonders gefährdet. Diese- Einwände sind m. E. sämtlich wenig
begründet.
Vor allem ist hier ein für allemal festzustellen. dass die Polizei \
durch ihre sanitäre Ueberwachung niemals, auch wenn sie noch so |
gewissenhaft vorgeht, und wenn auch die gesetzlichen Grundlagen
der Ueberwachung entsprechend umgestaltet sein werden, für die I
Ungefährlichkeit des Umgangs mit den ilner hoiitiolle unterstellten j
Freudenmädchen eine \ erantw ortimg iibei iielnueii kann. Dass rede
Prostituierte mit und ohne Kontrolle geialn lieh sein muss, ergibt ,
sich aus Natur und Art und Häufigkeit wahllosen I ’iostitutionsv c i - «
kelirs für jeden Denkenden \ «ui selbst, und tatsächlich ist denn j
auch der Glaube an die Sicherheit der unter Autsicht stehenden |
Prostituierten keineswegs so allgemein in der Bevölkerung \ er- I
breitet, w ie dies von den Gegnern der staatlichen l'ebci w ucInnig |
angenommen wird.
Dass durch eine Abschaffung der staatlichen Konti«die iur die i
allgemeine Moral ein wesentlicher Nutzen erwachsen würde, ist |
mir auch sehr zweifelhaft. Die Zustände in solchen Städten des 1
Auslandes, wo jede polizeiliche Ueberwachung fehlt, sprechen ge- J
w iss in keiner Weise für eine allgemeine bessere Moral unter •
dem Volke. So sprechen die voll Stead 1 .ssä nntgeteiltcn Er- j
fahrungeu über das Easter in l.ondon (und diese Mitteilungen der
Pall mall Gazette beruhen auf durchaus authentischem Material I.
jedenfalls nicht zugunsten eines solchen laisser faire seitens der Pali-
zeibehorden.
Schliesslich muss man doch wohl ziemlich unerfahren oder ganz
blind sein, um nicht zu wissen, dass trotz der allseitig und uUenthch
mit mehr oder minder heuchletis v her Phraseologie gebrandmarkten
Unmoral des ausserehehchen \ et kelirs nahezu die gesamte Männer¬
welt in einer je nach den Umstanden längeren oder kürzeren
Periode des Uebeiis auf die diesbez u glühen M«»r aiai'.s Ji.tuungeii
w enig Gew icht legt und ohne erhebliche < iew isscnsbisse den ausser-
eheiiehen < iesch!echts\ erkehr pflegt. Auch hier decken möi I hco-Mc
und Praxis m keiner Weise. \ «m Ge w isseiisbiss V M hot man nur
dann etwas, wenn ein l nghick passiert ist. Im Hinblick aui die
Macht des sexuellen Triebes wird man jede?/eit gut tun. sich den
alten Sprach vor Augen zu halten: Naturam si expellas furca. tarnen
usepie recurret.
Was endlich die Gefalrdaiu uneM.ihte'er U.ngliuge betr :::.
so erscheint mir el ie Kasernierung immer n««ch v -»n germge'cr Be¬
denklichkeit als ehe Verlockung durch die Xrassenprostitutioii. fs
ist aussichtslos, m der Prostitutionsfrage ule.Fe \ erl’.-iitn-sse schatten
zu wollen, es kann sich immer nur um die Wahl zwischen l ebe n
handeln, und unsere Aufgabe muss es sein, den Weg zu tmden.
weicher das geringere l ebel darsteill.
Wenn wir diese Umstande ge! ahrend bei luhs; Gingen, werde')
wir unschwer zu der l e ber/eiigimg gelangen, dass cs auch dc r
sorgfältigsten staatlichen lebe i w .o i.ui.g niemals geäugen kann, de
Prostitution wirklich zu assanieren, tu 1 man selbst im g ■.listigste!’
l alle mit einem bescheidenen I r l g /bfriedeu sein muss.
I>er zu erwartende relative Einig wird aber um s«« geringer
angeschlagen werden, ie mehr infolge Cer Mangel der Gesetzgebung
ein tatkraltiges \urgehen der Bein-: den gehindert, imd dadurch ein
System von halben, sich w iderspr eche nd. n Mnssreeein. so recht ei'i
Sv stem der Sv steriilosigke it gelorder: wird, dessen Wirkungen dtir-th
fortdauernden Wechsel der Auffassung seitens der massge bendeti Be¬
hörden noch weiterhin beeiutt .u htigt werden.
Dieser Notstand der staatlichen l 'ebe rw ad’iing betrifft alle drei
Kardmalpimkte derselben» die Eintragung in d;e I :Mcn. d:c regei-
massige Untersuchung und die Zw aiusbehandämg der Erkrankten.
a) Die E i n s c 1t r e i b u n g in die I. : s : e
Diese wird sehr verschieden gehanJhabt. An manchen (»rten
erfolgt dieselbe nur freiwillig auf \nt tag der be treüe nde :\ Pr<>-
stituierten. an anderen kann d eselbe nach best.;:;::.teil Prämissen
(wiederholte \ erhaitutig wegen gew et bsmass-.ger l nzud’.t. wieder¬
holte \ ervvarnung. entsprechen de s Ater» auch zwangsweise er-
folgeii. Die Entscheidung daruber hegt bei dem \ •:stand der be-
tretienden Pohzcial'teihmg. Mädchen unter l* lahreii w cmltn heute
in Deutschland wohl überhaupt mJit in die Eisten e.nge tragen Bei
Mmdcnahrigen wird stets der \ ersuch gemacht. Besserung d-rdi
Ucbcrgabe au Edlem und Verwandte. 1 a: sorgeer Ziehung u::d Besse¬
rungsanstalten. oder durch Invtffspyjc .Imahme des K’e tti::-gs« t - kes
charitativ er \ereine u. a. zu erzielen. Die zw.uuswe.se Imscl’.rei-
bung erf'ilgt, wo sie überhaupt geiiht wird, nicht vor dem l s UeHms-
iahre, häufig erst nach erreichter \ «>!!•. ihrig- e it. Wenn em ernster
Wunsch besteht, zu einem geordneten Leben zuruck/uke hrem w.o
allerdings ein Aiisnalimeiall ist. wird dieser I Pt schloss v <•*> der B-e-
horde mit Eiter unterstützt, mul hat sich trübes -ndere in d.cser Rich¬
tung und bei der Rettung mmderuhr iger Prostituiertem d e Neu¬
einrichtung der Pohzeiassistentm gut bewahrt: frei ich kommt es auch
heute noch vor, dass diese Rückkehr zu einem anständigen Leben
durch ungenügend diskrete N.tc hu-rsc hung der Behörde hinsichtlich
der Dauei haltigke it des guten I nts v h!usse-s selbst wieder in I rage
gestellt wird.
Nun ist aber die Zahl der eingcsc !r :e heilen Prostituierten,
welche sich einer mehr weniger re genoss; gt n l nte' mu' hung auf
ihren Gesundhe itszustand unterziehen, eine im \ er iu.tnis zu der
beti achtiicfie n Zahl der gevv erbsn-.tscuen P' ■".!,tnie - *e n -II UM adelt
grossen Madtcn lächerlich geringe. N> ist sic r B. mr München
auf unter 2'«» lieruiitergcgangeu. Die geheime Prostitutu,n. welche
anerkarintermassen mul aus begreihicin-n (inmden die gef.tit: itcltstc
ist, ist weit m eit*r Mehrzahl, ihrerseits aber tar die regelmass'gc
Kontrolle kaum iassb.tr. kann vlie rege .massige Un:erMtc!niug
der eingeschriebenen Müddicn. wenigstens m den grossen Madten
iur den (iesundheits/iiM.iiul vier * ie s.m.tbe \ o.ker ung gewiss mir
einen relativ geringen Wrt haben. Dazu kommt vier Umstami. dass
die eingeschriebenen Mädchen m Einer Meloheit die akuten und hoe'u-
mtektiosen lorrncn venerischer Ui kraukun-gen bereits längere Zeit
hinter sich haben, vlass sje ari um! Jur mJi re .div weniger zu
Ansteckungen \nhiss geben, als die meist der geheimen Prostituta-n
ungehörigen iiigeüThc !:• n Prostitniertcn. I v'tmII da. w < d.e In-
skription mit v «>i sk htigster Vuswahi nur auf ViMug der Bvte i.icten
geschieht, geht vhe Zahl vier I ingesc In ie K e tu n :.i:\s. t *>| zir :..k. W ..
aber zwangsweise Umschreibung lasse rt isg un 1 i»h ha te eine
solche im Interesse einer einige rmassen w nkyr vü K-'UE»:«, e f"r n»-t-
w endig, bestellt der Missstand, «lass m yju-r |;r d.is gar’/e l.e'-em
vlcs liuhvivhmms oft entscheidenden S.k he. das l Med der •.! vi-meta«.
bar en Gewalt eines I ’ohze'beamten ulw« nssf >s*.
In Erwägung dwser Umstand.- »!••* ften •' v *- ,! 'e R*. * » ., r .
Schläge als wohl durchführbar ers.Ju nie n * Die zwarusve .se l'nter-
stellung unter staatliche Aulsicht muss /u..Ns;g s v :m wenn a'.e Mitte!
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1889
der Warnung und Ermahnung sich vergeblich erwiesen haben, und
es muss das Bestreben der Behörden sein, die geheime Prostitution
nach Möglichkeit entweder der Besserung oder aber der zwangs¬
weisen Aufsicht zuzuführen. Die Stellung unter polizeiliche Auf¬
sicht und regelmässige sanitäre Ueberwachung soll stets nur durch
gerichtliches Urteil erfolgen. Die Rückkehr zu einem ge¬
ordneten Leben ist von den Behörden stets zu unterstützen; im übri¬
gen behandle man die einmal eingeschriebenen Prostituierten, welche
sich regelmässig zur Untersuchung stellen und sich sonst auf einem
relativ anständigen Niveau halten, milde, ohne Chikane und human;
man vermeide die häufig sich wiederholenden kleinen Strafen, be¬
strafe dagegen die stets aller Ordnung widerstrebenden Elemente
mit längerer Einschliessung, eventuell bringe man sie in Besserungs¬
anstalten. Speziell ist den Prostituierten das Wohnen zu er¬
möglichen, und ist aus diesem Grunde, sowie um die unter ge¬
wissen örtlichen Verhältnissen durchaus zu begünstigenden Bor-
delle. auf einen gesetzlichen Boden zu stellen der
§ 180 des StGB, abzuschaffen. Die meisten der gegen die Bordelle
gemachten Einwände lassen sich durch eine scharfe polizeiliche
Ueberwachung beseitigen. Endlich ist es aber anderseits notwendig,
gesetzliche Grundlagen zu schaffen, welche es gestatten,
auch solche Elemente, welche bisher nicht der zwangsweisen Ueber¬
wachung unterstellt und der gewerbsmässigen Prostitution über¬
führt sind, sowohl einer zwangsweisen Untersuchung zu unter¬
ziehen, als auch einer zwangsweisen Behandlung zuzuführen.
Bei der heutigen Gesetzgebung erscheint die Berechtigung hierzu
mindestens zweifelhaft.
b) Die regelmässige Untersuchung der Einge¬
schriebenen.
Dass diese Untersuchungen bei der Natur und dem ganzen Wesen
des Prostitutionsverkehrs einen absoluten Sicherheitswert nicht haben
können, ist klar. Andererseits ist aber einer sorgfältigen regel¬
mässigen Untersuchung der sich gewerbsmässig prostituierenden
Dirnen, wenn diese Untersuchung auch nur einen grossen Teil dieser
Personen betrifft, gewiss nicht jeder Wert abzusprechen. Dieser
Erfolg wird noch grösser sein, wenn auch ein erheblicher Teil jener
Dirnen, welche ohne eingeschrieben zu sein, bei Ausübung des Pro¬
stitutionsgewerbes aufgegriffen werden, einer Untersuchung unter¬
zogen, und eventuell der Zwangsbehandlung zugeführt werden
können. Da eine Ausdehnung der kontrollierenden Untersuchung auf
eine wesentlich grössere Anzahl von Frauenspersonen notwendig sein
wird, und diese Untersuchung mit allen wissenschaft¬
lichen Hilfsmitteln und durch ein ausreichendes und
geschultes Personal durchgeführt werden muss, wenn sie
überhaupt einen Wert haben soll, dürfen auch erhebliche Ausgaben
zu diesem Zwecke nicht gescheut werden. Es ist auch für ent¬
sprechende Räume, für eine regelmässige Benützung des Mikroskops
(Gonorrhöe) zu sorgen, und bei den Eingeschriebenen wird auch die
Untersuchung wesentlich häufiger wiederholt werden müssen, als
dies bisher geschieht Dabei müssten die Untersuchungen viel mehr
einen rein sanitären als polizeilichen Charakter haben, und es wäre
vielleicht der von anderer Seite gemachte Vorschlag, in kleineren
Städten diese Untersuchungen ins Hospital zu verlegen, für grössere
Städte aber ein eigenes, lediglich diesem Zwecke dienendes Ge¬
sundheitsamt zu schaffen, empfehlenswert.
Auch der in neuerer Zeit unternommene Versuch, solche Per¬
sonen, bei welchen Aussicht auf Besserung besteht, insbesondere
minderjährige erkrankt Befundene, einer regelmässig kontrollierten
Behandlung durch Privatärzte zuzuführen, kann vielleicht Vorteile
bieten. Wenn dieser Versuch, zu dessen Durchführung sich jetzt
freiwillig Aerzte bereitfinden Hessen, einige Aussichten bieten sollte,
kann aber nicht auf alle Zeit die unentgeltliche
Hilfe dieser und anderer Privatärzte in Anspruch
genommen werden, sondern der Staat oder die Gemeinde wer¬
den die hiefür entfallenden Kosten mindestens nach Massgabe der
Kassentaxe zu tragen haben. Wenn aber, was ich für durchaus sach-
gemäss halten würde, auch die vorhandenen offiziellen Polikliniken
für die Behandlung solcher Fälle herangezogen werden würden, müsste
diesen gleichfalls seitens des Staates eine grössere Berücksichtigung
zu teil werden. Nur eine grosszügige Auffassung der ganzen Pro¬
stitutionsfrage, nicht ein kleinlich knauseriges und bureaukratisches
System kann eine Besserung anbahnen. Bei alledem aber ist eine
optimistische Auffassung nicht am Platze. Früher, zur Zeit der Er¬
findung des Ueberwachungssystems. konnte man. freilich nur auf
Grund falscher Voraussetzungen, mit mehr Vertrauen an die Wirk¬
samkeit des ganzen Systems denken. Solange man nur den primären
Schanker für ansteckend hielt, so lange man weichen Schanker
und Syphilis zusammenwarf, so lange man von dem Virus
der Gonorrhöe und der langen Dauer und Bedeutung derselben keine
Ahnung hatte, sondern von dem Tripper als einer recht harmlosen
Sache sprach, als die Städte noch klein und das Prostitutionsrnaterial
noch leicht zu übersehen war, da konnte man sich, w e n n auch
nur teilweise mit Recht einbilden, dass der Wert der staat¬
lichen Ueberwachung ein nahezu absoluter sei: heute kann davon
keine Rede mehr sein. Manche haben daran gedacht, die an Sy¬
philis und den chronischen Formen des Trippers leidenden Pro¬
stituierten durch viele Jahre hindurch in Asylen unterzubringen und
so aus dem Verkehr zu ziehen; ich halte das für eine Utopie. Aus
der Natur der Sache heraus darf man an die staatliche Ueberwachung
auch bei noch so sorgfältiger Durchführung nicht zu hohe Ansprüche
stellen. Wenn ich mich gleichwohl für Beibehaltung der Ueber¬
wachung mit entsprechenden Reformen ausspreche, so bestimmen
mich dazu drei Gründe; 1. der vor. Fournier so genannte Grand
des gesunden Menschenverstandes, d. i. die Tatsache,
dass bei dieser Untersuchung immer eine gewisse Anzahl von hoch¬
infektiösen Erkrankungsfällen festgestellt und zwangsweiser Behand¬
lung zugeführt werden kann; dass durch die Internierung der be¬
sonders gefährlichen Krankheitsformen eine ebensogrosse Anzahl von
Infektionsquellen für den allgemeinen Verkehr unschädlich gemacht,
und damit eine sehr erhebliche Anzahl von Infektionen, welche sonst
stattgefunden hätten, unmöglich gemacht wird. 2. Der durch die
kriminalistische Erfahrung täglich erhärtete tatsächliche Beweis, dass
der zwingende Druck drohender diffamierender und die persön¬
liche Freiheit gefährdender Folgen oft auch in solchen Individuen
heilsame repressive Motive zu erwecken im stände ist, denen
es an edleren Gegenvorstellungen fehlt. 3) Scheint mir der Be¬
stand der staatlichen Ueberwachung auch in ihrem gegenwärtigen
unvollkommenen Zustand erfreulich als ein Beweis dafür, dass we¬
nigstens in bestimmten Kreisen unserer Regierung das Bewusstsein
der grossen Verantwortlichkeit, welches anderen Volkskrankheiten
gegenüber in erfreulichster Weise sich kundgibt, auch gegenüber der
Gefahr der Geschlechtskrankheiten noch nicht ganz erloschen ist.
c) Die Zwangsbehandlung im Hospital.
Es muss als selbstverständlich bezeichnet werden, dass ent¬
sprechend einer steigenden Zahl der zur Zwangsbehandlung über¬
wiesenen Prostituierten und Aufgegriffenen die Krankenhausabtei¬
lungen eine entsprechende Erweiterung erfahren. Diese Eventualität
wird umsomehr zu erwarten sein, wenn jener grosse Missstand,
welcher zur Zeit den Wert der Hospitalisierung der Prostituierten
fast illusorisch macht, in Wegfall kommt, ich meine die A b -
schubung Geschlechtskranker Dirnen in ihre Ge¬
meinden, auf Antrag der letzteren zum Zwecke der Ersparung der
aus dieser Behandlung erwachsenden Kosten. Dieser unheilvolle
Circulus vitiosus, Einweisung der kranken Dirne ins Hospital, Re-
klamierung durch die Gemeinde, Abschubung nach dort, Rückkehr
in eine grössere oder mittlere Stadt. Wiederverhaftung dort, Neu¬
einweisung in das Spital usf., muss dadurch vermieden werden, dass
die betreffende Kranke nicht vor Beseitigung der infektiösen Sym¬
ptome aus dem Spital entlassen werden darf, und die Kosten der
Behandlung unter allen Umständen von derjenigen Stadt, in deren
Spital dieselbe eingewiesen wurde, übernommen wird. Es wäre
eventuell allerdings auch zu überlegen, ob nicht auch der Staat diese
Kosten tragen solle, und ist diese Frage unbedingt durch Aenderung
der Heimatgesetzgebung prinzipiell zu regeln. Prinzipiell jedenfalls
in dem Sinne, dass eine einmal eingewiesene, der Prostitution
überwiesene geschlechtskranke Dirne nur dann aus dem Hospital ent¬
lassen resp. der Heimatgemeinde ausgeliefert werden darf, wenn
die Behandlung abgeschlossen, und die genügende Garantie für
Unterbringung in sachgemässe Aufsicht, Fürsorgeerziehung oder
Zwangsaufsicht, je nach dem Falle gegeben erscheint.
Im übrigen sind im Hospital die Kranken in erster Linie als
Kranke und nicht als Gefangene zu behandeln, es Ist für Luft und
Licht und entsprechende Ernährung zu sorgen, die Kranken sind
human zu behandeln, und ist denselben der Aufenthalt, so weit als
es sich mit der Aufrechterhaltung der Disziplin verträgt, angenehm zu
gestalten. Im allgemeinen, Ausnahmen kommen gewiss vor, habe
ich stets gefunden, dass die Prostituierten für ein wohlwollendes,
humanes Entgegenkommen durchaus empfänglich sind, und dass die¬
selben ein solches auch zu verdienen trachten. Naturgemäss wird auch
die notwendige Vergrösserung und Verbesserung der Krankenhaus¬
abteilungen. sowie die Aenderung der Heimatsgesetzgebuug in dem
vorher erwähnten Sinne nicht ohne finanzielle Opfer zu erreichen sein.
Nach allem, was ich bisher ausgeführt habe, ist wohl kaum zu
bestreiten, dass das bisher übliche System keine nennenswerten Re¬
sultate aufweisen kann, dass die Polizeibehörden an vielen Orten sich
durch den Zwang der Verhältnisse genötigt glaubten, die polizeiliche
Ueberwachung in einer Weise zu ordnen, welche teils das Gesetz um¬
geht, teils demselben direkt widerspricht, und dass durch solche Modi¬
fikationen wenigstens relativ bessere Resultate erzielt werden
können, dass man aber jedenfalls in Verwaltungskrcisen wenig ge¬
neigt ist, die ganze polizeilich-sanitäre Ueberwachung nach dem
Wunsche der Abolitionistcn oder aus sog. moralischen Erwägungen
gänzlich aufzugeben.
Die erhebliche Rcformbediirttigkeit dieses Systems wird wohl
auch von den entschiedensten Anhängern desselben nicht bestritten,
und bedürfen wir vor allem dringend der bereits erwähnten Aende-
rungen der Gesetzgebung. Wenn auch schon heute an vielen Orten
Rctormversuche eingesetzt haben (Polizeiassistentin, unentgeltliche
Privatbehandlung besserungsfähiger, jugendlicher Anfängerinnen,
überwiegend humanitär-sanitäre Massnahmen gegenüber den wesent¬
lich disziplinären Mitteln, Zusammenwirken mit dem humanen Besse-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1890
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
rungswerk charitativer Vereinigungen, Fürsorgeerziehung u. a.), bleibt
doch noch viel zu tun übrig.
Ich bin der Ueberzeugung. dass mit den von mir in Ueberein-
stimmung mit zahlreichen Fachkollegen geforderten Reformen, welche
aber nur auf der Basis einer klaren und durchdachten, am besten
speziellen Prostitutionsgesetzgebung zu erreichen sind, ein gewisses
Mass von Besserung gegeben sein wird, ich vcrschliesse mich aber
nicht der Erkenntnis, dass dieses Mass der Besserung wahrscheinlich
trotz alledem nur ein kleines sein wird. Aber auch ein bescheidener
Nutzen ist in einer für das Wohl der Nation so wichtigen Sache
nicht zu verachten, wenn man auch schliesslich, wie H a m m e r sich
ausdrückt, „in Qottes Namen auf ein ideales Resultat verzichten
muss“. Können doch alle Massregeln, welche von Menschen ge¬
troffen werden, nur bis zu einem gewissen Punkte der Genauigkeit
durchgeführt werden; darüber hinaus wachsen die Schwierigkeiten,
so dass man Genügsamkeit lernen muss (H a m rn e r).
Die umfangreichen Reformprojekte, wie sic von Neisser (mit
dem ich am meisten iibercinstimme). von besser, B 1 a s c h k o,
Lupine ti. a. ausgearbeitet wurden, finden ihre Grenzen praktischer
Durchführbarkeit und dürften wegen der grossen finanziellen Opfer
die massgebenden Faktoren kaum dafür in allen Details zu ge¬
winnen sein.
Für welche Reformpläne aber auch immer man sich
entscheiden mag. ein Punkt erscheint mir für jeden Fall
von grosser Wichtigkeit: die für verschiedene grössere und
kleinere Gemeinwesen zu wählende Form staatlicher Ueber-
wachung ist nach örtlichen Verhältnissen ver¬
schieden zu gestalten; es ist daher bei einer Aemlerung der Gesetz¬
gebung darauf Rücksicht zu nehmen, dass hinsichtlich des zu wählen¬
den Systems der Ucberwachung den Verwaltungsbehörden ein e e -
wisser Spielraum bleibt. Dieses gilt insbesondere hinsichtlich
der T o 1 e r a n z h ä u s c r, welche sich an vielen Orten als das ent¬
schieden geringere Uebel erwiesen haben. Wenn man davon absieht,
dass die Prostitution an sich ein Missstand ist, lassen sich bei strenger
staatlicher Aufsicht nahezu alle denselben zugeschriebenen Nach¬
teile vermeiden; und ich bin der Meinung, dass dieses System in
grösseren Mittelstädten. w'enn auch in illegaler Weise relativ be¬
friedigend fungiert. Je grösser aber ein Gemeinwesen ist. desto
schwieriger gestaltet sich die Aufgabe, den grössten Teil der Pro¬
stitution unter die staatliche Kontrolle zu zwingen, und der sanitäre
Wert der letzteren wird in den grossen Welt- und Riesenstädten
immer nur ein relativ geringer sein. Ideale Gesundheitsverhältnisse
sind mit dem Begriffe Prostitution unvereinbar. Soviel aber lässt sich
doch mit einer grossen Sicherheit behaupten, dass man eine wesent¬
lich höhere Gefahr läuft, sich bei einem der geheimen Prostitution
angehörigen Mädchen zu infizieren, als dieses der Fall ist bei einer
der staatlichen Ueberwachung unterstellten Prostituierten. Ich kann
mich darum auch nicht leichten Herzens cntschliessen. auf jede
staatliche Ueberw’achung der Prostitution zu verzichten, so sehr ich
auch davon überzeugt bin, dass diese Ueberwachung reformbedürftig
ist. Aber diese Reformen sind bei gutem Willen möglich und durch¬
führbar. Im Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten stellt die staat¬
liche Ueberw'achung der Prostitution immerhin eine Waffe dar. deren
Wirksamkeit nach örtlichen Verhältnissen freilich verschieden ist.
Ohne daran übertriebene Hoffnungen zu knüpfen halte ich doch da¬
für. dass wir uns derselben nicht entäussern sollten. Denn die Fr-
fahrungen der Vergangenheit, in welcher man wiederholt veracht
hat. auf diesen Apparat zu verzichten, um immer wieder darauf zu-
rückzukommen. und insbesondere ein Urberblick über irne I ander,
in welchen man zu einer völligen Aufhebung der staatlichen IVber-
wachung gekommen ist. oder wo überhaupt niemals eine eleich-
mässige staatliche Kontrolle bestanden hat (wie England), sind nicht
sehr ermutigend.
Was zunächst England betrifft, so kann die für 22 Jahre in
M Garnisonsorten eingerichtete Prostitniertenkontrolle (IS04 1*sM
kaum in Betracht kommen. Die absolute Wertlosigkeit der ans
diesem Versuch gewonnenen Schlussfolgerungen haben Bett mann
u. a. überzeugend nachgewiesen. Wer aber die S t e a d sehen Ent¬
hüllungen kennt und w'eiss. wie es in Londoner Bordellen zugeht,
wer die Londoner Strasscnprostitution und ihr Treiben mit eigenen
Augen geschaut hat. wird gewiss weit entfernt sein, die dortigen,
jeder .staatlichen Aufsicht entbehrenden Verhältnisse als nachahmens¬
wert zu bezeichnen, und ich glaube keinen ernsten Widerspruch be¬
fürchten zu müssen, wenn ich behaupte. Frau Josefine Butler hätte
eine dankbarere und wichtigere Aufgabe darin erblicken müssen,
gegen diese Gräuel in ihrem eigenen Vaterlande zu kämpfen, statt
die Frauen und Frauenvereine des Kontinents im abolitionistischem
Sinne zu mobilisieren.
In Italien ist der Zustand nach Aufhebung der von C a v o u r
gegebenen Reglementierung einer Aufgabe der staatlichen Pcbcr-
w'aehung nahezu gleich zu erachten. Nach den Mitteilungen hervor-
ragender Aerzte (Scarcnzio. de A rn i c i s, T o m rn a s o I i) ist
wohl eine sichere lokale Verschlimmerung der sanitären Verhältnisse
an zu nehmen. Anderseits hält S a n t o 1 i q u i d o, der gegenwärtige
Gcncralinspcktor des italienischen Sanitätswesens, den gegenwärtigen
Zustand fiir einen Fortschritt. Ein solcher ist auch zweifellos zu er¬
blicken in der Errichtung zahlreicher Dispcnsari ccltici
mit unentgeltlicher Behandlung und Arzneiabgabe und in der un¬
entgeltlichen S p i t a I b e h a n d I u n g. Dabei besteht aber
eine ausgedehnte und oft aufdringliche Strassenprostitution. und zwar
neben den überall behördlicher Ueberwachung unterstellten Bordelien.
Unter diesen Umständen scheinen mir die Mitteilungen der oben¬
genannten Aerzte über ihre örtlich gewonnenen Erfahrungen von
hollerem Werte, als die auf sehr iragw urdige Matisliken gestutzten
offiziellen Versicherungen des Vertreters der italienischen Regiciung.
In Dänemark besteht zurzeit keine übereinstimmende Be¬
handlung der staatlichen Aufsicht m den verschiedenen Orten. Doch
sind die Bordelle seit kurzer Zeit aufgehoben. Es ist mir nicht be¬
kannt. ob die in steter Zunahme begriffene a 1 v<*1 tti<uustische Richtung
zur völligen Aufgabe der staatlichen Leberw acliung geführt hat. Man
ist bestrebt, eine Art l'eherw achung als eine wesentlich humanitäre
und sanitäre Massregel in den Spitalern emztifuhren und plädiert
vielfach fiir die Aii/eigeptlicht der Aerzte im habe venerischer Er¬
krankungen (wie diese in Norwegen bestellt). Die Aufnahme ms
Hospital und Behandlung steht iedem Geschlechtskranken unentgelt¬
lich zur Verfügung, und diese Behandlung und die dort gewahrte
Verpflegung stellen auf hoher Stufe. Gleichwohl hänfen sich die
Schwierigkeiten, welchen die Ausführung der bestehenden Bestim¬
mungen in Dänemark begegnen, und es scheint die Absicht zu be¬
stehen, die Reste polizeilicher Reglementierung ganz zu beseitigen.
Aus den Mitteilungen (iiersings geht Wohl hervor, dass Kopen¬
hagen stark verseucht ist. wahrend die kleineren Landstädte und
insbesondere das platte Land, erstere teils mit. teils ohne Aufsicht,
verhältnismässig w enig S\ plii 1 isjnfe ktlorieri atifw eisen. Trotzdem
teile ich die Ansicht (iiersings nicht, dass sich ans dem von ihm
mit grossem Eleisse zusammengetragenen Material der absolute Be¬
weis des Unwerts jeder staatlichen Aufsicht folgern lasst. Jeden¬
falls wird man gut tun, abzuwarten, wie die Verhältnisse sich weiter
entwickeln werden.
Am meisten Belehrung können wir fiir die Beurteilung des Wer¬
tes einer voligen Abschaffung der Staat!.dien l Vw: w a Jnmg ge¬
winnen aus einer Betrachtung der norwegischen Verhältnisse (Ham¬
mer). Norwegen ist das Land, in weichem sich die abohtio-
mstischen Ideen völlig durchgeset/t haben. Die gewerbliche l nzucht
ist in Norwegen völlig straffrei. Ls ist kein Wunder, dass sich unter
diesen Verhältnissen, da natürlich auch keine Bordelle geduldet sind,
die Strassenprostitution in ChriMiania in unangenehmster Weise fäll¬
bar macht. Dagegen bestellt nicht nur Anzeigepflicht der Aerzte für
jeden Eall geschlechtlicher Erkrankung. Sondern der Arzt Soll midi
die Ansteckmigsquelle eruieren mul auch diese zur Anzeige bringen.
Die denunzierte Persönlichkeit, sei es Mann oder Iran, wird von
«■ler Samtätskouimission untersucht und. wenn krank befunden, cv.
ins Hospital verwiesen. Gesetzlich Kami jeder ball von Geschlechts¬
krankheit ins Hospital verwiesen werden. Dass unter solchen Um¬
ständen alle Geschlechtskranken sich ärztlich behandeln lassen, darf
biglich bezweifelt werden. Und bei a'lem Respekt vor der Zuver¬
lässigkeit und Treue des nordischen Yolkscharakters mochte doch
sehr zu bezweifeln sein ob alle aut diesem Wege erfolgenden De¬
nunziationen gerecht und der Wahrheit entsprechend sind. Lur Rach¬
sucht. Bosheit und Erpressertum ist eine solche Gesetzgebung ein
allzugünstiger Boden, und wer in Norwegen einmal das Opfer einer
falschen Anzeige geworden ist uu:! vor du* Sumtatskommissjon einmal
zur Untersuchung zitiert wurde, wird wohl kaum mit einem Solchen
System zufrieden sein. Endlich ist es doch wohl selbst in einem
So demokratischen Staat kaum ganz sicher, dass alle diese schärfsten
Massnahmen wirklich gleiclmiimsig bis in die höheren und höchsten
Stände durchgetiihrt werden (Hammer). Die Ih mm:. FK handlang
ist wie in Dänemark fiir jeden Geschlechtskranken frei. Und was ist
das Resultat: Die Zahl der erkrankten Prostituierten hat sich ver¬
mindert, die der kranken Dienstmädchen um! Arbeiterinnen ver¬
mehrt. Die Ignorierung der Prostitution nach nbohtionisT-tsjk n Ideen
bietet also zum mindesten keinen Vorteil, eme Verbesserung des allge¬
meinen Gesundheitszustandes hat sicher nicht stattgefunden, die
öffentliche Moral hat ganz gewiss nichts gewonnen und man
plädiert dort eitrigst f ii r die W i e d e r e i n r i c h t u n g
der s t a a t 1 i c h e n U e b e r w a c h u n g.
Vestigia terrent. Die äi/tliehe An/e genf.i cht mul d e damit
verbundene E'orschung nach den Irfektn• nviudlcn und deren De¬
nunziation zur Aufgabe der Aerzte zu machen, das c r sche.nt mir
nicht mir an sich als ein ungeheuerlicher. S"r\!an muh als ein in
höchsten Masse zweckwidriger Gedanke’. Damit kann w old nur
das Kurpfuschertum mul die Verheimlichung. Unwahrheit mul Luge
gezüchtet werden. Die Verhältnisse j n .allen ehesty Landern sind
wenig geeignet, unserer. Neid mlcr unsere Be vv unde'umg zu erwecken
und zur Nachahmung aufzutordern. Gerade Norwegen zeigt uns den
völligen Bankerott der abohHnnistisv heil Ideen in klarier W erne.
Der Gedanke, dass von der Aufhebung der staatlichen Ueber-
waclmng eine Hebung des moralischen Niveaus unserer (in-ssstadt-
bevolkerung zu erwarten sei. ist ein Irrtum. In umgekehrter Richtung
zu arbeiten erscheint mir nützlicher Man versuche mit ;ueii Mitteln
der Erziehung und Belehrung das Verantwt'i chkeitsgeL.iii und das
moralische Niv eau der heranw achsenden m\! künftig?, n Generation zu
heben. Man sorge für unentgeltliche Behandlung in lloyv Ii(c rn. p,,|j_
Kliniken und durch private Aerzte, aber nicht durch unward;ge und
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8. September 1908.
MUENCHENBR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1891
bettelhafte Inanspruchnahme der Arbeitskräfte der Aerzte, sondern
auf Kosten der Allgemeinheit, d. i. des Staates, man sorge für die
Unehelichen, man berücksichtige die Wohnungsfrage, man fördere die
Antialkoholbewegung. Mit solchen Mitteln zu arbeiten bedeutet frei¬
lich einen langen Weg. Insolange hier nur ein teilweiser und lang¬
samer Fortschritt gezeitigt wird, kann man, glaube ich, auf die staat¬
liche Ueberwachung nicht ganz verzichten. Allmählig wird vielleicht
eine Zeit kommen, die wir gewiss nicht erleben werden, in der die
Nachfrage und das Angebot der Prostitution abnehmen; heute schon
mit solchen Erfolgen zu rechnen erscheint aber phantastisch. Den,
wenn auch noch so bescheidenen Nutzen der staatlichen Ueber¬
wachung in einer für die Gesundheit unserer Nachkommen und für
das Wohl unserer Nation so wichtigen Sache sollten wir nicht unter¬
schätzen! Auf dem Brüsseler Kongresse sagte ein Franzose: ..Lassen
Sie die Reglementierung sterben, aber töten Sie sie nicht!“ Ich
möchte sagen: „Man lasse die Staatsaufsicht bestehen, aber man
reformiere dieselbe gründlich!“
Aus meinen Ausführungen war wohl zur Genüge zu entnehmen,
dass ich mit den zur Zeit bestehenden Normen der staatlichen Ueber¬
wachung und mit dem Stande der Gesetzgebung in keiner Weise
zufrieden bin. Ja ich halte den gegenwärtigen Zustand der Dinge
für so wenig der Sachlage entsprechend, dass man mich fälschlicher
Weise sogar für den Abolitionismus in Anspruch genommen hat.
Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass eine
staatliche Prostitutionsaufsicht, auch wenn sie mög¬
lichst gut reformiert ist, in dem Kampfe gegen die Geschlechts¬
krankheiten das einzige, vielleicht auch gar nicht einmal das
wichtigste Mittel darstellt. Dazu gibt es noch eine grosse Menge
voa Wegen, von denen einige in kürzerer, andere in längerer Zeit
dem gleichen Ziele zuführen werden.
Vor allem aber erscheint es notwendig, dass die Staatsregierung
in ihren verschiedenen Ressorts in gemeinsamer
Beratung und aus gleichartigen Gesichtspunkten,
nicht in bureaukratisch kleinlicher Weise, an die im nationalen In¬
teresse des Schutzes unserer Jugend so wichtige Frage herantritt.
Insolange bei uns der Minister des Innern nach unentgeltlicher
Behandlung der .Geschlechtskranken schreit, der Herr Kultusminister
dagegen für die diesem Zwecke dienenden Institute nichts oder doch
nicht viel übrig hat. insolange jene Vereinigung alter Herren, welche
sich im obersten Schulrate mehr weniger um unsere Jugend verdient
machen, für eine einschlägige Belehrung der Abiturienten unserer
Mittelschulen sich nicht erwärmen kann, insolange im Bereiche der
Rechtspflege der Verkauf von Schutzmitteln zur Verhütung der Ge¬
schlechtskrankheiten als grober Unfug oder Vergehen gegen die Sitt¬
lichkeit unter Strafe fällt, insolange m. H. darf man leider behaupten,
dass von Seiten des Staates der Kampf gegen die Geschlechtskrank¬
heiten nicht in seiner vollen Bedeutung aufgenommen, ia die Ge¬
schlechtskrankheiten selbst in ihrer ganzen Schwere und Wichtig¬
keit nicht erkannt sind.
Ich möchte nicht schliessen m. H., ohne der Ueberzeugung Aus¬
druck gegeben zu haben, dass unsere Polizeibehörden im grossen
und ganzen und im Rahmen der Möglichkeit für die Gesundheit der
Bevölkerung arbeiten, und ich bin sicher, dass wenn jemals eine
Zeit kommen sollte, in welcher sich durch den Fortschritt der kul¬
turellen Entwicklung die staatliche Ueberwachung der Prostitution
als überflüssig erweisen sollte, niemand davon freudiger berührt sein
wird, als unsere Polizeibehörden, welche an dieser undankbaren und
an hässlichen Nebenumständen überreichen Aufgabe gewiss niemals
mit besonderer Vorliebe gehangen haben. Eine Hoffnung auf einen
baldigen Eintritt dieses Zeitpunktes hege ich allerdings nicht.
Literatur:
Ne iss er: Nach welcher Richtung lässt sich die Reglemen¬
tierung der Prostitution reformieren. Leipzig 1903. Zeitschr. zur
Bek. d. Geschlechtskrankheiten, Bd. I, No. 3. — Hammer: Die
Reglementierung der Prostitution. Zeitschr. z. Bek. d. Geschlechts¬
krankheiten, Bd. III, 10 und 11. — Gü th Dr. med.: Prostitutionspolitik
und Sittenpolizei. Zeitschr. z. Bek. d. Geschlechtskrankheiten. Bd.
VIII, 2 u. 3. — Giersing: Die venerischen Krankheiten in Däne¬
mark. Revue de morale progressive 1889. — Bettmann, Prof.:
Die ärztliche Ueberwachung der Prostituierten. Jena 1905. Verlag
von G. Fischer. — Blaschko A.: Syphilis und Prostitution
vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege. Berlin 1893. —
Tarnowsky: Prostitution und Abolitionismus. L. Voss, Hamburg
und Leipzig 1890. — Ströhmberg: Die Prostitution. Stuttgart
1899. — Ko pp: Die Prophylaxe der venerischen Erkrankungen.
Handb. d. Therapie von Pentzoldt und Stintzing. Jena 1903.
G. Fischer.
Referate und Bacheranzeigen.
Ramon y Cajal: Studien über Nervenregeneration.
Uebersetzt von J. Br es ler. Leipzig 1908. 196 Seiten,
60 Abbildungen im Text. Preis 7.60 M.
Das Werk hat vorwiegend eine kritische Richtung und
unternimmt es an der Hand zahlreicher neuer Experimente
besonders an >ungen Tieren, den Ablauf und den Mechanismus
der Neurotisierung der unterbrochenen Nerven zu erörtern.
Der Akt nach Unterbrechung der Nerven ist ein doppelter:
1. die Leistung der Schwann sehen Zellen, sie hat zum un¬
mittelbaren Zweck Destruktion und Resorption des nekroti-
sierten Axons und Marks und die Bahnung des Weges für die
neuen Fasern, 2. die Tätigkeit des zentralen axialen Stumpfes,
die in der Ergänzung und Verzweigung neuer „embryonärer“
Bahnen besteht. Die Wiederherstellung der anatomisch¬
physiologischen Kontinuität der Nervenbahn erfolgt also vom
zentralen Ende aus. Der zweite Prozess folgt dem ersten
unmittelbar nach. Die Studien verfolgen besonders genau
die an den Fibrillen speziell vor sich gehenden regenerativen
Veränderungen, Ausgänge, Teilungen und Kolbenbildungen,
wie die neueren Studien betr. die Anatomie und Pathologie der
Fibrillen uns mehrfach sie gezeigt haben. Die Abbildungen
sind sehr instruktiv.
Cajal denkt sich den Vorgang des Auswachsens im
Wesentlichen als einen solchen chemotaktischer Art. Kritisch
werden die neueren Ein wände gegen die Neuronenlehre dis¬
kutiert: die physiologische Individualität des Neurons besteht
für C. und zwar soweit, als seine spezifische Tätigkeit in Frage
kommt, d. h. soweit es zur Ergänzung und Verbreitung des
Nervenimpulses Beziehung hat. Die Phänomene der Ernährung
und Vegetation, Auftreten, Form und Wachstum der Fortsätze
sind der regulierenden Tätigkeit von Zellsatelliten, nach Art
einer Symbiose, untergeordnet. Diese geraten in Funktion,
wenn jenes destruiert wird. Die von den Schwann sehen
Zellen abgesonderten Locksubstanzen befördern Wachstum
und Neubildung der Fasern. Diese Hypothese strebt folgende
drei Prozesse unter ein Gesetz zu bringen: Embryonalent¬
wicklung der Fortsätze, morphologische Transformation des
fertigen Neurons und Regeneration. Cajal fixiert also von
Neuem seinen monogenistischen Standpunkt; Anhänger wie
Gegner seiner Lehre werden das Buch mit Interesse lesen, es
ist immer interessant, wenn edn so namhafter Forscher den
Stand einer Frage, an der er so persönlich beteiligt ist. kritisch
beleuchtet. B r e s 1 e r hat sich abermals durch die fliessende
Uebersetzung des Werkes ein Verdienst erworben.
H. V o g t - Frankfurt a. M.
E. V1111 n g e r: Die periphere Innervation. Mit 18 Figuren
im Text. Verlag: Wilhelm Engelmann, Leipzig 1908.
Preis gebunden 3.60 M.
Uebersichtliche Darstellung des Ursprunges, des Verlaufes
und der Ausbreitung der Hirn- und Rückenmarksnerven. Die
schwierigen Verhältnisse der Verbindung der einzelnen Gehirn¬
nerven untereinander mittelst der verschiedenen Nervi petrosi,
der Chorda tympani, des Plexus Jakobsoni und anderer
Schrecken der Examenskandidaten sind, soweit dies möglich,
klar auseinandergesetzt. Leider stehen unsere Kenntnisse über
die Funktion dieser Bahnen und der dazu gehörigen Ganglien
nicht auf derselben Höhe, wie die makroskopisch anatomischen
Forschungen.
Auch die Anordnung der peripherischen Nerven, die zuge¬
hörigen Muskel- und Hautgebiete, die Durchmischung der
Fasern in den Plexus und ihr Ursprung in den verschiedenen
Segmenten des Rückenmarkes werden eingehender, wenn ich
so sagen darf, liebevoller behandelt als dies in den gebräuch¬
lichen Lehrbüchern geschieht. Die Berücksichtigung wichtiger
pathologischer Verhältnisse lässt das Studium nicht zu-trocken
werden. Wenn das Büchlein auch keine eigenen Forschungen
enthält, so sind doch alle neuen Arbeiten so z. B. die über die
Anordnung der Ganglienzellengruppen für die einzelnen Mus¬
keln in den Vordersäulen des Rückenmarkes berücksichtigt.
Kurz, die vorliegende Darstellung des peripherischen Nerven¬
systems kann als Nachschlagebuch und als Repetitorium warm
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1892
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Na 36.
empfohlen werden. Und welcher Arzt bedürfte nicht von Zeit
zu Zeit einer Repetition der Nervenanatomie? Ist doch deren
Kenntnis für das Verständnis von tagtäglich in der Praxis vor-
kommenden Fällen unentbehrlich. L. R. Müller.
Zwei Jahre Chirurgie, 1905 und 1906. Bericht aus der
chirurgischen Privatklinik von Dr. Kr ecke in München.
München 1908.
Zu den Jahresberichten, die ungemein viel Lehrreiches
und Anregendes bieten und in fesselnder Weise über ein grosses
und vielseitiges chirurgisches Material berichten, gehören zwei¬
fellos die Berichte aus der K r e c k e sehen Privatklinik. Per
vorliegende Bericht über 1905 6 referiert über 5491 Pat., davon
606 klinisch aufgenommene Fälle und 1171 Operationen. Kr.
bespricht zunächst die Asepsis und das von ihm schon seit
Jahren gepflegte möglichst „fingerlose“ Operieren ((iebrauch
von M u z e u x sehen Zangen zum Halten, Benützung der Kropf¬
sonde etc. zum Ausschälen), er verwirft den (iebrauch der
Zwirnhandschuhe als unzuverlässig und bei oftem Wechseln als
unbequem und zieht die Gummihandschuhe vor. Bad und Ra¬
sieren etc erfolgt am Tag vor der Operation, Stunde vor
derselben gründliches Abseifen etc. Der Operateur desinfiziert
sich durch 15 Minuten langes Abwaschen und Bürsten mit
möglichst heiss cm Wasser und Seife und 2 Minuten langes
Abreiben der Haut mit 70 proz. Alkohol. Drains werden nur
bei Höhlenwunden benützt, bei Bruchoperationen etc. nicht.
Bezüglich der Narkose wird die Aethernarkose vorgezogen, da
sie im Gegensatz zu Chloroform jede Schädigung des Herzens
vermeidet, nur wenn die Aethertropfmethode nicht zum Ziel
führt, wird kleine Chloroformdosis zugefügt (am besten nach
Beginn des Exzitationsstadiums) wobei selten mehr als 2 5 g
nötig werden. Der Aetherrausch wird von Kr. viel angewandt,
der Bromäther dagegen auffallenderweise nicht befürwortet.
Bezüglich des Skopolamins rät Kr. sehr zur Vorsicht, nachdem
er einmal tödliche Parmlähnnmg (nach Rektumexstirpation),
einmal tödliche Nephritis danach beobachtete. Die Chloroform-
narkose wird bei Erwachsenen nur ausnahmsweise angewandt,
sie hat als Tropfnarkose ihre Berechtigung vor allem im Kindes¬
alter (A —lg in der Minute). Auch die lokale Anästhesie
möchte Kr. nicht missen und leistet besonders bei der Tracheo¬
tomie z. B. die Infiltrationsnarkose gute Dienste, während Kr.
bei Strumaoperationen Narkose vorzieht; bei allen entzünd¬
lichen Erkrankungen wird fast ausschliesslich der Aetherrausch
angewandt. Wo die Anwendung des Aethers sich verbietet,
wird bei Operation am Leib oder der unteren Extremitäten die
Lumbalanästhesie angewandt Baum berichtet des näheren
über die ca 100 Fälle von Lumbalanästhesie (anfänglich mit
Stovain, neuerlich mit Tropakokain) und über die neueren
Aenderungen in der Technik, die störenden Nacherscheinungen
(Kopfweh und Uebelkeit) sind der grösste und bis zu einem
bestimmten Grad nicht auszumerzende Nachteil der Lumbal¬
anästhesie. Bei alten heruntergekommenen Patienten und
solchen mit Herz- oder Lungenaffektionen wird die Lumbal¬
anästhesie mit grossem Vorteil angew andt, zumal bei Mangel
an Personal (auf dem Lande und in Kriegszeiten). Eine Reihe
praktischer Winke enthält das wichtige Kapitel über Früh¬
diagnose und Frühoperation, das besonders auf Bauchver¬
letzungen, Perforation des Magen- und Darmkanals. Magen-
und Darmkarzinom, Appendizitis und Gallensteinerkrankungen
nähereingeht; bezüglich der letzteren betont K., dass die Mehr¬
zahl ohne Ikterus verläuft, viele Fälle auch nicht den typischen
Kolikanfall zeigen. Von der Stauungsbehandlung sah Kr. im
wesentlichen günstige Resultate und empfiehlt sie auch bei am¬
bulatorischen Pat. wärmstens. In dem Kapitel über Röntgen¬
behandlung bestätigt Kr. die ausgezeichneten Erfolge bei Ulcus
rodens (von 10 sind 8 vollkommen geheilt geblieben). Bei tief¬
liegenden Karzinomen ist die Röntgenbehandlung in der Regel
aussichtslos, nur bei inoperablen rumoren hält Kr. einen Ver¬
such damit für angezeigt. Die Röntgenbehandlung des Kropfes
verspricht nach Kr. keinen Erfolg, bei Prostatahypertrophie er¬
zielte er günstige Erfolge damit. Das grosse Material w ird
in übersichtlicher topographischer Einteilung dargestellt, ein¬
zelne interessante Krankengeschichten näher angeführt, einzelne
Befunde in Abbildung und schematischen Skizzen vorgcfiihrt.
spez. seien hier nur die 55 Strumen, bei denen auch Kr. bezüg¬
lich der Diagnose der TrachealveränJerungen grosses Gewicht
auf die Rontgenogramme legt und im wesentlichen die Ko¬
cher sehe Operatiousmethode aiiMiihrt. die Narkose aber hier¬
bei nicht verwirft, von den BauJicrkraiikungen besonders d.e
intraabdominelle Netztorsion (2 Faile, die Besprechung des
Magengeschwürs und seiner Folgezustande, der Darmkarzi¬
nome (7 Fälle mit 3 Radikal- und 2 Palliativoperationen) und
vor allem das von Kr. schon m seinen früheren Berichten so
geforderte Gebiet der Appendizitis hervorgehoben, worin Kr.
die Unterscheidung speziell der einfachen und destruktiven
Form betont, Wesen und Symptome der Erkrankung bespricht
und u. a. spez. häufiges Erbrechen als ein höchst verdächtiges
Symptom hinstellt, auch spez. Durchfall (Darmkatarrh) als han¬
tiges Symptom hervorhebt unJ jedem Praktiker wichtige An¬
haltspunkte an die Hand gibt. Kr. betont die Bedeutung der
schmerzhaften BauJideckenspannung. d.e nicht mit Jein appeii-
dizitischen Tumor für gleichbedeutend gehalten werden darf und
das Verhalten des Pulses, der in der Regel einen guten Grad¬
messer für die Schwere der Appendizitis bildet. Sne/iell die
Symptome der beginnenden Peritonitis (die Zunahme der
Bauchdeckenspannung, das Verschwinden der Leberdampfwng)
die bei der destruktiven Appendizitis ganz allmählich liervor-
treten. finden eingehende E rörterung, ebenso d e l ’ifferential-
diagnose (von Netztorsion. (ialleiistclftkoük, Pyelonephritis, he¬
mmender Pneumonie), wobei u. a. einige d.agnostischc Irr¬
tu 111 e- r besonders hervorgehoben werden.
Im allgemeinen befurw ortet k r. vv arm die Erulu 'peratiou und
bei appendizitischem Abs/ess labgesehen v on 3 Aiiviiahtnefailen.
hohes Alter, beträchtliche Grosse des Abszesses und ungünstige
äussere Verhältnisse) in jedem Fall atidi die gleichzeitige Ent¬
fernung der Appendix sowohl im IutermeJiarstaJ.um als Spat-
stadium (nach dem 5. dag). Kr. Schäden genauer seine
Technik, er bevorzugt die SJnJitn.iht der BauJidccken imt
versenkten Seideimahteii. Von Pat. mit destruktiver Appen¬
dizitis (inkl. Peritomtisfaile) verlor Kr. 11. von t>2 wegen chro¬
nischer Appendizitis operierten 1 an Da rml.-hmung und 1 an
Sklerose der Koronararterien, muh Kr.s Erf.dr mgen soll mm
mit der Interv all* peratiou bei ahnen Individuen, zum i! wenn
es sieb voraussichtlich um Losung uimgeJeh; tvr \ervv uh-
simgen handelt, recht zurückhaltend sein. l > G.dlensmm-
operationen geben Kr. Anlass, aut d.e Indikata-n zur Operamm
bei Cholezystitis etc., die ledm.k der Ojvratmn e’c. nÄr
einzugelieii. Von 13 Mustdarm.kurzmomeu der Bericht^ ihre
war IM mal noch radikale Operation möglich. Bezug!,di Patier-
heiliingen sind die Erfahrungen allerdmgs unguust.g (von 3«>
Ins 19(14 von Kr. operierten M,|i#därmk..r/: 11 omen leNn nur 2
rezidivfrei). Im allgemeinen ist Kr. dem sakralen \erf.i!i r en
treu geblieben, nur I mal musste er das abdominelle zu 11 fc
11e 11111e1 1 . 4 Blascnsieine wurden Jurdi die Eitlmtrips e be¬
seitigt, 3 Blasentumoren durch die Sectio ui tu und Exsfrp.it;« ui
der Tumoren Bei gutartigen Bi.mentmm ren knuMutiert Kr. d z
Indikation zur Operation nur dann, wenn smikere Blutungen
oder Rei/ersdieinuugen bestellet!* Non den Vermerk ran-
klingen werden 3 Balle von Ncbeinm renn Jenem. 0 Fade von
Niereiituberkiilose, 1 von Steinmcre (d.e als I:coZ"eka’inber-
kuI* se impojijvrfe) naht r lm’cetebt.
Non (>(> in den BeFkhtsi.dir-an operierten Ikunitn. 52 Lei-
stenhriichen. 2 Schenket!'! udtell, 1-’ Nabel- und Bauchbr uchen
verlor Kr. 4. 2 nach Radikaioper.<m n des Eeisteiibnuhes <1 an
I .imgeiiembolie. 1 unter piieiiiiinii^dn Brsdie.mmgen) a M e an¬
deren wurden geheilt. Kr. bevorzugt d.e B a s%|?4 1 sehe
Methode und miresorhierharcs MaVrial, seit l 1 »>7 ist Kr. von
Zwirn zu Seide übergegangen und n :t seinen Erfolgen sehr zn-
frieden. Von den insgesamt -O fnsjien Br.ikfureu der Be¬
richtsjahre sei besonders eine (.»nertr.-.l,mr des I a.’us mit
Luxation des hinteren * .-Stückes unJ b'-t ger lv\ pos mm (von
K o c h e r Schein Resektienss v Imm a m) wueii der bisher noch
nicht ausgefuhrten Art der T'ie; ip.e ’■ r zdi ben. Spez.
für die Geleiikfiiberkulose (des k:m.i,s,’n -O S-zeiDmet Kr. die
Staiiiingsbchandlung als die zurzeit K >v B. h m.E r 'gsmetho.de.
Operative Eingriffe wurden K! itiv \. og.. • . .-noien (gr>*s-
sere ()perationen nur 9 mal).
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8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1893
Der ungemein lehrreiche Bericht kann allen Kollegen I
wärmstens zur Lektüre empfohlen werden, die in der Einleitung
von Kr. ausgesprochene Erwartung, dass die Darstellung der
unbefriedigenden Resultate (wie er selbst aus den Misserfolgen
am meisten gelernt) den Kollegen besonders willkommen sein
wird, ist sicher zutreffend und speziell aus den Irrtiimern der
Diagnose, die Kr. an verschiedenen Stellen besonders betont,
wird jeder Leser wichtige Belehrung entnehmen können und
dem Verf. für die Mitteilung seiner Erfahrungen Dank wissen.
Schreiber.
Mayer- Tübingen: Die beckenerweiternden Operationen.
Mit 67 Abbildungen im Text. Berlin 1908, Verlag von
S. Karger. Preis 8 M.
Die mit einem Vorwort v. Rosthorns versehene Mono¬
graphie Mayers gibt nach einem ausführlichen, vieles Neue
und Interessante bringenden historischen Teil eine sehr gründ¬
liche und zugleich kritische Darstellung der Symphysiotomie
und Hebosteotomie unter eingehender Berücksichtigung der
Literatur. 9 Fälle der Heidelberger Klinik unter v. Rost¬
hor n werden genauer geschildert. Zahlreiche eigene Ex¬
perimente über die Art der Knochenheilung werden mitgeteilt.
Bcd dem lebhaften Interesse, das den beckenerweiternden Ope¬
rationen zur Zeit von allen Seiten entgegengebracht wird, ist
die Mayer sehe Arbeit als ein zuverlässiger Führer in all den
zahlreichen Einzelfragen, die sich an diese Operationen
knüpfen, wärmstens zu begrüssen. Mayer hat sich durch
diese mühevolle Arbeit ein wirkliches Verdienst erworben.
B a i s c h.
Czerny: Der Arzt als Erzieher. Leipzig und Wien 1908.
2. Auflage, bei Franz D e n t i c k e. Preis 2 Mk.
In der für den Verfasser charakteristischen Weise be¬
handelt Cz. auf Qrund eigener Erfahrung, unbekümmert um Ur¬
teil oder Vorurteil anderer Autoren, gelegentlich im scharfen
Gegensatz zu viel verbreiteten Anschauungen, Erziehungs¬
fragen im Leben des Säuglings und Kindes.
Dass im Jahr des Erscheinens bereits die zweite Auflage
des Büchleins erscheint, ist ein gutes Zeichen für das Ver¬
ständnis der Eltern und Aerzte, denen es gilt. Cz.s bekannte
Anschauung, dass die Erscheinungen der Schulübenbürdung auf
dem neuropathischen Zustand der betr. Kinder beruhen, nur
selten auf wirklich nachweisbarer Ueberbürdung, wird auch
hier entwickelt und mit Geschick begründet
Speziell die Erörterungen des schädigenden Einflusses ner¬
vöser Eltern und Erzieher auf die Psyche des Kindes, wie der
Hinweis auf die Abhängigkeit psychischer Störungen von kör¬
perlichen Leiden, auf die Gefahren der Entwicklung des ein¬
zigen Kindes oder Benjam/ins werden die Zustimmung aller
Sachverständigen finden.
Die Anschauungen des Verfassers über die „leider nicht
verbesserten Erziehungs- und ärztlichen Behandlungsmethoden“
(S. 102) als wachsende Ursache der Nervosität im Kindesalter
dürften betreffs der Erziehungsmethoden in den Anstalten für
Kinder im jugendlichen Alter nur mit Einschränkung gelten.
Die Notwendigkeit der Charakterbildung durch Erziehung
zur Ordnung und Unterordnung unter die Forderungen, welche
aus dem Zusammenleben mit anderen sich ergeben, muss nach
Cz. vor allem auch für das kranke, wie rekonvaleszente Kind
stets beachtet werden.
Eine Bereicherung mit Angaben zur Durchführung ärztlich-
erzieherischer Massnahmen dürfte weiteren Auflagen Vorbe¬
halten sein, vielleicht auch ein Eingehen auf erzieherische Auf¬
gaben des Arztes bei Schwierigkeiten in der Nahrungsauf¬
nahme, des Einschlafens, der Gewöhnung an den Verkehr mit
anderen Kindern, wie auf die ärztlichen Erziehungsmassnahmen
im allgemeinen. Jedenfalls könnten sich viele Aerzte ihre
Tätigkeit als Kinderarzt durch Empfehlung des Buches an die
Eltern sehr erleichtern, ihren kleinen Kranken aber damit oft
mehr nützen als durch einseitige „Behandlung“ — oder gar
vielseitige! — von Erscheinungen, welche nicht im Kinde, son¬
dern in seiner Erziehung begründet sind. S i e g e r t - Köln.
Corpus medlcorum graecorum. P h i I u m e n i, de venen-
atis animalibus eorumque remediis. E Codice Vaticano primuni
edidit Maximilianus Weltmann. Leipzig 1908. Teubner.
71 Seiten, Lex. 8°.
Die Inauguration des Corpus medicorum graecorum durch
den hochverdienten W e 11 m a n n darf als ein günstiges Omen
freudig begrüsst werden.
Das Werk des Philumenos über giftige Tiere, das der
tatkräftige Gelehrte in einem Kodex der vatikanischen Bücherei
entdeckt hat, ist uns um so wertvoller, als wir über den Gegen¬
stand ausser dem Pseudo-Dioscurides und der poeti¬
schen Bearbeitung des Nicander wenig aus der alten Zeit
besitzen. Wir wissen, dass ein Philumenos im 12. Buche
des A e t i u s als Gynäkolog oft angeführt wird, auch dass
Puschmann uns lateinische Fragmente eines gleichnamigen
Arztes geschenkt hat, und dass die neuesten Forscher an der
Identität der Autoren nicht zweifeln.
Ueber das Zeitalter des Autors war man bisher nicht einig;
Well mann nimmt an, dass er um 250 p. Chr. gelebt hat.
Daremberg*) schreibt; „Les uns le placent au temps
d’Athenee, les autres le font vivre seulement dans la premiere
Partie du IV. siede. Cette derntere opinion est la plus probable,
car Philumene n est eite ni par Soranus, ni pa Galien“. Dass
er ein Buch über Frauenkrankheiten geschrieben hat, ist auch
durch eine Scholie bei Oribasios bezeugt (III. 681).
Philumenos trägt seinen Stoff in 37 Kapiteln vor; die
fünf ersten behandeln die Lyssa und Bisswunden von Hunden
und Menschen überhaupt; es folgt die Bekämpfung der f-gnera
(Skorpione, Schlangen etc.) durch Räucherungen; von den
Arthropoden werden Wespen, Bienen, Dipteren, Flöhe, Skor¬
pione, Spinnen ( cpalayyia ) behandelt; die Schlangen bean¬
spruchen 17 Kapitel; darunter einige fragwürdige Gestalten
(dgcUoiv, ßaaiktaxog etc.), den Schluss bilden die Spitzmaus,
die Eidechse (aaiga) von Chalkidike, und giftige Fische.
Es sind der trefflichen Ausgabe zwei wertvolle Indizes
(verborum und scriptorum) p. 43 —72 beigegeben. Die Zahl der
zitierten Schriftsteller beträgt fünfzehn. Auffallenderweise ver¬
misst man Apollodorus, der als „iologorum dux“ be¬
zeichnet wird, übrigens von den neueren Historikern vernach¬
lässigt ist. (Nicandrea, ed. Otto Schneider, 1856, pag. 181
bis 201, ausführlicher Exkurs mit 21 Fragmenten.)
Für solche, die den alten Jologen Philumenos stu¬
dieren wollen, bemerke ich, dass die Lektüre nicht zu den
schwierigen gehört, während allerdings die Deutung der Re¬
alien (Tiernamen etc.) oft unübersteigliche Hindernisse bieten
dürfte. Huber- Memmingen.
Boehm und Oppe 1: Taschenbuch der mikroskopischen
Technik. 6. Aufl. München und Berlin. R. Oldenbourg.
339 S. M. 5.80.
Das bekannte Taschenbuch liegt in 6. von Boehm allein
besorgter Auflage vor. Durch die in letzter Zeit besonders
stark angewachsene Zahl der histologischen Untersuchungs¬
methoden, die fast sämtlich mit aufgenommen wurden, hat sich
der Umfang des kleinen aber doch so ungemein brauchbaren
Büchleins etwas vermehrt, zumal das Kapitel „Mikroskop“
wieder aufgenommen wmrde. Ref. möchte einen kleinen Fehler
beanstanden, nämlich die Angabe auf p. 267, dass die Tragzeit
beim Meerschweinchen 3 Woohen betrüge, was nicht zu¬
treffend ist. Prof. Sobotta - Würzburg.
R. Koch: Ueber meine Schlafkrankheitsexpedition. Bei
Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). Berlin 1908. Mit 10 Voll¬
bildern und 12 Abbildungen im Text nach Originalaufnahmen.
47 S. Preis M. 2.
Verfasser berichtet in schlichten Worten über einige Be¬
obachtungen an Land und Leuten um den Vdktoriasee, die er
bei seiner Schlafkrankheitsexpedition angestellt hat. Er streift
dabei in gemeinverständlicher Art die Erscheinungsform und
Uebertragungsart der Schlafkrankheit. Die Wiedergabe der
reichlich beigegebenen, glänzend gelungenen Photographien
ist technisch hervorragend. z. V.-Berlin.
*) Mistoire des Sciences mädic. I. 238.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
im
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Neueste JouraalHteratur.
Zeotralblatt fiir innere Medizin. 1908. No. 33 u. 34.
No. 33 ohne Originalartikel.
No. 34. C. K1 i e n e b e r g e r: Einfache Hilfsapparate für rönt¬
genologische Tischaufnahnten und Tischdurchleuchtungen. (Aus der
medizinischen Klinik in Königsberg i. Pr.)
Die abgebildeten Apparate zeichnen sich durch Einfachheit, Billig¬
keit und Zweckmässigkeit aus und können von jedem Tischler her¬
gestellt werden. W. Zinn- Berlin.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen
Tuberkulose-Forschung. Heraustfegeben von Prof. Ludolph
Brauer. Bd. X, Heft 1.
Der X. Band der Beiträge erscheint mit erweitertem Titel und
einer erheblichen Vermehrung der mitwirkenden Autoren, unter denen
sich jetzt führende Bakteriologen, Anatomen und Kliniker (u. a.
v. Behring, Tetidcloo, Sah! i, Eber u. a.) befinden. Brauer
leitet den neuen Band mit rückblickendem Dank und guten Hoff¬
nungen für die Zukunft ein.
K. Turban und O. Baer: Opsonischer Index und Tuberkulose.
Die Verf. schildern in dankenswerter Ausführlichkeit Grundlagen
und Technik der Feststellung des opsonischen Index fiir die Tuber¬
kulose und berichten dann über den Einfluss von Aenderungen der
Zusammensetzung der Serum-Bazillen-Leukozytcnmischung auf den
phagozytischen Index und über üruppenreaktionen (Menschen- —
Hühnertuberkelbazillen —BLindschleichcnbazillen —Perlsuchtbazillen),
die sie in übersichtlichen Kurven veranschaulichen. Sie kommen zu
dem Resultat, dass unter spezifischer Behandlung die Phagozytose im
Sputum steigt. Ob die Phagozytose bei der Tuberkulose als Heil¬
faktor eine wesentliche Rolle spielt, bezweifeln sie. Die Be¬
deutung des opsonischen Index sehen sie darin, dass man durch
genaue zahlenmüssige Bestimmung der opsonischen Kraft einen Ein¬
blick in das jeweilige Verhalten einer Abwehrvorrichtung des Or¬
ganismus gewinnen kann.
D. Rothschild -Soden: Neue Gesichtspunkte In der Tuber¬
kulintherapie.
R. gelangt durch Beobachtung der Wirkung der Tuberkuline auf
den opsonischen Index zu dem Resultat, dass in Analogie der übrigen
W r i g h t sehen Vakzine die aus den Bazillen der Erkrank¬
ten selbst hergestellte Bazillenemulsion die ideale Tuberkulin¬
anwendungsform sein müsse. Diese .,A u l o t u b c r k u I i n e‘* hat er
schon in einigen Fällen günstig erprobt. Unter seinen Konklusionen
seien folgende hervorgehoben: die kleinste Tuberkulindosis, welche
eine merkliche Erhöhung des Opsoningehaltes des Blutes bedingt, ist
die richtige. Spezifisch wirken nur die (exogenen) Autotuberkuline.
In Fällen, wo die Patienten keine Bazillen, muss man sich durch
Bazillengemische (Umvcrsaltuberkuline) helfen, die möglichst viele
verschiedene Arten säurefester Stäbchen enthalten. Die in der Peri¬
pherie der Erkrankungsherde aufgespeicherten endogenen Auto¬
tuberkuline können durch s\ stematische körperliche Bewegung dem
Blute zugeführt und hierdurch eine künstliche Erhöhung des Opsonin¬
gehaltes des Blutes herbeigeführt werden, die in bestimmter Weise
therapeutisch verwertet werden kann. Bei Tuberkulose mit dauernd
erhöhtem opsonischen Index ist die Tuberkulinkur zwecklos.
Heinr. Q e r h a r t z und A. S t r i g c I: Ueber Lungensteine und
Kieselsäurebehandlung.
Angeregt durch Analysen von Z i c k g r a f, der den Reichtum der
Lungensteine an Kieselsäure feststellte und damit dieser Säure ihr
den Vernarbungsprozess der Phthise Bedeutung zumass, und durch
Untersuchungen von Ürunmach und Bickel, die die Rontgen-
lichtundurchlässigkeit der Steine fanden, haben die Verf. einige Kon¬
kremente chemisch und physikalisch untersucht und kommen zu
folgenden Schlüssen: die Kieselsäure ist k e i n konstanter Bestandteil
der Lungensteine. Etwaiger Kieselsäuregehalt von Lungenstemen
darf nicht auf den Genuss kieselsäurehaltigen Thees (den Z i c k g r a f
therapeutisch verwendete) zurückgeführt werden. Die Lungensteine
sind fast undurchlässig für Röntgenstrahlen, weil sie reich an Kalk
sind.
K. Dluski: Ueber Tuberkulinanwendung In der Lungentuber¬
kulose vom klinischen Standpunkte.
Eine eingehende Darstellung der theoretischen und klinischen
Forschung auf dem Gebiet der Therapie mit den verschiedenen
Tuberkulinen; zu kurzem Referat ungeeignet. Bemerkt sei nur, dass
Verf. der Tuberkulintherapie sehr vorsichtig abwägend gegeniiber-
steht und in praxi die Methoden von Hammer und Sahli am
meisten empfiehlt. Ein Literaturverzeichnis von 229 Nummern erhöht
den Wert der Arbeit.
A. Rzewuski: Zur Röntgenographie des Thorax dyspnoischer
Patienten bei Atemstlllstand.
R. lässt vor der Aufnahme Sauerstoff einatmen und hat damit
in allen Fällen die gewünschte, genügend lange Apnoe zur Aufnahme
erreicht. Die Aufnahme eines Pneumotlioraxkranken im Atcmstill-
stand illustriert den Wert des Verfahrens.
Hans Curschmann - Mainz.
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Bettrige zur kUntocbeo Chirurgie, red. von P. v. Brun*.
58. Band, 2. Heft. Tübingen, Lau pp. 1908.
Aus der Prager Klinik gibt Prüf. V. Lieblein eine Arbeit über
den Galalithdarmknopf (rci. in No. 2o. pag. Ib'M; ebenfalls aus VV o i i-
1 e r s Klinik gibt E. K o p p 1 Beiträge zur Kenntnis und Kasuistik der
Hernla ischladica an der Hand des ersten radikal operierten und ge¬
hellten Falles und bespricht, an die Zusammenstellung der 11 schon
von (iarrc als sicher angenommenen lalle und weiterer II Fade
aus der seit 1392 publizierten Literatur sowie den eigenen Fall an¬
schliessend, Aetioiogie. Anatomie. Sv mptome. Diagnose etc. der sel¬
tenen Hernieniorm. iur die er 34 Pro/. (iesamtmortalr.at (über 2<>
Pro/., an den Hermen gestorben) berechnet; operiert wurden von
den freien Hermen nur 3, von den mkai zeriet teil (>. ln dem Fall
der Prager Klinik (Herma intrapy riiormis fiel «42 )ahr. Frau) wurde
die Radikaloperation ausgeiiihrt, bestehend in lleraimahen des Mus-
cul. pyriiormis an das lag. spinosa sacr. nach Bruchs;»».knallt und
Abtragung des peripheren Bruchsackanteiles. Fiir das 1 or. supra-
pyritorme musste nach K. der \erschluss derart geschehen, dass der
Muse. p\ riiormis entweder an das Periost der die Incts. is».luad.
major begrenzenden Knochenkante «»der an den sie eventuell noch
bedeckenden M. glutaeus med. resp. mm. herabgenaht wird mit Be¬
rücksichtigung der Art. und des Nv. glut. sup. Fur die H. spmo-
tuberosa denkt K. ev. an einen glatten Verschluss mit einem oder
den anderen M. gemellus oder der lag. sacroliiberos. spuiosum oder
mit beiden (ohne M. obturator mt. und \asa und Nv. puJ. in ihrer
Funktion zu stören).
Capelle gibt aus der Bonner Klinik eine Arbeit über die Be¬
ziehungen der Thymus zum Morb. Basedow 11 und schildert im An¬
schluss an 3 naher mitgeteilte ungünstig ausgegangenc Falle von
Operation einer Basedow struma aus der Bresiauer Kauik (2 tvpivhc
Hemistrumektomieii. I doppelseitige Resektion), bei denen keine di¬
rekte 'Todesursache aber eine hv per plastische Ihvmus gt landen
wurde und unter Hinweis auf die Arbeit B o n n e t s, der 2s Fade per¬
sistierender Thymus bei Basedow taiui. Thorhckes etc., nach
denen sich eine Thymuspersistenz oder H\perplasie bei 79 Pro/, der
Falle berechnet, die Bedeutung dieses Zustandes, dessen Belanglosig¬
keit im Bild des Basedow revisionsbedürftig ist. C. besnivlil die
fiir die Diagnose dieses Zustandes m Betracht kommenden Momente.
Wenn sich ein Verdacht auf h\perplastische Thvmus bei Basedow-
kranken durch positive Meikmaie stutzen lasst, ist ein solcher Patient
von einem chirurgischen Fangriff aii*»/iischnessen. Die Aligeniein-
narkose scheint iur die Geiahr nicht bev».huldigt wer»leii zu können,
da v. Eiseisberg u. a. gleiche Katastrophen bei Lokalanästhesie
beobachteten, wie C. bei Aethernarkose. I me kurze Zusammen¬
stellung von 3<> Fallen und 33 muh I horheke zitierten Fallen
reiht sich der Arbeit an.
Roith bespricht aus der Heidelberger Klinik einen Fall von
Luxat. sub talo nach hinten und aussen mit Subluxation des Kuboids
unter Mitteilung des Roiitgenluldes etc., der nicht in das t\ pisclic
Bild der Tursusluvntioncn emzureihcii ist und bei dem die Verschie¬
bung des Kuboids gegen den Kalkaneus nach unten aunallt. die in
keinem der sonst mitgeteilten Fälle von l.uvat. sub talo erwähnt ist.
Tokijro Kato und Kotzenberg geben aus dem allge¬
meinen Krankenhause zu Hamhurg-Fppendori eine Arbeit über das
Verhalten des Blutdruckes bei chirurgischen Nierenerkrankungen und
Appendizitis und besprechen die Resultate ihrer l ntcrsuchungcn (mit
dem Apparat von R i v a - R o c e i mit Recklings hause» scher
Manschette und Sahli schein Main »Mieter ausgeiiihrt). Bei den Fallen
einseitiger Fiterniere ergab sich u. a. Druckerhohuug, die mit dem
Abklingen der Filter ung ei losch, die Druckst», igerung bei doppelse i¬
tigen Nierenkrankheiten konnte bestätigt werden. Nichtent/undliche
Prozesse der Bauchhöhle hatten keinen Fmiluss aui die Blutdruck¬
kurven, dagegen fand sich in den Fallen akuter und sulukutcr Appen¬
dizitis eine auffällige Steigerung des Blutdruckes bis zu einer Hohe,
wie sie selbst bei der chronischen Nephritis und Arteriosklerose nicht
zur Beobachtung kamen, dagegen boten mehrere Falle vori akuten
und subakuten Ent/imdungspro/essen der w erblühen Genitalien nor¬
male Blutdruck Verhältnisse. Die Messungen wurden regelmassig
2 mal am 'Tag (früh 9 I hr und abends 3 Ihr) mit den Temperatur¬
messungen vollzogen, kurze Krankengeschichten, Bemerkungen und
die Kurventatein sind der Arbeit beigegeben.
Friedr. Kroiss gibt aus der Innsbrucker Klinik eine Arbeit
über die plastischen Operationen am Nierenbecken und oberen Ureter-
abschnitt bei den Retentionsgeschwülsten der Niere mul liefert darin
eine Zusammenstellung der bisher beobachteten T\peu der abnormen
Passageverhaltnisse im Nierenbeckenausgang und »1er zu ihrer Be¬
seitigung veriugbareii ()peratioiismetlmdcn. Fr geht auf die em/cinen
Formen der Abflusshindermsse otriktur am Bce kenansgang. Sporn¬
bildung etc.) naher cm und bespricht die verselik denen npera:i<>ns-
verfahren (Längsm/isum und (Juernaht der striktur des oberen
Uretereudes, Spornspaltung mul Naht und die extrapclv is^heti
Klappenoperationen, l’reterpvel««plastik, laterale \nasp|®jose. Pyc!»>-
plastik und Resektion). Nach allgemeinen Bemerkungen zur (>pcra-
tionsteehmk folgert Kr.u.a.. »lass m den meiste« Laden d e praho.m.irc
Ncphrostomie erheblichen Nutzen schaden, in manchen (den Pyo-
nephrosen) einen unerlässlichen Vorakt der plastischen Operationen
OrigirvaTfrom
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1895
bilden müsse und dass es vor allem nötig sei, Nierenbecken und i
Ureter in ausreichender Weise ansichtig zu machen, was allerdings
zuweilen wegen ausgedehnter Verwachsungen schwierig und lang¬
wierig sei. Kr. bespricht Indikationen und Kontraindikationen für
die einzelnen Formen und findet für die einfache Striktur am Nieren¬
beckenausgang logischer Weise nur die von Fenger-Küster
gegebene Längsspaltung der Striktur von aussen her mit querer Ver-
nähung der Wundränder brauchbar; bei Hydronephrose mit hoher
Insertion des sonst unveränderten, nicht verwachsenen Ureters und
dem entsprechend ausgebildeten Blindsack kann entweder der Blind¬
sack selbst zum Gegenstand des Eingriffes gemacht werden
[Pyeloplikatio (Israel) oder Capitonnage (A1 b a r r a n)j und Re¬
sektion des Sackes (Kümmel, Petcrsen) ausgeführt werden,
oder es kann Ureter und Blindsack operativ verändert werden. Bei
der Vornahme von Klappenoperationen kommt es meist zu Unzu¬
kömmlichkeiten, speziell bei den Resektionsmethoden, zu Verlust von
Nierenparenchym etc., was bei Anwendung der Ureterpyeloneostomie
vermieden wird; die laterale Anastomose hat allerdings die Subtilität
und Unsicherheit der Naht gegen sich. Um die Vorteile der ersteren
mit denen der letzteren zu verbinden, möchte Kr. ein Verfahren Vor¬
schlägen, das bezüglich der Technik zwischen beiden steht, nämlich
den Ureter hoch oben zwischen zwei Ligaturen zu durchschneiden
und ihn mit der tiefstgelegenen Partie der Sackwand zu vereinigen,
so bleibt der Ureter lang genug, um dem schrumpfenden Sacke nach
aufwärts zu folgen, und die Vorteile der seitlichen Vereinigung
kommen ungeschmälert zur Geltung. Für die Fälle mit Blindsack
mässigen Grades und intaktem Ureter empfiehlt Kr. die Resektion
des Bas. fond. ohne Mitnahme des unteren Nierenpols als das
schonendste Verfahren und wo sie nicht möglich, die Rös. ortho-
pedique. In den Fällen, in welchen neben Gestalts- und Lageano¬
malien des Nierenbeckens auch der Ureter als solcher Sitz patho¬
logischer Veränderungen ist, wird bei höherem Grade auch die
Chance für Ureterpyeloplastik immer ungünstiger und geben diese
Fälle das hauptsächlichste Indikationsgebiet für die Ureterpyelo¬
neostomie bezw. laterale Anastomose, besonders letztere nach A 1 -
barran genügt den meisten Indikationen und weist die wenigsten
Nachteile auf. — Was die Ergebnisse der Operation anbelangt, so
berechnet Kr. nach 97 Fällen 6,8 Proz. Mortalität, glaubt sich aber zu
der Annahme berechtigt, dass es künftighin gelingt, die Zahl der
Todesfälle noch herabzudrücken. Die Urämie ist besonders bei soli¬
tären Nieren eine grosse Gefahr. Kr. verbreitet sich über Erfolge
und Misserfolge, wobei allerdings der Mangel zystoskopischer Nach¬
untersuchung als Schwäche der Statistik ungesehen wird. Bezüglich
der Resultate der einzelnen Eingriffe berechnet Kr. für die F e n g e r -
sehe Operation 76,14 Proz. Heilungen, 23 Proz. Misserfolge, für die
reine Ureterpyeloneostomie 71,4 Proz. Heilungen, 28,5 Proz. Miss¬
erfolge, für die Pyeloplicatio 77,7 Proz. Heilungen, 22,2 Proz. Miss¬
erfolge, für die laterale Anastomose 63,6 Proz. Heilungen, 26,3 Proz.
Misserfolge, für die Gesamtstatistik von 102 Operationen 68,63 Erfolge,
22,2 Misserfolge. Kr. ist nach den Erfahrungen der Schloffer-
schen Klinik der Ansicht, dass man bei der Häufigkeit geeigneter
Fälle und den bisherigen guten Resultaten der plastischen Opera¬
tionen dringend aufgefordert sei, auf dem eingeschlagenen Wege
weiter zu gehen. Den Einwurf längerer Heilungsdauer, den man
den plastischen Operationen gemacht hat, lässt Kr. nicht gelten. Betr.
der Pyonephrosen oder schwer infizierten Hydronephrosen wird man
betr. der Bewertung der plastischen Operationen sich grösserer Vor¬
sicht befleissen müssen, doch ermutigen die bisherigen Resultate unter
gewissen Kautelen zu weiteren Versuchen (4 Fälle haben unbestreit¬
bar sehr befriedigenden Erfolg). Zum Schluss gibt Kr. die betr.
Krankengeschichten.
Wolfg. Veil berichtet aus der Strassburger Klinik über ein
Teratom am Kopfe eines Kindes, das bei ca. V! a jähr. Pat. mit Meissei
vom Schädeldach entfernt wurde und das histologisch genau be¬
schrieben wird; eine Grenze derartiger Teratome von solchen mit
ausgebildeten Organen etc. lässt sich nicht ziehen.
W. Buck berichtet aus dem Stuttgarter Ludwigsspital „Char¬
lottenhilfe“ über einen Bruch des Gelenkfortsatzes des V. Lenden¬
wirbels und gibt darin einen neuen Beitrag für die erst durch die
Röntgenuntersuchung als Absprengungen etc. klargestellten, früher
als Lumbago traumat. etc. bezeichneten Fälle. Bei einer 31 iähr. Pat.,
die im Anschluss an eine beim Aufräumen schwerer Fleischplatten
in Hockstellung erfolgte Muskelzerrung monatelang heftige Schmerzen
hatte und bei der sich röntgenographisch eine Vertikalfraktur des
Wirbelbogens resp. Gelenkfortsatzes des V. Lendenwirbels kon¬
statieren liess, wurde die daselbst entstandene Pseudarthrose ope¬
rativ behandelt, d. h. der losgesprengte Teil des Gelenkfortsatzes ent¬
fernt, wobei, um gute Uebersicht zu gewinnnen, ein walnussgrosses
Stück der Spina sup. postica entfernt werden musste und (im Inter¬
esse glatteren Wundverlaufes) auch der Gelenkfortsatz des obersten
Kreuzbeinwirbels entfernt wurde. Der Eingriff hatte vollkommenen
Erfolg. Sehr.
Zentralblatt für Chirurgie. 1908 No. 32.
A. Schanz -Dresden: Jodbepinselungen zur Erzielung schmaler
Narben.
Sch. benützt seit Jahren mit bestem Erfolge die Jodbepinselung
der Wunde, um leichten Reizzustand (Hyperämie) und damit feinere
Narben zu erzielen, während primär geheilte Wunden nach Entfernung
der Nähte (auch nach 10—12 Tagen noch) oft ein Auseinanderweichen
der obersten Hautschichten erkennen lassen, so dass ein feiner, von
der Tiefe her sich ausfüllender Spalt entsteht, der einige Millimeter
breite Narbenstreifen hinterlässt. Sch. nimmt die Bepinselung 3—5
Tage nach der Operation vor, begnügt sich bei Wunden in gut er-*
nährten Partien mit einmaliger Bepinselung und wiederholt diese bei
grösseren Wunden, spez. an weniger gut ernährten Stellen, 2—5 Tage
hintereinander.
Schwenk-Breslau: Isolierte Fraktur des Processus coronol-
deus ulnae.
Mitteilung einer durch Fall auf den gestreckten Arm entstandenen
Stauchungsfraktur mit Röntgenbild. Sehr.
Archiv für Gynäkologie. 85. Bd. 1. Heft. Berlin 1908.
1) W. Busse: Die Leukozytose, eine Schutzvorrichtung des
Körpers gegen Infektion. Eine klinische und experimentelle Studie.
(Aus der Frauenklinik der Universität Jena. Direktor: Prof. Franz.)
Die umfangreiche Arbeit behandelt ein sehr grosses Material, im
ersten Teil werden die quantitativen und qualitativen Veränderungen
der weissen Blutkörperchen im strömenden Blute abgehandelt, wie sie
nach verschiedenen operativen Eingriffen auftreten. Im zweiten Teil
wird das Verhalten des Blutes vor und nach der Operation auf
Bakterizidie gegenüber einem Kolistamm geprüft. Im dritten Teile
wird das Verhalten des Tierkörpers gegenüber verschiedenen In¬
fektionserregern vor und nach Vorbehandlung mit leukozytose¬
erregenden Mitteln studiert. Die Ergebnisse sind im Original nach¬
zulesen.
2) E. Kehrer: Zur Lehre von den herzlosen Missgeburten.
Ueber Hemiakardii. (Aus dem Laboratorium der Universitätsfrauen¬
klinik Heidelberg.)
Bericht über einen Hemiakardius oder Acardius completus, dessen
Herz- und Gefässystem rudimentär entwickelt sind. Es wurde zum
ersten Male bei einem Akardius Lebergewebe nachgewiesen. Funk¬
tionell ist der Akardius nichts anderes als ein unter den ungünstigsten
Zirkulationsverhältnissen stehendes Organ des gesunden Zwillings.
3) William F. Ar mann, Ritzville (U. S. A.): Ueber einen
Fall von Pulsationen, beobachtet am primitiven Herzschlauch des
menschlichen Embryos aus der zweiten Woche.
Intaktes Abortei, Embryonalanlage 2,5 mm lang. An dem etwa
stecknadelkopfgrossen Herzschlauch konnten durch 15 Minuten deut¬
liche rhythmische Bewegungen wahrgenommen werden. A. zählte
90 Pulsationen in der Minute.
4) F. Bukojemsky: Zur Frage Uber die soliden Teratome
(Embryome) des Eierstockes. (Aus der Frauenklinik des Professor
Wsewolod Orlow an der Universität Odessa.)
Der beschriebene Tumor ist nach B. entstanden auf dem Boden
von Ovarialgewebe, in welchem sich ein befruchtetes Ei befand,
wobei sich das Ovarium später in eine Zyste verwandelte. Das
Präparat wurde durch Operation von einer 55 jährigen Frau ge¬
wonnen; 10 Monate später war die Frau kachektisch, es bestand ein
diffuses Infiltrat an der Stelle des Tumors.
5) F. Fromme: Klinische und bakteriologische Studien zum
Puerperalfieber. (Aus der Kgl. Universitätsfrauenklinik Halle a. S.)
Die Untersuchungen beziehen sich auf das Verhältnis des
Streptokokkus zum Puerperalfieber, ganz besonders wird die Hämo¬
lyse des Streptokokkus in den einzelnen Erkrankungsformen und bei
der gesunden Frau geprüft. Ein Fieber im Wochenbett, bei dem wir
aus dem Uterus alle möglichen Saprophyten züchten können, bei dem
das Blut steril ist, lässt uns eine absolut günstige Prognose stellen.
Ueberwiegen jedoch Streptokokken oder sind diese gar hämo-
lysierend, so ist die Prognose dubiös. Noch trüber wird die Prognose,
wenn die Keime in grösserer Menge im Blut erscheinen und hier
wiederholt gefunden werden. F. hält bei jedem Fieber im Wochenbett
eine bakteriologische Blutuntersuchung für nötig im Interesse der
Diagnose und der Therapie.
6) Adam Czyzewicz jun.: Zur Tubenmenstruation. (Aus der
Klinik der k. k. Hebammenschule des Prof. Dr. A. Czyzewicz in
Lemberg.)
Untersucht wurde durch Operation gewonnenes und entsprechend
sorgfältig behandeltes Material. Darnach kann von einer Tuben¬
menstruation in dem Sinne, wie sich der Prozess in der Uterus¬
schleimhaut abspielt, keine Rede sein. Die Eileiterschleimhaut sondert
während der Menstruation weder Blut noch irgend etwas ab. Es
kann Blut vom Uterus her in die Tuben hineingepresst werden.
7) G. Heinricius: Experimentelle Untersuchungen über die
Einwirkung des Bacillus aürogenes capsulatus (Bacillus perfringens)
auf die Schleimhaut der Gebärmutter und der Schelde. (Aus dem
Laboratorium der geburtshilflich-gynäkologischen Universitätsklinik in
Helsingfors.)
Als Versuchstiere dienten Kaninchen und Meerschweinchen. Wie
die früheren Versuche des Autors mit Streptococcus pyogenes zeigen
auch diese Versuche die grosse Bedeutung des oberflächlichen Epi¬
thels und der Zellen des Drüsenepithels. Durch intaktes und gesundes
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18 %
MUENCHFNER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. Mk
Epithel können die Bazillen nicht nach dem daruntcrliegciidcn Binde¬
gewebe und dessen Lymphwegen Vordringen. Bei Schwangerschaft
dagegen degenerieren die Epithel- und Drüscnzcllcn unter dem Ein¬
fluss des Infektionsstoffes und der Wen für die Bazillen wird frei. Die
Schwangerschaft scheint die pathogenen Eigenschaften des Bacillus
aerogenes capsulatus zu begünstigen. A. H e n g g e - München.
Gynäkologische Rundschau. Jahrgang II. Heft 15.
Oskar Jäger-Kiel: Ueber Melaena neonatorum. (Aus der
kgl. Universitäts-Brauenklinik zu Kiel.)
Mitteilung von drei Bällen von Melaet.a neonatorum, welche
durch (ielatincbehaudlung geheilt wurden; empfohlen wird die Kom¬
bination von subkutaner Injektion mit der Darreichung der < ielatine
per os. Wert ist zu legen auf die Vermeidung der Annahme der
Körperwärme. Die Aetiologie war in den beobachteten Bällen nicht
zu erklären.
Karl Bricdrich \V e i n h o 1 d - Breslau: Grosses retroperltoneales
Lipom.
Schilderung eines Operationsfalles, in welchem Verf. ein grosses
retroperitoncales Lipom nach Spaltung des Mesikohm stückweise
ausschälte. Nebenbefund: Retroflexio Uteri, deshalb Ventrinxur des
Uterus. Olatter Verlauf.
Julius Ca rli-Genua: Ueber einen Fall von schwerer Inertia
uteri. (Aus der kgl. Universitäts-Brauenklinik in Genua.)
III. Para mit noch wenig geöffnetem Muttermunde. Wehen¬
schwäche, Herztöne schlecht, Abgang von Mekonium. Schiidcilage.
Dilatation mit B o s s i schein Dilatator, Erweiterung m 19 Minuten.
Extraktion mittels Zange. Plazenta spontan, geringe Blutung durch
heisse Ausspülung, Massage und Injektion von Ergo tut gestillt. Kind
tief asphyktisch, nach 4u Minuten wieder belebt. Wochenbett
normal. A. R i e I ä n d e r - Marburg.
Archiv für Hygiene. 67. Bd. 2. Heft. 1908.
1) K. B. Lehmann und S a n o - Würzburg: Ueber das Vor¬
kommen von Oxydationsfermenten bei Bakterien und höheren
Pflanzen.
Die Arbeit berichtet über die Ergebnisse der Fähigkeit der Bak¬
terien, Tyrosin zu oxydieren, über einige Studien über den Nachweis
von Oxydasen in höheren Pflanzen und über Versuche, aus Bak¬
terien üxydasen zu isolieren. Es konnte ermittelt werden, dass im
Pflanzenreich die Tyrosin äsen ziemlich weit verbreitet sind, so
z. B. bei der Kleie und in neuen Kartoffeln. Bacterium phosphores-
cens, Bacterium putidum und Aktinomyccs chromogenes bilden aus
Tyrosin einen braunschwarzen Farbstoff. Zuckerzusatz ist ohne Ein¬
fluss auf die Tyrosinasebildung; Kochhitze und Zyankali stören die
Tyrosinasebildung. Actinomyces chromogenes bildet auch auf tyro¬
sinfreien Nährböden ein wenig braunes Pigment, doch gibt es auch
Rassen, welche kein Tyrosin bilden. Wegen weiterer Einzelheiten
sei auf das Original verwiesen.
2) Kurt M e y e r - Strassburg: Versuche über die chemische
Natur der hämolytischen Immunkörper.
Die Löslichkeitsverhältnisse des hämolytischen Immunkörpers
sprechen gegen seinen Lipoidcharakter. Seine Zerstörbarkeit durch
Pankreasferment deutet auf seine Eiweissnatur. Sein Verhalten
gegen chemische Reagentien spricht nicht gegen seinen Eiweiss¬
charakter. In seinem amphoteren Verhalten gegenüber elektroposi-
tiven und elcktronegativen Kolloiden resp. Suspensionen folgt er den
Eiweisskörpern. Er ist an den Globulinanteil des letzteren gebunden;
innerhalb dieses ist eine weitere Beschränkung auf einzelne Frak¬
tionen weder durch Dialyse, noch durch Ammonsultatfällung möglich.
Beim Eintrocknen ändern sich seine Löslichkeitverhältnisse.
3) August Jorns - Würzburg: Ueber Bakterienkatalase.
Die Kaliumpermanganatmethode für die quantitative Bestimmung
des Wasserstoffsuperoxyds in Flüssigkeiten, welche geringe Mengen
von Bakterienbouillonkulturen und deren Filtraten enthalten, hat vor
der jodometrischen Methode den Vorzug grosserer Genauigkeit und
schnelleren Ausführung. Auch die gasanalytische Methode ist genau,
aber sehr zeitraubend. Auf der W irksamkeit der Katalase, eines spe¬
zifischen, von den Bakterien gebildeten Fermentes, beruht die Eigen¬
schaft von Bakterienbouillonkulturen, unter Entwicklung freien Sauer¬
stoffs Wasserstoffsuperoxyd zu spalten. Die Bakterienkatalase tritt
als Ektoferment und als Endoferment auf. Die Katalasebtldimg ist
eine fast allgemein verbreitete Fälligkeit der Bakterien, wenn sie
auch bei den einzelnen Arten sehr verschieden ist.
4) Arno T r a u t m a n n - Leipzig: Malaria und Anopheles in
Leipzig.
Während früher um die Mitte und das Ende des vorigen Jahr¬
hunderts in und um Leipzig eine reichliche Anzahl von Malariaialkn
bekannt geworden sind, haben dieselben in neuerer Zeit ganz erheblich
abgenommen. Immerhin treten jedes Jahr noch einzelne sporadische
Fülle auf. Die Nachforschungen nach dem Uebertrüger, dem Anopheles
ergaben, dass solche, wenn auch spärlich, doch aufgefunden wurden
und demnach immerhin die Möglichkeit besteht, dass eine weitere
Verbreitung der Krankheit einmal stattfinden kann. Eine weitere Re¬
gulierung der kleinen Flusslüuie und Assanierung der stehenden Ge¬
wässer dürfte die beste Prophylaxe dagegen sein.
R. (). N e u m a n n ■ Heidelberg.
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Vierteljahrschrift für gerichtliche Medizin und öffentliches
Sanitätswesen. XXXVI. Band. 1. Heft. Jahrgang 1%\ 3. Heft.
I. G e r i c h t 1 i c h c Medizi n.
11 Was bedeutet „Vollendung der Gehurt“ im Sinne des $ I
des Bürgerlichen Gesetzbuches. Von I »r. P. I r a e n k c 1. I. Wistuit
der l nten ichtsanstalt für Staalsar zncikin.de der l'ni\crsital Berlin.
1 he ser 1 lautet: „Di e R e c h t s I a h i g k e i t des M e n -
s c h e n beginnt mit der \ »»II e u d u n g der G e b u r t". 1 s
ist mm strittig, wann man un bimie des Gesetzes die Geburt a.s
vollendet betrachten soll. Nach dem alten prcussischcn Landrcditc
war für die Rechtsfähigkeit der eiste Schrei des Kindes massgebend,
so dass eine ärztliche Mitlnite hei der EntschciJung mcht notwendig
war. Das neue Gesetz stutzt sich aber auf einen nur medizinisch
definier baren Begriff. In den Motiven zum Gesetze heisst es audi:
..Die Reclitspei sotilic hkeit se tzt ein selbständiges. v<>n dem Mutterieii»
getrenntes Dasein voraus. I »eil Zeitpunkt aber zu bestimmen, rmt
welchem die I reimung Vom Mutterleib voriicgt. ist mcht AiUgubc
des Rechts, solidem der medi/imselieii W issensch.itl.”
Im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung bleibt mm dem Medi¬
ziner die Wahl, entweder von der Atcmhcwcgwng aus/ugehen und
im Senator sJien Sonne die extrauterine atemlose Periode n<«ch
zur Geburtszeit zu rechnen oder die \ oilendung der Geburt mit der
Austrcihimgsperiode zusammenfaiieii zu lassen und jedes Lebens¬
zeichen Iur gültig anzimehmeii.
Veri. tritt für letztere Anschauung ein. weil die crstcre zu sehr
gegen juristische und medizinische Anpassung verstossc.
Die Losung der Frage muss immer der Beurteilung des 1 m/el-
ialles uberlassen werden.
In der Praxis ist diese Frage bisher noch selten zur Entschei¬
dung gekommen und doch kann sie m ErbschuJtsiragcn v<m grosser
Bedeutung sein, weil es von der Rechtsfähigkeit des Geborenen ab¬
hangt. oh die Mutter und ihre Familie oder die \ ei w andten des \aters
zur Erbschaft berufen sind.
2) Ueber den Tod durch Erwürgen vom gerichtsärztlichen Stand¬
punkte. Von Dr. Losencr. Oberstabsarzt. (Aus dem Institut für
gerichtliche Medizin der Universität zu Königsberg.)
Der \ eM. bespricht an der Hand eines zu gerichlsar/tlicher
Untersuchung gelangten Falles m austuhriichster Weise aiie hier zu
berücksichtigenden Gesichtspunkte. Aus den von ihm daraus ge¬
zogenen Schlüssen seinen nachfolgende hier autgefuhrt:
1. Der Jod durch E.rw argen wird m den meisten Fallen durch
Abschluss der Luitwege her beigeluhr l.
2. Der Nachweis der ei folgten Erwürgung lasst sich nicht aus
den äusseren und imieren „Erstickimgs/eicheu" der alleren Gerichts¬
ärzte. sondern nur durch die Feststellung der den Luftabschluss be¬
wirkenden gewaltsamen ausseren l rsadien sicher erbringen.
J. Der Luftabschluss lasst sich Sowohl durch seitliches Zu-
snmmcndriicken des Kehlkopfes oder der Luftröhre als auch durch
den Druck der KehikojügegeuJ gegen die Wirbelsäule, eventuell auch
- wie beim Kmdsmor d - durch Zusamme uprcsscri des ganzen
Halses erreichen.
■4. Zur Herbeifiiliruug eines wirksamen Mimmrit/eiiabscIbusses
genügt schon ein geringer Druck aut den Hais, so dass Spur e n
des erfolgt e u Angriffs auf diesem vermisst w erden
können: in der Regel wird aber das zur I otung ausreichende Mass
weit überschritten, so dass sämtliche Halsorgane eine mehr oder
weniger starke Schädigung er fahr eit können. I rot/ starken
Druckes auf die Haisorgane können 'ed-*c(i jegliche \ e r -
1 e t z u n g s s p u r e n bei diesen a u s b I e i b e n.
5. Besonders charakteristisch sind für Frw argen a) die
an der Malshaut durch Eindrücken der 1 inger. namentlich der Nagel,
entstandenen Marken und \ ei trogknimgen aber Art. b) B utaustre-
tungen an den Dnicksteüen m eie-ri v erschicdcnsten Ha-sorg.mcn.
c) Brite Ile der Kehlkopfs- bezw . I .mti ohreiikn->rpe 1 und des Zungen.*
bems. il) Zerreissmigen oder Biutaiistretunge n an den Ilalssgb.'.ag-
aeb rw andimgi-n.
f>. Die tl ii r c h F'ingerdruck entstandenen ..Marken" sit/en a'M
häufigsten zu beiden beiten de-s kehikopus. nachM dem imtv'b.tib
dem Interkieferwinkel. Aus der Lage. Form. Anordnung und Zalii
dieser Marken, sowie aus der Art der übrigen Maisv et let./|^ge::
lassen sich auf die Art des Angriffs Benutzung einer oder beider
Munde, w leder hol t es Zudfncke n us\v. wichtige Schlüsse ziehen.
Typische* Mai ken werden aber gar nicht seiten vermisst.
7. Der \bschluss der Halsschlagadern spielt beim Krwurgtmgs-
tode keine besondere Rolle, wahrend eine direkte oder indirekte
Aagusrei/ung oder ein Schock in seltenen Fallen zum p'ot/hchen
Tod fuhren kann.
S. Keines der unter No. 5 erwähnten Anzeichen beweist für sich
allein ohne weiteres den Jod durch Erwwgen: ein Urteil darf nur
auf Grund der W iirdigung des (iesarmbefiiii des und aber Neben-
umstände der Tat (Zeichen der Gegenwehr, eines Kampfes am Opfer
und 1 atort, Befund am Mörder u. a.» abgegeben werden.
9) Beim Erwürgen pflegen auch andere Körperteile als Je r Hals
Verletzungen aufzuw eisen, durch Schlage ruf den Kopi zur Betäu¬
bung. Verstopfen des Mundes usw.
10. Die Entscheidung, ob Jemand erwürgt und naJi dem. Tode
aufgehängt, ins Wasser geworfen c:c.. um den Tatbestand zu ver-
Qriginalfröm—
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
1897
dunkeln, ist meist nur durch genaue Bewertung aller den Tod be¬
gleitenden Umstände zu treffen.
11. Es gibt eine grosse Zahl von vital und postmortal ent¬
standenen Verletzungen, welche Würgespuren Vortäuschen; die Fäul¬
nis hinwieder kann typische Würgespuren verwischen.
12. Verdächtige Spuren an der Kindesleiche werden mit Vor¬
liebe von der Mutter auf Selbsthilfe bei der Entbindung geschoben,
letztere kann zwar dem Erwürgen ähnliche Verletzungen hervorrufen,
ist aber im allgemeinen schwer durchzuführen; derartige Angaben der
13. Ab und zu können durch spontan erfolgende Geburten oder
vital oder postmortal entstandene Verletzungen ohne besonderes
forensisches Interesse Würgespuren am Kindskörper vorgetäuscht
werden.
3) Ein Beitrag zur Frage der Selbsterdrosselung. Von
Dr. Kurpiuweit, Kreisassistenzarzt, Berlin.
Der Verfasser berichtet über den Sektionsbefund bei einer in
einer Wiese aufgefundenen männlichen Leiche. Um den Hals der
Leiche herum lag fest anschliessend, so dass ein Finger nicht hinunter¬
gesteckt werden konnte, kunstvoll verschlungen ein Hosenträger.
Der Kehlkopf war unverletzt.
Der Tod war durch Erstickung und zwar durch Erdrosselung
eingetreten: als charakteristische Zeichen der Erdrosselung fand sich
die zirkulär verlaufende Strangulationsrinne, 5 cm breit, ziemlich
seicht. Da der Hosenträger mehrfach um den Hals geschlungen war,
blieben zwischen den einzelnen Umschlingungstouren bläulich-rote
kammförmige Erhebungen stehen, ln dem Gewebe unter der Schniir-
furche wurden mässig reichliche Blutergüsse gefunden.
Mord konnte ausgeschlossen werden, weil keine Spuren eines
Kampfes resp. keine Spuren anderer Verletzungen festzustellen waren.
4) Ueber die fraglichen Beziehungen der sog. Mors thymica
zu den plötzlichen Todesfällen im Kindesalter. Von Dr. Kurt v. S u r y,
Assistent am gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Wien.
In dieser ausführlichen Abhandlung findet sich zunächst eine
Zusammenstellung zahlreicher in der Literatur verzeichneter Fälle
und eigener Beobachtungen auf fraglichem Gebiete; die wichtigsten
Sätze, welche nach den bisherigen Erfahrungen sich aufstellen lassen,
sind folgende:
1. Keiner der bei Neugeborenen beschriebenen Fälle von Mors
thymica ist einwandfrei nachgewiesen; bei allen ist der Lungensaft
auf eine die Asphyxie erklärende Aspiration (Fruchtwasser,
Mekonium) nicht untersucht worden und sie können daher wissen¬
schaftlich eine Verwertung nicht finden.
2) Die über der Bifurkation (Arcus aortae) und an anderen
Stellen der Trachea (Art. anonyma, Art. carotica) konstatierten Ab¬
plattungen sind als Konfigurationen und Adaptionen der Blutgefässe
an die Luftröhre aufzufassen und entbehren jeder pathologischen Be¬
deutung; für ihr Zustandekommen ist der Druck der Thymus gleich¬
gültig.
3) Die Grösse der Thymus entspricht in der Regel dem Er¬
nährungszustände ihres Trägers. Es wurde die Grösse fast stets
überschätzt und beispielsweise von „enormen“ Drüsen gesprochen,
wenn sich ihre Masse noch innerhalb der normalen Grenzen be¬
finden.
4) Ein plötzlicher Tod von Kindern kann auf mechanische Weise
durch eine solche normal grosse Thymus nicht bedingt werden. Es
liegt stets eine natürliche Todesursache, meist eine Bronchitis
oder Enteritis vor.
5) Chronische Atembeschwerden, andauernder Stridor und Er¬
stickungsanfälle, wie sie selten bei Kindern auftreten, werden durch
teilweise oder gänzliche Entfernung der Thymus günstig beeinflusst.
Die Erklärung dieser Erscheinung steht noch aus.
6) Eine Druckwirkung der normal grossen Thymus auf Blutge¬
fässe und Nerven ist nicht erwiesen und für gewöhnlich grosse
Drüsen ganz unwahrscheinlich.
7) Die sogen, „typischen Erstickungszeichen“ haben ohne Nach¬
weis der Todesursache für die forensische Praxis, da sie für die
Erstickung allein nicht charakteristisch sind, keine Berechtigung
mehr.
8) Beim Kinde ist in seinen ersten Lebensjahren die Diagnose
Status lymphaticus schwer und nur äusserst vorsichtig zu
stellen; für dieselbe wäre der event. Nachweis einer Hypoplasie des
chromaffinen Systems sehr wichtig.
9) Die Involution der Thymus beginnt erst mit oder kurz vor
dem Eintritt der Geschlechtsreife. Zwischen Thymus und Ge¬
schlechtsorganen scheinen gewisse, noch unklare Beziehungen zu
bestehen.
II. Oeffentliches Sanitätswesen.
1. Zur Bekämpfung der Granulöse von M.-R. Dr. Cohn.
Verf. teilt seine in 9 jähriger Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen
über die Bekämpfung der Granulöse mit. Er betont die grosse An¬
steckungsgefahr innerhalb der Familie eines an Granulöse erkrankten
Kindes und der Schule, bespricht die prophylaktischen und thera¬
peutischen Massnahmen, welch letztere zum Teil auch von den
Lehrern zur Anwendung gelangen (die Lehrer wurden in der Weise
zur Behandlung herangezogen, dass sie den erkrankten Kindern täg¬
lich oder mehrere Male wöchentlich adstringierende oder antisep¬
tische Lösungen — meist Hydrargyr. oxycyanat. mit Kupfer — ein¬
träufeln sollten, die Fertigkeit hiezu war ihnen von den Trachom¬
ärzten beigebracht).
Zur wirksamen Bekämpfung der Granulöse hält Verf. vor allem
eine intensive Durchführung der prophylaktischen Massnahmen not¬
wendig, zu welchem Zwecke allerdings die Aufbringung grösserer
Mittel notwendig ist als sie z. Z. bewilligt werden.
2. Gehäuftes Vorkommen von Krebs im Dorfe Nordleda, Kreis
Handeln. Von Kreisassistenzarzt Dr. G u 11 m a n n in Otterndorf.
In dem Dorfe Nordleda (1099 Einwohner) wurden von dem Arzte
in den Jahren 1900—1906 21 Fäll? von Krebs festgestellt, während
in dieser Zeit in dem nur 2—3 km entfernten Orte Wanna (1363 Ein¬
wohner) nur 1 Krebsfall beobachtet wurde.
Der Unterschied zwischen beiden Ortschaften liegt nach
Ansicht des Verfassers in der Bodenbeschaffenheit; Nordleda
hat unter starker Humusdecke Schichten von Lehm und
Ton, Wanna hat Sandboden. Der Bodenbeschaffenheit ent¬
sprechend ist auch das Wasser sehr verschieden, Wanna hat in
jedem Hause reines, wohlschmeckendes Trinkwasser, in Nordleda war
bisher die kläglichste Wasserversorgung anzutreffen und dies legt nach
Verfasser die Verpflichtung nahe, zu prüfen, ob nicht schmutzig stag¬
nierendes Wasser, welches zu Gebrauchszwecken im Haushalte in
irgend einer Weise Verwendung findet, in ursächlichem Zusammen¬
hänge mit den Krebserkrankungen steht.
3) Kritische Untersuchung der üblichen Sputumgläser. Von Dr.
Busch in Ratzeburg.
In eingehender Weise wird über die beste Art der Unschädlich¬
machung des Sputums der Tuberkulösen und über die verschiedenen
im Gebrauch stehenden Spucknäpfe und die Brauchbarkeit derselbe*!
gesprochen. Auf die ausgedehnte Verwendung geeigneter Spucknäpfe
und dadurch bedingte Einschränkung der Ansteckungsgefahr wird die
in den letzten 15—20 Jahren nachgewiesene stetige Abnahme der
Mortalität und namentlich der Morbidität von Tuberkulose zurück¬
geführt.
4) Gesundheitspolizeiliche Massnahmen gegen Tuberkulose in
Massenquartieren. Von Stabsarzt Dr. F. Becker.
Verf. bespricht die allgemeinen Massnahmen und dann
die Massnahmen in besonderen Massenquartieren, unter
letzteren für Schlafstellen. Herbergen, Fremdenlogis, Lokale und
Hotels, Arbeitsstätten, Fabriken, Bureaus, Kaufhäuser, Gefängnisse,
Strafanstalten. Pflegeanstalten, Erziehungsanstalten und Massen¬
quartiere im Verkehrswesen. Als allgemeine Massnahme wer¬
den empfohlen; Sorge für gesunde Wohnungen, Massnahmen gegen
Staub und Auswurf, Desinfektion, Anzeigepflicht, Leichenschau, Ent¬
fernung Tuberkulöser aus Massenquartieren, Aufklärung der Bevöl¬
kerung und Hebung der Volksgesundheit. Dr. S p a e t - Fürth.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 35. 1908.
1) M. Borchardt -Berlin: Zur Kenntnis der akuten Magen¬
ektasie.
Verf. schildert zunächst einen Fall, wo nach einer Nephropexie
das Bild einer foudroyanten Peritonitis sich einstellte, die Operation
aber einen enorm dilatierten Magen mit duodenalem Ileus ergab.
B. erörtert den Entstehungsmechanismus des Verschlusses bei diesen
Fällen, für welchen in der Mehrzahl die akute Magenatonie den
primären Faktor darstellt. Prädisponiert sind magere Menschen mit
Enteroptose, mit Tiefstand oder Vertikalstellung des Magens u. a.;
für die Behandlung sind Magenausheberungen, frühzeitig angewendet,
das Rationellste, weniger oft die Bauchlage.
2) K. Mendel und S. Adler: Zur Kenntnis der Meningitis
serosa spinalis.
Vergl. Bericht der Münch, med. Wochenschr. über die Sitzung
der Berliner medizinischen Gesellschaft vom 15. VII: 08.
3) W. Mayer- Mannheim: Ein weiterer FaH von Stieltorsion
der Gallenblase.
In dem mitgeteilten Falle (54 jährige Frau) hatte der Tumor,
welcher zunächst als akute Hydronephrose einer Wanderniere ge¬
deutet wurde, einen Obturationsileus verursacht, der trotz Operation
zum Exitus führte.
4) M. Askanazy -Genf: Kommen in den Zellkomplexen der
Nebennierenrinde drüsenartige Lumina vor?
Verf. nimmt Bezug auf die in No. 16 der Berl. klin. Wochenschr.
1908 über dieses Thema von O. Stoerk veröffentlichte Arbeit und
beantwortet die Frage auch bezüglich der menschlichen Nebennieren
bejahend. Drüsenschlauchähnliche Formationen in einem Tumor sind
kein Gegenbeweis gegen seine Herkunft aus Nebennieren.
5) Meissner -Berlin: Einiges über den Gebrauch des
Europhens.
In Gestalt eines mit 50 proz. Borsäure gemischten Streupulvers
angewendet, hat M. mit dem Präparat besonders bei 32 Fällen von
Ulcus molle hinsichtlich Granulationsanregung und Schmerzlinderung
(nebst Geruchlosigkeit des Mittels) sehr gute Erfolge gehabt, die
nach den von ihm angestellten Experimenten auf eine kontinuierliche
Abspaltung von freiem Jod in statu nasendi zurückzuführen sind.
Europhen ist ein sehr gutes Jodoformersatzmittel.
6) C. Frugoni -Florenz: Adrenallnglykosurle und ihre Be¬
einflussung durch das Extrakt und den Saft des Pankreas.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1898
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Nach den ausführlich mitgeteilten Experimenten des Verf. kann
die glykosurieerzeugende Wirkung von Adrenalin durch eine ge¬
nügende Dosis Pankreasextrakt aufgehoben werden; auch der Pan¬
kreassaft hat unter gewissen Umständen diese Fälligkeit. Pankreas¬
saft 10—14 Stunden mit Adrenalin in vitro in Berührung, verändert
dessen chemische Reaktionen und biologischen Eigenschaften (toxi¬
sche, diabeteserzeugende etc.)
7) S. S. R a b i n o witsch- Odessa: Beitrag zu den Erkran¬
kungen des Conus meduflarls.
Der 43 jährige Kranke, ein Lokomotivführer, zeigte nach einer
Erkältung folgende Gruppen von Symptomen: Anästhesie der Urethra
und des Rektums; Innervationsvcrlust für Blase und Mastdarm; Im¬
potenz. Dann; Anästhesie der Genitalien, des Perineums, der Aim-
kokkygealgegend und der benachbarten Teile der Nates. Schliess¬
lich; Verlust des rechten Achillessehnenphänomens. Behandlung mit- j
telst Strychnin und Earadisation bewirkte bedeutende Besserung, j
Epikrise bezüglich der Lokalisation. !
8) W. Lossen-Köln: Bemerkungen zu Ellenbogenresektionen
mit Erhaltung der Beweglichkeit.
L. konstatiert im Anschluss an die kürzlich in der Der!. Min.
Wochenschrift erschienene Mitteilung von V. Schmieden zu die¬
sem Kapitel, dass bei der Barden h e u e r sehen Resektion (I in-
hakung der Ulna in die Epiphyse des Humerus) in 37 Pro/, der balle
ein straffbewegliches Gelenk, in 4f> Proz. eine Ankvlose in guter
Stellung, in 7 Proz. ein aktives, nur in 1 Proz. ein passives Schlotter-
gelenk erzielt wurde. Orassm a ti n - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908. No. 35.
1) O. S o 11 m a n n - Leipzig: Die Behandlung der Skrofulöse. j
Klinischer Vortrag. j
2) Alb. Ne isse r-Breslau: Ueber die Verwendung des Arsa-
cetlns (Ehrlich) bei der Svphllisbehandlune. |
Verf. hat das Arsacetin in Batavia an Affen versucht: es eiwies j
sich als ungleich ungiftiger und mindestens ebenso w irksam als das
alte Atoxyl. dabei war es sehr haltbar. Die symptomatisch-heilende
Wirkung, die aber nicht allein ausschlaggebend ist. war geringer als
bei Quecksilber. Kombination dieser beiden Mittel erscheint aus¬
sichtsvoll. Man sollte Arsacetin beim Menschen versuchen und zwar
zunächst bei Syphilitikern ohne parenchymatöse Organstörungen.
Ueber die Art der Kur macht N. nähere Angaben.
3) M. W o I f f und Hans M ii hsa m - Berlin: Mit Tuberkulin
komplementbindende Antistoffe Im Serum Tuberkulöser.
Im Serum Tuberkulöser aller Stadien waten in ungefähr der
Hälfte der Fälle Stoffe vorhanden, welche mit Tuberkulin zusammen
Komplement zu binden vermochten. Dabei konnten geset/.müssiee
Beziehungen des Antitubcrkulingehaltes des Blutes zur Schwere des
Falles, zum Baziilengchalt des Smitums. zur Wirkung der nroba-
torischcn und therapeutischen Tuberkulinreaktion nicht gefunden
werden.
4) Rieh. Bau er-Wien: Ueber alimentäre Galaktosurie bei
Ikterus.
Vortrag im Verein für innere Medizin in Berlin am 6. VII. 08,
ref. Münch, med. Wochcnschr. No. ?S. Seite 1514.
5) F. D a m m e r t - Homburg a. d. H.: Ueber intermittierendes
Fieber Ws tertiärer viszeraler (speziell Leber-) Svphills.
6) Curt P a r i s e r - Homburg v. d. H.: Zwei Fälle von Leber¬
lues mit langdauerndem Fieber.
Kasuistische Beiträge zur Kenntnis des leicht mit Malaria oder
Tuberkulose zu verwechselnden, je nach Mitbeteiligung der inneren
Organe (Leber, Lungen. Herz) verschiedenartigen Krankheitsbildes.
Mahnung, bei allen Fieberzuständen unklaren Ursprunges auch an
Syphilis zu denken und .Todmedikation zu versuchen, welche über¬
raschende Erfolge bringen kann.
7) Walter Tele mann - Königsberg; Eine Methode zur Erleich¬
terung der Auffindung von Parasiteneiern in den Fäzes.
Durch Zentrifugieren der mit Actlmr und Salzsäure geschüttelten
Probepartikel erhält man inj Reucens-Jas 3 Schichten: Oben die in
Acthcr gelösten Fette, in der Mitte Säurelösung mit Bakterienresten
und kleineren Detritusmassen, unten die unlöslich gewesenen Nah-
riingsrcste. Zellulose Muskelfasern und Parasiteneier.
8) E. H ö n c k - Hamburg: Ueber Unterschiede In der Temperatur
beider Achselhöhlen bei akuter Enityphlltis.
Aufforderung zu weiteren Beobachtungen in dieser Richtung;
theoretische Bemerkungen im Anschluss an den Artikel von W ; i d m e r
(Miineh. med. Woehenschr.. 1008. No. 13).
9) Fricdr. Müller- Heilbromi a. N.: Ueber die Entfernung von
Zerumlnalpfröpfen und Fremdkörpern aus dem Gehörgang. Ein Ge-
hörgangsspülröhrchen.
Das Instrument (abgebiklet) beseitigt die Gefahren der gewöhn¬
lichen Ohrspritzen (kann nicht zu weit vorgeschoben werden, bat
Riickfliissvcntil, Platte zum Halten, Klysnpomp).
10) H. T ö p f e r - Berlin: Morbfcld, ein neues Desinfektionsmittel.
Bakteriologische Prüfung fiel sehr günstig aus. Starke desinfi¬
zierende Kraft bei relativ geringer Giftigkeit und Aetzwirkung.
11) Karl Bccr-Bcrlin: Ein Röntgeninstruraentarium In neuer,
praktischer und eleganter Anordnung, besonders geeignet zur Auf-
1 ug Im Sprechzimmer.
Schrankform, 30 40 cm-Indiiktor vertikal. Raumersparnis, Be¬
weglichkeit.
12) k i m m I e - Berlin: Das Deutsche Rote Kreuz Im russisch-
japanischen Kriege.
Erwiderung auf den Artikel von H. Fischer in No. 27.
R. G r u s h e y - Man J’.e n.
Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXXVIII. Jahr¬
gang. No. 16. 19U8.
Alfred Vogt- \a: au • Hemianopsla bttemporalis. auigetreten
nach Ablauf einer Epilepsie.
Das zentrale >dt\ ci mogelt war r. umgeh- -beu. 1. s\rk vc r -
niindert. Das Verhalten im einzelnen stimme zu den je!/ geil \u-
nalinien über den Laser v er lauf. I i suiie w aüBs. :.e.n.;v| Dim--r. De
- recht miMchere -- Item.am ■p.'vliy RcaM.cn war n Mit zu k-m-
statieren.
Ernst 8i)muicr-/uu3| Radium, Radioaktivität und Radlum-
therapie.
Von den Elementen, den Strahlen mJ snis'.goi l'-gens
des Ra.liiims und der phvvkal>c!ieii und U .'a;>eu; sdan VV.'kuug.
Das ganze Gebiet der Ra bumtheiap.c gci.«»r t m de Domäne des
in dieser Disziplin geschmteti Arztes.
Lhailes W ul mer: Spontanheilung eines Anus praeter nach
Hernieninkarzeration und Kotphlegmone.
Der bemerkenswerte Verlauf, bt so'nde rs das Ve: ha'feti des
Briichvaekes und I ituchw asvers, lie >.»n:ie»4%'Hl ahlung wn'iui int
Gngiiia! nacligelesui wei Un. I * . s t h i n g e r.
Oesterreich Ische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift.
Nu. 35. F. K u r n f e Dl - Wien : L eber Niercntiiberkulosc.
V'urgi tragen auf dem Kongress tut innere M< bzin m Wmi Ions
G. .1. B a r a d ii 1 i ii - Moskau: Zur f rage des Echinokokkus der
Muskeln.
B. besv.li! eibt drei lalle (ie einen -kr R\ k t rtmtisk eh», der (0 er-
schenkel- und der Djiilltvrmwskj.nl etge Her Uc--b.i Jitmig lind er¬
örtert noch weitere 243 lalle der Iitcratur. Der r Jati-v '■illoi'
Echinokokkus der Muskeln lu trifft v -»r/ugsvv eise -lie Muskeln des
Ruckens. des (>bei sjicnkjs. d.c (ilut.ieii und eien Muse, de *P'i.k ns;
eine gewisse Rolle für die Entstehung s-.'leu Damnen s-ue \ n. lu
geringem Masse fiberwiegt die Beteiligung des weib'ijien t n -
schlechtes, bei wekhern am I nde einer < ira\ iD.it.it uinl muh e'i'e r
Geburt ein stärkeres Wachstum der Geschwulst /u bc--Ki Jute n ist.
Die Diagnose ist oft schwierig und am häufigsten wird ein k.i’tcr
Abs/ess angenommen. Die Operation besteht in der In/isw-n oder
wenn niodiJi in der vollständigen 1 \stu pati'-n vk r GcsJ-wmst.
A. I I i n k e r - W iznitz: L eber einen seltenen Fall von Makro-
daktylie.
Angeborene Vergrösscr ung ek s Zeigi f ; *t*gc rs einer Hand. \v e- 1 J*cr
eine Lance von 10 cm (Daumen 7. Mitte'mi o r |o c#t) besitzt Das
Roiitgenbikl zeigt eine starke Bete liigung ek r kn.-Jv.en. auji d» s
Mrtaknr pus. die spo)tgi»»se v ubsMp/ ersjieint k->n pakte r. v!'e M.o k-
hohlen enger. Andere Missbildungen sind nicht vmli.i'ijui.
.1. I. e o p o | d und V. v. R e u s e - W im : L’eber öle Beziehungen
der Epithelkörperchen zum Kalkbestand des Organismus.
Beobachtungen an Ratten, bei denen v op F r vl Ii e i m die F-ntbek
körperchm exstirniert waren. Im Ve rgleich zu P'-rmaku ‘Deren
verscitiedenen Alters deren Ka'k-.’vliak genau bestimmt tflld als sju
wechselnd befunden wurde ''ernten de drei nper im teil ei wachseneu
Tiere, w elche die tv ruschen Zahuv erändeMingcn aufw wsen kaum eim-
Veränderung, am ehesten noch eine geringe /mialnie «!• s Kdkge-
lialtes; daeeeen fand man bei einem noch in lit iinso v. a ebsemn
operierten Tiere einen beträv bt'ich geringer» n ( h-s.rutk.iT.geb.et bei
eöu-ni gleichzeitigen starken Zm iuk Wyü’rn des K--i tn-rw «J^tums uni
Körpervcw ichts. Bei zw ei w c i1 1 r o»i oOetir'ttn iu"''oi T’e r en vmde
der Kalkgellalt der Knochen mul Wk-khti ik- -zes« -n.i» • t bestimmt und
bei ersteren verringert. bei letzteren \»ri.i I"t befrm k n.
O. Burk a rd - < ir az : Aufgaben und Ziele sozialer Medi/in.
(Schluss.)
Zur kurzen Wiedergabe niJit geeignet
B e r g e a t - Mur Ja n
Englische Literatur.
(Schluss.)
H. Fr euch: Der gegenseitige Flnfliiss der Schwangerschaft auf
verschiedene Krankheiten. (I ancet. 2. und «>. Mai Ions.’)
Verf. hat sich unseren Dank verdient dafür, das«; er in dieser
Arbeit eine gute Zusammenstellung ades dessen gege 1 '-n hat. w as bis-
i her über den I : in Muss gewisser Kraukhe iteti auf die S jHvauge-s ch.dt
und vice versa bekannt war. Ausführlich wird N-inmVt der lk’pcs
gestationis lind die dabei be- -buchtete F- •sim.p!' ;, ie: Verf. for-k rt zu
einer Sammelfors diune ii De-r öoe m-Ji immer unkkre r.-nkurg
auf. Die Pveloiiephritis der Sv-hw angeret? wrd auf -lie dweh «len
schwangeren Uterus bedingte Abkukkimg ur-l Frw eit-rting der Ure-
tcren und nachträgliche Infektion mit Ko’d'aJlkn ztiruckgef .Imt. Die
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1899
sonstigen Nierenveränderungen bei der Schwangerschaft vergleicht
Verf. mit der Scharlachnephritis. Tritt frühzeitig Oedem auf, so ist
meistens Eklampsie nicht zu befürchten. Verf. weist dann auf den
Zusammenhang zwischen Tetanie und Schwangerschaft hin, die Er¬
krankung ist auf gewisse Orte beschränkt, sie ist z. B. in England
äusserst selten. Appendizitis während der Schwangerschaft verläuft
gewöhnlich sehr schwer und erfordert möglichst frühzeitige Operation.
Wird eine Schwangere vom Typhus befallen, so kann man Typhus¬
bazillen und W i d a 1 sehe Reaktion im Blut des Fötus nachweisen. In
diesen und ähnlichen Fällen verliert die Plazenta offenbar die Fähig¬
keit als Barriere zu wirken und lässt Toxine und Bakterien durch,
die sie sonst zurückhält.
A. H. F. B a r b o u r: Die Gefrierschnitte von B u m m und
BI umreIch und Zangemeister. Gibt es ein unteres Uterin¬
segment? (Scott. Med. and Surg. Journ., April und Mai 1908.)
Verf. glaubt, dass die Uteri in denen die „Dezidualreaktion“ bis
jenseits vom Os internum sich erstreckt, als ein Typus aberrans auf¬
zufassen und nicht als vorübergehende physiologische Veränderungen
zu betrachten sind. Er widerlegt dann B u m m s und Blumreichs
Behauptungen, dass in einem von B a r b o u r beschriebenen Gefrier¬
präparat sich der Kontraktionsring am Os internum befunden habe.
Er weist nach, dass in seinem Falle eine mit Dezidua bedeckte Zone
unterhalb des Retraktionsringes lag, dass die Zervix kürzer und dicker
war und dass der Kontraktionsring oberhalb des Os internum lag,
dass es sich also hier um ein unteres Uterussegment handelt, das
nicht als gedehnte Zervix, sondern als Teil der Wand des Uterus¬
körpers anzusehen ist. Die Dünnheit des von B u m m und Blum-
r e i c h beschriebenen hinteren Zervixteiles ist pathologisch; das
Epithelium der Drüsen im oberen Teil der sog. Zervixschleimhaut ent¬
spricht nicht dem normaler Zervixdrüsen. Zangemeisters Ge¬
frierschnitt zeigt, dass bei der Uterusruptur der Riss so lange in¬
komplett ist, als er seitlich bleibt, sobald er aber einen Teil des Uterus
erreicht, der von Peritoneum bedeckt ist, wird er komplett.
W. B. Bannerman: Neuere Pestuntersuchungen in Indien.
(Edinburgh Med. Journ., Mai 1908.)
Aus der interessanten Arbeit sei nur erwähnt, dass die pneu¬
monische Form der Pest, die ausserordentlich kontagiös ist, gleich¬
zeitig sehr selten ist (nicht 3 Proz. der Fälle) und deshalb nur eine
geringe Bedeutung für die Verbreitung der Krankheit hat. Die Bu¬
bonenpest des Menschen ist nicht ansteckend und verdankt ihre Ver¬
breitung lediglich derselben Krankheit bei der Ratte. Die Infektion
wird von Ratte auf Ratte und von Ratte auf Mensch nur durch den
Rattenfloh verbreitet. Von Ort zu Ort wird die Pest meist durch den
Rattenfloh verbreitet, der im Gepäck der Reisenden verschleppt wird
oder auch am Körper der Reisenden.
Harvey L i 111 e j o h n und J. H. H. P i r i e: Mikrochemische
Samenuntersuchungen. (Ibid.)
Auf Grund ausgedehnter Untersuchungen haben die Verff. fest¬
gestellt, dass die Reaktion von F1 o r e n c e für Samen nicht spe¬
zifisch ist. Auch andere Substanzen als Samen oder Produkte der
Genitaldrüsen ergeben dabei ein positives Resultat. Ihr Wert ist mehr
in einem negativen als in einem positiven Resultat, wenn man sie
als Vorversuch bei starker Beschmutzung der zu untersuchenden
Kleidungsstücke anwendet. Barberios Reaktion kann dagegen
als spezifisch angesehen werden, da keiner der Stoffe, mit denen
Wäsche und Kleider gewöhnlich verunreinigt werden können, bisher
mit ihr einen positiven Erfolg gegeben hat. Jedenfalls kann man
sagen, dass sie, wenn auch nicht für Samen, so doch für die Sekrete
der Geschlechtsdrüsen spezifisch ist.
Charles Bolton: Die experimentelle Produktion von Magen¬
geschwüren. (Lancet, 9. Mai 1908.)
Injiziert man Magenzellen eines Tieres in ein anderes Tier, so
wird das Blutserum des injizierten Tieres giftig für die Art von
Magenzellen, die injiziert werden. Verf. stellte sich 3 Arten von Seren
her, indem er 1. die Magenzellen des Meerschweinchens in das
Kaninchen injizierte; 2. die des Kaninchens in das Meerschweinchen
und 3. die des Menschen in das Kaninchen oder das Haushuhn. Der
menschliche Magen wurde bei Operationen gewonnen, die Schleim¬
haut wurde abgekratzt und sofort injiziert. Nach 5 wöchentlich
wiederholten Injektionen ist das Blutserum des injizierten Tieres
äusserst toxisch. Ein Kaninchen, das mit Meerschweinchenmagen in¬
jiziert wurde, zeigt keinerlei Veränderungen in seinem Magen; injiziert
man das Serum dieses Kaninchens in ein anderes Kaninchen, so er¬
folgen ebenfalls keinerlei Magen Veränderungen; injiziert man jedoch
ein Meerschweinchen, so findet man schon % Stunde später Sym¬
ptome schwerer Vergiftung und der Tod erfolgt in 24 Stunden, wenn
man 5 ccm Serum auf 100 g Meerschweinchen einspritzt. Die Sek¬
tionsergebnisse sind auf den Magen beschränkt, und zwar treten sie
stets innerhalb der ersten 24 Stunden auf: war die Dose nicht tödlich,
so findet man nach 24 Stunden Magenveränderungen, nach dieser Zeit
treten neue Läsionen nicht mehr auf. Es handelt sich um Nekrosen
in der Magenschleimhaut, oft ist die ganze Mukosa ergriffen, zuweilen
handelt es sich um kleinere Stellen. Die nekrotischen Stellen sind
schwarz verfärbt (Blutpigment): die nekrotischen Stellen stossen sich
rasch ab und lassen dann reine, glatt ausgeputzte Ulzera zurück.
Will man die Heilung dieser Ulzera studieren, so muss man das Serum
intraperitoneal direkt in die Magenwand injizieren, da man sonst zu
leicht Tiere verliert. Spritzt man 2 ccm normales Meerschweinchen¬
serum, normales Kaninchenserum oder Kochsalzlösung in die Wand
eines Meerschweinchenmagens (nach Laparotomie), so entsteht ausser
einem leichten Oedem, das nach 24 Stunden absorbiert ist, keinerlei
Veränderung, spritzt man aber 1 bis 1,5 ccm gastrotoxischen Serums
ein, so tritt ein Ulcus auf, dessen Grösse von der Menge und Stärke
des eingespritzten Serums abhängt. Das Gastrotoxin allein kann kein
Ulcus erzeugen, dazu gehört immer noch der saure Magensaft,
schliesst man diesen aus, so entsteht kein Ulcus (es genügt, in den
Meerschweinchenmagen 15 ccm 0,8 proz. Natr. bicarb.-Lösung ein¬
zubringen, ehe man die Gastrotoxine einspritzt). Verf. glaubt, dass ein
beim Menschen durch Selbstverdauung entstandenes Ulcus chronisch
wird, weil eine sekundäre bakterielle Infektion hinzukommt.
Bertraud Dawson: Die Diagnostik und Therapie der Magen¬
erkrankungen. (Brit. Med. Journ., 9. Mai 1908.)
Verf. steht leider auf dem in England noch vielfach verbreiteten
Standpunkt, dass die Entscheidung über eine vorzunehmende Magen¬
operation vor das Forum des Internisten gehöre. So will er denn
bei Oesophaguskrebs die Gastrostomie nur in ganz ausnahmsweisen
Fällen vornehmen lassen. Die Mortalität der Gastroenterostomie bei
Magenkrebs berechnet er auf 25 Proz.; er glaubt ferner, dass die
Beschwerden nur selten gebessert werden. Er empfiehlt deshalb bei
früh erkannten Fällen die Resektion; ist dieselbe unmöglich, so soll
man in der Mehrzahl der Fälle den Bauch wieder schliessen; nur bei
ganz umschriebenen harten Pyloruskrebsen bessert die Gastrojejuno-
stomie zuweilen für kurze Zeit die Symptome. Wenn der Pylorus
nicht völlig verschlossen ist, so geht der Mageninhalt nach wie vor
durch den Pylorus; nur bei völligem Verschluss treibt ihn die Muskel¬
kraft durch die Anastomose. Bei atonischem Magen nutzt die Ana-
stomose nichts. Die Gastroenterostomie nutzt durch Verringerung der
Azidität, durch Beseitigung des Pylorusspasmus und durch Verminde¬
rung des Druckes im Magen. Verf. untersuchte 240 Fälle von Magen¬
geschwür, die gastroenterostomiert wurden, später nach und fand,
dass fast alle angaben, dass die Schmerzen sie zur Operation ver¬
anlasst hätten. Die unmittelbare Mortalität der Gastroenterostomie
bei gutartigem Magengeschwür beträgt 6,5 Proz. Bei der Mehrzahl
der Kranken heilen die Geschwüre nach der Ooeration und es tritt
bedeutende Besserung der Symptome ein. Verf. bespricht dann die
Fälle von Magenblutung ohne Geschwür, die durchaus nicht selten
sind; hier nutzt die Gastroenterostomie höchstens durch Verminderung
der Azidität. Bei der gewöhnlichen Ulcusblutung ist eine Operation
nicht angezeigt. Bei der Gastroptose und nicht stenosierenden Magcn-
dilatation ist eine Gastroenterostomie nicht angezcigt. (Verf. vergisst
als Internist bei seiner Verdammung der Gastroenterostomie ganz,
dass die Fälle durchaus nicht so selten sind, in denen es selbst bei
der Operation unmöglich ist, zu entscheiden, ob man es mit einem
Krebs oder mit einem grossen Ulcus zu tun hat. Ref. hat mehrere
solche Fälle gastroenterostomiert und die Prognose sehr trüb gestellt:
nach einiger Zeit erholten sich die Kranken, der grosse Tumor ver¬
schwand und es trat völlige Heilung ein. Schon wegen dieser Fälle
sollte man stets gastroenterostomieren, zumal da auch bei ganz hoff¬
nungslosen Krebsen die letzten Wochen des Kranken durch eine ge¬
lungene Gastroenterostomie oft sehr verbessert werden. Ref.)
G. B. A. Moynihan: Die Gastroenterostomie und ihre Folgen.
(Ibid.)
Verf. wendet nur die hintere Methode ohne Schlingenbildung an;
er versucht, das Jejunum so weit wie möglich in der genauen mittleren
Vertikalebene an den Magen anzuheften und die Anastomose so nahe
als möglich an die Flexur zu bringen. Mit Abzug der akuten Per¬
forationen und akuten schweren Blutungen hatte Verf. bei seinen
Fällen von Magengeschwür 1 Prozent, beim Duodenalgeschwür
2 Prozent Mortalität nach der Gastroenterostomie. Auch er glaubt,
dass die Nahrung nur dann durch die Anastomose geht, wenn Pylorus
oder Duodenum verlegt sind. Bis Ende 1905 ooerierte Verfasser
9 perforierte Geschwüre mit 1 Todesfall. 26 Fälle akuter Blutung mit
3 Todesfällen: 205 Fälle von chronischem Geschwür mit 2 Todes¬
fällen und 15 Sanduhrmägen mit 3 Todesfällen (Gesamtsterb-
lichkenit 3.5 Proz.). Im ganzen hat Verfasser 27 perforierte
Magengeschwüre operiert und 18 gerettet, bei 6 Fällen wurde
sofort eine Gastroenterostomie gemacht, in 3 weiteren wurde
sie später notwendig. Von den 18 Fällen sind 17 beschwerdefrei,
1 hat gelegentlich Magenbeschwerden. Von den 23, die die Ooeration
wegen Blutung überstanden, konnten 22 nachuntersucht werden;
18 sind völlig gesund. 1 hat keine Magenbeschwerden, ist aber
..schwächlich“; 3 haben gelegentlich nach der Operation Galle er¬
brochen. 2 von diesen sind aber jetzt seit längerer Zeit ganz gesund.
Von 205 wegen chronischem Ulcus operierten Fällen konnten 202 nach¬
untersucht werden. 7 sind später an Magenkrebs. 8 an anderen Ur¬
sachen gestorben. 148 sind völlig geheilt. 5 gebessert, bei 9 ist die
Besserung zweifelhaft, bei 12 ist keine Besserung zu verzeichnen:
von 14 konnte, in diesem Jahre kein Raonort erlangt werden, doch
waren 11 von ihnen länger als 2 Jahre nach der Operation völlig
gesund. Die 12 Kranken, die die Operationen wegen Sanduhrmagens
überstanden, sind alle völlig gesund. Verf. betont besonders, dass die
Fälle die besten Erfolge geben, in denen der Pylorus oder das Duo¬
denum stenosiert sind. Findet man ein Ulcus an der kleinen Kurvatur
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
i 900
MUfiNCiii:NKR medizinische Wochenschrift
in der Nähe der Kardia, so soll man es womöglich cxzidicrcn; eine
Oastroenterostomie ist in diesen hüllen überflüssig oder sogar scliüd-
lich. hehlen Zeichen organischer Krankheit hei der Operation, so
ist unter keinen Umstünden eine Oastroenterostomie zu machen.
Circulus vitiosus beruht immer auf fehlerhafter Ausführung der Opera¬
tion, meistens auf der Anwesenheit einer langen Jejimumsehlmge,
seltener auf longitudinaler Drehung des Jejunums während der An¬
heftung an den Magen.
A. W. Mayo Robson: Die Anatomie des Pankreas in Beziehung
auf die Erkrankungen desselben. (Brit. Med. Journ., 16. Mai Iöom
Verf. glaubt, dass bei allen hüllen von Pankreaszysten gleich¬
zeitig chronische Pankreatitis vorhanden ist; es gelang ihm deshalb
stets, bei Pankreaszysten die C a m m i d g e sehe PankrcasreaMion
im Urin zu demonstrieren; es ist dies bei allen unklaren Abdommal¬
tumoren ein wichtiges Zeichen, da sie bei Zysten anderer Organe.
Sowie bei Pseudozysten des Abdomens stets fehlt. Von *4 I allen vmi
hämorrhagischer Pankreatitis, die Verf. operierte, wurden 2 geheilt.
Verf. glaubt, dass sogen, katarrhalischer Ikterus in sehr vielen 1 allen
darauf beruht, dass der Choledochus von dem verdickten Panktcas-
kopf komprimiert wird. Interstitielle Pankreatitis ist eine häufige hr-
krankung und wird sehr oft mit Krebs des Pankreas verwechselt. Die
Prognose lässt sich meist aus der Cani m i d g e sehen Reaktion des
Urins stellen; auch die Untersuchung der hiizes gibt wertvolle Auf¬
schlüsse; bei Pankreasleiden findet man im verseiltes neutrales hett.
Jedenfalls steht cs für Robson fest, dass der sogen, chronische
katarrhalische Ikterus in der Mehrzahl der balle der Begum einer
chronischen interstitiellen Pankreatitis ist, die durch zeitige Operation
(Ableitung der Galle) heilbar ist. Chronische Pankreatitis ist nicht
allzu häufig mit Diabetes vergesellschaftet, in den letzten 65 ballen
von chronischer Pankreatitis mit Steinen im Ductus choledochus, die
Verf. operierte, fand sich nur 4 mal Zucker. Anw esenheit von Zucker
deutet auf schwere allgemeine Erkrankung des Pankreas; Krebs des
Pankreas führt nur zur Zuckerausscheidung, wenn das ganze Organ
zerstört ist. Die Operation der Wahl bei chronischer Pankreatitis
ist die Cholezystentcrostomie. Pankreassteine enthalten Kalk und
lassen sich durch die Röntgenstrahlen nacliw eisen; Verf. hat mit Gluck
Steine aus dem Ductus Wirsingianus und dem Ductus Santorini ent¬
fernt. Bei Krebs des Pankreas ist keinerlei Operation angc/cigt. da
selbst Cholezystentcrostomie und Cholc/vstotomie von diesen Kran¬
ken sehr schlecht vertragen werden. Derartige Operationen dürfen
höchstens dann unternommen werden, wenn man über die Natur des
Leidens im Zweifel ist und annimmt, dass es sich um etw as Entzünd¬
liches handelt.
J. Theodore Cash: Die Dosierung von Indakonltln. (Brit. Med.
Journ., 23. Mai 1908.)
Objektive Toxizität wird bei subkutaner Anwendung von InJa-
conitin. hydrobromic. erzeugt, wenn nicht weniger wie '» der töd¬
lichen Dosis eingespritzt wurde. ‘ .% seltener schon 1 » der todliehen
Dose produziert deutlichen Speichelfluss. Die geringste Dosis, die die
Temperatur merklich herabsetzt, betrügt 1 s\ der tödlichen Dosis.
Wiederholung der Einspritzung bewirkt eine Summierung der tem¬
peraturerniedrigenden Wirkung. Bei täglicher oder 2 tägiger Anw en-
dungsweisc tritt eine geringfügige Gewöhnung an das Mittel ein.
Eustacc Smith: Der interne Gebrauch des Terpentinöls. (Ibid.)
Das Terpentinöl wirkt ausgezeichnet hämostatisch bei Purpura
hämorrhagica, und zwar besonders zusammen mit Rizinusöl. Man
muss aber grosse Dosen geben, bei einem 5 iührigen Kinde mindestens
8,0 Terpentin mit derselben Menge Rizinusöl; bei 12 iührigen Kindern
gibt er bis 15,0 von jedem Oel täglich. Kleinere, häufiger gegebene
Dosen sind wirkungslos. Bei Hämophilie ist das Terpentinöl eben¬
falls sehr wirksam. Gute Erfolge erzielt man bei allen bormen der
Iritis, man gibt 3 mal täglich 4,0. Bei blatulenz und Kolik wirkt es
vortrefflich; kleinen Kindern gibt man 3 4 Tropfen mit der doppelten
Menge Rizinusöl in Mixt, amygdal.; bei tuberkulöser Pciitomtis gibt
er Terpentin mit Codein und Spir. Acthcr. mtrosi in Mandelemulsioii.
Bei Singultus sah er gute Erfolge von ln Tropfen Terpentin mit
30 Tropfen von Spir. Aether. nitrosi. Bei Gallensteinen gibt er
15 Tropfen 3 mal täglich. Bei Oxyurcn gibt er Terpentin innerlich
und per Klysma.
R. L. Sutton: Die Resorption von Salben. (Ibid.)
Schweinefett mit oder ohne Zusatz von Benzoe und reines Gänse¬
schmalz werden am raschesten resorbiert. Petrolatum wird ohne
kräftige Einreibung fast gar nicht aufgenommen. Lanolin allein w ird
schlecht, in Verbindung mit Olivenöl ziemlich gut resorbiert. Alle
Salben werden viel rascher resorbiert, wenn man ihnen etwas Zedern¬
öl zusetzt.
brederik Garden er: Ueber Satlnholzdermatitis. (Ibid.)
Die Krankheit kommt bei Arbeitern vor, die mit Satinholz arbei¬
ten; nicht alle Arten des Holzes erzeugen die Krankheit, am gefähr¬
lichsten sind die von Indien und Westafrika kommenden Sorten. Be¬
sonders disponiert sind Leute, die schon vorher an Seborrhoe der
Haut litten. Wahrscheinlich ist ein in dem Holze enthaltenes Harz
als das sehlidliehe Agens aufzufassen. Die Behandlung besteht in
Bestrahlungen mit Röntgenlicht.
Khan Balladur N. H. Chosky: Neuere Fortschritte in der
Serumbehandlung der Pest. (Brit. Med. Journ., 30. Mai 19IIS.)
Voll 1 nsl Kranken, die mit dem V e r s i n - R o u x ’: L n sc*- -
hclundclt wurden, starben 557 U'V ProzT. \<-n den rn >; da! hd.'-
deltcn ballen starben 57. von den Urivatt.i cP B' / l'
niedrigste Mcrbfrchkeitsziffer t3«i.3 Bfo/.l zeigten kranke. %l c d'
I. Krankheitstage zur Behandlung k.inun. am 2. starben *.V». " :
63 Pro/., am 4 . 57.1. am 5. M.5. am (>. 57.1 und am 7 l'*>
der behandelten lalle. Die Wirksamkeit dev >e' ums lev’ ’
da ihm iede antitoxisGie Wirkung ieli.t W ende t n .in o .ri 1 k .
heitstage an. so werden viele Kranke ge rettet, de v : st ste' 1 - -
den, ausserdem dauert die Krankheit nur 4. vt.itt vier i ■ uhe'* I" 7 --
ernstliehe Koinpiikatioueti des tat.ms- um! Nerv etNv s w •.
Bubonen werden rasdi resorbier t. Wendet man ev e f vt nad- 4" -
den an, so wird elcr \ erlauf der Krankheit m J;t w yH d . *i '
einfhissf.
\. Buelianan: Die Kat/c als Verhiiter der Pest. '!' 1
bs hat niemals etwas genutzt, einen K ■ »r d< »n um n h i. ■ »d-
seu eilte OrtsJiaiteti zu ziehen. da man dadurch w ■ hi k'.r * g V- -
selten, nicht aber die Ratten abh.öten kann \uJi die In v •••.*:
verseuchter Orte war nutzlos. Weit die Ratte imU l.ist-.gt f et-. *,,-**•
selbe gilt von der Isolierung Bestkraukcr in be s .-r de r e n läge"’, w •.
bekanntlich die Best so gut wie me ih'ikt von Venvli auf Vrv"
libertragen w ird. Man vagt devha.b m Indien, dass <.,n B<.s- .{g L r
ungeiahrliehste Ort ist. Angestellte. die die Kranken m dt r. Be v .. g e '
besorgten, ei krankten fast me. Ine I ‘eher tragung Cee. dt .... 'da
den Ratteniloh, und elas beste Br<.ph\ laktb.imi gegen ,;.e Best d
die Katze.
N. N. B r a h m a c h a r i: Sporadisches Vorkommen \on Kala-
Azar in Kalkutta. Behandlung mit Aloxyl. <ldd.)
Kaht-A/ar kommt hantig sporadisch m Ka'kutta vor nr.J ist d -•
w ahrscheinhch besonders unter eien Hindus endemisch. Iw: oy?
Diagnose gewahrt die i.eukozv tru/aUing grosse H« fe. -\ t» v ! w -
in sehr grossen Dosen, l.o als I mze : mektem. gut v i>n d esm K'.«*-
ken v ertragen, bs bessert rasch die Sv mptonre. beve :?:gt >e d -ch m^ :
die Krankheitserreger. Man gibt «"duvt'idi eine I nsp- dm-.- \. -•
l.o \ t o \ \ |. I Maguostiseh ist v «»r adm die M;di'unktur \.*n W id : . -
keit. die mit feiner Nadel auvgt ti.hrt. ungeih•'idl ist.
H. C u mpstoii: Die Serumtherapie bei ScharlachReber. 1 Id 1
Verf. benutzt ein pol\\ aknu s 'se’tnm d.is Von >t*eptok-ö --
Stämmen gewonnen ist. die von ha: i.u hta'len stammen. \<n *7 v .
behandelten schweren septischen I .< än genasen 2 v <»n den I
fällen sirul vielleicht fmdl ab/u/uhen. da d« r nie eitlen schw e'e u
geborenen Mer/fehier. eler andere einen saueren erworben«.» k ap-
penfehler hatte. Je frulier man die V" mm nsfit/ting be.m-t. n
so besser sind die brt’ojge. Meist f.d't du* I e ••u'eratnr 4v Stunden
na< h d*T Umspritzung zur N-nu und Ke d t in •• m.d. Be Iw.eei
schwellen ab. die septische Angina reinigt suli l|isd» und der N.isü ”-
iiustluss verliert seinen eitrigen Lharakter. Nu r muss man !• h
spritzen und nidit weniger als 5o CsUi Serum auw enden.
Ernest W e s t und S\ duev Seit; Die operative Behandlung
der Lahyrinfhcilerungen. tl.oMt. •> M.o l^'v.»
Die A’erff. operierten 2*» I a ! e. Je r en Kr ankettge'sd ho-n rr.d .'
angegeben sind, mit gutem 1 rfo'ge. S:e d.mben. dass m vidri
ballen von Radikaloperatmn d« r Brozevv mdit zur \i;s!u öuiie k. ..
weil literungen vles I abv rintla s nlvv 'ri ii werdin ln kde*” 1 "*•
verschwand der Vor dir ( »per atnri In std'eude ^c'^wimld. bltl lad
starb. k<-m 1 all trug dauernd.- ba u/is ! ■»•mir'-' da\ou.
f : . b'. Gord ori Tuck er: Leberzirrhose nach Malaria, tl.ancet,
23. Mai l'X'Vl
\ erf. glaubt. d. t ss in Imin u l.mdi Be i Km lern) \..n
1 ebci /ii t hose Vorkouimeii vln- iluivli di n Malar la'.’.n as>:eu tuu'st
findet null (len eutar tigen te-turen Tv mis) veunvidrl w erd. u Br
besefiivibt mul ludet eine Id die eiusddaciger l ad. ab. Mt, ist f-n t
man m diesen I .d'eii audi Niereuv eraudi r u«.gi m 1 'er \suiis tr;t:
gewohnlidi spat auf und wird sdlen s r hr h.odig',. '
I. B / u m B u s v h - I or.doii.
Inauguraldissertationen *)
Universität Freihurg. Anglist 1 '^ v
Göfling Joseph: Ueber sogiui. essentielle Nere'l 'dui'siii lind
-Koliken mit einem kasmsiisc heil Beitrag zu dt"H.! ei.
bischer Josef: Ueber Sclenud'm; ( ieonaBwrim.
Golds e h ui i d t .1.: Beitr ag zur k :mk lim! [v: ; ; i» -gisc lu n \natosme
der Bmdeliauttr ansp’ant.ition.
Ga II mann lugen; Die Indikationen zum va.imi’en K aise * schrntt.
Kruse Hans Hairv: Ueber 1 iimb.öanasthesie trat Bes-•ude: e r Be-
riieksielitigung der Bcskenhocldaecruiig und der I 'er.sitat des
injizierten Mittels.
Ulrich Martha: Beiträge zum klinischen Id de Je r |'r-'-tssi\ eü
Baratvse.
Golant Raissa; Ueber dm Wirkmiv der u"in: r-rgiii Wed.se!-
stromc auf den motorischen Nerven.
*) Zusendung von 1 »isse-rfationen au die \ 'n«e der Redaktion.
München. Arnulfstrasse 2ö. erl eteii. Idvp- ed;::;'g v. r»‘eha’Un.
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Gotigle
'Original fram
UNIVERSITY 0F MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1901
Universität Jena. Juni bis August 1908.
Rademacher Bodo: Das primäre Sarkom des Dünndarms.
Fischer Erich: Beitrag zur Kenntnis der Spätfolgen von Contusio
bulbi.
Dietrich Julius: Ueber die Konus- und Kaudaerkrankungen des
Rückenmarkes.
Beyer Friedrich: Zur Serumbehandlung der fibrinösen Pneumonie.
H e 11 b a c h Hans: Ueber weiche Nävi und einen Fall von Riesennävus.
Mi ehe Heinrich: Ueber einen ungewöhnlichen Fall von Sarkom
der Aderhaut.
Mönch Kurt: Zur Poliomyelitis anterior der Erwachsenen.
P ü s c h e 1 Arnold: Zur Kenntnis der otogenen extraduralen Abszesse.
St übel Johannes: Zur Kenntnis der Plasmaströmung in Pflanzen¬
zellen.
Universität Giessen. Juli und August 1908.
Glaessgen Oskar: Ein Fall von intrauteriner spontaner Nabel-
str-angzerreissung.
Rogge Walter: Vergleichende Untersuchungen über Kokain und
seine Ersatzpräparate (Tropakokain, Holokain, Akoin, Eukain,
Anästhesin, Stovain, Alypin, Novokain) beim Pferde.*)
Sonnenbrodt Albert: Die Wachstumsperiode der Oozyte des
Huhnes.
Neumann Kurt: Beitrag zur Biologie des Erregers der Kälber-
ruhr-Kolibazillosis. *)
Ott Xaver: Einfluss der Temperatur auf Herztätigkeit und Vagus¬
erregbarkeit.
Bley Jos.: Beitrag zur Lehre der Retroflexio uteri gravidi in-
carcerata.
D i e d r i c h s Friedr.: Beitrag zu der Frage: Wie lange sind die Milz¬
brandbazillen im Kadaver mikroskopisch, durch Impfung und Kul¬
tur nachweisbar? *)
Jacob Max: Ueber den Nachweis des Zyankaliums bei Vergif¬
tungen. *)
Dunkel P.: Untersuchungen über die Beziehungen des Bacillus
pyogenes bovis et suis zu dem Bacillus pseudotuberculosis ovis. *)
Giesen Nie.: Schlagfolge und Reizbarkeit des Herzmuskels.*)
Tsukiyama Kiichi: Zur Frage des Verhaltens der Säugetier¬
tuberkelbazillen im Kaltblüter.
Schellhase Willy: Ueber die Katalase der Milch.*)
Budnowski Otto: Ueber die Unterstützung des Unterstützungs¬
bandes der Hufbeinbeugesehne am Vorderfuss des Pferdes.*)
Universität Rostock. August 1908.
Walter Friedrich Karl: Ueber Regeneration peripherer Nerven.
Vereins- und Kongressberichte.
Altonaer Aerztlicher Verein.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 6. Mai 1908.
Vorsitzender: Herr Henop.
Schriftführer: Herr F e 1 g n e r.
Herr Boett iger- Hamburg spricht über traumatische
Gelenkneurosen. Er gibt zunächst einen kurzen historischen
Ueberblick über die Entwicklung der Kenntnis dieser Leiden
und entwirft dann an der Hand einer Reihe selbstgemachter Be¬
obachtungen, unter Mitteilung der entsprechenden Kranken¬
geschichten, ein Bild des klinischen Symptomenkomplexes:
Häufig auf dem Boden einer neuropathischen Veranlagung,
einer Chlorose oder Anämie, beginnen, meist nach gering¬
fügigen- traumatischen (manchmal auch nach rheumatischen)
Schädlichkeiten eigenartig „heimliche“, wühlende Schmerzen
in dem betroffenen Gelenk. B. sah häufiger Schulter und Ell¬
bogen als Hüfte und Knie erkrankt. Der Schmerz hat teils
neuralgischen Typus, ist dann von Ruhe oder Bewegung un¬
abhängig, teils, und zwar meist, neurotischen Charakter, in
der Ruhe nachlassend. Druckpunkte sind selten, und dann am
Ansatz der Gelenkkapsel am Knochen proximal des Gelenks.
Dazu gesellt sich sofort Gefühl der Machtlosigkeit in der
ganzen betroffenen Extremität. Objektiv findet man am Gelenk
selbst nichts. Auch mit Röntgenstrahlen (Dr. . A Ibers-
Schönberg) hat sich in allen untersuchten Fällen nichts,
speziell nicht die S u d e c k sehe Knochenatrophie nachweisen
lassen. Hingegen beginnen schon in den ersten Tagen der Er¬
krankung in der Umgebung der Gelenke die auffallendsten
Veränderungen, besonders Atrophie des proximal gelegenen
Gliedabschnittes. Die Muskulatur, besonders die der Strecker,
*) Veterinär-medizinische Dissertation.
wird schlaffer, atomsch, magerer. Das Unterhautfettgewebe
nimmt an Prallheit ab, die Haut darüber wird faltiger, verliert
an Spannung, fühlt sich trockener und kühler an. Die Reflexe
ändern sich nicht. Es findet sich über dem erkrankten Glied¬
abschnitt zuweilen Hyperästhesie (neuralgiforme Fälle) meist
jedoch Hypalgesie und Thermhypästhesie. Bei elektri¬
scher Untersuchung erweist sich in den meisten Fällen
von Anfang an, und selbst noch nach Jahren nachweisbar, der
Hautwiderstand ebenda enorm, oft auf das Dop¬
pelte gesteigert. In Rücksichtnahme auf diesen Befund
zeigte sich, dass die galvanische Erregbarkeit der
Muskeln normal ist. Die Zuckung kann zwar in An¬
betracht des kleineren Volumens kleiner sein, die Erreg¬
barkeit ist aber nicht „herabgesetz t“, wie es in
allen bisherigen Publikationen immer heisst. Qualitative
Störungen fehlen, quantitative werden durch veränderten Haut¬
widerstand nur vorgetäuscht. Die Reaktionen auf Frank-
1 i n sehe Ströme sind auf der kranken und gesunden Seite
absolut gleich.
B. weist auf die Verwandtschaft dieses Krankheitsbildes
mit den sogen, arthrogenen Muskelatrophien hin,
die sich anschiiessen» können an alle schwereren Erkrankungen
der Gelenke, Frakturen, Luxationen, Distorsionen etc., ferner
an chronische, rheumatische, gichtische, gonorrhoische, tuber¬
kulöse oder phlegmonöse Arthritiden. Während bei diesen
die Gelenkkrankheit das Krankheitsbild beherrscht, tritt sie bei
den vorher geschilderten Leiden ganz in den Hintergrund und
wir sehen quasi eine arthrogene Muskelatrophie
sine Arthritide. Vortr. möchte geradezu beide Krank¬
heitsbilder verschmelzen und aus ihnen eine klinische Einheit
gemacht wissen. Für die Entstehung dieser arthrogenen
Muskelatrophien nimmt auch B. reflektorisch-trophische Vor¬
gänge in Anspruch und möchte daher von traumatischen G e -
lenktrophoneurosen sprechen.
Anhangsweise bespricht B. noch’ inwieweit eine Hy¬
sterie, eine hysterische Gelenkerkrankung das Bild der
Trophoneurose nachzuahmen vermag. Kurz gesagt, pflegen
bei einer solchen die subjektiven Symptome ins Ungeheuer¬
liche zu wachsen und die objektiven Symptome, d. h. die ab¬
solut objektiven, zu fehlen, wie es im Grunde genommen bei
allen hysterischen Manifestationen sich wiederholt. Dadurch
entsteht wieder das einzige Stigma der Hysterie, die hy¬
sterische Inkonsequenz der Symptome. Die
Charcotschen Stigmata der Hysterie zur Diagnose einer
hysterischen Manifestation als solcher heranzuholen, hat B.
längst aufgegeben. Unter hysterischer Inkonsequenz der Sym¬
ptome will B. verstanden wissen: die anatomischen und
physiologischen Unmöglichkeiten in ihrem Entstehen und Ver¬
gehen, in ihrer Gruppierung und in ihren Wechselbeziehungen
unter einander.
Aerztlicher Verein in Frankfurt a. M.
(Offizielles Protokoll.)
Ausserordentliche Sitzung vom 11. Mai 1908
abends 7 Uhr im Hörsaal des Dr. Senckenberg ischen
Bibliothekgebäudes.
Vorsitzender: Herr Edinger.
Schriftführer: Herr Cahen-Brach.
Herr Altschul: Geschichte des Sports.
Nach einer einleitenden Definition spricht er die Ansicht aus,
dass die planmässige Ausführung von Leibesübungen aus dem Be¬
dürfnis des Schutzes von Person, Familie und Eigentum in der
Vorzeit entstanden sei, schildert dann den Wert, den die alten Kul¬
turvölker auf körperliche Ausbildung legten, besonders ausführlich
die Einrichtungen der Griechen, bespricht dann die langsame Ent¬
wicklung der Gymnastik aus dem Mittelalter heraus in die Zeit des
Humanismus, den Einfluss von Rousseau, Basedow und
Pestalozzi und den Aufschwung der Turnerei durch und seit
Jahn. Eine längere Schilderung gilt dem Fahrradsport und dessen
ersten Anfängen aus dem 16. Jahrhundert. Eine Geschichte des Berg¬
sportes zu geben würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, daher wer¬
den andere Sportarten auch nur kurz erwähnt. Als Schluss schil¬
dert Vortr. noch alle von ihm gefundenen Aussprüche und die lite¬
rarische Wirksamkeit des ärztlichen Standes in dieser Frage von
H i p p o k r a t e s an bis zur Neuzeit
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1902
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Herr Lüthje: Sport und Herz.
Herr Schmiedicke: Erfahrungen über körperliche Entwick¬
lung Im militärpflichtigen Alter.
Zur Beurteilung der Sportfrage vom gesundheitlichen Stand¬
punkt tragen manche militärärztlichen Erfahrungen bei; so z. B. die
Zunahme der Herzkrankheiten unter den Gestellungspflichtigen. Wenn
auch der Nachweis des von vielen Sanitätsoffizieren vermuteten ur¬
sächlichen Zusammenhanges zwischen dem Radiahren und den Herz¬
störungen nicht sicher erbracht ist, so sprechen doch manche Be¬
obachtungen dafür, z. B. die von Oberarzt Beyer in der Münch,
med. Wochenschr. mitgeteilten Ermittelungen, nach welchen bei
2 Armeekorps im Jahre 19U3 unter 5UU herzkranken Gestellungs¬
pflichtigen 150 Radfahrer gezählt wurden, im XVI11. Armeekorps
konnten bei der letzten Musterung unter den Herzkranken 127 Rad¬
fahrer ermittelt werden, während sich von sonstigen Sporttreiben¬
den nur 37 Turner, 9 Ruderer und 5 Bussballspieler darunter be¬
fanden. ln 2 sehr hügeligen und daher zum Radfahren ungeeigneten
Musterungsbezirken waren unter den Herzkranken keine Radtahrer.
Auch lag in jenen Bezirken die durchschnittliche Zahl der Herzkran¬
ken in den Jahren 1894—1903 nach der Arbeit von Stabsarzt
Schwiening: ..Beiträge zur Rekrutierungsstatistik' (Klin. Jahrb.,
XVIII, H. 3) unter dem Durchschnitt. Wie notig aber andererseits
eine ausgiebige Tätigkeit in freier Luft gerade dem Grossstädter ist,
lässt sich aus dem Vergleich der Tauglichkeitsziffern innerhalb der
einzelnen Aushebungsbezirke ableiten. Nach Schwiening
schwankten die Tauglichen in den Jahren 1894-1903 zwischen «),9
und 55,3 Proz., aber regellos, ohne abnehmende Tendenz, im Gegen¬
teil ergab sich in der Mehrzahl der Bezirke im Durchschnitt der
Jahre 1899—1903 eine höhere Tauglichkeitszifier als 1894- 1899.
In den einzelnen Bezirken ist das Ergebnis sehr verschieden.
Am günstigsten ist der Osten (bis 73,4 Proz. Taugliche), am schlech¬
testen die grossen Städte, z. B. Berlin mit 37,5 Proz. Industrie und
Gewerbe haben an diesem schlechten Stadtersatz nicht die Haupt¬
schuld, denn sie tragen noch immer 50 Proz. 'l ängliche bei, sondern
der Handelsstand und die höheren Schulen, welche gewöhnlich nur
40 Proz. und 30 Proz. Taugliche liefern. Demgegenüber können wir
bei der Landbevölkerung auf 60 Proz. Taugliche rechnen.
Auch während der Dienstzeit macht sich in der körperlichen
Entwicklung der Grossstädter gegen die Landbevölkerung ein Unter¬
schied bemerkbar, insofern letztere am schnellsten und meisten an
Gewicht zunimmt, während von dem Grossstadtersatz nur ein kleiner
Teil und dieser auch nur wenig an Gewicht gewinnt (Georg
Schmidt: D. militärärztl. Zeitschr.). ln der späteren Dienstzeit
tritt wohl ein Ausgleich ein. Der Militärdienst ist überhaupt ein
klassisches Beispiel für das durch systematische Ausbildung des Kor-
peis Erreichbare und die hierbei gewonnenen Erfahrungen sollten auch
bei den sporttreibenden Vereinen berücksichtigt werden, um un¬
günstige Einflüsse auf die Körperentwicklung zu vermeiden. Gegen¬
über den zahlreichen Herzkrankheiten unter der radfahrenden Jugend
finden wir kaum einen Ball von Herzleiden, der durch das mili¬
tärische Radfahren verursacht wäre.
Jede Sportart hat ihre Gefahren, sie lassen sich vermeiden oder
vermindern, wenn die durch Erfahrungen gewonnenen Bedingungen
erfüllt werden. Wie der Militärdienst ein bestimmtes Alter und ge¬
eignete Körperentwicklung braucht, so muss auch die Wahl und
Art des Sports diesen Bedingungen unterworfen werden. Durch die
sorgfältige Auswahl der Rekruten wurde es möglich, ihnen immer
grössere Anforderungen zuzumuten, und wenn wir den letzten Sani¬
tätsbericht der Armee (1904/05) befragen, ersehen wir, wie sich trotz¬
dem der Gesundheitszustand des Heeres von Jahr zu Jahr ge¬
bessert hat.
Besonders sorgfältig muss die dem Arzt zu überlassende Aus¬
wahl derer sein, welche nach vorangegangenem Training bestimmte
Maximal- oder Dauerleistungen anstreben. Wer aber nach seiner
Körperbeschaffenheit nicht dazu geeignet ist, der soll sich mit leich¬
teren Körperübungen begnügen. Dann xvird auch besonders die
in den Gressstädten aufgewachsene Jugend, welche die Vorteile des
Militärdienstes für die Stählung ihres Körpers nicht gemessen kann,
weil ihre Körperentwicklung zurückgeblieben ist, mehr als bisher
zum Waffendienst befähigt werden und durch diesen die schädlichen
Wirkungen des Kulturlebens ausgleichen.
Herr Gelhaar: Sport und Schule. _
Die hiesige Schulbehörde hat als Ergänzung zum Turnunterrichte,
der in Hallen, günstigerenfalls auf einem nicht immer staubfreien
Schulhofe abgehalten wird, Turnspiele, Schwimmen und versuchs¬
weise Prciiibungen von 5—10 Minuten langer Dauer im Anschluss an
die Pausen auf dem Schulhofe an den Tagen, an denen stundenplan-
mässiges Turnen nicht stattfindet, eingefiihrt. In einigen hygienischen
Schulen, wie z. B. dem evangelischen Pädagogium zu Godesberg,
der Villa Bellaria, dem Engiadina in Zuoz (Oberengadin) und dem
deutschen Gymnasium in Davos bildet diese Breiliclitturnerei den
Mittelpunkt der Gesundheitspflege. Unser Mädclienschulturnen ist
verbesserungsbedürftig. Es wird zu viel Zeit auf die rein das Ge¬
dächtnis belastenden Ordnungsübungen und den komplizierten Reigen
verwendet. Als Ergänzung zum Turnunterricht empfiehlt sich für die
graziöse Ausbildung der Mädchen die Einführung eines Teiles der
englischen kalisthenischcn Uebungcn unter \\ cglassen des äusseren
Putzes.
Die Beteiligung an den Turnspielen hat unter Mitwirkung der
Schulärzte bedeutend zugenommen. Me betrug im Sommer 19U7
57 Proz. aller Knaben und 45 Pioz. aller Mädchen. Leider wird
immer noch von seiten mancher Eltern, Schiller (Em/eisohnchen),
Lehrer und auch Acrzte, die m der Ausstellung der Dispensations-
atteste Sehr liberal sind, diesen Spielen die gebührende Anerken¬
nung versagt. Die Eminhrung eines für alle Schiller und Schiiieriniieii
verbindlichen schul- und schuiarbeitsireien Spieluachmittags im
Sommer, wie in Braunschweig und Württemberg, ist eine dringende
hygienische Borderung, ebenso wie die \ermehrung der hiesigen
Spielplätze durch die Stadt, die, mit Ausnahme 2 kleiner Platze voll
50 Ar, nur provisorisch sind.
Gesundlieitiiche Schädigungen durch diese Spiele sind nach den
Mitteilungen S a m o s c h‘ auf dem Nürnberger Kongresse nicht be¬
obachtet worden. Temperatursteigerungen nach Tamburin- oder
Schlagballspiel konnte Referent bei blutarmen Mädchen mellt icst-
stcllcii.
Nichtsdestoweniger ist bei heissem Wetter massige Bewegung,
wie Gartenarbeit, oder Ruhe in freier Natur, wie die Benutzung des
hiesigen Luft- und Sonnenbades, \orzuziclien. Bei Schlechtem Wetter
sind IUrnen oder 1 echten, je nach W urisch der Kinder, nicht zu be¬
anstanden. Als Ersatz tur diese obligatorischen spiele empfiehlt sich
neben Bussball oder Hocke\spiel Jur die Kraltigeren die Eminhrung
regelmassiger Wanderungen m der kühleren Jahreszeit und im Win¬
ter, solange der Eislaui unmöglich ist, für alle Kinder. Das Bedürfnis
nach körperlicher Betätigung in dieser Jahreszeit ist bei unseren
Volksschulen! um so grosser, als eine Turnstunde durJi die Schul-
brausebader verloren geht. Auf Empfehlung des Relereuten findet
in einer Volksschule versuchsweise eine Kombination einzelner
Uebungcn des Müller sehen >\stems mit dem Brausebade statt.
Leider hat die Begeisterung Jur Wanderungen in den Lehrerkrciseii
infolge des Haitpihchtgcsel/cs und der Verweigerung der Madt,
generell die Versicherung zu übernehmen, Lmbusse erlitten.
Vom Wassel sport passt in den Betrieb der hiesigen Burger- und
Mittelschulen nur das >chw mimen. Die Beteiligung betrug irn Muli¬
nier 1907 5497 Knaben und 3o4ü Mädchen von 41 Knaben- und
33 Mädchenschulen. Den von ^ c h in i d t - Bonn konstatierten gün¬
stigen Einfluss auf die Körperhaltung konnte Relerent bei den dies¬
jährigen Schlussuntersuchungeu bestätigen.
Bur die Mainverunreimgung sind nicht nur die industriellen Ab¬
wässer oberhalb Brankturt, sondern auch die Mauung des Maines
und der Sclufiahrtsverkehr verantwortlich zu machen. Die inten¬
sive Bär billig ist nach dem Gutachten des hiesigen Chemikers
Dr. Popp auf Sog. Barblacke zuruckzufuhren. die in ausserst ieiner
Suspension im Wasser Vorkommen und unschädlich sind. Ent¬
sprechend der geologischen Beschaffenheit des Obermains ist das
Wasser meist durch Bestandteile von Rotsandstein getrabt. Die Bar-
bung des Wassers hat sich gegen früher verschlechtert, die Ingie-
msche Beschaffenheit aber seit der Brankturter Kanalisation ge¬
bessert.
Kinder mit Neigung zu Schleimhautkatarrhen sind vor Tauchen,
Anspritzen etc. dringend zu warnen.
Referent fasst seine Ansichten in folgenden Leitsätzen zusammen.
Zur körperlichen Ausbildung unserer Schuljugend sind:
1. die Turnspiele für alle Schaler und Schülerinnen an einem
schul- und schuiarbeitsireien Nachmittage im Sommer obligatorisch
zu machen.
2. die Spielplätze durch die Stadt zu vermehren.
3. Als Ersatz iur diese verbindlichen Sommerspiele empfiehlt
sich in der kahleren Jahreszeit und im Winter, solange Eislauf un¬
möglich ist, neben Bussball- und Hockeyspiel fur die Kräftigeren die
Einführung regelmässiger Wanderungen fur alle.
4. Das Blussschw mimen ist nach Tunlichkeit zu iordern. Die
Beschaffenheit des Maines als Badewasser ist trotz, der Verunreini¬
gung unschädlich. Nichtsdestoweniger ist es dringend erforderlich,
dass der städtische (jesundlieitsrat itn Interesse des öffentlichen
Wohles der Verunreinigung des Maines dauernd die grösste Aufmerk¬
samkeit schenkt.
Diskussion: Herr M o r i t z - Strassburg weist daraui hin,
dass nach seinen vielfachen, von anderen Autoren bestätigten Er¬
fahrungen, die auf exaktem orthodiagraphischem Wege gewonnen
sind, trotz des gegenteiligen Standpunktes von Schott eine quasi
physiologische Mer/dilatation durch körperliche Anstrengung nicht
vorkomme. Er selbst habe überhaupt noch keinen emw an Jfreicn
Ball von akuter Anstrengungsdilatation des Herzens. auJi nicht bei
krankem Organ gesellen. Doch möge das Zufall sein. NaGi den
Experimentaluntersuchungen von De lala m P sei anzunehmen, dass
kranke Herzen bei Anstrengung sich vergrößern können, und er
selbst habe gelegentlich seiner mit Di et len unternommenen Unter¬
suchungen an Radrennfahrern darauf hingew ieseu. da^s man an dem
Ausbleiben einer Dilatation bei den Bahrern. die am Mart ankamen,
keinen sicheren Rückschluss auf die machen könne, die unterwegs
liegen geblieben waren. Das Vorkommen von Herzx erUeinerung bei
Anstrengung — es bedürfe dazu keineswegs einer l ebcranstrengung
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT,
1903
— sei dagegen eine völlig gesicherte und wohl physiologische Erschei¬
nung, wenn sie auch bei vorher, z. B. durch eine Infektionskrank¬
heit, pathologisch diktiertem Organ besonders deutlich hervortreten
könne. Von einer akuten Ueberanstrengungsdilatation ganz zu
trennen sei die Vergrösserung des Herzens, wie sie am gesunden
Organ bei andauernder schwerer Berufsarbeit bei regulärem Sport
oder auch beim Militärdienste auftrete. Diese sei ein notwendiges
Phänomen allmählicher Hypertrophie des Herzens und könne als Er¬
starkung desselben bezeichnet werden.
Herr Schmiedicke: Es handelte sich bei den unter den
herzkranken Gestellungspflichtigen ermittelten Radfahrern in den
meisten Fällen um Herzvergrösserung und erregte unregelmässige
Herztätigkeit.
Herr Vohsen: In den Ausführungen des Herrn Qeihaar
nimmt der Schwimmsport eine breite Stelle ein. Er streift auch die
Gefahren des Schwimmsportes für die Kinder, führt sie aber zu Un¬
recht auf Missbrauch zurück. Wir haben gehört, dass der Sport dem
gesunden Herz nicht schadet, so schadet er auch nicht der gesunden,
wohl aber der kranken Schleimhaut. Wasser soll, weder in Be¬
rührung mit der gesunden, noch weniger aber mit der kranken
Schleimhaut der Nase, des Nasenrachenraumes und des Mittelohrs
kommen. Das ist beim Schwimmen um so bedenklicher, da es sich
um unreines Wasser handelt. Unsere besseren Untersuchungsmetho¬
den lassen uns immer häufiger nach den Infektionskrankheiten des
Kindesalters Erkrankungen des Siebbeins, der Nasennebenhöhlen
und des Mittelohrs feststellen. Es ist darum angezeigt, das Betrei¬
ben des so warm von Herrn G e 1 h a a r empfohlenen Schwimmsports
von der ausdrücklichen Genehmigung des Schularztes abhängig zu
machen.
Herr Benario: Was die Schädlichkeiten des Radfahrens an¬
betrifft, so wäre darauf zu achten, wie viele unter den herzkranken
Gestellungspflichtigen sog. Transportfahrräder gefahren haben; d. h.
diejenigen, die nur ihr eigenes Körpergewicht befördert haben, und
dje, die ausserdem noch mehr oder minder grosse Lasten zu trans¬
portieren haben. — Für die weitere Ausdehnung der Luft- und Licht¬
bäder wären — nach amerikanischem Muster — auf den Schulen sog.
Dachgärten sehr zweckmässig.
Herr Herzog empfiehlt für den Turnunterricht bezw. die
Sportausübung bei der Jugend das Keulenschwingen besonders als
kurze Zwischenpause zwischen mehreren Unterrichtsstunden.
Wissenschaftliche Vereinigung am städt Krankenhaus
zu Frankfurt a. M.
Sitzung vom 7. Juli 1908.
Vorsitzender: Herr Knoblauch.
Schriftführer: Herr Bingel.
Herr A. Knoblauch: Demonstration eines Falles von Thom-
senscher Krankheit
Im Anschluss an die klinische Vorstellung eines typischen Falles,
21 jähriger Schneidergeselle J. S. aus P., bespricht der Vortragende
das Wesen der Thomsenschen Krankheit, das er — in
Uebereinstimmung mit seiner Auffassung der Myasthenie, ange¬
borenes Ueberwiegen der hellen, flinken Muskulatur (cf. Sitzung vom
7. Januar 1908, diese Wochenschrift, No. 29, S. 1560) — in einer
angeborenen Verminderung der hellen Fasern, also in einem P r ä -
valieren der roten, trägen Muskulatur erblickt. Nach
seinen eigenen Untersuchungen und nach den in der Literatur mitge¬
teilten Befunden zeigt die Muskulatur bei der Myotonie die histo¬
logischen Charaktere der trägen Fasern: auf dem Querschnitt ausser¬
ordentlich zahlreiche, häufig innenständige Muskelkerne, auf dem
Längsschnitt verschwindende Querstreifung bei besonders deutlicher
Längsstreifung. Solange histologische Untersuchungen von Muskeln
kleiner Kinder, die an Thomsenscher Krankheit leiden, noch aus¬
stehen, muss die Frage offen bleiben, ob die bei Erwachsenen ge¬
fundene Hypertrophie der Muskelfasern gleichfalls angeboren ist oder
ob sie, wie Knoblauch vermutet, erst im Verlauf des Leidens als
„Arbeitshypertrophie“ eintritt. Auf dem Boden der angeborenen Ano¬
malie kommt es alsdann in vorgeschrittenen Fällen, ebenso wie bei
der Myasthenie, zu der bekannten Degeneration der Muskelfasern.
Myotonie und Myasthenie sind also zu den primären Erkran¬
kungen der Muskulatur zu rechnen; ihr verhältnismässig
häufiges Zusammentreffen mit der Dystrophia musculorum
progressiva ist nicht weiter auffällig, da sich an der abnorm
veranlagten Faser die gleichen pathologischen Prozesse abspielen
können wie an der normalen Muskulatur.
Die früher begründete Annahme Knoblauchs, dass in der
ontogenetischen Entwicklung sämtliche rote Fasern der quergestreiften
Muskulatur ein „helles Stadium“ durchlaufen und dass diese „Um¬
wandlung“ unter pathologischen Verhältnissen auch noch im späteren
Leben des Individuums erfolgen kann, während ein Uebergang der
roten in die helle Muskulatur in der ganzen Wirbeltierreihe nicht be¬
obachtet worden ist, erklärt für die Myasthenie die Möglich¬
keit, dass sich im Verlauf des Leidens Remissionen, ja Heilungen ein¬
stellen, und für die Myotonie das Auftreten derjenigen Fälle, die
erst im späteren Leben zur Entwicklung kommen (Myotonia acqui-
sita), sowie die Unheilbarkeit und den chronisch-progressiven Ver¬
lauf des Leidens.
Die Tatsache, dass die myotonische Bewegungsstörung in der
Regel unter dem Einfluss der Kälte stärker hervortritt, wird damit
erklärt, dass die hellen Muskelfasern weniger widerstandsfähig sind,
schneller ermüden, nach Nervendurchschneidung früher entarten und
anscheinend unter der Einwirkung der Kälte auch schneller un¬
erregbar werden als die roten Fasern. Liegt der Thomsen¬
schen Krankheit eine pathologische Verminderung der hellen Fasern
zu gründe, so wird ihre Minderzahl unter der Einwirkung der Kälte
früher insuffizient als die Normalzahl des gesunden Muskels, d. h. es
tritt die isolierte Wirkung der roten Muskulatur, die myotonische
Störung, deutlicher hervor als sonst.
Die ausgesprochenen Fälle von T h o m s e n scher Krankheit und
von Myasthenie sind die Endglieder einer langen Reihe, zwischen
denen das Verhalten der normalen Muskulatur in der Mitte liegt.
Nach beiden.Richtungen hin kommen allmähliche Uebergänge vor und
zwar sowohl hinsichtlich der Ausdehnung der abnormen Veranlagung
über verschieden weite Gebiete der Skelettmuskulatur als auch hin¬
sichtlich des verschiedenen, von der Norm abweichenden Mischungs¬
verhältnisses der beiden Faserarten zu einander. Es kann bei der
Myotonie die Verminderung der hellen Muskelfasern so gering sein,
dass hieraus eine Bewegungsstörung für gewöhnlich nicht resultiert,
dass sie vielmehr erst unter Verhältnissen manifest wird, die zu
einer funktionellen Hemmung der an Zahl verminderten hellen Fa¬
sern führen, also vor allem unter der Einwirkung der Kälte. Zu
dieser Gruppe zählt der Vortragende die Fälle von M a r t i u s und
Hansemann (Myotonia congenita intermittens, 1889) und von
Rieh (An unique form of motor paralysis due to cold, 1894).
Beide Beobachtungen weisen neue Wege, auf denen vielleicht
der exakte Beweis für die Richtigkeit der Auffassung Knoblauchs
erbracht werden kann. Denn wahrscheinlich tritt bei jedem ge¬
sunden Menschen die myotonische Störung in die Erscheinung,
sobald die normaler Weise vorhandene helle Muskulatur funktionell
ausgeschaltet ist. Es muss also die elektrische myotonische Reaktion
nachzuweisen sein: 1. bei erstarrten Individuen am ganzen
Körper, sofern ihre Muskulatur überhaupt noch elektrisch erregbar
ist und 2. bei erschöpften Individuen an den durch körper¬
liche Anstrengung erschöpften Muskelgruppen. Die marschie¬
rende Truppe bietet vielleicht die beste Gelegenheit, an einem
grossen Material gesunder, junger Leute exakte Untersuchungen über
das Verhalten der Nerven und Muskeln an den unteren Extremitäten
gegenüber elektrischen und mechanischen Reizen nach anstrengenden
Märschen anzustellen, und die Ergebnisse solcher Untersuchungen
werden voraussichtlich die Frage nach der Bedeutung der
roten und hellen Muskelfasern für die mensch¬
liche Pathologie ihrer Beantwortung wesentlich näher bringen.
(Autoreferat.)
Herr Friedländer (als Gast): lieber den § 300 Str.G.B. (Be¬
rufsgeheimnis). *)
Medizinische Gesellschaft in Kiel.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 17. Juli 1908 in der Frauenklinik.
Herr Pfannenstiel: Zur operativen Therapie der
Eklampsie.
Herr Pfannenstiel zeigt 1. einen typischen Fall von drohen¬
der Eklampsia gravidarum 3 Wochen ante terminum, 2. einen ge¬
nesenen Fall von schwerer Eklampsia parturientium, in welchem
3 Wochen zuvor nach dem 1. Anfall der abdominale (zervikale)
Kaiserschnitt ausgeftihrt worden war, 3. einen am gleichen Tage
durch doppelseitige Nierendekapsulation operierten Fall von Eklam¬
psia puerperarum, welcher gleichfalls genesen ist.
An der Hand dieser Fälle bespricht Pf. kurz die Grund¬
sätze der Eklampsiebehandlung. Von grossem Wert ist eine
womöglich prophylaktische, auf die Entgiftung des Körpers hin¬
zielende Allgemeintherapie. Die Schnellentbindung ist ratio¬
nell, sie hat die Resultate zweifellos gebessert und ist deshalb
zu empfehlen; aber unrichtig ist es, sie als Allheilmittel zu
preisen. Die Bedeutung des Kaiserschnittes, sei es in Gestalt
der vaginalen Hysterotomie oder in Gestalt der abdominalen
Schniittmethoden, wird heutzutage allgemein überschätzt. Es
gibt wie bei jeder Krankheit leichte und schwere Fälle und
speziell solche Fälle, bei denen jede Therapie von vorneherein
aussichtslos ist. Diese schweren Fälle häufen sich anscheinend
in manchen Gegenden Deutschlands, z. B. in den schwülen
Sommermonaten, wie auch im Winter bei bestimmter Witte-
*) Nach einem bei der Jahresversammlung des deutschen Ver¬
eins für Psychiatrie in Berlin 1908 gehaltenen Vortrag.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1904
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .Vi.
rung. Die Statistiken verschiedener Kliniken geben deshalb
keine zuverlässige Grundlage für die Abschätzung des Wertes
der verschiedenen Behandlungsmethoden. In dem vorliegen¬
den Falle war eine absolute Indikation zur sofortigen Ent¬
bindung gegeben, weil die bereits in den letzten Tagen der
Schwangerschaft sorgfältig durchgeführte Entgiftungstherapie
erfolglos geblieben war und das Krankheitsbild kurz nach Auf¬
treten des 1. Anfalles ein ernstes war. Der abdominale Kaiser¬
schnitt war vorgeschrieben dadurch, dass wegen Hochgradig¬
keit des Vulvaödems der Zugang zum Muttermund abnorm
erschwert war. Der Erfolg der Entbindung für das Kind war
gut, der für die Mutter schien zuerst ausbleiben zu w ollen, in¬
sofern noch 22 Anfälle und schweres Koma, sow ie ungünstige
Urinbeschaffenheit 24 Stunden anhielten, um dann erst zu der
typisch-raschen Genesung zu führen.
Ebenso wie der Kaiserschnitt wird auch die Nieren-
dekapsulation bei der Eklampsie überschätzt. Die wissen¬
schaftlichen Grundlagen für die Operation sind noch recht dürf¬
tig. Ob dieselbe berufen ist, in der Eklampsiebehandlung über¬
haupt eine bedeutsame Rolle zu spielen, ist noch nicht klar. Es
ist nicht zu vergessen, dass die Nierenerkrankung bei der
Eklampsie nur eine — allerdings recht wesentliche — Teil¬
erscheinung in dem gesamten Krankheitsbilde darstellt und
dass sie doch wohl kaum als die eigentliche Ursache auf¬
zufassen ist. Es kann deshalb die Nierendekapsulation nicht
ewimal die Bezeichnung eitner kausalen Therapie beanspruchen.
Trotzdem soll man Versuche damit machen in schw eren Fällen,
besonders bei tiefem Koma und schlechtem Puls, sow ie bei
Anurie, gelegentlich auch bei nicht zu hochgradiger Oligurie,
aber hohem Eiweissgehalt. Die bisherigen Erfolge sind 37 Proz.
Mortalität (17 Fälle der Literatur 4- 2 eigene Fälle), älso an¬
gesichts der Tatsache, dass vorzugsweise die schwersten
Fälle operiert werden, nicht zu schlecht. Pf. hat den Eindruck,
dass die an sich nicht schwierige Operation nicht nennens¬
werten Schaden stiften kann. Er hat 2 solche Operationen
ausgeführt, 1 mal mit tödlichem Ausgang. In dem Genesungs¬
fall (puerperale Eklampsie, ausgebrochen 26 Stunden nach der
Geburt, war von einer Kapsclspamuing der Nieren nicht die
Rede, noch bestand Oligurie, auch wurde die Diurese nach
der Operation zunächst nicht nennensw ert gesteigert und hatte
Pat. innerhalb der nächsten 7 Stunden noch schweres Koma
und weitere 7 Anfälle (es war nach dem 20. Anfall operiert
worden). Jedoch hatten alle Anwesenden den Eindruck, dass
der Fall hoffnungslos aussah, als er operiert wurde.
Herr Baum stellt einen 8 jährigen Knaben mit chronischer
Nephritis und allgemeinen schweren Oedemen vor, bei dem nach
Versagen aller interner Therapie vor 10 'l agen die E d e b o h I s -
sehe Operation gemacht worden war. Oie beiderseitige Kap¬
selspaltung liess sich ungemein leicht ausfiihren, eine Spannung der
Kapsel bestand nicht. Bis jetzt scheint ein günstiger Einfluss er¬
kennbar, indem der Eiweissgehalt von 2 auf 0,8 Proz. gesunken und
die Oedeme zurückgegangen sind. Ein definitives Urteil kann natür¬
lich erst nach Monaten gefällt werden.
Herr Hoehne stellt 3 Fälle von Hebosteotomie vor: 2 allge¬
mein verengte Becken 2. Orades und ein plattrhachitisches Becken
mit Conjunctiva vera von 6,6 cm. Er berichtet ferner über
die Erfolge der 23 bisher an der Kieler Frauenklinik aus¬
geführten Hebosteotomien und erläutert an der Hand von Tafeln die
jetzt an der Klinik geübte Operationstechnrk.
Herr Franz Cohn: Frühaufstehen Laparotomlerter.
Demonstration einer Reihe von Laparotomiertcn, die in der
ersten Woche nach der Operation aufgestanden sind. Es w ird der
günstige Einfluss des Frühaufstehens auf die Hebung des Allge¬
meinbefindens und der spezielleren Körperfunktionen besprochen.
Herr v. Alvensleben stellt eine Anzahl Wöchnerinnen vor,
die am 1. Tage nach ihrer Entbindung aufgestanden sind, berichtet
dann weiter über günstige Erfahrungen die man mit dem Frühauf-
stehenlassen an 100 Wöchnerinnen machte: Die anfänglich mit Miss¬
trauen aufgenommenen Versuche mit Eriihaufstelien ergaben so gute
Resultate, sowohl bezüglich der schnelleren Hebung des Allgemein¬
befindens, als auch der prompteren Rückbildung der Genitalien, dass
man jetzt in der Klinik allen Wöchnerinnen, so weit keine Kontra¬
indikationen vorliegen, das Aufstehen in den ersten 'Pagen nach der
Entbindung nicht nur gestattet, sondern auch anrät.
Herr Gräfenberg schildert die an der Klinik Pfannen¬
stiel geübte Methode der Behandlung der Placenta praevia,
die nicht in der kombinierten Wendung, sondern der
Hystreuryse besteht. Es ist durch die Hystreuryse ge¬
lungen, die Herabsetzung der mütterlichen Mortalität, die wir
der kombinierten Wendung verdanken, zu kombinieren mit
einer Besserung der Kindersterblichkeit. Die Methode ist auch
für die Praxis sehr wohl geeignet, weil sie selbst unter schwie¬
rigen poliklinischen Verhältnissen günstige Erfolge geliefert hat.
0 Proz. Mortalität der Mütter und eine kindliche Mortalität von
14,2 Proz. (N Fälle) sind der Beleg für diese Empfehlung. .
Die Hystreuryse wird stets mit einem elastischen (iummiballoii
ausgeführt, der in das Innere der Eihohle eingeiührt und als¬
dann auf 5tHl ccm aufgeiiillt wird. Man beabsichtigt durch die
Einführung in das Ei eine exakte Tamponade der blutenden Pia-
zentarstellc zu erzielen, und man will gleichzeitig eine stär¬
kere Ablösung durch den Ballon vermuJen. Wenn der Ballon
gebt reu wird, ist die Entbindung ohne Gefahr iur d e Mutter
möglich, der Muttermund ist genügend erweitert. Sie wird
aiisgeführt, wenn der vorliegende Teil nicht in das Becken
eint ritt.
Bei stärkeren Blutungen während der Scliw angerschalt
ist der Muttermund immer für den Ballon passierbar. Schwache
Blutungen sind keine Indikation zum Eingriff. Die neuerdings
w jeder von Z w e i f e 1 empfohlene Dauertamponade der
Scheide wird wegen der Infektionsgefahr nicht geiibt. Abun¬
dante und lebensgefährliche Blutungen konnten ein aktiveres
Vorgehen erheischen, die Sectio caesarea abdominalis oJer
vaginalis. Zu einem solchen Eingriff ist uns bisher niemals
Veranlassung gegeben, die Hvstrcurysc hat sich immer als aus¬
reichend bewährt.
Medizinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung v o m 2. April 190S.
Vorsitzender: Herr U n v e r r i c h t.
Herr Biene ke demonstriert die Rontgcnbildcr eines Falles vmi
Arthropathia tablca des Fussselenkes. Auf dem ersten Bilde war nur
eine Fraktur an der Tibia, im übrigen aber keinerlei Veränderungen
am Gelenk sichtbar. Dieselbe war beim ruhigen Gehen au! der
Mrasse entstanden und Patient war damit noch mehrere "läge umlur-
gelaufen, ehe er einen Arzt konsultierte. Das zweite Bild wurde
0 Wochen später aufgenommen und liess zahlreiche Frakturen an der
Tibia, an der Fibula und am Talus erkennen. Das Gelenk war ganz
deformiert. Irgend ein Trauma hatte m der Zwischenzeit nunt statt-
gefunden. Patient tragt einen >chienenhulsenupparat und kann voll
und ganz, seinem Beruf nacligehen. Sonstige Zeichen einer labcs
waren zunächst noch nicht nachweisbar.
Weiter stellt Herr Blencke einen 8 jährigen Knaben vor mit
sehr stark ausgeprägter, einseitiger Coxa vara, macht auf den t\ pi-
schen Gang und die typischen Erscheinungen dieser Erkrankung auf¬
merksam und zeigt die diesbezüglichen Routgenbilder. Die Geburt
war sehr leicht; cs war nicht das geringste Trauma m der Anamnese
nachweisbar. Pat. hinkte sogleich bei seinen ersten Gch\ersuchen,
so dass anzunehmen ist, dass es sich um eine angeborene Co\a vara
handelt.
Im Anschluss an diesen Fall zeigt dann Herr Blencke einen
Jungen von ö Jahren und einen erw achsenen Menschen mit Schenkel¬
halsfraktur, bei denen sich auch eine sogen, traumatische Co\a vara
ausgebildet hatte.
Sodann zeigt Blencke die Röntgenaufnahme eines (»jährigen
Mädchens, das ihm wegen einer angeborenen doppelseitigen Hi.it-
gelenksluvatioii zugewiesen war. Der Gang war der iur diese Fr-
kraiikimg typische, aber es handelte sich nicht um eine Solche. Die
Kopfe standen in der Pfanne lind der Schenkelhals war beiderseits
ganz steil aufgerichtet im Sinne einer C"\a valga. \ crzeichnungen
infolge falscher Lagerung bei der Aniuafupc lagen nicht \or. Bl. de¬
monstriert eine Reihe von Bildern, wo letzteres der Fall war lind wo
ähnliche K raukheitsbilder vorgetaiischt w erden konnten, wie das \<»r-
hegende, wenn man nur nach dein R<>ntgenbf{dc urteilte, ln dein
demonstrierten Fall lag nach Ansicht B.s eine sogen. Antcversion im
oberen Drittel des Femur vor. die bedingt war durch das Eeberw legen
gewisser Miishelgruppeu über die mMge einer in frühester Jugend
durchgemuehten Pol. aut. acuta gelahmten Antagopisten, Bl. glaubt
nicht fehl zu gehen in der Annahme, dass dieser fall Vorkommen
analog ist dem seinerzeit von Reichardt auf dem Chirurgen¬
kongress vorgestellten, den er selbst gerontgemsn. rt halte und den man
damals damit abtwn zu können glaubte, dass man sagte, es handele
sich um Verzeichnungen des Schenkelhalses infolge iuSeiler Hcm-
stellung bei der Röntgenaufnahme.
Herr Kamann: Leber die Tuberkulose des schwangeren
und puerperalen Uterus, über die Tuberkula der Plazenta und
über die fötale tuberkulöse Infektion.
Difitized by
Gck igle
Original frorn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1905
Während die Tuberkulose des nicht schwangeren weib¬
lichen Genitales sich als eine nicht seltene, in manchen Gegen¬
den sogar recht häufige Erkrankung herausgestellt hat und
heutzutage Allgemeingut der ärztlichen Diagnostik geworden
ist, sind die Tuberkulose des schwangeren und puerperalen
Uterus, die Tuberkulose der Plazenta und die fötale tuberku¬
löse Infektion auf dem Wege durch die tuberkulös erkrankte
Plazenta noch weniger allgemein bekannt.
Vortragender entwirft, gestützt auf eigene Untersuchungen
und eingehendes Literaturstudium, ein Bild von den genannten
Veränderungen und kommt zu dem Schlüsse, dass sie zuver¬
sichtlich wesentlich häufiger Vorkommen, als man nach der
in der Literatur vorhandenen Kasuistik annehmen könnte, dass
jedoch die fötale tuberkulöse Infektion auf dem Wege durch
die tuberkulös erkrankte Plazenta im Vergleich zur Häufigkeit
der Tuberkulose überhaupt nur als eine seltene Infektionsweise
gelten kann und dass ihr eine erhebliche praktische Bedeutung
wohl kaum beigemessen werden darf. Die Möglichkeit, dass
bei plazentarer Tuberkulose in fötale Zottengefässe intrauterin
eingedrungene Tuberkelbazillen im extrauterinen Leben tuber¬
kulöse Veränderungen kindlicher Organe erzeugen und dass
ein Teil der Tuberkulosefälle des frühesten Kindesalters so zu
erklären ist, muss freilich zugegeben werden.
Herr Retzlaff: lieber die letzte Diphtheritisepidemie
nach den Beobachtungen in der Krankenanstalt Magdeburg-
Sudenburg. (Erscheint in extenso in der Zeitschr. f. Kinder¬
heilkunde.)
Herr E. Schreiber berichtet kurz über die Anwendung
der Pyozyanase bei Diphtherie. Die Erfolge waren im ganzen
sehr günstige, zumal auch bei der Nasendiphtherie kleinerer
Kinder. Selbstverständlich wurde daneben stets hochwertiges
Diphtherieserum benutzt Ausführlicher wird über die Er¬
folge von anderer Seite berichtet werden.
Herr Leo: Ueber manuelle Lösung der reifen Plazenta.
Vortragender geht vom physiologischen Verlauf der Nach¬
geburtsperiode aus und schildert nach einem kurzen histori¬
schen Ueberblick die moderne Nachgeburtsleitung. Er betont
dabei den Grundsatz, dass erst dann exprimiert werden darf,
wenn sich aus den klinischen äusseren Zeichen ergibt, dass
sich die Plazenta spontan gelöst hat. Die Störungen der Plä-
zentarablösung und -austreibung sowie ihre Therapie werden
dann kurz besprochen und besonders die anatomischen Ver¬
hältnisse bei der Inkarzeration der gelösten Plazenta und der
so seltenen, aber hochinteressanten Plazentarverwachsung er¬
örtert. Vortr. geht auf die Aetiologie .dieser Anomalien ge¬
nauer ein, wobei er die habituellen Nachgeburtsstörungen
streift, und gibt dann die Indikationen für die manuelle Plazen¬
tarlösung, die meist unnötig gemacht würde und in sehr vielen
Fällen, wo sie wirklich indiziert wäre, erst durch schlechte
Nachgeburtsleitung erforderlich gemacht wäre. Prognose und
Technik der Operation bilden den Schluss. Zur Verbesserung
der Asepsis wird dabei empfohlen, einerseits den Uterus herab¬
zudrücken oder herunterzuziehen, bis das Os externum vor
der Vulva liegt, um die Scheidenkeime zu vermeiden, ändert,
seits immer nur mit an der Hand desinfizierten Gummihand¬
schuhen zu lösen, um die Infektion durch Handkeime aus-
zuschliessen.
Sitzung vom 16. April 1908.
Vorsitzender: Herr Unverricht.
Herr Sandmann: Ueber die Vereiterung beider Horn¬
häute und über Conjunctivitis gonorrhoica unter dem Bilde
der Conjunctivitis diphtheritica. (Erscheint in extenso an
anderem Ort.)
Herr Schlüter: Ueber die Behandlung der Herzhyper¬
trophie. (Erscheint an anderem Ort.)
Herr Hilger demonstriert die „Wandtafeln zur Alkoholfrage,
herausgegeben von Max Qruber und Emil Kräpelin 1 )“ sowie
„Referententafeln über die Alkoholfrage von Dr. H o 1 i t s c h e r 2 )“.
l ) J. F. Lehmanns Verlag, München.
*) Verlag Joh. Michaelis- Berlin, S. 42.
Aerztlicher Verein München.
(Eigener Bericht.)
Sitzung vom 6. Mai 1908.
Herr Trommsdorff: Milchhygiene.
Herr Kr ecke demonstriert:
1. 4 Patienten, bei denen eine Struma entfernt wurde, bei 2 vor
9 Tagen, bei 2 vor 5 Tagen. K. verweist auf die ausserordentlich
glatte Heilung der Strumaoperationswunden und hebt die Vorteile
der Hautklammern bei der Wundbehandlung hervor.
2) 2 Fälle von operierter Ileozoekaltuberkulose; in dem einen
Tumor war makroskopisch keine Spur von Tuberkulose zu erkennen,
erst die Untersuchung der Drüsen wies das Vorhandensein von
Tuberkulose nach.
3. Ein Aneurysma der Arteria poplitea, mit Erfolg operiert.
4. Ein Fall von Invaglnatlon des Dünndarmes bei einem 3jdhr.
Kinde, Resektion, Exitus.
5. 4 Fälle von Nebennierenadenom; sämtlich geheilt. Bemer¬
kenswert ist besonders der eine Fall, in dem die Heilung seit 2 Jahren
besteht, trotzdem schon der Tumor in die Vena cava hineinge¬
wachsen war.
Herr Hans v. B a e y e r zeigt:
a) ein Kind, an dem ausser Atrophie und Verkürzung eipes Beines
starke Valgussteilung des Fusses auffällt. Die Röntgenaufnahme er¬
gibt kongenitalen Defekt der Fibula und des V. Fusssträhles. Da
keine Narben an dem Bein zu finden sind, glaubt Vortr., dass es sich
hier nicht um eine anatomische Abschnürung handelt, sondern dass
Druck in der Fötalperiode die Ursache der Deformität ist. Er er¬
innert an die Versuche von Lucksch, der durch Einschieben von
Deckglassplitterchen in ein angebrütetes Entenei die Ausbildung
ganzer Extremitäten verhindern konnte.
Therapie: Vorläufig Schiene, später Arthrodese in Spitzfuss-
stellung.
b) ein skoliotisches Kind, bei dem die Nackenlinie auffallend
geradlinig verlief. Das Röntgenbild bestätigte die Vermutung, dass
es sich um Halsrippeh handle. Im Anschluss hieran erörterte Vortr.
kurz den Begriff der numerischen Variation der Wirbelsäule. Sie
besteht darin, dass bei Variationen an der Wirbelsäule nicht nur ein
Wirbel variiert, sondern dass meist ein ganzer Abschnitt der Wirbel¬
säule entweder gegen den Kopf oder kaudal um 1—2 Wirbel ver¬
schoben ist. Die Variation kann einseitig sein.
Herr Gebele: Demonstrationen.
1. Unterbindung der Carotis communis dextra wegen Aneurysma
traumaticum vor 4 Jahren. Das Aneurysma hatte sich im Anschluss
an Stichverletzung in der Fossa retromandibularis entwickelt. Die
nach der Operation rasch sich einstellenden schweren Hirnstörungen
sind bald geschwunden, die Hemiplegie links ist dagegen ganz lang¬
sam zurückgegangen, so dass jetzt noch die Bewegungen des linken
Armes und Beines kraftlos, die Muskulatur atrophisch und die Ge¬
lenke z. T. kontrakt sind. Die Unterbindung der Carotis communis
ist immer ein sehr folgenschwerer Eingriff, im gegebenen Fall lag
eine Indikation hiefiir vor.
2. Radikaloperation einer sehr grossen immobilen Nabelhernie
nach Graser. Die Heilung erfolgte glatt. Der von Graser ge¬
fürchtete Operationsschock trat nicht ein. die nostonerative Darm-
narese blieb aus. Exakte Asepsis und gründliche Blutstillung sind
Vorbedingungen der ungestörten Heilumr. Die Operationsmethode
wird für alle grossen Nabelhernien empfohlen, sie leistet mehr als
die G e r s u n y sehe Methode.
3. Frühoperation einer Perianpendizitis pnrulenta acuta am 5. Tag
nach Beginn der Erkrankung. Temo. 37,1 °. Puls 84, massige Druck¬
empfindlichkeit des Tumors — trotzdem waren retrozoekale Eiterung
und Perforation des Wurms gegeben. Der Fall zeigt so recht, dass
jeder periappendizitische Tumor, der nicht innerhalb des Intermediär¬
stadiums ganz oder fast ganz schwindet, zweifelhafter bezw. eitriger
Natur ist und eine Appendicitis destructiva zur Grundlage hat. Ein
derartiger Tumor ist am 4.—6. Tag operativ und zwar radikal zu
behandeln. Der Versuch, ihn ins anfallsfreie Stadium iiberzufiihren,
kann sich gefahrvoll gestalten und hat die Münchener Klinik früher
bei derartigen Versuchen 26 mal sekundäre Perforation. 5 mal All¬
gemeininfektion erlebt. Gebele berichtet dann noch an der Hand
von Tafeln über sämtliche operierte und nichtoperierte Appendizitis¬
fälle vom März 1904 bis März J908.
Diskussion: Herr Höflmayer fragt an. ob bei dem
Patienten, bei dem die Unterbindung der Karotis gemacht wurde,
ein Augen- und Augenspiegelbefund aufgenommen worden ist, speziell
auch wie das Verhalten der Pupille war.
Herr Erich Meyer: 1. Ueber eine Vergiftung durch Bismuth.
subnitricum.
In einem Fall doppelter tuberkulöser Darmstrikturen kam es
nach zweimaliger Applikation von grossen Bismuth. subnitricum-
Dosen zum Zwecke röntgenologischer Untersuchung wenige Stunden
nach der Durchleuchtung plötzlich unter hochgradigster Zyanose
und Blässe zum Exitus letalis. Noch intra vitam wurde festgestellt,
dass das Blut braun war und viel Methaemoglobin enthielt.
Der post mortem untersuchte, zwischen den beiden Stenosen be-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1906
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36.
Endliche Darminhalt enthielt viel Nitrit. Es handelte sich hier
um eine Vergiftung dadurch, dass das Bismuth. subnitric. im Darm
reduziert worden war, wie es B ö h m e in einem Palle der Marburger
Kinderklinik rtachgewiesen hat und dadurch das Bild einer Nitrit-
vergiftung zu stände gekommen war. Dieser Pall ist nicht ver¬
einzelt. Vor Jahren ist einmal eine Patientin nach einer Durchleuch¬
tung mit Bismuth. subnitr. kollabiert und zyanotisch geworden. Sie
erholte sich aber bald wieder. Das Vorkommnis ist ungeheuer
selten, scheint aber gerade unter ganz besonderen, nicht voraus¬
zusehenden Umständen bisweilen vorzukommen. Einige ähnliche Pülle
sind in Amerika beobachtet worden. In allen Fällen von Vergiftung
nach der Applikation grosser Bismuth. subnitric.-Dosen handelte es
sich nach den pharmakologischen Erscheinungen der Vergiftung nicht
um Wismut- sondern um Nitritvergiftung. Die Methämoglobin-
bildung ist nicht durch Wismut(Metall)vergiftung, sondern durch Re¬
sorption gebildeten Nitrites zu erklären. Deshalb soll man das Bis¬
muth. subnitric. durch ein anderes Wismutsalz ersetzen.
Es wurden Versuche mit Albuminverbindungen gemacht, die sich
aber nicht bewährten. Bismuth. oxydat. eignet sich flir diagnostische
Zwecke nicht, weil es sich zu rasch sedimentiert, dagegen fand Vor¬
tragender im Bismuth. carbonicum ein ausgezeichnetes Er¬
satzmittel. Es wurde bisher in ca. 100 Fällen je im Krankenhaus
rechts und links der Isar auf seine Veranlassung ausprobiert. Das
Bismuth. carbonic. scheint unschädlich zu sein, sedimentiert sich noch
langsamer als Bismuth. subnitric. und macht auch keine Auftreibung
des Magens oder Darmes durch Kohlensäureentwicklung.
2. Bericht über einen Pall von Thymustumor und Myasthenie.
Es handelte sich um einen 47 jährigen Mann, der seit vielen Jahren an
auffallender Muskelschwächc und leichter Ermüdbarkeit
-litt. Beim Krankenhauseintritt bestand hochgradige Zyanose. Er¬
weiterung der Venen am Hals und über der Brust, Dämpfung über
dem Sternum, im Röntgenbild grosser, dem Herzen aufsitzender
Schatten. Starke mechanische Erregbarkeit fast aller Muskeln und
Muskelschwäche, keine myasthenische Reaktion. Auffallend war der
Blutbefund: bei normaler Leukozytenzahl 60 Proz. kleine Lympho¬
zyten. Im Urin war eine geringe Menge Zucker. Pat. starb plötzlich
unter hochgradiger Atemnot. Die klinische Diagnose lautete: Thv-
mustumor, Myasthenie. Die Sektion bestätigte die Diagnose. An
dem Pall ist besonders lehrreich die Kombination: Muskelschwächc.
Thymustumor. Lymphozytose. Vortragender erinnert daran, dass
bei Basedowscher Krankheit eines der auffallendsten Symptome
die Muskelermfidbarkeit ist; bei dieser Krankheit findet man. wie
Oierke und Rössle gezeigt haben, hvperplastische Thvmus. Bei
den in der Literatur niedergelegten Fällen von Myasthenie bestand
häufig persistierende Thymus und allgemeiner Status Iymphaticus mit
relativer Lymphozytose.
Angeregt durch diesen Fall hat Vortragender das Blut von zwei
gerade auf der Klinik anwesenden Kranken mit Basedow scher
Krankheit untersucht und zweimal eine Lymphozytose bis zu 36
und 40 Proz. gefunden. Bei einer dieser Kranken war der Blutbefund
aber nicht konstant vorhanden; er wechselte. Nachträglich fand
Vortragender in der Zusammenstellung von Kocher die Lympho¬
zytose bei Basedowscher Krankheit als öfters vorkommendes
Symptom erwähnt; er spricht die Vermutung aus. dass zwischen dem
Status Iymphaticus mit Thymustumor und der Muskelschwäche eine
Beziehung besteht.
3. Demonstration eines Kranken mit Diabetes insipidus. Vor¬
tragender stellt einen Pat. mit renaler Form des Diabetes insipidus
vor. Der Kranke war früher stark fettsüchtig, hat eine luetische
Infektion gehabt und litt Jahre lang an Schncrvenatrophie. Diese
verhindert ihn heute noch seinen Beruf als Uhrmacher auszuüben.
Der Kranke war an vielen Kliniken Deutschlands und Englands,
wurde auch einmal zur Kur nach Karlsbad geschickt, ohne gebessert
zu werden. An der Hand dieses Palles bespricht Vortragender die
verschiedenen Formen der Polyurie und die Differentialdiagnose zwi¬
schen primärer Polyurie und primärer Polydipsie. Entgegen den
Einwänden Reichardts, der nach dem Vorgänge R i c g e r s be¬
hauptet, jeder als Diabetes insipidus aufgefasste Pall sei eine primäre
Polydipsie bei psychisch abnormen Personen, hält Meyer an seiner
Anschauung fest, dass es zwei verschiedene Formen gibt, von denen
nur die primäre Polyurie den Namen Diabetes insipidus verdient.
Reichardt hat die von Meyer früher publizierten Fälle umge¬
deutet und ohne die Kranken zu kennen ihnen psychiatrische Dia¬
gnosen angehängt. Dieses Verfahren ist unzulässig. Das psvchischc
Moment ist nicht vernachlässigt worden und die aus der Literatur ge¬
stellten Diagnosen Reichardts, w'ie die der Hypochondrie bei
völlig psychisch gesunden, fröhlichen Menschen entbehrt nicht der
Komik. Zum Uebcrfluss sind eine Reihe von M e y e r s Patienten von
psychiatrischer Seite (Dr. Alzheimer) untersucht und als normal
erklärt wmrden. Derart einseitige Geistesstörungen, wie Rei¬
chardt sie annimmt, gibt es nicht. Die genaue chemische Unter¬
suchung neuer Fälle hat nun ergeben, dass die Erklärung vieler Tat¬
sachen beim Diabetes insipidus durchaus nicht durch psychische
Alterationen begründet werden kann. Wie soll man es z. B. auffassen,
wenn die Patienten (neue Beobachtungen) nach einem Tag, an dem
sic unter Theoz.indarreichung massenhaft Kochsalz aus ihrem Körper
durch den Urin ausscheiden. dieses am nächsten Tag einsparten und
gleichzeitig mit der verringerten Kochsalzausscheidung nun auch
W'eniger Wasser ausscheiden mussten? Aelmlichc Argumente lassen
sich noch in grösserer Zahl Vorbringen.
Bei dem vorgestellten Kranken sind vier Momente bemerkens¬
wert: 1. Auffallende Schwankungen im Körpergewicht, die auf zeit¬
weise retiniertes Wasser bezogen werden müssen, vorübergehend
spurenweises Auftreten von Knochelodemen. 2. Trotz jahrelanger un¬
geheurer Wasserzufuhr, bis zu 2(1 Litern, vollkommen normales, nicht
hypertrophisches Herz (Orthodiagraphie) normale Gelasse und nor¬
maler Blutdruck. Sämtliche vom Vortragenden daraufhin unter¬
suchten Fälle (11) hatten normale Zirkulationsorganc. Ein Fall
kam zur Obduktion und zeigte auch anatomisch keine Veränderung.
Auch bei dem seit frühester Kindheft bestellenden Diabetes insipidus
des Kranken fehlten Blutdrucksteigerung uuJ Herzvergrosserung
immer. Dieser Umstand zeigt aufs deutlichste, dass bei den Bier¬
trinkern mit hypertrophischem Herzen nicht die Flüssig¬
keitsmenge als solche die Ursache der Erkrankung ist. sondern
die im Bier enthaltenen schädlichen Giltstoffe. 3. Der Kranke ist in
seinem Befinden, entgegen den primären P o I y d i p s i e n.
vollkommen abhängig von der Diät. Wahrend Kranke mit pri¬
märer Polydipsie nicht lange bei salzarmer Kost aushalten. kehrt
dieser Kranke, wie alle diejenigen mit renalem Diabetes in¬
sipidus immer wieder zur genannten Kostform gerne zurück.
Interessant ist ferner, dass diesem Kranken eine durchgemachte
Karlsbader Kur, wie vorausgesetzt, sehr schlecht bekam. Der
Diabetes insipidus ist demnach eine Kontraindikation gegen diese Art
der Behandlung. (Vergl hierzu die Bemerkungen von F. Kraus
im klinischen Teile des Deutschen Bäderbuches.) 4. Bei dem
Kranken besteht ferner eine Anhidrosis. Trotzdem nimmt im
elektrischen Schwitzbad seine Körpertemperatur nicht mehr zu als
die des Normalen, w as eine schone Bestätigung für die von M e r i n g
und W i n t c r n i t z. aufgestellte Anschauung über die Bedeutung der
Wasserabgabe bei Schwitzprozeduren bedeutet.
Herr H. D ü r c k: Kasuistische Mitteilungen und Demonstrationen.
1. Ueber Mediastlnalsarkom. Der von Herrn F. M ever be¬
sprochene Fall zeigt auch anatomisch (makroskopisch und mikro¬
skopisch) grosse Aehulichkeit mit Thvmusgew ebc. Die Geschw ulst
war in die obere Hohlvcne und von hier bis in den rechten Vorhof
cingcwachsen.
2. lieber akute knötchenförmige syphilitische Meningitis. Vor¬
lage eines weiteren Falles bei einem 13 monatlichen Kinde (im An¬
schluss an die Demonstration vom 10. Juli l l *'7; M. med. W. No. 43,
1907).
3. Sehr grosses, durch die Thoraxwand perforiertes Aneurysma
des Aortenbogens.
4. Diffuses Gliom des poiis und der Medulla obhmgata.
5. 4 Monate alte Verletzung des Schädels und des Gehirns mit
Eröffnung der linken Seitenkammer bei einem 7 jährigen Kinde durch
den Eisenzahn einer Egge.
Aerzüicher Verein in Nürnberg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 7. M a i 190S.
Vorsitzender: Herr O o I d s c b in i d t.
Herr Hahn berichtet über 6 Falle aus der Extremltaten-
chlrurgle und stellt sämtliche Patienten vor:
1. einen Mann, bei dem sich nach einer Oberarmfraktur eine
vollständige Lähmung des Nerv, radialis eingestellt hatte, in Wochen
nach der Verletzung wurde der Nerv freigelegt, er verlief gerade
über der Bruchstelle, war mit dem PerioM um g verwachsen, schmal
und abgeplattet und rötlich imbibiert. Anhebung des Nerven an den
M. brachialis und Uebernahen des alten Bettes. Der Erfolg schien
monatelang wegen des lange Zeit un veräiuk r ten Bestehens kom¬
pletter Fntartungsreaktion äusserst fraglich; sch! erlich trat, nach¬
dem von nervenärztliclier Seite die elektrische Behandamg lange Zeit
fortgesetzt wurde, völlige funktionelle Heilung e.n.
2. Totalexstirpation des Schulterblattes wegen chronischer
Osteomyelitis (vergl. XXXIII. Chirurgenkongress l‘X‘4 und Arch. f.
kliri. Chirurgie. Bd. 74, II. 2). Vorstellung des Patienten und De¬
monstration stereoskopischer Bilder des Präparates. Das Schulter¬
blatt hat sich vollkommen regeneriert, die Funktion des SJmlter-
geienkes lässt nichts zu wünschen übrig; Pat. turnt an Barren und
Reck und gebraucht den Arm völlig normal. Ausführlicher Bericht
erfolgt noch im Arch. f. k!;n. Chir.
3. Talusexstirpation wegen Tuberkulose. 7jä ,r ger Knabe,
völlig normal bewegliches Fussgelenk; die bestehende Verkürzung ist
unauffällig.
4. Tibiasarkom nach Unfall bei 22 übrigem Manne. B r u n s sehe
Amputation; im Stumpf hat sich entsprechend der Peru stmanschette
ein 6 cm langer Knochen als Fortsetzung der 'Tibia gebildet. Kein
Rezidiv.
5. Patient mit subkutaner Zerrelssung des Llg. patellae propr.
durch Sturz auf der 'Treppe. Naht des K'apselrisses und des Liga-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1907
mentes, das Band war in sich aufgerollt und lag im Gelenkspalt.
Geht nach 8 Wochen mit einem Stock; Funktion jetzt völlig normal.
6. Patient, den Vortr. vor 4 Jahren vorstellte mit der Diagnose:
Sarcoma scapulae, Riesentumor. Der sehr harte Tumor war in
5 Jahren gewachsen. Der Verlauf sprich! gegen Sarkom, Tumor wird
immer kleiner und weicher, wohl infolge Jodkalikur, doch will sich
Patient zu energischer antiluetischer Behandlung nicht entschlossen.
(Photographie vom Jahre 1904.)
Herr Mainzer: 1. Tumor der Medulla oblongata.
21 jähriger Bursche, in der Anamnese nichts für Lues, Taenia,
Trauma oder Infektionskrankheiten in letzter Zeit; vor Jahren Stich^
Verletzung des Nervus medianus am linken Handgelenk. Beginn
plötzlicher Schmerz beim Heben am Hinterkopf links, dann Schwindel,
ab und zu Erbrechen mit starkem Würgen im Anfang, leichter Kopf¬
schmerz am Hinterkopf und Scheitel. Schwindel bei Sehen mit einem
und mit beiden Augen; bei linker Seitenlage und tiefliegendem Kopf
systematischer Schwindel: Bewegung der Gegenstände in der
Verl'ikalebene des Raumes. Schlingbeschwerden. Veränderung der
Sprache von Angehörigen behauptet, von ihm selbst bestritten. Per¬
kussion am Hinterhaupt links schmerzhaft. Druck auf linkem Warzen¬
fortsatz von unten schmerzhaft. Mechanische Erregbarkeit des
Eazialis beiderseits gesteigert. Kornealreflexe stark herabgesetzt
Pupillen in Ordnung; horizontaler und rotatorischer Nystagmus in
den Endstellungen 1 > r.; bei linker Seitenlage und tiefliegendem
Kopf horizontaler Nystagmus in jeder Augenstellung; in Rücken-,
Bauch-, rechter Seitenlage nicht. Paresen der Abduzentes 1> r. (und
Trochleares?). Augenhintergrund intakt. Gesichtsfeld ohne Skotome
eingeschränkt. Unterkieferreflex 1. < r. Zunge zeigt Entartungs¬
reaktion, links elektrisch, mechanisch, palpatorisch; rechts bei der
letzten Untersuchung Verdacht auf beginnende Degeneration. Geruch
herabgesetzt (Bauer). Geschmack intakt. Gaumenreflexe intakt;
Rachenreflexe aufgehoben. Gaumen- und Rachenmuskeln funk¬
tionieren. Sprache etwas verschwommen; Hypalgesie an Unterkiefer¬
halsgegend beiderseits. Kopfhaltung nach rechts; beim Prüfen sym¬
metrischer Kopfstellung zu weit nach rechts; passive und aktive
Kopfbewegung bei geschlossenen Augen vermehren Schwindel nicht.
Armreflexe symmetrisch gesteigert; Bauchreflexe rechts auslösbar,
links nur der untere; Patellar- und Achillesklonus links; Strümpell+,
Bahinski—, rechts gesteigerte Reflexe. Extremitäten links leicht
ataktisch. Romberg. Gang mässig taumelnd. Keine Glykosurie,
Fieber oder psychische Störungen. Gleichmässig progressiver Ver¬
lauf; keine Krämpfe, kein Druckpuls.
2. Fall von postluetischer spastischer Spinalparalyse.
44 jähriger Mann; 1888 angeblich Tripper, aber mit Substanz¬
defekt; vor ca. 10 Jahren Doppeltsehen; vor 8 Jahren nächtliche
Krämpfe der linken Extremitäten bei vollem Bewusstsein, starker
Kopfschmerz; Nikotinabusus. Seit 2 Jahren leichte Schwellungen in
den Beinen. Urin in 2—3 Portionen entleert; Libido gesunken, Erek¬
tion anfangs intakt bei fehlender Ejakulation, später sehr geschwächt.
Links am Nacken und in der Ellenbeuge Drüsenschwellungen. Pu¬
pillen miotisch, jetzt reflektorisch starr, Konvergenzreaktion besteht.
Optikus intakt; Ulnaresstämme auf Druck nicht schmerzhaft. Zweiter
Aortenton stark akzentuiert, Kältehyperästhesie am Leib, Bauchfell¬
reflex deutlich, Knie- und und Achillesklonus beiderseits, links Ba-
binski und Strümpell, reflektorische Hypertonie, Sensibilität am Unter¬
schenkel und Fuss gestört, Ataxie angedeutet; leichte Gleichgewichts¬
störung. Gleichmässiger Verlauf.
3. Fall von hereditärer Lues — Tabes.
22jähriges Mädchen; Mutter debil, Vater starb, Todesursache
unbekannt; Mutter hatte 3 Aborte, 1 Kind starb an angeborenem
Vitium cordis, 1 Kind angeblich gesund, das jüngste Kind unsere
Patientin; immer schwächlich, spät laufen gelernt, protrahierte
Enurese; schwach begabt. Scharlach als Kind, ohne bleibende Folgen.
Seit etwa dem 13. Lebensjahr geistig schwächer (zurückbleibend
oder zurückgehend?). Mit 17 Jahren Menses; Unsicherheit im Gehen
seit der Menstruationszeit etwa; nie Exazerbationen im Krankheits¬
verlauf. Mit 21 Jahren gravid; im 8. Monat nahezu schmerzlos ver¬
laufende Sturzgeburt hn Klosett bringt lebendes, schlecht ent¬
wickeltes Kind zutage ohne makroskopische Zeichen hereditärer Lues
bei der Sektion, jetzt gravid im 9. Monat.
Parrotsche Schädelbildung, Schartenbildung der Oberlippe
angedeutet, Hutchinson sehe Zähne, zurückgebliebenes Längen¬
wachstum des Körpers, aufgetriebene Epiphysenenden der Unter¬
extremitätenknochen. Schilddrüse kaum fühlbar; abgelaufene
Chorioiditis specifica und Glaskörpertrübungen am linken Auge. Pu¬
pillen mydriatisch r. >1., reflektorisch starr; Konvengenzreaktion vor
1 Jahr intakt, jetzt leicht gestört; Optikusatrophie beiderseits. Ul-
naris nicht durch Druck schmerzempfindlich: Bauchreflexe lebhaft;
Kältehyperästhesie; Knie- und Achillesreflexe fehlen; Ataxie und
Romberg gering; Sensibilität wegen Imbezilität nicht prüfbar. Die
Intelligenzstörung zeigt die Züge der Imbezillität und ist seit der Be¬
obachtung (1 Jahr) nicht progredient.
Herr Landmann: Ueber einen seltenen Fall von Idio¬
synkrasie gegen Hühnereiwelss mit Beitrag zur Würdigung des
Fleichsaftes Puro. (Der Vortrag erschien unter den Originalien
in No. 20 dieser Wochenschrift.)
76. Jahresversammlung der British Medical Association
in Sheffield
vom 29. bis 31. Juli 1908.
(Fortsetzung.)
Abteilung für Chirurgie.
Die erste Diskussion, die von Sir Watson C h e y n e - London
eröffnet wurde, betraf die Diagnose und Behandlung der bösartigen
Geschwülste der Brust.
C h e y n e und andere Redner bedauern, dass die Diagnose mit
der Vervollkommnung der operativen Technik nicht gleichen Schritt
gehalten hat. Er empfiehlt eine sehr schonende Untersuchung, da
man durch starkes Drücken leicht Krebszellen in die Lymphbahnen
pressen kann. Als pathognomisches (wenn vorhandenes) Symptom
betrachtet er eine Ungleichheit im Niveau beider Brustwarzen; durch
Schrumpfen des Tumors steht die Warze der kranken Seite höher.
Bei allen zweifelhaften Fällen entscheidet die Probeexzision; man
darf niemals in den Tumor schneiden, sondern muss ihn in toto
entfernen, eine sofort vorgenommene Untersuchung entscheidet, ob
man die Radikaloperation anzuschliessen hat. Die Haut muss weit
im gesunden Umschnitten werden, noch mehr muss stets von der
Faszie entfernt werden. Stets ist die oberste Lage (bei stärkerer
Verwachsung der ganze Sternalabschnitt) der Pectoralis major zu
entfernen Die Klavikularportion und der Pectoralis minor können
zurückgelassen werden, stets entferne man ihre Faszien. Bei stär¬
kerer Beteiligung der Achseldrüsen ist auch das hintere Halsdreieck
auszuräumen. Die Ausräumung der Achselhöhle beginne man von
eben, so dass die Lymphbahnen gleich von Anfang an durchtrennt
werden. Durch Unterminieren der Haut kann man die Wunde meist
schliesscn. Den Arm lagere man nach der Operation rechtwinklig
und massiere bald.
H. J. S ti 1 e s-Edinburgh legt zweifelhafte Tumoren in Acid.
nitr. Nach wenigen Minuten in einer 5 proz. Lösung wird das Epithel
opak, das Bindegewebe gelatinös. Man kann auf diese Weise sofort
die Diagnose machen. Das Kollo-idkarzinom hält er für weniger ge¬
fährlich, es ist dabei nicht immer nötig die Radikaloperation zu
machen. Bei wahrem Sarkom ist die Ausräumung der Achselhöhle
überflüssig. Er fordert für gewöhnlich als Minimum: weite Ent¬
fernung der Haut, noch weitere der Faszie. Entfernung des Fettes
und der Faszie des epigastrischen Dreiecks. Er rechnet weniger als
2 Prozent Mortalität und 40—50 Proz. Dauerheilungen. Als Anästhe-
tikum benutzt er Chloroform, da es bei Aether mehr blutet. Ehe
Subskapulargefässe sind völlig zu entfernen, der Nervus subscapularis
und der N. poster. thoracicus sind womöglich zu erhalten. Die Supra-
klavikulardrüsen sind nur in Ausnahmefällen zu entfernen. Bei ulze-
rierten Krebsen entfernt er zuerst nur die Brust, 14 Tage später
schliesst er die Radikaloperation an.
Rutherford M o r i s o n - Newcastle empfiehlt in manchen Fällen
das hintere Halsdreieck auszuräumen, man muss dabei den Kopf¬
nicker durchschneiden und alle Drüsen in der Nähe der Jugularis ent¬
fernen. Von 115 Fällen, die länger als 3 Jahre operiert sind, leben 31,
alle haben gute Funktion des Armes. Bei jungen Frauen entfernt er
gleichzeitig die Eierstöcke, um Schwangerschaft zu verhindern:
mehrere Monate nach der Operation behandelt er lokal mit Röntgen¬
strahlen.
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Gck igle
Original frnrri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
190S
MUENCHENLR MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
N*j. J6.
Lynn T h o m a s - Cardiff betont, dass RöntRenstrahlen rezidi¬
vierende Krebsknötchen zum Verschwinden bringen können. Die
moderne Operation gewährt leider keinen Schutz gegen das Auftreten
intrathorazischer Metastasen. Ausgedehnte unterminierte hautlappen
bleiben leichter am Leben, wenn man sie an mehreren Stellen punk¬
tiert und sie an die Interkostalmuskeln annäht, Er verwendet Aether
mit der offenen Methode als Anästhetikum.
Cresp E n g 1 i s h - London verwirft die offene Aethernark >se.
er entfernt stets die Supraklavikulardriisen
Ryall-London entfernt den ganzen Pectoralis major, lässt
aber den minor zurück, das Halsdreieck räumt er nur aus, wenn es
erkrankt ist.
Sampson H a n<d 1 e v - London empfiehlt vor der Operation
stets das Becken zu untersuchen, da man oft Metastasen in den
Organen des Beckens findet. Er glaubt, dass viele Operateure zu
viel Haut und zu wenig Easzie entfernen. Der Tumor verbreitet sich
durch Permeation, nicht durch Emboüsmus, und so muss der Tumor
das Zentrum der Operation bilden. Die Klavikularportion des Pekto-
ralis lässt er zurück, viel gefährlicher ist der Serratus magnus. Eiir
kurze Zeit nach der Operation verwendet er Röntgenstrahlen. Den
Arm fixiert er 14 Tage an der Brust. Bei chronischem Oedem ist
es ihm gelungen, durch Einlegung starker Seidenfäden unter die
Haut des Armes und der Schulter neue Abflusshalmen für die Lymphe
zu schaffen.'
Evans-London warnt vor Inzisionen des Tumors in situ Es
ist völlig überflüssig, den Arm nach der Operation zu fixieren.
Douglas D r e w - London hält den Kolloidkrebs fiir ebenso ge¬
fährlich als die anderen Arten.
B e 11 - London hat in 17 Jahren nie eine operative Heilung des
Brustkrebs gesehen und verwirft deshalb jede Operation.
M u r p h y - Chicago empfiehlt als Anästhetikum Aether mit der
offenen Maske zu geben.
Jordan L I o y d - Birmingham warnt vor der Operation vor¬
geschrittener Balle. Schon jetzt sind die Trauen vielfach so ent¬
täuscht über die Erfolge der Operation, dass viele sich nicht mehr
operieren lassen wollen. Nur eine genaue Auswahl der Bälle kann
das Vertrauen in die Chirurgie wieder hcrstellen.
Dann sprach Ryall -London über die Technik der Krebsopera-
Üonen hinsichtlich der Vermeidung von Krebsaussaat. Er warnt vor
allem vor Inzisionen krebsiger Geschwülste in situ.
Dann ergffnete D. N e w in a n n - Glasgow eine Diskussion über
die Indikationen zur Vornahme der Nephrotomie und Nephrektomie.
Er besprach die Symptome der Nierenkrankheiten, die oft sehr täu¬
schender Natur sind, vor allem kann Erkrankung einer Niere Schmer¬
zen auf der anderen Seite erzeugen. Diagnostisch wichtig sind vor
allem die Zystoskopie, die Radioskopie und die Probeinzision. Die
Radioskopie nimmt er besonders mit Hilfe des Schirmes vor. Red¬
ner warnt vor der Niereiicntkapseluug bei B r i g h t scher Krankheit,
die Empfehlung dieser Operation beruht auf gänzlich falschen patho¬
logischen Anschauungen. Im allgemeinen hat Redner die primäre
Nephrektomie gegen früher ausserordentlich eingeschränkt. Sie ist
nur-erlaubt bei Indicatio vitalis, sonst drainiert ei monatelang, da¬
bei stellt sich die Eunktion der scheinbar hoffnungslos erkrankten
Niere oft wieder her. Die Kranken können während dieser Zeit
mit einem geeigneten Verbände herumgehen. Bei der Nierentuber-
kulose empfiehlt er die möglichst frühzeitige Entfernung der ganzen
erkrankten Niere, partielle Operationen verwirft er hierbei völlig.
P a r d o e - London hält Ureterenkatheterisation nur bei
strenger Indikation für zulässig; die Harnscheider geben in vielen
Eällen gute Resultate. Er ist ein Ereunu konservativer Chirurgie,
hält aber die Drainage einer septischen Niere fiir ein Jahr und länger
für übertrieben.
Tbelwall T h o m a s - Liverpool sieht die beste Propin laxe der
Nephrektomie in frühzeitiger Diagnose: die Radioskopie erlaubt die
sichere Diagnose selbst kleiner Steine, die dann sofort entfernt weiden
sollten.
E u 11 e r t o n - Beiford hält Harnscheider fiir unzuverlässig, eine
tuberkulöse Niere ist möglichst früh zu entfernen; Nierenstiele dürfen
nur mit Katgut unterbunden werden.
Leedham G r e e n c - Birmingham hat viele Bälle von Nieren-
tuberkulose mit 'Tuberkulin behandelt lind wohl Besserungen, aber
nie Heilungen gesehen. Er empfiehlt die frühe Exstirpation. Septische
Nieren sind ebenfalls zu exstirpieren, wenn das Allgemeinbefinden
der Kranken es erlaubt. Tuberkelbazillen findet man in ö.i Prozent
der Eülle; man benütze aber auch die C a I m e t t e sehe Ophthalmo¬
reaktion und die Opsoninprobe. In jedem Balle katherisiere mau die
Ureteren, Harnscheider sind ungenau. Er legt grosses Gewicht auf
die Phlorizinprobe; die Indigokarminprobe ist weniger zuverlässig.
Die Kryoskopie des Blutes ist nur bei jungen Kindern von Nutzen.
T h o m a s - Cardiff empfiehlt die langdauernde Drainage von
Steinnieren.
D e a n s I e y - Wolverhampton empfiehlt lieber da* Nieren¬
becken, als die Niereusubstanz, zu inzidiereii; septische Nieieu und
Nieren, die zahlreiche Steine enthalten, exstirpiert er primär.
Kennedy - Glasgow hat den Panische der fiir sehr wertvoll
Er versucht stets zuerst die Nephrotomie ur, J Drain ige.
M u r p h y - Chicago spricht über die Stnkluren am Ausgang
des Nierenbeckens. Er ex/idiert die Str.ktur und pf an/t ein V för¬
miges Stück des Nierenbeckens in den gespa.teilen Dreier e:n. Von
11 so operierten Ballen heilten H» glatt, m 1 entstand eine Bistel. Er
empfiehlt längere Drainage bei \<ere:ic:te'uuee:i.
P a t c r s o n - London fand in einem Laie schwerer Hamatur.e
eine vaskuläre Stelle an der Spitze eu.er N.ere. Kauter:sati n dieser
Stelle brachte Heilung.
M o n p r o M t - Angers sprach über die Y förmige Cholezyst-
enterostomie. Er durch trennt das Jejunum ui .1 pilari/t die untc'e
Portion in die Gallenblase und die obere m d e Seite der unterem
Das Jejunum bildet so einen neuen Ductus cmmunis und aufsteigende
Infektion der Gailenwege wird vermieden. Man Kinn nach derselben
Methode den Ductus communis t der auch den Ductus hepatuus mit
den Jejunum anaxtomosieren.
Depage- Brüssel ln-schnel» eine schmerzhafte Verschiebung
der Rippen. Er fand diesen Zustand bu du Kranken au der 1". oder
II. Rippe. Die heftigen Schmerzen wurden m 4 Baden durch Re¬
sektion beseitigt.
B u 11 e r t o n - Belfast sprach über J e Diagnose der Hämaturien.
wobei besonderes Gewicht auf urethrnskopische und /\si«»skopisc!:e
Intersuchung gelegt wurde.
Lucas ChamplonnUre-Baiis erk’arte rmch.nas sc.ne
Methode der Frakturbehandlung durch Massage und Bewegungen.
K e n n e d y - Glasgow sprach über J.e Behandlung der spa¬
stischen Tortlkollls durch Resektion der hinteren primären Teilungen
der oberen Zervikalnerven.
W 111 e n s - Ghent beschri« 1» Seme Methode der Klumpfuss-
behandlung. Er entfernt den Asirag.ous und den \ orderen Teil des
Os calcis, rotiert den Buss nach aussen und fixiert das < )s cuboides
an die l nterflache der 'Tibia und Bibula. T.r er/.elt dadurch vor-
i zügliche funktionelle Erfolge.
T 111 m a n n s - l.t .pzig vt' idi ub-m Hirnpunktionen mit be¬
sonderer Betonung des Nutzens dieses Emgriifs zur Bcstnmmmg Jer
Seite auf welcher eine Hirni.mi. u sitzt und zur Behandlung des
H> Jrozephalus.
Douglas Drew -London sp-ich über die \\ ah! der Methoden
zur Operation des Rektutnkrebscs. Er emntichlt der; kombinierten
abdomiiio-permealen \\ eg.
T h o m s - Cardiff empfiehlt die Prostata auf kombiniertem Wege
von der Blase und dem Perineum aus zu entfernen. Er drainiert v.-m
Damme aus.
O ro v es - Bristol hielt e tien Vortrag über die glelchmässigc
Registrierung der Operationsresultatc. Tr verspricht sieh grossen
Nutzen von der allgemeinen B mfviliniug eines Schemas, nach weicb.em.
die Erfolge in allen Kliniken und Stotalcn aulgezeichnet werden.
W. Evans-London sprach über die S c n n sehe Methode der
Gastrostomie und E. C o r n c r - London über Behandlung von Hoden-
krankhelten durch Resektion des Ductus spcrmatlcus und der Gelasse
des Samenstrangs.
Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie.
G. E. Herrn a n n - London erotfnete eine Diskussion über ehe
Behandlung der Uterusverlagerungon. Die bil ligste form ist de'
Prolaps des Lterus. die Rtickw ;n t*- agerung g bt nur at etwa 1" P r «>z
der Halle Anlass zu Beschwerden. Die emi.uhste ur J stets au/u-
strebende Beliaudlui g ist. die I’essarbcliaudhmg; k.mii c.n Pessar
w egen Erw eiterung des Sctieidenemgangs picht getr agen w erden. s<>
versuche man einen Stutzanpaiat mit Gurte!. Bt der l terus'wrp.-r
geschwollen und empfindlich, so dass eui Pessar m.v.ht e'trageii w ;td.
so verkürze man die runden Mutte: Kinder auf mgu.nalcm «-der vag,-
nalein Wege, auch die vagina'e Bdx itmn des l teuis e;bt gute Er¬
folge. Bei hinabgesunketiem Items s.nd diese ()pei itioiun nutzlos.
Ist eine Operation dabei indiziert, so kann nur die ventrale Bixati ur
mit ausgedehnter Koiporr)ia[»:e m Trage k- n'men. Bei aten Witwen
mache man bei grossen Prolapsen die Ixstnpatau des Items und
der Scheide.
Po zzi- Paris weist darauf hm. dass de Verlagerung n.Jrt de
einzige Ursache der Sv mplonfe zu sein brauen:. stets be! uide'c mau
gleichzeitig bestellende EnJometiit s. \d'exckr ml» in\ea utid Damm¬
risse. Verkürzung der runden Baikbr ist zw ecklos bei Ss hl alte r
Bauchdeckeii lind bei Erkrankungen der •V'hatige \ e:itr> tixat <*n
sollte nur nach der Menopause gemacht weiden; i'e; iumgm T-atmu
mit schlaffen BaucHvleckcii cmptiehlt er d e mt:a ybd- m.u a'e Ver¬
kürzung der runden Bänder. K"lj»oper meo; rB mh:e :*t me.st not.g
a 's Voro|»eiatiou.
B o s s i - (ieitua verwirft a"e (fev.iioimi; er tirdie'i't de * ■>-
genamte funktionelle Lei am m g mt l’e*mi im: 1 l ebui: K en. \ eie
junge Mädchen leiden an \natrie und Nein asiheriie infolge v<ur \rte-
fiexion. die Korrektur dmch eas l'rs' u I ese.t gt de Beschwerden
\ ieie Bälle- von Steiilit.it beruhe n aut k< ui ge: t.de r B lex • >i;; se werden
geliebt ein ich AusschaheJ). Iiiz,>m n der Zerx x an der Me'le vier
Knickung und Eimiihren eines aitt ante n lY's.us. das Jo Luc
liegen bleibt.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1909
Goff - New York glaubt, dass viele Beschwerden rein zere¬
braler Natur sind und warnt vor zu reichlicher Behandlung auch mit
Pessaren.
May T h o r n e - London glaubt, dass viele Fälle von Deviationen
auf Neurasthenie beruhen (? Ref.). Sie warnt davor, junge Mädchen
beso-nders während der Periode körperlich anzustrengen (Turnen
etc.), da dies zu Retroflexion führen kann.
Inglis Parsons -London empfiehlt bei Prolaps Chinin in die
Ligamenta lata einzuspritzen. Er hatte bei den allerschwersten
Fällen, in denen alle Operationen versagten, gute Erfolge. Unter
150 Fällen erzielte er in 90 Proz. Heilung. Bei Retroflexion, die nicht
durch Pessare gebessert wird, ventrofixiert er.
Lea- Manchester glaubt, dass viele Fälle von Prolaps durch
Schwäche der Bauchmuskeln entstehen; sie werden oft durch
Massage gebessert. Kürzung der Ligamente und Ventrofixation
geben in den geeigneten Fällen gute Resultate.
Donald- Manchester verwirft die Pessarbehandlung voll¬
kommen, ebenso die Ventrofixation bei beweglichen Retroflexionen.
Die Beschwerden beruhen auf Schwellung des Uterus. Ausschaben
beseitigt meist alle Beschwerden.
Locky er-London bespricht ausführlich die Indikationen für
die verschiedenen Operationen. Pessare verwendet er nur bei
retroflektiertem, gravidem Uterus.
McCann-London empfiehlt Gymnastik bei Prolaps
Helme- Manchester protestiert gegen das viele Operieren bei
diesen Zuständen. Viele Fälle von Retroflexion bei jungen Mädchen
beruhen auf übergrosser körperlicher Anstrengung. Es kommt zu
Verkürzungen besonders des linken Lig. sacrouterinum, auch die
Konstipation spielt eine grosse Rolle in der Aetiologie der Ver¬
lagerungen. Bei beweglicher Retrodeviation, die Behandlung er¬
fordert, verkürzt er die runden Bänder. Bei sehr grossen Prolapsen
entfernt er den Uterus und versucht durch feste Vereinigung der
Bänder eine straffe Narbe zu schaffen. Bei mittelgrossem Uterus
amputiert er die Zervix und macht Scheidendammplastik; bei kleinem
Uterus ventrofixiert er und repariert den Scheidenausgang.
R o b e r t s - London warnt davor Frauen über etwa gefundene
Uterusverlageru-ngen aufzuklären. Meist genügt eine allgemeine Be¬
handlung und die Einführung eines Pessars.
Fothergill -Manchester besprach ausführlich die Aetiologie
des Prolapses.
Dann sprach Bossi- Genua über die Behandlung der Osteo¬
malazie und Rachitis mit Adrenalin. Er gibt 2 mal täglich 0,5 ccm
der Parke, Davisschen Präparates. Radiographisch festgestellte
Osteoporosis verschwändet bald. 4 Fälle wurden während der
Schwangerschaft wesentlich gebessert, bei 3 gelang es ohne Kaiser¬
schnitt auszukommen.
Lockyer -London sprach über die Verlagerung des Ureters
bei Beckentumoren. Bei 264 konsekutiven Laparotomien durch-
schnitt er 4 mal den Ureter. Er beschreibt die Fälle und die Ver¬
suche, Heilung herbeizuführen.
Dann eröffnete J a r d i n e - Glasgow die Diskussion über Kaiser¬
schnitt versus andere Methoden der Geburt bei engem Becken.
Kann man den Kaiserschnitt zu rechter Zeit und am rechten
Orte machen, so ist er die beste Methode zur Erhaltung beider Leben.
Hat. die Geburt schon lange begonnen, wurde die Kranke vielfach
untersucht oder wurden schon Versuche gemacht, sie zu entbinden,
so verwirft er den Kaiserschnitt, wenn eine Entbindung per vias
naturales nicht absolut unmöglich ist. Muss er operieren, so ent¬
fernt er den Uterus. Wenn die beiden Eltern die Sterilisation
wünschen, so nimmt er sie beim ersten Kaiserschnitt vor, beim
zweiten tut er es immer. Unverheiratete Frauen sterilisiert er nicht.
Der Kaiserschnitt ist absolut indiziert bei einer Konjugata von
2V-z Zoll oder darunter. Bei einer Konjugata von 2'/* bis 314 Zoll
kann das Kind geboren werden, wenn der Kopf im richtigen Grössen¬
verhältnis zum Beckeneingang steht und das vordere Scheitelbein
vorliegt. Pubiotomie zieht er der Symphysiotomie vor, da die Blase
weniger leicht verletzt wird; stets ist die Geiahr für das Kind bei
diesen Operationen grösser als beim Kaiserschnitt. Ist die Konjugata
vera unter 3 Zoll, so sollten sie nur bei sehr kleinem Kopfe vor¬
genommen werden. Eine Konjugata von 3 Va Zoll und ein normaler
Kopf erlauben die Operation.
Besteht neben der Abflachung auch noch allgemeine Becken¬
enge, so nimmt er im Interesse des Kindes lieber den Kaiserschnitt
vor. Die Operationen an der Symphyse soll jeder praktische Arzt
machen können. Die Grösse des Beckens bleibt etwas vermehrt,
so dass spätere Geburten oft leichter werden, man kann übrigens
die Operation wiederholen und ist sie bei den späteren Malen
unblutig. Bei totem Kinde und genügend weitem Becken kranioto-
miert er. Scheint die Erhaltung des Kindes mit enormen Risiko für
die Mutter verbunden, so kraniotomiert er auch ein lebendes Kind.
Er denkt dabei besonders an Fälle, an denen die Mutter nach wieder¬
holten vergeblichen Entbindungsversuchen in äusserst schmutzigem
Zustand in das Hospital eingeliefert wird, ln den Fällen, in denen
die Symphysiotomie und Pubiotomie in Frage kommen, kann man
auch an die künstliche Frühgeburt denken. Die Konjugata sollte min¬
destens 3 Zoll messen und man sollte nicht vor der 32. Woche des
intrauterinen Leber.s operieren. Man soll stets die Grösse des Kopfes
kontrollieren, lässt sich derselbe nicht mehr leicht ins Becken pressen,
so leite man die Frühgeburt ein, wenn die 32. Woche erreicht ist. Die
praktischen ( Aerzte sollten ihre Patientinnen, die ihre Niederkunft
erwarten, regelmässig untersuchen, um, wenn etwas Pathologisches
eintritt, bei Zeiten sich entscheiden zu können, ob und welcher Ein¬
griff erforderlich ist. Er warnt die Aerzte besonders nach miss¬
lungener Zange die Wendung zu versuchen, hierbei entstehen die
meisten Rupturen.
Z w e i f e 1 - Leipzig sprach ausführlich über die beiden von
ihm eingeführten Operationen, die subkutane Symphysiotomie und
den extraperitonealen Kaiserschnitt.
Lloyd Roberts- Manchester warnt davor, den Kaiserschnitt
anderswo als in einem wohleingerichteten Operationssaal vorzu¬
nehmen. Er macht den Kaiserschnitt zur vorbestimmten Zeit in der
letzten Woche der Schwangerschaft. Bei schon bestehender Sepsis
entfernt er den Uterus nicht. Die Symphysiotomie verwirft er als
völlig unwissenschaftlich, die Hälfte der Kinder geht dabei zu gründe.
K r ö n i g - Freiburg empfiehlt die subkutane Symphysiotomie.
Bei 21 Fällen starb keine Mutter und nur 4 Kinder. Bei Missver¬
hältnis zwischen Kopf und Becken zieht er den zervikalen Kaiser¬
schnitt vor. Seine Operierten stehen am Tage nach der Operation
auf.
Roberts- London empfiehlt den konservativen Kaiserschnitt
ebenso May Thorne -London.
Dempsey - Belfast empiiehlt bei engem Becken die frühzeitige
Anlegung der Zange. Man warte nicht auf das Modellieren des
Kopfes.
Im Schlusswort betont J a r d i n nochmals, dass er vor allem
auf das Verhältnis zwischen Kopf und Becken ankommt, die Becken¬
grösse an sich ist nicht entscheidend. Die frühe Zange verwirft er
vollkommen. Bei drohender Sepsis empiiehlt er das Bettende zu er¬
höhen.
M a n g,i a ga 1 ll i - Mailand teilte seine Erfahrungen über die
Behandlung der Eklampsie mit Veratrum vlride mit. Er hat 100 Falle
behandelt, 3 wurden sterbend eingeliefert, 3 hatten bei der Ein¬
lieferung Zeichen von Hirnblutung, die bei der Sektion bestätigt
winde; 94 wurden mit Veratrum viride behandelt und 6 starben. Er
gibt 5—8 Tropfen in kurzen Zwischenräumen bis zum Aufhören der
Anfälle. Steigen des Blutdruckes ist die Indikation für eine neue
Dose des Mittels.
Dann sprach K r ö n 1 g - Freiburg über Skopolamin-Morphium-
Narkose während der Geburt. Die Geburt ist für die moderne, zivili¬
sierte Frau kein physiologischer Vorgang mehr, sondern die damit
verbundenen Schmerzen erfordern Behandlung. Er sieht im Skopo-
lamin-Morphium-Dämmerschlaf die beste Behandlung, er kann 24
Stunden unterhalten werden, er gewährt nicht nur Analgesie, sondern
in SO Proz. der Fälle auch Amnesie. Er sah 2 Todesfälle unter 1700
so behandelten Gebärenden, 1 durch Uterusruptur, 1 durch Placenta
praevia. Das Mittel selbst erzeugte nie üble Nebenwirkungen bei
Mutter oder Kind, die Länge der Geburt wurde nie beeinflusst.
Buist bestätigte die gute Wirkung des Hyoszins, das prak¬
tisch mit Skopolamin identisch ist. Er gibt in der Privatpraxis
0,25 g Morphium und 0,001 g Hyoszin. Die Wirkung beginnt nach
10 Minuten, erreicht nach 45 Minuten ihren Höhepunkt und bleibt
4 Stunden bestehen.
Dann besprach die Sektion den Bericht der im vorigen Jahre
eingesetzten Kommission zum Studium der Frühdiagnose des Uterus¬
krebses. Die bisherigen Arbeiten der Kommission wurden für gut
erklärt und dieselben Mitglieder wiedergewählt.
S p a n t o n und W a t s o n - Edinburgh zeigten Bilder von 1700
Serienschnitten einer ganz frühen Tubenschwangerschaft.
Schluss folgt. J. P. zum Busch -London.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Sexuelle Aufklärung.
Unter dieser Ueberschrift bringt die M e d i z i n i s c he Reform
iNo. 27, 1908) aus der „Zeitschrift für Bekämpfung der Geschlechts¬
krankheiten“ die Statistik aus den Gymnasien und Realschulen Böh-
m e n s, nach der von 1800 Abiturienten 8 Proz. geschlechtskrank ge¬
funden wurden und verwendet sie zu dem WahrscheinMchkeitsschluss,
dass eine Enquete in reichsdeutsehen Schulen nicht viel erbaulichere
Zustände zutage fördern würde. Darum könne die noch von^mancher
Seite perhorreszierte Aufklärung der Schüler der oberen Klassen über
die Gefahren des ausserehelichen Geschlechtsverkehres kaum die
Gefahr in sich trägem die unverdorbenen jugendlichen Gemüter
erst recht auf die verbotenen Früchte hinzuweisen, weil ebeu die
verbotenen Früchte von mindestens einem Viertel dieser Schüler schon
gepilückt seien.
Ich glaube, dass die vorbehaltlose Uebertragung der in Böhmen
gemachter. Erfahrungen auf unsere deutschen Verhältnisse, zumai auf
die in kleinen und mittleren Städten zu ganz falschen Folgerungen
führt. Der die Mitteilung vervollständigende Zusatz, dass sich in den
Provinzialmittelstädten, ein noch viel höherer Prozentsatz als in Prag
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36 .
1910
selbst gezeigt habe, gibt dafür einen Fingerzeig und bringt mir die
Erinnerung an Verhältnisse wieder, die ich allerdings schon vor
c'O Jahren in einer böhmischen Mittelstadt kennen lernte, die den
Genuss der verbotenen Früchte so bequem und leicht machten, wie
es in deutschen Städten wohl niemals möglich ist. Ich verlebte die
Universitätsheibstferien der Jahre 1878 und 18SU in einem Dorfe nahe
bei der Stadt Cz. und verkehrte viel in diesem Orte; in Einzel¬
heiten mag mich die Erinnerung wohl trügen, in der Hauptsache ist
sie sicher treu und stützt sich auf die Mitteilungen, die mir dort
von den Herren, die ich kennen lernte, gemacht wurden. Die
Zimmermädchen in dem üasthof, in dem wir uns unseren Abend¬
schoppen genehmigten, aber auch in den anderen Hotels, waren Pro¬
stituierte, die sich ein- oder zweimal in der Woche zur Kontrolle
stellen mussten, sie hatten in dem Hotel ein nettes, „ungeniertes“
Zimmer, bekamen keinen Lohn, mussten vielmehr für ihr Zimmer
täglich oder wöchentlich einen bestimmten, verhältnismässig hohen
Preis bezahlen und durften daiür Herrenbesuch empfangen; tur notige
und wünschenswerte Abwechslung dieses weiblichen Personais wurde
jederzeit gesorgt. Wie man mir sagte, war das nicht etwa eine
Spezialität dieses einen Ortes, sondern eine allgemeine Einrichtung,
wenn nicht in allen, so doch in sehr vielen Städtchen Böhmens. Eine
so bequeme und einladende Gelegenheit kann natürlich zumal in den
kleineren Orten auch den älteren Schülern nicht unbekannt ge¬
blieben sein, und Gelegenheit macht Diebe. Solche Gelegenheit
findet sich bei uns nirgends, am wenigsten in den kleineren odei
auch mittleren Orten; damit entfallen die von den Erfahrungen in
Böhmen auf die deutschen Verhältnisse gezogenen Schlussiolge-
ruiigcn völlig. Eine Aufklärung der Schüler der oberen Klassen in
diesem Sinne ist bei uns, wenigstens in den kleinen und sicher auch
den meisten Mittelstädten, noch nicht wünschenswert, die Belehrung
vor den drohenden Gefahren beim Abgang von der Schule zur Hoch¬
schule oder Ins Leben hinaus dagegen ist dringend notwendig.
E. S a r d e m a n il
Zur beruflichen und sozialen Gliederung des
Bayerischen Volkes liefern die jetzt bekannt gegebenen Er¬
gebnisse der Berufszählung von 1W7 (s. a. Beitr. z. Statistik d. Komgr.
oayern, Heft 8U, München, bei Lindau er, im Erscheinen) wert¬
volles Material: Unmittelbare hauptberufliche Erwerbstätigkeit (Mass
für die zurzeit mobile „Gesamtarbeitskraft" des Volkes) be¬
schäftigt — selbständig und nicht selbständig — 50 Proz., sie
nährt — samt Hausgesinde und nicht erwerbender Familie —
85 Proz. und zwar durch Land- und Forstwirtschaft 40 Proz., durch
Gewerbe und Industrie 33 Proz., durch Handel und Verkehr 12 Proz.
von 6,6 Millionen Gesamtbevölkerung. Von den in obigen Nähr-
ständen „Erwerbstätigen“ sind 75 Proz. ( 2,3 Mill.) nicht selbständig
(Angestellte und Arbeiter); mit noch 115 000 Personen Hausgesinde
und 60 000 unständigen Arbeitern dürften also gegenwärtig zirka
2/4 Millionen Bayern von der sozial-medizinischen Gesetzgebung be¬
rührt werden. Den höchsten Prozentsatz (12 Proz.) „Angestellter”
hat der Handel, 65 Proz. „Arbeiter“ die Industrie.
Seit dem letzten Vicrtcljahrhundert ist die Zahl der „Erwerbs¬
tätigen“ im allgemeinen, sowie besonders in Industrie und Handel
und namentlich auch beim weiblichen Geschlecht gestiegen, bei der
Landwirtschaft gesunken. Seit der Zählung von 1895 hat sieh die
absolute Zahl unselbständig Erwerbstätiger um über Tausend ver¬
mehrt, die Prozentzahl der Selbständigen durehgehends vermindert
und zwar sind diese Schiebungen und Schichtungen im allgemeinen
stetige gewesen.
Therapeutische Notizen,
Unter dem Titel: „Die Abführmittel eine soziale
Gefahr“ bespricht Burlureaux in einer grösseren Arbeit (Revue
de Th6rapeutique medico-chirurgicalc, Juni und Juli löos) den grossen
Schaden, welcher durch den gewohnheitsmüssigen Gebrauch der Ab¬
führmittel der Gesundheit erwachse. Ja B. geht so weit zu erklären,
dass keiner der von ihm untersuchten Patienten nicht ein oder das
andere Mal durch Abführmittel oder Einläufe irgend eine ernste Ge¬
sundheitsstörung erfahren habe; er ist sogar überzeugt, dass ein
stark wirkendes Purgativ Appendizitis und zwar in ihren schwersten
Formen bei Personen, die nie den geringsten derartigen Anfall ge¬
habt haben, zum Ausbruch bringen, d. h. eine vorhandene Disposition
in die wirkliche Krankheit umwandeln kann. Der schlimme Einfluss
des Abführmittels macht sich umsomehr fühlbar, je schwächer der
Organismus ist; daher ist es nicht erstaunlich, dass er im Kindes- und
Greisenalter besonders hervortritt. B. möchte eigentlich bezüglich
der Schädlichkeit gar keinen Unterschied zwischen den verschiedenen
Abführmitteln machen und höchstens nach dem Grade ihrer Wirkung
sie rubrizieren, trotzdem aber 2 hervorheben, die als besonders
milde Mittel gelten, das sind Kalo m e I und Rizinusöl; das
erstere ist sehr unzuverlässig und unregelmässig in der Wirkung,
das letztere, wenn auch weniger schädlich w ie Kalomcl. kann auch
in kleiner Dosis bei Kindern wie Erwachsenen gefährliche Darm¬
reizungen verursachen. Und was B. von den Abführmitteln sagt,
gilt ihm in gleicher Weise von den Einläufen und sogar dem „be¬
scheidenen“ Stuhlzäpfchen; auch das Glyzerinzäptchen kann reizend
wirken und bei hochgradigen Neurasthenikern sogar einen mit hef¬
tigen lokalen Schmerzen verbundenen Zustand allgemeinen Uebel-
betindens verursachen. Wenn man bedenkt, dass une diese ab¬
führenden Eingriffe ebeiisoviele Schocks für den Darm sind, eines
der sensibelsten Organe, ein Organ, welches eine enorme Oberfläche
darbietet und ohne Zw eifel der Ausgangspunkt zahlloser Rdlcxcrkran-
kungen ist, so durfte die schädigende Wnkimg der Abiulirmittel ziem¬
lich klar sein. Zum Ersatz derselben schiagt nun B. 3 Arien \<-n
Mitteln; die Psychotherapie, die 1 *h\ siothcrapie und hygicmsOi-
diätetisclie Mittel vor. Es gibt eine Anzahl Personen, die sicher
durch die Quantität der Nahrung ohstipierl werden, besonders auch
Brustkinder; hier gelingt es nur. die Menge em/iischranken, «mne
sonst die Art der Nahrung zu andern, um Aiics in Ordnung zu bringen,
ln anderen, allerdings viel selteneren l allen kann man die (>hstipa|i*<n
durch Uebcrcrnalirung beseitigen. Im allgemeinen heisst es hier m
besonderem Masse indiwduell behandeln und die K<«st muh den ein¬
zelnen Erfordernissen einrichten. Mit der Regelung der Diät imissen
auch andere Massnahmen anbei ge he n, wie z. B. Ruhe bei demjenigen,
der übermassigen Sport getrieben hat, in anderen Fallen sind schwe¬
dische (i>mnastik, Meeliarioilierapie, Massage, bei der man suh
aber vor allzuheftiger Bauchmussugc hüten muss — die sogar die
Obstipation verschlimmern kann ange/cigt. Die H\drotherapie
kann ebenfalls zur Beseitigung der Obstipation m Form Kader Kom¬
pressen auf den Leib oder warmer Duschen usw. dienen, was die
kalten Duschen betrifit, so können sie ebenso sdi.idliJi wirken, wie
heftige Massage. Auch Dampl-, eiekirisJie. Liehtb.ider und statische
Elektrizität haben oft guten Ermlg und m manchen 1 allen auch Eutt-
veräudei ung. Als allgemein kr.itligeiide Mittel, die smi günstigem
Entlass auf bestellende Obstipation sein können, erwähnt B. seh.iess-
licli noch die subkutanen Injektionen \on Brow il - S c q u a r d sdicr
Hodenilussigkcit und von Meersalzwasser. St.
Tagesgeschichtliche Notizen.
M ii n c h e n, 5. September * F
Das Aerztliehe \ erenisb-U.lt \ eroflentlicht in sauer No. 673
das Referat, das Gcheimrat Lobker als Rctdcnt über die Frage
„Soll die Berechtigung der A e r / t e, als > p e / i a : a r z t e
lur einzelne Gebiete der praktischen Medizin s i c h
z u b e z e i e h n e n. a n b e s t i m m t e Bedingung c n g e k n u p f t
w e r d e u und z u t I e I f e n d e n (alles a n w eie Ii e i" der
wissenschaftlichen Deputation lur das Me di/malw e hii am lm Ok¬
tober l‘X'7 m Beilm erstattet hat und das die Orundi.igc bildete lur
den in No. 34 d. W. S. IMo abge dt ue kte n l.rlass des prcussisdie n
Medi/malrmmsters. Aus der gründlichen. die Frage nach allen Seiten
treliciid beleuchleiieien Arbeit E o I k c r s geht zumuhst eile* alrai-
liche Tatsache hervor, dass das Spe/ialistemm w esai. wenigstens in
Praissai, doch nicht ganz so schlimm ist. als man \icliacht an/u-
uclimen genagt war. Zwar bezeichnen suh n ««n ! s 57'> preussisd.cn
Aer/ten 3745 2«». 15 Pn»/„ also mehr als ein Fiimtcl. als spt/ial-
ür/te. Aber ehe Zahl eier sogen. Seitisw heuspezi.i.isten ist doch
Niel geringer als man gewöhnlich annimmt. Die Zahl derjenigen
Spe/ialar/te, die auf ihr Spe/iaiMudium mir eine Ausbildungszeit bis
zu einem halben Jahre \er wandt haben, betragt nur l.'M Pr--/. Wenn
man eine dreijährige Ausbildungszeit tur die Beherrschung eines
Spe/ialfaches für notig annimmt, so sind aheidmgs 5o.i»5 Proz. der
Spezialarzte in Preusseii ungenügend \ < .r gebildet. 25.71 Proz. der
Spezialarzte haben sich 3 Jahre. 15.‘>7 Proz. 4 Jahre. 26,13 Pro/.
5 Jahre und darüber tur ihr Speziullach \ o: gebildet. Nur 3,51 Pro/,
üben nach der Statistik neben ihrem Staideriach aruh allgemeine
Praxis aus, eine Zahl, die, wenn sie w * »hl atuh zu niedrig gegriltcn
ist, doch zeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der Spezia,ar/te
auf Allgemempraxis vei/ichlet. Lobker kam m seinem Relerat
zu 7 Leitsätzen, voll denen No. 1 5 von der w iss t i>c haniichen De¬
putation gebilligt und m den Mmisti riaie: lass is. N<>. 54) autge-
nonmien wurden. Die den Kernpunkt der Lobker sehen Norschiage
bildenden Leitsätze 6 und 7 wurden abgelelmt. Lobker schlug
darin vor, den Aerztekammerii be/w. deren Aorstanden durch Kgl,
Verordnung ein Ucberw achuiigsreeht über die t’.rtui ung der für die
Bezeichnung als Spezialarzt zu iordandai \ orltydmgungen an/u-
räumeii. Die Ableimung dieses Vorschlages erioigte wesentlich aus
rechtlichen Bedenken, da nach $ 2 { > der t u w er beordnuug leder appro¬
bierte Ar/t das Recht habe, sich Spc/iaiar/t zu nennen. Das ist
richtig. Die Spe/ialistenfrage konnte im Sinne Lobkers also nur
auf gesetzlichem Wege gelost werden. Da dies zunächst nicht be¬
absichtigt wird, so ist das praktische Ergebnis de r Beratungen der
wissenschaftlichen Deputation ein sehr geringes. Imme: hm ist cs
von Interesse, namentlich iur die Ae: ztckaiimia n, die sich nun weiter
an der Frage versuchen werden, die Ansichten dieser angesehenen
Körperschaft zu kamen.
— Zur l'm w a n d I u n g der s ii c h s i s c h e u 1 u v a i i d e n -
v e r s o r g ii n g s k a s s c in eine Invaliden- und Alters-
r e n t e n k a s s e der A ärztlich e n B e / i r k s v e m u t i m
Königreich Sachsen hat Dr. Greif- Rade be ul iruin;/agc
•) Mit Rücksicht auf einen katholischen Feiertag muss diese
Nummer früher abgeschlossen werden. Red.
Digitized by LcOuQie
Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8. September 1008.
MUENCHENEft MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1911
ausgearbeitet, die in No. 17 des Sächs. Korr.-Blattes abgedruckt sind.
Darnach soll jedes Mitglied eines Aerztl. Bezirksvereins im König¬
reich Sachsen einen Rechtsanspruch haben auf eine feste Invaliden¬
rente im Falle des Eintretens von Invalidität, oder auf eine feste
Altersrente im Falle des Erreichens der Altersgrenze von 65 Jahren,
vorausgesetzt, dass der Betreffende wenigstens 10 Jahre Mitglied eines
Aerztl. Bezirksvereins im Königreiche Sachsen gewesen ist und seine
jährlichen Verpflichtungen der Kasse gegenüber erfüllt hat. Herr Dr.
Q r e i f hat eine tägliche Rücklage von 40 Pfennigen ausgerechnet,
auf Grund deren es möglich sein werde, dass jeder Sächsische Arzt
vor Kummer und Not geschützt ist. — Das Korr.-Blatt bemerkt dazu,
die Verwirklichung der Greif sehen Grundgedanken sei das Ziel,
das so oder so einmal erreicht werden müsse, und zwar je eher,
um so besser, und das auch werde erreicht werden, sobald nur der
ernstliche Wille unter den Beteiligten da sei.
— Im Rudolf Virchow-Krankenhaus in Berlin ist vor
Kurzem eine Massenerkrankung vorgekommen, von der
gegen 100 Personen, darunter etwa 60 Pflegeschwestern ergriffen
wurden. Die Untersuchungen über die Ursache der Endemie sind
noch nicht abgeschlossen, doch scheint Infektion mit Paratyphus-
bazillen vorzuliegen, die durch verabreichtes Schabefleisch über¬
tragen wurden. Die Erkrankungen waren, bis auf einen kleinen Teil,
der schwerere Erscheinungen aufwies, leichter Art. Das Beefsteak
ä la tatare wurde für die Zukunft aus dem Speisezettel der Anstalt
gestrichen.
— Der Vorstand der zu Berlin am 23. Mai 1908 begründeten
Internationalen Vereinigung für Krebsforschung
besteht aus folgenden Herren: Exzellenz v. Leyden, ständiger
Ehrenpräsident, Exzellenz Czerny, Vorsitzender, Prof. P. Marie-
Paris und F i b i g e r - Kopenhagen stellvertretende Vorsitzende. Die
anderen Mitglieder des Vorstandes sind die Herren: Prof. Aoyama-
Tofcio, Prof. Berg- Stockholm, Dr. B o r r e 1 - Paris, Prof. Dol-
1 i n g e r - Ofen-Pest, Dr. Lopez D a r ä n - Madrid, Stabsarzt Dr.
G a b a 1 a s - Athen, Prof. G o 1 g i - Pavia, Geh. Öbermedizinalrat
Kirchner -Berlin, Prof. v. Hochenegg - Wien, Dr. Aze v edo
Neves-Lissabon, Prof. Roswell Park -Buffalo, Prof. v. Pod-
wyssozki-St. Petersburg. Die fünf von Deutschland in die Ver¬
einigung Delegierten ordentlichen Mitglieder sind die Herren;
Präsident B u m m - Berlin, Exz. Czerny- Heidelberg, Geheimräte
Ehrlich- Frankfurt a. M., Kirchner, Orth- Berlin.
— Man schreibt uns aus Hamburg unterm 31. August d. J.: Die
8. ärztliche Studienreise, welche morgen von hier ihren
Anfang nimmt und diesmal auf dem schönen Dampfer der Hamburg-
Amerikalinie „Oceana“ nach Ostende, Insel Wight, St. Sebastian,
Madeira, Teneriffa Tanger und Lissabon geht, hat heute in Hamburg
sozusagen ein wissenschaftliches Vorspiel gehabt. Der Direktor des
Eppendorf er Krankenhauses, Prof. Lenhartz, hatte die 341 Teil¬
nehmer der Reise zu einer wissenschaftlichen Sitzung ins Kranken¬
haus eingeladen, in welcher er selbst und der Medizinalrat Prof.
N o c h t einen wissenschaftlichen Vortrag hielten. Letzterer sprach
über die Aufgaben des Arztes im Seeverkehr, die er in drei Ab¬
schnitten behandelte: vor der Reise, an Bord und im Verkehr mit dem
Lande. Bemerkenswert war die Angabe N.s, dass unter Seeleuten die
Tuberkulose viel häufiger aufrete, als allgemein angenommen werde.
Von schwimmenden Sanatorien hält -N. nicht viel. Hinsichtlich der
Aufgaben des Schiffsarztes vertritt N. den Standpunkt, dass ersterer
allein zu bestimmen haben solle, ob ein Schiff als seucheverdächtig
anzusehen und zu behandeln sei, nicht der beamtete Arzt, der im
Hafen erst an Bord kommt. Eventuell könne man die Schiffsärzte
auf ihre Angaben hin vereidigen. Bis jetzt sei er allerdings mit
seinem Vorschlag bei den massgebenden Stellen noch auf hart¬
näckigen Widerstand gestossen. Prof. Lenhartz sprach über
die K a r e 11 k u r bei Kreislaufstörungen und Fettsucht mit Vor¬
führung einer grossen Anzahl graphischer Tabellen und Abbildungen.
Den Lesern dieser Zeitschrift sind L.s Erfahrungen aus der Arbeit
seines Assistenten Dr. Jacob (No. 16 und 17 dieser Wochenschrift
If. Js.) bekannt. Nach den Vorträgen folgten Besichtigungen des
Eppendorfer und St. Georger Krankenhauses sowie des Instituts für
Schiffs- und Tropenkrankheiten.
— Für den InternationalenTuberkulosekongress
in Washington ist soeben das Programm eingetroffen. Es sind
2 Plenarsitzungen vorgesehen: Montag, den 28. September und Sonn¬
abend, den 3. Oktober. Präsident Roosevelt beabsichtigt den
Kongress zu eröffnen und den Vorsitz in der ersten Plenarsitzung
zu führen. Jede der sieben Sektionen hält täglich, mit Ausnahme
der Plenarsitzungstage, 2 Sitzungen ab. In Verbindung mit dem
Kongress werden in Washington und anderen Städten von namhaften
Persönlichkeiten eine Reihe von Vorträgen gehalten werden.
— Das Zentralkomitee für das Aerztliche Fort¬
bildungswesen in Preussen veranstaltet im Winter 1908^
für die Aerzte in Berlin und Provinz Brandenburg eine Vortragsreihe
aus dem Gebiet der Ernährungsbehandlung. Vorträge werden halten:
v. Leyden, Abderhalden, Rubner, v. Krehl, v. Ren-
vers, Minkowski, Naunyn, His, Kraus, Ewald, Boas,
Heubner und H. Strauss. Ausserdem finden Fortbildungskurse
aus allen Gebieten der Medizin statt Kurse und Vorträge sind un¬
entgeltlich. Beginn der Meldungen 5. Oktober. Auskünfte erteilt
das Bureau des Zentralkomitees, Berlin NW 6, Luisenplatz 2—4.
— Der Verlag vonDr. HirschfeldsAerztlicherBuch-
f ü h r u n g ist von Hugo Spanier in Berlin an Kurt Kabitzsch (A. Stü¬
bers Verlag) in Würzburg übergegangen. Die H i r s c h f e 1 d sehen
Monatshefte stellen einen bequemen und übersichtlichen, für 1—2 Mo¬
nate ausreichenden Laufzettel dar.
— Abels bakteriologisches Taschenbuch (ent¬
haltend die wichtigsten technischen Vorschriften zur bakteriologischen
Laboratoriumarbeit) ist jetzt in 12. Auflage erschienen (Verlag von
Kurt Kabitzsch [A. S t u b e r s Verlag] in Würzburg; Preis 2 M.). Die
1. Auflage des Büchleins erschien 1889; die 7. 1903. Von da ab ist
jedes Jahr eine neue Auflage erschienen.
— C h o 1 e, r a. Russland. Vom 8. bis 14. August sind nach
amtlicher Bekanntmachung an der Cholera 538 Personen erkrankt
und 270 gestorben. Vom 15. bis 21. August sind nach einer weiteren
amtlichen Bekanntmachung an der Cholera 1145 Personen erkrankt
und 517 gestorben.
— Pest. Türkei. In Bagdad sind vom 9. bis 20. August 3 Per¬
sonen an der Pest gestorben und 3 neu erkrankt. — Aegypten. Vom
15. bis 21. August sind an der Pest 13 Personen erkrankt und 6
gestorben. — Britisch-Ostindien. Während der am 25. Juli abge¬
laufenen Wochen sind in ganz Indien 621 Erkrankungen und 461 Todes¬
fälle an der Pest zur Anzeige gelangt. In Moulmein starben vom
28. Juni bis 25. Juli 134 Personen an der Pest. — Vereinigte Staaten
von Amerika. In der Zeit vom 15. bis 24. Juli sind aus 3 Ortschaften
Kaliforniens 3 vereinzelte Pestfälle mit tödlichem Ausgang gemeldet
worden.
— In der 34. Jahreswoche, vom 16.—22. August 1908, hatten
von deutschen Städten über 40 000 Einwohner die grösste Sterblich¬
keit Buer mit 40,6, die geringste Bielefeld mit 6,1 Todesfällen pro
Jahr und 1000 Einwohner. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen
starb an Scharlach in Zabrze, an Masern und Röteln in Beuthen.
V. d. K. G.-A.
(Hochschulnachrichten.)
Köln. Der zum Direktor des pathologischen Institutes am
Dr. Senckenbergischen Institut in Frankfurt a. M. ernannte
Privatdozent Dr. Bernhard Fischer wurde zum Professor ernannt.
München. Geh.-Rat v. W i n c k e 1 feiert in diesen Tagen das
25 jährige Jubiläum seiner Ernennung zum Professor der Geburtshilfe
und Gynäkologie an der hiesigen Universität.
Baltimore. Dr. Spratling wurde zum Professor der
Physiologie ernannt.
Catania. Habilitiert: Dr. Santi R i n d o n e für Chirurgie.
Florenz. Habilitiert: Dr. de Marchis für innere Medizin;
Dr. Catola für Neurologie; Dr. Casali für Ophthalmologie.
Neapel. Habilitiert: Dr. C a p o s s o und Dr. F a 1 c o n e für
Chirurgie, Dr. Del Monte für Ophthalmologie.
Pavia. Habilitiert: Dr. Boveri für innere Medizin.
Rom. Habilitiert: Dr. Baglion i für Physiologie.
N e w Y o r k. Dr. S. A. Knopf wurde zum Professor der
Phthisiotherapie am Post Graduate Medical School ernannt.
Personalnachrichten.
(Bayern.)
Verzogen. Dr. Hahn von Herxheim nach Dahn.
Gestorben. Dr. Renner in Herschweiler.
Korrespondenz.
Die Technik der Gehgipsverbände.
Randbemerkungen zu dem Artikel von Dr. James Fränkel
in der Münch, med. Wochenschr. 1908, No. 33, pag. 1741.
Von Dr. S. Kofmann in Odessa.
Wenn ich mich auch im grossen und ganzen den sehr inter¬
essanten und praktisch wichtigen Ausführungen von Dr. J. Fränkel
anschliesse, so kann ich doch nicht umhin, einige Bemerkungen be¬
treffs Einzelheiten hier zu machen. Zunächst ist der Vorwurf des
Kollegen Fränkel, den er der ganzen Aerztewelt macht, völlig
unverdient. Es heisst bei ihm: „sonderbarerweise hat man die letzte
(Tretbügel von Lorenz) einwandsfreie Entlastungsvorrichtung nur
für die Gehverbände bei der Gelenktuberkulose benutzt, nicht aber
ebenfalls zur ambulanten Frakturenbehandlung herangezogen“. Dieser
Satz ist nicht stichhaltig. Im Jahre 1904 habe ich in dem Zentralbl.
f. Chir. No. 49 eine Mitteilung: „Die ambulante Behandlung der Ober¬
schenkelfrakturen“ veröffentlicht. In dieser berichte ich, dass ich
seit 2 Jahren, i. e. seit 1902, den Lorenz sehen Gehbügel behufs
Anlegung des Gehverbandes bei Oberschenkelfrakturen anwende.
Betreffs der vom Kollegen Fränkel angeführten Sandalen ist
zu bemerken, dass in der von mir zitierten Arbeit es weiter unten
heisst: „um die hohe Sohle auf dem gesundseitlichen Stiefel zu er¬
sparen, halte ich eine Anzahl von Holzsandalen (s. Fig.) mit hohen
Sohlen und Absätzen, die sich leicht auf die gewöhnlichen Schuhe
anbinden lassen, vorrätig.“
Difitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
19! 2
MU EN CHEN ER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No.
Auch in der Art der Entlastung des Ettssigclcnkcs stimmt mein
Verfahren mit dem von Kollegen Eränkel geschildeiten voll¬
kommen überein; nur baue ich viel aut die Immobilisation des
Gelenkes, ja viel mehr auf diese, als auf die Entlastung, was
übrigens zusammenfüllt mit den in der letzten Zeit von Lorenz
gepflegten Ansichten. Wir wollen ja eine Heilung des (ielenkes mit
Konsolidation desselben erstreben, wir wollen doch demselben
während der Krankheit Ruhe verschaffen. Ich lasse den Fass nicht
frei pendeln, sondern nehme ihn in den Verband herein und bei der
Apparatverfertigung wird derselbe in die für ihn und den Unter¬
schenkel gemeinsame Lederhülse eingeschlossen, die Seitenschienen
aber ziehen nach unten, wie es die Eig. 1 bei E r ä n k e I zeigt.
Odessa, 29. August 1908.
Eine neue Anwendung der Röntgenstrahlen.
Die Bemerkung des Herrn Dozenten Dr. O. H o I z k n c c li t in
Wien in No. 29 dieser Wochenschrift gibt mir Veranlassung darauf
hinzuweisen, dass ich bereits aut dem ersten Röntgenkongress im
Jahre 1905 darauf aufmerksam gemacht habe, dass sich der Grisso-
nator für den Dauerbetrieb von Röntgenröhren eigne. Das von
Herrn Dozenten Dr. H o I z k n e c h t verwendete Hoclifrequcnz-
instrumentarium zur Dauerbestrahlung erfordert in allen Orten mit
Gleichstromzentralen die Aufstellung einer grossen Glcichstrom-
Wechselstrom-Umformermaschine. da Stromunterbrecher iiit den
Dauerbetrieb bekanntlich unverwendbar sind. Auch die Hochtre-
quenzapparate selbst, welche auf dem letzten Röntgeukongress vor-
geflihrt wurden, besitzen ungeheure Dimensionen. Kurz nach Schluss
des letzten Röntgenkongresses wurde auf Wunsch des Herrn Do¬
zenten Dr. Holz kriecht und anderer Herren der gleichzeitige Be¬
trieb zahlreicher Röntgenröhren mit (irissonator vorgeführt. Der
Grissonator hat sich in industriellen Betrieben, im Dauerbetrieb be¬
währt und liefert ein Röntgenlicht, welches an Homogenität dem
Betrieb mit Influenzmaschinen fast gleiclikommt. Da beim Betriebe
mit Grissonator der Härtegrad des Röntgenlichtes lediglich bedingt ist
durch den Gasgehalt der Röhre und die Stromstärke jedes einzelnen
Induktionsschlages, und die Dualität und Quantität des Lichtes durch
2 getrennte Schalter unabhängig von einander ganz nach Belieben
eingestellt werden kann, so empfehle ich diese Zeilen denjenigen
Herren zur Beachtung, welche sich für Homogenbestrahlung interes¬
sieren. Grisson, Berlin, Friedrichstrasse Ul D.
Herr Dr. Holzknecht fügt dem hinzu, er habe sich bei der
von Herrn Grisson oben bezeichneten Gelegenheit von der Tat¬
sache überzeugt, dass sein eigenartiges Instrumentarium ohne wei¬
teres im Stande war, eine Batterie von 8 Doppelröntgenröhren gleich¬
zeitig und gleichnüissig zu betreiben. Wenn er auch bei dieser
kurzen Demonstration nicht habe ermitteln können, wie sich dieser
Weg zum Mehrfachbetrieb von Röntgenröhren grosser Härte im Ge¬
brauche bewähren wird, so müsse er es doch als selbstverständlich
bezeichnen, dass auch dieser Weg in Hinsicht auf den von uns allen
angestrebten Zweck, die bekannte Oberflächenwirkung der Rontgen-
strahlen in genügender Menge in die Tiefe zu tragen, auf das Wärmste
zu begriissen sei.
Amtliches.
(Preussen.)
Erlass vom I. August 1908, betreffend das Evans- und Rüssel-
sche Desinfektionsverfahren. — M. 8176.
Von zwei amerikanischen Forschern, Evans und Russell,
ist ein Desinfektionsverfahren angegeben worden, bei welchem, wie
bei dem Autandesinfektionsverfahren, Formaldehyddämpfe ohne be¬
sonderen Apparat und auf kaltem Wege entwickelt werden. Dieses,
von den österreichischen Militärärzten I) o e r r und R a u b i t s c h e k
in Wien weiter ausgebaute und von Stabsarzt Dr. Nieter und
Dr. Blasius im hygienischen Universitätsinstitut in Halle nachge¬
prüfte Verfahren (s. Hygienische Rundschau 19bS, S. 7-45 ) beruht da¬
rauf, dass feingepulvertes Kaliumpermanganat in Berührung mit For¬
malin eine lebhafte Entwicklung von Formaldehyd und Wasserdampf
einleitet Das Verfahren ist wirksam, dabei ebenso einfach und feuer¬
sicher, aber erheblich billiger als das Autanverfahren und kann die¬
selbe Verwendung finden w ie dieses.
Zur Herstellung der Desinfektionsgemische werden hohe Holz¬
bottiche (sogen. Waschzuber) oder zylindrische Gelasse aus email¬
liertem Eisenblech von etwa ädern Hohe und 5<icm Durchmesser
empfohlen, welch letztere, da sie sich während des-Verfahrens be¬
trächtlich erwärmen, zur Schonung des Fussbodens auf ein hölzernes
Brett oder einige Holzstiicke gestellt werden. Fnr je K.Occm Luit¬
raum sind 2000 g übermangansaures Kali, 2 Liter Formalin und 2 Liter
W'asser erforderlich.
Räume, welche nach diesem Verfahren desinfiziert werden sollen,
müssen durch Einlegen angefeuchteter Wattestreifen zwischen Fen¬
ster- und Türflügel und deren Rahmen und durch Verstopfen der
Schlüssellöcher mit feuchter Watte gründlich abgedichtet und nach
Entwicklung des Formaldehyds fünf Stunden lang geschlossen ge¬
halten werden.
Vei viii | I- L v ii'Mi • ii « in Mniiuim. - uiuifc *"ii
Zur Entfernung des überschüssigen t <u muldcliv ds nach Beendi¬
gung der Desinfektion ist die Entwicklung von Ammoniak Jumpten
nicht erforderlich, es genügt vielmehr gründliches Lutten.
Das Verfahren kann wie jede andere I ormaldchv ddesinfekti*>n
in wirksamer Weise nur v<>n geschulten Desinfektoren au'-geinhrt
werden. Die Anwendung des Verfahrens zur Desmtektion ist n;idi
dem Erlass vom (». Juni |oo7 \\. IJ'L’o Mm.-Bl. f. Med. usw.
Aug. S. 22 s — zulässig.
Ew. Ilochw ohlgeboreii ersuJie ich ergebenst, hiernach die
Kreisärzte, die Vorsteher der Desinfektionsanstalten und die Des¬
infektoren Ihres Bezirkes gefälligst mit Weisung versehen zu lassen.
Berlin, den 1. August F* s.
Der Minister der geistlichen. Unterrichts- und Medizinal-An gelt* gen-
heilen.
Im Aufträge.
Förster.
Generalkrankenrapport über die K. Bayer. Armee
für den Monat Juli l9us.
Iststärke des Heeres:
67-421 Mann, 73 Kadetten, MH Unteroffiziersvorschüler.
Mann
Kadetten
Unteroffii.*
vorscküer
1. Bestand waren
r
am 30. Juni 1908:
1038
—
1
im Lazarett:
879
—
3
2. Zugang:
im Revier:
1152
1
—
in Summa:
2031
1
3
Im ganzen sind behandelt: ]
.4069
1
4
°/-o
der Iststärke-
-45,5
13.7
27,0
dienstfähig:
u /oo der ErRrankten:
2101
6Mb
1
1000.0
500.0
gestorben:
4
—
—
*/•■ der Erkrankten:
dienstunbrauchbar:
1.3
—
—
mit Versorgung:
43
—
—
3. Abgang:
ohne „
Auf Orund vor der
4
—
—
Einstellung in den Militir-
dienst vorhanden gewese¬
ner Leiden als dienstun-
brmuchbsr t rkannt und
entlassen:
IS
anderweitig:
86
—
1
in Summa:
2256
1
3
4. Bestand
bleiben
31. Juli 1908:
in Summa:
*/oo der Iststärke:
813
12,1
—
1
6,8
davon im Lazarett:
davon im Revier:
635
PS
—
1
Von den m Ziffer 3 aufgefuhrten Gestorbenen haben gelitten an:
Unterleibstyphus I, Lungenentzündung 1, Leukämie 1 und
Blinddarmentzündung 1.
Ausserhalb der rmhtür är ztli Jien Be handlung starb 1 Mann an
Lungenentzündung. 1 endete duidi Selbstmord tl ebertahren lassen).
Der Gesamtv erliist der Armee durch D-d betrug demnach mi
Monat Juli 6 Manu.
Uebersicht der Sterbefälle in München
während der 34. Jahreswoche vom lö. bis 22. Aug J9 hS.
Be Volke rungszahl 55ö ooo.
Todesursachen: Angeborene I.ebensschw. (1. Leb.-M l 1h (I5 # )
Altersschvv. (uh. ho . 1 .) h (5>. KmJbettticher - r2i, and. Folgen der
Geburt — (I). Scharlach 2 (11. Masern u. Röteln — ili, Diphth. u.
Krupp — <— I. Keuchhusten -4 (2). 'I \ ph:is — <- i. ubertragh. Tierkrankh
-- ( ). Rose (Frv sipel) ( and. W undmiektiouskr. lemschl. Biiit-
ti. Eitervergift ) 3 <3i, Tii.be rkul. d. Lungen tl'o. Juherkul. and.
Org. 1 (7), Miliartubcrknl. 1 ( - ). Lun ge nent/uud. tl’neumon.» 9 (s>,
Influenza - ( ■ ), and. ubertragb. Krankh. 3 iJi. Lntzund. d. Atmungs-
organe — (1). sonst. Krankh. derselb. 5 i h. organ. Herzleiden |9
sonst. Kr. d. Kreislaufsorg temschl. Herzschlag) 5 i4i. (iehirnschiag
I" (7). Geisteski ankh. - (2), Eraisen. I.klump*. d. Kinder ö i2i, and.
Krankh. d. Nervensystems 4 |(,i. Magen- u. Darm,-Kat. Brechdurchfall
(emschl. Abzehrung) 34 (32l. Krankh. d. Leber 3 du. Krankh. des
Bauchfells 2 ( - ). and. Krankh. d. Verdammgsorg. 4 tjg Krankh. d.
Harn- u. Geschlechtsorg, s du. Krebs (Karzuiom. Kaukroi.ii 15 U2l.
and. Neubildg. (emschl. Sarkom) I (6, >i mstnmrd 2 i2). Jod durch
fremde Hand — (I), l ngiiicksf.dk- h öi. ade übrig. Krankh. -4(1-.
Die Gesamtzahl der Sterbefalle 2i»2 < 175i. V erhaltniszahl auf das
Jahr und lii"ö Einwohner im allgemeinem PÖ <U\4.. für du* über
dem 1. Lebensjahre stehende Bevölkerung 12.4 < 11.5).
*J Die cingeklamrnertcu Zäh en bedeuten d e Fa e der Vorwoche.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Die Münchener Medizinische Wochenschrift erscheint wöchentlich
nn Umfang von durchschnittHch 6—7 Bogen. • Preis der einzelnen
Nummer 80 *f. * Bezugspreis in Deutschland vierteljährlich
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MÜNCHENER
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Medizinische Wochenschrift.
ORGAN FÜR AMTLICHE UND PRAKTISCHE ÄRZTE.
Herausgegeben von
I.r.Angerer, CUhiltr, 0.r. BolliDger, UomMsaii, 8.BeHerieb, I.i.Leabe,E.r.Merkel,J. t. lichel, F.fnziMt, H.v.Baske, B.Spats, F.t.Vtyckel,
München. Freiburg i. B. München. Leipzig. Eisenach. Würzburg. Nürnberg. Berlin. Erlangen. München. München. München.
No. 37. 15. September 1908. Ve ?“ 55. Jahrgang.
Originalien.
Aus der Universitäts-Frauenklinik in Würzburg.
Zur Verhütung des Kindbettfiebers.*)
Von M. Hofmeier.
Schon früher habe ich wiederholt (zuletzt im Jahre 1902
in dieser Wochenschrift) unter dem obigen Titel unter Zu¬
sammenfassung von ie 1000 Geburten und Wochenbetten über
die diesbezüglichen Resultate unserer Klinik berichtet. In¬
zwischen sind über die Resultate der weiteren Tausende
einige Dissertationen erschienen (Ossenkop 1905, S p i e s
1907, Hofmann 1908), in denen das Material in gleicher
Weise weiter bearbeitet ist. Nachdem jetzt die Zahl von
10 000 erreicht ist, möchte ich die Gelegenheit von Neuem be¬
nützen, an der Hand unserer Erfahrungen zu einigen der neuer¬
dings mehrfach in der Literatur erörterten Fragen der Ge-
burts- und Wochenbettshygiene Stellung zu nehmen. Ich
glaube, dass unsere Resultate doch um so mehr Anspruch auf
Beachtung verdienen, als durchweg in dem ganzen in Betracht
kommenden Zeitraum von 19 Jahren die Behandlung der
Gebärenden und Wöchnerinnen wie überhaupt die prophy¬
laktischen Massregeln bei der Leitung der Geburten mit
wenigen, noch zu erwähnenden Ausnahmen vollkommen gleich-
mässige gewesen sind. Vorausschicken möchte ich, dass die
Zahl der Entbindungen in dieser Zeit von 360 im Jahre 1889 auf
763 im Jahre 1907 gestiegen ist und dass im allgemeinen, was
die äusseren Verhältnisse und die Räumlichkeiten der Klinik
anbetrifft, die hiesige Klinik wohl mit zu den „unmodernsten“
und räumlich beschränktesten geburtshilflichen deutschen Kli¬
niken gehören dürfte. Weiter sei erwähnt, als für die Frage
der puerperalen Erkrankungen nicht unwichtig, dass die Zahl
der Erstgebärenden 4556, die der Mehrgebärenden 5444 betrug,
d. h. dass das Verhältnis zwischen beiden sich allmählich ver¬
schoben hat, jedenfalls infolge der immer häufigeren Benützung
der Klinik durch verheiratete Frauen.
Die folgende Tabelle mag zunächst einen Ueberblick über
die Zahl der während dieses Zeitraums vorgekommenen ope¬
rativen Eingriffe und schwereren geburtshiflichen Kompli¬
kationen geben (mit Ausnahme der Dammverletzungen), wobei
noch bemerkt sein mag, dass die irn Vergleich mit anderen
statistischen Angaben relativ niedrige Zahl der engen Becken
sich daraus erklärt, dass nur die höheren Grade der Ver¬
engungen notiert sind.
Wenn auch gewiss in den grossen Städten durch die Kon¬
zentration des Materials ein grösserer Reichtum an patho¬
logischen Geburten in den betreffenden Kliniken zu verzeichnen
sein wird, so ist doch auch bei uns die Zahl der geburtshilf¬
lichen Komplikationen (15,36 Proz.) nicht ganz gering, wie die
Zahlen der Tabelle zeigen.
Den Massstab für die Beurteilung der Wochenbetten hat
durchweg die Temperaturmessung in der Achselhöhle abge¬
geben, die mit Maximalthermometer ausgeführt und deren
Resultat von dem vierten Tausend an durchweg von den Assi¬
stenten selbst festgestellt wurde. Eine Ausnahme hiervon wurde
nur bei einer Serie von 548 Wöchnerinnen im sechsten Tausend
*) Nach einem in der Fränkischen Gesellschaft für Geburtshilfe
und Gynäkologie am 30. Mai 1908 gehaltenen Vortrag.
(io, 37
(Nichdruck der OriginaUrtikel ist nicht gestattet.)
Tabelle I.
Je 1000 Geburten
1-
H
- i
>|
>
i
>
i
>
s |
>\
X
X
Summe
1
Zangen .
19
27 18
19
25
28
29 34
32
38
269
2,69
Wendungen.
22
3415
26
32
31
32 42
37
34
305
3,05
Extraktionen.
22 62 36
51
39
24'53
42
58 48
435
4,35
Perforationen.
4;
5
3
4
7
6
5
9
8i
3
54
0,54
Sectio Caesarea.
1
2
1
6
2
6
6
5
6
5
40
0,40
Embryotomie.
1
—
—
1
2
—
—
1
—
5
Svmphysiotomie.
—
— ;
2
—
1
—
—
—
—
—
3
Pubiotomie.
_1
—:
—
—
—
—
2
1
5
8
Koeliotomie bei Uterusruptur .
Vagin. Totalexstirpation bei
—
1
1
;
—
—
—
1
-
3
Uterusruptur .
—
—
—
j 1
—
—
—
—
-
—
1
Künstliche Frühgeburt ....
8
5
6
! 5
10
9
6
12
10
6
77
7,7
Nabelschnurvorfall.
7
8
14 16
20
4
6
9
8
13
105
1,05
Tympania uteri .
Eklampsie . ..
2
2
3
7
1
1
3
2
3
3
27
0,27
1
3
! 2
6
7
3
8
4
6
5
45
0,45
Plac. praevia .
4
5
7
7
10
5
11
4
14
3
70
0,7
Man. Plazentarlösung ....
9
6
! 6
11
7
9
7
4
8
9
76
0,76
Uterustamponade.
5
1_
—
1
3
1
-
3
—
—
13
Enges Becken .
—
|47
32
33
100
56
49
77
47
66
567
6,3
gemacht, bei denen zur Ermöglichung eines Vergleiches aus¬
schliesslich per rectum gemessen wurde. Der Unterschied in
den Resultaten der Messungen (nach Abzug der bekannten
Differenz von 0,5°) war aber so gering (16,6 Proz. Morbidität
für die rektal Gemessenen, 16,1 Proz. für die axillar Gemes¬
senen), dass wir mit Rücksicht auf die so viel grössere Unbe¬
quemlichkeit diese Art der Messung wieder aufgegeben haben.
Als „gestört“ wrnrde jedes Wochenbett angesehen, bei dem
auch nur einmal die Achselhöhlentemperatur von 38 erreicht
eder überschritten wurde. Die Tabelle II gibt einen
Ueberblick über die an diesem Massstab gemessene Mor¬
bidität der Wochenbetten.
Tabelle II.
Je 1000 Geburten
-
=
S
>
>
>
>
V U.
[X
X
Summe 1
Proz. j
Gesamtmorbidität . . .
85
102
83
106
99
1
164 131
133
131
10*
1148
11,48
Puerperale Morbidität .
67
64
48
56
73
1371 97
64
64
35
695
6,35
Darunter leichte Störung.
Schwerere Störungen in-
46
38
28
26
60
99
75
36
40
29
477
4,77
klus. der Todesfälle .
21
26
20
30
13
38
22
28
14
6
218
2,18
Erläuternd mag zu dieser Tabelle bemerkt sein, dass wir
alle diejenigen Wochenbettstörungen, für welche nicht eine
bestimmte andere Ursache des Fiebers nachweisbar war,
als mit den puerperalen' Prozessen in Zusammenhang stehende
Störungen aufgefasst und angeführt haben, auch wenn von
Seiten der Genitalien nicht das Geringste in dieser Beziehung
nachzuwdsen war. Systematische, bakterioskopische und bak¬
teriologische Lochialuntersuchungen sind in diesen Fällen
von meist leichten Eintagsfiebern freilich nicht immer ge¬
macht worden. Sie sind doch bei beschränktem Raum recht
umständlich, für die Wöchnerinnen nicht ganz gleichgültig und
für die Diagnose doch kaum mehr verwertbar, seitdem wdr aus
so zahlreichen Untersuchungen wissen, dass auch bei den nor¬
malsten Wöchnerinnen sich in einer erheblichen Prozentzahl
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
1014
(nach Hurkhardt 1 ) in 84 Proz., nach Schaue n s t e i n *)
in 64 Proz. bei Wöchnerinnen, deren Rektaltemperatur 3.s "
nicht überschritt, nach B u in in ‘) in 75 Proz.) Streptokokken
in den Utcruslochien finden, während andererseits bei fiebern¬
den, aber sonst nicht nachweislich kranken Wöchnerinnen die
l'teruslochien steril gefunden wurden ').
Zu dein Begriff der „schwereren" puerperalen Störungen
haben w ir alle diejenigen gerechnet, bei denen die Temperatur
von 39" mehrmals erreicht oder überstiegen wurde. Fs han¬
delte sich aber hierbei nicht im Entferntesten ausschliesslich
um das, was wir im gewöhnlichen Sprachgebrauch als schwere
Puerperalfieber bezeichnen. Pie Zahl dieser letzteren abzu¬
grenzen ist natürlich schwierig, da der Begriff zu labil ist,
und da ich nicht die sämtlichen (iehurtsiournale wieder durch¬
sehen konnte. Ich habe die Zahl aus den oben genannten Be¬
richten herausgesucht und finde im (ianzen auf sntiil (jeburten
(im ersten und achten Tausend sind die Fälle nicht ausgeschie¬
den) 15 = 0,2 Proz. verzeichnet. Darunter sind 4 von den
an der Infektion Verstorbenen und ein Erkrankungsfall nach
Pubiotomie mit Verletzung der Blase. In den letzten Hin»)
Wochenbetten war eigentlich nur dieser letztere Fall von
ernster Erkrankung zu verzeichnen, in welchem mit der
B u rn m sehen Nadel operiert und eine Blasenverletzung zu¬
stande gekommen war. Es schloss sich eine weitergehei.de
ITininfiitration des prävesikalen Bindegew ebes au, die schliess¬
lich in Heilung ausging ’).
Bevor ich auf eine Würdigung der oben gegebenen Zahlen
eingehe, möchte ich zunächst einen IJeberblick über die M or-
talität bei diesen 10000 (jeburten geben.
Tabelle III.
Je 1000 Oeburten
| F|— K j > > > — x ! = i t
1 1 1 1 1 . CA 1
Oestorhen im Ganzen ....
Gestorben an puerperaler In¬
fektion .
Darunter Infektion möglicher¬
weise in der Klinik.
1 1
57,9757
i, 3 :2 — i
1 1 1 2 J-
A 4 5 4 5(> n,5(>
1 — 1—1 9 M.iio
!
i -—j 4 11,04
Dazu sei bemerkt, dass von der ganzen Zahl der Wöch¬
nerinnen vielleicht 4 oder 5 im Laute des Wochenbettes auf
andere Stationen verlegt worden sind und dort an inneren
Krankheiten (2 mal Myelitis, 1 mal Miliartuberkulose) z. T. ver¬
storben sind.
Zunächst geht aus diesen Ziffern hervor, dass ziemlich
übereinstimmend mit den Ziffern aus anderen geburtshilflichen
Kliniken und aus ganzen Ländern") etwa 0,5 Proz. der
Frauen im Anschluss an die Entbindung zu gründe geht').
*) Hegars Beitr., Bd. V.
D Ebenda, Bd. V.
'*) Vcrhandl. d. I). (iesellseh. f. GynäJöd., Bd. X.
0 Es ist mir fast unverständlich, wie angesichts dieser doch
unbestreitbaren Tatsachen von manchen Seiten, wie z. B. kürzlich
noch von Baiseh (Med. Klinik I9i»7, H. M) immer noch an der dia¬
gnostischen Verwertbarkeit des Streptokokkenbcimiues in den l terus-
lociiien festgehalten w ird W enn in nii - 7U Broz. bei normalen
Wöchnerinnen (also nicht ,in einzelnen wenigen“ lallen, wie
Bai sch schreibt) Streptokokken gefunden werden: wodurch beweist
dann der Nachweis bei fiebernden Wöchnerinnen, dass das l ieber
in diesen Füllen von ihnen ausgeht? Doch nicht dadurch,
dass man hier von einer Endometritis sireptococvica spricht und in
dem anderen Fall von einem gleichgültigen und indifferenten Befund
„nicht virulenter“ Streptokokken in den Uenistoehien? Der „Glaube“
allein, dass bei gleichzeitiger Mastitis und dem Nachweis von Strepto¬
kokken im Ilerus die letzteren die Schuld an dem l ieber tragen
und nicht die erste re Erkrankung, gibt doch noch keine Sichen heit.
So lange es nicht gelungen ist. bestimmte morphologische oder luo-
! egi sc Im (hämolytische?) 1 igentumüchkeiteu für die infektiösen und
nicht infektiösen Streptokokken iiach/u w eisen, was trot/ der ausser-
oi deutlichen, bereits darauf verw endeten Muhe bisher nicht emwuml-
lhei g(.schellen ist. muss der Nachweis derselben au sich im I tcius-
h ■(. hin .sek i et als für die Diagnose t echt unsicher oder bedeiitungs’os
bezeichnet worden.
) Diese l’at.uitm ist kürzlich in der Klinik ganz spontan mit
einem um -tno ^ leichteren Kind me.Icrgehouinieii,
") Nach v. Berit (..Das Kindbettfieber“ in dem Handbuch der
üebttrtshdie von J. \' e i t) betrug die Mortalität „im Kindbett“ m
Unsere Mortalität an K indbettfieber beträgt als»*
trotz der Anhäufung der pathologischen Falle n.iw Proz., wan-
rend die cuispreciiendeii Zainen für Sachsen Pro/., für
Hessen 0,14 Proz., mr Ba\ern <h!4 Pro/., betragen, wobei aber
7>u bemerken ist, wie ich dies früher für Bayern sJioii nachge¬
wiesen habe') und wie dies auch v. Herff betont, dass
diese Eandesziflern aus bekannten (irundeii viel zu niedrig sind.
Unter den 9 an puerperaler Infektion Verstorbenen sind
möglicherweise 4 auf Konto einer Aiist.iltsmtektmu zu setzen,
d. h. die (iehurteti wurden im Wesentlichen in der Anstalt ge¬
leitet, und die Frauen kamen nicht bereits mit ausgesprochenen
lnfektionsersehemungeii herein. I hielt ist aimh bei 2 unter
diesen 4 Wöchnerinnen (aus dem dritten Tausend) höchst wahr¬
scheinlich, dass sie nicht m der Anstalt infiziert wurden, son¬
dern ihre Injektion bereits in sich trugen, wenn auJi zunächst
ohne Erscheinungen. Immerhin habe ich sie als Anstaits.iiiek-
tion angesehen.
Diese 4, mögliche! w c;sc m der Anstalt irmz.erten Falle, lasse
ich hier kurz felgen:
1. Mausscliw angere; m dem gcburtsh.T.Jic*! Pute rMmh arg 'Kurs
längere /.eit vor der Entbindung untersucht; kmunt erst im letzten
Stadium der (iebuit auts Kreissbett, so dass e.ue innere l nte: suciuurg,
aber auch eine gnind.iche Reinigung nicht rmar stattimdcii Kami.
Zwei Stunden nach der Entimidung at<-r..sdie Nadd • iitung, w egen
deren voll dem Assistenten eine I.ach trag Ire he lamp-made Jes Items
vor genommen wird, ’l > p;sche puerpera.e 1 'er .1« m:l:s.
2. IN. Para; Blase here-ts 5 läge \ • »i der Annahme gesprungen;
will vorher nicht untersucht sein; spontane t ieburt c.nes t.et .«sptrv k-
tischeri, nicht wieder be.ebten kmdes 24 Munden uadi der Aun.aame;
dabei Entleerung voll schmierigem. stmkCfu'fem. mit GasK.isen unter¬
mischtem Wasser aus dem l terus; deswegen erst nach * Munden
manuelle Plazentarlosmig. Vorn A. lag an pnerperae Frühmietrit.s.
P\ aiiiie; Tod m der 5. Woche an mctastaJ.sc.hen Prozessen.
A. A2 jährige 1. Para; der ganze Körper m.t Mbmutz bedeckt.
Pat. höchst ungeberdig und unrunig, besmr.Mt gt sdi mit ihren
schmutzigen Banden mimenort au den < ie^cIdeeiilste ..en ; 24 Stunden
nach dem Blasensprung Schutteltrost. 1 emp. N9. 1 >«r/eps. K.nd tief
asph\ktisch; Mutter geht 4o Munden riadi der (ieburt an akutester
Sepsis zugrunde. Pat. \ mi Mud’erendcn oder E\.::n.::anden nicht
untersucht.
4. 19 jährige I. Para: seit ln Wi.dicn mi Juliusspital au Zer\i\-
gonorrhoe behandelt und auch am Begum der »ieburt untersucht;
kommt mi letzten Stadium der Austre.bimgspi.: -Je auts kieiss-
zmimer; am 2. Tage des Wochenbettes Frost. Ump. M,2: Endo¬
metritis goiiorrllpfca. dann Penfmutis; nach 7 W.«eilen 1 od an aä-
gemem metastatisdien Prozessen.
Ans dieser kurzen Darstellung mag sfeh ein Jeder ent¬
nehmen, wieviel Wahrscheinlichkeit für eine Ansgiltsmiektinn
spricht. Sie ist um so geringer, da kein m a I zu gleicher Zeit
dann anderweitige Erkrankmigsf.iüe beobachtet wurden. Je¬
denfalls ist unter den gesinnten Ummi W OcI menimeti nur eine
einzige (die letzte eben angeführte), welche nach einer ganz
spontanen (ieburt infektiös gestorben wate. Und diese eine
war gonorrhoisch infiziert und ausserhalb untersucht! Unter
den letzten 7<hmi Wochenbetten haben wir. trotz der zahlreichen
pathologischen (ieluirteii, keinen einzigen Didesfall an Infektion
mehr zu beklagen! Ich glaube, dass wir hiernach berechtigt
sind ausziisprechen : dass wir das 110 J 1 \mi D< h rn seinerzeit
als unerfüllbar hezeidinete Ideal hiermit erreicht haben: in
einer intensiv zur g e b u r t s li i 1 f I i c h e n A u s b i 1 -
düng von A e r z t e u und He h a m m en di e n e n d e n
Anstalt diesen Unterricht so gut wie ge f ahr-
I o s z ii gestalt e n. Ich muJite dies ganz besonders bet»»neu
gegenüber den früher vielfach hervorgeliobenen Bestrebungen,
die innere \' a g i n a I e Unters u c h u ti g k rosender w egen
der ihr anhaftenden (iefahren völlig ans/us^haben. Die Zahl
der innerlich gar nicht unterm Urten k reisse::den ist auf die
(iesamt/ahl hier so gering, dass sie gar nicht in Betracht kommt
(sie betrug für die erstell 5ni hi < iebui teil ausser 47 Mn r/ge hurten
Sucliscn n.s«; Pr../,, in Hessen n.ss Puij.. in Preiivseu 0,^*2 Pr<«'.
Pim iiril i KN f. D. nicä. W "vlfvnciir. l'" s . N<«. 2 ‘*. p. I Jo.;i K r.chtvte
tim v.st nbci ".fT 1 <«/. M« r tu'.t.it im: : <.i 77 »u'arMi.
') Die ’I odesiir suclien imm n kurz ai.ei.vt sc u:: 1 •'.eupve 7.
Perforatioiispe; itoi.u.s J. l’ieui.t.s 1. L.n. • • ".a niili.c.;., 1. P .k.
p: aevia und \ erb.tmrng p. p.rt. 7. D.b'elcs 1. > vifew"c ■ !■ ere imd
1 ‘ubiotomiv J. I teiusiuptm 7. >ect. accru \ \ ; ;rn c- r '. \ und
duiiei kuiose 11. Euileu.; ««i.e (bei JA mpar: a nie » A. 2.
puerperale Infektion 9.
s ) Volkmanns Vortr., N. E., No. 177.
Digitized by
Original fram
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1915
nur 33). Wenn wir auch alle unnötigen inneren Untersuchungen
grundsätzlich vermeiden, so müssen doch ebenso grundsätzlich
alle Studierenden und Hebammenschülerinnen innerlich und
zwar meist mehrmals untersuchen, so dass selbst in den Ferien
jede Kreissende durchschnittlich von drei Personen, zur Zeit
des Hebammenlehrkursus von etwa 9 Personen innerlich unter¬
sucht wird.
Dass ich bei Erzielung derartiger Resultate kein Bedürfnis
verspüre die bisher ausschliesslich geübte vaginale Unter¬
suchung durch die kürzlich von K r o e n i g 8 ) so lebhaft emp¬
fohlene rektale Untersuchung zu ersetzen, ist wohl selbstver¬
ständlich. Die Furcht vor den Mikroben, welche den nach
allen Regeln der Kunst gewaschenen und desinfizierten Fingern
noch anhaften, scheint mir im höchsten Masse übertrieben,
wie überhaupt die bakteriologischen Forschungen neben dem
grossen Nutzen, den sie gestiftet haben, in dieser Beziehung
doch auch unverkennbar eine ganz unnötige und unberechtigte
Beunruhigung und Unruhe hervorgerufen haben. Die Jagd
nach dem letzten Bazillus und dem letzten Kokkus nimmt
doch zuweilen in der Gynäkologie und Geburtshilfe geradezu
sonderbare Formen an! Wenn man der gründlich desinfizierten
Hand nicht einmal so viel traut, dass man mit ihr selbst oder
unter Zuhilfenahme eines zwischengelegten, sublimatgetränkten
Wattebausches den Dammschutz ohne Schaden ausüben kann,
sondern hierzu eigene Metallschutzbügel nötig zu haben glaubt,
so steht diese Bazillenfurcht in einem merkwürdigen Gegensatz
zu der Sorglosigkeit, mit welcher der Schmutz an den äusseren
Geschlechtsteilen und die reiche Bazillnflora in der Vagina der¬
selben Kreissenden behandelt wird. Dass der geübte Unter¬
sucher sich unter Verwendung eines Gummifingers vom Mast¬
darm aus über den Stand der Geburt orientieren kann, ist ge¬
wiss möglich; dass aber der Ungeübte bei dieser Abstumpfung
des Gefühles durch den Gummiüberzug und die Scheidenmast¬
darmwand, besonders in den früheren Stadien der Geburt und
bei hochstehendem Kindsteil, die geburtshilfliche Untersuchung
niemals erlernen wird, scheint mir neben allen sonstigen Unzu¬
träglichkeiten derartiger Untersuchungen ebenso sicher.
Ich hebe dann ausdrücklich hervor, dass wir (mit wenigen
Ausnahmen) niemals für die geburtshilflichen Unter¬
suchungen von Gummihandschuhen Gebrauch gemacht haben.
Aus didaktischen und pekuniären Gründen muss ich mich gegen
die regelmässige Anwendung dieser Handschuhe erklären, ohne
natürlich auch nur einen Augenblick ihren gelegentlichen aus¬
serordentlichen Nutzen zu verkennen. Ich weise ferner noch
einmal darauf bin, dass wir diese erfreulichen Resultate er¬
reicht haben in einer Klinik, welche in ihren räumlichen Ver¬
hältnissen und vielen inneren (auch hygienischen) Einrich¬
tungen wohl mit zu den beschränktesten und unmodernsten
deutschen geburtshilflichen Kliniken zählen dürfte. Bezüglich
dier sonstigen Behandlung der Wöchnerinnen sei erwähnt, dass
sie während der ersten 7—8 Tage das Bett zu hüten pflegen
und am 9. oder 10. Tag in der Regel entlassen werden. Ich
habe von dieser einwöchigen Bettruhe noch niemals einen
Schaden gesehen und bin der Ansicht, dass für die Heilung
der entstandenen Wunden und für die ungestörte Rückbildung
der Genitalien einige Tage körperlicher Ruhe sehr wünschens¬
wert oder notwendig sind, wie auch diese Ruhe nach der
schweren Zeit der Schwangerschaft und Geburt den Frauen im
höchsten Masse zu gönnen ist.
Ich verzichte auf einen Vergleich mit anderweitig ver¬
öffentlichten Resultaten, da bei der Verschiedenheit des zu
gründe gelegten Massstabes Vergleiche zu schwer richtig
durchzuführen sind, wie dies v. H e r f f in seiner vortrefflichen
Monographie über das Kindbettfieber im V e i t sehen Handbuch
ausführlich dargelegt hat. Die von vornherein verschiedene
Definition des „gestörten“ Wochenbettes, die Ausschaltung ge¬
wisser operativer Fälle, die Ungleichheit der Gesamtzahlen
machen richtige Vergleiche kaum möglich. Auch sind, da es
sich ja auf tausende von Geburten nur um einzelne Todesfälle
handelt, Zufälligkeiten doch nicht ausgeschlossen. Doch kann
ich sicher so - vieil sagen, dass nach den von v. Herff zu-
sammengestellten statistischen Ziffern sowohl für die Morbidität
•) Hegars Beitr., Bd. XII, p. 492.
wir die Mortalität unsere Resultate in jeder Beziehung mit zu
den besten zählen.
An der Hand unserer Ziffern mögen nur noch ein paar
Gesichtspunkte hervorgehoben sein. Während die Behand¬
lung und Vorbereitung der Gebärenden während dieses ganzen
Zeitraumes durchaus die gleiche geblieben ist, ist in der sub¬
jektiven Antisepsis der Untersucher im Laufe der Zeit insoferne
eine Aenderung eingetreten, als vom Jahre 1901 an, d. h. für
die letzten 4500 Geburten, in die bis dahin übliche Waschung
der Hände mit Wasser, Seife und nachher Sublimat eine solche
mit 70 proz. Alkohol eingeschaltet wurde. Wie ich schon da¬
mals beim Vergleich der ersten 500 mit den zweiten 500 Ge¬
burten des sechsten Tausend feststellen konnte, dass die Re¬
sultate für die Wochenbetten vollkommen die gleichen ge¬
blieben waren, so geht aus einem Vergleich der ersten 5000
mit den letzten 4000 Wochenbetten jedenfalls kein erkennbarer
Einfluss der schärferen Desinfektion der untersuchenden Hand
hervor. Die Morbidität betrug für die erste Gruppe 9,6 Proz.,
für die zweite 12,5 Proz. Audi wäre zu bemerken, dass für
die ersten hier in Betracht kommenden 10 Jahre durch die
3—4 fach höhere Zahl der Praktikanten die Zahl und Mannig¬
faltigkeit der untersuchenden Hände eine ungleich grössere ge¬
wesen ist.
Es ist also nicht nur keine Verbesserung der Wochen¬
bettsresultate aus dieser Einschaltung der Alkoholwaschung zu
verzeichnen, sondern eher eine geringe Verschlechterung.
Wollte man auf solche geringe prozentuarische Unterschiede
besonderen Wert legen, so käme man zu dem widersinnigen
Schluss, dass die grössere Zahl der Untersucher und die
mangelhaftere Desinfektion der Hand für die Kreissenden nur
vorteilhaft wäre. Ich möchte aber vielmehr, durchaus in
Uebereinstimmung mit den sorgfältigen Untersuchungen von
Sticker 10 ) meine Meinung dahin aussprechen, dass für den
Verlauf des Wochenbettes die nach einer gründlichen mechani¬
schen Reinigung der Hand mit heissem Wasser und Seife und
einer gründlichen Waschung mit 1 prom. Sublimat noch
vorhandenen Keime für eine schonende geburtshilfliche Unter¬
suchung vollkommen gleichgültig sind, und (dass unter dieser
Voraussetzung auch die Zahl der digitalen Untersuchungen
ziemlich irrelevant ist: eine Ansicht, welche ja auch durch die
systematischen Untersuchungen vieler Anderer durchaus be¬
stätigt ist und auch durch die gleichbleibenden Resultate wäh¬
rend unserer Hebammenkurse immer wieder Bestätigung fin¬
den. Vorbedingung hierbei ist allerdings, dass die unter¬
suchende Hand vorderBerührungmit infektiösem
Material möglichst bewahrt bleibt und dass dafür
gesorgt wird, dass die Kreissenden selbst
bezüglich ihrer Geschlechtsteile möglichst
„sauber“ sind oder sauber gemacht werden.
Die Frage, woher nun (selbst bei völliger Ausschaltung der
an dem Finger noch haftenden Mikroben durch sterile Gummi¬
handschuhe) die doch nicht unerhebliche Zahl von fieberhaften
Störungen des Wochenbettes kommen, soweit sie auf puer¬
perale Prozesse zurückzuführen sind (immerhin noch 7 Proz.),
ist ja immer noch eine umstrittene. Ich suche sie in den an
den äusseren Geschlechtsteilen und in der Scheidie der Frau
bereits vor der Geburt vorhandenen Mikroben, die gewiss
nicht immer schwer infektiös sind, aber doch genügen, diese
leichteren Störungen des Wochenbettes herbeizuführen. Als
beweisend hiefür sehe ich neben den Versuchen von Sticker
und den Resultaten derjenigen Kliniken, welche durch die
grundsätzliche Verwendung von sterilisierten Gummihand¬
schuhen die Fingerkeime völlig eliminieren u ), die vor einigen
Jahren in der Leipziger Klinik von Scanzoni 1 *) angestellten
Versuche an, welche allerdings das Gegenteil beweisen sollten.
Die Arbeit enthält zunächst einen Bericht über 157 „präzipi-
tiert“ Entbundene, die also innerlich gar nicht untersucht
waren. Von diesen Wöchnerinnen fieberten nach Abzug von
60, bei denen wenigstens irgend welche äussere „Berührungen“
stattgefunden hatten, noch 60 = 21,6 Proz. mit Achselhöhlen-.
10 ) Zerrtralbl. f. Geburtsh. u. Gynäkol., Bd. 45.
“) s. v. Herff 1. c.
13 ) Archiv f. Gynäkol., Bd. 63.
1 *
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1916
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
temperaturen von 39° und 40° und einem Anstaltsauientlnlt
von 14—43 Tagen. Und von 112 bei der Entbindung g a r n i c h t
berührten Frauen fieberten nach Abgang von 17. bei denen für
das Fieber eine andere Quelle wahrscheinlich erschien, immer
noch 11,5 Proz. mit Temperaturen bis 39,3°! Da es sich bei
diesen „nicht berührten“ Kreissenden ja jedenfalls um die leich¬
testen und einfachsten Entbindungen handelt, so wird man die
Zahl der Fiebernden doch gewiss nicht ganz gering finden
können, und ich wüsste wirklich nicht, worauf anders diese
infektiösen Fieber zurückzuführen wären, als auf die Wirkung
der bereits vor der Geburt an und im Körper der Frau vor¬
handenen Keime.
Nun ist ja gewiss die Möglichkeit zuzugeben, dass w ährend
des Wochenbetts von aussen Keime in den (ienitalkanal herauf¬
wandern. Wir haben zur Verhütung oder zur Beschränkung
eines solchen Aszcndierens im Wochenbett im b. 'rausend bei
400 Wöchnerinnen den Versuch gemacht, die äusseren Ge¬
schlechtsteile andauernd mit Kompressen, die mit einer b prom.
Sublimatlösung getränkt waren, zu bedecken. Der Erfolg war
durchaus negativ, wie er auch bei ähnlichen Versuchen in
anderen Kliniken kein eindeutiges Resultat ergeben hat. Auch
ist doch kaum einzuseilen, warum diejenigen Keime, welche
etwa nach der Geburt von den äusseren Geschlechtsteilen
her im Genitalkanal aufwärts wandern, an sich gefährlicher
sein sollten, wie diejenigen, die v o r der Geburt denselben Weg
einschlagen oder eingeschlagen haben. Ich halte die letzteren,
deren Vorhandensein ja von allen Untersuchern erwiesen ist,
für die verdächtigeren und versuche dementsprechend diese
soweit wie möglich durch gewisse Vorsiciitsmassregeln un¬
schädlich zu machen, die ich in den angeführten Berichten so
wiederholt schon beschrieben habe, dass ich hier auf eine
nochmalige Erwähnung verzichte. Dass es sich hierbei um
eine „Desinfektion 1 im bakteriologischen Sinne handelt, habe
ich niemals behauptet, wohl aber, dass es sich um eine an sich
absolut unschädliche, vielfach aber vielleicht sehr nützliche
Massregel handelt. Dass dieselbe sehr oft überflüssig ist, ist
unbestreitbar, wie auch jede Desinfektion der Hand sehr oft
überflüssig wäre. So lange ich aber nicht weiss. wie oft dies
der Fall ist, halte ich es im Interesse unserer Pflegebefohlenen
für besser, lieber etwas zu viel wie zu wenig zu tun. Und
so lange diejenigen Autoren, welche immer die absolute Harm¬
losigkeit der an den äusseren Geschlechtsteilen und in der
Scheide bei Gebärenden vorhandenen Keime behaupten, fort¬
fahren, vor gynäkologischen Eingriffen an den äusseren und
inneren Genitalien diese so ausgiebig wie möglich zu reinigen
und zu desinfizieren, sehe ich bei ihnen einen klaffenden Wider¬
spruch zwischen der Theorie und der Praxis. Denn Wunden
sin-d Wunden: ob sie zu operativen Zwecken gemacht oder
bei der Geburt entstanden sind, und es bleibt ein ungelöstes
Rätsel, warum dieselben Keime für die operativen Wunden
schädlich, für die geburtshilflichen Wunden unschädlich sein
sollen. Ganz im Gegenteil: ich habe durchaus den Eindruck,
dass, je mehr wir bei geburtshilflichen Operationen das ganze
Operationsfeld in demselben Sinne versuchen vorzubereiten,
wie war es allgemein bei chirurgischen Eingriffen tun, wir um
so bessere Resultate erreichen werden. Als Beweis dafür
möchte ich nochmals auf die Resultate der letzten UHio Ge¬
burten verweisen. Es w aren hierunter bh Geburten bei engem
Becken und ausserdem 172 geburtshilfliche Eingriffe, zum Teil
allerschwerster Art. Selbst wenn wir die vorgefallenen
b ernsteren Erkrankungen auf Konto dieser Operationen setzen
wollten, was nicht einmal zutrifft, so hätten wir nur 3,5 Proz.
ernstere Wocheiihcttstörungcn bei diesen operativen Entbin¬
dungen ohne einen einzigen Todesfall.
Ich sollte meinen, dass diese Zahlen doch eine beredte
Sprache sprechen, und ich glaube, dass alle diejenigen, welche
noch die Verhältnisse in den geburtshilflichen Anstalten vor
25 und 30 Jahren kennen, gleich mir den Eindruck haben
werden, dass die so ausserordentliche Besserung derselben
im wesentlichen von der Zeit an datiert, wo wir anfingen, die
Kreissenden selbst gründlich zu reinigen. Denn die Hände
haben wir uns schliesslich auch früher schon gründlich ge¬
waschen und versucht, sie zu desinfizieren (wenn auch nicht
N n 37.
mit Sublimat). Und wenn dies, wie wir ja jetzt wissen, auch
unvollkommen war und einen Teil des mangelhaften Erfolges
erklärt, so wissen wir jetzt ebenso, dass auJi mit den wirk¬
samsten Desinfcktioiismethodcn eine Keimf reihen des unter¬
suchenden Fingers nicht erreicht wird, und dass auch die völlige
Ausschaltung der Fmgerkemie durchaus kein fieberfreies
WOchenbett verbürgt. Ich würde es deswegen für einen
äusserst bedauerlichen urJ verliaugm >v< üen Rückschritt hal¬
ten, wenn diese objektive Reinigung und Desinfektion «J.-r
Kreissenden auch nur für m rmale Geburten wieder aufgegebea
w erden sollte, w ie dies K r o e n i g (I. c.) Hingst im Zusammen¬
hang mit der Empfehlung der rektalen Messin g empfohlen hat.
wobei ich unter Desinfektion freilich nicht die Jagd nach dem
letzten Bazillus verstehe. Wenn übrigens dieser an den ausse¬
ren Genitalien haftende Schmutz wirklich so harmlos ist.
warum m II er dann bei Operativen Entbindungen entiernt wer¬
den? Die Folgen solcher Lehren konnten d .Ji recht verhaag-
nis\ oll sein. Demi die Neigung des gehurtsleite: Jeu Personals,
in den alten Schlendrian wieder zm lukzufaileii, ist tue sehr
grosse, w ährend doJi sonst überall die Rer h.likeit d.s Kör¬
pers für eine Jugend gilt und besonder«, m der Nahe v Wun¬
den allgemein als ein Erft rJerms angesehen wird.
Die Palliativtrepanation bei Stauungspapille.
Von Prof. E u g e u v. Hippel in Heidelberg.
Die Palliativ trepai aiion des Schädels bei intrakraniellen,
einer RadikaloperaMon nicht zugänglichen Erkrankungen ist
ein Grenzgebiet, an dem der Neurolog, der Chirurg sowie der
Augen- und Ohrenarzt interessiert sind. Hier soil dasselbe
\ om Standpunkte des <tplidialmojogen behandelt werden.
Wenn auch die Staimngspapilk nur ein Symptom eines krank-
heitsprozesses ist, so i mimt sie doch einmal wegen ihrer Fol¬
gen Erblindung: eine Sonderstellung ein und zweitens,
weil sie nicht selten ein Erulisx mptom ist. das den Patienten
zunächst in augeiiürzthche Behandlung fuhrt. Diese bestand
bisher wenigstens bei uns in Deutschland im allgemeinen
in der üblichen Anwendung \on Jod und Quecksilber und war
deshalb meist erfolglos.
Angeregt durch die Sänger sdien Arbeiten veranlasstc
ich vor einem Jahre die Palliativtrcpauatmn wegen akut em-
getreteiier Erblindung durch Stauungspapille bei einem 12 jähri¬
gen Kinde. Dasselbe starb nach 12 lagen an Infektion, wie ich
jetzt sagen muss, infolge technisch nnzw eckmassigen opera¬
tiven \orgehens. Ich wurde dadurch veranlasst, die Literatur
des Gegenstandes eingehend zu studieren, die ausserordentlich
zerstreut ist und grossenteils dem Anstand (besonders
Amerika) argeliort.
Als Palhativtrepaiiatiouen rechne ich wie üblich dieieiiigen.
bei welchen der Krankheitsherd mein gefunden oder aus irgend
einem Grunde nicht entfernt werden könne, sowie die. bei wel¬
chen von vornherein nur eine Driukertlastuug beabsichtigt
war. Von duu mir zugänglichen Material habe ich nur die
halle, m denen das Vorhandensein von Stauungspapille aus-
driieklicli angegeben ist, berücksichtigt . Dies waren 221: lei¬
der sind die Angaben über das Sehvermögen sowie über die
Beeinflussung von Stauungspapille und \ isus vielfach sehr dürf¬
tig oder fehlen ganz, ich habe dem bei der Verwertung Rech¬
nung getragen, aber die unvollständig beschriebenen habe des¬
halb nicht ausgeschaltet, weil ich für die Beurteilung der Ge¬
fahr der Opera’ioii ein möglichst grosses Material benutzen
w ollte.
Den Neurologen und Chirurgen ist es sut langem In kam;:,
dass nicht nur muh Entfernung eines intrakraniellen Krank¬
heitsherdes. sondern auch nach einfacher Eröffnung des Schä¬
dels die Stauungspapille zunukgelun kann.
Von der. 221 Fällen s*arben 53 bei (•Ja im Anschluss an
die Operation, von den übrigen 1<’ S ging die Stauungspapille
H'timal zurück, ls mal tat sie es nuht. hei den ubrigoi fehlen
Angaben.
Das Sehvermögen war vor der Operation im prakt.s Juri
^iuiie sicher brauchbar nur in 24 Fallen: von diesen starben 2
(sonst sehr wen vorgeschritten) bei der Opcrat.f r. er.mal
vv urdc der \ isus schlechter (direkte k< lnprc smoji der t ptisJieii
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UNIVERSITY 0F MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1917
Bahn), 21 mal wurde das Sehvermögen erhalten oder ge¬
bessert, allerdings 6 mal nur vorübergehend.
Im praktischen Sinne unbrauchbar war der Visus vor dem
Eingriff 92mal; 14mal wurde hierbei noch eine wesentliche
Besserung erzielt; ausserdem ist eine solche noch in 26 Fällen
verzeichnet, wo über das Sehvermögen vor der Operation
nähere Angaben fehlen. Im ganzen sind es also 61 Fälle (bezw.
55), in denen das Sehvermögen erhalten oder gebessert wurde.
Diese Zahl könnte klein erscheinen, es ist aber zu be¬
rücksichtigen, dass in einer sehr grossen — wohl der Mehr¬
zahl der Fälle das Sehvermögen zur Zeit der Operation bereits
derart verfallen w r ar, dass eine Herstellung unmöglich war:
92 mal war es sicher unbrauchbar, davon starben 20 und 56
blieben ungebessert (2 mal fehlen Angaben) und unter den zahl¬
reichen Fällen, in denen verwertbare Notizen fehlen, kann nach
den sonstigen Angaben der Krankengeschichten mit Bestimmt¬
heit behauptet werden, dass fast immer erst in einem weit vor¬
geschrittenen Stadium der Krankheit operiert wurde.
Das bisher vorliegende Material lehrt, dass die Aus¬
sichten für das Sehvermögen günstige sind,
w enn in einem relativ frühen Stadium, d. h. bei
noch brauchbarem Sehvermögen operiert
wird, dagegen ungünstige bezw. absolut
schlechte, wenn zur Zeit der Operation der
Visus schon praktisch unbrauchbar gewor¬
den b e z w. erloschen-ist. Soll die Operation also den
gewünschten Erfolg haben, so muss sie gemacht werden, wenn
die Sehschärfe bezw. das Gesichtsfeld sich zu verschlechtern
beginnen, besser noch, wenn sie noch normal sind, sofern
nicht die Wahrscheinlichkeit besteht, dass es sich um ein spon¬
tan oder medikamentös heilbares Grundleiden handelt.
Dies kann der Fall sein bei Syphilis, dem chronischen
Hydrozephalus, dem sog. Pseudotumor und der Gehirnschwel¬
lung sowie bei Missbildung des Schädels, z. B. dem sog. Turin¬
schädel, wo Stauungspapille vorkommt, und die Möglichkeit
der Heilung der letzteren mit Erhaltung von Sehvermögen
ohne Operation könnte einen Einwand gegen die Berechtigung
der letzteren abgeben.
Ist Syphilis sicher, so darf die medikamentöse Behandlung
auch bei stärkerer Abnahme des Sehvermögens natürlich län¬
ger fortgesetzt werden, als wenn die Diagnose Tumor lautet,
es muss aber besonders auf Grund der Angaben von Hors-
1 e y und Kocher betont werden, dass die Resistenz des
Gumma cerebri gegen die spezifische Behandlung oft so gross
ist, dass es durchaus nicht immer gelingt die Erblindung durch
Stauungspapille zu verhüten, w r enn man nicht operiert. Diese
wichtige Tatsache zeigt, dass für die Behandlung der Stauungs¬
papille bei Syphilis keine allgemein gültige Regel aufgestellt
werden kann. In einigen Fällen bewirkte hier übrigens die
Lumbalpunktion nach längerer vergeblicher Anwendung der
spezifischen Behandlung einen völligen Umschwung im Krank¬
heitsbilde und rasche Heilung.
Die Möglichkeit der Spontanheilung der Stauungspapille
beim chronischen Hydrozephalus, dem Pseudotumor und der
Gehirnschwellung spricht aus dem Grunde nicht gegen die
Vornahme der zeitigen Palliativtrepanation, weil diese Krank¬
heiten bisher nicht mit Sicherheit differentialdiagnostisch vom
Tumor cerebri zu unterscheiden sind und vor allen Dingen
auch deshalb, weil es vorkommeH kann, dass sonst völlige
Heilung eintritt, aber Erblindung zurückbleibt.
Ob die beim Turmschädel vorkemmende Stauungspapille
durch Trepanation geheilt werden kann, lässt sich mangels
praktischer Erfahrungen nicht angeben. Ein Versuch scheint
mir in den allerdings seltenen Fällen, wo der Arzt noch eine
frische Stauungspapille und rieht erst das atrophische Stadium
sieht, wohl gerechtfertigt, da auch bei diesem Krankheits¬
prozesse ziemlich oft praktisch unbrauchbares Sehvermögen
resultiert.
Die Palliativtrepanation könnte wenig lohnend erscheinen,
weil sie die Krankheitsursache nicht beseitigt, sondern nur das
Ende hinausschiebt. Es gibt aber zweifellos auch Fälle, in
denen sie nicht nur die Stauungspapille, sondern die Krankheit
selber zu heilen vermag: chronischer Hydrozephalus, Pseudo¬
tumor, Gehirnschwellung, Meningitis serosa sowie schwere
Schädeltraumen sind hier zu nennen. Wie häufig sich solche
Fälle unter dem klinischen Bilde des Tumor cerebri verbergen,
lässt sich kaum bestimmt angeben.
Aber auch sonst zeigt eine Zusammenstellung der Lebens¬
dauer bei den 168 Trepanierten, welche den Eingriff überstan¬
den, dass die Operation auch in dieser .Hinsicht lohnend zu
nennen ist, besonders wenn im Frühstadium der Stauungs¬
papille operiert wird. Von den 61 Fällen, deren Visus erhalten
bezw. gebessert wurde, lebten länger als K> Jahr: 41, davon
länger als 1 Jahr 31, als 2 Jahre 25, 3—5 Jahre 6, wahrschein¬
lich geheilt waren 10. Von den 56, deren Visus unbrauchbar
blieb, lebten dagegen mehr als K> Jahr nur 11, weniger als
M Jahr 44. Von jenen 11 mehr als 1 Jahr 10, als 2 Jahre 7,
3—5 Jahre 5. Nimmt man noch die Fälle hinzu, über deren
Sehvermögen vor der Operation Angaben fehlen, so bekommt
man im ganzen: Lebensdauer mehr als 1 Jahr: 60, davon
wahrscheinlich geheilt 26, von den übrigen 34 länger als 2 Jahre
am Leben 20, davon 3—5 Jahre: 11.
Die auffallend hohe Zahl von 26 Geheilten bedarf einer
kurzen Erklärung: darunter sind 11 Fälle von H o r s 1 e y, von
denen der Autor angibt, dass sich 1 mal ein maligner Tumor,
10 mal Tumoren, deren Natur bei der Operation nicht näher zu
bestimmen war, nach der Trepanation spontan zurückgebildet
hätten. In allen Fällen bestand Stauungspapille. Diese An¬
gaben durften mit Rücksicht auf die Bedeutung des Autors, von
dem sie stammen, hier nicht übergangen werden, wenn sie
auch schwer zu deuten sind.
Spricht alles bisher erwähnte unbedingt für die Berechti¬
gung einer frühzeitigen Palliativtrepanation zur Erhaltung des
bedrohten Sehvermögens, so kann die Gefahr des Eingriffs und
seiner Folgen einen wichtigen Einwand abgeben. Das bisher
vorliegende Material ist nicht geeignet, die Grösse dieser Ge¬
fahr zahlenmässig zu schätzen. Nimmt man die Mortalität
meiner 221 Fälle, von denen 53 starben, so bekommt man einen
viel zu hohen Wert, denn die Mehrzahl dieser Fälle ist in einem
Stadium operiert worden, in dem die Erhaltung des Sehver¬
mögens nicht mehr möglich war. Noch mehr gilt dies, wenn
man die Gesamtheit aller Palliativtrepanationen zur Mortali¬
tätsberechnung verwertet, wobei z. B. v. Bergmann
47,7 Proz. erhielt. Von den 24 Fällen, die vor der Operation
praktisch sicher noch brauchbaren Visus hatten, starben an
derselben 2, die aber nach den sonstigen Symptomen als sehr
weit vorgeschrittene Fälle zu bezeichnen waren. Die Zahl von
24 ist aber zu klein, um daraus allgemeine Schlüsse zu ziehen.
Eine brauchbare Statistik zur Beurteilung der Grösse der Ge¬
fahr zu liefern ist Aufgabe der Zukunft.
Dass die Operation nicht ungefährlich ist,
darf den Angehörigen nicht verschwiegen
werden, trotzdem sind wir berechtigt, ent¬
schieden dazu zu raten, denn bei Unterlassung der¬
selben ist die Erblindung fast immer unvermeidlich, die Aus¬
sichten für das Sehvermögen sind bei rechtzeitiger Operation
günstig, das Leben wird öfter verlängert als verkürzt, vor
allen Dingen erträglich gemacht, da auch Kopfschmerzen und
Erbrechen meistens beseitigt werden, es wird vermieden, dass
Patienten, die eventuell sonst geheilt werden, der Erblindung
anheimfallen; im Falle des ungünstigen Ausgangs wird ein
meist qualvolles Dasein abgekürzt.
In massgebenden neurologischen Werken, z. B. Bruns.
Oppenheim u. a. w ird ein ganz ähnlicher Standpunkt ein¬
genommen, es lässt sich aber nicht verkennen, dass man von
einer allgemeinen Anwendung dieser Prinzipien in der Praxis,
w enigstens bei uns in Deutschland, noch sehr w eit entfernt ist.
Die Gefahr der Operation kann durch eine Anzahl von
Massnahmen, die ganz besonders von Horsley und
Kocher betont werden, erheblich vermindert werden. Die¬
selben können hier nur kurz erwähnt werden: Narkose mit
Chloroform, nicht mit Aether, prinzipiell zweizeitiges Ver¬
fahren, d. h. zunächst nur Beseitigung eines Knochenstücks,
erst einige Tage später Eröffnung der Dura. Kokainisierung
derselben, ehe sie durchschnitten wird, weil durch Reizung
ihrer Nerven das Atemzentrum ungünstig reflektorisch beein¬
flusst werden kann. Vermeidung aller Erschütterung des
Schädels, d. h. von Hammer und Meissei, ferner jeder brüsken
Entleerung grosser Mengen von Liquor, Vermeidung der osteo-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1918
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
plastischen Methoden zu gunsten der einfachen Trepanation
mit definitiver Entfernung des Knochenstücks. Unbedingt
sofortiger und exaktester Nahtverschluss
der Weichteile, damit der so häufig entstehende Hirn¬
prolaps sicher gedeckt ist.
Die herniösen Vorbuchtungen des Gehirns, die bei stark
erhöhtem intrakraniellen Druck regelmässig entstehen, sind an
sich nicht zu bekämpfen, da sie zur Erreichung des Ziels —
Herabsetzung des Drucks — notwendig sind, nur soll ihrer be¬
liebigen Entwicklung vorgebeugt werden. Hierfür hat der um
diese Fragen hochverdiente Amerikaner C u s h i n g eine
Methode angegeben, wobei der Defekt unter den Muscul. tem-
poralis gelegt wird.
Zur Beseitigung der Stauungspapille ist die Mitentferrumg
der Dura nicht in allen Fällen erforderlich, wie eine Anzahl der
von mir gesammelten Beobachtungen lehrt. Wird regelmässig
zweizeitig operiert, so kann eventuell eine genaue ophthalmo¬
skopische Beobachtung nach dem ersten Eingriff Anhaltspunkte
dafür liefern, ob der zweite notwendig ist. Eine ausgiebigere
Druckentlastung wird zweifellos durch die Mitentfernung der
Dura gewährleistet, besonders da von ihr aus Knochenneubil¬
dung erfolgen kann. In den meisten Fällen wird der zweite
Teil der Operation notwendig sein.
Die Rückbildung der Stauungspapille erfolgt mit sehr ver¬
schiedener Schnelligkeit: einmal war eine Prominenz von 7
Dioptrieen innerhalb 3 Stunden verschwunden, öfters beginnt
der Rückgang in den ersten Tagen und vollzieht sich allmäh¬
lich, manchmal dauert es noch länger bis eine Aenderung
eintritt.
Die Lumbalpunktion spielt als druckentlastendes Verfahren
zur Heilung der Stauungspapille nur eine sehr untergeordnete
Rolle. Bei Tumoren dürfte ein Dauererfolg damit kaum zu er¬
zielen sein, bei Geschwülsten der hinteren Schüdelgruhe er¬
scheint sie aus bekannten Gründen kontraindiziert. Dagegen
kann sie bei den verschiedenen Formen der Meningitis, be¬
sonders der serösen, Heilerfolge erzielen; auch bei der Syphilis
kommt sie wie oben erwähnt in Betracht. Es sind auch ein¬
zelne Fälle beschrieben, wo bei der Diagnose Tumor durch
Lumbalpunktion, besonders wiederholte, Rückgang der Stau¬
ungspapille erreicht wurde, doch ist unter den mir bekannt
gewordenen Fällen keiner, wo die Diagnose Tumor durch die
Sektion bestätigt ist.
Eine Dauerheilung der Stauungspapille durch Ventrikel¬
punktion ohne gleichzeitige Trepanation ist wenig wahrschein¬
lich und jedenfalls nicht bei Tumoren zu erwarten.
Ob sich das allcrneueste Verfahren, der Balkenstich von
Anton und v. B r a m a n n, als ein Fortschritt erweisen wird,
ist abzuwarten. Sollten damit in Bezug auf die Stauungspapille
Dauererfolge zu erzielen sein, so wäre cs zweifellos ein grosser
Vorteil, dass zur Ausführung der Operation nur ein breites
Bohrloch und keine Trepanöffnung nötig ist. Ob freilich in den
Fällen, die bei der Trepanation die grossen Hirnhernien be¬
kommen, der Balkenstich eine ausreichende Dauerwirkung er¬
zielenwird, mag vorderhand noch etwas zweifelhaft erscheinen.
Ich halte es für wahrscheinlich, dass eine allgemeinere
Anwendung der N e i s s e r sehen Punktion es ermöglichen wird
öfter eine genaue Lokaldiagnose zu stellen, die den Krankheits¬
herd der Radikaloperation zugänglich macht. Die Heilung der
Stauungspapille könnte dadurch nur gewinnen.
ZurZeit würde es mir jedenfalls als Fort¬
schritt erscheinen, wenn man ganz allgemein
v e r s u c h e u würde, die Erblindung durch Stau¬
ungspapille durch rechtzeitige Operation zu
verhüten. Auf das „rechtzeitig“ ist aber der grösste Nach¬
druck zu legen. Nur wenn man nicht erst in den späteren
Stadien der Krankheit operiert, wird man die Erfolge erzielen,
die einzelnen Autoren schon jetzt zu Gebote stehen und die
mir praktisch ausserordentlich wichtig erscheinen.
Ich brauche kaum zu betonen, dass ich an dieser Stelle
mit Absicht darauf verzichte, Autoren zu zitieren. Meine Aus¬
führungen sind nicht das Ergebnis persönlicher Erfahrungen,
sondern kritischen Literaturstudiums, meine Absicht ist, ein
Verfahren, das in den Händen einer Anzahl von Autoren be¬
deutende Erfolge gebracht hat, bekannter zu machen als es,
" enigstens in Deutschland, bis jetzt ist.
Ich verweise an dieser Stelle auf meine ausführlichere Ar¬
beit, die in v. Graefes Archiv für Ophthalmologie demnächst
erscheinen wird. Dort ist auch ein vollständiges \erzeichnis
der von mir benutzten Literatur beigegeben.
Zum Schlüsse mochte ich nur noch den Wunsch aus¬
sprechen, dass in Zukunft bei Veröffentlichungen über die Er¬
gebnisse der Trepanation das Verhalten von Stauungspapille
und Sehvermögen vor und nach der Operation genau mitgeteilt
werde. Ferner wäre es von Bedeutung, dass die Publikation
erst erfolgt, wenn der betreffende Fall entweder bis zum Tode
(•der mindestens *=* 1 Jahr beobachtet ist. Nur dann ist das
Material zur Beurteilung der Erfolge wirklich verwertbar.
Aus der Universitäts-Augenklinik und dem pathologisch¬
anatomischen Institut zu Heidelberg.
Eine Methode zur Darstellung von Pigmenten und ihrer
farblosen Vorstufen mit besonderer Berücksichtigung
des Augen- und Hautpigments.
Von Privatdozent Dr. L. Schreiber. I. Assistent der l'niv.-
Augenklinik und Dr. P. Schneider. I. Assistent am pathol.-
anatom. Institut.
Im Verlaufe experimenteller Studien über das Verhalten
syphilitischen Gewebes in der vorderen Augenkammer des
Kaninchens war es uns aufgefallen, wie schon siJi die pig¬
mentierten Stromazellen der Iris und des übrigen l'veultraktus
durch die von Levadili |s| und Berta re lli 1J1 tiir die
Spirochäten angegebenen SilberimprägnationsmethoJen dar-
stellen lassen. Ein Vergleich der so behandelten mikroskopi¬
schen Schnitte mit dem ungefärbten Kontrollpräparat zeigte
alsbald, dass durch die Silberimprägnation nicht nur das vor¬
handene melanotische Pigment mit grosserer Scharfe hervor¬
tritt, sondern dass die pigmentierten Stromazellen gleichzeitig
reicher an protoplasmatischen Fortsätzen erscheinen. - Da
dieser Befund an technisch tadellosen Präparaten erhoben
wurde, in welchen insbesondere jegliche Niederschlage fehlten,
lag der Gedanke nahe, dass einerseits dem fertig gebildeten
reifen Pigment, anderseits aber auch seinen in Bildung be¬
griffenen farblosen Vorstufen die Fähigkeit zukomme, das
Silbersalz an sich zu reissen und zu reduzieren. Trotzdem
der Unterschied zwischen den nach Levaditi behandelten
und den Kontrollschnitten durchaus sinnfällig war, suchten wir
dennoch vorweg dem Einwande zu begegnen, dass derselbe
vielleicht nur auf einen wechselnden Pigmentgehalt der Iris in
ihren verschiedenen Abschnitten zu beziehen sei. Es wurde
nämlich auf mikrophotographischem W ege a n e i n e m u n d
demselben Schnitte festgesu llt, dass die Differenz die
gleiche blieb, wenn das Silber nachträglich durch L u g o 1 sehe
Lösung und 10 proz. Fixiernatron ausgewaschen wurde. Be¬
kanntlich lässt sich auf diese Weise das Silber aus dem Prä¬
parat entfernen, ohne dass gleichzeitig eine Entfärbung des
Melanins eintritt.
Es ergab sich hieraus die interessante Tatsache, dass ein
grosser Teil der pigmentierten Stromazell e n n e b e n
d e n p i g m e n t i e r t e n prot o p I a s m a t i s c h e n F o r t -
s ä t z e n n o c h a n d e r e u n p i g m e n 1 1 e r t c besitzt,
welche der gewöhnlichen Untersik Innig entgehen, und da>s
diese letzteren farblose Produkte enthalten, welche zu dem
melanotischeu Pigment innige Beziehungen haben. Ob diese
Körper, wie wir a priori annalmien. als m Bildung begriffene
farblose \orstufen des melanotischen Pigments 1 ) aufzufassen
seien, oder als Stoffe des Pigmentabbaues, das blieb noch zu
entscheiden.
Ein zweites Präparat von dem Auge eines syphilitischen
Fötus aus der 33. \\ oclie gab hierüber Aufschluss.
Mährend bekanntlich das PigmcmcpiihiI der Retina und seine
Fortsetzung auf die Himerlkuhe des Corpus ciliare und der
Iris sehr früh, schon gegen Ende des dritten I'ä'talmonats. mit
Pigment ausgestattet ist, beginnt die Pigmentierung der
btr» ma/ellcii der Lvea erst gegen Fr de des Fotaüebens und
1 ) Solche farblosen \orst.idica «1er PigmentC-' rier wurden zu-
eru von Pein k e I IJI an den I re. •_ :::: Ke: .hielt \.,n
Salamander In rven beschrieben.
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1919
ist bei der Geburt noch nicht abgeschlossen. Bei dem in Rede
stehenden Fötus nahmen nun die Stromazellen der
Uvea, welche im Kontrollpräparat noch keine
Spur von Pigment zeigten, durch die Ber-
tarellische Methode das Silber in Form fein¬
ster dicht gelagerter Körnchen auf (Fig. II).
Diese noch farblosen Stromazellen (Fig. I) unterscheiden sich
demnach bei der Silberbehandlung nach ß e r t a r e 11 i in
nichts von den pigmentierten Stromazellen im postfötalen
Leben — abgesehen davon, dass sie weit ärmer an Proto¬
plasmafortsätzen sind und oft nur bipolar, hie und da sogar
nur unipolar erscheinen (Fig. II). Durch diesen Befund ge¬
wann die Versilberungsmethode für die Darstellung der Chro¬
matophoren Zellen erst ihre eigentliche Bedeutung. Derselbe
sprach eindeutig dafür, dass die Silberimprägnation
nicht nur das ausgereifte mclanotische Pig¬
ment hervorhebe, sondern auch die farb¬
losen Vorstufen desselben darzustellen ver¬
möge. — Demnach besitzen wir in den von
Levaditi und Bertarelli angegebenen Ver¬
fahren eine Methode, die es gestattet, die
Differenzierung der künftigen Chromato¬
phoren Stromazellen von den Mesenchym-
zellen entwicklungsgeschichtlich zu ver¬
folgen.
Dass es in der Tat, abgesehen vom Pigmentepithelblatt
der Retina, nur die künftigen Chromatophoren Stromazellen
in der Uvea sind, welche sich mit Silber imprägnieren, das
bestätigte im erwünschter Weise die Untersuchung des
Auges einer Frühgeburt aus dem 8. Monat (Eklampsia
matris). Hier zeigten nämlich, trotzdem das Auge einem
jüngeren Fötalstadium entstammte, die betreffenden Zellen im
ungefärbten Schnitte schon eine eben erkennbare bräunliche
Pigmentierung, welche durch die Levaditimethode wieder in
prägnantester Weise (wie in Fig. II) zur Darstellung kam.
Nebenbei bemerkt, scheint es sich im vorliegenden Falle um
ein relativ frühzeitiges Auftreten von Stromapigment in der
Iris, im Corpus ciliare und in der Chorioidea zu handeln, da
nach den neuesten Untersuchungen Laubers [4], die Pig¬
mentierung der Stromazellen frühestens im neunten Lunar¬
monate beobachtet wird. Anderseits aber ist es wohl denkbar,
dass Lauber derartig geringen Graden von Pigmentierung
— eben erkennbare Bräunung — keine genügende Aufmerk¬
samkeit geschenkt hat. Denn Rieke [141 konnte die ersten
Spuren von Pigment sogar schon bei einem Fötus im 7. Monat
nachweisen.
Dass bei dem ersten, um einige Wochen älteren Fötus
noch jegliche Spur von Pigmentierung der Uvealstrotnazellen
fehlte, steht in Analogie mit der von K öl liker [5] für das
Pigment der Netzhautanlage gefundenen Tatsache, dass in
der zeitlichen Entwicklung des Pigments eine gewisse
Variabilität vorhanden ist. — Die Silberkörnchen der Stroma¬
zellen sind bei dem ausgewachsenen Kaninchen sowie bei
den menschlichen Föten dicht und regellos aneinander gelagert,
insbesondere zeigen dieselben in ihrer Anordnung keinerlei
Beziehung zu der von K. Münch [10a] beobachteten Quer¬
streifung dieser Zellen. — Wir möchten es nicht unerwähnt
lassen, dass bei einer ausgetragenen menschlichen Totgeburt
zwar das Pigmentepithel der gesamten Retinalanlage und zu¬
fällige Formolpigmentniederschläge in den Blutgefässen und
der Uvea und deren Umgebung sich tiefschwarz imprägnierten,
dagegen die im Kontrollschnitt farblosen Stromazellen der Uvea
auch bei der Levaditibehandlung farblos blieben. Ob für den
negativen Ausfall kadaveröse Veränderungen, ob Fehler der
Technik verantwortlich zu machen wären, konnte nicht mehr
entschieden werden.
Diese Befunde führten bald zu weiteren Fragestellungen.—
Vor allem lag es nahe, zu prüfen, w r ie sich wohl das retinale
Pigmentblatt und die Stromazellen der Uvea im albinoti¬
schen Auge gegenüber dem Versilberungsverfahren ver¬
halten würden. Es ist nun gewiss nicht ohne Interesse, zu
erfahren, dass die in Rede stehenden Zellen im Auge
eines albinotischen Kaninchens keine Spur
von Silberimprägnation an nahmen.
Unsere Untersuchungen erstreckten sich nun weiter auf
pathologische Pigmentbildungen im Auge.
Auf der Ribbertschen [131 Anschauung fussend, dass
die Chromatophoren keineswegs immer mit Pigment aus¬
gestattet zu sein brauchen und dass dieselben uns gerade bei
den malignen Neubildungen sehr oft als farblose Zellen ent¬
gegentreten, da sie im unreifen Jugendstadium des Pigments
entbehren, untersuchte F. S c h i e c k [15] diese Verhältnisse an
den von der Uvea ausgehenden Tumoren. In einer inter¬
essanten Monographie über das Melanosarkom des Uveal-
traktus gelangt nun S c h i e c k zu dem Ergebnis, dass sämtliche
Geschwülste der Uvea von den pigmentierten Stromazellcn
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No. 37.
ihren Augang nehmen und daher als Melanosarkome aufzu¬
fassen sind. Die in der Literatur mehrfach beschriebenen sog.
Leukosarkome der Uvea entstehen nach den Untersuchungen
Schiecks gleichfalls aus Chromatophoren Stromazellen und
wurden von demselben in Uebereinstimmung mit der Rib-
bert sehen Lehre dementsprechend nur als unreife Jugend¬
stadien der Melanosarkome („Chromatophorome“ R i b b e r t s)
betrachtet. — Da es uns gelungen war, mit Hilfe der Levaditi-
bezw. Bertarellimethode physiologische Jugendformen der
Chromatophoren Stromazellen in der Uvea zur Darstellung zu
bringen, durften wir hoffen, in gleicher Weise auch in der vor¬
liegenden Frage eine Antwort zu erhalten. Würden durch das
Versilberungsverfahren vorher farblose öeschwulstzcllen sich
mit dem Metall imprägniert haben, dann wäre damit ein
exakter Beweis für die Richtigkeit der R i b b e r t - S c h i e c k-
schen Anschauung erbracht. — Es wurden nun zwei Melano-
sarkomc der Chorioidea nach Levaditi behandelt. Das
erste stellte einen kleinen, flachen, schwach pigmentierten
Tumor am hinteren Augenpol dar, während das zweite,
grössere etwas stärker pigmentiert war. Im ersten Falle zeigte
sich eine ungefähre quantitative Uebereinstimmung zwischen
dem natürlichen melanotischen Pigment und der Silberimpräg-
nation. Eine Silberschwärzung nicht pigmentierter Geschwulst¬
zellen konnte mit einiger Sicherheit nirgends nachgewieseu
werden. — Der zweite Tumor zeigte im Mikroskop anscheinend
mehr Zellen durch Silber imprägniert, als im Kontrollpräparat
pigmenthaltige Zellen vorhanden waren. Es ist jedoch zu be¬
rücksichtigen, dass der in den verschiedenen Partien solcher
Tumoren äusserst wechselnde Pigmentgehalt die Beurteilung
der Verhältnisse sehr erschwert. Zudem hätte man erwarten
sollen, dass gerade der erste, schwach pigmentierte Tumor
geeigneter wäre, den gewünschten Aufschluss zu geben, als j
der zweite. — Wir möchten daher das Ergebnis unserer Unter¬
suchungen bezüglich der Entstehung bezw. W eiterentwicklung
der Melanosarkome aus unpigmentierten Vorstufen der Chro¬
matophoren Stromazellen dahin zusammenfassen, dass das
Versilberung s verfahren nicht für die Richtig¬
keit dervon Ribbert und Schieck vertretenen
Lehre spreche. Dabei sei jedoch ausdrücklich betont,
dass wir weit davon entfernt sind, in dem Ergebnis dieser
Methode etwa einen Beweis gegen die Anschauung dieser
Autoren erblicken zu wollen.
Aehnlich wie in dem zweiten Melanosarkom der
Chorioidea war das Resultat der Untersuchung eines Melano-
sarkoms vom Ohr. Auch hier zeigte das Silberpräparat mehr
Imprägnation als der Kontrollschnitt an natürlichem Pigment
aufwies; aber der Kontrollschnitt war eben einer anderen Ge¬
schwulstpartie entnommen. — Eine mikrophotographische
Kontrolle am gleichen Schnitte, wie wir sie für die Iris des
Kaninchens durchgeführt, die wir aber hier aus äusseren
Gründen unterlassen mussten, dürfte noch zu einem sichereren
Urteil dieser Verhältnisse führen.
Weiterhin haben wir nicht versäumt, die P i g m e n -
t i e r u ri g der Haut mit der Silbermethcde zu untersuchen.
Es wurden verschiedene pigmentierte und unpigmentierte
Hautstückchen sowie ein Pigmentnävus geprüft. Auch hier
ergab sich, dass das vorhandene Melanin durch tief braun¬
schwarze Imprägnation mit Silber in vorzüglicher Weise zur
Darstellung gelangt. - Bei einer pigmentierten P e n i s h a u t
erschien das basale Stratum cylindricum durch die reichlichen
Silberkörnchen tiefschwarz, entsprechend der Pigmentablage¬
rung im Kontrollpräparat. Nach oben zu nahm das Pigment
rasch ab; in den Zellen des Stratum spinosum zeigten die j
peripheren Protoplasmalagen eine feinkörnige Ablagerung und
ausserdem die distalen Kernpole dunkle Pigmentkappen, j
Feinste Körnchen Hessen sich bis ins Stratum corneum nach- '
weisen. Gegenüber dem Kontrollpräparat reichten die im- j
prägnierten Zellen bis in die höchsten Epidermisschichten !
hinauf, und es machte entschieden den Eindruck* als ob mehr
imprägniert wäre, als im Kontrollschnitt Pigment vorhanden
war, so dass man daraus schliessen kann, dass ti i c h t n u r
das fertige Melanin, sondern au e h die in d e n
11 a c h o ben sich a b s t o s s e n d c n E I e m e n t e n a n -
z u n e h m e n d e n t a r b 1 o s e n A b b a u p r o d u k t e d e s
Melanin sich imprägnieren. Die Keratin- bezw.
Keratohyalingranula traten nicht hervor. In der oberen Kutis
wurden die spärlichen verästigten Chromate phnren durch tief¬
schwarze körnige Imprägnation aufs deutlichste herausgehoben.
Die ganze Dicke der Kuös war frei von Niederschlagen.
Bei einem Pigmentnävus trat die in der Kontrolle schwache
Pigmentation der tiefen Reteschichten am Silberpräparat mit
grosser Schärfe hervor. Das Pigment lag wesentlich m der
basalen Zylinderschicht, wobei die Pigmentkappen an der
distalen Kernseite schon herauskktmcn. Gegen Jie oberen
Lagen nahmen die Körnchen rasch ab. Daneben fanden sich
in der Zylinderzellenschicht vereinzelte vcrästigte. stark im¬
prägnierte Zellen (Melanoblasten Ehrmarns Ml). Die in
den oberen Lagen der Kutis vorhandenen Chromatophoren
waren tiefschw arz imprägniert. B e m e r k e n swert ist
dagegen, dass die Zellen der N ä v u s n c s t c r
keine Spur einer Imprägnation zeigten, mit
anderen Worten; dass diese Zellen, die in den Stromazellen
der totalen Iris vorhandenen nicht gefärbten, aber imprägnier¬
baren VorsMifen des Melanins nicht enthalten.
An mehreren mikroskopisch pigmentfreien Hautstellen
Hessen sich eigentümliche vcrästigte. an multipolare Ganglien¬
zellen erinnernde feinkörnig geschwärzte Elemente nach-
w eisen. Sie lagen grösstenteils zwischen den Zellen des Stra¬
tum cylindricum fanden sich aber vereinzelt bis in den höchsten
Schichten des Stratum spm< sum. Die feinen, oft ramiti/ierten
Ausläufer reichten z. T. nach aufwärts zwischen die Stachel¬
zellen, teils erstreckten sie sich nach abwärts, wobei sie oft an
der Epithelkutisgrenze horizontal sich ausbreiteten. Ihr Kern
ist vielfach als hellere Lücke ausgespart. Es kann nach der
ganzen Morphologie kaum einem Zweifel unterliegen, dass wir
es hier mit Elementen zu tun haben. ..die in den Rahmen der
sog. „La n g r r h a n s sehen M Zellen gehören, und die ia
dieser Autor ebenfalls mit einer Metalhmprägration, nämlich
mit der C o h n h e i in sehen Vergoldungsmethode zur Dar¬
stellung gebracht hat. Die Bedeutung dieser Elemente, deren
Zellennatur von mancher Seite bezweifelt wurde, ist bis heute
noch strittig. Die ursprüngliche Auffassung von Langer-
hans |9j. dass es nervöse Elemente seien, ist allgemein ver¬
lassen. Arnstein 111 hielt sie für W anderzellen. M er-
kel |9] für eingewanderte bindegewebige pigmentfreie Pig¬
mentzellen, Kol liker |5] für emgew änderte farblose Binde¬
gewebszellen (mit den einw ändernden pigmentierten Biude-
gew ebszellen auf einer Stufe stehend). Stuhr [loj für unter¬
gehende Epithelzellen. Uns scheint es, dass unsere Resultate
die M e r k e 1 sehe Auffassung insofern wesentlich stutzen, als
w ir ja an der Iris nachw eisen k< nuten, dass sich mit der Sd-
bcriiiiprügnatü n farblose Vorstufen von Pigmentzellen dar¬
stellen lassen, und sich anderseits diese Langer h a n s sehen
Zellen im Silberpräparat von verästigten Pignicutzellen (Me¬
lanoblasten), die sich an pigmentierten Hautsteilen finden, nicht
unterscheiden lassen. W ir glauben also, dass die Lan¬
ge r h a n s s c li e n Zell e n p i g m e n t f r e i e M e I a n o -
bla steil sind. Ob diese allerdings bindegewebiger oder
w ie J a i i s c h [j| und besonders neuere Autoren es wollen
epithelialer Natur sind, ist damit noch nicht entschieden. Viel¬
leicht dürfte sich gerade die \ erstjberungsmetlu de. da sie viel
zuverlässiger als die (ioldmetlu de ist. in dieser Erage nütz¬
lich erweisen.
Endlich mochten wir nur kursorisch erwähnen, dass sich
die Chromatophoren der L e p t o m e n in \ sowie dis Pigment
der Ganglienzellen mit Silber darstellen lassen, hier¬
her gehört wohl eine Beobachtung, deren Mitteilung wir Herrn
Kollegen Ranke verdanken, dass die eigentumudien, leicht
gelblichen Massen, welche sich in den Nervenzellen Ki fami¬
liärer amaurotischer Idiotie finden, in bestimmten Füllen dieser
Erkrankung (Spielmeyer. \ogr) durch die Biel-
schovv.sk i Silberimprägtiatn rsmetbode Pier Nerven fibril’ei:)
sich sehr dunkel imprägnieren*. so dass man an eln/eb eil Zellen
die Beziehung zwischen Fibrillen tmd diesen Maswii sehr deut¬
lich erkennen kann.
Es dürfte nicht überflüssig soll, mit wenigen Worten auf
die Technik einzugehen. deren wir nt.s zur Darstellung
des Pigments bedient haben. Es wurde von uns zu diesem
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15. September 1008.
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Zwecke die erste von L e v a d i t i [8] angegebene und die
neuere Methode B e r t a r e 11 i s [2] angewendet und wir
überzeugten uns, dass beide Verfahren gleich vorzügliches
leisten. Vorbedingung ist jedoch peinlichste Sauberkeit der
Reagentien und sofortiges Wechseln derselben bei eintretender
Trübung. Das Hauptgewicht wurde von uns auf die Dauer
der Versilberung gelegt; dieselbe betrug bei frischen
Objekten 6—8 Tage, bei älteren sogar 10—12 Tage, während
die Gewebsstücke in der Reduktionsflüssigkeit meist 48 Stun¬
den, ab und zu noch länger verblieben. Gerade in der zu
kurzen Imprägnationszeit glauben wir den Grund zu sehen,
warum die Bedeutung dieser Methode für die Darstellung des
Pigments bisher nicht erkannt worden ist. Denn die Neigung
der Metallsalze zur Ablagerung an Pigmenten war, wie a priori
anzunehmen ist, auch schon anderen Autoren aufgefallen.
Aber merkwürdigerweise ging man an dem vollen Werte dieser
Beobachtung, wie gesagt, achtlos vorüber, ja gelegentlich
wurde die metallische Imprägnation des Pigments direkt stö¬
rend empfunden. So wandte Münch [10] ähnliche Methoden
(Golgimethode, Vergoldung nach C oh n h e im und Ran ¬
vier, Methode von Ramon y Cayal und B i ei¬
se h o w s k i) bei Untersuchungen über die Innervation der
Stromazellen der Iris an und berichtet [10 b], dass dieselben
für derartige Studien leider ungeeignet seien, da die Stroma¬
zellen der Iris selbst sich imprägnierten, wodurch ihre Be¬
ziehungen zu den Nerven verdeckt würden.
Die mitgeteilten Untersuchungen sind gewissermassen nur
als Stichproben auf den Wert der in Rede stehenden Methode
für die Darstellung des Pigments zu betrachten. Aber ihr bis¬
heriges Ergebnis berechtigt unseres Erachtens schon zu der
Hoffnung, dass ein systematisches Studium uns der noch immer
strittigen Genese des Melanins näher bringen und vielleicht
auch zur Aufdeckung der Beziehungen desselben zu den ver¬
wandten Pigmenten der braunen Herz- und Leberatrophie
führen könnte.
Die obigen Befunde zeigen, dass das Silberimprägnations¬
verfahren von Levaditi und Berta relli in der von
uns angewandten Form nicht nurzur Darstel¬
lung des ausgereiften melanotischen Pig-
m e n t s, sondern auch zur Sichtbarmachung
seiner farblosen Vorstufen (in den Stromazellen der
fötalen Iris) undmöglicherweiseseinerfarblosen
Abbau Produkte (in den Zellen des Stratum spinosum
der Haut) vorzüglich geeignet ist. — Die bisher mit
dieser Methode gewonnenen Resultate können wir kurz dahin
zusammenfassen:
1. Die Chromatophoren Stromazellen der Iris besitzen
neben pigmenthaltigen Protoplasmafortsätzen noch andere
farblose, deren Nachweis der üblichen Untersuchung entgeht.
2. Das Silberimprägnationsverfahren gestattet es, die
Differenzierung der farblosen Jugendformen der Chromato¬
phoren Stromazellen von den Mesenchymzellen der Uvea ent¬
wicklungsgeschichtlich zu verfolgen.
3. Das albinotische Auge zeigt weder in den Stromazellen
der Uvea noch in der sog. Pigmentepithelschicht der Retina
eine Anlage zur Pigmentbildung.
4. Die Ribbert-Schieck sehe Auffassung der
schwach pigmentierten Sarkome als Jugendformen der Melano-
sarkoine findet durch die von uns angegebene Methode bisher
keine hinreichend sichere Bestätigung.
5. Die La n g e r h a ii s sehen Zellen der Haut sind wahr¬
scheinlich unpigmentierte Melanoblasten.
6. Die Zellen der Nävusnester zeigen keine Anlage zur
Pigmentbildung.
Literatur:
1. Arnstein: Zit. nacli Kölliker. — 2. Bertarclli und
Volpino: Zentralbl. -f. Bakt. Orig., B. 41. H. 1, 1906. — 3. E h r -
mann: Das melanot. Pigment etc. Bibi. mcd. Abt. D. II, H. 6,
1896, zit. nach Lubarsch: Erg. III, 1, 1896. — 4. J a r i s c h: Ucber
Anatomie und Entwicklung des Obcrliautpigmcnts beim Frosche.
Arch. f. Dermatol, u. Syphilis, Bd. XXIII, 1891. — 5. Kölliker: Handbuch
der Gewebelehre. Leipzig 1889. S. 172 und S. 200. — 6. Langer-
hans: Ueber die Nerven der menschlichen Haut. Virchows Arch.,
No. 37
Bd. 44, 1868. — 7. Lauber: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte
und’ Anatomie der Iris und des Pigmentepithels der Netzhaut,
v. Graefes Arch. 68, I, 1908. — 8. Levaditi: Sur la colorations
dii Spirochaete pallida (Schaudinn) dans les coups. Compt. Rend. de
la Societ. de Biol. Tom. 59. — 9. Merkel: Tastzellen und Tast¬
körperchen bei den Haustieren und beim Menschen. Arch. i. mikr
Anat., Bd. XI, 1875. — 10. K. M ü n c h: a) Ueber die muskuläre Natur
des Stromazellennetzes der Uvea. Zeitschr. f. Augenheilk., Bd. XII,
1904. b) Ueber die Innervation der Stromazellen der Iris, lbid.,
Bd. XIV, 1906. — 11. Post: Ueber die normale und pathologische
Pigmentierung der Oberhautgebilde. Virchows Arch., Bd. 135, 1894.
— 12. F. R e i n k e: Zellstudien. Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. 43,
1894. — 13. R i b b e r t: Geschwulstlehre. Bonn 1904, pag. 256 und 271.
— 14. Rieke: Ueber Formen und Entwicklung der Pigmentzellen
der Chorioidea. v. Graefes Arch., 37, I, 1891. — 15. F. Schi eck:
Das Melanosarkom als einzige Sarkomform des Uvealtraktus. Mono¬
graphie. Wiesbaden 1906. — 16. Stöhr: Lehrbuch der Histologie.
Jena 1901. — 17. W i e t i n g und H a m d i: Ueber die physiologische
und pathologische Melaninpigmentierung etc. Zieglers Beitr., Bd. 42,
1907.
Aus dem Institut für Krebsforschung in Heidelberg (Direktor:
Wirkl. Geheimrat Prof. Dr. Czerny, Exzellenz).
Ueber den Einfluss der Fulguration auf die Lebens¬
fähigkeit von Zellen.
Von Th. v. W a s i e 1 e w s k i, a. o. Professor, Leiter der
II. Abteilung des Instituts für Krebsforschung und L. Hirsch-
f e 1 d, Dr. med., Assistent der II. Abteilung.
Die Aufnahme der Besitzung (Fulguration) unter die
therapeutischen Hilfsmittel der Krebsbehandlung legte den
Versuch nahe, die biologische Wirksamkeit der Fulguration an
verschiedenen Zellarten zu prüfen.
Auf Veranlassung des Direktors des Instituts für Krebs¬
forschung Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Czerny, Exzellenz, haben
wir seit Dezember 1907 mit den für die Geschwulsttherapie
verwendeten Apparaten eine Reihe von Experimenten in dieser
Richtung angestellt.
Die Wirkung von Reizen auf lebende Zellen kann entweder
durch Beobachtung der feineren Struktur oder durch Ver¬
änderungen ihrer Funktion festgestellt werden. Als sicherster
Massstab einer vitalen Zellschädigung kann die Aufhebung der
Vermehrungsfähigkeit gelten. Wir entschieden uns deshalb
für eine Versuchsanordnung, welche bestimmt, wie lange Zeit
elektrische Entladungen in der bei der Fulguration geübten
Weise eine Zellart treffen müssen, um ihre Vermehrungsfähig¬
keit aufzuheben.
Diese Frage lässt sich am leichtesten an kultivierbaren
Protisten entscheiden. Es wurden deshalb zunächst Bakterien
und Hefen auf geeigneten Agarnährböden der Beblitzung aus¬
gesetzt und zwar:
Bacterium fluorescens,
Bacterium typhi,
Bacterium coli, B. prodigiosum,
Micrococcus neoformans,
Staphylococcus aureus,
Saccharomyces neoformans.
Dabei stellte sich heraus, dass gut entwickelte Kulturen
mit zahlreichen Bakterien eine 15 Minuten dauernde Beblitzung
ertragen, ohne abgetötet zu werden. Von Micrococcus neofor¬
mans blieb eine 24 ständige Kultur auch nach 30 Minuten langer
Fulguration lebensfähig. Streicht man jedoch eine Oese von
einer 24 ständigen Kultur auf einer etwa 1 qcm grossen Agar¬
fläche aus und fulguriert sofort 10 Minuten lang, so bleibt das
Wachstum aus. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass
es uns bisher nicht gelungen ist, irgend eine Bedeutung des
Micrococcus neoformans Doyen für die Geschwulstbildung
nachzuweisen. Zwar wurden einige Male Mikrokokken aus
Menschen- und Tiergeschwülsten isoliert, welche einige Aehn-
lichkeit mit den von Doyen-Gobert beschriebenen be-
sassen. Sie erwiesen sich jedoch ebenso wie die von Doyen
dem Institut freundlichst übersandten Reinkulturen im Tier¬
versuch als äusserst harmlose Bakterien, ohne jemals auch nur
geschwulstähnliche Veränderungen hervorzubringen.
Die Bestrahlung des Saccharomyces neoformans Sanfelice,
dieser zwar tierpathogenen aber nicht tumorbildendcn
Hefeart, führte gleichfalls. nur dann zur Abtötung der Hefe-
2
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1922
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
zellen, wenn eben ausgestrichene oder 4stündige Kulturen
fulguriert wurden. Dagegen widerstanden 30stündige Kul¬
turen in gleicher Weise wie gut entwickelte Bakterienkulturen.
Es kann infolge dessen der Fulguration eine besonders
energische keimtötende Kraft den geprüften Protophyten
gegenüber nicht zuerkannt werden. Dagegen ist sie anschei¬
nend im Stande, vereinzelte oberflächlich ausgebreitete und
dem Funken auf der Agaroberfläche leicht zugängliche pflanz¬
liche Parasiten bei genügend langer Einwirkung zu töten.
Bei tierischen Zellen war es leichter möglich, durch die
mikroskopische Untersuchung Schädigungen direkt nachzu¬
weisen. Hierfür wurden zunächst Amöben- und Ziliaten-
kulturen gewählt, welche in Symbiose mit einer Bakterienart
(B. fluorescens) auf Agarplatten gezüchtet waren.
Die benutzte Amöbe war aus einem Strohinfus nach der Methode
von Mouton isoliert. Sie entspricht in ihrem Aussehen und Ver¬
halten bei der Teilung fast vollkommen der zuletzt von V a h 1 -
kampf genauer beschriebenen Amoeba Umax, ist jedoch keine
typische Amöbe, sondern eine Uebergangsform zwischen Amöben und
Mastigamöben. Sobald ihr nämlich ein ausreichend flüssiges Kultur¬
medium zur Verfügung steht, bildet sie zwei Üeisseln aus, die sie
anfangs nachschleppt, später jedoch wie eine Bodoart an ihrem
Vorderende trägt. Besonders reichlich tritt die Flagellatenform auf,
wenn man eine Amöbenaufschwemmung in einer schwachen Salz¬
lösung herstellt. Bei der Vermehrung der Amöbe auf der Agarplatte
werden auffallend häufige Dreiteilungen des Kernes neben Zwei¬
teilungen, welche die Regel bilden, und seltenen Vierteilungen be¬
obachtet.
Die aus Heuinfus isolierten Ziliaten gehören der Gattung Col-
pidium an und sind mit C. colpoda zu identifizieren; sie nehmen
auf dem halbfesten Nährsubstrat eigenartige amöbenähnliche Formen
an und führen fliessende bis kriechende Bewegungen unter mannig¬
faltigen Formveränderungen ihres Körpers aus, so dass ihre Ziliaten-
natur nicht auf den ersten Blick klar wird. Die Züchtung in ge¬
mischten Reinkulturen, mit B. fluorescens zusammen, gestattet ohne
Mühe ihre Entwicklung zu verfolgen* in der echte Amöboidstadien
und Sporenbildung, wie sie Rhumbler beschrieb, fehlen.
Die vegetativen Formen der Amöben werden durch die
Fulguration in kurzer Zeit (10—15 Minuten) getötet. Sie sterben
unter Erscheinungen der Plasmolyse; grosse Vakuolen treten
im Zytoplasma auf, das einreisst und in koagulierten Fetzen
um den widerstandsfähigeren Kern hängt. Trotz der Zer¬
störung der zarten Zellschicht welche auf 24 ständigen Kulturen
den Agar bedeckt, wird die Kultur nicht völlig abgetötet. Es
bleiben offenbar einzelne Individuen verschont und entwick¬
lungsfähig, wenn die Fulguration nicht lange genug fortgesetzt
wird.
Da, wie schon erwähnt, auch die Futterbakterien die
Fulguration überstehen, so entwickelt sich nach einiger Zeit
von neuem eine üppige Amöbenkultur. Fulguriert man jedoch
einen engeren Bezirk energischer, beispielsweise ein Agar¬
stück von 1 cm Durchmesser 15 Minuten lang, so werden so¬
wohl eben übertragene, wie 18 Stunden alte Kulturen, ja selbst
Dauerformen getötet. Noch empfindlicher sind die Ziliaten-
kulturen; sie erliegen im Alter von 24 Stunden wie auch als
enzystierte Formen einer 10 Minuten langen Beblitzung.
Schwieriger als bei Protozoen ist bei Metazoenzellen die
Prüfung der Widerstandsfähigkeit gegen Fulguration. Ohne
sehr mühsame und mit zahlreichen Fehlerquellen behaftete
histologische Untersuchungen lässt sich der Umfang der Tötung
normaler Qewebszellen schwer objektiv nachweisen. Leichter
gelingt dies bei den krankhaft wuchernden Geschwulstzellen
des Mäusekrebses. Hier kann durch Uebertragungsversuche
nachgewiesen werden, wie weit die Fulguration imstande ist,
die Vermehrungsfähigkeit der Tumorzeilen zu vernichten.
Wir suchten zunächst festzustellen, ob die Fulguration die
Geschwulstzellen in vitro abzutöten vermag. Wenn man
Scheiben der Mäusekrebsgeschwulst in der Petrischale fulgu¬
riert, so erhält man durch nachträgliche Verimpfung einen Mass¬
stab für die Störungen der Lebensfähigkeit der Geschwulst¬
zellen und je nach der Dicke der Geschwulstscheiben einen An¬
halt für die Tiefenwirkung.
Bei diesen Fulgurationsversuchen wurde mit denselben
Stromstärken gearbeitet, welche für die Fulguration der
Menschentumoren durch Geh. Rat Czerny angewandt und in
2 Veröffentlichungen ‘) beschrieben wurden. Annähernd gleich
') Czerny: Lieber die Blitzbehandlung der Krebse. Münch,
nied. Wochcnschr. No. 6, 1908.
grosse Tumorstücke von 0,02 g bis 0,04 g Gewicht wurden mit
einer verhältnismässig grossen Impfkanüle (hergestellt von
Dröll, Heidelberg) unter die Rückenhaut geschoben, weil hier
die Tumorbildung am leichtesten kontrolliert, eine Verletzung
des Tumors am leichtesten vermieden werden kann. Um eine
Infektion der grossen Einstichöffnung zu vermeiden, wurden
die Haare auf der Einstichstelle (Gegend der linken Becken¬
hälfte) vorher entfernt und die Wunde leicht verschont.
Als Transplantationsmaterial diente eine als Stamm E im
Institut seit längerer Zeit fortgezüchtete Geschw ulst.
Da die Uebcrtragung auf Mäuse sehr verschiedener Her¬
kunft vorgenommen werden musste, so sind die einzelnen Ver¬
suche unter sich nicht ohne weiteres zu vergleichen. Es
wurden jedoch in jeder Versuchsreihe grössere Zahlen (30 bis
60) Mäuse derselben Zucht verwendet (nur der erste orien¬
tierende Versuch beschränkte sich auf 20 Mäuse); man kann
daher nach dem Verhalten der mit unbestrahltem Material ge¬
impften Kontrollmäuse den Einfluss der Fulguration in vitro
schätzen.
Eine intensive Beblitzung 3 4 mm dicker Tumorscheiben
von ungefähr 5 Pfennigstückgrösse wurde 10 -15 Minuten lang
im allgemeinen gut vertragen. Sie reichte zwar einmal aus
(Versuch III), um ebenso wie eine 20 Minuten dauernde Be¬
strahlung desselben Materials die Uebcrtragung unwirksam zu
gestalten, während von 9 mit unbestrahltem Material geimpften
Kontrollmäusen 3 einen Tumor bekamen. Aber diesem einen
negativ verlaufenden Versuch stehen 3 andere gegegeniiber,
in welchen nach io und 15 Minuten langer Bestrahlung die
Transplantation eher bessere als schlechtere Erfolge hatte als
ohne Bestrahlung. So entwickelten sich Tumoren in
Versuch IV bei 2o Proz. der nicht-
.02 . . 0» Min.
v : S! : : * h ,: •«»/ahii«.
ei i m;.. Mucke
In 2 anderen Versuchen ging freilich nach 15 Minuten
die Transplantationsfälligkeit zurück und zwar einmal von 50
auf 20 Proz. (Versuch I) ein anderes Mal von 77,7 auf 00 Proz.
(Versuch VI). Regelmässiger war dieser Rückgang bei
20 Minuten langer Bestrahlung . Bei 3o Minuten langer Be¬
strahlung scheint endlich die Grenze erreicht zu sein, bei der
die Bestrahlung 3—4 mm dicker Geschwulstscheiben in der
Petrischale häufig die Vermehrungsfähigkeit der (ieschwulst-
zcllen vernichtet; freilich hat in diesen Fallen die Eintrocknung
und Erhitzung des Materials bereits einen recht erheblichen
(irad erreicht. Eine Abweichung von diesem Ergebnis (Ver¬
such VIII, IX, X) zeigten Versuch II und IV in welchem trotz
30 Minuten langer Bestrahlung eine Tumorentwicklung beob¬
achtet wurde; wodurch die enorme Widerstandsfähigkeit in
diesen beiden Fällen bedingt war, konnte nicht festgestellt
werden.
Bei den gewählten Versuchsbedingungen in vitro kommen
neben der Beblitzung zwei Einflüsse zu besonders starker
Wirkung, nämlich die Erw ärmung und Austrocknung. Da beide
auch ohne Fulguration imstande sind Geschwulstzellen abzu¬
töten (dies wurde bereits von Jensen, I.oeb u. a. festge¬
stellt) so versuchten wir diese Faktören auszuschalten. Dies
wird zum Teil erreicht, wenn man die Tumorteile nicht in vitro
sondern in ihrer natürlichen Lage am Mäusekorper bestrahlt;
freilich muss man dann auf eine genaue Messung der Tiefen¬
wirkung verzichten, wenn auch durch Abtragung dicker
Tumorstücke der Versuch gemacht wird, die Geschwulst-
Scheiben in situ gleich dick zu gestalten wie diejenigen in vitro.
Dies scheitert aber bisw eilen an dem Umstand, dass der Tumor
durch die Muskulatur in die Bauchhöhle hmeir.gew achsen ist
und hier erst bei der Entnahme des bestrahlten Stuckes ge¬
funden wird. Man ist auch nicht imstande, eine so starke
Konzentrierung der Fulgurationsw irkung auf einigermassen
gleichbleibende Gewebsmengen zu erreichen; es zeigte sich
denn auch, dass die 20 und 3n Minuten in situ bestrahlten
Geschwulstzellen nicht getötet wurden. Beispielsweise traten
nach 30 Minuten langer Bestrahlung des Tumors in situ bei
Czerny: lieber die Bhtzbehan Jiung
f. klin. Chirurgie, Bd. 86, Fl. 3. 1908.
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1923
3 von 6 Mäusen Tumoren auf, während freilich die Kontrolle
einen Impferfolg von 88 Proz. (6 von 7 Tieren) ergab.
Die Hitzewirkung lässt sich, wie das auch klinisch zur
Ausführung kommt, sehr gut durch gleichzeitige Kohlensäure¬
anwendung aufheben. Da die Tumorzellen durch Abkühlung
nicht geschädigt werden, erwiesen sich die Geschwulststücke
in vitro gegen COz-Einwirkung sehr widerstandsfähig; so be¬
wirkte 30 Minuten langes Gefrieren durch den COs-Strahl keine
Abnahme der Impfausbeute, die wie bei der Kontrolle 60 Proz.
ergab. Nachdem so die Unschädlichkeit der isolierten COs-
Wirkung nachgewiesen war, wurde ihre Anwendung mit der
Fulguration kombiniert. Dabei zeigte sich, dass die so be¬
handelten Tumorstücke nach 15 und 20 Minuten eine günstigere
Impfausbeute ergaben als die unbehandelten Kontrollen. Das
kann bei den kleinen Zahlen ein Zufall sein, beweist aber wohl
auf jeden Fall, dass die Fulgurationswirkung durch gleich¬
zeitige Anwendung der CO 2 abgeschwächt wird.
Versuch VII:
Unbestrahltes Material: 4 Tumoren bei 9 Mäusen — 44,4Proz.
15 Min. vmit Fulguration -j- CO«
behandeltes Material: 5 „ » 9 „ — 55,5 „
Versuch XI:
Unbestrahltes Material: 6 Tumoren bei 10 Mäusen — 60 Proz-
20 Min. fulguriertes Material: 4 „ , 10 „ —40 „
20 „ Fulguration -f- CO«: 8 „ „ 9 „ —88,8 „
30 „ „ + CO«: 4 „ * 10 —40,0 „
Dagegen nahm, wie aus den oben angeführten Zahlen
hervorgeht, die Ausbeute nach 30 Minuten dauernder Ein¬
wirkung der Fulguration 4- CO 2 etwas ab. In einem anderen
Versuch (X) blieb sie dagegen auch nach diesem Zeitraum auf
der Höhe der Kontrolle (40 Proz.) während die Fulguration
ohne COs nach 30 Minuten alle lebenden Zellen zerstört hatte,
die Impfung erfolglos (0 Proz.) blieb.
Die Versuchsbedingungen lassen sich natürlich noch in
anderer Weise verändern; wir möchten aber auf diese Einzel¬
heiten an dieser*Stelle nicht eher eingehen, als bis uns grössere
Reihen zur Verfügung stehen. Von Interesse ist es vielleicht
schon jetzt auf einige Versuche hinzuweisen, welche einen Ver¬
gleich der Empfindlichkeit der Mäusegeschwulstzellen gegen
Strahlen verschiedener Art ermöglichen. So stellte sich her¬
aus, dass Radiumstrahlen erst nach 3 Stunden eine ähnliche
Wirkung entfalten wie die Fulguration (ohne CO 2 ) nach
30 Minuten, nämlich das Gewebe abtöten. In derselben Ver¬
suchsreihe blieben 30 Minuten mit Fulguration 4- CO 2 sowie
60 Minuten mit Röntgenstrahlen behandelte Tumorzellen völlig
unversehrt und ergaben wie die unbehandelten Kontrollen eine
Impfausbeute von 40 Proz.
Ueber eine häufige, bisher anscheinend unbekannte
Erkrankung einzelner kindlicher Knochen.’")
Von Dr. Alban Köhler - Wiesbaden.
In den letzten Jahren hatte ich Gelegenheit drei Fälle einer
Skeletterkrankung zu untersuchen und in ihrem Verlaufe zu
verfolgen, die ein bestimmtes Krankheitsbild darboten, wie es
bisher noch nicht bekannt zu sein scheint.
Es handelte sich um Knaben im Alter von 5—9 Jahren. Fall I
stammt aus schwer tuberkulös belasteter Familie, Fall III stammt von
angeblich gesunden Eltern ab, Fall II ebenfalls von gesunden Eltern,
doch gibt der Vater an, kurz, bevor er den Knaben zeugte, an
Gonorrhöe gelitten zu haben.
Alle drei Patienten klagten über mehr oder weniger heftige
Schmerzen in der Gegend der medialen Hälfte des Dorsum pedis,
vorwiegend in der Gegend des Os naviculare. Die Beschwerden
waren nicht nur bei Tage beim Auftreten zu spüren, sondern auch
zuweilen nachts recht stark. Bei Fall III waren ausser den Fuss-
beschwerden, hier an beiden Füssen, auch noch Schmerzen an beiden
Knien, Gegend der Patella, vorhanden. Bei mässigem Druck mit
der flachen Hand pflegten die Schmerzen gemildert zu werden.
Fall I ist der jüngste, Fall II der älteste, Fall III der jüngste von
mehreren Geschwistern.
Die Patienten sehen gesund aus, Zeichen iiberstandener Rachitis
lassen sich nicht sicher nachweisen, auch wissen die Eltern nicht an¬
zugeben, dass die Kinder besonders spät laufen gelernt hätten. Fall II
*) Nach einem auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen
Röntgengesellschaft gehaltenen Vortrage, einschliesslich des Ergeb¬
nisses der Diskussion und weiterer Studien.
hat auch sonst keine Kinderkrankheiten durchgemacht. Die Form der
erkrankten Füsse war verschieden, hier mehr der Plattfussform sich
nähernd, dort mehr der Hohlfussform. Die Patienten wurden dem
Verfasser 6 Wochen bis mehrere Monate nach Beginn der Beschwer¬
den, die die Patienten zu einem leichten Hinken zwangen, zur Röntgen¬
untersuchung zugeführt.
Die Patienten sahen im allgemeinen ganz gesund und gut ent¬
wickelt aus, auch der mit hereditärer tuberkulöser Belastung.
An den schmerzhaften Stellen am Fussrücken (und an den
Knien) Hess sich äusserlich sowohl durch Inspektion wie Palpation
nichts Auffallendes feststellen. Bei kräftigem Fingerdruck auf die
Gegend des Os naviculare wurden Schmerzen geäussert.
Die Röntgenuntersuchung ergab einen recht eigenar¬
tigen, und zwar am Fuss in allen drei Fällen ganz genau den gleichen
Befund. Ueberall zeigte sich das Os naviculare in die Augen fallend
erkrankt, während alle anderen Knochen des Fusses einen normalen
Anblick boten. Das Navikulare war in vierfacher Beziehung ver¬
ändert und zwar in seiner Grösse, seiner Gestalt, seiner Architektur
und seinem Kalkgehalt.
Fig. 1. Fall 1. Erkranktes Os naviculare.
Die Grösse betrug ein Viertel bis die Hälfte des Normalen.
Die Gestalt war ganz unregelmässig, verschmälert, teils mit
höckeriger, zackiger Kontur.
Kortikalis und Spongiosa waren ineinander verschmolzen, über¬
haupt war von einer Architektur so gut wie nichts mehr zu er¬
kennen.
Der Kalkgehalt war, nach der Dichte des Röntgenschattens, als
verdoppelt oder vervierfacht anzunehmen.
In dem einen Falle (Fall III), bei dem auch die Knie in Mit¬
leidenschaft gezogen waren, zeigte das Röntgenogramm an den Pa-
tellae ganz analoge Veränderungen. In diesem Falle III trat die
Krankheit übrigens symmetrisch auf, es waren also zugleich beide
Patellae und beide Ossa navicularia pedis in derselben Weise be¬
fallen.
Fig. 2. Fall 2. Erkranktes Os naviculare.
Eine autoptische, mikroskopische oder bakteriologische Unter¬
suchung konnte nicht vorgenommen werden, da die Beschwerden sich
durch die Behandlung, Schonung der betreffenden Gliedmassen, bes¬
serten, um schliesslich ganz nachzulassen.
r
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1924
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Der Krankheitsverlauf zog sich auf 2—3 Jahre hin und wurde
durch keine Komplikationen gestört. Es erfolgte Heilung und zwar
bestand dieselbe nicht nur im klinischen Sinne, sondern wie die Rönt¬
genbilder anzunehmen zwingen, auch in anatomischem Sinne.
Fig. 3. Fall 3. Erkranktes Os naviculare.
Die Prognose des Leidens ist also durchaus günstig zu
stellen.
Was die Aetiologie des seltsamen Krankheitsbildes anbe¬
trifft, so lässt sich aus diesen drei Fällen um so weniger folgern,
bruders.
als betr. der Heredität alle drei Fälle verschieden dastehen.
Immerhin verdient die Tatsache Beachtung, dass der \ater des
einen Patienten kurz vor Zeugung desselben gonorrhoisch in¬
fiziert gewesen war.
Am meisten interessiert uns wohl die eventuelle Natur der
Krankheit im Vergleich zu den bisher bekannten Ahektionen des
Skeletts. Wer über eine jahrzehntelange Erfahrung in rönt¬
genologischer Diagnostik verfügt, dem drängt sich beim Be¬
trachten der Röntgenogramme die Leberzeugung auf, dass wir
es hier mit einer Erkrankung sui generis zu tun haben müssen,
die keiner der bisher bekannten gleicht oder auch nur ent¬
fernt ähnelt.
Für Rachitis waren, obwohl die meisten Knochen der
oberen und unteren Extremitäten untersucht wurden, keine An¬
zeichen vorhanden. Das Röntgenbild wies allenthalben nor¬
male Knorpeliugen aui.
Ausschlüssen muss man ferner Myxödem und Mongolis¬
mus, in erster Linie schon nach dem äusseren und klinischen
Befunde. Es handelte sich durchweg um gut begabte Knaben.
Das Röntgenbild lässt keine Verzögerung in der Ossifikation
der Knochenkerne erkennen. Das Navikulare ist zwar kleiner
Fig. 7. Fall 3 n:»ch Ausheilung.
als ein normales gleichen Alters, aber sein Aussehen hat nichts
mit einem solchen verschleppter Ossifikation gemeinsam.
Eher scheint es seine richtige (irosse gehabt zu haben, aber
wieder „geschrumpft“ zu sein, l'ebrigens sind alle Knochen
der Umgebung, sow eit sich das Rontgenhild beurteilen .lässt,
normal entw ickelt. Diese Erscheinung ist uns beim Kretinis¬
mus und Mongolismus nicht bekannt.
Eine Fraktur darf man wohl ebenfalls ausschliessen. Ein
Trauma wurde von keinem Patienten angegeben. (Bemerkt
sei nur, dass der eine Knabe ein fleissiger Fussballspieler war
bis zu seiner Erkrankung.)
An Osteomyelitis konnten schliesslich die Rontgenbilder
noch am meisten erinnern, wenigstens an sklerotisch aus¬
heilende Osteomyelitis. Aber sowohl anamnestisch wie kli¬
nisch war kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, ausserdem
würden wir im Höhestadium der Erkrankung akute Knochen¬
atrophie finden, wir haben aber das tiegenteil, osteosklerotische
Prozesse, vor uns. Ferner fehlt jede Beteiligung des Peri¬
ostes.
Noch mehr ist die Möglichkeit, es könne sich um Tuber¬
kulose handeln, auszuschliessen. Ein solches Rontgeiiogramm
wäre höchstens bei seit Jahren ausgeheilter Tuberkulose ein¬
mal denkbar, im floriden Stadium niemals. Verfasser ist übri¬
gens im Besitze eines Röntgenbildes von Tuberkulose des Os
naviculare, mit operativer Bestätigung. Nicht die entfernteste
Aehnlichkeit mit den hier fraglichen Befunden waltet ob.
Dass Lues in Betracht kommen könnte, ist ebenfalls un¬
wahrscheinlich, wenn auch Lues congenita der kurzen Fuss-
knochen bisher röntgenographisch kaum gezeigt worden ist
und man bei Lues noch auf manche Leberraschungen im
Röntgenbilde gefasst sein muss. \ or allem aber würde wohl
der Vater des einen Patienten, der. obwohl nicht gedrängt
durch dahin zielende Fragen, bald angab, vor Zeugung seines
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1925
Sohnes an Gonorrhöe gelitten zu haben, ebenso ruhig auch
eine Lues eingestanden haben. Eher wäre denkbar, dass die
Väter der beiden anderen Patienten eine Gonorrhöe ver¬
schwiegen hätten.
Was nun den Verlauf und den Ausgang der Er¬
krankung anbetrifft, so konnte bei allen drei Patienten,
deren Knochen ich wenige Wochen vor Abfassung dieser
Arbeit röntgenographisch abermals untersuchen konnte, eine
normale Grösse, normale Gestalt, normale Architektur und
normaler Kalkgehalt der früher so erheblich veränderten
Knochen im Röntgenbild bewiesen werden. Auch ohne das
musste man die Patienten nach ihren Angaben, Gang und
Fehlen der Beschwerden als geheilt betrachten. Die Krankheit
hatte im Durchschnitt anderthalb bis zweieinhalb Jahre ge¬
dauert.
Wie erwähnt, war in dem einen Falle auch die Patella in
ganz gleiche Mitleidenschaft gezogen. In den anderen Fällen
waren seinerzeit keine Beschwerden am Knie geklagt und des¬
halb damals auch die Kniee nicht untersucht worden. Daraus,
dass in Fall I und II, wo jetzt die Kniee nachträglich unter¬
sucht wurden, daselbst nichts Pathologisches zu konstatieren
ist, darf natürlich nicht geschlossen werden, dass die Pa-
tellae auch damals unbeteiligt waren. (Allerdings ist jetzt
in dem einen Falle die Kortikaliskontur der Patella nicht ganz
scharf, sondern etwas rauh und höckerig, doch kann nach
röntgenographischer Erfahrung solche Erscheinung ins Bereich
des Normalen gehören.)
Wie sich Verfasser von einem der bekanntesten Anatomen
hat belehren lassen, existieren keine Arbeiten, die eine be¬
sondere Beziehung zwischen Os naviculare pedis und Patella
als bestehend erscheinen lassen.
Noch seltsamer gestaltet sich das Krankheitsbild durch das
symmetrische Auftreten im Falle III, wo beide Patellae
und beide Navikularia befallen waren. Aetiologisch muss man
da also an eine zentrale Störung denken. In Frage kämen hier
folgende Nerven: Die Fusswurzelknochen und ihre Ver¬
bindungen werden an der Dorsalseite vom Nervus peronaeus
profundus, an der Plantarseite von den Nervi plantares me¬
diales und laterales versorgt. An der Versorgung des Knie¬
gelenks (ob auch der Patella, ist ungewiss) beteiligen sich die
Nervi femoralis, tibialis, peronaeus und obturatorius. Ueber
die Beziehungen dieser in Frage kommenden Nerven zu den
Segmenten des Rückenmarkes ist nichts bekannt. Die Ana¬
tomie lässt auch hier im Stich.
Ueber die Beschwerden an den Händen wurde seinerzeit
nicht geklagt, von keinem der Patienten. Nur jetzt, nachdem
der Prozess an den Beinen geheilt! klagt Fall III über Schmer¬
zen an den Handwurzeln, besonders der einen Seite. Die
sofort aufgenommenen Röntgenbilder scheinen: ganz normal zu
sein. (Dem Os naviculare pedis entspricht an der Hand das
Os centrale oder, wenn dieses fehlt, ein Teil des Os naviculare
manus.)
Es hat, so lange nicht noch weitere Fälle beobachtet sind,
die sicher noch neue Momente in Anamnese, klinischem und
Röntgenbefunde hinzubringen werden, keinen Zweck, sich
hier in längeren Vermutungen über die Natur des Leidens zu
verbreiten. Vielleicht aber hat die kurze Erörterung genügt,
Ihnen zu zeigen, dass wir es hier mit einem geschlossenen
Krankheitsbilde zu tun haben, das bisher nicht bekannt war.
Wenn einem Untersucher aber in wenigen Jahren drei solcher
Fälle begegnen, so darf man wohl mit Recht die Krankheit
als eine häufige bezeichnen.
Eine histologische und bakteriologische Untersuchung hat
unter den obwaltenden Umständen nicht vorgenommen werden
können. Vielmehr hat der Verlauf gezeigt, dass ein operativer
Eingriff ein direkter Fehler gewesen wäre. Und das ist das
praktische Resultat der Untersuchungen, die Kollegen zu
warnen, bei Röntgenbefunden, wie den gezeigten, operativ
helfen zu wollen.
Soweit ging Verfassers Vortrag auf dem Röntgenkongress (1908).
In der sich anschliessenden Diskussion gab ein Redner in be¬
stimmten Worten die Erklärung ab: „Das Krankheitsbild ist von
Recklinghausen schon genau beschrieben. Es handelt sich
offenbar um infantile Osteomalazie. . . . Jedenfalls ist es kein neues
Krankheitsbild, es ist den pathologischen Anatomen bekannt.“ Solch
kurze bestimmte Erklärung musste zweifellos bei den Zu¬
hörern den Anschein unbedingter Richtigkeit erwecken und den Vor¬
trag des Redners als wertlos und oberflächlich erscheinen lassen. Da
die Röntgenbilder meiner Fälle einen hochgradig osteo skleroti¬
schen Prozess offenbart hatten, so war ich auf den Einwand, es
handle sich um Osteo m a 1 a z i e, nicht gefasst und konnte ihn nicht
sofort in gebührender Weise widerlegen. Jetzt, wo ich die ganze
Literatur über die Recklinghausen sehe infantile Osteomalazie
durchgegangen und mit Recklinghausen selbst eingehend kor¬
respondiert h^be, kann ich nicht umhin, jene Erklärung vorläufig als
vage Hypothese zu bezeichnen.
Ein anderer Diskussionsredner, Herr S t i e d a - Königsberg, gab
zu bedenken „ob es sich nicht um eine ganz normale Wachstums-
! erscheinung handle“. Er habe ähnliche Sachen auch am Kalkaneus
gesehen und die Fälle allerdings nicht weiter verfolgt. Er habe diese
Befunde aber damals für ausgeprägte Wachstumsveränderungen
gehalten.
Diese letztere Ansicht scheint mir der Wahrheit näher zu kom¬
men. Nur dürfte man m. E. eine Affektion, die ein bis zwei Jahre hin¬
durch dem Patienten fortgesetzt stärkere Beschwerden macht, nicht
als ganz normale Wachstumserscheinung bezeichnen; der Ausdruck
„Anomalie“ trifft die Sache schon eher; aber schliesslich hat auch
jede Anomalie eine bestimmte Ursache. Am schwierigsten ist ja wohl
die Frage, weshalb das Leiden gerade die genannten 2 Knochen be¬
fällt, während die anderen ganz normal erscheinen, v. Reckling¬
hausen schreibt mir dazu: „Die in Ihren Fällen betroffenen Knochen
sind bekanntlich diejenigen, welche am spätesten den Knochenkern
bekommen, in welchen die Metamorphose des Knorpel- zum
Knochengewebe im Gegensätze zu den übrigen Extremitäten¬
knochen zuletzt fertig wird schon unter physiologischen Verhält¬
nissen. Da in dieser Verspätung des Einsatzes des Kernes der ge¬
nannten Knochen das mittlere Os cuneiforme pedis und das Os tra-
pezoides manus nahe Stehen, so Hesse sich vorkommenden Falles das
Augenmerk auch auf diese Knochen bei der Röntgenaufnahme richten
und so vielleicht die Probe aufs Exempel machen“. Ich habe daraufhin
meine Röntgenogramme durchgesehen ohne entsprechenden Erfolg,
vielleicht aber gelingt es einem Nachuntersucher am Cuneiforme II
oder am Trapezoide den gleichen Prozess zu entdecken.
Ich habe nun meine Sammlung von Röntgenplatten, die in
9 Jahren gewonnen worden sind, nochmals mit Rücksicht auf
ähnliche Affektionen untersucht und nur ein Pathologikum ge¬
funden, das zu dem von mir beschriebenen Krankheitsbild ge¬
hören könnte. Es handelt sich hier um Fälle, die klinisch eine
tuberkulöse Koxitis vortäuschten, aber auffallend schnell und
gut ausheilten, so dass ich meine Zweifel, dass ein tuber¬
kulöses Leiden vorlag, nicht unterdrücken konnte. Solche
Fälle finden sich mit Beifügung der Röntgenogramme in Ver¬
fassers Atlas des Hüftgelenks (Hamburg 1905), Tafel V, Figg. 3
und 4, sowie 8 und 9, beschrieben. Ich habe inzwischen einen
weiteren derartigen Fall beobachtet, dessen anscheinend enorme
Veränderungen an der Femurkopfepiphyse kaum in Einklang zu
bringen sind mit dem klinischen Befund und den geringfügigen
Beschwerden. Von diesen drei Fällen handelte es sich bei dem
einen um ein hochgradig rachitisches Kind aus einer hochgradig
rachitischen Familie; bereits der Vater war schwer rachitisch
gewesen und hatte erst mit 4 Jahren laufen gelernt. Sollte
die Rachitis eine Prädisposition für unsere Krankheit schaffen
— wie sie es für viele Knochenerkrankungen (Barlow,
O 11 i e r u. a.) zu tun scheint —, so ist es immerhin merk¬
würdig, dass in den anderen Fällem gar keine Anzeigen von
Rachitis auf den Röntgenbildern zu sehen sind, auch nicht da,
wo die Patienten im Höhestadium der Erkrankung untersucht
wurden.
Es ist nicht zu erwarten, dass bei der beschriebenen Krank¬
heit — wenn einmal eine mikroskopische Untersuchung zu Ge¬
bote stehen wird — sich Verhältnisse ergeben, die von allem
bisher Bekannten total abweichen, aber so viel scheint doch
festzustehen, dass das ganze Krankheitsbild seiner Lokalisation
und seinem Verlaufe nach ein feststehendes, fest umgrenztes
ist, das in seinen Symptomen bisher noch nicht als solches
beschrieben worden ist.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
1926
Aus dem Kgl. Universitätsinstitut für spezielle Pathologie und
innere Medizin zu Padua (Vorstand: Prof. Dr. L. L u c a t e 11 o).
Beitrag zur Kenntnis der drucksteigemden Substanzen.
Eine spezifische Reaktion des Adrenalins.
Von Dr. Giuseppe Comessatti, Assistent.
In den modernen chemischen und physiologisch-chemischen
Handbüchern findet sich nichts über eine Reaktion des Adrena¬
lins, deren Beobachtung mir erst vor kurzem gelungen ist und
deren Spezifität ich gleichzeitig sichergestellt habe.
Die neue Reaktion wird in folgender Weise ausgeführt:
Man verdünnt 3 —4 Tropfen einer frischen 1 prom. Adrenalin¬
lösung (Adrenalin Takamine, Clin.) mit 6—8 ccm destillierten
Wasser, fügt einige Tropfen von einer wässerigen Sublimat¬
lösung von 1—2 Prom. hinzu und schüttelt etwas: nach 1 bis
3 Minuten tritt eine diffuse rötliche Färbung auf, die mehrere
Stunden, ja sogar Tage andauert.
Einfache, wässerige Adrenalinlösungen, ohne Sublimat,
bleiben für eine gewisse Zeit, die zwischen einer halben Stunde
und zwei Stunden schwankt, farblos und zeigen dann die
rötliche Färbung, die wahrscheinlich auf die Bildung von
Oxyadrerialin (B a 11 e 11 i) zu beziehen ist.
Diese rötliche Färbung ist mit derjenigen, die bei sublimat¬
enthaltenden Eprouvetten hervortritt, fast vollständig gleich,
obwohl nicht ganz so stark.
Wässerige Brenzkatechinlösungen (1 prom. Brenzkatechin¬
lösung 1—2 Tropfen, H*0 ccm 8) zeigen nach Hinzutiigung der
Sublimatlösung eine bald auftretende und dauerhafte grünliche
Färbung.
Wässerige Mischungen von Adrenalin und Brenzkatechin
(2—3 Tropfen Adrenalinlösung, 2-3 Tropfen einer 1 prom.
Brenzkatechinlösung, 4- 8 ccm HaO) verhalten sich nach Hin¬
zufügen der Sublimatlösung in gleicher Weise wie die ein¬
fachen Adrenalinlösungen: nach 1—3 Minuten tritt eine röt¬
liche, nicht verschwindende Färbung auf.
Behandelt man Salizylsäure- und Resorzinlösungen
(wässerige) mit Sublimat, so beobachtet man Färbungen, die
von derjenigen der Adrenalinlösungen sehr deutlich sich unter¬
scheiden.
Es ergibt sich daraus, dass die neue *) Sublimat-
reaktion eine für das Adrenalin spezifische ist, deshalb hat
sie den Wert einer differentiellen Reaktion. Die Sublimatprobe
ist ausserdem imstande, auch die Anwesenheit von Adrenalin
bei Lösungen, die gleichzeitig Brenzkatechin enthalten, nach¬
zuweisen.
In Bezug auf die Empfindlichkeit dieser Probe, die ich
vorschlage, habe ich sichergestellt, dass diese im Vergleich mit
der V u 1 p i a n sehen Reaktion nicht minderwertig ist: Adrena¬
linlösungen, welche auf 0,0025 g pro 1000 verdünnt wurden
(1 Tropfen Adrenalinlösung Takamine 4- 20 ccm HsO) ergaben
mir noch einen positiven Befund; bei so verdünnten Adrenalin-
lösungen ist die V u 1 p i a n sehe Reaktion dagegen zweifelhaft,
jedenfalls eine rasch vorübergehende: die Färbung bei der
Sublimatprobe ist eine dauerhafte.
Aus diesen chemischen Untersuchungen ergibt sich leicht
und überzeugend die Erklärung der neuerdings von B a d u e 1 *)
und auch von mir wahrgenommenen Tatsache, dass die Neben¬
nieren von gesunden Individuen, in Sublimatlösung eingelegt,
nach einer Stunde eine rötliche Färbung der Flüssigkeit er¬
zeugen, die nach 2—3 mal wiederholter Erneuerung der
Flüssigkeit verschwindet; behandelt man dagegen Nebennieren
von nephritischcn Individuen (Nephritis chronica) in gleicher
Weise, so bekommt man eine kupferrote Färbung, die erst nach
15- 20 mal wiederholter Erneuerung der Sublimatlösung ver¬
schwindet.
Auf Grund meiner oben zitierten Untersuchungen ist diese
Färbung als eine für Adrenalin spezifische zu betrachten: das
') Die Neuheit bestellt darin, dass die bekannte l’mw amlhmg des
Adrenalins unter Einiluss verschiedener Faktoren (Luit, Warme,
Alkalien usw.) in eine rote Substanz bisher nicht fiir spezifisch ge¬
halten wurde und dass Sublimatlosimgen dieselbe Umwandlung des
frischen Adrenalins rasch bewirken und zu einer genauen Dosierung
des Adrenalins, auch des der Nebennieren, „in situ" dienen können.
*) Ha d uel: Riv. crit. di Clin. med.. August luus.
Adrenalin geht vom Nebcnnicrcugew'ehe in die Sublimatlösung
über und gibt die rötliche, kupferähnliche Färbung.
Deshalb ist man zum Schluss berechtigt, dass d i e
Nebennieren von N e p h r i t i k c r n, bei denen S c h u r
und W i c s e 1 [ 1), (i n I d z i e h e r und M o ! n a 1 [21.
Baduel [3] und ich selbst eine Hyperplasie des Nebennieren¬
markes konstatieren konnten, eine bei weitem gros¬
sere A d r e n a 1 i n m c n g e als die N e h e n nur e n der
gesunden u n d nicht n e phri t i sc heu I ndividu e n
enthalten.
Dieser chemische Befund, den ich wahrgenommen und zu¬
erst erklärt habe, ist noch beweiskräftiger als der histologische.
Auf Grund dieser Beobachtungen erhält die Lehre der
Nebennierenhypersekretion von drucksteigernden, adrenahn-
artigen Substanzen im Verlaufe der Nierenentzündungen (ins¬
besondere bei chronischen Nephritiden) eine wesentliche und
unleugbare Stütze.
Bei den Forschungen über die Pathogenese der Hyper¬
tension und einige Arteriosklerosenarten verdient die Neben¬
nierenrinde keine mindere Aufmerksamkeit als das Neben¬
nierenmark.
Diese Behauptung stiitzt sich auf folgende von mir kon¬
statierte Tatsache: Legt man Nebennierengewebe (Mark und
Rinde) in eine wässerige Sublimatlosung (von 1 2 Prom.). so
tritt nach einiger Zeit (4 1 2 Stunden) eine diffuse, rötliche,
fiir Adrenalin spezifische Färbung auf: legt man dagegen
Rindengewebe in Sublimatlösung ein, so tritt keine Färbung em.
Der Extrakt der Rindensubstanz besitzt einige Eigen¬
schaften. die ihn dem Markextrakt, be/w. dem Adrenalin an-
nüliern. indem er eine stark mydriatisJie Wirkung auf das
Froschauge äussert. Er zeigt nicht die einzelnen Reaktionen des
Brenzkatechin. Deshalb ist man zur Annahme berechtigt, dass
die Nebennierenrinde eine chemische Substanz enthalt (oder
sezerniert), die dem Adrenalin innig verwandt ist und wahr¬
scheinlich eine Vorstufe desselben darsLÜt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen, bei denen e.ne
genaue und vorsichtige Trennung der Rinde von dem Mark
der Nebennieren absolut notwendig ist. stimmt mit der \ «ui
J o s u e \4] konstatierten drucksteigemden W irkung der Neben-
jiiercnrinde überein.
In dieser Hinsicht durfte zwischen Rinde und Mark der
Nebennieren in physiologischen und pathologischen Zuständen
eine funktionelle Einheit bestellen.
Padua, August 19tw.
Literatur:
1. Schur und \\ iesel: Wien. Klm. W oJieiisJw . I ■>* ‘7. M M.
- 2. (iold/ielier um! M ulnar: Wien. Klm. W <.klleus w tu . La-s.
H. 7. - A. Haduel: I. c. 4. .1 o s u e : Presse med.. s Lf'ict ]'*'s
Aus der Kgl. psychiatrischen und Nervenkhmk zu Greifswald
(Direktor: Prof. Dr. Ernst Schultz e).
Ueber Pel'sche Augenkrisen und einige seltenere
Sensibilitätsstörungen bei Tabes dorsalis.
Von Dr. A. Kn a u c r.
Kein Symptom in dem ..vielgestaltigen" IL.de der Labes
dorsalis ist für Kranken und Arzt alarmierende r wie de Krise,
kein Symptom unterliegt so oft verhängnisvollen diagnostischen
Iirtümerii. Das zeigt der von E s c li b a n m in No. J > dieser
Wochenschrift beschriebene Fall einer ,.viermaligen (Operation
infolge Verwechslung gastrischer Krisen mit Pylorusstenose".
Seit wir durch Ui a r c u t und seine Schule die Erschei¬
nung der tabischen Krise kennen gelernt haben, winden krisen-
artige Anfälle in den meisten Organ- und Nei vei.gebie te n des
Körpers vielfach beobachtet und bescfELkbyti. Wir kennen
neben der llauptform, der gastrischen Krise, He r/- 4 Kehbu pi-,
Schlund-, Mastdarm-. Klitoris-, Penis-. Akio: kus-, Nas.T:-
krisen u. a.
Zu den am seltensten beobacht*, teil K r>e nformen gehören,
die von P e 1 zuerst beschriebenen tab.sJieii Augeukrisen. : )
*) 1L K. Pel: Augenki isen bei Ta: es J. rsa‘ s. Bcrl. km.
Woelimsehr. isos, \n. 2 .
Digitized fr
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1927
Pels Patient war ein 41 jähriger Kellner mit Tabes dorsalis
und Dementia paralytica incipiens. Der Kranke wurde plötzlich von
heftigem Brennen und stechenden Schmerzen in beiden Augen und
deren Umgebung befallen, die nur durch sehr kurze freie Intervalle
unterbrochen waren. Es bestand grosse Lichtscheu. Wenn die Augen
unbedeckt waren, traten die heftigsten krampfhaften Kontraktionen
der beiden Mm. sphincter oculi nebst starkem Tränenfluss ein. Die
Conjunctiva bulbi et palpebrae war sehr geschwollen und gerötet.
Die ganze Umgebung des Auges war sehr hy per ästhetisch, so dass
ein Untersuchen des Auges nicht möglich war. Die Anfälle dauerten
2—3 Stunden. Nach dem Anfall war der Patient sehr erschöpft. Eine
Stunde später war das Auge wieder normal, nur die Hyperästhesie
noch einen Tag lang nachweisbar. Pel sagt: „der Symptomenkom-
plex erinnert lebhaft an die akut^entzündliche Reizung der Augen,
welche man bei einem Individuum beobachtet mit einem Fremd¬
körper im Auge“. Er deutet die Anfälle als Reizsymptome des Nervus
trigeminus und die Augenschmerzen als sogen. Ziliarneuralgien.
Determann*) erwähnt einen FaH, in welchem grosse Emp¬
findlichkeit der Augen gegen Licht und Anstrengung, welche sich
zeitweilig zu einer Art Augenkrise verstärkte, die frühesten Sym¬
ptome einer sich bald entwickelnden Tabes war. Eine genauere Be¬
schreibung seines Falles gibt er nicht.
Hascovec*) beschreibt einen Tabiker mit doppelseitigem
Exophthalmus, der sich in Form der P e 1 sehen Augenkrisen mit leb¬
haften Schmerzen, heftigem Tränenträufeln und vorübergehender Vor¬
treibung des Bulbus allmählich entwickelt habe.
Weitere Fälle fand ich in der Literatur nicht verzeichnet.
Oppenheim schreibt in seinem Lehrbuche 4 ) über die
Augenkrisen: „Es bleiben weitere Erfahrungen abzuwarten,
ehe man diese Anfälle der Symptomatologie der Tabes ein¬
reihen kann. Mir selbst ist häufiger eine Hyperästhesie der
Retina aufgefallen, welche die Prüfung des Lichtreflexes in
hohem Masse erschwerte, da sich bei jedem Versuche die Augen
mit Tränen füllten.“
Wir hatten nun jüngst Gelegenheit bei einer Tabeskranken
unserer Klinik Anfälle zu beobachten, die den von Pel be¬
schriebenen in allem Wesentlichen glichen.
Es betraf eine 36 jährige. verheiratete Frau N. aus B. Kranke
will in ihrer Jugend an epileptiformen Anfällen gelitten haben. Letzter
Anfall vor 7 Jahren. Seit 14 Jahren verheiratet. Ist nie gravide ge¬
wesen. Angeblich Alkoholmissbrauch.
Seit 3 Jahren allmählich zunehmende Unsicherheit in den Beinen
und Armen, die sich im Dunkeln vermehrt. Gefühl, „als wenn alle
Sehnen zu 'kurz geworden wären“. Parästhesien in den Fussohlen
und Handtellern. Vielfach heftiges „Reissen in den Beinen“. Kann
seit Weihnachten vorigen Jahres nicht mehr ohne fremde Unter¬
stützung auf den Beinen stehen. Friert leicht. Im Januar dieses
Jahres mehrere Tage lang unaufhörliches Brechen und heftige
Schmerzen in der Magengegend und im Leibe. Lange Zeit Amenor¬
rhoe. Häufig doppelseitiger Stirnko-pfschmerz. Be¬
tont sei aber, dass im Gebiete der sensiblen Gehirnnerven nie ab¬
norme Sensationen anderer Art aufgetreten sind. Gesicht und Gehör,
Geruch und Geschmack nie gestört.
6. V. 08. Status praesens: Kleine magere Frau. Gewicht
40,5 kg. Blasse, etwas zyanotische Gesichtsfarbe. Züge etwas
starr. Rechte Lunge suspekt. Herz und Bauchorgane, Schilddrüse
ohne Befund. Urin frei von- Eiweiss und Zucker.
Patellarreflexe beiderseits erloschen, desgleichen Achilles- und
Plantarreflexe. Bauchdeckenreflexe sehr lebhaft, sym. De
Sehnen- und Periostreflexe beider Arme fehlen. Würgreflex auf¬
gehoben. Bindehaut- und Hornhautreflexe sehr lebhaft, sym.
Haut Sensibilität aller Qualitäten bis auf einen
geringen Rest faradokut'aner Empfindung und
Knochensensibilität an beiden Unterschenkeln er-
1 o s ch e n. Passive Bewegungen in den Zehen- und Fussgelenken
werden nicht empfunden. Zieltibungen mit den Beinen im Liegen,
selbst ohne Augenschluss, hochgradig ataktisch. Die Kranke kann
nur stehen, wenn sie an einem Arm gehalten wird und ihre Füsse
durch die Augen kontrollieren kann. Selbst das Niedersetzen fällt
schwer.
Am Rumpf und an den Armen Herabsetzung der
Druckempfindung. Ausgesprochene Kältehyperästhesie am
Bauch. Lage- und Bewegungsempfindungen auch in den Armen sehr
lädiert besonders links. Kneifen der Achillessehne beiderseits un¬
empfindlich. B i e r n a c k i sehe Unempfindlichkeit beider N. peronei
und des linken N. ulnaris. Tonus der Beinmuskeln sehr vermindert.
*) Determann: Die Diagnostik und die Allgemeinbehandlung
der Frühzustände der Tabes dorsalis. Halle a. d. S., 1904, S. 44.
*) Lad. Hascovec: Crises oculaires et Syndromes pseudo-
basedowiens, dans l’ataxie locomotrice. Compt. rend. de la Soc.
de Neurol. de Paris, 5. avril 1906. Ref. in Mendels Jahresber.,
10. Jahrgang.
*) H. Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 4. Aufl.
Berlin 1905. Bd. I, S. 164.
Differenz im M u n d f a z i a 1 i s, der links überwiegt. Zunge
weicht herausgestreckt, etwas nach links ab, zittert stark faszikulär
und fibrillär. N. trigeminus, sensibel und motorisch,
ohnejedenobjektivenBefund. Geruch, Geschmack,
Gehör beiderseits normal. Leichte Parese im rechten Abduzens.
A. B. sonst frei.
Pupillen: links erheblich'weiter wie rechts,
beide entrundet, reagieren auf direkte und indirekte Belichtung nur
ganz minimal. Visus beiderseits */a. Normale Gesichtsfelder. Keine
Veränderungen am Augenhintergrunde.
Sprache intakt. Keine psychischen Störungen.
Die Untersuchung der Spinalflüssigkeit ergibt: starke Pleo-
zythose. Nonne = Apelt, Phase I: Opaleszenz, Eiweissgehalt nach
Esbach 0,75 Prom. Bei der serologischen Untersuchung des
Blutes finden sich Luesantigene.
An der Richtigkeit der Diagnose Tabes dorsalis ist also nicht
zu zweifeln. Aus den klinischen Beobachtungen hebe ich noch
folgendes hervor:
Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Kranke nicht von lanzi-
nierenden Schmerzen in den Beinen geplagt wird. Vom 20.—23. V.
krisenartige Schmerzen in der Herzgegend mit starker Beklemmung.
Wiederholt heftige Stirnkopfschmerzen, während
deren beide obere Quintusäste sich als .druck¬
empfindlich erweisen.
8. VI. Wurde vergangene Nacht von sehr heftigen brennenden
Schmerzen im rechten Auge überfallen. Conjunctiva bulbi et
palpebrae stark geschwollen und gerötet. Es besteht starker Tränen¬
fluss und grosse Empfindlichkeit gegen Licht. Zunahme der Schwel¬
lung und der Schmerzen im Laufe des Tages.
9. VI. Die Schwellung des rechten Bindehautsackes hat noch
zugenommen. Die Conj. bulbi fällt wallartig gegen die Kornea hin
ab. Ferner ist auch das ganze periorbitale Subkutangewebe bis weit
über die rechte Stirn hin und bis zum unteren Rande des Jochbeins
nach unten geschwollen. Die Kornea ist ganz glatt und spiegelnd.
Die Pupille des Auges ist ganz eng geworden. Kein Eiter. Noch
immer grosse Lichtscheu. Kann im Hellen das Auge nicht öffnen.
„Im Dunkeln geht das Sehen ganz gut.“
In Abständen von etwa 15 Minuten treten wütende Schmerzen
von bohrendem Charakter im rechten Bulbus und dem an das Auge
temporalwärts angrenzenden Hautbezirk auf. Es ist, als wenn das
betroffene Gebiet von zahlreichen ..Nadeln durchstochen würde“.
De Schmerzen dauern jedesmal ca. 5 Minuten, verschwinden dann
plötzlich. Ihnen folgt unmittelbar ein kurzer starker Tränenfluss.
Die objektive Untersuchung in den anfallfreien Intervallen
stellt ferner eine ganz ausserordentlich lebhafte Hyperästhesie
im Gebiete der beiden oberen Aeste des rechten Quintus und
des rechten Nervus lingualis fest. Selbst bei einfachem Be¬
rühren der Gegend mit der Fingerspitze zuckt die Patientin
zusammen. Besonders schmerzhaft sind Kältereize, Wärme weniger,
wird aber nach längerer Applikation auch sehr quälend empfunden.
Die hyperästhetische Zone reicht nach oben bis ins vordere KapH-
litium, nasalwärts etwas über die Mittellinie hinaus, lässt an der
temporalen Seite einen zweifingerbreiten Hautstreifen vor dem Ohre
frei. Auffalend ist, dass die rechte Oberlippe und die Zähne nicht
empfindlich sind. Dagegen sind sehr empfindlich die rechte Nasen¬
schleimhaut, die rechte Hälfte der Zunge — besonders in ihrem hin¬
teren Drittel —, die halbe Schleimhaut des harten Gaumens rechts,
der ganze Gaumenbogen, sowie die rechte Hälfte der Rachenschleim¬
haut.
Merkwürdigerweise ist -der Geruch für Ol. Menth, pip., Asa
foetida, Perubalsam, Amylnitrit u. ähnl. rechts fast aufgehoben,
während Ammoniak beiderseits gleich stark gerochen wird. Ebenso
ist auf der Zunge der Geschmack für süss, sauer und salzig auf der
rechten Hälfte gegenüber links stark beeinträchtigt, während
bitter gleich gut geschmeckt wird. Die Temperatur der hyper-
ästhetischen Hautbezirke ist ungefähr einen Grad höher, wie die der
ireien. Der Blutdruck beträgt während der Attacke dauernd 110 bis
115 mm nach Riva-Rocci. Der Puls ist ständig beschleunigt.
Körpertemperatur normal.
Subjektive Lichtempfindungen bestehen während des Anfalles
nicht. Herr Dr. Gebb, I. Assistenzarzt der hiesigen Augenklinik,
hat die Liebenswürdigkeit, den Fall zu untersuchen und festzu¬
stellen, dass ein lokales Augenleiden nicht vorliegt. Visus noch
immer 6 /e. Kein Defekt des Gesichtsfeldes. Herr Dr. Gebb ist
ferner so liebenswürdig, von dem Bindehautsekret eine Kultur an¬
zulegen. Es finden sich nur harmlose Xerosebazillen. Herr Prof.
Römer, Direktor der Augenklinik, hat die Güte, diesen Befund zu
bestätigen.
Schwellung und Schmerzen halten bis zum 10. VI. «nachmittags
4 Uhr in unverminderter Stärke an (s. Abb. l). Auffällig ist. dass
die auf Einträufeln von Homatropin erfolgende Mydriasis immer
schon nach 2 Stunden der hochgradigen Miosis Platz gemacht hat.
Die Schmerzperioden sistieren auch nachts nicht. Um 4 Uhr nach¬
mittags des dritten Tages hören sie ebenso schnell auf, wie sie
gekommen sind. Das Auge schwillt im Laufe des nächsten Tages
allmählich wieder ganz ab. Auch die Hyperästhesie verschwindet
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1928
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
wieder vollständig. Am längsten hält sich ein Gefühl in dem er¬
krankten Hautbezirke, als läge ein Spinngewebe darüber. Geruch
und Geschmack werden wieder normal.
Am 16. VI. sind die letzten
Spuren der Affektion verschwun¬
den. (Siehe Abb. 2.) Das linke
Auge ist während der ganzen
Dauer des Anfalles gänzlich un-
Uidiert geblieben.
Am 16. VI. erscheint plötzlich
eine Schwellung und Rötung des
linken Bindchautsackes, die am
nächsten Tage den gleich hohen
Grad erreicht hat wie vorher
die Kntzündungserscheinungcn am
rechten Auge. (Siehe Abb. 3.)
Wieder ist die Photophobie sehr
gross. Der Anfall unterscheidet
sich von dem vorhergehenden aber
dadurch, dass keine Schmerzen
von intermittierendem bezw. lanzi-
nierendem Typus auftreten. s<»n-
'[Abb. 1. VI. 08. Trau N, Rechts- clern eine sehr unangenehme konti¬
seitige Augenkrise nuierliche Empfindung im Auge be¬
steht. Fs ist ein Gefühl, „als wenn
etwas ins Auge geflogen wäre“. Es besteht eine ununterbrochene
gesteigerte Tränenproduktion.
Im übrigen sind die Sensibilitätsstörungen und der objektive
Befund die gleichen wie jüngst auf der rechten üesichtshäifte. Fs
Abb. 2. VI. 08. FrauN. Krisen- Abb. 3. VI. 08. Frau N. Links¬
freies Intervall. seitige Augenkrise.
lässt sich feststellen, dass die Hyperästhesie von der Kornea ihren
Ausgang nimmt und von Stunde zu Stunde an Terrain in der Binde- l
haut und den an das Auge angrenzenden Gebieten der Haut ge¬
winnt, bis sie schliesslich die oben geschilderte Verteilung zeigt.
Wieder sind links der Geruch und der Geschmack aufgehoben. Die
Mydriasis, die vorher auf dem Auge bestanden hat, hat sich in eine
hochgradige Miosis verwandelt. Fs besteht auch die bei Irido¬
zyklitis bekannte Druckschmerzhaftigkeit des Bulbus.
Am 20. VI. beginnen die krankhaften Erscheinungen zu schwin¬
den, zunächst die entzündlichen Reizerscheinungen, dann die Hyper¬
ästhesie. Am 21. VI. sind Auge und linke Gesichtshälfte wieder ganz
frei. Es hat sich wieder die frühere Mydriasis eingestellt.
Nach O. Förster 5 ) kommen der tabischen Krise drei
Hauptkennzeichen zu: 1. anfallsweises Auftreten sensibler Reiz-
erscheinungen in der betreffenden Organsphäre, entweder in
Form von Schmerzen oder von- Parästhesien, meist in Ver¬
bindung mit Hyperästhesie in dem betreffenden Nervenhezirk,
2. anfallsweises Auftreten von motorischen Reizerscheinungen,
3. starke Hypersekretion des betreffenden Organes. Diese Be¬
dingungen erfüllten die vorstehend beschriebenen Anfälle durch¬
aus. Dass die motorischen Reizerscheinungen nicht so hoch¬
gradige waren wie in dem P e 1 sehen Falle, liegt wohl an den
Lähmungserscheinungen im Fazialisgebict. Wir werden als
eine solche vielleicht die starke Pupillcnverengerung ansehen
dürfen. Dass diese mir infolge einer Hyperämie der Irisgefässe
entstanden sei, halte ich für unwahrscheinlich. Wird doch auch
die bei der gewöhnlichen Iritis auftretende Miosis ausser auf
die UebeffüIIung der Qefässe auf einen Sphinkterkrampf zu¬
rückgeführt.") Und die Hyperämie der Iris war während der
Krise gering.
5 ) O. Förster: Ueber einige seltene Formen von Krisen bei
der Tabes dorsalis sowie über die tabischen Krisen im allgemeinen.
Monatsschr. f. Psychol. u. Neurol, Bd. XI.
°) Siehe E. Fuchs: Lehrbuch der Augenheilkunde. X. Aufl.
1905. S. 343.
Pel hat durchaus recht, wenn er die Augenkrisc in Ana¬
logie setzt zu der als Unterform der gewöhnlichen 1 rigemirus-
neuralgie bekannten Neuralgia ciliaris. Auch in unserem Falle
beschränkten sich die Schmerzen im wesentlichen aut den
Bulbus. Andererseits kommt es auch bei dem F o t h c r g i 11 -
sehen Gesichtsschmerz öfters zu Schwellung der Bindehaut
mit Chemosis und starker Thränensekretion. Pel hebt her¬
vor, dass andersartige Krisen im Trigeminusgebict auch vor
ihm’beschrieben wurden, wie denn Trigeminusaffektionen im
Verlaufe der Tabes ja keine Seltenheit bilden. Dürften doch
aücli die häufigen Stirnkopfschmerzen der Frau N. als Reiz-
zustände im Stirntrigeminus zu deutui sein.
Fine äussere Ursache für die Entstehung der Augenantalle
war auch in unserem Falle nicht nachweisbar. Jod. das die
Kranke bei Beginn der Anfälle nahm, wurde während des ersten
Anfalles ausgese\tzt, ohne dass der Ausbruch der zweiten
Attacke verhindert werden konnte.
Förster) fasst nun die Krise auf als „einen perma¬
nenten Reizzustand in den sensiblen W urzelfasern des be¬
treffenden Gebietes. Die Doppelseitigkeit unserer Affektion -
dass beide Augen nicht wie im Pel sehen Falle gleichzeitig,
sondern nacheinander in kurzem zeitlichen Abstande ergriücn
wurden, ist wohl unwesentlich - macht es sehr wahrschc.n-
lich, dass wir deren auslosende l rsaclie ebenfalls weiter
zentralwärts in der Medulla oblongata (der im HaKmaik zu
, suchen haben. Bei Kehlkopfkrisen wurden ja teilweise De-
I generationen der absteigenden I rigeininusw urzel gefunden.
I Vielleicht liegen ähnliche degereratrve Vorgänge im Tractus
j bulbo-spinalis des Ouiiitus auch hier zu gründe.
Gegen einen peripheren Herd spricht ja auch die eigen¬
tümliche Verteilung der Hyperästhesie, das Freibleiben der
Oberlippe, die Beteiligung der von dem N. lingualis aus dem
з. Quintusaste versorgten Zunge und der im allgemeinen dem
Glossopharyngeus zugeschriebenen hinteren Rachenwai.d.
Nach Exstirpation des Ganglion Gasseri fanden K rause und
Davics allerdings eine ähnliche Verteilung der Anästhesie
in der Mundhöhle ohne weitere Beteilgung des 3. Astes.
Rossi*) fand, w ie früher schon VV a 11 e n b e r g und B r c g -
in a n n, in der absteigenden Trigeminusw urzel die aus den ein¬
zelnen peripheren Trigeminusästen stammenden Ner\ enfasern
in örtlich getrennten Bezirken der Wurzel verlaufen, so dass
auch eine der peripheren Verteilung entsprechende zentrale
Schädigung derselben möglich ist. Andererseits fand Rossi
aber, dass die nach zentraler Unterbrechung des zweiten
V.-Astes resultierende Anästhesie die Oberlippe ireilässt, genau
wie umgekehrt in unserem Falle die ll\peräslhesie die Ober¬
lippe verschont. R. fragt sich, ob die Ursache hierfür sei. das»
vielleicht der N. infraorbitalis skh in d’e sensible Versorgung
dieser Gebiete mit anderen Nervenfasern teile. W äre diese An¬
nahme richtig, so müsse unser Fall zeigen, dass auch die aus
der Erkrankung eines sensiblen Nerven resultierende Hyper¬
ästhesie des von ihm versorgten Hauptgebietes atisbleiben kann,
wenn er dieses mit einem anderen intakten sensiblen Nerven
teilt. Ein gerade nicht sehr w ahrschunlicher Schluss. Zu¬
dem konnte I) a v i e s ") feststellen, dass die nach Exstirpation
des Ganglion Gasseri erscheinende Anästhesie immer bis zur
Mittellinie des Gesichts auch an der Oberlippe reicht.
Ich möchte zwar glauben, dass Rossis Ansicht einer
segmentären Aufteilung der absteigenden Trigeminusw urzel
richtig ist, dass aber zentralwärts eine Einlagerung der Fasern
von einem V .-Ast in einen anderen und Aufnahme von Fasern
aus anderen Nervenstämmen in noch grosserem Masse statt¬
findet, wie er anzunehmen scheint. Eiir die Fasern der ein¬
zelnen Empfindungsqualitäten vermutet R. gleich Schle¬
singer l0 ) allerdings eine Einlagerung und Trennung im Ver¬
lauf ähnlich der von van Geh lichten. Piltz u. a. be¬
haupteten getrennten anatomischen Anordnung der Tempera¬
tur- und Schmerzbahnen einerseits und der Bahnen für Be-
7 ) 1. c.
") (). Rossi: Clinical and e\pe r nicrM’ cortr.‘Miti«*n tn the
knowlcdgc of tlic anatomy of i’rigeuma! ntu\c. h um. f. Ps\chi*l.
и. Neurol.. Bd. IX. H. 5 6.
'■) II. M. Davics: The functions <>i tl c T'igcn.rial ner\e.
Bram 1907, Bart CXVIII.
,0 ) H. Schlesinger: Beitrag zur B!i\ sj-P.^äe des Trigeminus
und der Sensibilität der Mundschleimhaut. Neurol. Zentralb’... Bd. 18.
No. 9
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 19Ö&
MÜENcHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1 029
rührung und Druck andererseits im Rückenmark. Wie ver¬
schlungen jedenfalls auch über eine solche Umordnung noch
hinaus die Wege der Trigeminusfasern, wie zahlreich ihre
Anastomosen mit anderen Nervenbahnen sind bis in das Wur¬
zelgebiet hinein, wissen wir ja, während unsere Kenntnisse von
der Gruppierung der den einzelnen Gesichtsteilen entsprechen¬
den Kerngebiete des Quintus noch recht dürftig süid. Be¬
merkenswert auch für unseren Fall ist, dass nach Schle¬
singer die oberen Teile der Stirnhaut und ein grosser Teil
der Mundschleimhaut von den distalsten Teilen des sensiblen
V.-Kernes, die des Nasenrückens von dem proximalsten Teile
sensibel versorgt werden. Indessen stehen diese Angaben
auch noch nicht absolut fest. Vielleicht ist auch nach dieser
Richtung hin unser Fall von Interesse.
Dass unserer Augenkrise ein zentraler Herd zu gründe
liege, lässt sich nicht mehr auf die Miosis stützen, da die Angabe
von Bach und Meyer sowie zahlreicher früherer Autoren,
dass die sensible Trigeminuswurzel auch pupillenverengernde
Fasern enthalte, durch die Untersuchungen B u m k e s und
T rendelenburg erschüttert ist “).
Interessant ist im Falle N. nun noch das Verschwin¬
den des Geruches und Geschmackes unter dem
Einflüsse der Schleimhauthyperästhesie. Ob
es sich hier — im allgemein-neurologischen Sinne — um das
Unterdrücken der spezifischen Empfindung eines Organes durch
eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit handelt oder um einen
durch den Krisenreiz gesetzten Reflexvorgang, muss ich leider
dahingestellt sein lassen.
Für die erstere der beiden Möglichkeiten, also gewisser-
massen dafür, dass ineinerHaut-oderSchleimhaut-
fläche ein für sie spezifischer Reiz weniger
stark empfunden wird, wenn in ihr die Reiz¬
schwelle einer andere nEmpfindungsqualität,
deren spezifische Nervenenden sie ebenfalls
enthält, pathologisch herabgesetzt ist, könnte
die folgende umgekehrte Beobachtung sprechen, die Frau N.
seit einigen Tagen bietet.
Die Sensibilität am Rumpf und an den Extremitäten hat sich
gegen den oben wiedergegebenen Anfangsstatus in folgender Weise
geändert. Auf der linken Körperhälfte hat sich eine allgemeine Kälte¬
hyperästhesie entwickelt. Sie geht so weit, dass auch der früher
ganz unempfindliche rechte Unterschenkel wieder Kälte empfindet.
Selbst der linke Unterschenkel empfindet in schwachem Masse wieder
Kälte. Wird die Kranke mit einer 1 qcm grossen Fläche berührt 12 ),
so muss diese folgende Temperaturen haben, um eben merklich als
kalt empfunden zu werden:
auf ader^) ganzen rechten Körperhälfte oberhalb des Knies:
vom oberen Rande der rechten Patella an bis handbreit über
den Knöcheln: 25°,
weiter unterhalb: 0°,
am linken Vorderarm: 25°,
am linken Unterschenkel vom oberen Rande der Patella bis
handbreit über den Knöcheln: 18°,
weiter unten am linken Unterschenkel wird auch Eis nicht
perzipiert.
Es zeigt sich ferner, dass die Empfindungen für Berührung, Druck
und Schmerz an beiden Unterschenkeln noch ganz aufgehoben sind.
Am linken Vorderarm sind sie dagegen, gleich der Kälteempfindung,
nur stark herabgesetzt. Nun findet man aber, dass Drücken und
Schmerz, z. B. Kneifen in der Zone zwischen Pa¬
tella und unterem Dritteil beider Unterschenkel
doch empfunden werden, nämlich als Kälte, ohne
eine Spur Druck- oder Schme r zempfindung. Die
genauere Untersuchung ergibt, dass die Grundfläche des Eulen-
) Bumke und Tr ende 1 en bu r g: Zur Frage der Bach-
schen Pupillenzentren in der Medulla oblongata. Vortrag auf der
32. Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und Irren¬
ärzte in Baden-Baden 1907 u. a. O.
,J ) Die Untersuchung wurde nach dem von S. Alrutz jüngst
(S. Alrutz: Untersuchungen über die Temperatursinne; Zeitschr. f.
Psychol. u. Physiol. der Sinnesorgane, Bd. 47, S. 274) vorgeschla¬
genen Verfahren ausgeführt, indem die zu untersuchende Hautfläche
durch einen grossen Temperator auf eine weder Kälte- noch Wärme¬
gefühl verursachende Indifferenztemperatur von ca. 31° gebracht
und nun erst mit kühleren bezw. wärmeren kleinen Reiztemperatoren
berührt wurde.
M ) Das ist die für grössere Hautflächen normale Kälteschwelle.
Vgl. F. Kiesow: Untersuchungen über Temperaturempfmdungen,
W. W u n d t s Philosophische Studien, Bd. XI, 1895.
No. 37
bürg scjien Aesthesiometers, wenn sie ca. 31 0 warm ist, bei ein¬
facher Berührung keine Temperaturempfindung auslöst, auch nach
längerer Zeit nicht, dass aber bei langsamer Belastung des Instru¬
mentes von 120 g Druck an Kälteempfindung auftritt. In der gleichen
Gegend rechts muss man 270 g auflegen, um die Empfindung „kalt“
auszulösen.
Die gleichen Versuche am linken Vorderarm, der also die
gleiche Reizschwelle für Kälte hat, wie die oberen Zweidrittel des
rechten Unterschenkels, ausgeführt, ergeben, dass Drücken und
Kneifen stets adäqual als Druck und Schmerz empfunden werden, nie
als Temperaturreiz. Beiläufig sei auch erwähnt, dass an den Unter¬
schenkeln Stechen mit der Nadel, wenn sie langsam eingestossen
wird, so dass sie vor dem Eindringen in die Kutis eine Delle in diese
eindrückt, ebenfalls Kältegefühl erzeugt. Rasches Einstechen mit
recht spitzer Nadel verursacht weder Schmerz noch Temperatur¬
empfindung. Ebenso lässt die Kälteempfindung nach, wenn bei lang¬
samer Einführung die Nadel erst die oberste Kutisschicht durchbohrt
hat und nun gegen geringeren Widerstand arbeitet, also von dem
umgebenden Gewebe weniger mitzerrt. Es handelt sich eben nur um
einen mechanischen Nebenreiz, der mit dem gewöhnlichen Druck¬
reiz identisch ist, und nur der Druckreiz, nicht der Schmerzreiz ruft
die unadäquale Empfindung der Kälte bei Frau N. hervor.
Bei faradischer Reizung der Haut dieser
Unterschenkelbezirke tritt als Minimalempfin¬
dung ebenfalls Kälte auf, die auch bei progressiver Ver¬
stärkung des Stromes noch lange anhält, ehe sie der eigentlichen
faradokutanen Empfindung Platz macht; und zwar tritt die Empfindung
kalt rechts bei sehr viel schwächeren Strömen schon auf wie links
und hält entsprechend länger an. Am linken Vorderarm wird auch
faradischer Reiz sofort adäquat empfunden.
Bei Applikation von Wärmereizen in den oberen Zwei¬
dritteln der Unterschenkel zeigt sich die Erschei¬
nung der paradoxen Temperaturempfindung. Von
25 °—39° wird Berührung rechts gar nicht empfunden. Von 39° an
tritt Kältegefühl auf, das sich bei weiterer Erhöhung der Temperatur
immer mehr verstärkt. Selbst bei 100 0 stellt sich nur Kältegefühl ein,
aber kein Schmerz. Dieser tritt erst ein, als mit dem kochend¬
heissen Prüfungsröhrchen statt einfacher Berührung ein intensiver
Druck auf die Haut ausgeübt wird. Aehnlich spielt sich das Phänomen
am Unken Unterschenkel ab, nur mit viel höheren Reizschwellen.
Am rechten Vorderarm wird warm stets adäquat empfunden, nur
bei zu hoher Minimaltemperatur.
Wie ist zunächst das Wiedererscheinen der Kälteempfin¬
dung in den oberen Hautpartien der Unterschenkel zu erklären?
Wir wissen, dass auch bei scheinbar totaler Anästhesie eines
tabischen Nervenbezirkes fast immer noch ein gewisser Rest
empfindender Nervenelemente in dem Bezirke vorhanden ist,
deren Erregung bei genügender Uebung und Aufmerksamkeit
von den Kranken wahrgenommen werden kann. Daher der Er¬
folg der Uebungstherapie. Auch die kälteperzipierenden Ele¬
mente 14 ) an den Unterschenkeln von Frau N. waren nicht ganz
vernichtet. Ihre noch vorhandene Zahl genügt, um unter dem
Einflüsse eines krisenartigen Reizzustandes, der die Kälte-
bahner. der rechten Körperhälfte offenbar ergriffen hat,
in der versorgten Haut wieder eine Kälteempfindlichkeit von
den angegebenen Reizschwellen zu verursachen. Diese muss,
absolut genommen, sogar noch als Kältehypästhesie angesehen
werden. Das beweist auch die Tatsache, dass zwei punkt¬
förmige Kältereize an der Unterschenkelhaut beiderseits in
einem Abstande von über 15 cm noch als ein Reiz empfunden
werden. Das beweist ferner die bei der Tabes ja bekannte,
von Strümpell 15 ) zuerst beschriebene paradoxe Kälte¬
empfindung.
Diese ist ja bekanntlich innerhalb gewisser Grenzen eine
physiologische Erscheinung. Wir wissen 18 ), dass auch nor¬
malerweise die Kältepunkte der Haut auf Reize über 39—45°
wieder mit Kältegefühl reagieren, während sie bei etwas käl¬
teren Reizen nichts derartiges empfinden. Bei einem Reiz von
”) Bezüglich der Wärmeempfindung sei vorausgeschickt, dass
dieselbe an den Unterschenkeln physiologisch schon geringer ist wie
die Kälteperzeption. Siehe v. Leyden und Goldscheider:
Die Erkrankungen des Rückenmarks und der Medulla oblongata in
Nothnagels Spezieller Pathologie und Therapie, Bd. X, 1905, S. 367.
15 ) A. S t r ü m p e 11: Neuropathologische Mitteilungen. D. Archiv
f. klin. Med., XXVIII.
18 ) Vgl. F. Kiesow ibid., ferner M. v. Frey: Beiträge zur
Sinnesphysiologie der Haut (Sitzungsber. der sächs. Gesellsch. der
Wissenschaften 1895) und Goldscheider: Ges. Abhandlungen,
Bd. I. Bei flächenhafter Reizung mit hohen Temperaturen sprechen
in der normalen Haut aber Kälte- und Wärmepunkte gleichzeitig an
und verursachen die Hitzeempfindung. Vgl. S. Alrutz: Die Hitze¬
empfindung; Skand. Arch. f. Physiol., 10.
1 a
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1930
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
über 70° verwandelt sich das Kältegefühl in Schmerz. Auch 1
bei Frau N. reagiert die Haut des Bezirks von 39° an mit Kälte- ■
empfindung, da nur die Kältepunkte bei ihr für solche Reize
noch erregbar sind. So erklären auch Thunberg und
Alter 17 ) diese „perverse“ Kälteempfindung. Aber erst bei
100° 4- kräftigem Druck geht diese in Schmerz über was
also sicher gegen eine echte Kältehyperästhesie, im Sinne ab¬
solut zu niedriger Schwellenwerte, spricht.
Was nun den Kälte erzeugenden Einfluss des Drückens be¬
trifft, so ist folgendes zu bedenken. Wir wissen, dass die Tem¬
peraturpunkte der Haut ausser auf ihren adäquaten Reiz auch
auf mechanische und faradische Reize ansprechen. Bei Frau N.
befinden sich die Druck- und Schmerzpunkte der Unter¬
schenkelhaut nicht im Zustande der Reizung, sind also praktisch
unempfindlich. Die Folge ist, dass Druck und Elektrizität nur
die noch empfindlichen Temperaturpunkte reizen und die un¬
adäquate Empfindung der Kälte auslösen. Am linken Vorder¬
arm, wo die Kälteschw eile die gleiche ist. Druck und Schmerz¬
reiz aber ebenfalls noch empfunden werden, löst Druck kein
Kältegefühl, sondern adäquate Empfindung aus, desgleichen
faradischer Strom.
W i r m u s s e n also annehm e n, dass auch nor¬
malerweise zwar Druck auf eine H a u t f 1 ä c h e
neben der Hauptempfindung Druck eine Neben¬
empfindung v o ir K ä 11 e erzeugt, dass wir diese
aber nicht bemerken, weil sie von der Haupt-
empfindung verdeckt wird. Sie tritt zutage,
wenn die nervösen Organe der II a u p t emp¬
findung aus irgend einem (iru nde anästhe¬
tisch geworden sind, wie an den Unterschenkeln von
Frau N.
Ja, es fragt sich noch, ob wir fiir die Kältehyperästhesie
der Haut oberhalb des rechten Knies von Frau N. nicht teilweise
eine ähnliche Erklärung anzunehmen haben. Wie unsere Fuss-
note zu der oben notierten Kälteschwelle dieser Hegend lehrt,
ist diese nicht höher wie an der normalen Haut. Nur ist noch
heute wie im Anfangsstatus die Druckempfindung der ganzen
Rumpf- und Extremitätenhaut herabgesetzt. Frau N. w äre hier
also zum Teil deshalb so empfindlich gegeir Kälte, weil die
Kälteempfindung hier relativ, nicht absolut zu stark ist, weil das
zwischen den verschiedenen Empfindungsqualitäten einer Haut¬
fläche physiologischerweise bestehende (Ileidigew iebt in den
Graden ihrer Erregbarkeit einseitig zu (iimsten der Kälte¬
empfindung verschoben ist '*). L e w a n d o w s k i "') be¬
schreibt gleichzeitiges Auftreten von Kältehyperästhesie und
Wärmehypästhesie bei einem Fall von (irosshirnerkrankung.
Er macht die Annahme, dass die Erregung des „Kältezentrunis“
in der Rinde eine Hemmung der Erregbarkeit des „Wärme¬
zentrums“ zur Folge hat.
Das alles ist aber eine wesentliche Stütze fiir unsere oben
an erster Stelle erörterte Erklärungsmöglichkeit für das Ver¬
schwinden des Geruchs und des Geschmacks unter dem Ein¬
flüsse der Krisenhyperästhesie der Nasen- und Racheuschleim¬
haut. Diese würde danach, kurz gesagt, als patho¬
logische Verdeckung einer E m p f i n d u n g s -
qualität durch eine andere anzusehen sein. Un¬
beantwortet bleibt dabei nur die Frage, warum der in dem
hinteren, besonders schmerzempfindlichen Teile der Zunge
lokalisierte Geschmack bitter nicht gestört war. Ob vielleicht
in der Gcschmacksqualität bitter, ähnlich wie in dem intakten
NHa-Geruch, die reizende Wirkung zu stark ausgeprägt ist?
Nach der herrschenden Auffassung sind zwar besonders die
Qualitäten sauer und salzig von Tastempfindungen begleitet.
'■) Th. Th unh erg: Physiologie der Druck-, Temperatur- und
Selinierzempfindungen, in Nagels Handle d. Pliysiol., Bd. III. S. (>7 ü,
und: Alter: Perverse Teniperatiirempiindungen, Neurol. Zentralbl.,
XXII.
,K ) Ich erinnere hier auch an die Beobachtung, dass pliysio-
logischcrweise kalte Gewichte schwerer wie warme Gewichte er¬
scheinen. Siehe Th. Ziehen: Leitiaden der physiologischen Psycho¬
logie, VII. Aufl., S. () 2 . Dass innerhalb einer Simiesqualitüt die Modali-
tiiten sich gegenseitig unterdrücken, lehrt die alltägliche briahrung.
"’) M. Le w a n d o w s k i: Lieber sensible Rei/erscheinungen
bei Grosshirnerkrankung, insbesondere über Kälteantälle. D. med.
Wochenscllr. 1907, No. 21.
Kehren wir zur Au g e n k r i s c zur ii c k. so
zeigt der Fall N., dass d i e s e I 1) e als Sy m p t o m
der Tab e s best e h t. Wie die Bemerkung Mete r-
m a n n s zeigt, kamt sie gelegentlich als erstes Symptom
des Leidens auttreten. Unser Fall lehrt, dass die Aftek-
tioti einen sehr bedrohlichen Anblick darbieten kann. Dass
auch hier unter UmstärJeu verhängnisvolle diagnostische
Irrtiimer begangen werden konnten, ist klar. Zur Differenti il-
diagnose wird man ausser auf allgemeine talpsche Symptome
vielleicht auch auf die beschriebene Form der Hyperästhesie
im Trigeminusgebiet fahnden können. Die Prognose des ein¬
zelnen Anfalls ist natürlich günstig, andererseits aber d»e
W iederkehr der Attacken sehr w ahrscheinlich.
N a c h t r a g w ä h r e n d der K o r r e k t u r.
l’usere Voraussage, dass die Augenkrisen sich w ader¬
holen würdet:, hat sich bewahrheitet. Inzwischen fand vom
-1. 25. Juli ein neuer Anfall statt. Wieder begann, d.e Attacke
auf dem rechten Auge, griff aber schon raJi einem Jage auf
das linke Auge über. Wieder traten Miosis. 11\pcraMbcs,e im
J rigetmimsgebiet und Verlust von Geruch und He'*:hmack
auf der betroffenen Seite aut. Nur war dieses Mal auJi das
ganze Gebiet des dritten Qumtusastes in die Hyperästhesie
miteirihezogen.
Bemerkeiisw erter ist aber die A e n d e r ti n g, die in¬
zwischen mit der S e n s i b i I i t ä t s s t o r u ii g a n d e n
Beinen vor s i c h g e g a u g e n i s t.
Nur im rechten Bern mit starkes Kneifen noch KaltecmpfmJune
hervor, gewöhnliches Drücken überhaupt keine >ensation im hr. Mit
der A I r u t / sehen Methode lasst suh w iejyr leststeilen. dass Tem¬
peraturen über 59" noeh immer KaIteempimdung. aber lucht mehr
so stark, wie trulier, heivorrulen. keine >pur Warme- oder llit/e-
geiuhl. Temperaturen mhi .*o dü" erzeugen wieder gar keine Sen¬
sation. Neu ist dagegen, dass in einem ca. 15 ein breiten
< i n r t e I u m d i e M i t te d e s r ec h t e n l n t er sc h e n k e 1 s
herum alle I e in p e r a t u r e n u n t e r >" W arme c m p : in -
düng Ii e r v o r r u i e n. Selbst bis fühlt sich hier w a r m
an. Oberhalb und unterhalb dieser /• >1 1 c werden KaUerei/e stets
richtig als ka ! t empfunden. Am linken l'nterschenke! sind mit keiner
Temperatur Kalte- oder W ai meempfmduiigeii mehr aus/utoseii. Auf
der rechten Körper hallte oberhalb des Knies sind die Rei/schw eben
Tiir die Kälteempfindung etwas hoher, die tur die Warme- und die
Druckempfmdung deutlich niedriger geworden. Im rechten Kuss
lassen sieh let/t >puren von Bew egimgsemptiinlm’gen nachw eisen, im
elektrischen Bade fühlt die Kranke im Gegensatz zu früher ietzt deut¬
lich den Storni,
Fiir diese auffallende Erscheinung einer paradoxen Würme-
tmpfiiiduug ist eine allgemcin-plivsinlngische Erklärung aliuhch
der oben fiir die paradoxe Kälteempfindung gegebenen mehl
ohne weiteres möglich, da die W armepunkte eine paradoxe
Erregbarkeit nicht besitzen. Ausserdem sind die W arme¬
punkte bei der Erscheinung auch wohl unbeteiligt, da die ihnen
am meisten adäquaten Reizteiuperatureu von 3<»" 3‘>" aui der
wieder auf ca. 31" temperierten Hauifläche überhaupt keine
J'emperatiiremptindiing auslösen. Es kann sich also nur um
die Kältcneivcr handeln, die hier auf Temperaturen unter 3o"
mit W firniegefuhl. auf Temperaturen uber 39" mit Kältegefühl
reagieren. Eine Erklärung ist vvulil nur möglich, wenn wir
mit S c h I e s i n g e r und H e s s d ö r f i e r ") anuehmen. dass
die I c m p e r a t u r h a h n e n i m Z e n t r a I o r g a t. u n t e r -
e i n a n d e r a n a s l o m usiert n. so dass v o u e i nc r
K ä 1 t e b a h n a ii s eventuell das u a t ii r 1 i c h
h y p o t h e t i s c h e W ä r m e z e n t r u m erregt w c r -
d e n k a n n.
F e r n e r m ii s s t e a b er di e a u i I e m p e r a I ii r e n
ii 1' e r 3l i" e r i o 1 g e n d e I: r r e g ii n g d e r K a 1 t e p unkt e
d e r Ha u t a u f au d e r e n I i ahn e n z u m Zentral-
o r g a n i o r t g e I e i t e t w e r d e n. di e eine i r g e n d w i e
a n d e r s g e a r t e t e vielleicht sc h vv e r e r g a n g -
b a r e V erbi n d u u g m i t de m „W ä r m e z e n t r u m“
haben. Wir wir schon bemerkten, dienen die paradoxen
Kälteemptindiitigeu physiologischerweise zur Konstitution der
Mit/eempfiudiing. Nun ist nach Alrutz*' 1 ) die Ilitzeempfin-
*') V. 11 c ssil ii r i i er: Zur Pathologie und I%v‘M<ö-g;y r spi¬
nalen J cmperaturcmpiiinhmg ID. Archiv f. k'm. Mol.. 'B. |v,| i ,,,,d
Schlesinger: Beitrüge zur Klinik der Idickujm.trks- und Wirbet-
lumorui (Jena 1S9M.
-4 1. c.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1931
düng rieht einfach eine Summation aus Kälte- und Wärme¬
empfindung, sondern eine aus dieser Summation hervor¬
gegangene neue echte Sinnesqualität. Wir müssten ihr dann
aber auch ebenso wie der Wärme- und Kälteempfindung ein
eigenes Zentrum — w r omit natürlich wiederum nicht gesagt sein
soll, dass diese Zentren auch topographische Einheiten sein
müssen — zubilligen. Dieses Zentrum wäre dann zwischen die
Wärmebahnen und die Bahnen der paradoxen Kälteempfindung
eingeschaltet und würde den Uebergang von Erregungen aus
den — sit venia verbo — paradoxen Kältebahnen auf das
Wärmezentrum versperren. Dass die Erregbarkeit hyper¬
ästhetischer Kältepunkte sich für die hohen Temperaturreize
der paradoxen Empfindung öfters anders verhält wie die für
die niedrigen Temperaturen, zeigt auch die interessante Be¬
obachtung Schwenkenbechersin No.28 dieser Wochen¬
schrift.
Nicht unwichtig .scheint mir auch, dass die Kältehyper¬
ästhesie der rechten Körperhälfte bei Frau N. im allgemeinen
zurückgegangen ist in dem gleichen Masse, wie sich die übrigen
Sinnesqualitäten gebessert haben. Dass die Reizschwelle für
die Erregung der Kältepunkte Jetzt 30° gegenüber früher 25°
beträgt, beweist nicht, dass die einzelnen Punkte hyper¬
ästhetischer, sondern dass sie zahlreicher geworden sind. Im
Lichte des oben auseinandergesetzten allgemeinen Prinzipes
der gegenseitigen Verdeckung verschiedener Sinnesqualitäten,
Hesse sich daher die jetzige paradoxe Wärme¬
empfindung als eine der vorherigen Unter¬
drückung folgende reaktive Hyperästhesie
oder im Sinne Lewandowskis”) als eine auf
die vorherige pathologische Hemmung des
Wärmezentrums folgende reaktive erhöhte
Erregbarkeit deuten. Ungelöst bleibt natürlich die
Frage, warum gerade die Kältenerven so oft derartige iso¬
lierte Reizzustände erfahren und warum die paradoxe Wärme¬
empfindung nicht in dem ganzen Gebiete auftritt, wo wir früher
das abnorme Verhalten der Kälteempfindung fanden.
Aus der orthopädischen Klinik des verstorbenen Herrn
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hoffa.
Zwei Fälle von Luxation im Metatarsophalangealgelenk.
Doppelseitiger Abriss der Streckaponeurose am Mittel¬
finger.
Von Dr. F r i t z W e t jt e, Spezialarzt für orthopädische Chirur¬
gie in Köln a/Rh. (früher Assistenzarzt der Hof faschen Klinik).
Luxationen im Metatarsophalangealgelenk sind ausser¬
ordentlich seltene Verletzungen, weil sie nur bei sehr starken
Gewalteinwirkungen unter bestimmten Verhältnissen auftreten
können. Am häufigsten kommt die dorsale Luxation des Hallux
vor. Sie entsteht durch extreme Dorsalflexion. Dabei wird
das Köpfchen des Metatarsus nach unten gedrängt, die Gelenk¬
kapsel wird zersprengt und das Köpfchen tritt aus dem Gelenk
heraus, während die Phalanx auf den Rücken des Metatarsus
hinaufrutscht. Gewöhnlich entsteht sie durch Sprung oder Fall
auf die Füsse mit Vornliberfallen des Körpers. In ähnlicher
Weise müssen wir uns die viel selteneren dorsalen Luxa¬
tionen der übrigen Zehen entstanden denken. Schwerer ver¬
ständlich ist die Enfstehungsursache der plantaren Luxationen.
Der Mechanismus derselben muss natürlich der umgekehrte
sein und kann nur so zustande kommen, dass die Zehen irgend¬
wie fixiert sind und der Fuss mit Gewalt, in umgekehrter Rich¬
tung wie bei der dorsalen Luxation, also plantarwärts, über die
fixierten Zehen hinübergehebelt wird. Ich verfüge über je
einen Fall von plantarer und dorsaler Luxation der 3 mittleren
Zehen im Metatarsophalangealgelenk, deren Krankengeschichte
ich im folgenden kurz mitteilen will.
Im ersten Fall handelte es sich um einen 29 jährigen Monteur,
Arthur R., der am 18. August 10 m hoch von einer Leiter abgestürzt
war. Nach seiner Angabe kam er zunächst mit den Zehen auf die
Erde, sank dann in die Knie ein, so dass das Qesäss die Fersen
berührte und schoss aus dieser Stellung vornüber auf den Kopi.
Ausser einer starken Fleischwunde über dem rechten Auge und einer
Schädelbasisfraktur zog er sich eine Verletzung des rechten Fusses
”) 1. c.
zu. Der Fuss schwoll sofort stark an; der Mann konnte nicht mehr
auftreten. Er bekam zunächst einen Schienenverband, dann Stärke-
verband für 4 Wochen. Dann wurde er nach Berlin geschickt. Auch
hier wurde der Fall zunächst nicht erkannt. Der Mann bekam einen
Gipsverband in starker Klumpfussstellung für 4 Wochen und wurde
hinterher mit Massage und Bädern behandelt. Am 12. XI. 06 kam er
in unsere Klinik. Er klagte damals noch über starke Schmerzen im
rechten Fuss, er konnte den Fuss nicht aufstellen und nur auf dem
Hacken laufen. Auch meinte er, die bereits vor dem Unfall be¬
standene Plattfussstellung sei schlimmer geworden. Der objektive
Befund war folgender: Der rechte Fuss steht in starker Plattfuss¬
stellung. Taluskopf und Os navicularc prominieren stark an der
Innenseite. In der Mitte der Fussohle in der Gegend des Metatarso-
phalangealgelenkes fühlt man eine kugelige Prominenz. Die Köpfchen
der 3 mittleren Metatarsen lassen sich leicht abtasten. Die zuge¬
hörigen Zehen stehen im Grundgelenk in Dorsal-, im Mittelgelenk in
Plantarflexion. Die Bewegungen im Fussgelenk sind unbehindert.
Die grosse Zehe ist frei beweglich. Die übrigen Zehen sind aktiv
unbeweglich. Wenn Pat. steht, so ruht die grosse Zehe und der
innere Fussrand auf dem Boden auf, die übrigen Zehen ragen in die
Luft. Beim Gehen wird der rechte Fuss nur mit der Ferse aufge¬
setzt. Das Röntgenhild zeigt die Knochenverhältnisse mit voller
Deutlichkeit (siehe Zeichnung). Der linke Fuss steht in geringerer
Plattfussstellung. Rechts besteht ein Leistenbruch.
13. XI. 06 Operation (Dr. Wette).
1. Operation der rechtsseitigen Leistenhernie nach Bassini.
2. Nachdem erfolglos versucht war die unblutige Reposition vor¬
zunehmen, wurden durch 2 Längsschnitte von der Fussohle aus die
luxierten Metatarsusköpfchen freigelegt. Es wurde dann nochmals
versucht durch Zug und Druck die Zehen zu reponieren, aber ohne
Erfolg. Die Köpfchen der 3 mittleren Metatarsi wurden darum rese¬
ziert; die Wunde wurde vernäht und ein Gipsverband angelegt in
supinierter Stellung des Fusses unter starker Herabdrängung der
Zehen. Primäre Wundheilung. Der Mann bekam eine Zelluloidplatt-
fusseinlage, wurde noch einige Wochen massiert und mit mediko-
mechanischen Uebungen behandelt, und wurde dann am 10. I. 07 mit
2G Proz. Erwerbsbeschränkung entlassen. Bei der Entlassung standen
zwar die Zehen noch in leichter Dorsalflexion und berührten den
Boden nicht; der Mann konnte mit seiner Einlage aber wieder tadellos
auftreten und mehrere Stunden ohne Ermüdung gehen.
Ein Pendant zu diesem ibiklet ein anderer Fall von plan¬
tarer Luxation der 3 mittleren Zehen, den ich unter den Kran¬
kengeschichten der Klinik fand.
Es handelte sich um einen 19 jährigen jungen Mann, Ernst B., der
als Einjährigfreiwilliger in Würzburg diente. Beim Reiten stürzte
er mit dem Pferde und kam mit dem rechten Fuss unter dasselbe zu
liegen, so dass der Vorderfuss durch den Sporenriemen stark über¬
streckt wurde. Die Zehen staken im Sande, während die Sporen in
die Satteldecke gestossen waren. Es entstand sofort eine starke
Schwellung des Fusses. Zuerst wurde ein Schienenverband angelegt
und kühle Umschläge gemacht. Bei der Aufnahme in die Klinik zeigte
der rechte Fuss ein starkes Hämatom und Schwellung von den Knö¬
cheln bis zu den Zehen. Die Knochenverhältnisse waren deshalb nicht
genau abzutasten. Von den Röntgenbildern ist leider nur mehr das
nach vollzogener Reposition aufgenommene vorhanden. Dagegen 'ist
das erste Röntgenbild in der Krankengeschichte genau beschrieben:
„Die Köpfchen der 3 mittleren Metatarsi,‘besonders deutlich das des
II. sind aus ihren Geweben heraus nach oben (dorsalwärts) luxiert,
während die Grundphalangen der zugehörigen Zehen plantarwärts
verschoben sind. Die Ränder der Articulatio tarsometatarsea sind
rauh, wahischeinhch infolge Abreissens der Bänder und Kapsel¬
ansätze. Der Schatten des Os cuneiforme III. ist unregelmässig und
verschwommen. Es scheint ein Kompressionsbruch desselben vorzu¬
liegen.“ Das nach vollzogener Operation aufgenommene Röntgenbild
zeigt normale Gelenkverhältnisse im Metatarsophalangealgelenk und
einen geheilten Bruch des Os cuneiforme III.
Wie schon erwähnt, wurde die Luxation in Narkose durch
Händedruck und -zug am Vorderfuss reponiert. Die Reposition ge¬
lang ziemlich leicht und wurde fixiert mittels eines Heftpflaster¬
verbandes mit Heftpilasterpelottc unter leichter Plantarflexion der
Zehen. Nach Abnahme des Verbandes zeigt Pat. Neigung, in Supir
3*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
ml
MtJENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37 .
tion des Fusses aufzutreten. Es wird deshalb ein Oipsvcrhand in
Valgusstellung des Fusses angelegt. Nach 8 Tagen wieder Massage
und Bewegungsübungen. Bei der Entlassung bestand noch eine
Schwäche des rechten Fusses und Unterschenkels und eine leichte
Behinderung der Abwicklung des Fusses.
In No. 14 dieser Wochenschritt, Jahrgang 1906, berichtet
Selbe rg über 6 eigene und 11 aus der Literatur gesammelte
Fälle von Abriss der Streekaponeurose der Finger. Ich möchte
dazu einen neuen Fall kurz rnitteilen, der dadurch merkwürdig
ist, dass der Abriss der Aponeurose gleichzeitig an beiden
Mittelfingern bestand.
Es handelt sich um ein 16 jähriges Mädchen M. B.. die im Iah re
1905 beim Herunterziehen des Strumpfbandes mit dem rechten Mittel¬
finger zwischen Strumpf und Strumpfband hängen blieb. Dabei ver¬
spürte sie einen „Knax“. (11cich hinterher stand das EirJgclcnk in
Beugestellung und konnte aktiv nicht mehr gestreckt werden.
Schmerzen hat das Mädchen dabei nicht gespürt, auch weiterhin der
Sache keine Bedeutung beigeiegt, da sie in der (icbraucliMah.gkeit
der Hand dadurch nicht behindert war. 2 Jahre spater verwickelt
sich der linke Mittelfinger beim Stnmipiaiisziehcn in den Strumpf.
Das Mädchen spürte wieder einen „Knax” ohne besonderes Schiffe iz-
gefiihl. Als sie den Finger herauszog, stand auch hier das Endgeluik
in Beugestellung und konnte aktiv nicht mehr gestreckt werden.
Streckte man das Endglied passiv, so federte es w ieder in die Beuge-
Stellung zurück. Auch an der linken Hand fiihlte das Mädchen sich
dadurch nicht behindert. Das Mädchen bietet einen stark rachitischen
Typus dar, hat rhaclntische X-Beine und, was vielleicht besonders be¬
merkenswert ist, am rechten Knie bestellt eine hubitueae Patellar-
luxation, die durch einen Eall aufs Knie entstanden ist. Aus der An¬
amnese ist zu erwähnen, dass eine 18 jährige Schwester der Patien¬
tin ebenfalls an habitueller Patellailuxatiou leidet und dass, nach
Angabe des Vaters, die Mutter, welche wegen Lungenschwindsucht
lange bettlägerig war, bei den geringsten Bewegungen, beim Auf¬
richtern Umdrehen im Bett etc. sieh sehr häufig die Kniescheiben
verrenkte. Von beiden Fingern wurden Röntgenbilder augefertigt,
die aber normale Knochenverhältnisse ergaben. Eine Knoehen-
absprengung lag bestimmt nicht vor. Von einer Therapie wurde
natürlich bei der Geringfügigkeit der Verletzung abgesehen.
Aus der Privatklinik für Nervenkranke „Hohe Mark“ bei
Frankfurt a. M.
Zur Therapie des Heufiebers.
Von Hofrat Dr. A. A. Friedländer.
Der nachstehende Fall bietet nach manchen Richtungen hin
Interesse, weshalb ich ihn zur Darstellung bringe.
Die an Heuschnupfen Leidenden haben derartig zu leiden,
gieilen in ihrer Not häufig zu so verkehrten Mitteln, die ihnen von
Kurpfuschern und durch Annoncen angepriesen werden, dass es auch
schon aus diesem Grunde angebracht erscheint, den Verlauf dicker
Erkrankung bei einem Patienten zu skizzieren, den ich aus anderen
Gründen bereits über Ws Jahr in Behandlung habe und wobei ich
zwei schwere Heufieberperioden beobachten konnte. Auf die Krank¬
heit, wegen derer der Patient in meine Behandlung trat, gehe ich an
dieser Stelle nicht ein. Der jetzt 27 jährige Patient stammt von einem
Vater ab, der angeblich an Tuberkulose litt; derselbe hatte so
empfindliche Schleimhäute, dass er fast nach jeder Eisenbahnfahrt
mehr oder minder starke Bronchialreizungen zeigte; die Mutter ist
sehr nervös, leidet an ziemlich schweren Bronchitiden und gleich¬
falls im allgemeinen an sehr empfindlichen Schleimhäuten. Der
Patient seihst ist hochgradig nervös, er hat gesunde Lungen. Die
Tuberkulinprobe fiel negativ aus. Seit dem 11. Jahr leidet Patient
an Heufieber, dasselbe trat jeweils in verschiedener Stärke auf. Es
zeigte die bekannten Erscheinungen von mehr oder minder starker
Konjunktivitis, Schnupfen, Asthma und daran sich anschliessendem,
oftmals mehrere Monate dauernden» Husten mit Auswurf. Ende
Mai 1907 begann wieder der Heuschnupfen. Bei einem Ausflug trat
der erste Anfall ein, im Laufe des Monats Juni entwickelte sich die
Krankheit zu ihrer vollen Höhe, die Konjunktivitis wurde, nachdem
Patient in den früheren Jahren eine grosse Zahl der angepricscncn
Mittel versucht hatte, durch Rhinokulin günstig beeinflusst. Das
Asthma trat iu ziemlicher Schwere auf und führte zuweilen zu hoch¬
gradiger Dyspnoe. Hypnotische Behandlung, die, da der
Patient sich selbst grosse Mühe gab den Suggestionen zu folgen,
stets nach wenigen Minuten zum Einschlafen führte, brachte eine
wesentliche Besserung der Beschwerden herbei, besonders
gelang es in der Hypnose ein ruhiges u ml 1 1 c f e s
Atmen zu erzielen, so dass die Asthmaantälle während des
Schlafes sowohl bei Tag, wie in den Nächten mit viel ge¬
ringerer Heftigkeit, zuweilen auch gar nicht auftraten. Die
ganze Erkrankung wurde auf diese Weise wesentlich abge¬
kürzt und dauerte nur 3 Wochen. Patient zeigte während
dieser Zeit sogar eine geringe Gewichtszunahme. Am seihen Tag
des Jahres 19U8, wie im Vorjahr, traten die ersten Zeichen des Heu¬
fiebers wieder ein. Patient leidet an starkem Tränen der Augen.
4 Tage später tritt ein überaus schwerer Ai.ial! von Heuasthma ein.
der mehrere Stunden dauerte, zu Ersticke gsa"fa!leii führte und
erst, nachdem der Kranke mehrere Asthmaz.garctteii geraucht hat.
etwas geringer wird. Die Koiiuiukt:\it:s und der Rachen ze gen
sich sehr stark getötet; Pat.ent bleibt die ganzen läge im ver¬
schlossenen und verdunkelten Zimmer. Die Whma.um lle treten nun
meist nachts in z,emicher >chwerc auf, s JC - sind besonders schwer
vor Gew ittei n. leichter, wenn das < icw ittcf Vorüber und eine \b-
kulilung der Tempi*i atur eingetreten ist. Pat ent sieht sehr angegrnu n
aus; zwischen den em/e.neii \>lhmaar..ta.;en besteht hocligr a mgc
Dyspnoe, aut mehrere Meter l.ntte: nur.g \ <»n dem Patienten hört
man das Pfeifen der Eiligen; die Besciiw cr-den werden zeitweilig s<»
stark, dass zweimal Imektioiieti \<>u ",ol Morphium notig werden,
um dem Patienten Linderung zu \etsvhai%cn. D.e E mümung v« n
reinem Snucrstoti, die Darreichung \mi >nhp\ rm, heisse Daher
lehren zu keiner wesentlichen Besser img. Da d.e At.ra.e s.Ji So
i.iscli zu ihrer sollen I lohe entw .ekelt haben, ist es umnogl.Ji. w .e
m.i \ i-M.ilir. die Ihpumse zur Anwendung zu himgen, indem der
Patient untalng ist, ein.ge M nuten iiiing zu lagen und den
Suggestionen des Arztes I .hge zu le steil. Lh entsci .esse n..ch mm.
eine Versuch mit dem M.ttel hupneuma 1 ) tPr. Ritsert) zu machen.
Die Wiikuug wai eine auiia.a nde; last momentan cmptai.d der
Patient eine Linderung der as:;,mat>chen Beschwerden, er \er-
iiiochte Billiger zu atmen, es kam zu krall,gen Husteiisto-c t p und
I'.ntleet i/ng der Bionch.e:’. Lh sb, l.te dem Patienten mm f«- genden
Kutp.au aut: die,mal täglich iie's ich eine Irma atuu» mit t eiiol ; l
\o: nehme:;; soss ie er tfps te* dass das Astmi a starker a..ttetcn
s\o. ;e. gebtauclile er t.r.e Z.; s;. t ,i: :,g von l.i;p::eii:r;a. Aesse*dem
seioiduete ich ihm he.sse Bi ast, ac klingen; gegen d.e kn.m.K-
tisit.s s ei suchte er ohne Erlog (irammol. 1 »age gen brachte ihm
Rliiuokulm geiade ss ie im \oiiahr l.indci ung der Beschss erc.en in
der Nase. Zusammeulassend.
Es handelt sich also um einen jungen Mann, der seit In Jahren
an llentieber mit allen Semen >\uipioitien leidet. Patient hat Von
Seinen Eltern her empfindliche >ch,eimhaiite. Interessant ist,
dass die 11 y p n o s e. z u einer Zeit a n g e s\ e n d e t. d a
die asthmatischen E r s c h e i n u n gen n o c h nicht
zu schwere geworden s i n d. eine deutliche Lin¬
derung und eine Abkürzung der Krankheit zur
Eolge hatte. Der Vergleich zwischen den beiden An¬
fällen, die ich beobachten konnte, besseist, dass der zsscite Amail un
Jahre 19i»S viel schsserer ssar u s der im Jahre bei dem die
hypnotische Behandlung zur Anss eiuiuiig kam. Aeussere l mstande
sind hierbei so gut ss ie nicht in Betracht zu ziehen, denn d.e Iw.den
Sommer vcrheien in unserer Gegend zieml ch g'eictunassig. auch
haben sich die Termine der (irasblute und Heuernte mdit geändert.
Wählend eine ganze Reihe von Mitteln, d.e heuer zur Anssendung
kamen das Heuasthma mellt beeinflussten, zeigte sich eine sehr gün¬
stige Beeinflussung durch das E.upüeuma; gieichta.ls zmrieden war ich
mit dem Erfolg des Rliiuokulm. Da aber gerade das Heuasthma jenes
Symptom ist, ssclches die Kranken am meisten quält und am niesten
henmterbrmgt. auch ihre Einigen Inr sekundäre InteV. "Men geneigt
macht, so w ollte ich auf dieses M.ttel einerseits mit J|e Möglichkeit
durch Hypnose, die, zur rechten Zeit zur Anwendung gebracht, sehr
günstige Eriolge zeitigt, emzuss irken. andere: sc :s limw eisen. Be¬
züglich der H\ puose mochte ich noch bemeiken. c’.isn. wie dies audi
schon wiederholt von anderen Autoren lind nur an anderen Urten
betont wurde, die M\pimse m elcr Wese zur Anw endung gebracht
weiden muss, dass sie am eine Markung des W.llens des Pat enten
Beelacht nimmt; dass a.s<| ii.e llepu-sc n.dit in elcr Wese e:n-
gelcitet werden e! a: f. dass der Patient autge !"',!e: t w.:d. sich \o l.g
dem Willen des Mv piiotsiere inlen zu ulnte wer len. sondern, eiass ihm
im Gegenteil gezeigt wnl. wie er es zu niadien b.at. um du: di An¬
strengung seiner W illeusk i alt. durch Ko-ii/entrat. 4f m den Scb'af-
zustaud zu \ erfalieft. Diese W il.eüH- oder Koii/eutratious ibungeii
setzen den Patienten m die Lage, gew sser kraukln.tter Zustande
Herr zu w erden, «Meile unseren bei mimten Huieiand: „Von der
Macht des (iemutes usw .”) Ich nmdüe n«*ch benic'kcri. dass ich
bei wiederholter Anwesenheit :n He'go'mul bei Kranken, de sch
dort auiliielteil, zum Teil dieselben Belast, gungen dutdi den Heu-
seb,impfen, durch die Aiigeiienlzundungt n, d.e sie mitgebraclit hatten»,
beobachtete, wie bei Kranken, die sich im Mitie'gehi: ge aufhalten.
Mein Patient gibt an. dass er. wenn er z. Z. der Heuernte m Berlin
1 ) Eupueuma ist von Dr. E. R i t s e r t. Frankfurt a. M.. im Jahre
1P07 empfohlen worden. Es enthalt An isthesm. Atropin. Mraniomum,
Salpeter und Belladonna. Von Atropin kommen nur lebe eines Milli¬
gramm durch den Zerstaubuugsapparat in Vuweidung. die Wirksam¬
keit erhöht sich durch die ausgedehnte t achetiw .rkr.rg. wie dies der
Mitei fiiuler. Dr. Avellis in sc.rer Vrlw.t aave .:,rt hat. I bis
Mittel ist bei Dr. Ritsert. 1 rauknirt a. M.. W'wkg.isw 32 zu haben.
(Preis M. 4.5 h für das Mittel und fnr den Zerstäuber M. 5 .'hi. )
*) Fluinol ist ein konzentriertes Komm wi rmapamit, das zu Ba¬
dern zugesetzt wird. Ich habe als erster dt u \ e'siwh gemacht, mit
Eltiinol während der Heufiebererkrankung' inhalieren zu lassen. L ie
Wirkung war recht befriedigend.
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1933
war, nicht so schwere Erscheinungen bekam, als auf dem Lande.
Ich glaube aber, die Gefahr, die der Heufieberkranke in Städten be¬
züglich der sekundären Infektionen läuft, darf nicht unberücksichtigt
bleiben.
Beiträge zum chirurgischen Instrumentarium.
Von Dr. Alwin Ach, II. Assistent der chirurgischen Klinik
München.
I. Mitteilung.
Gastrotrib.
Die Magenquetschzange (Gastrotrib) setzt sich aus 2 vier¬
kantigen, langen, glatten Stahlstäben zusammen, die an ihrer Be¬
rührungsfläche durch viele sich kreuzende Furchen aufgerauht sind.
Der untere Stahlstab oder Hebel trägt an seinem vorderen Ende den
männlichen Teil des Schlosses — einen schmalen, stark nach oben
Fig. 2.
und hinten umgebogenen Bügel, der zwischen die 2 Branchen des
oberen Hebels — weiblicher Schlossteil — eingreift und sich mit
seinem am Ende des Bügels befindlichen knopfartigen Vorsprunge in
einer entsprechenden Vertiefung des oberen Hebels festhakt. Der
Bügel nimmt nach dem knopfartigen Ende an Stärke in querer Rich¬
tung zu, so dass er sich zugleich beim Schliessen der Zange zwischen
die Branchen einklemmt, wodurch seitliche Bewegungen der Hebel
bei Annäherung derselben bis zur Berührung unmöglich sind und so
die Berührungsflächen sich vollständig miteinander decken. Bild 2
zeigt das Schloss in natürlicher Grösse. Am hinteren Ende der
beiden Hebel befindet sich ein weiteres Schloss, ein sogen. Sperr¬
verschluss. Dieser besteht aus 2 mit dem oberen Hebel durch eine
Schraube in gelenkiger Verbindung stehenden, an ihrem unteren Ende
durch einen queren Metallstab federnd fixierte Branchen, von denen
die eine auf ihrer Innenseite eine Zahnleiste aufweist. Dieselbe ent¬
spricht in ihrer Lage einem am hinteren, beiderseits sich verjüngen¬
den Ende des unteren Hebels seitlich vorspringenden Zahne, der bei
Schluss der Zange durch Aufdrücken des Sperrverschlusses von hinten
nach vorne in die Zahnleiste eingreift und bei vollständigem Schlüsse
der Zange bis zur Berührung an der federnden Zahnleiste hochspringt,
und durch seine Verhakung ein Sichöffnen der Zange verhindert. Der
auf Bild 1 abgebildete Exzenterhebel kann von hinten über den Sperr¬
verschluss auf die Zange geschoben werden, wodurch es ermöglicht
ist, durch leichten Druck auf den Exzenterhebel (cf. Bild III) die
beiden Hebel der Zange völlig zu schliessen und dazwischenliegendes
Gewebe durchzuquetschen. Das Instrument dient vor allem zur
Durchquetschung des Magens bei der Resektion des Magens ev. des
Darmes.
Anwendung: Nach Durchtrennung des Omentum
minus und des Ligamentum gastrocolicum und Unterbindung
der grossen Qefässe an der grossen und kleinen Kurvatur wird
der untere Hebel durch die Oeffnung des Ligamentum gastro¬
colicum hinter dem Magen nach oben und zur Oeffnung des
Omentum minus herausgeführt; der Magen liegt also auf dem
Hebel, der in die gewünschte Richtung (Resektionslinie) am
Fig. 4.
Magen gebracht wird. Hierauf wird der andere Hebel fast
senkrecht zum unteren derart aufgesetzt, dass der bogen¬
förmige Bügel des männlichen Hebels zwischen die Branchen
des weiblichen zu liegen kommt. Unter gleichzeitigem Drucke
nach vorn in der Längsrichtung des weiblichen Hebels verhakt
sich das Schloss und letzterer wird an seinem hinteren Ende
gesenkt und soweit dem männlichen Hebel genähert, dass der
hintere Sperrverschluss eben geschlossen werden kann. Hie¬
bei stehen die beiden Hebel noch so weit im Winkel aus¬
einander, dass der dazwischenliegende Magen noch nicht ge¬
quetscht wird; es wird nun der Exzenterhebel von hinten über
den Sperrverschluss auf die Zange geschoben (cf. Fig. 4)
Fig. 5.
und zwar möglichst nahe an den Magen. Ein leichter Druck
auf den Exzenterhebel quetscht Schleimhaut und Muscularis
des Magens durch, während die Serosaflächen erhalten bleiben
und fest aufeinandergepresst werden. Nun wird der Exzenter¬
hebel nach hinten heruntergenommen, ohne dass der Sperrver¬
schluss geöffnet wird. Nach Anlegen einer Magenklemme am
abfallenden Magenteile, nahe an der Quetschzange wird *-
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1934
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
einem Skalpelle zwischen beiden der Magen durchtrennt; man
kann sich direkt an der glatten Fläche der Magenquetschzange
bei der Durchtrennung halten, oder, wenn man die Befürchtung
hegt, der Magen könne durch die Quetschzange durchgleiten,
kann man etwa 1 cm davon entfernt die Durchtrennug vor¬
nehmen. Ein Assistent fasst nun an beiden Enden die Zange
und dreht sie so um 90 u um ihre Längsachse, dass die kardial-
wärts gelegene Seite nach hinten sieht. Es folgt bei liegen¬
der Zange der Verschluss des kardialen Magenteiles mit fort¬
laufender Matratzennaht (gerade Nadeln), indem man sich beim
Einstechen der Nadel immer an die glatte, nach hinten gelegene
Seitenfläche der Zange hält. Nach Fertigstellung dieser Naht
wird ev. nach Abtragen des noch Testierenden schmalen Magen¬
saumes die Quetschzange abgenommen. Es zeigt sich nun, dass
in den meisten Fällen keine Blutung auftritt und man infolge¬
dessen das Anlegen von Schiebern mit nachfolgender Unter¬
bindung der Gefässe erspart (in einzelnen Fällen waren
3 bis 4 Unterbindungen nötig). Die aufeinandergepresste
hintere und vordere Serosafläche ragt über die Matratzen¬
naht wie ein schmales Band vor und lässt sich durch
eine fortlaufende seromuskuläre Naht leicht einstii Ipen
(cf. Fig. 5), eine dritte Nahtreihe ist nicht notwendig.
In obiger Klinik wird nach Möglichkeit die Oastroduodeno-
stomie nach Kocher angescldossen; falls dies aber
nicht möglich sein sollte, oder man überhaupt von vornherein
die Methode Bi 11 rot h II wählen will, so kann man auch das
Duodenum in gleicher Weise versorgen.
Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass die Opera¬
tionsdauer um ca. 15 Minuten abgekürzt wird, da man beim
Durchquetschen des Magens keine Blutstillung braucht, ferner
keinen so dicken Wulst wie früher einzustülpen hat, was zum
Teil mehr Schwierigkeiten verursachte, auf jeden Fall eine
längere Zeit in Anspruch nahm. Hierdurch ist es auch er¬
möglicht, dass man mit den beiden oben erwähnten fortlaufen¬
den Nähten^auskommt, während man doch sonst häufig ge¬
zwungen war, um einer Insuffizienz der Naht vorzubeugen,
eine dritte Nahtreihe anzulegen.
Zunächst wurde dieses Verfahren an 12 Hunden ans¬
probiert. Diese wurden z. T. nach einem Tage, z. T. erst nach
14 Tagen getötet, z.-T. gingen sic in der Zwischenzeit an
Inanition zu gründe, da absichtlich die Magenresektion in der
Hälfte der Fälle ohne Gastroenterostomie gemacht wurde. Zu¬
gleich bekamen die Hunde sofort nach der Operation viel feste
und flüssige Kost, damit die Festigkeit der Naiit nach Möglich¬
keit in Anspruch genommen w urde. Es zeigte sich bei den
Sektionen niemals eine Nahtinsuffizienz oder eine Nachblutung,
die Resektionsw unde des z. T. sehr stark gefüllten und sekundär
erweiterten Magens war immer solid verheilt. Auch am Men¬
schen hat sich das Verfahren in 7 Fällen bewährt. 2 Fälle
kamen ad exitum, einer infolge von Pneumonie, einer infolge
von doppelseitiger, sekundärer Parotitis. In beiden Fällen
ergab die Sektion keine Nachblutung, keine Peritonitis, die
Naht war suffizient, die Magenwunden waren solid verheilt.
In Anbetracht der erwähnten Vorteile, die m. E. durch die
Graser sehe Magenklemme, die ja ihrer ganzen Konstruktion
nach nur zum Abklemmen nicht zum Abquetschen des Magens
dient, nicht geboten werden, habe ich mir in voller Ueber-
zeugung von der Güte des Verfahrens erlaubt, nach zwei¬
jährigem Gebrauch das Instrument dem Forum der Oeffent-
lichkeit zu unterbreiten.
Das Instrument wurde nach meinen Angaben von der Firma
Stiefenhofer, München, Karlsplatz, hcrgcstellt.
Ein Beitrag zu den Untersuchungsmethoden über
Erythrozytenformen.
Von Dr. Kando Yamada aus Japan.
Sehr störend bei der -Untersuchung der Erythrozyteu-
formen ist die bald nach der Entnahme des Blutes ans dem
Gefässe auftretende Agglutination der roten Blutkörperchen;
auch bei defibriniertem Blut tritt bald Agglutination aut', so
dass die genaue Beobachtung der Lrytln oz> tenformen unter
dem Mikroskop verhindert oder sehr erschwert wird.
Schon die Art und Weise der Reinigung des Deckglases
und Objektträgers bewirkt eine Verzögerung (-der Beschleuni¬
gung der Agglutination. Reinigt mau ein Deckglas mit ge¬
wöhnlichem Brunnenwasser, so tritt mit Menscheublut sch-*n
sehr bald, spätestens nach 4 5 Minuten, beim Glimmer nadi
7 8 Minuten die Agglutination auf; wäscht man aber das Deck¬
glas mit 40 proz. Alkohol und nachher n.oJi mit oo pro/. Alko¬
hol, so zeigt sich die Agglutination erst nach 7 8 Minuten,
beim Glimmer nach 12 Minuten.
Um nun die Agglutination möglichst lange haiaus/u-
schieben, habe ich bei meinen Untersuchungen den Glimmer
verwendet. Zu diesem Zwecke muss der Glimmer in mög¬
lichst dünner Schicht abgetrennt werden; daun schneidet man
denselben in der Grosse der gewöhnlichen Deckgläser. 2 der¬
artige Deckplättchen werden nun aufeinander gelegt ur.J
2 Kamen mit Parum- verklebt; es bleibt dann dazwischen
ein etwa 1 IG cm breiter Kapillarraum.
W enn man mm 2 so auleinandergelegte DeckglasJieti in
einen Tropfen Blut tauJit, so wird eine dünne Schicht des¬
selben in den Kapillarraum hineingesaugt; darauf werden so¬
gleich die beiden anderen Kanten mit Paraffin geschlossen und
das Präparat auf einem gewöhnlichen Obiektglas ftntcrsiichi.
Je mehr Blut in den Kapillarraum h i ne inge saugt wurde, desto
schneller trbt die Agglutination auf. Man lässt deshalb mög¬
lichst wenig Blut in den Kapillarraum hinein, so dass die Blut¬
menge etwa '« des Kapillarraumes betragt.
In den Fällen jedoch, bei welchen das Blut mit hypiso-
tonischen oder mit hyperisut,mischen Losungen behandelt
wird, muss man. um den Kapillarraum zu vergmssern. zwi¬
schen die beiden Ghmmerplättchen an 2 Kauten 2 cm lange und
3 mm breite Scidenpapierstreiieii legen, daun werden diese
2 Kamen mb Paraffin verklebt und in den nun grosseren
Kapillarraum Blut huieinsaugen lassen und daun werden die
beiden anderen Kanten wie in der vorher beschriebenen Weise
ebenfalls verklebt. Durch die verschiedenen Konzentrationen
der Losungen werden nämlich die Blutkörperchen geschwellt
oder zusammeuge/rgeii und dadurch in dun Gesichtsfelde die
Menge der Blutkörperchen vermehrt oder vermindert. Bel
den in unten folgender Tabelle angeführten \ ersuchen sind
die Untersuchungen mit Rinder-, Menschen-. Kaninchen- und
Schweineblut gemacht worden, und zwar auf zweierlei Art:
mit Glimmerplättchen und gewöhnlichen Deckgläsern und diese
wieder auf zweierlei Art und Weise gereinigt, mit Wasser und
mit Alkohol; die in Minuten angegebene Zeit ist d.e Zeit b.s
zum Eintritt der Agglutination.
T a b e 11 c.
tili in in e r
Glas
Alkohol Wasser
Alkohol
W asser
Rind
in' 7-8’
o — 7'
5'
Mensch
12' 1 7 s'
7-8'
5’
Kaninehe
15' , in'
7—8'
5'
Schwein
15 bs' 12'
7-10'
!
5'
i
Wie aus obiger Tabelle ersichtlich ist, agglutinieren die
Rinderblutkörperchen am schnellsten, langsam geht es bum
Menschenblut, noch langsamer beim Karauchenblut und am
langsamsten beim SJiw emeblut.
Die durchschnittliche Auftritt/eit der Agglutination für
diese 4 Rassen zusammen betragt demnach fur
«ui,,,..,er ... ;
| \\ asser ( > es | W ussu r>
Daraus geht hervor, dass der mit Alkohol gereinigte Glim¬
mer 2 mal länger die Agglutination verzögert als das mit Alko¬
hol gereinigte Glas und der mit Wasser gereinigte Glimmer
noch 2 Min. _o Sek. spä T er agglntmiert als das mit Alkohol
gereinigte Glas.
Wenn man nun eine hypisotonisdie Losung, z. B. Rirger-
losung und 7ö prom. Na CI mit Schw eircb'm, weLhes am lang¬
samsten agghitmiert. versetzt, so (von Ru ger wurde iiain-
Lc 11 konstatiert, dass das Blutserum der >.r:g«-ftVre einer ge¬
mischten Losung von o g NaCI - n.J g KCl • u.3 CaCl
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1935
+ 1000 Aq. dest. gleichwertig ist) kann man die Agglutination
2 mal so lang verzögern als das bei reinem Blut möglich ist.
II. Versuch.
5 Tropfen Schweineblut, 5 ccm 7°/<x> Ringer.
Glimmer. Glas
Alkohol 30—35’ Alkohol 15-18’
Wasser 25—30’ Wasser 10—15’
Ausser durch die verschiedenen Reinigungsmethoden und
die Verschiedenheit von Qlimmer und Qlas und die Ringer¬
lösung wird das Agglutinationsvermögen der Blutkörperchen
auch durch die verschiedengradige Konzentration der Ringer¬
lösung vermehrt oder vermindert, so dass reines Blut ohne
Zusatz unter Glimmer nach 13—15 Min. und Blut mit hyp-
isotonischer Lösung ebenfalls unter Glimmer nach 30—35 Min.
agglutiniert, während unter dem gewöhnlichen Glas die Agglu¬
tination doppelt so schnell vor sich geht. Ebenso wie bei ver¬
schiedenen Tierarten die Blutgerinnung ungleichzeitig auftritt,
ebenso tritt auch die Erythrozytenagglutination nicht gleich¬
zeitig a-uf.
Eine merkwürdige Tatsache ist, dass, wenn man Blut zweier
gleicher Tierarten mischt, das Gemisch noch schneller aggluti¬
niert als das reine Blut. Die Erythrozyten eines 1 Yi—2 Monate
alten Embryo agglutinieren auffallend langsam, ebenso wie das
Blut langsam gerinnt; unter einem gewöhnlichen Deckgläschen
ti itt beim Blut eines Embryo erst nach ca. 6 Stunden die Aggluti¬
nation ein, so dass man während dieser Zeit die Form genau
studieren kann, Unter Glimmer erst nach 10—12 Stunden.
III. Versuch.
Blut eines 1V«—2 Monat alten Rindsembryo.
Glimmer. Glas.
Alkohol 10-12 St. Alkohol 6 St.
Wasser 8—10 St. 'Wasser 2-3 St.
Leider konnte ich von dem Embryonalblut nicht so viel
erhalten, um auch noch Versuche mit den verschiedenen Kon¬
zentrationen der Ringerlösung anzustellen; es würde sich jeden¬
falls durch die hypisotonische Lösung die Zeitdauer noch be¬
trächtlich verlängern lassen. Boll hat vom Vogelembryoblut
konstatiert, dass es nicht vor 12 Tagen nach Austritt aus den
Gefässen gerinnt. Boll und Landois haben angenommen,
dass in diesem Blute nur sehr wenig fibrinogene Substanz ent¬
halten ist, auch sind, wie Argus und P o g ö s nachgewiesen
haben, im Embryoblut wenig Kalisalze enthalten. Nach den
Blutanalysen von Bunge und Abderhalden ist enthalten
in den Erythrozyten von:
Schwein
Rind
Kaninchen
Wasser
632,100
599,900
?
Chlor
1,504
i 1.635
?
Kalium
5,543
0,747
5,229
Natrium
0,000
2,093
0,000
Nach den Blutanalysen von C. Schmidt enthalten die
Menschenerythrozyten:
Wasser 681,630
Chlor 1,750
Kalium 3,091
Natrium 0,470
Wenn man nun die oben angegebenen Blutanalysen be¬
trachtet, so sieht man, dass die Erythrozyten des Schwei¬
nes wasserreich sind und viel mehr Alkali enthalten als die der
anderen Tierarten und es agglutiniert und gerinnt auch am
langsamsten; das nächste in Bezug auf Alkaligehalt ist das
Kaninchenblut, und wie aus Obigem ersichtlich ist, kommt
es auch bei der Agglutination zwischen Schweine- und Men¬
schenblut zu stehen, welches wieder weniger Alkali enthält als
Kaninchenerythrozyten. Am wenigsten Alkali von diesen
4 Blutarten enthält das Rindsblut und dieses agglutiniert am
schnellsten. Chlor ist in den Erythrozyten einer jeden Rasse
in annähernd gleicher Menge enthalten, so dass also dadurch
keine besondere Verschiedenheit bedingt sein kann. Ca ist nur
in den Erythrozyten des Menschen enthalten, beim Schwein
und Rind kommt dieses nur im Serum vor (0,136 beim Schwein
und 0,126 beim Rind). Nach den nun gemachten Beobach¬
tungen muss man annehmen, dass die Verzögerung der Agglu¬
tination in Zusammenhang steht mit der Stärke des Alkali¬
gehaltes der Erythrozyten. Es agglutinieren am schnellsten die
Rindsblutkörperchen (am wenigsten Alkali), dann etwas lang¬
samer die des Menschen, noch später die des Kaninchens uqd
am langsamsten die des Schweines (am meisten Alkali). Ueber
Pferdeblut habe ich keine Untersuchungen mit Glimmer und
Glas gemacht, da es ohnehin langsam agglutiniert. Woher nun
diese Verschiedenheit von Glas und Glimmer kommt, das fest¬
zustellen dürfte hier zu weit führen; jedenfalls spielt das ver¬
schiedene Wärmeleitungsvermgöen und die Glattheit der Ober¬
fläche des Glimmers bezw. Deckglases eine Rolle. Es soll
hier nur festgestellt sein, dass man ohne fremden Zusatz zum
Blute die Zeitdauer bis zum Eintritt der Agglutination beträcht¬
lich verlängern kann und es so ermöglicht wird, die Formen der
einzelnen Erythrozyten genauer zu betrachten.
___ t
Die Feuchtigkeitsreaktion trockner Gelatine und ihre
Bedeutung für die Präservierung von Fleischsaft.
Von Dr. Geo. Richter, St. Louis, Missouri.
Die Frage der Präservierung von Fleischsaft und ähnlichen or¬
ganischen Stoffen ohne Zusatz von chemisch wirkenden Mitteln
scheint noch eine offene zu sein, wie wenigstens aus den „Puro“-
Untersuchungen zu schliessen -ist. Ich möchte mir erlauben ein Ver¬
fahren mitzuteilen, das die unbeschränkte Aufbewahrung von Fleisch¬
saft u. dergl. wenigstens in trockener Form ermöglicht und sich aus¬
gezeichnet bewährt hat. Vor acht Jahren war der Betrieb hier im
Grossen eingeleitet, wurde aber aus der Sache fremden Gründen
bald w’ieder aufgegeben.
Das Verfahren gründet sich auf die besondere Eigenschaft der
Gelatine, mit der atmosphärischen Feuchtigkeit ein ungemein scharfes
Gleichgewicht einzuhalten, wie ich in den Jahren 1898 und 1899 be¬
obachtet- habe. (Vortrag vor der Alumni-Association, College of Phar-
macy, 20. März 1900, gedruckt im Jahresbericht, und vor der Aca¬
demy of Sciences, St. Louis.)
Gelatine' in möglichst dünnen Tafeln getrocknet ändert ihr Ge¬
wicht je nach dem Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre fast momentan,
jedenfalls viel schneller als ein in Zehntel Grade eingeteilter Thermo¬
meter Temperaturschwankungen anzeigt. Man kann folglich den
Feuchtigkeitsgehalt der Luft aufs genaueste und rascheste mit der
Wage bestimmen. Im Jahre 1899 demonstrierte ich dies mit Hilfe
eines einfachen Apparates. An eine aufgehängte empfindliche Wage
wurde an einem Arm ein Bouquet sehr dünner Gelatinetäfelchen, jedes
von etwa 8 cm Durchmesser und von einem Gesamtgewicht nach
gründlichem Austrocknen von 4435 g aufgehängt. Der andere Arm war
mit einer Schreibvorrichtung versehen, die auf eine langsam
rotierende Trommel (einem Zylinder auf einer liegenden Weckuhr)
zeichnete. Von demselben Arm hing ein Aräometer und tauchte in
ein Gefäss mit Paraffinöl, um den Ausschlag zu dämpfen. Die Wage
war kni Gleichgewicht bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 Proz. Mit
dieser einfachen Vorrichtung wurden Ausschläge bis zu 3 cm, entspre¬
chend einem Feuchtigkeitswechsel von 70 Proz. erreicht. Gleich¬
zeitig wurde zur Kontrolle ein genaues Duplikat des Gelatinebouquets
14 Tage lang, meist stündlich, auch des Nachts, gewogen. Hiermit
wurde gleichzeitig ein Thermometerpsychrometer verglichen. In
diesen abwechselnd trockenen und feuchten, heissen Augusttagen
schwankte die Temperatur der Luft zwischen 20,5 und 32,2° C.. die
des befeuchteten Thermometers zwischen 17,5 und 25,2°. Das höchste
beobachtete Gelatinegewicht betrug 6,940 g, das niedrigste 6,065 g.
Das Bemerkenswerteste dabei war, dass bei sehr hohem Feuchtig¬
keitsgehalt der Luft, bei 85—90 Proz., d'ie Gelatine stetig Gewichts¬
schwankungen anzeigte, denen die Thermometer nicht prompt folgen
konnten. Weitere Daten darf ich wohl übergehen.
Gelatine nimmt in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft ein gewisses
Maximum von Wasser auf (vermutlich als kondensiertes Gas) ohne
merklich zu quellen. Erst nachdem sie in Wasser getaucht ist, quillt
sie stark auf bis zu einem für ihre Qualität konstanten Maximum,
wobei sie zerreisslich wird. Dann, beim Erwärmen, löst sie sich,
oder richtiger zerfällt in kleinste Teilchen. Beim Abkühlen der „Lö¬
sung" verkleben diese Teilchen, es bildet sich eine Gallerte, die man
wieder zu Tafeln trocknen kann. Gequollene und gelöste Gelatine
fault bekanntlich sehr leicht, getrocknete, auch mit Feuchtigkeit ge¬
sättigte dagegen niemals; letztere widersteht auch den Angriffen von
Würmern und Insekten.
Um eine lichthoffreie photographische Platte herzustellen, ver¬
setzte ich (2. April 1898) eine 15 proz. Gelatinelösung mit einem mög¬
lichst konzentrierten Kaffeeaufguss zum Hinterguss für die Platte und
trocknete sie. Vor Entwicklung der Platte wurde das Gelatine¬
häutchen abgezogen. Dies wurde an der Luft brüchig und Hess sich
nach dem Trocknen, leicht zu einem feinen Pulver verreiben, was bei
reiner Gelatine bekanntlich nicht möglich ist Das Pulver besass
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1936
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
einen intensiven Kaffeegeruch und löste sich in warmem Wasser so¬
fort zu einem wohlschmeckenden Kaffee ohne fremden Beigeschmack.
Ich hatte also ein klarlösliches Kaffeepulver hergestellt. Grössere
Mengen davon haben sich im Laufe von 8 Jahren vorzüglich gehalten,
obwohl sie nur in gewöhnlichen Pappschachteln aufhewahrt worden
waren.
Nach -diesen ersten Erfahrungen unternahm ich alsbald die Her¬
stellung von Suppenpulver: in der Fleischbrühe ist ja Gelatine ein
normaler Bestandteil. Möglichst konzentrierte Fleischbrühe mit ent¬
sprechendem, Zusatz von Gewürzen, mit Ausnahme natürlich des
Salzes, wurde mit 1—2 Proz. Gelatine versetzt, auf Glastafeln ge¬
trocknet und dann pulverisiert. Der Erfolg war ausgezeichnet.
Etwas schwieriger war die Herstellung des Fleischsaftpulvers.
Es gelang mir nach folgendem Verfahren: Fein gemahlenes Rindfleisch
wurde mit wenig Salzsäure behandelt, hydraulisch ausgepresst, der
Saft mit etwa 2 Proz. Gelatine versetzt und nach dem Trocknen in
ein mehlfeines Pulver verwandelt. Dieses wurde dann 3 Stunden lang
allmählich auf 125° erhitzt, dadurch die freie Salzsäure verjagt und
das Pulver nach Möglichkeit sterilisiert. Das leicht lösliche Pulver
hatte einen reinen Fieischgeschmack und wurde durch Zusatz von
Bouillonpulver äusserst wohlschmeckend. Trockenes Fiweiss wird
durch Hitze bekanntlich nicht koaguliert. Auch diese Präparate
haben sich in Papierverpackung viele Jahre lang unverändert ge¬
halten und besitzen noch dieselbe Löslichkeit, denselben Geschmack.
Zur Herstellung eines medizinalen Eisenpräparates wurden
frische Rindermilzen ebenso wie das Fleisch behandelt. Um dieses
Pulver schmackhafter zu machen wurde es teils mit Kakao vermischt,
teils zu Bonbons verarbeitet. Es bewährte sich ausgezeichnet bei
Anämien und Chlorose, wobei vielleicht ein (problematisches) Milz-
ferment in Wirkung trat. Besonders nützlich erwies es sich noch
ganz kürzlich in einem Fall von schwerster chronischer Leukämie, in
dem der Kräfteverfall unter Aufbesserung des Blutbildes entschieden
aufgehalten worden ist. Eitre spezifische Wirkung ist allerdings nicht
nachweisbar.
Auch Ganzblut und Blutserum hielten sich in (iestalt von Ge¬
latinepulvern jahrelang.
Interessant gestaltete sich die Behandlung von Rindergallc.
Diese ist bekanntlich nach dem Eindicken nur schwierig vor Fäulnis
zu schützen. Ich habe solche Galle teils ganz frisch, teils nach Be¬
handlung mit Tierkohle mit Gelatine versetzt und schliesslich pul¬
verisiert. Letzteres gelang ganz merkwürdig leicht, es verwandelte
sich in ein feinstes, die Atmungsorganc sehr angreifendes Pulver.
Jetzt, nach 8 Jahren hat sich das Gallcnpulvcr durch Aufnahme von
Feuchtigkeit zusammcngeballt, zeigt aber sonst keine Spuren von
Veränderung. Ich benutze das Präparat jetzt noch beim Unterricht
zur Demonstration von Gallcnfarbstoffcn. Als Medikament wurde es
noch nicht angewandt.
Ganzei, Eiergelb und Eiereiweiss Hessen sich trefflich konser¬
vieren, doch stellte es sich heraus, dass nach etwa einem Jahre die
prompte Löslichkeit dieser Präparate abzunchmen anfing.
Grosse Vorsicht erheischte die Herstellung eines Thecpulvcrs,
wegen des Niederschlages von Tannin nach zu langem Infundieren.
Der Niederschlag ist im Ueberschuss von Gelatine löslich. Bei ge¬
höriger Vorsicht wurden tadellose Resultate erzielt.
Mit Vollmilch bewährte sich das Verfahren aber nicht, wohl
w'cgen des schnell ranzig werdenden Butterfettes. Nach Monaten
roch das Milchpulver stark nach Käse. Diese Versuche wurden nicht
weiter fortgesetzt, es wäre aber wohl möglich, gute Resultate bei An¬
wendung grösserer Vorsicht zu erzielen.
Versuche über die Haltbarkeit von Antitoxinpulver wurden wegen
Mangels an Material nicht abgeschlossen.
Wahrscheinlich könnte man auch leicht Nährböden für Bakterien¬
kulturen als lösliche Pulver hersteilen, die dann nur in sterilem
Wasser zu lösen wären.
Schliesslich wrnrde auch noch das Fleischsaftpulver mit Eiergelb
und Milchzucker zu „Biskuits“ gebacken, als sogen, eiserner Bestand
für Militärrationen. Auch diese sind heute noch in bestem Zustande.
Die Möglichkeiten dieses Verfahrens sind hiermit natürlich noch
nicht erschöpft. Ein Nachteil ist aber im Auge zu behalten: zer-
fliessliche Salze in grösseren Mengen dürfen in die Zusammensetzung
nicht eingehen.
Sehr bemerkenswert war, dass die Präparate alle ätherischen
Oele mit grosser Energie festhalten. Auch andere Geschmacks¬
charaktere waren nach Jahren wesentlich unverändert geblieben.
Bei Herstellung solcher Präparate in kleinen Mengen, wo man
von den Witterungsverhältnissen abhängig ist und vor dem endlichen
Trocknen leicht Fäulnis auftritt, empfiehlt sich der Zusatz von Chloro¬
form, das dann durch Erhitzen leicht vollständig verjagt werden
kann.
Es empfiehlt sich ferner, die Gelatine durch Auskochen frischer
Kalbs- oder Rinderhissknochen selbst zu bereiten, die Abkochung
mit Eiweiss zu klären, den Trockengehalt durch Abdämpfen einer
abgemessenen Menge zu bestimmen und einen daraus zu berechnen¬
den Betrag der zu präservierenden Lösung oder Mischung zuzusetzen.
Ein völliges Klären oder Bleichen ist überflüssig. Die so gewonnene
„primäre“ Gelatine zeichnet sich durch ausserordentliche Löslichkeit
und nicht hervortretenden Geschmack aus. Ein Gehalt von 1—2 Proz.
ist hinreichend.
Die präservierenJe Wirkung der Gelatme erkläre ich mir folgen-
dermassen. In einer Flüssigkeit schwebende unlosbehe Teilchen wer¬
den von den GeJatineelementen umhullt. deren Klebewirkung sie fest
cinschliesst; dadurch wirkt Gelatine ..klarer»J“. Ge'ostc oder in
Wasser schwebende ailerkleinste Teilchen werden durch Fintrockrieri
zu festen, körperlichen Einheiten. die bei Gegenwart von Ge'ät.ue
nun auch von dieser emgehullt werden. Fme solche getrocknete
Gelatinehülle besitzt die vorher beschriebene F’.genschaft des Feuch¬
tigkeitsgleichgewichtes mit der Atmosphäre. Hierbei wird für die
cingehiillten Kerne keine Feuchtigkeit disponibel ohne welche irn
„Kern“ weder eine chemische nmeh eine mikrolnsche (oder tierische)
Tätigkeit sich entfalten kann. Sowie aber die < icIatrnchtiHc mit Wasser
benetzt wird, nimmt sie das Wasser in flüssiger Form (nicht in Gas¬
form) auf, quillt, das Wasser erreicht den Kern mul Zersetzungen
können eintreten. Wärme befreit den Kern von der Mulle, die ur¬
sprüngliche Losung ist wieder hergeste It.
Die Präscrvatiofi ist also eine physikalische und hat vor der nrt
Salz. Zucker oder Alkohol den Vorzug, dass die Gelatine selbst ein im
allgemeinen indifferenter und unter allen Umständen un*chäJ über
Körper ist. der bei hinreichender Vcrduimimg und besonders nach
Zusatz schmeckender Stoffe keinen eigenen Geschmack hervortreten
lässt.
Das Verfahren ist für Amerika, aber n.cht für Deutsch’and pa¬
tentiert, so dass für Deutschland der Fabrikation nichts im Wege
steht.
Zn jeder weiteren Auskunft über bei der Fabrikation Indier
gemachte Erfahrungen (es waren im Ganzen etwa (öookg der ver¬
schiedenen Präparate hergestellt worden» hm ich gern bereit.
Zur Technik der Nadelextraktion.
Erwiderung auf die Bemerkungen von Privatdozent Pr.
0. Hol zk necht und Dr. Richard L. Grün leid in Wien
zu meinem gleichnamigen Artikel.
Von Dr. Carl H a e h e r I i n.
In No. 35 dieser Wochenschrift bezeichnen Hol/ Knecht und
G r ü n f e 1 d die von mir mitgctcilte Methode als ..genetische Vor¬
stufe“ zu der von dem einen von ihnen und v n v. Karaian be¬
schriebenen. Dass dies durchaus un/wfreffend ist. ergibt sich daraus,
dass das W esen der Methode der g c n a n n t e n A u t o r e n m der
Markierung der beiden Punkte der Haut, welche sich mit dem punkt¬
förmigen Schatten decken, also in der Feststellung topographischer
B e z i e h u n g e n d e s F r e m d k o r p e r s zur () b e r f I a c h e be¬
steht; während die von mir beschriebene Methode die Feststellung
topographischer B e z i e h ti n g e n d e s F r e m d k o r p e r s zu G e -
bilden der l iefe, nämlich den Knochen, zum Ziel hat. Die
Knochen sollen dann beim operativen Vorgehen als palnable Weg¬
weiser dienen, da sie. zumal an der Hand, sicherere Anhaltspunkte
bieten als Markierungen auf der Maut, deren leichte YcrschicbiiJikcit
ja von den genannten Autoren Selbst betont wird. Handelt cs sich
also bei der H o 1 z k n e c h t - G r ii n f e 1 d -sehen Methode um i >K-r-
flächcrimarkiermig. so handelt es sieh bei der von mir beschriebenen
um etwas völlig anderes, nämlich darum, dass die Lage des Fremd¬
körpers zu bestimmten Tietengebilden der räumlichen Vorstellungs¬
kraft des Operateurs sich cinpragen soll.
Daraus dürfte sich ergeben, dass die von mir beschriebene Me¬
thode. welche im Laufe mehrerer Jahre bereits ohne einen einzigen
Versager ausgeübt worden ist. etwas anderes als eine „genetische
Vorstufe“ der H o I / k n e e h t - (i r ii n f e I d scheu ist.
Bad Nau h e i m. 3. September l'Xis.
(Jeber die Gesundheitsverhältnisse in Deutsch-Ostafrika.*)
Von Dr. H. Krauss, prakt. Arzt, Ansbach, früher Bahn-
bauarzt in Daressalam.
Deutseh-Ostafrika liegt zwischen dem 4 . und K». Grad südlicher
Breite, hat einen Flächeninhalt von <H1 oini qkm. als«, fast doppelt so
viel w ie Deutschland, mul eine Fmw«.|f%r/uhl \ <>n Kl Millionen.
Neben den Negern, die sich in einzelne grosse Stamme gliedern —
Massai. W aniamw esj. W aliehe sind bekannte Namen . haben wir
in der Kolonie 2(>on W eisse. etw a 3>mi Araber mul 1 «»<mn» Inder. Die
Araber, früher die Herren des I .indes, sind ictzt zumeist Dei den
Indern verschuldet. Der Kleinhandel der ganzen Kolonie liegt zur¬
zeit in den Händen der linier, \ <>n anderen Yoiksstammcn seien noch
die Goa ne sen erwähnt, eine portugiesisg h-iinli" Jic Mischrasse, die
in den niedern Beamtenklassen vielfach Verwendung findet und die
es erreicht hat. dass mau sie den W eissen zu/ah’r: vk rin die Goanesen
finden bei Krankheiten im Furofnierhosp ( ta! Aufnahme, wahrend die
*) \ ortrag gehalten im be/irksär/ilnheil A t. rt.in Ausbygh am
3. März löi s.
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15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1937
übrigen Farbigen dem für die Eingeborenen erbauten Sewa-Hadji-
Hospital zugewiesen werden.
Die Weissen sind zum grössten Teil Deutsche und zwar
Beamte, Offiziere, Missionare, Kaufleute, Pflanzer. Von anderen
Nationen ist besonders die der Qriechen stark vertreten. Durch
ihren Geschäftssinn, Fleiss, und Sparsamkeit werden sie rasch wohl¬
habende Leute; in Aegypten, wo sie früher ihr Glück suchten, ist das
Baumwolland sehr teuer geworden, so kaufen sie sich in stets wach¬
sender Zahl in unserer Kolonie an. Die Worte eines griechischen
Bahnbauingenieurs: Deutsch-Ostafrika wird von den Griechen kulti¬
viert, enthalten für die Deutschen eine herbe Wahrheit.
An das Klima gewöhnt sich der Zugewanderte meist rasch.
Die Temperatur beträgt im Schatten zwischen 17 und 35° C, im
Mittel 25°. In der Sonne werden Temperaturen von 40 und 50° be¬
obachtet, während andrerseits die Nächte, zumal auf den Hoch¬
ebenen Innerafrikas, Abkühlungen bis auf den Gefrierpunkt bringen.
Schon in Westusambara, 160 km von der Küste, suchen die Europäer
nach Sonnenuntergang ihre dicksten Winterkleider hervor und preisen
die Wärme ihrer mächtigen Kachelöfen.
Einen Wechsel der Jahreszeiten hat Deutsch-Ostafrika
auch, man unterscheidet eine Regenzeit, die unseren Winter ersetzt,
und eine Trockenzeit. An der Küste rechnet man mit zwei Regen¬
zeiten, der kleinen im Oktober und November und der grossen in
den Monaten März, April und Mai. Die heisseste Zeit ist um Weih¬
nachten. Die Regenmenge beträgt in Daressalam 1200 mm, die Luft¬
feuchtigkeit 83 Proz. Die in der Regenzeit entstehenden Sümpfe
bieten den Moskitos geeignete Brutplätze. Wenn die Gesundheits¬
verhältnisse Daressalams sich in den letzten Jahren sehr gebessert
haben, so ist das neben anderen Ursachen, wie einer polizeilich ge¬
regelten Schuttabfuhr und einer Untersuchung aller Einwohner auf
Malaria, besonders auch dem Umstand zu danken, dass durch Kanali¬
sierung und Trockenlegung von Sümpfen und Wassertümpeln die
Moskitobrutstätten erheblich vermindert wurden.
In früheren Jahren hielten die meisten Europäer, die in die
Tropen gingen, ihr Leben für verloren, sie wollten die kurze Spanne
Zeit noch möglichst geniessen und so wurden durch die starken Ex¬
zesse in Baccho et Venere viele Erkrankungen und Todesfälle bedingt.
Das ist jetzt bedeutend besser geworden. Die Weissen haben
durch die Belehrung der Aerzte die Gefahren des Tropenklimas ver¬
meiden gelernt, die ganze Lebensführung hat durch die in immer
grösserer Anzahl hinauskommenden Frauen einen sittlichen Auf¬
schwung genommen. Wir müssen daher dem Staatssekretär Dcrn-
b u r g völlig recht geben, wenn er sagt, dass neben Verkehrs¬
erleichterungen besonders Aerzte und Frauen der Kolonie not tun.
Der Arzt, der in die Kolonien reist, muss sich mit einer grösseren
Zahl von Krankheitsbildern vertraut machen, die ihm bisher nur wenig
oder gar nicht bekannt waren. Die Schule, auf der der deutsche
Kolonialarzt seine diesbezügliche Ausbildung sucht, ist das tro¬
penhygienische Institut in Hamburg, das unter Leitung
des Physikus Dr. N o c h t und des Stabsarztes Prof. Dr. Fülle-
b o r n steht.
Natürlich kommen in den einzelnen Kolonien nicht alle tropischen
Krankheiten vor und ich will in der folgenden Besprechung auch nur
die in Deutsch-Ostafrika am häufigsten vorkommenden erwähnen.
Es sind da zu nennen:
1. unter den Hautkrankheiten: der rote Hund, der Ringwurm, die
Frambösie, das Unterschenkelgeschwür, der Sandfloh, Erkrankungen
durch Fliegenlarven, der Aussatz und die Pocken;
2. unter den Darmkrankheiten: die Ankylostomiasis oder Wurm¬
krankheit, die Dysenterie mit dem Leberabszess und in gewissem
Sinn die Bilharzia;
3. unter den Erkrankungen der Lymphbahnen: die Elefantiasis,
die Pest und die Schlafkrankheit;
4. unter den Blutkrankheiten: das Rückfallfieber und die Malaria
mit dem Schwarzwasserfieber.
Die erste Tropenkrankheit, welche der durch den Suezkanal und
das rote Meer Ausreisende schon auf dem Schiffe kennen lernt, ist
der rote Hund, ein unheimlich juckendes Hautekzem. Infolge
der vermehrten Schweissabsonderung und der geringen Verdunstungs¬
möglichkeit bilden sich auf der Haut lauter kleine rote Pünktchen,
besonders an solchen Körperstellen, wo die Kleidung fester anliegt,
ums Handgelenk, am Kragen, unter den Hosenträgern und dem Leib¬
gürtel. Vermehrt wird der Schmerz durch das Salz des Seewassers
und der Erkrankte muss auf das beliebte Mörgenbad verzichten und
sich mit dem auf dem Schiff spärlicher gereichten Süsswasser ab¬
spülen. Schmerzlindernd wirken Waschungen mit einer dünnen
Karbolsäurelösung. Prophylaktisch spielt die Verminderung der
Flüssigkeitszufuhr und somit der Schweissekretion eine gewisse Rolle.
An der Küste kommt diese Krankheit oft vor und raubt dem Be¬
fallenen oft für lange Zeit die nötige Nachtruhe, so dass, um dem
Verfall der Kräfte vorzubeugen, eine zeitweise Uebersiedelung in
höhere Gegenden nötig wird. Schon in der Höhe von einigen
hunderten Metern heilt die Krankheit rasch aus.
Aefynlich unangenehme Hauterscheinungen macht der durch einen
Pilz hervorgerufene Ringwurm, so genannt wegen des kreis¬
förmigen Weiterschreitens in die gesunde Haut. Die Krankheit wird
meist durch die Wäsche übertragen und heisst darum auch Wäscher¬
krankheit. Da in Afrika die Wäsche nicht gekocht, sondern nur ein¬
geseift und dann auf einem Stein oder einer Kiste geklopft wird, so
werden die Keime nicht abgetötet und der Europäer tut gut, sich
von der Reinlichkeit seines Wäschers zu überzeugen. Im Innern
wäscht der Boy, an der Küste der indische Wäscher, dobi. Gegen
die ausgebrochene Krankheit ist Chrysarobin das beste Heilmittel.
Mit der Wäsche akquiriert der Mensch oft noch eine andere
Krankheit. Auf die zum Trocknen ausgelegten Wäschestücke legt die
Fliege Ochromyia anthropophaga gerne ihre Eier. Wenn
dann der Europäer die Wäsche anzieht, schlüpfen aus den Eiern die
Larven aus und bohren sich in die Haut ein. Erst ganz klein, wachsen
diese Larven bis zu 2 cm Länge und erzeugen in den Hauttaschen
ein sehr schmerzhaftes Jucken. Es gelingt verhältnismässig leicht,
die Larven aus ihren Schlupfwinkeln hervorzuziehen, deren sich oft
10 und mehr an einem Menschen befinden.
Ein anderes Insekt, das seit einigen Jahren die Weissen und mehr
noch die Schwarzen quält, ist der S a n d f 1 o h, Pulex penetrans.
Derselbe hält sich in den Negerhütten und an trockenen sandigen
Stellen auf. Das befruchtete Weibchen dringt in die weiche Haut
der Fiisse, besonders zwischen die Zehen ein urtd wächst da bis zu
Erbsengrösse heran. Der Mensch wird von quälendem Jucken ge¬
plagt, das erst aufhört, wenn der ganze Floh unverletzt aus seiner
Grube herausgeholt ist. Am besten lässt der Europäer das von dem
schwarzen Boy besorgen, der grosse Fertigkeit darin hat. Wenn der
Floh nicht ganz herauskommt und di 2 Haut des Fusses verletzt wird,
entstehen mitunter schwere Abszesse und Phlegmonen. Mancher
Schwarze, der zu gleichgültig gegen diese Krankheit war. hat eine
oder mehrere Zehen dadurch eingebüsst. Am besten schützt sich der
Weisse vor dieser Plage dadurch, dass er bei seiner Dienerschaft
auf peinliche Reinhaltung der Fiisse dringt und selbst nie mit nackten
Füssen den Boden berührt. In der Trockenzeit war auf der Bahn¬
strecke an einer Stelle die Sandfloholage so gross, dass meine Träger
in raschem Laufe darüber hinwegeilten. dann die Lasten absetzten
und mit ihren Messern sich die Fiisse sorgfältig abschabten, um so
die noch nicht ganz eingedrungenen Flöhe zu vernichten. Der
Sandfloh war früher in Afrika ganz unbekannt. 1872 brachte das
Schiff Thomas Mitchell aus Amerika mit Kaffeesäcken auch einen
blinden Passagier, den Sandfloh, nach Ambriz in Westafrika. Pasch
hatte er sich an der Küste verbreitet. Längere Zeit jedoch bedurfte
er. um ins Innere zu gelangen. Plehn hat denselben im Jahre
1895 an den Seen beobachtet: die ostafrikanische Küste war damals
noch frei von ihm. Doch mit den grossen Karawanen gelangte er
bald auch dahin und als im Jahre 1896 eine grosse Dürre ausbrach,
beobachtete man gleichzeitig ein epidemieartiges Auftreten der Sand¬
floholage. Seitdem ist dieses Tierchen. Funza genannt, von jedem
Schwarzen gekannt und gefürchtet: ja es hat auch schon den Weg
nach Indien gefunden und es ist eine ziemlich zwecklose Verfügung,
dass in den indischen Häfen alle Einwanderer sich mit nackten Füssen
und gesnreizten Fingern aufstellen müssen, um vom Ouarantänearzt
auf das Vorhandensein von Sandflöhen untersucht zu werden.
Nicht direkt spezifisch für Ostafrika, aber doch viel häufiger als
bei uns, ist das Unterschenkelgeschwür. Der Neger geht
barfuss. verletzt sich am Bein, die Wunde wird nicht oder nur
schlecht behandelt, eitert: ein Baumblatt wird daraufgelegt und ein
Stück altes Zeug darumgebunden. Durch den Reiz des zersetzten
Sekretes wird die Wunde immer ausgedehnter und erreicht oft Hand¬
tellergrösse. ja man kann Fälle sehen, in denen rings um das Bein
in etwa Handbreite die ganze Haut fehlt und Sehnen wie freiorä-
nariert daliegen. Zum Glück sind diese Schwersten Formen nicht
häufig. Wenn der Neger regelmässig zum Verbinden kommt und
nicht gleich wegbleibt, sobald er einige Besserung beobachtet, kann
das Unterschenkelgeschwür ausgeheilt werden, aber etliche Wochen
sind immerhin dazu erforderlich. Vorerst muss das Geschwür mit
Alkohol- oder Sublimatumschlägen oder auch mit Zuckerbestreuung
gereinigt werden: dann wird es trocken weiter behandelt.
Frambösie, Himbeergeschwür, auf Suaheli buba. ist der
Name einer etwa markstiiekgrossen. die Haut überragenden Ge¬
schwürsbildung, die aus einzelnen kleinen knötchenförmigen, dunkel¬
roten Gewebswucherungen besteht und darum an eine Himbeere er¬
innert. Das ganze Geschwür ist oft mit einer dicken Borke bedeckt.
Zu Beginn der Erkrankung beobachtet man kleine Bläschen mit
zentraler Delle oder Pusteln. In diesen hat Castell ani eine
Snirochaete entdeckt, die jetzt als Erreger dieses Geschwüres gilt.
Die Krankheit ist ansteckend und oft recht hartnäckig. Das beste
Gegenmittel ist das in Form einer Paste aufgestrichene Kupfer-
sulphat.
Die Pocken. Ndui auf Suaheli, haben für Deutsch-Ostafrika
immer noch grosse Bedeutung. Von den auf die einzelnen Stationen
verteilten Aerzten werden alljährlich bestimmte Impfreisen unter¬
nommen und die verschiedenen Gebiete nacheinander durchgeimpft.
So kommt es dass die Krankheit allmählich seltener wird, während
früher viele Schwarze daran starben. Die Ansteckungsgefahr war
den Eingeborenen anrh bekannt, sie isolierten den Kranken, betteten
ihn auf Asche, stachen die Pusteln auf und wuschen, um der Er¬
blindung vorzubeugen, die Augen rrit dem Urin eines Kindes. Tn
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MlT.NCIil'NI’R MHDIZINISCME WOCHENSCHRIFT.
N'». 37.
1 >38
Daressalam stellen sich mehr Inder als Schwarze freiwillig zur
Impfung. Natürlich hat jeder Weisse, der ausreist, die Pflicht, sich
noch in Europa prophylaktisch impfen zu lassen.
Der Aussatz, Ukoma auf Suaheli, ist in Deutsch-Ostafrika
endemisch. Die Krankheit äussert sich gewöhnlich in Verlust von
Endgliedern an Eingern oder Zehen. Eine Leproserie befindet sich
Bagamojo und eine zweite im Süden der Kolonie.
Von viel grösserer Bedeutung ist für den Weissen die Dys¬
enterie. Bei den oft recht ungenügenden Trinkwasserverhültnissen
und bei der Sitte der Neger, an den Wasserstellen nicht nur zu
trinken, sondern auch zu baden, ist eine Verunreinigung sehr leicht
möglich. Dazu kommt, dass der Neger jeden Wasserlauf als Wasser¬
klosett zu benützen pflegt. In Ostafrika kommt sowohl Bazillen-
als Amöbendysenterie vor. Ob die im Stuhlgang bei einer Unter¬
suchung gefundenen Amöben wirklich Dysenterieamöben, Entamoeba
hystolytica, sind oder ob es sich um die ungefährliche Entamoeba
coli handelt, ist nicht ganz leicht zu entscheiden. Die erstere hat
eine deutliche hyaline Ektoplasmaschicht und enthält in ihrem Innern
sehr viele Blutkörperchen, während ein Zellkern schwer sichtbar ist.
In der letzteren ist der Kern deutlich zu sehen und Ektoplasma
differenziert sich nur bei Bewegung in den Pseudopodien. Die Dys¬
enterie führt in Afrika oft zum Tode, einmal wegen des enormen
Kräfteverlustes bei dem blutigen Durchfall, dann aber auch bei
Durchbruch eines Geschwüres durch Peritonitis. Als Heilmittel hat
sich das von M e r c k - Darmstadt hergestellte emetinfreie Ipeka¬
kuanhapulver am besten bewährt; es wird nach gründlicher Darm-
cntleerung mittels Kalomel oder Rizinusöl in Dosen von 0,5 g mehr¬
mals täglich gegeben. Der Kranke muss ruhig liegen und darf nur
Milch und breiige Kost gemessen.
Eine schlimme Komplikation der Amöbendysenterie ist der
Leberabszess. Wenn ein solcher durch heftige Schmerzen im
rechten Hypochondrium und in der rechten Schulter bei einem vorher
dysenteriekranken Patienten diagnostiziert ist, so wird an der Stelle
der grössten Schmerzhaftigkeit punktiert und sobald der Eiter ge¬
funden ist, der Abszess mit einem Troikart entleert. Die Kanüle bleibt
in der Oeffnung liegen, damit der Eiter nicht zwischen Leber und
Bauchdecken in die Bauchhöhle fliesst. Es kommt vor, dass Europäer
auf der Reise an solchen Leberabszessen erkranken; wenn dann der
Eiter durch die ziemlich einfache Operation entleert ist. sind sie
wieder marschfähig. In schlimmen Eällen, zumal wenn mehrere ein¬
zelne Abszesse vorliegen, kann es zu einem Durchbruch in die Bauch¬
höhle und tödlicher Peritonitis kommen.
Es ist verhältnismässig leicht, sich vor dieser heimtückischen
Krankheit der Dysenterie zu schützen. Man muss es sich in Afrika
zur Regel machen, nie Wasser zu trinken, von dessen Reinheit man
nicht völlig überzeugt ist. In jedem anderen Eall muss das Wasser
vor dem Genuss gekocht werden. Gefährlich ist der Irrtum mancher
Europäer, das Filtrieren allein genüge schon, um ein W asser geniess-
bar zu machen. Es ist natürlich angenehm, wenn man das schmutzige
Wasser vor Gebrauch filtrieren kann, und unsere Bahnbaufirma hat
an 200 Asbestfilter an die Beamten abgegeben, aber rein wird das
Wasser auch dadurch nicht. Am besten lässt man sich, um die
schmutzige Farbe nicht mehr zu sehen, Kaffee damit kochen.
Aerger als die Dysenterie wditet unter den Eingeborenen an
vielen Orten die Ankylostomiasis, die auch bei uns in Deutsch¬
land aus Italien eingeschleppt und in den rheinischen Kohlengebieten
endemisch ist. In Ostafrika ist in manchen Pflanzungen mehr als die
Hälfte der Arbeiter wurmkrank. In den Pugubergen, 25 km von Dar¬
essalam, ist nach Aussage des dortigen Missionars die Hälfte aller
Todesfälle durch diese Wurmkrankheit, Safura genannt, bedingt. Die
Diagnose der Krankheit, die durch eine stetig zunehmende Anämie
gekennzeichnet ist, lässt sich aus den bekannten Eiern, die im Stuhl
in reicher Menge Vorkommen, mikroskopisch leicht stellen. Als Heil¬
mittel hat sich Thymol am besten bewährt. Es w r äre durchaus nötig,
dass eine einheitliche energische Bekämpfung dieser iiir Ostafrika
so gefährlichen Krankheit begonnen würde.
Wie die Eier des Ankvlostomum duodenale, so werden auch die
der B i 1 h a r z i a haematobia Distoma haematobium mit der
Nahrung oder dem Getränk dem menschlichen Körper einverleibt.
Doch bleiben die Larven des ersteren im Darmkanale, während die
Bilharzialarven in die Pfortader sowie in die Venen um Blase und
Mastdarm einwandern und sich da weiter entwickeln. Diese Venen
sind dann vollgestopft mit den erwachsenen Würmern, sie platzen
und mit dem Blute entleeren sich die Wurmeier in Blase und Mast¬
darm. Solches Blutharnen ist bei den Negern eine häufige Krankheit
und man findet im Sediment des Urins die eigenartigen, mit einer
Spitze versehenen Eier. Wir sind bis jetzt nicht Imstande, diese
Krankheit erfolgreich zu bekämpfen.
Als Erkrankung der Lymphbahnen haben wir die Filariasis oder
Elephantiasis und die Pest, wenigstens in ihrem Auftreten als Beulen¬
pest, zu betrachten.
Was die Pest betrifft, so hat Sansibar schon oft grosse Epi¬
demien infolge Einschleppung aus Indien durchgemacht. Durch ge¬
naue Ueberwachung der Kiiste war cs bisher möglich, Dcutsch-Ost-
afrika davon freizuhalten. Durch die in Sansibar ausgesetzten Ratten¬
prämien wird die Pestgefahr dort allmählich vermindert werden.
Aber wir haben in Deutsch-Ostafrika selbst einen Pestherd am West¬
ufer des Viktoriasees in Kisiba. Eine Verschleppung von dort ist bis¬
her vermieden worden, scheint auch bei den wasserarmen Kara¬
wanenstrassen ziemlich unw alirschemhch. Das Hauptsv mptom der
Beulenpest ist neben der Lvmphdrusenschw ellung sehr hohes Fieber.
Die prophylaktische Impfung ist noch unsicher und nicht ungefährlich,
da sich die notige Impfdosis anscheinend schwer bestimmen lasst.
Der Schiffsarzt auf unserem Dampfer liess sich impfen und erkrankte
darnach mit Fieber von über 4«»°. - Wer sich peinlich vor Hautver-
letzungen hütet, durch die der Bazillus eindringen konnte, bleibt von
der Krankheit verschont; anders steht es mit der siel gefährlicheren,
aber auch äusserst seltenen Lungenpest. bei der flussig-blutiger Aus-
wurf neben Atemnot und hohem Fieber beobachtet wird und die an¬
scheinend durch Einatmung des verstaubten Sputums übertragen
w ird.
Das Bild der Elefant iasis ist Ihnen bekannt. Die in den
Lymphbahnen vorhandene Filarie bedingt eine L\ mphstauung und
damit ein starkes Anschw ellen des betretenden Gliedes. Zumeist sind
die unteren Extremitäten oder der Hodensack betallen. Solch ein
erkranktes Glied kann riesige Dimensionen annehmen. Ein Kranker
in Sansibar schob seinen Hodensack aui einem kleinen Wagen vor
sich her. ein Schreiber an der Knste benutzte seinen Hodensack als
Schreibpult. Der Parasit kann auch im Ductus thoracicus sitzen,
bedingt dann Stauung m den die Blase umgebenden L\ mphgeiassen;
letztere platzen und der von dem Kranken entleerte milchige Urin
enthält neben Lymphe auch Filarialai \en. Das Krankheitsbiid fuhrt
den Namen Uhylurie. Die Larven oder Embryonen sind nach
Sclieub e i>.2 mm lang und (».ihm nun dick. Me werden bei Nacht
auch im Blute kreisend gefunden, daher der Name Eilaria sanguinis
oder nocturna. Der erwachsene Wurm wird Ins zu 10 cm lang und
führt den Namen Filaria Bankroiti. Die Infektion erfolgt vermutlich
durch verunreinigtes Wasser, m welches die Embryonen aus den
Moskitos nach deren Tode gelangen. I ie Mucke selbst nimmt den
Embryo beim Blutsaugen in sich aui l nsere Therapie ist bis jet't
bei dieser Krankheit vorwiegend palliativ und beschrankt sich auf
operative Entfernung eines elefantiastisch vergrosserten Gliedes.
Eine weitere Erkrankung,
die mit Vorliebe in den l.\ mph-
organen sich einnistet, ist die
Schlafkrankheit; sie w ird
in den Anfangsstadien auch durch
den Nachweis des Tr\panosonia
gamhiense in drin Saft der ge¬
schwollenen Nackendrusen fest-
gestellt. Als Uebertragerm ist
die Glossina palpahs festgestellt,
eine nahe Verwandte der tilos-
sina morsitans oder Tsetsefliege,
welche das tiir Pferde und Rin¬
der so gefährliche Tsctscfieber
überträgt. Die Schlatkrankheit
hat an der Knste und auf den In¬
seln des Viktoriasees grosse Ver¬
heerungen angerichtet und
manche Inseln total entvölkert.
Eingeschleppt wurde sie dorthin
durch Soldaten aus dem Kongo¬
staat«*.
Die Krankheit beginnt mit
leichtem Fieber. Kopfschmerz,
und Schwindel. Der Patient wird
immer magerer, die Hals- und
Nackendriisen schwellen an. das
Gesicht ist gedunsen. Rumpf und
Extremitäten odematos ge¬
schwollen, die Herzastion be¬
schleunigt. Mit zunehmender
Schwäche und Abmagerung tritt
tiefe Depression, manchmal auch
vorübergehend f:\zitation ein und zuletzt kommt anhaltende
Schlafsucht, die mit dem Tod endet. Ausser in den Drusen nndet sich
das I rypanosoma auch in der Zerebrospinalflüssigkeit und im Blute.
Es kann da jahrelang leben, ohne besondere Erscheinung«, n zu
machen; man rechnet mit einer Inkubationszeit von f> s Jahren.
Als Heilmittel hat sich nach Robert Kochs mühevollen For¬
schungen das Atoxyl, subkutan iniiziert. am besten bewahrt. Pro¬
phylaktischen Erfolg hofft man von der Abholzung eines Streifen
Waldes zu beiden Seiten der Wasserläufe, denn nur. wo Wald und
Wasser beisammen sind, können die Glossmen gedeihen.
W i«* die Erforschung der Schlafkrankheit ist auch die des
Rückfallfiebcrs durch Prof. Koch sehr gefordert worden.
Derselbe hat nachgewiesen, dass die in den Negerhutten häufige
Zecke Omithodorus m o u b a t a. x«»n den Negern Papasi ge¬
nannt, Ueberträgerin des pathogenen ^pirillum auf den Menschen ist.
Diese Spirille findet sich im Eierstock der Zecke, im Fi und im aus-
geschliipften I iere. Nach einer fimbügrgen Inkubation beginnt die
Krankheit mit heftigem Schüttelfrost. Das emsetzende hohe Fieber
bleibt 5 Jage als Continua bestehen. Nach siebentägigem Intervall
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1939
kann ein zweiter, ja später ein dritter Anfall auftreten, der aber meist
kürzer dauert. Die Krankheit selbst lässt sich nur symptomatisch
behandeln. Bezüglich der Prophylaxe muss der Europäer es sich
zur Pflicht machen, nie in den an der Karawanenstrasse liegenden
Rasthäusern oder Negerhütten zu übernachten, sondern sein Zeit auf
einem von Unrat und Abfällen sorgsam gereinigten Platze aufstellen
zu lassen.
Als die gefährlichste Krankheit der Tropen müssen wir noch
immer die Malaria betrachten, ihr und dem in ihrem Gefolge auf¬
tretenden Schwarzwasserfieber sind die meisten Todesfälle zuzu¬
schreiben, obwohl die Wissenschaft in den letzten Jahren in der Er¬
kenntnis und Bekämpfung gerade dieser Krankheit grosse Fort¬
schritte gemacht hat. Während man früher die schlechte Luft der
Sümpfe oder sog. Miasmen, die aus der frisch geöffneten Erde auf¬
steigen sollten, als Ursache angesehen hat, ist man jetzt zu der Ueber-
zeugung gekommen, dass nur durch eine bestimmte Mückenart, durch
den Moskito Anopheles die Malaria übertragen wird, und zwar nur
durch das befruchtete Weibchen, das zur Eiablage Blut nötig hat.
Die Unterscheidung des Anopheles von dem artverwandten Culex
ist nicht schwierig. Die zu beiden Seiten des Stechrüssels befind¬
lichen Fühler oder Palpen sind beim Culexmännchen viel länger, beim
Culexweibchen viel kürzer als der Rüssel, beim Anophelesmännchen
und -weibchen etwa so lang wie der Rüssel. Männchen und Weib¬
chen der beiden Arten sind zudem dadurch verschieden, dass die
nach aussen von den Fühlern dem Kopfe ansitzenden Taster oder
Anthennen beim Männchen starke Fiederung, beim Weibchen nur
kurze Borsten tragen. Bei einem gefangenen Moskito sieht man zu¬
erst nach, ob Männchen oder Weibchen und dann, wenn es ein Weib¬
chen ist, ob Culex oder Anopheles. Zum Moskitofang hat man be¬
sondere Fanggläser konstruiert: ein Glaszylinder ist an einem Ende
mit einem gazeüberzogenen durchbohrten Korken verschlossen, das
andere Ende ist trichterförmig eingebogen. Dieses Ende wird nun
vorsichtig über den ruhig dasitzenden Moskito gestülpt, dieser fliegt
auf und gelangt durch den engen Trichter in den weiteren Zylinder,
aus dem er nicht mehr herausfindet.
Die Mücke sticht den Menschen durch die Haut, spritzt Speichel
ein und saugt denselben dann mit dem zugemischten Blute wieder
an. Mit dem Speichel tritt eine Anzahl Sporozoiten oder
Sichelkeime in den menschlichen Körper ein. Wenn auch die
meisten wieder von der Mücke zurückgesogen werden, so bleibt doch
immer ein Teil derselben zurück. Der Sporozoit dringt nun in ein
rotes Blutkörperchen ein, nimmt Ringform an und zehrt seinen Wirt
allmählich auf. Der erwachsene Parasit verliert die Ringform, er
teilt sich in eine Anzahl kleine M e s o z i t e n, die umschliessende
Hülle des roten Blutkörperchens platzt, die Mesoziten treten aus und
dringen von neuem in rote Blutkörperchen ein. In diesem Stadium
der freien Mesoziten wird der Patient von schwerem Schüttelfrost
gequält. Als ursächliches Moment wirkt vielleicht auch das Frei¬
werden des Pigments, eines Abbaustoffes des Parasiten, das vielleicht
Giftwirkung auf den Körper ausiibt. Im Stadium des hohen Fiebers
findet man bereits wieder die Ringe in den roten Blutkörperchen.
Diese Parasiten können durch Teilung zu einem neuen Rezidiv führen,
oder sie entwickeln sich zu Geschlechtsformen, bei Tertiana Makro¬
gameten und Mikrogametozyten, bei Tropika Halb¬
monde genannt. Die Makrogameten, um bei der Tertiana zu blei¬
ben, also die weiblichen Geschlechtsformen können sich später doch
auch wieder selbständig teilen und so nach längerem Intervall ein Re¬
zidiv veranlassen, oder aber ein Moskito saugt Blut von dem
Menschen und hat nun Makrogameten und Mikrogametozyten in sich
aufgenommen. Nun sind wir also dabei, die Entwicklung des Malaria¬
parasiten im AnoDhelesweibchen zu verfolgen. Aus dem Mikro-
gametozyt entwickeln sich die Mikrogameten, die wir den Samen¬
fäden vergleichen können. Diese befruchten die Makrogameten und
es entstehen die sog. Würmchen, Zvgoten, Oozysten oder Oo-
kineten. Letztere bohren sich durch die Magenwand und bilden
unter der Peritonealschicht desselben kleine Zvsten. diese wiederum
Tochterzysten'= Sporoblasten. In den Sporoblasten entstehen
die Sichelkeime. Die Tochterzysten platzen, die Sichelkeime
wandern durch die Bauchhöhle in die Speicheldrüse und werden
beim nächsten Saugakt wieder dem Menschen einverleibt. Da¬
mit ist der Entwicklungsring geschlossen.
Durch ein regelmässiges prophylaktisches Chinin¬
einnehmen kann der Ausbruch einer Malariaerkrankung verhütet
werden. Die Beamten unserer Firma erhielten Wandkalender, auf
denen jeder 7. und 8. Tag rot angestrichen war, mit dem Auftrag,
an diesen Tagen je 1 g Chinin zu nehmen, und zwar nicht das ganze
Gramm auf einmal, denn das hätte starkes Ohrensausen, Abgeschla-
genheit und Zittern im ganzen Körper verursacht, sondern 5 X 0,2 g.
Diese von N o c h t empfohlene Methode der kleineren Einzeldosen
erzielt dieselbe Wirkung und lässt die unangenehmen Nebenerschei¬
nungen nicht aufkommen. Zur Verwendung kamen meist die Z i m -
me rsehen Gelatineoerlen von 0,2 g. für Kinder Chininschokolade¬
plätzchen zu 0,1 g, für die Schwarzen komprimierte Chinintabletten.
Zur besseren Auflösung des Chinins wurde empfohlen, etwas Saures
nachzutrinken. Während der Dauer des Bahnbaues Daressalam
—Morogoro wurde für 9000 M. Chinin verbraucht.
Von den 3 Arten der Malaria wurde zu allermeist die Malaria
tropica sive Tertiana duplex s. perniciosa beobachtet. Tertiana Sim¬
plex kam seltener, Quartana nur in Ausnahmen zur Beobachtung.
| Die Krankheit beginnt nach 10 tägiger Inkubation mit sehr hef-
| tigern Schüttelfrost, dem bald das Stadium des hohen Fiebers folgt.
Der Kranke bekommt Eis auf den Kopf, erhält ein Abführmittel und
viel Flüssigkeit, etwa Selterswasser, zu trinken. Unter Schweiss¬
ausbruch geht das Fieber zur Norm zurück. Jetzt, sobald die ab¬
fallende Temperatur 37,5° erreicht hat, gibt man 0,2 g Chinin und
setzt das, ganz unbekümmert um die weitere Fieberkurve in drei¬
stündlichen Pausen fort, so dass jeden Tag 1 g gereicht wird. Auch
nach völiger Entfieberung gibt man noch 3 Tage Chinin. Nun setzt
man erst 2, dann 3 Tage usf. aus, schiebt immer 2 Chinintage ein, bis
man wieder bei dem Turnus des 7. und 8. Tages als Chinintag an¬
gelangt ist. So wird ein Rezidiv mit grosser Sicherheit vermieden.
Eine Gefahr, dass der Kranke Schwarzwasserfiebex bekommen
könnte, besteht nicht, wenn das erste Chinin im abfallenden Fieber
und in kleinen Dosen einverleibt wird. Der einzelne Fieberanfall geht
bei solcher Behandlungsmethode zumeist rasch vorüber, ist am fol¬
genden Tage meist noch von einer kleineren Attacke gefolgt, um
dann in Genesung überzugehen. Im Blute des Tropikakranken finden
Sie die kleinen zarten Ringe, die befallenen Blutkörperchen sind
entgegen der Tertiana nicht vergrössert und zeigen nicht die sog.
S c h ü f f n e r sehe Tüpfelung. Bei Rezidiven finden Sie die für
Tropika typischen Geschlechtsformen der Halbmonde.
Das Schwarzwasserfieber ist anzusehen als Hämo¬
globinurie durch Auflösung der von Chinin geschädigten Blutkörper¬
chen. Diese Kenntnis ist noch ziemlich neuen Datums; wir ver¬
danken sie vor allem den diesbezüglichen Arbeiten des Prof. Koch
im Gouvernementslaboratorium zu Daressalam. Koch hat daraus
auch den richtigen Schluss gezogen und jegliches Chinin bei aus¬
gebrochenem Schwarzwasserfieber untersagt, während diese Krank¬
heit früher als vermeintliche schwerste Malaria mit grössten Chinin¬
dosen zu bekämpfen versucht wurde. Der Kranke wird zu Bett ge¬
bracht, der sich einstellende Brechreiz mit Morphium oder mit 1 proz.
wässriger Jodtinkturlösung bekämpft und so viel Flüssigkeit als
möglich per os, per rectum und subkutan zugeführt. So steht zu
hoffen, dass die Blutkörperchenzerfallsprodukte durch die Nieren fort¬
gespült werden, ohne sie zu verstopfen. Sobald die Nieren verstopft
sind, muss man den Kranken für verloren erachten, denn der Anurie
folgen die Erscheinungen der Urämie, die nach 5—10 Tagen letal
endet. Sehr geschwächte Personen können infolge des Fiebers und
des Blutzerfalles, der sich ausser im Urin auch durch starke Gelb¬
färbung der ganzen Haut charakterisiert, allein infolge von Herz¬
schwäche sterben.
Weit besser als alle Therapie ist die Prophylaxe, die hier vor
allem in einem sachgemässen gründlichen Auskurieren eines jeden
Malariaanfalles zu bestehen hat, sowie in der Vermeidung der ersten
Chinindbsen bei steigendem Fieber.
Zum Schlüsse gestatten Sie mir, m. H., Ihr Augenmerk auf
einige Punkte zu richten, die bei der Untersuchung auf Tropen¬
diensttauglichkeit von Bedeutung sind.
Der Mensch, der in die Tropen geht, soll vor allem ein in sich
gefestigter Charakter sein; es hat der Entwicklung unserer Kolonien
ungeheuer geschadet, dass früher öfters ungeeignete Elemente aus¬
gesandt wurden, die bei dem unabhängigeren Leben, bei der Ab¬
geschlossenheit von den Einflüssen der europäischen Umgebung zu
Ausschreitungen neigten oder die den Mangel geistiger Anregung
durch vermehrten Alkoholkonsum zu decken suchten und dadurch
oft in einen Zustand gerieten, der die gewöhnlichen Vorsichtsmass-
regeln vergessen Hess und zu Gereiztheit und Ungerechtigkeit gegen
die schwarzen Untergebenen führte.
Also eine gewisse Selbstzucht ist in den Tropen nötiger noch
als hier. Den Alkoholkonsum konnte ich den Beamten nicht unter¬
sagen, glaube aber einiges Gute dadurch gewirkt zu haben, dass ich
denselben immer wieder vorhielt, dass sie sich desto besser fühlen
würden, je weniger Alkohol sie verbrauchten. Die sexuellen Ver¬
hältnisse werden besser, je mehr weisse Frauen in die Kolonie
kommen^ Abstinenz in diesem Punkt zu fordern wäre erfolglos ge¬
wesen und so schien es das kleinere Uebel, dass viele Leute draussen
Zeitehen schlossen und dadurch die Gefahr der Erkrankung ver¬
ringerten.
Leute, die an stärkerer Nervosität oder sonstigen Schwankungen
des seelischen Gleichgewichts leiden, gehören nicht in die Tropen.
Auch rheumatische Affektionen verschlimmern sich leicht draussen.
Kranke Zähne sind vor der Ausreise zu reparieren, da sie sonst
leicht völlig verderben und zudem zu Verdauungsstörungen Anlass
geben. Durchfall und Obstipation nehmen draussen leicht gefähr¬
lichen Charakter an. Nierenentzündung und Blasenkatarrh neigen in
den Tropen zu Rückfällen. Hautkrankheiten verschlimmern sich in¬
folge der vermehrten Schweissekretion. Geschlechtskrankheiten
müssen in Europa gründlich auskuriert werden, bevor der Betreffende
ins Ausland reist. Augenkrankheiten verschlimmern sich oft infolge
des grellen Sonqenlichtes. Ohrenerkrankungen infolge des unerläss¬
lichen Chiningebrauches, der zu hochgradiger Schwerhörigkeit führen
kann. Lungenkatarrhe nichttuberkulöser Natur heilen in den Tropen
oft rasch aus. Für Tuberkulose der Lunge ist Deutsch-Siid-West
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1940
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
sehr empfohlen, während Deutsch-Ostafrika das Leiden meist rapid
verschlechtert. Das Herz wird infolge des vermehrten Fliissigkcits-
umsatzes stark angestrengt, gelegentlich eines auftretenden Fiebers
wird es aufs äusserste angespannt. Darum sind Leute mit dauernd
beschleunigter oder unregelmässiger Herztätigkeit nicht für die Tropen
geeignet; noch weniger solche mit direkten Klappenfehlern. Jeder,
der ausreist, muss beweisen, dass er 1 g Chinin anstandslos verträgt,
und muss sich ausserdem einer nochmaligen Pockenimpfung, falls er
nach Südwest geht, am besten auch einer Typhusschutzimpfung unter¬
ziehen.
Mögen die kurzen Ausführungen, denen zu folgen Sic die Giitc
hatten, von neuem Ihr Interesse geweckt haben für unsere Kolonien
überm Meere, für das zukunftsreiche grössere Deutschland!
Referate und BQcheranzeigen.
K. Wiedersheim: Der Bau des Menschen als Zeugnis
für seine Vergangenheit. 4. gänzlich unigearbeitetc und stark
vermehrte Auflage. 303 S., 155 Fig. Tübingen, H. Lau pp.
Geh. M. 7.—, geb. M. 8.—.
Wiede rsh ei ms Buch erscheint in der 4. Auflage wesent-
.Hch vermehrt; namentlich sind* die Gebiete der Haut, des
Zentralnervensystems, der Zähne, anderer Teile des Verdau-
ungstraktus u. a. zum Teil neu bearbeitet worden. Sehr an¬
ziehend geschildert sind die neueren Befunde des paläolithischen
Menschen und der Vergleich mit den Anthropoiden. Fiir eine
nahe Verwandtschaft dieser mit niederen Menschenrassen tritt
W. auch auf Grund der neueren biologischen Scrumfor-
schungen des Blutes ein. Der Fachmann wie der Laie wer¬
den bei der Lektüre des Buches des Interessanten genug finden.
Prof. S o b o 11 a - Würzburg.
Francois Moutier: L’Aphasle de Broca. Paris,
G- Steinbeil, 1908. 774 Seften. Preis 25 Fr.
Ende des Jahres 1906 verblüffte der Pariser Neurologe
Pierre Marie die medizinische Welt mit der Behauptung,
dass die Broca sehe Lehre von der motorischen Aphasie
unrichtig wäre und dass die Annahme der Lokalisation
des Sprachzentrums im Fusse der linken Stirnwindung auf
Irrtum beruhe. Die von so autoritativer Seite kommende Ab¬
lehnung einer Hypothese, die wie keine andere in der Gchirn-
rindenlokalisation als gesichert galt, erregte natürlich lebhaftes
Aufsehen und bald erhob sich ein heftiger Streit für und wider
die Broca sehe Lehre. In dem vorliegenden Werke unter¬
nimmt es Francois Moutier, ein Schüler P. Maries, nach
historischer Darstellung der Lehre von der Aphasie, alle Fälle
von zerebraler Sprachstörung, welche seit der Lokalisation
des Sprachzentrums durch Broca, also seit 45 Jahren irgend¬
wo veröffentlicht wurden mit samt den Abbildungen zu repro¬
duzieren (pag. 253—774) und einer kritischen Durchsicht zu
unterwerfen. Auf Grund des Studiums dieser Publikationen
muss man nun allerdings zugeben, dass die Lehre von der
Existenz eines motorischen Sprachzentrums am Fusse der
3. Frontalwindung schwer erschüttert ist. So gibt es in der
ganzen Literatur keinen Fall, in welchem eine isolierte
Läsion der dritten Stirnwindung, wie sie ein kleiner Er¬
weichungsherd auf ischämischer Basis, ein Trauma oder ein
Tumor bedingen kann, motorische Aphasie hervorgerufen
hätte; dagegen lassen sich viele Beobachtungen zusammen-
stellen, die erweisen, dass bei Rechtshändern schwere Broca-
sche Sprachstörung bestanden hat und dass trotzdem
das hypothetische Sprachzentrum mit seiner weissen Sub¬
stanz ganz normal befunden wurde. Jedesmal ist aber dann
in solchen Fällen eine Zerstörung der „zone lenticulaire“. d. h.
der Gegend, welche die Insel, die äussere Kapsel und den
Nucleus lentiformis umfasst, zu konstatieren. Auch ‘in der
ersten Beobachtung von Broca selbst, auf welche er seine
Lehre stützt, handelt es sich, wie die Abbildungen zeigen und
wie aus dem in- dem Dupuytren sehen Museum aufbe¬
wahrten Gehirn jetzt noch zu ersehen ist, um eine ausge¬
dehnte Erweichung der Inselrinde und der ganzen sylvischen
Gegend, also auch hier ist die lentikuläre Zone ergriffen.
Aus der hier gebrachten Zusammenstellung der Welt¬
literatur ist ferner noch zu entnehmen, dass auch das
klinische Bild der motorischen Aphasie nie ein ganz reines
ist; immer und jedesmal finden sich neben dem mangelnden
Sprechvermögen Störungen auch des sonstigen Ausdrucks¬
vermögens wie der Mimik und der Schritt, Verminderung der
Auffassungskraft und starke Beinträchtigung der Intelligenz
und der inneren Sprache. So kommt cs, dass all die schönen
und geistreichen Schemata der Aphasie, wie sie von Mcy-
nert, W e r n i c k e, Kuss m au I, L i c h t h e i m, Ba¬
gin s k i, B r o a d b c n t, Poincare, Charcot, Ballet,
B r i s s a u d, H a n t i, L e u b e u. a. aufgestellt worden
sind (in dem historischen Teile des vorliegenden Werkes sind
27 Schemata wiedergegeben), ebenso wie die Einteilung der
verschiedenen Formen der Aphasie in kortikale, subkortikalc.
transkortikale, auf die einzelne Beobachtung bezogen, nie
richtig passten. Der betreffende Untersucher tröstete sich,
nachdem er sich vergeblich mit der Einreihung seines Falles
in ein Schema geplagt hatte, dann meist damit, dass eben kein
reiner Fall vorliege. Zeigte sich aber, dass trotz isolierter
Zerstörung der linken Stirnwindung keine Beinträchtigung des
Sprachvermogens bestand, so war ja auch stets eine Erklärung
zur Verfügung: es handelte sich eben um einen verkannten und
verkappten „Linkshänder“.
Nach Marie und nach M o u t i e r gibt es also keine
reine motorische Aphasie. Die Storungen in der Artikulation
der Sprache infolge von Gehirnerkrankungen gehen vielmehr
immer mit schwerwiegenden anderen zerebralen Ausfalls¬
erscheinungen einher. Zum Unterschied von dem Kranken mit
Bulbärparalyse, der nicht mehr reden kann, weiss der
Aphatische, auch der angeblich rein motorisch Aphatische.
nichts mehr zu reden. Verursacht ist die Storung der Sprach-
bildung, die also jedesmal mit einer Beeinträchtigung der
inneren Sprache einhergeht, durch eine Zerstörung der Gehirn¬
partie zw ischen der linken Inselrinde und dem linken Seitcn-
vcntrikel. Reicht die Affektion weiter nach hinten und nach
dem Temporallappen zu. so überwiegen die amnestischen Er¬
scheinungen, es kommt dann zu dem Bilde, das Wern icke
als „sensorische“ Aphasie beschrieben hat; sind mehr die
vorderen Partien ergriffen, handelt cs sich also um die
Zerstörung der ..lentikulären Zone“, so treten hauptsächlich
artikulatorische Störungen auf. Jedesmal liegt aber ein mehr
oder weniger grosser Intelligenzdeiekt vor. Die dritte linke
Stirnwindung hat nach Pierre Marie mit dem Sprachver-
mögen nichts zu tun.
Es lässt sich nicht leugnen, dass diese neue Auffassung von
der Aphasie mit den Fällen wie sie uns Aerzten zur Beob¬
achtung kommen, viel besser in Einklang gebracht werden
kann, als die bisher geltende Lehre mit ihren schematischen
Hypothesen. Freilich bleiben auch jetzt noch viele Fragen
ungelöst, so diejenige, ob das Sprachvermögcn auf die linke
Hemisphäre beschränkt ist, ob die rechte Hemisphäre bis zu
einem gewissen Grade für die linke eintreten kann und viele
andere mehr. Und schliesslich muss es doch irgendwo ein
Rindenzentrum geben, in welchem die Gedanken und die inner¬
liche Sprache in die zur Lautbildung notwendigen Erregungen
für die Lippen-, Zungen-, Gaumen- und Kehlkopfmuskulatur
umgesetzt werden! Die Neurologen des Auslandes, d. h. von
Frankreich, Amerika. England und Italien haben sich schon
zum grössten Teil zustimmend zu der neuen Lehre geäussert.
Augenscheinlich fällt es den Deutschen am schwersten, sich
von dem Dogmatismus und den schonen Schemata zu trennen,
jedenfalls liegen von deutscher Seite noch keine nennens¬
werten Arbeiten vor, die sich mit der M a r i e sehen Auffassung
von der Aphasie beschäftigen. Leider können unsere ersten
Verfechter in der Lokalisationstheorie der Aphasie, w ie K u s s -
maul, Me y n c r t. W e r n i c k c nicht mehr auf dem Kampf¬
plätze antreten. Aber auch sie würden dem Autor des vor¬
liegenden Werkes die Anerkennung nicht versagen können,
dass er Alles w as bisher über die Broca sehe Aphasie ge¬
lehrt und geschrieben worden ist, mit Aufwendung eines ganz
ausserordentlichen Fleisses und einer zwar scharfen, aber
nicht zu weitgehenden Kritik zusammengestellt hat. Die Dar¬
stellung M o u t i c r s ist so glänzend und so fliessend, dass es
ein Vergnügen ist, sein Werk zu lesen. L. R. Müller.
Die Behandlung des Krebses mittels Fulguration. Von Dr.
de Keating-Hart in Marseille, l’ebersct/ang von Dr. E.
Schümann, Assistent der chirurgischen Klinik in Leipzig.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1008.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1941
Leipzig 1908. Akademische Veriagsgesellschaft m. fo. H. 37
Seiten. Preis M. 2.40.
Der Verfasser bringt in dem vorliegenden Werk nochmals
^eine kurze und präzise Darstellung des Instrumentariums, der
Technik und der Wirkungsweise seines Verfahrens, das in
Deutschland durch die Veröffentlichungen von Czerny ja
bereits näher bekannt geworden ist. Nach der jetzt vom Autor
befolgten Technik zerfällt der Eingriff am Kranken in 3 Teile:
1. BHtzbehandlung, 2. chirurgischer Eingriff und 3. abermalige
Blitzbehandlung. Durch die erste Fulguration, auf die de K.-H.
grossen Wert legt, wird die Dichtigkeit der Geschwulstmassen
verändert und die Auffindung der trennenden Fläche zwischen
gesundem und krankem Gewebe bei der Operation erleichtert.
Ausserdem wird infolge der vasokonstriktorischen Kraft des
Funkens die Blutung vermindert und die Inokulation von Krebs¬
massen erschwert. Der nun folgende chirurgische Eingriff be¬
steht in der möglichst vollständigen Entfernung alles krebsigen
Gewebes knapp an der Geschwulstgrenze mit Messer, Schere
oder Kürette unter sorgfältiger Berücksichtigung aller ver¬
streuten Krebsknoten; dann folgt endlich die zweite, wichtigere
Fulguration, durch die alle zurückgebliebenen Krebszellen zer¬
stört weiden sollen. Wegen der stets eintretenden enormen
serösen Sekretion ist ausgiebige Drainage der Wunden not¬
wendig.
Die Wirkung der Fulguration beruht nach Ansicht des
Verf vorwiegend auf der Zerstörung der Geschwulstzellen, die
gegen den Funken viel empfindlicher sind als das Körperge¬
webe; trotzdem ist diese elektive Wirkung wohl nicht als der
eigentliche Grund der guten Erfolge anzusehen. Denn mitunter
hören Geschwulstmassen, z. B. Drüsenmetastasen, die garnicht
der Funkenwirkung ausgesetzt waren, nach der Bestrahlung
des Primärtumors in ihrem Wachstum auf und bilden sich sogar
zurück; hier kann von keiner Zellzerstörung die Rede sein,
sondern höchstens von einer Art Lähmung, die auf indirektem
Wege eintritt. Ausserdem beobachtet man konstant eine
ausserordentlich gesteigerte Verrtärbungsfähigkeit der Wunden
und sieht an Rezidiven fast regelmässig, dass sie sehr langsam
wachsen, sich relativ sehr gutartig verhalten und bei erneuter
Behandlung gute Chancen bieten. Diese durchaus konstanten
Erscheinungen beweisen, dass der elektrische Funken eine
spezielle vitalisierende Wirkung auf die Zellen des Organismus
ausübt; dieses Vermögen erklärt die Erfolge in dem Sinne, dass
in dem Kampfe zwischen Körper- und Geschwulstzellen sich
das vitale Uebergewicht auf die Seite der Körperzellen neigt.
Vielleicht ist auch der starke Lymphstrom nach der Fulguration
nicht ohne Bedeutung für die Heilwirkung, da er mechanisch
Geschwulstzellen aus den Lymphbahnen herausschwemmen
kann.
Zum Schluss gibt Verf. 11 kurze Auszüge aus Krankenge¬
schichten miit Abbildungen, die an. sehr ausgedehnten Karzi¬
nomen des Gesichtes, der Zunge und der Mamma die vorzüg¬
lichen, mit seiner Methode erzielten Erfolge erkennen lassen.
Die Lektüre des kleinen Werkes ist allen, die sich in kurzer
Zeit über die Theorie und Praxis der Fulguration unterrichten
wollen, sehr zu empfehlen. Heineke -Leipzig.
Schneidemühle Spezielle Pathologie und Therapie
der Haustiere. III. Abteilung. Berlin, R. Trenkel 1908.
Freiburg i. B. M. 6.50.
Durch das Erscheinen der 3. Abteilung ist nunmehr das
Werk von Sehneidemtihl: „Spezielle Pathologie und
Therapie der Haustiere“ zur Vollendung gediehen. Der Band
umfasst die Krankheiten des Nervensystems, der Schilddrüse
und der Haut, gerade die letzte Krankheitsgruppe ist besonders
ausführlich behandelt. Das Werk sohliesst mit einer umfang¬
reichen Rezeptsammhmg, dessen Güte bei der Gesamtleistung
des Werkes als selbstverständlich erachtet werden muss; sie
wird dem angehenden Praktiker eine willkommene Unter¬
stützung sein und auch von dem Erfahrenen gern zu Rate ge¬
zogen werden. Besonders möchte ich hier noch einmal darauf
hinweisen, dass das Werk Sehne idemühls auch für den
humanen Mediziner besonders zu empfehlen ist. Da der Autor
immer an Krankheiten des Menschen anknüpft, ist es dem
Arzte sehr leicht gemacht, sich in die analogen Krankheits¬
bilder bei Tieren einzuarbeiten; er wird bei aufmerksamem
Studium des Buches eine bessere Meinung von der hohen
wissenschaftlichen Stellung der Tiermedizin bekommen, als
es heute leider vielfach unter Medizinern noch der Fall ist und
wird gegebenenfalls auch für eigenes therapeutisches Ein¬
greifen genügende Anleitung finden. Wenn auch schon gute
und umfangreiche Handbücher in der tiermedizinischen Litera¬
tur vorhanden sind, so wird das jetzt fertig vorliegende Werk
Schnei demühls ob seiner klaren, ausführlichen und doch
kompendiösen Form sich seinen Platz zu wahren wissen.
Küster- Freiburg.
Dr. med. Otto Dornblüth- Wiesbaden: Gesunde Ner¬
ven; ärztliche Belehrungen für Nervenkranke und Nerven¬
schwache. 4. Auflage, Würzburg 1908, A. Stübers Verlag.
Preis broch. 2 M. 152 Seiten.
Das Büchlein ist für Laien geschrieben. Es bringt ausser
einer populären Beschreibung der Nervosität, Neurasthenie,
Hypochondrie und Hysterie nebst ihren Ursachen recht prak¬
tische Winke zur Vorbeugung und Behandlung dieser Krank¬
heiten. Der Arzt, der nicht in jedem populärmedizinischen
Werke ein Konkurrenzunternehmen für seine Praxis wittert,
wird dieses Büchlein gern weiterempfehlen, ja er wird auch
manches für ihn selbst Wertvolle, besonders in den Kapiteln
über körperliche und geistige Diätetik des Nervensystems,
finden. Dr. Heinemann - Eierlin.
Neueste Journalllteratur.
Zeitschrift für Tuberkulose. Band XIII. Heft 1.
Dr. Joh. v. Szaboky, derzeit Kurarzt in Gleichenberg: lieber
Opsonine und deren Verwertbarkeit in der Diagnose, Prognose und
Therapie der Tuberkulose. (Universitätsklinik in Budapest.)
Iq einer längeren, durch reichliche Tabellen belegten Arbeit
berichtet Verf. von deh Ergebnissen seiner Versuche. Der Wert des
Opsoninindexes gesunder Personen schwankt zwischen 0,85 und 1,15.
War er darunter oder darüber, so bestand meistens Tuberkulose.
Man kann aber aus der Höhe des Indexes keine Folgerungen auf den
Grad des Leidens ziehen. Indessen ist es wahrscheinlich, dass starkes
Sinken eine schlechte Prognose bedeutet. Das Uebrige muss im
Originale nachgelesen werden.
Dr. A. H e n n i g - Königsberg i. Pr.: Der Einfluss der deutschen
Meere (Ost- und Nordsee) auf die Tuberkulose der oberen Luftwege.
Der grosse Nutzen des Seeaufenthaltes für Lungenkranke wird
dargelegt, ebenso für Erkrankungen der oberen Luftwege. Die Arbeit
und die Schlüsse daraus halten sich aber nicht frei von Uebertreibungen
(„in der Mehrzahl der Fälle tritt Heilung ein"), ebenso kann man
heute kaum dem fünften Schlussatze zustimmen: Die Errichtung von
Lungenheilstätten und Sanatorien für Lungen- und Kehlkopftuber¬
kulose mit Jahresbetrieb an geeigneten, windgeschützten Plätzen an
den deutschen Meeresküsten ist ein „dringendes Bedürfnis“.
Dr. Ragnar Friberger - Upsala: Eine Untersuchung über .die
Infektiosität der Kleider Lungenschwindsüchtiger.
Die Kleider reinlicher Lungenkranker sind nicht so gefährlich,
als man gemeinhin annimmt, wohl aber die unsauberer. Eine Reihe
von Versuchen werden ausführlich mitgeteilt.
Dr. Kurt v. H o 11 e n - Friedrichsheim: Heilstättenerfolge und
Ihre Kritik.
Verf. geht mit den Kritikern der Heilstätten, besonders mit G r o t-
j a h n, scharf ins Gericht. „Eine Kritik der Lungenheilstätten, selbst
eine schonungslose, schadet der Heilstättenbewegung nicht, wenn sie
nur gerecht ist. Aber unbedingt muss man verlangen, dass der,
welcher eine solche Kritik schreiben will, sich über die Tatsachen, die
bezüglich der Erfolge der Lungenheilstätten veröffentlicht sind, auf das
Genaueste unterrichtet, wenigstens aber über die in der von ihm
selbst genannten Literatur enthaltenen Angaben! Und das hat G r o t-
j a h n nicht getan.“ Liebe- Waldhof-Elgershausen.
Zentralblatt für Gynäkologie. No. 35. 1908.
E. Schroeder -Königsberg: Beseitigung einer Insuffizienz
des Sphincter vesicae durch Verlagerung des Uterus.
Bei einer 37 jährigen Frau war bei der 10. Geburt (Querlage)
eine ausgedehnte Zerreissung der Harnröhre entstanden. Der Ver¬
such einer Harnröhrenplastik gelang nicht völlig; es blieb eine Fistel
und Inkontinenz zurück. Sch. machte nun die Verlagerung des Uterus
nach Wertheim-Schau ta, wobei der durch die vordere Peri¬
tonealfalte herausgestülpte Uterus soweit nach vorne fixiert wurde,
dass seine Hinterfläche die grössere untere Hälfte der Harnröhre noch
deckte. Gleichzeitig Sterilisation durch tiefe Keilexzision beider
Tubenecken. Es trat völlige Heilung ein.
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
MUENCHENEg MEDIZINISCHE WOCHHNSCHK’IIT.
N<*. 27.
1942
Fr. E n g c 1 in a n n - Dortmund: Kürette und Abortbeliandlung.
E. hat eine Unlirage bei Aerzten veranstaltet, tun fcst/ustellcn.
welche Methode der Abortbeliandlung am meisten gefebt wird. Von
54 Aerzte, die weit über 151)0 Aborte im Jahre behandelt haben, waren
46 unbedingte bezw. bedingte (6) Anhänger der Kürette. E. sehliesst
daraus, dass in der Praxis die Kürette sieh nicht als das gefährliche
Instrument erweist, als das es vieliaeh hingestellt wird.
V. E r o m m e r - Wien: Transplantation des Scheidenepithels als
neues Verfahren zur Heilung der Erosionen der Portio vaginalis.
Nach Auskratzung der Erosionen trügt F\ mit flachem Messer ein
entsprechend grosses Stück der epithelialen und sttficpitliciialcn
Schichtenfläche aus der Vaginalschleimhaut ab und breitet in Bcekcii-
hochlagcrung das Schcidenepithel mit der subepithelialen Schichtcii-
fläche auf die angefrischte Fläche aus. Nähere klinische Angaben
fehlen. F. spricht nur von einem mit bestem Erfolge ausgefiihrten
Versuch. J a f t c -1 Limburg.
Monatsschrift für Kinderheilkunde. Band VII. No. 4.
(Juli 1908.)
Referate. — Vereinsberichte. — Buchbesprechungen.
Albert Uffenheimcr - München.
Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie.
59. Bd. 1. Heft. 1908.
1) T. T a n a k a - Tokio: lieber die Viskosität, Gefrierpunktser¬
niedrigung, Azidität und elektrische Leitfähigkeit des normalen Harns
und des Phloridzindiabetesharns von Japanern.
Bericht über die Resultate der im Titel genannten Methoden bei
Anwendung auf Harne der Japaner ohne neue Ergebnisse.
2) O. P o r g e s und E. P r i b r a m - Wien: Zur Kenntnis der
chemischen Vorgänge bei der Phosphorvergiftung.
Aus den Versuchen ergibt sich, dass die Phosphorleber in höherem
Masse an Hexonbasen verarmt, als es der Eiweissabnahme ent¬
spricht. Es findetu also eine erhöhte Eiweissspaltung statt. Pie auto¬
lytische Bildung von mit Salzsäure abspaltbarem N aus Stollen, die
solchen nicht enthalten, ist dagegen in P.-Ecbern nicht gesteigert
und wird durch Arginase bezw. Adenase und Guauasc bew irkt.
3) O. P o r g e s und E. P i i b r a in: lieber den Eniluss des Kal¬
ziums auf die Diurese.
In die Blutbahn gebrachtes Kalziumclilorid entwickelt als Salz
eine diuretische Wirkung von annähernd gleicher Grosse wie das
Kochsalz. Nur in grösseren (iahen ruft es eine Blutdruckscukuug
durch Wirkung auf den Zirkulationsapparat und damit eine Hem¬
mung der Diurese hervor.
4) A. Fröhlich und O. L o c w i - Wien: Untersuchungen zur
Physiologie und Pharmakologie des autonomen Nervensystems. I.
Mitteilung: Ueber die Wirkung der Nitrite und des Atropins.
Unter autonomem System im engeren Sinne verstehen die Verf.
jenen Teil des vegetativen Nervenapparates, der sieh aus einem
kranialen und einem sakralen Anteil zusammensetzt. Die Fasern des
ersteren entspringen aus Mittelhirn und verlängertem Mark, die des
letzteren aus dem Sakralteil des Rückenmarks. Dem autonomen steht
das sympathische System im engeren Sinne gegenüber, dessen Fasern
aus dem Rückenmark zwischen erstem Thorakalscgmeut bis viertem
Lumbalsegment entspringen,
Die Verf. hatten sieh nun die Prüfung zur Aufgabe gestellt, ob
sich die funktionell verschiedenen Nerven des vegetativen Systems
autonomer und sympathischer Herkunft chemisch, d. i. durch ihr \ er¬
halten gegenüber (litten differenzieren lassen. In der Tat stellte sieh
auf Grund eigener Versuche und der Eiteratiirangaben heraus, dass
Nitrite dauernd oder vorübergehend die Erregbarkeit lediglich auto¬
nomer, nicht sympathischer Nerven vernichten und zwar nur der¬
jenigen, deren Funktion „Hemmung" ist.
Das Atropin dagegen vernichtet lediglich die Erregbarkeit auto¬
nomer, nicht sympathischer Nerven, deren Funktion ..Forderung'* ist.
Die alleinige Ausnahme bilden die sdiwcisstrcihciulcn Nerven. Bei
Zusammenfassung der bislang bekannten Giftwirkungen ergibt sieh
folgendes Schema:
Nerven
a) Fördernde
b) Hemmende
Reiz
Lähmung
Reiz
Lähmung
1. Autonome
Pilokarpin
Atropin
Nitrite
2. Sympathische
Adrenalin
Ergotoxin
Adrenalin
Diesen Giften, die sämtlich auf Nervenendapparatc wirken, ist
noch das sowohl autonome wie sympathische Ganglien erst reizende
dann lähmende Nikotin anzusehliesscn. Fs ist demnach bewiesen, dass
die funktionell verschieden wirkenden Nervenapparate im Laufe der
Entwicklung eine chemische Differenzierung erfahren hüben.
5) (). Loewi und E. Neubauer- Wien: Ueber Phlorhlzlu-
diurese und über die Beeinflussung der Phtorhlzinzuckeraussclieidiing
durch Diuretika.
Digitized by GOO^lC
\\ idersprcchmdc Angaben B i be r 1 e I d s und W c I' i r > scm.-
lassten die Verfasser in erneuten \e#Üieh«.n nach/uw eisen.
Phlorhizin/uiiihr die Koehsal/aiissJiejtHmg im < k-gciis.ii/ zu amk'<m
diuretiseh wirkenden Mitteln in keiner Weise beenmusst; namei«:
auch mellt im Mime einer Hemmung. I ernel* dass uie I ’<i:• rh:/n-
zuckerati.sscheidiiiig durch sogen. anige'ct/!e Pmresc mdil
w ird
6) A. Fröhlich mul G. l.oew i-Wim: Ueber vasokonttrik-
torische Fasern in der Chorda t\mpani.
Mittelst Nitrit\ergmung, welche die \ asoddatl&f eiu!m Cb
eiidigiingen lahmt, gelang dem \ e r i. der Nachweis \..n \av"K"ii-
stnktoreii der Chorda. I s sind autonome lasein m d wurden du'ch
Pilokarpni gereizt und durch \lr• '{nn gelahmt.
7) I). .1 o n e s e ii - Bukarest mul (). l.oew i-\\ieii: Leber eine
spezifische Nierenwirkung der Digitaliskörper.
Nach diesen t ntcrsiichunge n wirken die Pigita isk.rper d:u-
retiseh auch in Gaben, die dut Butdriick hIht ha.upt mdit oder nur
unbedeutend steigern. Die l ts,tJie dieser | »rgita.isdiur esc mt e:r;e
F.rw eiterung der Nier etigeiasse und letztere die Folge i.ner direkte",
peripheren Nlefeiigeiassw irkung der Digilaiiskor per.
M (). l.oew i-Wien: Leber eine neue Funktion des Pankreas
und ihre Beziehung zum Diabetes mellitus.
l.oew i ging bei seinen intere^s.uiten Wisfehm \'<n der l ehe r-
legIIhg aus. dass der Diabetes nach Pank r e.m Wo p.r.n ui durch, v : c
gesteigerte l mw aiidlung des (i!\k"gens m /Ucker bedingt sei. Pt
der Norm wurde der Reiz zur t il\ kogeimmw an.düng durch Lin*- v. rn
Pankreas ausgehende l.ii egung des s\ mpatlnsc hc n Ner \ eiis\ sten.s ge¬
hemmt und reguliert, wahrend sich hu torti.iil fieser Hemmung fig
l eber etnpiiridli Jikeil der gl\kogmumw anddfeft n ( h gälte emMc c.
Zur Prüfung der Richtigkeit dieser M\p<-t!iese wählte I.. uie Pup; e.
deren Dilatation unter dem heiimienden I imiwss des obersten ll.i>-
ganglion stellt. Dieser hemmende Fimluss \uhindert in der S.-nn.
dass instruiertes oder mu/icrus Adrenalin eine M\druisis hersorrutt:
sehaltet mau ihn aber durch I xstirpatiou des ( igl. cer\. supr. aus. s >
tritt eine beträchtliche Mwlnasis ein. 1 s ist als.» durch den I inifit:
oder das Ausbleiben einer M\driasis naJi Adreria.i.iapplikati'-u e::i
Entscheid über die FunktmöMiichtigkeit s\ mpathrsd.cr llcmmurucn
und damit auch der Richtigkeit der L.sdien li\ pothese ii..' s 1iJi.
W ährend nun bei gesunden Mcrmdiui. Mumien und Katzen AcPe-
iialiiiiiistillation m den koinmikm ais.uk ohne l .lühiss aut die Pu-
pillenweite ist, trat nach PaftiivaseWir patidp bei den \ crsiidiM.c rm
Mvdriasis ein: ebenso bei I" um 1s I Made liker n. Danach hat das
Pankreas in der lat die I unkte ui. die A Jr mahiicmpfmd u heit ge¬
wisser, sympathisch inner\ lerter (irgaue zu lu mmui und die Adrc-
nalmprobe kann zur Diagnose \mi I hmk rcas.mi ktioimn benutzt wer¬
den. Me fallt ferner positiv aus bei imind.ui lahm \"ii Kmed -w.
in denen möglicherweise die Adreiiaiineutptimi'ic!i*uit durdi IBpcr-
thyreoidismus her vorger uiun ist. Bei anderen k ratmlu iten blü h die
Reaktion negativ. .1. M Miler- Nürnberg.
Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, wi Band
Heft. 19i );s.
1) Josef Koch-Berlin: Ueber Beziehungen der Staphylokokken
und Streptokokken zu den (iallcnw egen.
In seinen Versuchen w mischte \ert. die Zeit der Ausscheidung
mul den I intiuss \ er sgllnedeiier Mengen der inu/icrten k Ultimen bei
der F.lmimierimg lest/ustc 1 ic n. Ir benutzte me-rfehefeGtlfogc ne
Stapln lokokken- und Mrcpn 'Kokkeiist.imme aus i'nsJien k ranklieits-
herderi lind aus der Obertiache des kotpeis. |r Kumte lestste.ien.
dass fast regelimisig bei deij langer daiiiimiiii liitekti"iien. die ktinst-
lieh durch StapfiA lokokken er/eiigt waren, eine Anss v !ie idimg \ » n
Kokken durch die l.eber und i ia,.e ein; i itt. In dir ( uie waJseii und
vermehren sie sich lebhatt und alte ne reit d:e ' ia he nl' ave dirndi gfic
von ihnen ausgeschiedeiien < nile. Mit S||f pt"k"kkeu lasst sich auf
hämatogenen Wege eine deiaitege I r kt unbillig nicht erzeugen, es
muss vielmehr angenommen werden, d.fes sie bei dm Streptokokken
aui dem Wege der L\ mphhuhnui des Inte stm.i.t; aktus Nur sieh geilt.
Verf. glaubt nicht, dass die Stapln lokokken ohne weiteres rm engen
Zusammenhang mit den < lalleiisteinl'ildimgcn stellen, ledentaüs siebt
er das (ieriist der Steine nicht als durch Stapln ’a-kokketl entstanden
an; eher aus den abgestossmen Epitheln.
2) A. Ost er ma n n - Br esiau: Die Bedeutung der Knntaktinfek-
tlon für die Ausbreitung der Tuberkulose, namentlich im Kindesalter.
Als l älter such u ngsob.iekte dienten eine ganze Ruhe \"ii lärmten
in Breslau, welche unter den Schlichtesten Ir. .jcmsjicn \e r i:.iit-
mssen lebten und bei denen ein Ins mehrere Mitglieder an 'I nbyr-
k u lose litten. Veil. mite i suchte die Ihindc tmd aadi den I ussb. de n.
Im ganzen fand er bei 42 kimlerri 4 mit Tuberkeihaziilcn an den
Fingern behaftet; und nur in der Hälfte der I .die waren in den
..schlechtesten" W ohnungen Tuberki!ba/i!len auf dem I iiss! rn!en zu
finden. Auch die l’iitersuchungeii über Kottta^ tmfeMloii bei I rwach-
Seilen ergaben gu listige re Resultate wie sie erwartet w urderu Wes¬
halb Verf. sehliesst, dass die Gelabt der k’om.i-.t .bertagung bei der
Tuberkulose nicht aUvuhodi euuesdi.P/t Werden darf. Jedenfalls
sollen die einmaligen kurzdauerfeien Koft&vk-ic mdit als ernste In¬
fektionsgefahr angesehen werden.
Original From
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1906.
MUENCHEMER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1943
3) A. Ostermann -Breslau: Infektiönschancen beim Genuss
von Milch und Milchpräparaten von perlsüchtigen Kühen.
Durch kritische Literaturstudien und einige eigene Versifche ge¬
langt Verf. zu der Ansicht, dass die Beteiligung der alimentären
Tuberkulose an der Gesamtfrequenz als eine ausserordentlich geringe
bezeichnet werden muss. Nichtsdestoweniger solle ein sorgloser
Genuss von roher und ungenügend gekochter Milch nicht gestattet
werden.
4) Bruno H e y m a n n - Breslau: Weitere Beiträge zur Frage
über die Beziehungen zwischen Säuglingsernährung und Tuberkulose.
Seinen früher gemachten Erhebungen fügt Heymann einige
neue hinzu aus Rumänien, den Faer-Oerinseln, aus Aegypten und der
Goldküste. Er führt diese Beobachtungen an als erneute Beweise
dafür, dass die Tuberkulose auch ohne Aufnahme von tuberkelhaltiger
Nahrung eine ebenso grosse Verbreitung finden kann, wie unter Ver¬
hältnissen, wo Gelegenheit zu Infektion mit Perlsucht gegeben ist.
Einer Infektion durch tuberkelbazillenhaltige Nahrung sei daher nur
eine äusserst geringe Bedeutung beizumessen.
5) H. Reich enbac h-Brcslau: Experimentelle Untersuchungen
über die Eintrittswege des Tuberkelbazillus.
Die Untersuchungen erstrecken sich auf vergleichende Versuche
über Inhalation und Fütterung an Meerschweinchen mit verein¬
fachter Methodik, auf Versuche an Ziegen, auf Fütterung von Meer¬
schweinchen mit wiederholten kleinen Dosen und auf Versuche mit
Ausschluss des Nasenrachenraumes Es gelang der Beweis, dass
überall dort, wo eine Infektion mit Tuberkelbazillen durch Fütterung
erzeugt werden kann, sie viel rascher und sicherer und mit viel
kleineren Dosen auf dem Inhalationswege zu erreichen ist. Der Er¬
folg ist nur den wirklich in die Lungen gelangten Tuberkelbazillen
zuzuschreiben. Alte Tierexperimente sprechen im Gegensatz zu
Calmettes Anschauungen für die höhere Bedeutung des Inha-
lationsw r eges.
6) Joh. Alexander -Breslau: Das Verhalten des Kaninchens
gegenüber den verschiedenen Infektionswegen bei Tuberkulose und
gegenüber den verschiedenen Typen des Tuberkelbazillus.
Die am Kaninchen gemachten Beobachtungen ergaben, dass die
Fütterung hinter der Inhalation mindestens so viel zurücksteht, wie
beim Meerschweinchen. Die Fütterung mit Typus humanus blieb
selbst bei 180 mg nach 31 Tagen und 6 mal 5 mg nach 6 Monaten
völlig erfolglos. Inhalation war dagegen bei 25 000—50 000 Bazillen
des Typus humanus und schon bei 100 Bazillen des Typus bovinus
sicher wirksam. Hierbei liess sich senr deutlich auch der gewaltige
Unterschied zwischen der Infektiosität des Typus humanus und Typus
bovinus feststellen und ebenso die verschiedene Empfänglichkeit un¬
serer Versuchstiere für die tuberkulöse Infektion.
7) B a 11 i n - Breslau: Das Schicksal inhalierter Schimmelpilz¬
sporen.
Schimmelpilzsporen werden sowohl bei trockener wie bei feuch¬
ter Verstäubung mit dem Inhalationsstrom direkt bis in die Alveolen
transportiert. Sie dringen nach kurzer Zeit in das Gewebe der Al-
veolarzwischenw'ände, und zwar auch die nicht virulenten; dort findet
auch das Auskeimen der Sporen statt.
8) Bruno Heymann - Breslau: Versuche an Meerschweinchen
über die Aufnahme inhalierter Tuberkelbazilien ln die Lunge.
In den Lungen mittelgrosser Meerschweinchen sind 1 Stunde
und später nach der Inhalation von 10 000 Tuberkelbazillen dieselben
stets nachzuweisen und zwar auch in den periphersten Partien. In
den Bronchialdrüsen erst drei Tage nach der Inhalation, nach 6 Tagen
jedoch nicht mehr. Benützt man zur Inhalation 1000 000 Bazillen,
also eine bedeutend grössere Dosis, dann findet man sie auch in den
Bronchialdrüsen bereits 1 Stunde nach der Inhalation, woraus sie
dann nicht mehr verschwinden. Es gelang auch den mikroskopischen
Nachweis zu führen, dass die Tuberkelbazillen in den Alveolen und
feinsten Bronchien eingewandert waren. Demnach scheint auch beim
Menschen sehr vieles dafür zu sprechen, dass der Inhalationsweg der
gangbarste zur Infektion mit Tuberkulose ist.
9) Köhlisch -Breslau: Untersuchungen über die Infektion mit
Tuberkelbazillen durch Inhalation von trockenem Sputumstaub.
Die Infektionsgefahr mit Tuberkelbazillen im trockenen Staub
tritt gegenüber der „Tröpfcheninfektion“ weit zurück. Eine derartige
Infektion kann zwar erfolgen, es müssen aber eine Reihe günstiger
Momente Zusammentreffen, ehe sie wirklich eintritt. Die durch Ver¬
schlucken von Staub in den Organismus gelangten Tuberkelbazillen
sind an Zahl zu gering, um eine Infektion vom intestinalen Wege aus
zu erwirken.
10) H. Reichenbach und Bock- Breslau: Versuche über
die Durchgängigkeit des Darmes für Tuberkelbazillen.
Nach den Versuchen der Verfasser findet beim Meerschweinchen
bei Fütterung mit nicht allzugrossen Dosen von Tuberkelbazillen ein
rascher Durchtritt durch die Darmwand nicht statt. Eine rasche
Erkrankung der Lunge ist also bei dieser Einverleibung der Tuberkel¬
bazillen nicht zu erwarten.
11) O e 11 i n g e r - Breslau: Die Disposition der Lunge zur Er¬
krankung an Tuberkulose.
Wenn die Lungen an Tuberkulose erkranken, so ist eine erhöhte
Disposition des Lungengewebes anzunehmen, welches auch auf Ein¬
wanderung von wenig Tuberkelbazillen mit einer Erkrankung rea¬
giert Kreisen Bakterien in der Blutbahn, so werden sie viel eher
in Milz und Leber und anderen Organen abgelagert als in der Lunge.
Werden Tuberkelbazillen nach Verfütterung lediglich in der Lunge
gefunden, so ist es dann völlig sicher, dass sie nicht auf dem Blut-
w r ege in die Lunge gelängt sind.
R. O. Neumann -Heidelberg.
Berliner klinische Wochenschrift. No. 36. 1908.
1) H. C h i a r i - Strassburg: Ueber eine in Spontanheilung be¬
griffene Abreissung des linken Leberlappens.
Dieser Befund wurde bei einem 39 jährigen Bahnarbeiter er¬
hoben, der zwischen 2 Eisenbahnpuffer geraten' war und 3 Wochen
nachher an einem im Anschluss an das Trauma entstandenen Magen¬
geschwür zu gründe ging. Der abgerissene Leberlappen lag neben
der Milz, total nekrotisch.
2) P. Mühlens -Wilhelmshaven: Ueber einige fieberhafte
T ropenkrankheiten.
Kurze Zusammenstellung über die Symptomatologie und be¬
sonders die parasitäre Aetiologie mehrerer neu erforschter Tropen¬
krankheiten (Schwarzes Fieber, Rückfallfiebererkrankungen verschie¬
dener Art. Denguefieber, Sieben Tage-Fieber, kanarisches Fieber,
Shangaifieber u. a.).
3) R. K o t h e - Berlin: Das neutrophile Blutbild im Frühstadium
der akuten Appendizitis.
2 Tabellen geben Uebersicht über die Untersuchungen des Verf.,
der hiebei auf die quantitativen Verhältnisse der einkernigen neutro¬
philen Leukozyten den Hauptwert legt. Je mehr die Zahl derselben
über 6 Proz. (Norm!) hinausgeht, desto bedeutungsvoller die In¬
fektion, desto nötiger meist die Operation. Die Gesamtzahl der Leuko¬
zyten überhaupt ist nicht so ausschlaggebend.
4) G. Franchini - Florenz: Beitrag zum chemischen und histo¬
logischen Studium des Blutes bei Akromegalie.
Aus seinen im Einzelnen mitgeteilten Untersuchungen schliesst
Verf., dass bei der Akromegalie sich oft Blutveränderungen finden,
besonders betreffs der Leukozyten (Eosinophilie etc.); auch chemische
Veränderungen, kommen vor, besonders ein gewisser Grad von
Lipämie und eine Zunahme der Mineralbestandteile.
5) S. M ö 11 e r - Berlin: Ueber chronischen acholurischen Ikterus
mit Splenomegalie.
Von 2 Fällen dieser sehr seltenen Affektion w r ird eingehend der
Befund mitgeteilt. Im I. Falle bestand die Gelbfärbung der Haut seit
dem 15. Lebensjahre, mässige Anämie, erheblicher Milztumor; im
Harn nur Urobilin, kein Bilirubin. Im 2. ähnlichen Falle war die
Anämie geringer. Als Ursache ist eine noch unbekannte, chronisch
wirksame Noxe anzunehmen. In einem Zusatz berichtet H. S t r a u s s
über den weiteren Verlauf bei 2 früher von ihm beschriebenen Fällen
der Art.
6) M. P. Ni k i t i n - St. Petersburg: Ueber den Bechterew¬
schen „Beugereflex der Zehen“.
Grösstenteils literarische, nicht zum Referate geeignete Ex¬
kursion. Den Beugereflex der Zehen konnte Verf. bei Gesunden oder
nur funktionell Nervenkranken nie konstatieren. N. berichtet dann
noch über das Verhältnis im Vorkommen des B a b i n s k i sehen und
des Bechterew sehen Reflexes bei von ihm untersuchten 35 Ner¬
ven- bezw. Gehirn-Rückenmarkskranken.
7) M. J. Rosto wz ew-Dorpat: Das Kernigsche Symptom
bei Tetanus.
Schluss folgt.
8) Falkenstein -Gross-Lichterfelde: Zur Behandlung der
Gicht.
Seiner Salzsäurebehandlung der Gicht will. Verf. auf Grund
weiterer Erfahrungen Kuren mit Jodglidine, sowie subkutane Injek¬
tionen von 25 proz. Jodipinöl hinzugefügt wissen, da das Jod ebenfalls
auf die Harnsäureproduktion einzuwirken vermag.
Grassmann - München.
Deutsche medizinische Wochenschrift. 1908. No. 36.
1) E. H a r n a c k - Halle: Ueber die Missstände in der Hell¬
mittelproduktion, unter besonderer Berücksichtigung der Pyrenol-
frage.
Verf. beleuchtet gewisse unreelle Strömungen in der modernen
Heilmittelproduktion. Gemische von teils heterogenen bekannten
Arzneisubstanzen werden mit fragwürdigen chemischen Formeln
unter grosser Reklame auf den Markt geschleudert und kritiklos an¬
gewendet. Die Schaffung einer amtlichen zentralen Prüfungsstelle
für neue Mittel wäre wünschenswert.
2) Saar-Berlin: Ueber Behandlung mit Pyozyanase bei Diph¬
therie, Scharlach und Anginen.
Bei Scharlach- und anderen Kokkenanginen, besonders aber bei
der Plaut-Vincent sehen Angina wirkte Pyozyanase, mittels
Zerstäuber 3—4 mal täglich eingeblasen, vorzüglich. Bei Diphtherie
kann sie, da sie nicht diphtheriegiftbindend zu sein scheint, nur neben
dem Heilserum angewandt werden; doch scheint dann von letzterem
eine geringere Dosis zu genügen; bei erwachsenen Diphtheriekranken
genügt Pyozyanase, rechtzeitig angewandt, allein.
3) Julius Baer und Leon B1 u m - Strassburg i. E.: Zur Wir¬
kung der Glutarsäure auf den Phlorldzindiabetes.
Digitized by (^QuQie
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1944
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Verff. halten ihre frühere Ansicht, dass die Glutarsäure auf den
intermediären Stoffwechsel wirke, den Thesen W i 1 e n k o s gegen-
iiber unter entsprechender Begründung aufrecht.
4) Wilh. M e n y h e r t - Ofen-Pest: Eine rasche und genaue Be¬
stimmung der Endreaktion bei der Zuckertitration mittels Fehling-
scher Lösung.
Auf dem Reagenzpapier, bestehend aus feinem Filtrierpapier«
getränkt mit Essigsäure und Ferro/.yankalilösuug und getrocknet,
bildet ein Tropfen F e h I i n g scher Losung einen dunkcIvioletlen
Ring (Ferrozyankupfer); derselbe wird desto blässer, je mehr Kupfer
in der Lösung reduziert wurde, und verschwindet mit beendigter
Titration ganz, während dann ein dunkler Kuprooxydkern zuriick-
bleibt.
5) f:. W i e 1 a n d - Basel: Klinische Untersuchungen über Früh-
rhachitis.
Untersuchungen an Neugeborenen, deren Knochensystem noch
eine zeitlang kontrolliert wurde, führten W. zur Ueber/eugung, dass
angeborene Rhachitis nicht vorkommt. An der Knochenkuorpclgien/e
des Thorax von Neugeborenen fühlt man, namentlich bei kräitiger
Entwicklung, kleine Wülste und Kanten, ein rhachitischer Rosenkranz
dagegen kommt beim Neugeborenen nicht vor; ebensowenig Fpi-
physenauftreibungen in rhachitischem Sinne. Zu unterscheiden sind:
Chondrodystrophia foetalis, ferner angeborene Verkrümmungen langer
Röhrenknochen infolge intrauterinen Druckes auf noch ungenügend
ossifizierte Knochenpartien. Der „angeborene W eichschädel“ ist von
der Craniotabes rachitica durch die Lokalisation unterschieden, er
betrifft die am stärksten gewölbte Kopfpartie („Kuppenerweichung“),
das Occiput ist in der Regel hart. Kinder mit angeborenem \\ eich-
schädel, die Verf. kontrollierte, entwickelten sich normal weiter, die
Köpfe wurden und blieben hart. Sekundär kann der bereits hart ge¬
wordene Schädel rhachitisch erkranken (Elsässers Kraniotabes).
Verf. nimmt als sehr wahrscheinlich an, dass intrauterin nur die
Disposition zu Rhachitis, nicht diese selbst übertragen werden kann.
6) 0. Herxheimer und K. F. H o i i nt a n n - W iesbaden:
Ueber die anatomischen Wirkungen der Röntgcnstrahlen auf den
Hoden.
Untersuchungen am Kaninchen zeigten, dass zunächst die
höchstdifferenzierten Zellen des Hodens und zwar die Spermatiden
geschädigt werden, dann die Spermatozyten und Spermatogonien. An
Stelle der zu gründe gegangenen Samenzellen wuchern die S e r t o I i-
schen Fusszellen; die Samenkanälchen kollabieren, die Zwischen¬
zellen wuchern. Nach einiger Zeit geht eine ziemlich vollkommene
Regeneration von den erhaltenen Spermatogonien aus.
7) E. H ö n c k - Hamburg: Gibt es objektive Gründe« die uns ver¬
anlassen können, Blinddarmkranke nach Operationen im fieberfreien
Intervall frühzeitig aufstehen zu lassen?
Mit dem früheren Aufstehen ging die sonst noch längere Zeit
erhöhte Temperatur rascher zurück.
8) M a i n z e r - Nürnberg: Das W es tpha Ische Zeichen bei
Gesunden.
2 Beobachtungen, 32 jähr. Frau und 7 jähr. Kind; hereditäre Lues
im Spiel.
9) Scheffzek - Breslau: Zur Behandlung der Schädellmpres-
slon der Neugebornen.
Erfolge durch Hebung des deprimierten Stückes mittelst kork¬
zieherartigen Instrumentes nach B a u m in.
10) Magnus N e u m a n n - Berlin: Automatischer Paquelln.
Druckball wird durch Wasserkraft (Harnzentrifuge mit Schwung¬
rad) dauernd komprimiert. R. Grashey - München.
Italienische Literatur.
Quyot: Ueber Bakterienhämoagglutlnatlon. (il Morgagni, Juli
1908.)
Ueber Agglutination roter Blutkörperchen durch Bakterien im
Gegensatz zur Serumhämoagglutination berichtet ü. aus dem T i z -
z o n i sehen Institut in Bologna.
G. konnte dieses merkwürdige, zuerst von Kraus und Lud¬
wig 1902 (Wien. klin. Wochenschr.) festgestellte Phänomen konsta¬
tieren bei einer Reihe verschiedener Stämme von Kolibazillen, welche
die roten Blutkörperchen verschiedener Tierarten agglutinierten. Die
verschiedensten Individuen derselben Tierspezies zeigten im gleichen
Masse das Agglutinationsphänomen gegenüber den gleichen Bakterien.
Bakterienagglutinine als Sekretions- oder Exkretionsprodukte der
Bakterien in den Kulturprodukten waren nicht nachweisbar, ebenso
nicht in Kochsalzlösungen, sondern die Hümoagglutination erfolgt
durch eine Reaktion von Körper zu Körper zwischen den Bakterien
und den roten Blutkörperchen. Auch durch Formalin abgetötete
Bakterien behalten ihre agglutinierende Eigenschaft. Die Agglu¬
tination ist also keine Lebensäusserung der Bakterien selbst. Saure,
alkalische oder neutrale Reaktion des Vehikels, in welches die Bak¬
terien eingetaucht sind, hat keinen Einfluss auf das Zustandekommen
und die Intensität der Reaktion; dagegen wechselt die Intensität mit
dem Wechsel der Natur und der Zusammensetzung des Bakterien¬
vehikels.
Die hümoagglutiniercnde Eigenschaft der Bakterien ist wahr¬
scheinlich eine einzige und identische für alle Bakterien und eine
Spezifität der Bakterienhämoagglutinine scheint ausgeschlossen.
F e d e 1 i bringt aus dem M a r a g 1 1 a n o sehen Institut in Genua
einen experimentellen Beitrag zum Studium der Mischinfektionen bei
Tuberkuloseinfektion. (Anuali dcll'istituto Maragliano, vol. 2. ias-
cicolo IV).
Derselbe erstreckt sich auf die am gew ulmliJisten vorkommen¬
den Mikroben: den Diplococcus Frankel, den Streptococcus und
Stapln lococcus aureus und den Tetragomis und ihre Wirkung gemein¬
sam mit dem Tuberkelba/illus bei Meei scliw einGie n. Kaninchen und
weisen Mausen. Aus der langen Reihe dieser I'.' perimcnte geht nicht
nur die gegenseitige \ iruleu/cr liohimg zwischen diesen Keimen und
dem Tuberkeiba/illus deutlich hcr\or. sondern juJi die Tatsache, dass
man auf diesem Wege eine bestimmte Mikrohenan tur bestimmte Tiere
pathogen machen kann, wahrend sie an und für sieh unschaJiieh ist.
So gelingt es, eine Diplokokkenseptikamie bei Meerschw eine heil zu er¬
zeugen und ebenso Immen kurzer Zeit schwere patnoiogmJi-ana-
tomisehe Veränderungen, wie man sie bei 1 immpfuig des 1 uherkcl-
baziiltts allein nicht bewirken kann.
R niiiaiielli: Mikroskopische und experimentelle Untersuchung
des Blutserums in Bezug auf den Opsonin- und Phagoz> toseindex.
(Annali eie11 istituto Maragliano, vol. 2. fase. I\.)
R. berichtet über ö Serien von KaumJieimnpiimgen mit abge-
toteten Tuberkelba/illeneniulsioiien. desgleichen über Impfungen \oii
Affen.
Er fand, dass in allen Fallen mit durch Hitze abgetoteten I u-
berkelkuitureu. Kulturell sowohl als auch mit Fiter, welcher an
den Stellen, wo diese Produkte injiziert waren, sich gebildet hatte,
den Phago/\tenindex wie den Opsmmmidex erhöhen konnte.
Aui die Inokulation folgte unmittelbar eine Verminderung beider
Werte und die negative Phase W rights, darum ene positive, eie
ziemlich lange dauert und etwa 2 Monate und mehr in gleicher Hohe
bestand, dann zur Norm heruntersank. Die Temperatur der T iere ist
auf den Dpsoiiinimlex, wie auf den Phago/yteittfiJe\ ohne Fiiif'.uss.
Zwischen den Opsonin- und den Phago/vtosewerten und dem
Agglutinationsw ert des Blutserums auf Tuberkelbazilien bestellt
keinerlei i ’aralleliMiius.
Rubino bringt aus der Klinik Genuas eine Arbeit aber den
mikroskopischen Blutbefund bei Tuberkulose, mit besonderer Be¬
rücksichtigung der ieuko/>tären Varietäten. (Annali deII istituto
Maragliano, \ol. 2, iasc. 4.)
Wir entnehmen derselben als bemerkenswert folgendes: Die
Lymphozyten vermehren sieh im Beginn des tuberkulösen Prozesses
und ihre Vermehrung kann beim Fehlen anderer Erscheinungen eine
latente T'uberkuiose argwöhnen lassen. Sie vermindern sich m dem
Masse, w ie zum K o c h sehen Baziilus sich andere Mikroorganismen
gesellen, so dass sie sieh im letzten Stadium vier Tuberkulose as
mehr weniger stark abgeivommeu darstellen..
Die L\mpl)o/\ten langen au sich zu vermehren in den f allen,
wo der tuberkulöse Prozess geheilt ist und sich zur Sklerose an¬
schickt.
Myelozyten finden sich in den pratuberkulosen Stadien; es gibt
einige nicht seltene lalle, bei welchen die Mononukleose mit Vor¬
wiegen der einen oder anderen Varietät sich in den klinisch ver¬
schiedensten Formen findet; lusv eilen kann das luimatologische Bild
das klinische so ubci w legen, dass man au eine Pseudoleiikamie zu
denken versucht ist.
Die eosinophilen Zellen sind be/nglieh ihrer Abstammung immer
noch dunkel, dagegen haben sie eine prognostische Bedeutung. Zeigen
sie sich vermehrt, so neigt der lokale oder allgt meine Prozess zur
Heilung. Sie sind ein Zeichen der Schut/stofibiKlung und vier Ver¬
teidigung des Organismus gegen die toxisch infektiöse Attektion.
M u g i: Ueber Jodophilie und Leukozytose im Scharlach. (Gnz-
zetta degli osped. loo,\ No. 4M
In ailen 1 allen von Scharlach, so berichtet M. aus der Klinik
Pisas, kann man eine erhöhte .lodreaktion bei Bjutuntersuchungen
konstatieren, eine .lodreaktion. welche dem Grade der Leuko/v tose
parallel geht und mit ihm steigt und lallt.
Diese Reaktion stellt bezüglich vier Zahl vier jovlophilen Leuko¬
zyten und der Intensität vier Rvaktioii zwar nicht in einem bestimmten
Verhältnis zur Schw ere der 1 .i Kränkung, indessen darf man ihr eine
diagnostische und prognostische Bedeutung bei Scharia«.li zusprtchen.
Sie ist vom frühesten Beginne der Sji.irlavherkrankung an vor¬
handen, verschwindet prompt mit vier Leuko/v tose zusammen in der
Rekonvaleszenz, bleibt dagegen persistent bei allen denjenigen Kom¬
plikationen. welche dem Scharlach eigentümlich sind: so bei SJiar-
lachotitis, der Driiseuphlegmone. der Nephritis.
BinTt Ueber Puls und Blutdruckverhältnisse bei der Nephritis
im Kindesalter, (il Morgagni, Juli l‘*»\)
B. stützt seine aus dem pädiatrischen Institut in Florenz licrvor-
gegangene Arbeit auf 2ä<> Sphv gmogramme mul 45ö Bliitdriickbestim-
imingen.
1. I leberdruck im Blutgciässvstem fand B. bei akuten, su hak Uten
und eiironischen Nephritiden;, besonders in Fallen, wo Nephritis als
einzige Krankheit vorhanden war.
2. Unterdrück iand er typisch bei Nephritiden im Laufe schwerer
Krankheiten, welche durch Erniedrigung des Blutdrucks charakteri¬
siert sind, ebenso auch bei Nephritis nach Diphtherie.
Digitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1945
3. Normalen oder fast normalen Blutdruck konstatierte-er bei
einigen chronischen und subakuten Nephritiden und auch bei einer
Anzahl von sekundären Nephritiden im Laufe leichter Infektions¬
krankheiten.
Woher rührt die Ueberspannung im Zirkulationsapparat? Es ist
anzunehmen, dass die mechanische Hinderung des Blutkreislaufs in
der Niere dieselbe nur zum Teil erklärt, zum anderen Teil wird sie
bewirkt durch Stoffe, welche im Blute zurückgeblieben, gefässver-
engernd auf nervösem Wege wirken, durch Stoffe welche auch durch
ihre Wirkung auf den Lymphapparat und die Blutgefässwände die
Ursache der Oedeme sind.
In einigen Fällen kann Ueberspannung im Qefässystem, für
welche erklärende Momente von seiten des Herzens und der Blut¬
gefässe fehlen, die Frühdiagnose einer Nephritis rechtfertigen, ehe
dieselbe aus dem Urinbefunde nachweisbar ist.
Was die Veränderungen des Pulses anbelangt, so ist derselbe
in der Regel bei Erhöhung des Blutdruckes verlangsamt und kehrt
erst nach der Erniedrigung des Blutdruckes zögernd wieder zur Norm
zurück. Diese Pulsverlangsamung erscheint abhängig von einer Rei¬
zung des Vagus durch toxische, von der Niere herrührende Sub¬
stanzen; sie fehlt in Fällen, wo der Vagus auf einen solchen Reiz
nicht zu reagieren imstande ist.
Arrhythmien fand B. bei Nephritiden nur in Fällen von Ueber-
druck und dieselben verschwanden mit dem Nachlass desselben. Er
hält sie für abhängig von Störungen der Herztätigkeit auf nervösem
Wege durch toxische Substanzen, herrührend von der Niereninsuffi-
zienz.
Anhaltende aufrechte Körperhaltung kann zu einer Vermehrung
der Pulsfrequenz, verbunden mit Erniedrigung des Blutdrucks führen,
desgleichen zu einer Vermehrung des Albumens im Urin.
Ein römisches Bad erniedrigt den Blutdruck für die Dauer einer
Stunde und darüber, vermehrt die Zahl der Herzschläge für kurze
Zeit und beseitigt Arrhythmien, letztere oft dauernd.
Silvestri: Ueber Dissoziation der Sensibilität mit syringo-
myelitischem Typus zerebralen Ursprungs. (Qazzetta degli osped.
1908, No. 38.)
S. berichtet über einen Fall von Apoplexie mit Zeichen einer
Läsion der Capsula interna, welcher Dissoziation der Sensibilität, wie
sie typisch für Syringomyelie erachtet wird, bot. Er betont, dass
in diesem Falle Hydrozephalus wie Hydromyelie sicher fehlte und
plädiert angesichts der Erfahrungen verschiedener Autoren über
Dissoziation der Sensibilität syringomyelitischer Art, auch bei Lä¬
sionen peripherischer Nerven, für die Anschauung, dass die thermi¬
schen wie schmerzhaften Sensationen autonome Sensationen sind, un¬
abhängig von der taktilen und dass für eine jede derselben bestimmte
getrennte Nervenleitungen bestehen; eine jede das sensitive Nerven¬
system betreffende Läsion, wo dieselbe auch immer ihren Sitz habe,
sei fähig, Dissoziation der Sensibilität mit syringomyelitischem Typus
zu machen.
C o n f o r t i bringt aus der chirurgischen Klinik zu Florenz einen
Beitrag zur Histologie des Retentionstestikels, gewonnen an neun
von ihm untersuchten und illustrierten Fällen. (II Morgagni, Juli 1908.)
Bei dem nicht herabgestiegenen Testikel Erwachsener, so
schliesst C., finden sich häufig Gruppen von Tubuli oder einzelner
Tubuli in noch initialer Entwicklungsperiode. Diesen Tubuli, meist in
Knoten gruppiert, hajben einige Autoren, wie Pick, Chevassu,
Lecene die Bedeutung von Neubildungen mit adenomatösem Typus
zugesprochen; dagegen erklärt sie Lanz für Inklusionen atypischen
Epithels.
F e 1 i g e t und B r a n c a beschrieben zuerst rundliche Körper
mit konzentrischen Lamellen von hyalinem Ansehen, von welchen sie
annehmen, dass sie durch hyaline Degeneration des Samenepithels
entstanden seien. Dieselben sind nach C. nicht endokanalikulär und
nicht durch hyaline Degeneration des Epithels entstanden, sondern
extrakanalikulär, entstanden von der Basalmembran durch Degene¬
ration derselben.
Die interstitiellen Bindegewebszellen variieren in den einzelnen
Fällen sehr an Qualität; sie können bisweilen sehr zahlreich sein und
zu grossen Knoten gruppiert. Ihre Fähigkeit, zu sezernieren ist für
gewöhnlich vermindert und um so mehr, je reichlicher sie Vor¬
kommen. Im nicht herabgestiegenen Testikel können sie in viel
grösserer Zahl als im normalen Vorkommen, ohne dass man dies als
eine kompensatorische Hypertrophie im Sinne von B o u i n und
Ancel auffassen darf; es ist nur die Folge einer gestörten Entwick¬
lung, welche in gleicher Weise wie auf die Samenkanälchen auch
auf die gesamten interstitiellen Zellen wirken kann, so dass sie
qualitativ wie quantitativ das bleiben, was sie in ihrer ersten Ent¬
wicklungsstufe sind.
M a s s i n i: Von einem Alkaloid der Gruppe der Tropeine
(Eumydrln) und seinem Gebrauch in der inneren Medizin. (Gazzetta
degli osped. 1908, No. 44.)
Auf die günstige Wirkung des Eumydrins an Stelle des Atropin
bei Darmerkrankungen haben zuerst 1804 und 1805 Engränder
und Hagen aufmerksam gemacht. M. berichtet über die An¬
wendung dieses Präparates in der M a r a g 1 i a n o sehen Klinik in
Genua. Dieselbe erwies sich in der Dosis von 1 bis zu 3 mg pro die
in Pulvern, Pillen subkutan wie in Suppositorien wirksam in ver¬
schiedenen Fällen von gastrischen Neurosen mit motorischen und Se¬
kretionsstörungen; namentlich wirkt es günstig und scheint oft dem
Atropin überlegen bei Hypersekretion und schmerzhaften Formen,
nicht dagegen bei Hyposekretion. Niemals wurde Intoleranz oder
Idiosynkrasie gegen das Mittel beobachtet, wie solches bei Atropin
öfter der Fall ist.
Gironi rühmt die im Bürgerhospital zu Ravenna mit Bier¬
scher Stauung erlangten Resultate in der Behandlung von Drüsen¬
geschwülsten. (Gazzetta degli osped. 1908, No. 35.)
Die passive wie aktive Hyperämie begünstigt die Heilung ober¬
flächlicher Drüsen im Entzündungs- wie im Suppurationsstadium; bei
den durch Lues bedingten dauert die Resorption etwas länger. Nach
der Inzision der Drüsen geht die Resorption schneller von statten.
Die Stauungshyperämie führt nicht zu einer Erhöhung der bak¬
teriziden Eigenschaften des Blutserums, aber das aus dem entzünd¬
lichen Herd, welcher mit Stauung behandelt ist, entlassene Blut zeigt
ein stärkeres bakterizides Vermögen. Hager- Magdeburg.
Ophthalmologie.
Stern: Ueber elo bisher unbekanntes Hornhautphänomen bei
Trigeminusanästhesie. (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., Mai 1908,
S. 465.)
Verf. beobachtete bei Hornhautanästhesie „punktförmige Trü¬
bungen des Epithels, die in ihrem Bestehen einem ständigen Wechsel
unterworfen sind, besonders dann entstehen, wenn die Lidspaltc
geöffnet ist, besonders dann verschwinden, wenn die Lider kurze
Zeit geschlossen gehalten werden, aber auch unabhängig vom Spiel
der Lider kommen und gehen“. Dabei sind die Augen reizlos, zeigen
keine Trockenheit, der Lidschlag ist nicht wahrnehmbar verringert
und die die Hornhaut normalerweise bedeckende Flüssigkeitsschicht
ist immer sichtbar.
Diese punktförmigen Trübungen des Hornhautepithels färben sich
mit Fluorescein grau. Beim Menschen müssen wir die positive
Fluoresceinfärbung der Kornea als eine pathologische Erscheinung
ansprechen und daran festhalten, dass sie nur nach Läsion der
Hornhautbedeckung (des Epi- oder Endothels) eintreten kann. —
Bei allen Fällen, wo sich das Phänomen fand, bestand Herabsetzung
der Sensibilität und Färbungsmöglichkeit durch Fluorescein; umge¬
kehrt war bei allen Fällen mit Herabsetzung der Sensibilität eine
Fluoresceinfärbung zu erzielen* häufig auch das Phänomen zu sehen.
Zur Erklärung dieser Erscheinungen nimmt Verf. einen direkten
Nerveneinfluss auf die Funktionen der für die Integrität der Kornea
so wichtigen Epithelzelle an und macht die Schlussfolgerung, dass
durch die Funktionsstörung des Trigeminus auch
die von ihr abhängige Zelle in ihren Leistungen
modifiziert; resp. geschädigt wird, so dass sie
ihrer Aufgabe, aus der sie umspülenden Er¬
nährung sflüssigkeit das zur Transparenz und
ihrem eigenen Bestände Notwendige aufzunehmen,
nicht mehr gewachsen ist und sie nur unvoll¬
kommen erfüllt.
Das hier beschriebene Krankheitsbild wäre der Gruppe der her¬
petischen Kornea-lerkrankungen einzureihen.
M ü g g e: Ueber die Häufigkeit des Astigmatismus und seine Be¬
ziehungen zur Sehschärfe. (Ibid., S. 474—489.)
Aus den Schlussfolgerungen Mügges seien hier folgende Sätze
angeführt:
Auf 100 Augenpatienten kommen 10—11 Astigmatiker.
Von 100 Fällen von Astigmatismus sind 47 myopisch, 40 hyper-
metropisch und 13 gemischt-astigmatisch.
Das numerische Ueberwiegen des Astigmatismus myop, über den
Astigmatismus hypermetrop. ist lediglich dem Astigmatsmus myop,
compos. zuzuschreiben, und daher ein Wahrscheinlichkeitsbeweis
für den positiven Einfluss des Astigmatismus auf die Entstehung der
Myopie.
Die niedrigsten Grade des Astigmatismus — 0,5—1,0 D — sind
die häufigsten, und zwar bei myopischem Astigmatismus noch relativ
zahlreicher als bei hypermetropischem.
Die Sehschärfe wird viel mehr als durch alles andere
durch den Grad des Astigmatismus bestimmt, und zwar findet man
im Durchschnitt folgende Werte:
unter 1 D Sehschärfe — 9 ho,
bei 1 und 1,25 D Sehschärfe = °/io,
bei 1,5 und 1,75 D Sehschärfe — Vio,
bei 2,0 bis 3,0 D Sehschärfe — Vio,
über 3,0 D Sehschärfe = s /k>.
Der Astigmatismus inversus hat in Graden von 1,0—2,0 D ent¬
schieden eine bessere Sehschärfe als der direkte; letztere beträgt bei
2,25 D im allgemeinen noch 5 /io.
Die Durchschnittssehschärfe des gesamten Astigmatismus myop,
ist etwas besser als die der hypermetropischen Formen.
Das Hauptkontingent sämtlicher Formen von Astigmatismus,
nämlich über 50 Proz., verteilt sich gleichmässig auf die Sehschärfe¬
grade 8 /ia und e /i8.
Straub: Ueber die Prognose bei Netzhautblutungen durch
Arteriosklerose. (Ibid., S. 517—522.)
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1946
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Verf. konnte 15 Patienten mit Netzhautblutungen infolge von
Arteriosklerosis durch 6 Jahre beobachten. Dieselben standen Im
Alter zwischen 32 und 77 Jahren, die grösste Mehrzahl zwischen
45 und 65 Jahren. Das männliche Geschlecht ist am meisten heim¬
gesucht. Unter den 15 Fällen sind nur 3 Frauen. 5 mal waren beide
Augen erkrankt. Die höhere Prädisposition kam dem linken Auge
zu. Von den 15 Kranken waren in 5 Jahren 6 an Apoplexie er¬
krankt, von den 9 Kranken im meist prädisponierten Alter 5. Von
diesen 9 Kranken sind nach 6 Jahren nur noch 3 am Leben. 2 sind
nach 5 Jahren gestorben, 1 nach 3 Jahren, 2 nach 2 Jahren und
1 nach 3 Tagen. Da die 4 ältesten Patienten alle die Enquete über¬
lebten^ scheint die Prognose für die älteren Personen nicht so
schlimm zu sein als für die jüngeren. Die Krankheit der Nctzhaut-
gefässe gibt also im mittleren Alter eine sehr schlechte Prognose.
P e r I e r : Läsionen der Aorta In Beziehung zu Störungen der
Pupille. (Thfcse de Toulouse 1907.)
P e r i e r teilt die Aortenveränderungen ln folgende 2 Gruppen
ein: I. die nur mit Ungleichheit der Pupillen einhergehenden Fälle:
Gruppe II jene, die von reflektorischer Pupillenstarre begleitet sind.
Bei Aortenveränderungen ist es von Wichtigkeit, der reflek¬
torischen Pupillenstarre Beachtung zu schenken. Der Zusammenhang
zwischen den beiden Störungen kann gefunden werden in einer
Sympathikusläsion, die durch das Aortenleiden verursacht ist. Ha-
bin ski behauptet, dass bei den Fällen von reflektorischer Pupillen¬
starre immer Syphilis zugrunde liege. Finde man bei einem Aorten¬
kranken dieses Phänomen, so sei es in den meisten Fällen das erste
Zeichen sich entwickelnder Tabes. Ausserdem deute die Pupillen¬
starre auf die syphilitische Natur des Aortenaneurysma.
v. Hippel: Ueber Serumtheraole bei Augenerkrankuogen.
(Sitzungsber. d. Niedersächsischen Augenärzte. Wochenschr. f.
Therapie u. Hygiene d. Auges vom 9. Juli 1908, S. 327.)
Das erste Serum, welches in der Augenklinik angewandt wurde,
war das Diphtherieserum von Behring. Vortr. hat es häufig ge¬
braucht und war mit den Erfolgen sehr zufrieden. Wenn die Horn¬
haut bei Beginn der Behandlung schon mitergriffen war, versagt cs
jedoch häufig, wahrscheinlich weil die Hornhautaffektion nicht durch
Diphtheriebazillen, sondern sekundär durch Streptokokken verursacht
war, das Serum also nicht einwirken konnte, v. H. empfiehlt das
Serum in grossen Dosen. Kleine Dosen seien häufig am negativen
Erfolg schuld. Als zweites wurde das Pneumokokkenserum Rö¬
mers in die Augenheilkunde eingeführt. Ueber dieses urteilt v. H.
sehr skeptisch. Es wirkt nur im Beginn der Erkrankung (Ulcus ser-
pens), wenn auch meistens die anderen Mittel noch genügen. Als
drittes Serum ist in letzter Zeit das Deutschmannsche in die
Oeffentlichkeit gelangt. Dieses Serum kommt von mit Hefezellen ge¬
fütterten Tieren. Es besitzt nach D. die Fähigkeit, Infektion mit
Streptokokken, Staphylokokken und Pneumokokken, selbst mit Tu¬
berkelbazillen zur Heilung zu bringen. Die wirksame Substanz sowie
die Wirkungsart ist noch nicht sicher festgestellt. D. empfiehlt es
hauptsächlich bei Ulcus corneae auf skrofulöser und traumatischer
Basis, bei Keratitis parenchymatosa, Ulcus serpens mit Hvpopvon und
plastischer Iritis, bei Iritis serosa und plastica, und endlich bei allen
Infektionen am Bulbus. Das Serum soll vollkommen unschädlich und
ohne jede Nebenwirkung sein. v. H. hat es bei Iritis plastica mit
glänzendem Erfolg gebraucht. Bei Iritis serosa heilten die nicht
tuberkulösen, bei Tuberkulose versagte das Mittel, ebenso bei Kera¬
titis scrophulosa und Ulcus serpens. Hier blieben die Injektionen re¬
sultatlos. Bei Ulcus serpens, auch in sehr schweren Fällen, war
der Erfolg ein sehr guter, meist genügt die ausschliessliche Scrum-
therapie, eventuell Kombination mit Spaltung. Bei infektiösen Ge¬
schwüren hat v. H. ebenfalls günstige Erfolge. Bei den zahlreichen
Injektionen, die er bis jetzt gemacht hat. traten niemals irgendwelche
störenden Nebenerscheinungen auf. Es ist verkehrt, mit den In¬
jektionen zu früh aufzuhören, sie müssen bis zum sicheren Eintritt
der Heilung fortgesetzt werden, also z. B. bis zur Reinigung des Ge¬
schwüres.
Die Dosis ist im allgemeinen 2—4 ccm. Deutschman n selbst
gibt 6—8 ccm auf einmal. Zum Schluss fasst v. Hippel seine Er¬
fahrungen in folgende Sätze zusammen: Das Serum ist zu empfehlen
bei schwerer Iritis und eitrigen Hornhautgeschwüren. Es nützt bei
Iritis serosa auf nicht tuberkulöser Basis. Vollkommen im Stich ge¬
lassen hat das Serum bei Infektionen des Glaskörpers.
Napo: Kurzer Bericht über die In der Berliner Universitäts-
Augenklinik gemachten Erfahrungen mit Deutschmannschem
Heilserum.
Verf. sagt am Schlüsse seiner Ausführungen: Demnach lassen
sich die Erfahrungen, welche wir mit dem Deutsckmann schun
Heilserum machten, dahin zusammenfassen, dass eine Schädigung des
menschlichen Körpers, abgesehen von harmlosen Exanthemen, nicht
hervorgerufen wird, dass wir aber andererseits einen heilenden Ein¬
fluss des Serums bei den mit demselben behandelten Augenkrank¬
heiten nicht konstatieren konnten. Daher nehmen wir vorläufig von
seiner weiteren Verwendung Abstand.
Widmark: Ueber die Behandlung der sympathischen Augen¬
entzündung mit Natron sallcyllcum. (Mitteilungen ans der Augen¬
klinik des Carolin. Medico-chirurg. Instituts zu Stockholm, 9. Heft,
1908.)
Von 12 Fällen sympathischer Ophthalmie, bei denen Natron
salicyl. in Anwendung kam, war das Resultat in S Fällen ein gutes,
ja ausgezeichnetes, in einem Fall war auch eine auffällige Wirkung
auf den Entzündungsprozess, doch war der Ausgang in Atrophia
bulbi nicht aufzuhalten. In 3 Fällen blieb die Wirkung des Mittels
aus; in 2 von diesen führte die Anwendung der Schmierkur zur
Heilung.
In der Klinik Widmarks werden nahezu alle traumatischen
Augenentzündungen mit Natron salicyl. in grossen Dosen behandelt
(verabreicht wurden durchschnittlich Tagesdosen von 4—6 g. m
schweren Fällen vereinzelt auch 8—9 g täglich). Wenn dadurch
auch der Ausbruch einer sympathischen Ophthalmie nicht verhütet
wird, so glaubt Verf. doch vermuten zu sollen, dass diese vorher¬
gehende Salizylbehandlung zum gutartigen Verlaut einer eventuell
ausbrechenden sympathischen Ophthalmie beiträgt. (Yergl. auch
d. W. No. 34. S. 1793.)
Seefelden Pathologisch-anatomische Beiträge zur Kenntnis
der angeborenen Kolobome des Auges, (v. Gräfes Archiv, Bd. LXVIII.
Heft 2. S. 275—353.)
Die typsehen Kolobome des Auges und die mit ihnen auf das
engste verwandten Kolobome mit V.\ stenbildung entstellen iniolge
von Störungen des Verschlusses der totalen Augenspalte durch ab¬
norm langes persistierendes Mesoderm. Dabei spielen d:c durch die
Augenspaite ein- oder austreteiulen Gefasst mindestens eine gleich
wichtige Rolle wie das /eilige (Bindegewebe bildende) Mesoderm.
Ein besonders deutlicher Ausdruck der Verhinderung des normalen
Verschlusses ist in der Duphkaturebhildung der Net/baut vor der
mesodermalen Leiste, sowie auch an entfernteren Stellen gegeben.
Die abnormen Faltungen des Epithels der Pars plana corrwris eil.ins.
sowie die abnorme Grösse von Ziliarfortsät/en in Kolobomaugcn
haben dieselbe Ursache w ic die Faltungen der Netzhaut und smd da¬
her ebenso wie diese zu beurteilen. Das Fehlen eines Netzhaut-
defektes beweist nichts gegen die oben angenommene Genese der
Kolobome, da eine Vereinigung der Netzhautfa'tcn auch ohne Schwund
des mcsodermalen Hindernisses jederzeit erfolgen kann. Das Vor¬
handensein einer kontinuierlichen Mesodermleistc ist zur Fntstehung
eines klinisch als total imponierenden Koloboms wahrscheinlich nicht
nötig.
Die typischen Iriskolobome entstehen in gleicher Weise wie
alle typischen Kolobombildungen durch Ausbleiben des Verschlusses
des periphersten. am Augenbecherrande gelegenen Abschnittes der
sekundären Augenblase. Ein Verwachsen des Augenbiasenrandes
auf der vorderen Linsenfläche findet in keiner Zeit des fötalen Lebens
statt. Der Durchmesser der Pupille nimmt bis zum S. Monat zu. Die
in dieser Zeit ziemlich regelmäsig eintreteude rasche Verkleinerung
der Pupille ist wahrscheinlich auf eine nach Resorption der Pupillar¬
membran eintreteude Aktion des Sphinkter zuruckzufiihren.
Die strangförmigen und schlauchartigen. weisslieh glänzenden
und grünlich schillernden Gebdde, die von der Pumllc in der Richtung
nach dem hinteren Lidknorjwl verlaufen und die Artei 1 a hvaloidca
ganz oder teilweise mantelartig umgeben, sind als die Folge einer ab¬
normen Persistenz der die totale Glaskorperarteric begleitenden Gha-
hülle anzusehen.
Lutz* Ueber einige Fälle von Heterochromia Irldtim. iZeitschr.
f. Augenheilk.. Marz--April 19**0
Aus den Beobachtungen des Verf. sei hier folgendes angeführt:
Individuen mit verschieden gefärbten Regenbogenhäuten sind ge¬
wöhnlich brünett. Die Heterochromie wurde sehr oft schun nach
der Geburt entdeckt; oft ist aber ihre Entstehung im spateren, jugend¬
lichen Alter beobachtet. Die hellere Farbe entstellt entweder durch
Ausbleiben der Pigmentierung oder durch Pigmentschwund. Sehr
oft weist das hellere Auge — mul zwar nur dieses Veränderungen
auf. Diese sind zweierlei Art. Sie können getrennt und miteinander
kombiniert auftreten: a) Veränderungen in der Symnathiknsinner-
vation im Sinne einer Parese: h) Veränderungen in der Uvea im
Sinne einer Cvclitis chronica mit spezieller Neigung zur Katarakt-
biklung. Anfänglich zeigen sich nur äusserst ferne Beschläge auf
der hinterwand der Kornea und Trübungen im Glaskörper. Meist
stellt sich dann Katarakt ein und oft fiihrt der Prozess zu Sekundär¬
glaukom.
Die Erkrankung beginnt schleichend imd \ erläuft chronisch. Sic
erstreckt sich mindestens über Jahre, heia'lt das männliche und weib¬
liche Geschlecht gleich häufig und bevorzugt das zweite und dritte
Dezennium. Die Erkrankung ist nicht mit Schmer/m verbünden: Be¬
schwerden treten erst relativ spät auf und Iw ziehen sich auf die
Störung iles Sehvermögens. Vererbung scheint keine Ro’lc zu
spielen.
Konstante Beziehungen zu Al'gemeinle.den lassen sich bis letzt
nicht aufstellen. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Pro¬
gnose quoad vitam gut: mioad valetu.lmein oculi dubia. Die Therapie
kann nur eine symptomatische sein.
Berthold König: Die Funktion der Netzhaut beim Sehakte.
(Zeitschrift für Sinnesphvsiologie. Bd. 42. S. •124')
Das durch die brechenden Medien des Auges auf der Netzhaut
entworfene Bildchen des Gegenstandes ruft einen neuartigen physi¬
kalischen Prozess hervor, indem nämlich der in der Pigmentschichte
kolloidalgelöste Sehpurpur nach dm Stellen des hellsten Lichtes am
stärksten, nach weniger hellen Stellen ptwporti.mal Schwächer diffun-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1947
diert. Zufolge dieser Diffusion ins Licht, für welche der Verf. den
Namen „Photojonie“ vorschlägt, entsteht ein plastisches, in die Stäb¬
chen- und Zapfenschichte förmlich hineinwachsendes Bild, das auf
diese fein organisierten Sehnervenenden eine Druckwirkung ausübt.
Die Stäbchen ragen bis in das Pagment und reagieren daher auf
jeden noch so schwachen Diffussionsdruck, sie sind also sehr licht¬
empfindlich, wodurch es bedingt wäre, dass die ganze Netzhaut
ausserhalb des gelben Fleckes, die einen Reichtum an Stäbchen auf¬
weist, jeden Lichtreiz empfindet.
Die Zapfen betasten zufolge ihrer Eigenschaft, sich verlängern
oder verkürzen zu können, das plastische Bildchen, so dass ein
scharfes, deutliches Sehen nur an den Stellen des Zapfenmaximums,
das ist im gelben Flecke, stattfindet.
Zum Sehen wäre eine kolloidalgelöste Substanz nötig, dass sie
gefärbt, wie etwa der Sehpurpur ist, kommt nicht in Betracht. Auch
das farbige Sehen sucht der Verf. durch Photojonie zu erklären. Jeder
Farbe soll eine bestimmte Tiefe des eindringenden kolloidalen Seh¬
purpurs entsprechen und zwar dem „Rot“ die geringste, dem „Violett“
die grösste Dicke. Diese Farbentheorie wird auf Komplementär¬
farben, Farbenblindheit, pathologische Zustände des Auges angewandt.
Auch das räumliche Sehen wird durch diesen äusserst feinen
und empfindlichen „vielfingerigen Nerventastapparat“ der Zapfen be¬
werkstelligt.
Die zahllosen nervösen Körner und Körnchen der Netzhaut wirken
ganz ähnlich dem „Kohärer“ und es geht, wie schon K e p p 1 e r in
seiner Dioptrik sagt: „ein Bild der so veränderten Netzhaut auf un¬
unterbrochenem geistigen Strome in das Gehirn über“.
Rhein.
Inauguraldissertationen *).
Universität Berlin. August 1908.
Schönke Günther: Neuere Amputationsmethoden am Fusse und
an der Knöchelgegend.
Coler Friedrich: Die Behandlung des Diabetesbrandes.
Münnich Kurt: Ueber die Wahrnehmung der Schallrichtung.
Dmitriewa Nadeschda: Ueber einen Fall von riesigem retro-
peritonealem Sarkom.
Kaufmann Moissei: Das Meckel sehe Divertikel und der von
ihm ausgehende Ileus.
K o 1 a r Savka: Ueber Verblutung des Fötus bei Insertio velamentosa.
C u e 11 o Pedro Gregoria: Ueber einen Fall von primärem verkalkten
Sarkom des Sinus frontalis.
D e o 1 e t i a n Johannes: Sekundäre Bauchwandplastik nach Appendix¬
operationen.
Schwalbe Walter: Eine eigentümliche tonische Krampfform mit
hysterischen Symptomen.
A 1 s c h i b a j a Gregor: Die neueren Anschauungen über die Aetiologie
der Malaria.
Monogenoff Sergius: Untersuchungen über Scharlachniere.
Munk Fritz: Kommen doppeltbrechende Substanzen (Myelin) bei der
fettigen Degeneration des Herzmuskels vor?
Rachlin Leiba: Ueber die operative Behandlung der Nephro-
lithiasis.
Rochlin Salomon: Ueber die Auffassung der Herzneurosen früher
und heute.
Universität Greifswald. August 1908.
Ogata Mitsutaro: Blutbefunde im Kindesalter.
Theune Gottfried: Ueber drei Fälle von familiärer spastischer
Spinalparalyse im Kindesalter.
Roh de Ottomar: Zwei Fälle von Entbindungslähmung.
Universität Leipzig. Juli 1908.
Albert -Johannes: Ein Fibroma molluscum vulvae als Geburts¬
hindernis.
Hoff mann Karl: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung
des Kollargols auf Leukozyten und Opsonine.
Lachmann Joseph: Untersuchungen über latente Tuberkulose der
Rachenmandel mit Berücksichtigung der bisherigen Befunde und
der Physiologie der Tonsillen.
v. Chrismar Eugen: Ueber abnorme Lichen planus-Formen an der
Hand eines besonderen Falles.
Dietrich Dorothea: Ueber einen Fall von doppelseitiger metastati¬
scher Ophthalmie.
Müller Rudolf: Ueber ungewöhnliche Fälle von Sublimatvergiftung.
Steinb erg Hugo: Ueber einen Fall von Durchbruch eines Aorten¬
aneurysmas in die Vena cava superior.
Assmann Georg: Das eosinsaure Methylenblau und Methylenazur
in seiner Bedeutung für die Blutfärbung.
Halle Friedrich: Ueber einen Fall von Karzinom des Skrotums bei
einem Braunkohlenträger.
Hohbaum Auguste: Ueber Sonnenlichtbehandlung bei Kehlkopf¬
tuberkulose.
Koch Hans: Ueber die Behandlung des Mastdarmvorfalls.
*) Zusendung von Dissertationen an die Adresse der Redaktion,
München, Arnulfstrassc 26, erbeten. Besprechung Vorbehalten.
Korff-Petersen Arthur: Ueber die Aufnahme der Salizylsäure
in das Blut und die Salizylalbuminurie beim Menschen.
Weic.hert Georg: Beiträge zur Kasuistik der Darmaktinomykose.
Monat August.
Drozynski Leon: Beiträge zur Kenntnis der Meningomyelitis
chronica syphilitica.
Kleinschmidt Otto: Ueber das Vorkommen und die Entstehung
von Divertikeln, besonders des Dickdarms.
Kohls Karl: Ueber intrazelluläre Lagerungen der Tuberkelbazillen
im Sputum.
Seitz Adolf: Zur Kasuistik der Nasenrachenfibrome (nach dem Ma¬
terial der Leipziger chirurgischen Klinik).
Stieda Christian: Ueber eine ausgetragene Tubargravldität. (Mit
einer Abbildung.)
Twörz Emanuel: Elektrische Unfallskrankheiten in der Neurologie.
Wallis Hermann: Zur Kenntnis der traumatischen Ischiadikus-
lähmung (nach Reposition der angeborenen Hüftgelenksluxation).
Kau Ibach Franz: Zur Frage der Pseudodiphtheriebazillen.
Beckmann Wolbert: Die Behandlung der Meningitis cerebro¬
spinalis epidemica mit Meningokokkenheilserum, hergestellt nach
dem Verfahren Kolle-Wassermann in Berlin (15 Fälle).
Gros Oskar Dr. phil.: Versuche über die Kurarinwirkung bei Ka¬
ninchen, mit besonderer Berücksichtigung des Entgiftungsverlaufes
und des angeblichen Antagonismus zwischen Kurarin und Physo¬
stigmin. -
Miigge Wilhelm: Das Malum perforans und seine Behandlung.
R i e g e r Karl: Beitrag zur Therapie der Kompressionsmyelitis infolge
von Spondylitis tuberculosa.
S i e b e r t Gotthard: Ueber das Verhältnis von Depigmentierungen zu
Hautaffektionen, mit besonderer Berücksichtigung der Psoriasis.
Singet Kurt: Zur Klinik der Lungenkarzinome.
Bollert Hans: Ueber vaginale Ovariotomie.
Kaul Robert: Ueber Papillome des weichen Gaumens nebst einem
Fall eigener Beobachtung.
Marcuse Ernst: Die Beziehungen der hämorrhagischen Diathese
zur Tuberkulose.
Schräder Wilhelm: Beitrag zur Kenntnis der kongenitalen Lymph¬
angiome.
Steingröver Engelbert: Zwei Fälle von Hernia inguinalis ovarica
mit Stieltorsion im Säuglingsalter.
Weste Paul: Ueber traumatische Pupillenstörungen, insbesondere
über einseitige Lichtstarre traumatischen Ursprungs.
Podtiagin Michael: Milzbrand nach den in der Leipziger chi¬
rurgischen Klinik vorgekommenen Fällen.
Auswärtige Briefe.
Wiener Briefs.
(Eigener Bericht)
Zur Errichtung einer Unfallstation und einer Trachom-
abteilung. — Die Fahnenflucht der Militärärzte und ihre Ur¬
sachen. — Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes
gegen die Aerzte.
Drei hervorragender Kliniker der Wiener medizinischen
Fakultät haben sich mit ihren Wünschen und Beschwerden —
in die Oeffentlichkeit geflüchtet. Sie begnügten sich nicht
mehr, wie es ihre Vorgänger stets getan, ihre Petita durch das
Professorenkollegium oder allenfalls in Gestalt von gedruckten
Memoranden der Vorgesetzten Behörde zu unterbreiten, sie
wandten sich direkt an die grosse Oeffentlichkeit, indem sie
gemeinsam einen Aufsatz schrieben, den sie in der „Neuen
freien Presse“ erscheinen Hessen. Es sind dies die zwei Vor¬
stände der Wiener chirurgischen Kliniken, die Hofräte Freih.
v. Eiseisberg und Hochenegg und der Vorstand der
Augenklinik, Ernst Fuchs. Nach dem plötzlichen Ableben des
unvergesslichen Professors v. M o s e t i g tauchte die Idee
auf, dessen grosse Abteilung im allgemeinen Krankenhause
nicht wieder einem Primarärzte zu verleihen, sondern daselbst
eine Unfallstation zu errichten, welche den Universitäts¬
kliniken das von Lehrern und Schülern so sehr vermisste
Material von frischen Verletzungen (Wunden, Knochenbrüchen,
Verrenkungen etc.) zuführen sollte. Die zwei chirurgischen
Kliniker führten 1 jetzt aus, dass schon B i 11 r o t h und Albert
vor zwei Dezennien auf den Mangel an solchem Materiale und
auf die hierdurch bedingte einseitige Ausbildung der prak¬
tischen Aerzte hingewiesen und um Abhilfe gebeten hätten.
Die Mediziner könnten während ihrer Lehrjahre viel zu wenig
Erfahrungen an Verletzungen sammeln, was sich zum Nachteile
ihrer künftigen Klientel fühlbar mache; für den Fall eines
Krieges würde den Verletzten auf dem Schlachtfelde ein in
Verletzungen vollkommen unerfahrenes Aerztematerial zur
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
1948
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. .*7.
Verfügung stehen. Noch mehr als zu Billroths und Al¬
fa e r t s Zeiten fehlt aber jetzt das Verletzungsmaterial, wie¬
wohl ihr sonstiges operatives Material auch jetzt ein aus¬
erlesenes und stetig in Zunahme befindliches sei. Das Material
verteilt sich eben und die Kliniken verarmen. Als die chirur¬
gische Abteilung v. M o s e t i g s vakant wurde, haben die
zwei Vorstände der chirurgischen Kliniken die Umwandlung
der Abteilung in eine Unfallstation angeregt und in einem Me¬
morandum mit beigefügtem Organisationsplan auch darauf hin¬
gewiesen, dass man damit den Verletzten selbst eine grosse
Wohltat erweisen würde, indem denselben nach ihrer Einliefe¬
rung durch die Rettungsgesellschaft sofort ein Stab von er¬
fahrenen Chirurgen, die den Permanenzdienst an der Station
zu versehen haben, zur Verfügung stehen würde. Schliesslich
würde ja die Kreierung der besagten Station keine Kosten ver¬
ursachen. Die Behörden nahmen diese Anregung sehr wohl¬
wollend auf, seither ist aber ein volles Jahr verflossen, das
neue Semester naht heran, es wurden die erforderlichen Adap¬
tierungen der Räume nicht vorgenommen, es soll alles beim
Alten bleiben. „Es wäre kein Wunder, wenn die gerechte Ver¬
stimmung der Lehrer sich auch auf die Schüler übertragen
und so neuerdings die Ursache für einen Univers : tütsskardal
gegeben würde.“
Zum Schlüsse wird dafür plädiert, dass diejenigen Zimmer
der ehemaligen Mosetigschen chirurgischen Abteilung,
welche nicht zur Kreierung der Unfallstation benötigt würden,
der II. Augenklinik (Prof. Fuchs) zur Errichtung einer kleinen
Station für Trachomkranke überlassen werden. Die Trachom-
kranken (60— 80 täglich) werden wohl zumeist ambulatorisch
behandelt, einzelne müssen aber in die Klinik aufgenommeu
werden und bilden dann eine stete Gefahr für die anderen
Augenkranken; tatsächlich kommt immer wieder von Zeit zu
Zeit eine Ansteckung von Kranken mit Trachom in der Klinik
selbst vor. Hofrat F u c h s hat die Behörden wiederholt darauf
aufmerksam gemacht, sogar erwähnt, dass bei der Infektion
eines vorher nicht an Trachom Erkrankten bedeutende Er¬
satzansprüche gestellt werden könnten alles vergebens.
Wird man nun, nachdem in der politischen Presse auf
diese Mängel aufmerksam gemacht wurde, den übrigens auch
von den Ministerien selbst anerkannten Notwendigkeiten
Rechnung tragen? Wir wollen es hoffen, ebenso dass es nun¬
mehr in einem etwas beschleunigteren Tempo gehen wird.
Eine zweite Frage, welche in den letzten Wochen unsere
Oeffentlichkeit stark beschäftigte, ist die — unserer Militär¬
ärzte. An die Tatsache, dass jüngst wieder 8 aktive Militär¬
ärzte freiwillig aus dem Heeresverbande schieden, dass im
Vorjahre gleich 40 Regimentsärzte die Zivilpraxis dem Militär¬
dienste vorzogen und den Waffenrock mit dem Gehrock ver¬
tauschten, dass der systemisierte Status so notleidend ge¬
worden ist, dass die den einzelnen Truppenkörpern zugeteilten
jüngeren Militärärzte mit ärztlichen und administrativen Ar¬
beiten stark überbürdet sind —, an alle diese Tatsachen w urde
angeknüpft, um die längstbekannten Ursachen dieser Unzu¬
friedenheit unserer Militärärzte nochmals darzuelgen. Wenn
ein Arzt auch schon nach 2'A —3 Jahren aus der Oberarzt¬
charge in die eines Regimentsarztes vorrücke, so müsse er
in dieser Charge (Regimentsarzt II. und I. Klasse) im Durch¬
schnitt weitere 14 Jahre verbleiben, während seine Kameraden
in den streitbaren Waffengattungen, welche eine geringere
Zahl von Studienjahren haben, sich längst des goldenen
Kragens erfreuen. Wohl habe das Kriegsministerium im Vor¬
jahre, um die Avancementverhältnisse besser zu gestalten,
60 neue stabsärztliche Stellen geschaffen, doch kämen die neu
kreierten Stellen nicht sämtlich zur Besetzung, diese könne
erst nach und nach und im Verlaufe von Jahren erfolgen. Der
Mangel an aktiven Militärärzten verschulde es auch, dass nur
ein geringer Prozentsatz derselben behufs besserer, zumal
spezialärztlicher Ausbildung an die Universitätskliniken kom¬
mandiert w erden könne, womit w eder dem Wunsche des Ein¬
zelnen noch dem Wolile der Armee gedient werde. Schliess¬
lich wurde auf die den jetzigen Teuerungsverliältiiissen nicht
entsprechende Gage, auf die Nichtzuerkennung der vollen sozi¬
alen Gleichstellung der Militärärzte mit den im selben Range
stehenden Offizieren der Kombattanz, auf die Unzulänglichkeit
des Ersatzes durch die Mediziner, welche während ihrer
Studien Stipendien beziehen und sich für einige Jahre aktiven
Dienstes verpflichten, hingewiesen und dringendst um Abln.fe
gebeten. Auch die Militärärzte klagen ietzt laut und öffentlich,
sie dulden nicht mehr still und resigniert, wie sie es bisher ohne
Erfolg getan haben. Der neuerliche Ruf durfte wohl nicht ver¬
hallen, ohne bei den Mitgliedern unserer grossen \ ertretungs-
körper einen nachhaltigen Widerhall zu fn.de n. Das aus dem
allgemeinen Wahlrechte her\orgegaugen.e Parlament wird die
Opfer der allgemeinen Wehrpflicht wohl zu sJiutz.cn wissen.
Der k. k. Verw altungsgeri chtshof hat wieder einmal gegen
die Aerzte, dieses Mal gegen die Aerztekammer in Nieder¬
österreich, entschieden. Es ist wieder eine alte GesJuJite.
sie datiert seit Ende Dezember löu-4. Damals hat der \ erstand
dieser Kammer folgende Warnung vcroTJci.thJ't: ..Da
Aerzte von Laa an der Thaya befinden sich derzeit mi Kampfe
mit der dortigen Pezirkskrankenkasse. Die F<>i de rungeii der
Aerzte sind gerecht und billig. De Krankenkasse lut d.c
Stelle bereits ausgeschrieben, um fremde Aerzte heranzuzielieu.
Ein Bedürfnis nach fremden Aerzten ist aber durchaus mJit
vorhanden. In den gegebenen Fällen werden fremde Aerzte
vor der Bewerbung um diese Stelle gewarnt, da eine s< Llic
Bew erbung als s t a n d e s w i d r i g erklärt und b e -
handelt werden müsste“. Die niederosterrei Jus die
Statthalterei setzte diesen Beschluss ausser Kraft, weil eie r
Kammervorstand seinen Wirkungskreis überschritten hatte,
das Ministerium des Innern bestätigte diese Vertilgung und der
im weiteren Rekurswege augerufeiie Verw altuugsgcri Ji'sh f
fand diese Entscheidung begründet. Wold stelle* es der
Kammer zu, a I I g e m e i n a n w e n d b a r e < i r u u d s a t z e
Rst7ustelleii, nach welchen das standesgemässe (der Standes-
widrige Verhalten der einzelnen Mitglieder \on dem hiezu be¬
rufenen Organe zu beurteilen ist. der in Rede stellende, auf¬
gehobene Beschluss enthalte aber keinen solchen allgemeinen
Grundsatz, er bezweckt lediglich die Forde um g der materiellen
Interessen der Kammermitglieder durJi SiJieiimg eines Eolm-
kampfes mit einer namentlich benannten Be/irksk r.mkenk.tsM-
mittels einer Sanktion displinarstrafrechtficher Natur. NaJi
der Anschauung des Verw altungsgeri Jitslmfcs sind die
Kammern aber n i c h t b e r e c h t i g t, bloss zur Si Jienmg der
materiellen Interessen ihrer Mitglieder in die Frw crhMätigkeit
durch Warnungen disziplinären Inhaltes eiuzugreifeii. Die Fr-
werbstätigkeit der e i n z e 1 n e n K a m m e r m i t g I i e d e r
w ird also vom Verw altimgsgerichtsliofe geschätzt: die Schä¬
digung der materiellen Interessen des g e s a m teil Stand e s.
welche der einzelne Arzt im gegebenen Falle herbeizufi.liren
in der Lage ist, diese Schädigung him.m/uhalten. das sei
Sache der Kammer (!) selbst, resp. der Vorgesetzten I.audcs-
stelle und entziehe sich der Kognation des Verw altungsgerichts-
liofes, von dessen Standpunkte aus die Feststellung genügt,
dass ein solcher Eingriff nach den Bestimmungen des < ie-
setzes grundsätzlich allerdings möglich ist.
Genug der juristischen Deduktionen, in deren unerforscli-
liche Abgründe wir Mediziner uns nicht begeben wollen. Die
ganze Sache ist übrigens veraltet und derzeit belanglos. Seit¬
her sind in allen Kronländcrn unseres Reiches ärztliche Or¬
ganisationen erstanden, die es sich nicht nehmen lassen,
warnende Mitteilungen über Aerztestellen mit Androhung von
Poykotiermig etc. ergehen zu lassen, wekhe Mitteilungen zu¬
meist auch ihren Zweck erfüllen. <Ugen diese Sperrung ein¬
zelner Aerztestellen seitens der Vereine ist selbst der Yer-
w altungsgerichtshof machtlos.
Vereins- und Kongressberichte.
Medizinische Gesellschaft zu Chemnitz.
(Offizielles Protokoll.)
S i t / u n g vorn 11. März \'> s.
Herr Hoc hl li alt seinen Vortrag iiher die Röntgendiagnostik
des Aortenaneurysmas. Er deniojlstr -ert d.täei ece rgfvsscre
zahl von k’oiiiguip'atten.
Herr Neck ladt euren Vortrag über Anenr\sma > aricosum der
Femoralvene.
Hei der äs iah läge» brau hatte vJi \ <. • '.jjgf \ 2 1.ihren
iii der rechten Schenkelhvuge in der (ie.tr:.! dt r g*. fcsyn Gc’ässe
eine < icschw ulst errtw ickelt. Hie kühnere c-sn- < K-s J: w aSt ; a g
an der Stehe, an welcher d:e > Jienkc.h: it he raJ; a;>>t:i zu treten
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1949
pflegen. Sie fühlte sich soMd an, war nicht reponierbar und nur wenig
schmerzhaft. Pulsation war nicht zu fühlen. Die Haut über der
Geschwulst war verschieblich und nicht krankhaft verändert. Eine
Schwellung des rechten Beines bestand nicht. Irgendwelche Stö¬
rungen von seiten des Darmes waren nie vorhanden, zeitweise traten
Schmerzen auf, die von der Gegend der Geschwulst nach der rechten
Unterbauchgegend und nach dem Nabel zu ausstrahlten. Die Dia¬
gnose lautete auf irreponible Kruralhernie mit Netzinhalt.
Nach Freilegung der Geschwulst zeigte es sich, dass sie ober¬
halb der Abgangsstelle der rechten Vena saphena magna mit einem
etwa 1,5 cm breiten und 1 cm langen Stiel in die Vena femoralis
mündete. Die Geschwulst wurde abgetragen. Die Venenwandwunde
w r urde durch Naht geschlossen. Die Blutung stand nach der Naht
vollständig. Es handelte sich also um ein Aneurysma varicosum,
ausgehend von der Vena femoralis dextra. Derartige Fälle sind
Seltenheiten. Bei den in der Literatur niedergelegten Beobach¬
tungen von geschwulstartigen Varixknoten in dieser Gegend war der
Ausgangspunkt stets die Vena saphena magna.
Differentialdiagnostisch kommt in erster Linie der Schenkel¬
bruch in Frage. Meist wurde die Sachlage erst bei der Operation
geklärt
Der Aneurysmasack zeigte sich nach der Eröffnung fest
mit Gerinnseln ausgestopft, nur im Zentrum fand sich etwas flüssi¬
ges Blut, daher das Gefühl einer soliden Geschwulst. Man muss bei
Geschwülsten in der in Frage kommenden Gegend an derartige Vor¬
kommnisse denken. Eine sichere Diagnose zu stellen, wird wohl
vor der Operation in den meisten Fällen unmöglich sein.
Weiter demonstriert Herr Neck eine steinhaltige, wahrschein¬
lich karzinomatöse Gallenblase, die operativ entfernt wurde. Dabei
war die Resektion eines grösseren Leberstückes erforderlich. Es
wurde die auch von anderen gemachte Erfahrung bestätigt, dass
durch exakte Lebernaht die Blutstillung vorzüglich gelingt.
Schliesslich berichtet Herr Neck noch über einen Fall von
primärer Kehlkopftuberkulose. Bei der 26 jährigen Frau hatte die vom
rechten Stimmband ausgehende kirschgrosse Granulationsgeschwulst
zu hochgradiger Stenose geführt. Nach Entfernung der Geschwulst
durch Laryngofissur wurde die Atmung frei. Es steht zu hoffen,
dass nunmehr der Prozess zum Stillstand kommt.
Sitzung vom 8. April 1908.
Herr V e I h a g e n behandelt die Differentialdiagnose der Atrophla
nervi optici und des Glaucoma simplex im Anschluss an die neueren
Forschungen. Er referiert dabei über einen bereits publizierten sehr
seltenen Fall, bei welchem sich an eine gewöhnliche Atrophia nervi
optici Drucksteigerung und andere Symptome des Glaucoma Sim¬
plex angeschlossen hatten. 10 Jahre nach erfolgter völliger Erblin¬
dung konnte die Sektion gemacht werden. Es fand sich beiderseits
ausgeprägte Excavatio glaucomatosa mit leichter Spaltbildung im
Sehnervengewebe, partielle Netzhautatrophie in der Gegend der
Macula lutea und teilweise Verklebung der Iriswurzel mit der hin¬
teren Hornhautfläche unter Freilassung eines Teiles des Reticulum
corneo-sclerale. Ausserdem aber konnten mehrere zystenähnliche
HohlTäume von beträchtlicher Grösse im Verlaufe des episkleralen
und perivaginalen Lymphraumes konstatiert werden. Vortragender
konnte ähnliche Befunde in der gesamten Literatur nicht auffinden.
Ob sie mit der Entstehung des Glaukoms in Zusammenhang stehen,
ist vorläufig nicht zu entscheiden.
Herr Peters: Ueber alimentäre Intoxikation der Säuglinge.
Vortragender erörtert zunächst den Symptomenkomplex der ali¬
mentären Intoxikation nach Finkeistein. Die Stellung der Dia¬
gnose kann bei Beginn der Erkrankung erschwert sein, auf dem
Höhepunkt der Erkrankung macht sie keine Schwerigkeiten. Die
Erkrankung ist alimentären Ursprunges, den Beweis hierfür zu führen
ist nicht schwer: beim Fortlassen gewisser Bestandteile der Nahrung
gehen die Erscheinungen zurück, um sofort mit aller Heftigkeit
wieder einzusetzen, falls die ursprüngliche Nahrung zu früh wieder
gereicht wird. Fett und Zucker sind wohl allein zu beschuldigen;
Finkeistein hat bei seinen Untersuchungen gefunden, dass dem
Eiweiss keine Bedeutung zuzuschreiben ist. Ueber das Zustande¬
kommen der Erkrankung herrscht noch keine Klarheit.
Die Erkrankung beginnt zunächst schleichend, um dann plötzlich
stürmisch einzusetzen; sie führt zum Tode, falls nicht das schädigende
Agens der Nahrung entzogen wird. Brustkinder können ebenfalls
von der Erkrankung befallen werden.
Therapeutisch kommt fett- und zuckerarme Nahrung in Betracht:
während der ersten Tage ist indifferente Nahrung, Thee oder physio¬
logische Kochsalzlösung zu reichen, unter deren Einwirkung tritt zu¬
meist schnelle Entgiftung ein. Später wird Molke, Magermilch,
zentrifugierte Ammenmilch, Buttermilch gereicht; bei letzterer ist
jedoch grosse Vorsicht am Platze wegen des hohen Zuckergehaltes
dieser Nahrung. Hüten muss man sich vor zu frühem Reichen der
ursprünglichen Nahrung, da leicht Rückfälle eintreten, die in sehr
vielen Fällen — auch bei Brustkindern — zuni Tode führen.
' Verein Freiburger Aerzte.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 27. März 1908.
Herr Krönig: Zur klinischen Bedeutung der Rücken-
marksanästhesie.
Diskussion: Die Herren Axenfeld, v. Eicken, Bulius,
M e i s e 1.
Herr Axenfefd: Demonstrationen.
Herr Brons und Herr Rupprecht: Klinische und Demon-
strationsprojektionen.
Sitzung vom 1. Mai 1908.
Herr S c h 1 i m p e r t: 1. Die Opsonine und ihre Bedeutung
(mit Demonstrationen).
2. Die Serodiagnose der Lues nach Wassermann (mit
Demonstrationen).
Diskussion: Die Herren Jacobi, Schottelius, Küster,
Krönig.
Sitzung vom 29. Mai 1908.
Herr A s c h o f I: Zur Physiologie und Pathologie des Isth¬
mus uteri.
Vortragender berichtet über seine fortgesetzten Unter¬
suchungen betr. den Isthmus uteri. Obwohl schon von ver¬
schiedenen Seiten, sowohl Anatomen wie Gynäkologen, zur
Klärung bestimmter Schwangerschaftsveränderungen des
Uterus eine Dreiteilung desselben vorgeschlagen worden ist,
hat dieser Vorschlag so wenig Anklang gefunden, dass in dem
neuesten Lehrbuch von Hoffmeier einer solchen Drei¬
teilung des Uterus gar keine Erwähnung geschieht und Bayer
in seiner soeben erschienenen Anatomie der weiblichen Ge¬
schlechtsorgane einen irgendwie schärfer umgrenzbaren Isth¬
mus für das ruhende Organ ablehnt und nur am jungfräulichen
Uterus eine unbestimmte Uebergangszone zwischen Korpus
und Kollum, von welcher es schwer zu sagen ist, welchem der
beiden Abschnitte er zugehört, zulässt. Vortr. glaubt sich
diesem Verzicht der Gynäkologen und Geburtshelfer auf einen
Fortschritt in der Erklärung des anatomischen Aufbaues des
Uterus nicht anschliessen zu können. Die Grenzen für den
Isthmus sind allerdings nicht mathematisch genau festzulegen,
wohl aber mit der gleichen Sicherheit zu bestimmen wie die
Pylorusgrenze, die Uebergangsstelle des Nierenbeckens in den
Ureter usf. Die untere Grenze für den Isthmus ist histologisch
scharf charakterisiert durch den Uebergang von typischer Zer¬
vixschleimhaut in sogen. Korpusschleimhaut. Dieser Ueber¬
gang erfolgt in einer ca. 1 mm breiten Uebergangszone, in wel¬
cher die Schleimhaut innen Zervixdrüsen trägt, die aussen be¬
reits von Korpusdrüsen umfasst werden. Die obere Grenze ist
schwerer bestimmbar aber makroskopisch festzulegen durch
die feste Anheftungsstelle des Peritoneums und die Eintritts¬
stelle der grösseren Aeste der Arteria uterina und durch die
hier meist am stärksten ausgebildete äussere Einschnürung des
Uterus. Dieses eigentümliche Gebiet des Isthmus zeigt als
histologische Charakteristika der Schleimhaut relative Armut
an Drüsen und eigentümliche Verlaufsrichtung derselben, auf
die schon Werth aufmerksam gemacht und die von H e g a r
und Bayer bestätigt werden konnten. Auch ist die Schleim¬
haut im Ganzen faserreicher als die Korpusschleimhaut. Auch
die Muskulatur dieses Abschnittes weicht architektonisch, wie
schon Bayer gezeigt, von der Korpusmuskulatur ab und steht
bezüglich des Bindegewebsreichtums zwischen Korpus- und
Zervixmuskulatur. Vortr. zeigt an dem Bayer sehen Schema
der Uterusmuskulatur, dass derselbe die Zervixgrenze dort
markiert, wo nach Auffassung des Vortr. der anatomische
Muttermund oder die obere Grenze des Isthmus liegt. Die
eigentliche Zervixschleimhaut reicht nie bis zu dieser von
Bayer angegebenen oberen Zervixgrenze heran, sondern
bleibt davon 6—8 mm entfernt. Im Gegensatz zu Bayer
wird von der Mehrzahl der Gynäkologen gerade die Zervix¬
schleimhautgrenze als innerer Muttermund bezeichnet; die Dif¬
ferenz zwischen beiden Partien verschwindet sobald die beiden
verschiedenen Muttermünder als Grenze für das Isthmusgebiet
festgelegt werden.
Vortr. berichtet über die im pathologischen Institut ausge¬
führten Arbeiten Hegars, welcher es sich zur Aufgabe ge-
Digitized by Gougle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1950
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37 .
stellt hatte, die Entwicklung des Isthmus vom Neugeborenen an
bis zum geschlechtsreifen Weibe klarzulegen. Diese Unter¬
suchungen ergaben das bemerkenswerte Resultat, dass der
Isthmus schon beim Neugeborenen kräftig entwickelt ist, im
Gegensatz zu Zervix und Korpus und dass er im späteren
Leben nur sehr wenig an Grösse zunimmt, während die Zervix
aut mindestens das doppelte, das Korpus auf ca. das drei¬
fache anwächst. Auch zeigt die Hegarsche Tabelle in Be¬
stätigung älterer Angaben, dass die Gesamtlänge des Uterus in
dem ersten Jahrzehnt ganz unverändert bleibt. War schon
durch diese Untersuchungen eine Sonderstellung des Isthmus
gerechtfertigt, so liess Vortragender durch Herrn Dr. Ogata
auch das Schicksal des Isthmus im Greisenalter verfolgen.
Diese Untersuchungen zeigten, dass bei der senilen Rückbil¬
dung der Isthmus so gut wie keine Verkürzung im Längen¬
durchmesser erleidet. Nur der Querdurchmesser verkleinert
sich durch die Atrophie der Muskulatur einerseits und der
Schleimhaut andererseits. Im Gegensatz zum Corpus und der
Zervix tritt die Schleimhautatrophie sehr frühzeitig ein und
wird eine besonders hochgradige, so dass nach Verlust des
Oberflächenepithels und zystischer Umwandlung der Drüsen
eine völlige Verödung dieses Abschnittes eintreten kann. Die
sogen. Atresie des inneren Muttermundes ist in W irklichkeit
eine flächenhafte Atresie des Isthmus. Dieser durch seine Ent¬
wicklung, sein Schicksal und seinen histologischen Aufbau wohl
charakterisierte Uterusabschnitt hat nun aber auch, wie Vortr.
schon früher gezeigt, eine bestimmte physiologische Bedeu¬
tung. Unter normalen Umständen wird nur die eigentliche
Korpushöhle zur Eieinnistung verwandt und die normale Pla¬
zenta nimmt ungefähr das Gebiet der Korpushöhle ein und
überschreitet die Isthmusgrenze nicht. Für den wachsenden
Fötus ist aber in der Korpushöhle nicht genügend Raum zu
schaffen und deswegen wird in der zweiten Schw angerschafts-
hälftc das Isthmusgebiet durch allmählige Erweiterung und
Dehnung zur Bildung der Eikammer mitverwendet. Dieser
sogen. Isthmusteil stellt, wie auch neuere untersuchte Präparate
zeigen, das untere Uterinsegment der Autoren dar. Vortr. de¬
monstriert die Verhältnisse an einem frisch gewonnenen Prä¬
parat des 9. Schwangerschaftsmonats. Die obere Grenze des
unteren Uterinsegments entsprach der festen .Anhaftungsstelle
des Peritoneums; die untere Grenze der Eihautanheftung be¬
fand sich dicht oberhalb des Beginnes typischer Zervixschleim-
haut, reicht bis in die Uebergangszone heran. Der eigentliche
Zervixkanal ist nur leicht trichterförmig erweitert. Diese Er¬
weiterung hat mit der Bildung der Eikammerhöhle nichts zu
tun, da eine Anheftung der Eihäute an der Zervixschleimhaut
nicht stattfindet. Zur schärferen Trennung schlägt Vortr. den
Namen Isthmussegment für das untere Uterinsegment, soweit es
Anheftung der Eihäute zeigt, vor. An das Isthmussegment
schliesst sich erst die trichterförmige Erweiterung der Zervix
an. Die auffällige Dehnbarkeit des Isthmus zeigt sich auch
nach der Geburt, wo dieser 'Feil sich sehr schlecht und langsam
kontrahiert.
Auch am ruhenden Uterus ist der Isthmus durch seine Be¬
weglichkeit und auffällige Weichheit der Wandungen ausge¬
zeichnet. Er stellt, wie sich Vortr. ausdrückt, das Scharnier
dar, in welchem sich der Korpus gegen die Zervix bewegt. In
Fällen von Prolaps wird gerade das Isthmusgebiet,, sow eit es
durch den Hiatus vorgefallen, auffallend stark in die Länge ge¬
zogen. Abnorme Entwicklung der Isthmusmuskulatur, ab¬
norme Krümmung des Isthmusabschnittes der Müllersehen
Gänge sind auch wohl als Ursache der angeborenen Ante-
flexionen zu betrachten, zu denen Vortr. ein von Dr. H e g a r
übersandtes Präparat als Beispiel demonstriert. Ueberdeh-
nung des Isthmus in der Geburt und ungenügende Involution
desselben sind vielleicht als Ursache erworbener Retroflexion
zu betrachten. Schliesslich bespricht Vortr. noch einen Fall
von Placenta praevia aus der Krönigschcn Klinik, der von
Herrn Dr. Lankow genauer publiziert werden würd, und
zeigt im Vergleich mit normalen Präparaten, dass auch hier das
Isthmusgebiet von der Plazenta besetzt worden ist. Diese hat
zur enormen Entwicklung von Gcfässen in der Isthmuswand
geführt. Bei der mangelhaften Kontraktionsfähigkeit des Isth¬
mus erklärt sich sehr leicht die Blutung in der Nachgeburts-
periode bei Placenta praevia. Schliesslich weist Vortr. noch
Digitized by Gousle
auf den Sitz der Ruptur des schwangeren Uterus im Isthmus-
gebiet hin, um auch an diesem Beispiel die Bedeutung des
am ruhenden Organ schon nachzuw eisenden Isthmus für patho¬
logische Veränderungen zu demonstrieren.
Diskussion: Pie Herren k r o n u, B u 1 1 u s.
Herr Asch off: Pathologisch-anatomische Demonstrationen.
Diskussion: Die Herren Pankow. K r o n i g.
Biologische Abteilung des ärztlichen Vereins in Hamburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung vom 5. Mai PA»''.
Vorsitzender: Herr Deycke.
Schriftführer: Herr W o h I w 1 11.
Herr Levy demonstriert ein Praparat von Aneur>sma der
Aorta descendens.
Per Patient klagte zunächst nur über Kreu/schii.er/en; er hatte
mehrmals eine unbedeutende Hämoptoe; kam dann ganz plet/iich
nach einer Hämoptoe von A<og ad exitum. Die Sektion ergab
ein Aneurysma der Aorta descendens, das in die linke Lunge und
Pleurahohle durchgebrochen war. Man kann 2 Finger in den Riss
der Aorta einfuhren. In der linken Pleurahohle finden sich 3 Liter
' Blut.
Diskussion: Herr Reiche sah uiederholt Fälle von Exitus
subitus durch Perforation von Aneurysmen in die linke und einmal
I auch in die rechte Pleurahohle. Fm hall von solchem Durchbruch
I war aber besonders bemerkenswert, weil hier der Jod erst ungel.ihr
! b Tage nach dem durch Schutteltrost und Auftreten einer sich mehr
1 und mehr ausbreitenden, bei Probepunktionen Biut ergebenden P.imp-
I fnng gekennzeichneten Eintritt der Perforation crf«»i K te. Hier hatten
feste Adhäsionen des Brusttellraums. die von dem langsam sich
weiterwiiliienden Blut erst allmählich getrennt wurden, eine ravJ-.e
Verblutung verhindert.
Herr S I m m o n d s: Lieber Epignathusbildungen.
Unter Epignathen verstehen w ir Doppelbildungen, deren
i Verbindung am Gaumen, Oberkiefer oder Rachen liegt. Das
eine Individuum ist dabei normal entwickelt, das andere nur
rudimentär vorhanden und hängt meist als unförmliche Masse
: zum Munde des Autositen hervor. Bald sind am Parasiten
einzelne Körperteile erkennbar, bald bildet er eine mächtige
amorphe Geschwulstmasse, baid präsentiert er sich nur als
i kleiner Tumor der Mundhöhle. Für den Pathologen ist die
Missbildung interessant wegen dieser l ebergangsformen vom
! Teratom zur echten Doppelbildung, für den Gynäkologen wegen
j der durch sie veranlassten Geburtsstorung.
Von der w eitaus häufigsten Form, dem E p i g n a t h ti s
| amorph u s, werden zwei Fälle demonstriert:
Fig. I. Fig. II.
I. 19 jährige Frau. Abort im VI. Monat. Nach Extraktion des
33 cm langen Knaben bleibt der l'terus auffallend gross. Nunmehr
w ird ein 3Hl g wiegender gelappter, weicher I umor entfernt, der
Original From —
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1951
ursprünglich an einem knöchernen Stiel an der hinteren Rachen¬
wand gesessen hatte. Der Tumor hatte aus dem weit klaffenden
Mund hervorgeragt, war bei der Entbindung abgerissen. Beide
Kiefer stark deformiert, sonst ist das Kind normal. Die Geschwulst
besteht aus myxomatösem, von Zysten durchsetzten Bindegewebe,
das von Knochenverästelungen durchzogen wird, neben von Zylinder¬
epithel bekleideten Hohlräumen Gefässe, Nerven, Knorpelgewebe ent¬
hält und eine epidermoidale Bekleidung besitzt. Fig. 1 zeigt den
Fötus mit dem Tumor in seiner ursprünglichen Lage.
II. 25 jährige Frau. Abort im VI. Monat. 35 cm langes Mäd¬
chen mit Mühe extrahiert. Aus dem Munde hängt faustgrosse,
weiche, dem harten Gaumen breit aufsitzende Geschwulst, welche die
Mundspalte stark erweitert hat. Daneben wölbt sich an der linken
Oberkieferseite ein strausseneigrosser Tumor vor, der an der Basis
noch von normaler Haut, an der Kuppe von schleimhautähnlichem
Ueberzug bedeckt wird. Die den ganzen Oberkiefer linksseitig durch¬
setzenden Massen haben das linke Auge stark aufwärts disloziert
und auch den Unterkiefer stark abwärts verdrängt und abgeflacht.
Die Geschwulst reicht bis zum Nabel herab, ist mit knolligen Aus¬
wüchsen besetzt. Mikroskopisch findet man beide Tumoren von
gleichem Bau, bestehend aus fibrösem und myxomatösem Gewebe, in
dem zahlreiche mit Zylinderepithel bedeckte Schläuche, Gefässe,
Muskelfasern, Nerven anzutreffen sind. In Fig. 2 ist diese Miss¬
bildung wiedergegeben.
Herr Trautmann: Die Keimträgerfrage bei übertrag¬
barer Genickstarre.
Der Vortragende weist auf die im Vergleich zu den Epi¬
demien Oberschlesiens und der rheinisch-westfälischen Kohlen¬
bezirke erheblich geringeren Befunde von gesunden Keim¬
trägern in der Hamburger Genickstarreepidemie von 1907 hin.
Von den insgesamt untersuchten 68 Familien konnten bei nur
13 Familien Weichselbaum sehe Kokken im Rachen, im
Verhältnis von 100—20 Proz. ihrer Glieder, nachgewiesen
werden. Angesichts der auffälligen Erscheinung, dass in
einigen Familien sämtliche, fast durchweg erwachsene Glieder
mit Kokken behaftet waren und diese die Keime meist viele
Wochen hindurch beherbergten, stellt Trautmann die
Frage, ob in solchen „Keimträgerfamilien“ vielleicht auch
„Lymphatismus“ ein Grund dieses Dauertragens sei.
Zur Erklärung der vom Vergleichsstandpunkte aus grund¬
sätzlich niedrigen Keimträgerwerte in der Hamburger Gegend
glaubt der Vortragende eine Reihe bisher immer nur einzeln
als begünstigende Momente geltend gemachte Faktoren ver¬
eint heranziehen zu sollen. Abgesehen von den vielleicht mit¬
spielenden erwähnten anatomischen Verhältnissen scheine
namentlich die Betonung der Begünstigung durch meteoro¬
logische Faktoren seitens Bruns und Hohn aussichtsreich,
ganz besonders in Grubengegenden. Schon J e h 1 e habe
ferner eine hervorragende Bedeutung der Grube für die Keim¬
ausbreitung angenommen; auch v. Lingelsheim neuer¬
dings die eine Uebertragung der Kokken begünstigenden Ver¬
hältnisse im Bergwerk geschildert. T rautmann führt aus,
wie besonders die Bergmannsarbeit die Erwerbung von Ka¬
tarrhen begünstige infolge ungenügender Anpassung der unter
Tag erhitzten Leute vor der Ausfahrt an die kühle Aussenluft,
welche ihren Körper plötzlich umgebe und ihren durch Staub
und schlechte Luft ohnehin gereizten Respirationstrakt fülle.
Schon Kirchner habe vor Jahren auf das eigentümliche Zu¬
sammenfallen schwerer Genickstarreepidemien mit Gruben¬
gegenden hingewiesen; es sei am Platze, zu betonen, dass der¬
artige Erwerbsverhältnisse und gleichfalls derartige schwere
Seuchenausbrüche in vielen anderen Gegenden Deutschlands
bisher völlig fehlten.
Aus den Darlegungen von Bruns und Hohn sodann
scheine man folgern zu dürfen, dass bei an sich flauen Epi¬
demien auch die Keimübertragung auf Gesunde eine wesentlich
geringere sei, als bei schweren Seuchenausbrüchen.
Alles in allem sieht der Vortragende in der besprochenen
Hamburger Epidemie eine infolge bestimmter Gründe durch
geringere Heftigkeit hinsichtlich der Erkrankungen, wie der
Keimverbreitung ausgezeichnete besondere Erscheinungsform
der Meningitis epidemica.
^Diskussion: Herr Herford -Altona wendet sich auf Grund
der bei der gleichzeitigen Altonaer Epidemie gemachten Erfahrungen
gegen Herrn Trautmanns Annahme, dass man Beziehungen
zwischen der geringen Zahl der gefundenen Kokkenträger und dem
milden Charakter der Epidemie annehmen könne. In Altona haben
sich zunächst mehr Kokkenträger nachweisen lassen (von 192 Ge¬
sunden 46 Keimträger = fast 24 Proz.), aber es wären hier — und
das gilt wohl auch für von anderen Untersuchern berichtete niedrige
Zahlen — vielleicht viel mehr gefunden worden, wenn jedesmal die gün¬
stigsten technischen und zeitlichen Bedingungen bei der Untersuchung
vorhanden wären. H. glaubt aus verschiedenen Gründen, dass die
Keimträger viel zahlreicher sind, als manche Untersucher es an¬
nehmen; ähnlicher Ansicht scheine auch Flügge nach seinen aui
der vorjährigen Bremer Sitzung des Vereins für öffentliche Gesund¬
heitspflege aufgestellten Thesen zu sein. Dass sehr viel Leute aus der
Umgebung die Kokken aufnehmen müssen, geht z. B. aus der leichten
Uebertragbarkeit von Mensch zu Mensch hervor, die die Bakterien
der oberen Luftwege überhaupt besitzen: man kann bei vielen Unter¬
suchungen eines zusammengehörigen Kreises feststellen, dass bei
einem solchen die Bakterienflora des Nasenrachenschleims eine auf¬
fallende Gleichartigkeit besitzt. Dieselbe Beobachtung berichtet auch
v. Lingelsheim in einer neueren Arbeit über die Aetiologie
der Genickstarre. Daraus kann man aber schliessen, dass auch patho¬
gene Bakterien, und so auch die Meningokokken, sich mehr oder
weniger gleichmässig auf die Glieder eines Kreises verteilen werden.
Auch Beobachtungen in Altona sprechen für diese leichte Uebertrag¬
barkeit, z. B. hatte ein Mann lediglich beim Umbetten einer Patientin
Meningokokken akquiriert, eine andere Möglichkeit war nicht nach¬
zuweisen.
Die Ursache, dass bei dieser anzunehmenden weiten Verbreitung
der Kokken die Befunde der einzelnen Untersucher so sehr von ein¬
ander ab weichen und zum Teil so gering sind, ist zum Teil wohl auf
technische Gründe (Verschiedenheit der Nährböden, Transport¬
schädigung bei der verschiedenen Entnahme- und Einsendungsart)
zurückzuführen. Zum Teil aber scheinen die negativen Ergebnisse
auch daran zu liegen, dass ein Teil der Keimträger die auf genom¬
menen Kokken schon nach kurzer £eit wieder ausschefdet oder ver¬
nichtet. Wenn nun ein Krankheitsfall, wie dies ja nicht selten ist, erst
spät zur Meldung gelangt und man nun erst auf Umgebungsunter¬
suchungen auszieht, so ist es wohl denkbar, dass einige der unter¬
suchten Personen die Kokken zwar beherbergt hatten, aber sie zur
Zeit der Untersuchung bereits wieder ausgeschieden und bewältigt
haben. Hierfür sprechen eine Reihe von Nachuntersuchungen, die
H. vorgenommen hat, aber auch epidemiologische Beobachtungen:
es kommt nicht selten vor, dass man bei denjenigen Personen, die
in die nächste Berührung mit den Erkrankten gekommen sind,
also z. B. den pflegenden Müttern, den Geschwistern, die mit den
Kranken in einem Bett geschlafen haben, so auch bei dem Pflege-
und Wartepersonal der Genickstarresäle, die Kokken vermisst,
während Personen, deren Berührung mit den Kranken eine viel ent¬
ferntere war, sich als Kokkenträger zeigen. Man kann kaum an¬
nehmen, dass bei der schon erwähnten Leichtübertragbarkeit die
näher stehenden Personen gerade leer ausgegangen sind, während
die entfernteren die Kokken aufnehmen. Viel näher liegt nach den
vorher erwähnten Beobachtungen über die teilweise kurze Dauer der
Kokkenbeherbergung die Annahme, dass auch diese Personen die
Kokken aufgenommen hatten, aber zur Zeit der Untersuchung nicht
mehr Träger sind. Für die Aufnahme als solche müssen doch alle
Menschen gleich disponiert sein, wenn es auch verständlich ist, dass
nicht bei allen die Kokken gleich lange haften. Auch Herr Traut-
mann erwähnte, dass in Hamburg nur etwa bei der Hälfte der
Träger die Kokken längere Zeit nachzuweisen waren.
Darnach kann man wohl annehmen, dass auch die Hamburg-
Altonaer Zahlen gegen die Wirklichkeit zu niedrig sind, und H. glaubt
deshalb nicht, dass man die Niedrigkeit der Zahlen in Zusammenhang
mit der Milde der Epidemie bringen darf. Diese Milde der Epidemie
scheint ihm eher an den allgemein epidemiologischen Verhältnissen
der Grossstadt zu liegen; grosse Anhäufungen von innig verbundenen
Massen bei der Arbeit, die noch dazu unter ungünstigen gesundheit¬
lichen Bedingungen stehen, wie dies z. B. für die Grubenbezirke zu¬
sammentrifft, kommen hier nicht vor, so dass hier keine AUgemein-
disposition vorhanden ist, die zur Massenverbreitung führen könnte.
Bei der von Czaplewski erwähnten kleinen Epidemie in Köln
scheinen ungefähr gleiche epidemiologische Verhältnisse vorzuliegen.
(Autoreferat.)
Herr Thost: Die Mitteilung des Vortragenden, die Zahl der
Keimträger und die Mortalität bei der Hamburger Epidemie sei eine
bedeutend geringere, wie bei Epidemien an anderen Orten, namentlich
bei den im rheinischen Kohlenrevier beobachteten, hat mich sehr
interessiert. Auch ich glaube, dass eine Verschiedenheit in der Be¬
schaffenheit der Schleimhäute der oberen Luftwege hier im Norden
mit Schuld ist. Wir haben hier mehr hypertrophische Schleimhäute
und dann wegen der vielen Niederschläge weniger Staub. Unser
Boden ist feucht und viel sumpfig, während Kalk- und felsiger Boden
mehr Staubteile liefern, namentlich in Kohlenrevieren, die kleine Ver¬
letzungen der Schleimhäute setzen. Durch diese kleinen Schleimhaut¬
läsionen dringen diese Infektionskeime an anderen Orten leichter
in das Gewebe ein.
Wenn trotz der hier so häufigen Hyperplasie des lymphatischen
Rachenringes Infektionen hier seltener, die Epidemien leichter sind,
so kann das daran liegen, dass durch das reichlichere Sekret die
Keime eher mit weggespült werden und zweitens daran, dass bei
der so häufig verlegten Nasenatmung die Keime überhaupt nicht so
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MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1^52
häufig an die Prädilektionsstelle der Infektion, in den Nasenrachen¬
raum, gelangen.
Herr Reiche weist darauf hin, dass nach der herrschenden
Ansicht erkrankte Kinder nur wenig fiir die Ausbreitung der Menin¬
gitiskeime in Krage kommen, vorwiegend aber erkrankte Erwachsene.
Vielleicht mag eine Sonderung der Beobachtungen nach diesem Ge¬
sichtspunkt die Differenz in der von Herrn Traut m a n n und
anderen Autoren gefundenen Häufigkeit der Meningokokkenträger in
der Umgebung (jenickstarrekranker erklären. — Sodann fragt er,
ob bei den zahlreichen Untersuchungen des Hygienischen Instituts
von meist wegen Diphtherieverdachtes eingesandten Rachcnschieim-
abstrichen allerverschiedenster Provenienz auch einmal Meningo¬
kokken ohne Beziehungen zu Meningitiskranken gefunden sind analog
der von Hü bene r und Kutscher gemachten Feststellungen.
Herr S c h r ö d e r - Altona: Die Genickstarre hat im Jahre löb7
in Altona verhältnismässig grossere Verbreitung angenommen, als in
Hamburg, es erkrankten 33 Personen, von denen 24 starben. Die Er-
krankungsgefahr ist für die Umgebung nicht gross; die meisten halle
kamen in kinderreichen Familien und engen, ungünstigen Wohnungen
vor, trotzdem wurden nur 2 mal je 2 Fälle in einer Familie beobachtet,
bei denen auch noch mit der Möglichkeit einer gleichzeitigen In¬
fektion gerechnet werden musste Ein an Genickstarre erkranktes
Kind mit wenig ausgesprochenen Krankheitserscheinungen lag
wochenlang, bis die Krankheit erkannt wurde, in einem dicht be¬
legten Saal des Kinderhospitals, ohne dass andere Kinder erkrankten,
ähnliche Fälle sind auch jetzt wieder beobachtet worden. Die Um¬
gebungsuntersuchungen sind in mancher Beziehung gewiss interes¬
sant, aber praktisch haben sie zur Zeit für die Bekämpfung der
Genickstarre wenig Wert, weil wir keine gesetzliche Handhabe be¬
sitzen, die Keimträger abzusondern oder dem Verkehr fernzuhalten.
Da die Untersuchungen sehr zeitraubend sind, fuhren wir sie jetzt
nicht mehr, wie im vorigen Jahr, bei der ganzen Umgebung der
Erkrankten aus. sondern beschränken uns auf die Schulkinder, die
wir, wenn sie Keimträger sind, vom Unterricht ausschliessen lassen.
Interessant ist es, dass wir bei den Umgebungsuntersuchungen bei
den Keimträgern leichte Erkrankungen gefunden haben, die wir wohl
als Abortivfälle der Genickstarre ansehen müssen. So erkrankte ein
junges Mädchen, das ein an Genickstarre erkranktes Kostkind ge¬
pflegt hatte, plötzlich an Erbrechen, starken Kopf- und Nacken-
sehmerzen, war aber am andern 'läge schon wieder ganz. wohl. In
gleicher Weise erkrankte eine Frau, die ein an Genickstarre er¬
kranktes Kind einer Nachbarin in ihrem Umsehlagetuch ins Hospital
gebracht hatte. Auch jetzt habe ich wieder ein 12 jähriges Mädchen
gesehen, bei der wir Meningokokken im Nasenrachenschleim festge¬
stellt hatten und die bald darauf tagelang an Kopf- und Rücken-
schrnerzen litt, auch körperlich etwas verfiel, ohne bettlägerig zu
werden. Vielleicht sind solche Fälle, die, wie gesagt, wohl als
Abortivfälle der Genickstarre anzusehen sind, auch in Hamburg bei
den Umgebungsuntersuchungen gefunden worden. (Autoreferat.)
Herr Engel m ann; Ich möchte den Herrn Vortragenden fragen
bezüglich der Befunde Westenhöfers und v. L i n g e I s h e i m s,
ob die Mandeln sich in akut-entzündlicher Schwellung befanden
oder ob es sich um eine chronische Hyperplasie resp. Hypertrophie
handelte? Die ausführlichen Arbeiten der Autoren hierüber
kenne ich nicht — sondern nur die Gesellschaftsberichte. - Wie die
Herren wissen, hat die Frage für mich ja ein ganz spezielles Interesse,
denn wir haben uns ja schon seit Jahren darüber hier — besonders
in der biologischen Gesellschaft — unterhalten, ob man die erkrankten
Mandeln bei den verschiedenen Infektionskrankheiten wirklich als
Eingangspforte ansehen soll oder nicht. Bei manchen Anginen glaube
ich das bestimmt verneinen zu können, dass die Mandeln primärer
Sitz der Erkrankung sind z. B. öfter bei Otitiden und deren Neben¬
höhlenerkrankungen. Neulich hat Barth in der Deutschen medi¬
zinischen Wochenschrift auch mit aller Entschiedenheit den Stand¬
punkt vertreten, dass die Mandeln u. a. als Ausscheidungsorganc für
die Keime dienen.
Vielleicht äussert Herr Trautmann sich dazu.
Dass Herr T ho s t die grossen Mandeln jetzt dnc|) gewisser-
massen als Schutzorgan dienen lässt, hat mich sehr interessiert. Da
werden wir vielleicht doch noch Zusammenkommen in unseren An¬
schauungen. Nicht beipflichten kann ich ihm bezüglich des Staubes
in Hamburg. Hier wirkt der vom Hafen kommende Russ, wie anders¬
wo die Kohleteilchen und der Staub. Der Hamburger chronische
Schnupfen schwindet, wenn man 2 3 Tage in reiner Luft ist und
statt 1 2 Taschentücher braucht man keins. Und je nach der Wind¬
richtung vom Hafen her, sieht man, wie in den betreffenden Stadt¬
teilen der Nasenschleim schwarz wird und dann in dem Bezirk die
Katarrhe gehäufter auftreten.
Herr T raut in a n n (Schlusswort): Im Schlusswort fasst der
Vortragende zusammen, dass die von den Herren Diskussionsrednern
initgetcilteri Bemerkungen offenbar durchaus geeignet seien, seine
Anschauungen zu stützen. Die Keimträgerzahlen in Altona und Köln
Konnten keinerlei Vergleich aushalten mit den hohen Werten der
schlesischen und rheinisch-westfälischen Epidemie. Die etwas höheren
Weile Altonas dürften sich abgesehen von manchmal erst später
Verlegung der Kranken, teilweise durch Aussaat der Altonaer Rachen¬
abstriche unmittelbai nach Entnahme erklären, ein Vorgehen, das.
No. A7.
wie im Vortrag bemerkt, in Hamburg nicht habe stuttimden koimen.
(Vor endgültiger l rteiifaliung Ware auch notig, die \ erteiiirigsver-
haitmsse der Keimträger in den ['.muhen zu kennen.» Herrn 1 ii o s t s
Gesichtspunkt einer disponierenden \erietzuiig der Seine imhaute Sei
nioglicherw eise \on hoher Bedeutung. Ein Hinweis, ob es sich um
erkrankte Kinder oder Erwachsene gehandelt habe, die Herr R e i c h e
vermisse, Sei Wohl von geringerer Bedeutung im Hinblick daran:,
dass auch der erkrankte Erwachsene nur eine untergeordnete V er¬
breit ungsqueile darsteiie.
Naturwisserochaftl.-medizinische Gesellschaft zu Jena.
(Sektion für Heilkunde.)
Sitzung v t> m 9. Juli F>"S.
Herr Lommel berichtet iibcr experimentelle Unter¬
suchungen über das Flimmerepithel der Respirationsorgane.
Die Versuche betraten Säugetiere (Hunde); da mir die ronna!
ernährte Schleimhaut optimale Leistungen aulweist, wurde nur
an der in situ befindlichen Schleimhaut beobachtet. Als Muss
der Leistungen diente der Transport aufgebrachten Staubes.
Dabei konnte eine ganz ausserordentliche mechanische Lei¬
stung des Epithels und eine sehr rasche Selbstreinigung der
Luftwege zahlenmässig festgestellt werden. Zur Beobachtung
kamen ferner pathologische Zustande der Luftwege. Die
Mimmerung erwies sieh als sehr resistent gegenüber ver¬
schiedenen Schädigungen. Hei akuten EutzimJürgen bestand
keine Beeinträchtigung, eher eine Anregung. Kokain erzeugte
eine vorübergehende Herabsetzung der Leistungen. Eine sehr
schwere Beeinträchtigung der Elmmierw irkung konnte durch
Alkoholvergiftung erzeugt werden. (Wird ausführlicher im
deutsch. Arcli. i. klm. Medizin [ungeteilt werden.)
Diskussion: Herr W i t t m a a c k : Zur Ergänzung der
L o m m c I scheu l iitersucliimyvii weist Wittmauck daran! hm.
dass auch die klinischen Beobachtungen am I'iimmerepitiiel der
Nasenpolypen dafür sprechen, dass bei cnt/midiicher Reizung der
Schleimhaut zunächst eher eine Steigerung der '1 atigkeit der ein¬
zelnen Ehmmer/elle. als eine Abschw aehurig derselben ertolgt. Auf
die ausserordentliche l.ehcnseiiergie des I nmnierepithels der Naseri-
polypen haben vor allem selmn (irawitz und Busse auimerk-
sarn gemacht. Man kann sich hiervon mich dadurch ubcrzeuv.cn,
dass man Zupfpraparale vom I iimmerepitiiel eines Nase npoi\ pen
am besten im Nasenschleim selbst unter der feuchten Kammer be¬
obachtet. f ast regelmassig bleibt zirka 2 mal 24 Munden 'lang die
Elimmerbew egung wenigstens an einzelnen Zeilen bestellen: m be¬
sonders günstigen Lallen konnte sie an einzelnen /.eilen sogar 3 bis
4 mal 24 Stunden lang beobachtet werden. I tir -die \ oi in. geiide n
Betrachtungen sind aber besonders wichtig mul interessant die ver¬
gleichenden Untersuchungen zwischen dem Verhalten der
Blimmcr/cllcn der normalen Schleimhaut und dem der Nasenpolv pen.
Hierbei zeigte sich nämlich, dass das I hfimsei cpitlic! eine s Nasenpcv pen
durchschnittlich eine weit grossere Eehcnscncrgie erkennen lasst, als
das der normalen Schleimhaut -- eine latsache. die für die frage
nach der Genese der Pole peil beachtenswert erscheint. W. ist näm¬
lich aut Grund dieser Beobachtungen zu der l chcr/cugung ge¬
kommen. dass der Ausgangspunkt für die Entwicklung des I’oiv peil
nicht im siihcpithehalcn Bindegewebe zu suchen ist. wie dies nach
der pathologisch-anatomischen Bezeichnung der l’olvpen ais M\ \<»-
fibrome zu schliessen allermeist angenommen wird, sondern dass
der erste Anstoss zur Entwicklung des H.-ixpeti zu suchen ist m der
A r b e i t s h y p e r t r o p hie des I Uüimei epithe !s selbst, die iukIi
allgemein bekannten entw icklungsgescliichthchen Prinzipien zur hal¬
ten- be/.w. Zotteiibildung der Selbe tttjhaut fuhren muss. Das Um¬
wachsen dieser „Zotten" zum gestielten Timmr mt lediglich als
sekundärer durch die engen anatomischen Verhältnisse im mutieren
Nasengang bedingter Vorgang auf/ufassen. Demnach gehört dir
Polyp pathologisch-anatomisch nicht m die Gruppe der Bindc-
gewebsgeschw niste, sondern in die der gutartigen Ipitheii.il-
gescliw niste und wäre in Parallele zu setzen den Papillomen und
spitzen Kondylomen der < (bei haut.
Herr Grober zeigt Kaninchenlcbcrn. die er von Tieren, die mit
Adrenalin behandelt worden waren, gewonnen hat. Diese Organe
lialren makroskopisch fine entfernte Avhnächkcit mit znrln-nschen
Lebern. Ibis histologische Bild, das ebenfalls demonstriert wird, er¬
gibt aber den Befund einer erheblichen Mammg m den portalen Ge¬
lassen und m den Läppchenkapiliar eil. warnend div Ze-ntraiv eile nor¬
male Verhältnisse dar bietet, ledentahs nicht gestaut mt. Ausserdem
fanden sich subkapsuiare BluteXtfäV asate. gelinge Rtmd/ei.ei’mii. -
tratum um die infera/iiiosen Ge fasse und eine leichte Verdukmu
und Hockerimg der Kapsel; nirgends sah man B'dndegew e hs\\ uche-
rung. Gr. erörtert die Möglichkeiten der L' Klärung dieser 1 b. mude :
Zclldegenerationen. Kapiüarw ajkiv er.inde • i v m..e n und multip’e Ihrmu-
bosieruiigen resp. Infarzierungen, für die ndi aber ein positiver Be¬
fund in den Organen nicht auffinden licss.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15. September 1908.
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
1953
Herr Bennecke stellt einen 33jährigen, körperliche und
geistige Stigmata degenerationis aufweisenden Patienten vor, der
an hochgradiger, auf Lähmung beruhender Blasenerweiterung und
Urinverhaltung leidet. Der Kranke bemerkte sein Leiden zufällig, als
er bereits im Alter von 23 Jahren stand, obgleich die Ursache und
damit wohl auch die ersten Anfänge desselben sich durch die An¬
amnese bis in seine früheste Kindheit zurückführen lassen. Von
frühester Jugend an bis etwa zum 20. Lebensjahre war er Bettnässer
und wurde deshalb oft und streng von seinen Eltern bestraft; zu¬
gleich bestanden ausgesprochene Zeichen von Diabetes insipidus
mittleren Grades. Aus Furcht vor Strafe wegen des Bettnässens hat
nun der Kranke sich stets bemüht, seinen Urin möglichst lange in
der Blase zurückzuhalten, was ihm mit wechselndem Erfolge ge¬
lang, ohne dass er die langsam sich einstellende Blasenerweiterung
bemerkte. Diese ist ihm scheinbar während eines Krankenhausaufent¬
haltes in seinem 23. *Jahre zum Bewusstsein gekommen. Veranlasst
wurde letzterer durch Beschwerden allgemeiner Natur: Druck in der
Magen- und linken Nierengegend, sowie im Rücken, die wohl aus der
von Stintzing in der Diskussion, auf Grund einer früher ge¬
machten Beobachtung, gegebenen Erklärung abgeleitet werden kön¬
nen, dass es sich, um Druckatrophie der Nieren (Hydronephrosei
handelte, bedingt durch eine Rückstauung des Urins bis in das Nieren¬
becken. Für nephritische Prozesse spricht unter anderem der ortho-
diagraphisch und perkussorisch zu liefernde Nachweis einer leichten
Hypertrophie des linken Ventrikels.
Die Kapazität der Blase beträgt nachweisbar ca. 1500 ccm, wahr¬
scheinlich mehr, bis 2000 ccm. Die als vollkommen eiförmiger Tumor
durch die Bauchdecken sich erhebende Blase steht in gefülltem Zu¬
stande 2 Querfinger oberhalb des Nabels; die Menge des Resturins
betrug bei der Aufnahme 1000 ccm, nach 3 wöchiger Behandlung
700 ccm, der Blasenfundus stand handbreit bezw. 3 Querfinger breit
oberhalb der Symphyse.
Die zystoskopische Untersuchung ergab nicht die geringsten An¬
haltspunkte für das Bestehen einer Trabekelblase; die Schleimhaut
ist entzündet, mit Schleim und Eiterflocken bedeckt, besonders in
einer fast divertikelartigen, etwa apfelgrossen Ausstülpung des hin¬
teren Blasenrezessus; der linke Ureter mündet mit gut entwickeltem
Wulste, während an der Stelle der rechten Uretermündung eine fast
narbenartige Einziehung der Schleimhaut sich findet. Bei der Chro-
mozystoskopie mit Carminum coeruleum konnte während 30 Min.
nicht die geringste Farbstoffausscheidung aus beiden Uretern beob¬
achtet werden; der erste gefärbte Urin trat 3 Stunden später in dem
spontan gelassenen Urin auf, ein weiteres Zeichen für die nicht intakte
Funktionsfähigkeit der Nieren. Der Harnröhrenwulst ist gross, an der
Entzündung beteiligt und, soweit beobachtet werden konnte, starr
und nicht flottierend. Der Umstand, dass Harnblase und Bauchdecken
das Licht der Zystoskoplampe ausserordentlich deutlich durchscheinen
lassen, spricht für abnorme Dünnwandigkeit der zwecks Zystoskopie
mit 400 ccm Borwasser gefüllten Harnblase. Der Urin wird in Mengen
von 2000—3200 ccm täglich entleert, ist sauer, enthält nur Eiterkörper¬
chen und Kolibazillen, sonst keine Formelemente; sein spez. Gewicht
schwankt zwischen 1005—1001. Eingehende chemische Unter¬
suchungen sind im Gange zur Erklärung des eigentümlichen Befundes.
Zur Deutung der Blasendilatation sind die gewöhnlichen Ursachen
z. B. Harnröhrenstrikturen, Ventilverschluss der inneren Harnröhren¬
mündung und Blasensteine auszuschliessen. Es bleibt also nur die
Annahme einer nervösen Dysurie übrig, die nicht durch Muskelkrampf
am Blasenhalse, sondern durch Blasenmuskellähmung erklärbar ist.
Da sich für die bei dieser Annahme gewöhnlich ätiologisch in Be¬
tracht kommenden Krankheiten, d. h. organische Veränderungen des
Zentralnervensystems, ferner Neurasthenie, Hysterie, keine Anhalts¬
punkte ergaben, so bleibt nur die Annahme übrig, dass es sich um
eine auf willkürlicher Urinretention beruhende Blasenerweiterung
resp. Blasenlähmung handelt. Inwieweit eine angeborene Anlage und
ev. Missbildungen ätiologisch in Betracht kommen, kann auf Grund
der bisherigen klinischen Beobachtungen nicht entschieden werden. *)
Derselbe berichtet sodann über einen tödlich verlaufenen Fall
von Salzsäurevergiftung bei einem 25 jährigen Manne, der etwa 10 g
der Säure in 20 proz. Verdünnung getrunken hatte. Der Verlauf bot
klinisch nichts besonderes und schien zunächst ein günstiger zu sein,
bis am 10. Tage eine reichliche Magenblutung einsetzte, verbunden
mit einer umschriebenen, durch Verlötung des Magens mit der Leber
lokalisierten Perforationsperitonitis, die trotz angewandter Kochsalz-
Adrenalin-Infusionen und Injektionen nach 30 Stunden zum Tode
führten. Aus dem durchaus typischen Sektionsbefunde wird gefolgert,
dass die vorgeschlagene chirurgische Therapie sowohl unmittelbar
nach der Einnahme des Giftes, wie nach dem Eintritt der Blutung
wenig Aussicht auf Erfolg geboten hätte.
Theoretisch interessant ist die Beobachtung in Rücksicht auf die
neuesten Angaben Pflügers u. a. dadurch, dass sich im Urin kein
Zucker fand, obgleich auch das Duodenum bis zur Papille, wenn
auch nur leicht, verätzt war. Aufgestellte mikroskopische Präparate
vom Magen zeigen, dass die Verätzung bis in die Submukosa reicht
*) Vergl. die demnächst erscheinende Dissertation von Scharf.
und dass bereits jetzt vom Epithel erhalten gebliebener Magensclileim-
hautinseln aus ein regeneratorischer Prozess einsetzt.
Herr Stintzing spricht über die Korsakowsehe Lähmung
und stellt einen 21 jährigen Mann mit fast vollständiger schlaffer
Lähmung der Beine vor, deren anatomische Ursache erst nach
längerer Beobachtung festgestellt werden konnte. Pat. hatte am
21. No :mber 07 viele Stunden im gefrorenen Moose kniend arbeiten
müssen Am folgenden Tage konnte er sich nicht mehr auf den
Beinen I.r.lten. Am 5. Dezember kam er in die Klinik. Es bestand
die erwähnte schlaffe Paraplegia infer., die Sehnenreflexe und Haut¬
reflexe bis herauf zum Kremasterreflex fehlten. Keine Blasen-
Mastdarmstörung, Sensibilität intakt, Nervenstränge nicht druck¬
empfindlich. Pat. gab auf wiederholtes Befragen an, auch im Beginn
seines Leidens ausser Kopf- und Kreuzschmerzen keine Schmerzen
gehabt zu haben. Mit Rücksicht auf diese Angaben und das Ver¬
hältnis der Sensibilität wurde die Diagnose auf Poliomvelitis inferior
gestellt. Im weiteren Verlaufe entwickelte sich fortschreitende
Atrophie der Muskulatur beider Ober- und Unterschenkel mit Ent¬
artungsreaktion. Nur im rechten Fusse stellte sich geringe Beweg¬
lichkeit ein, sonst verlor sich nur die anfängliche Lähmung des Ileo-
psoas.
Nach etwa M* Jahr, als Vortragender bei einer klinischen Vor¬
stellung den Pat. aufs neue befragte, erzählte er im Gegensatz zu
seinen wiederholten bestimmten Angaben in der ersten Zeit seines
Aufenthaltes in der Klinik, er habe im Beginne seines Leidens der¬
artig heftige Schmerzen in den Beinen gehabt, dass er „laut hinaus¬
schreien“ musste. Dieser Widerspruch lässt sich nur erklären mit
der Annahme, dass Pat. in der ersten Periode seiner Erkrankung an
einem Gedächtnisdefekt gelitten hat. wie er der Korsakow sehen
Lähmung eigentümlich ist. Erst mit der Wiederkehr der Erinnerungs¬
bilder wurde es, da andere Symotome von Verworrenheit und Ge¬
dächtnisschwäche ursprünglich fehlten, nachträglich möglich, den Fall
richtig zu deuten und trotz des Fehlens objektiver Sensibilitäts¬
störungen als Polyneuritis mit Korsakow scher Psychose leichten
Grades aufzufassen.
Herr Relcbmann demonstriert Blutpräparate eines an Speise¬
röhrenkrebs leidenden Mannes, der am Tage der Blutentnahme an
Pneumonie des rechten Unterlappens erkrankt wat. Die bakterio¬
logische Untersuchung des Blutes und Sputums ergab Pneumokokken,
die histologische Untersuchung des Blutes eine hochgradige Leuko-
zvtose, reichlich Mvelozyten und auffallend viele Megalo- und Normo-
blasten. Differentiell gezählt fanden sich im Blute: Erythrozvten
3 004 000 (Hämoglobin nach Gowers 40 Proz., daher F.J. 0,66).
Gesamtzahl der kernhaltigen Zellen 32 800, worunter
82 Proz. neutrophile Leukozyten,
6.8 Proz. Lymphozyten,
6.1 Proz. Myelozyten,
1,6 Proz. Uebergangszellen,
1.3 Proz. eosinophile Leukozyten und
2.1 Proz. Megalo- und Normoblasten.
6 Wochen später, nachdem Patient sich von der Pneumonie er¬
holt hatte und schon längere Zeit fieberfrei war, hatte sich das Blut¬
bild wesentlich verändert. Jetzt wurden gezählt:
Erythrozvten 3 412 000 (Hämoglobin nach Gowers 45 Proz.,
daher F.J. 0,66).
Gesamtzahl der kernhaltigen Zellen 15 800, worunter
83 8 Proz. neutrophile Leukozyten,
13.0 Proz. Lymphozyten,
1.8 Proz. eosinophile Leukozyten,
1.3 Proz. Myelozyten.
0,8 Proz. mononukleäre Leukozyten und Uebergangs¬
zellen.
0,25 Proz. Normoblasten (Megaloblasten?).
R. nimmt an, dass nur durch die Gegenwart des Karzinoms, das
wie aus der Klopfempfindlichkeit des Brustbeins und der oberen Brust¬
wirbel zu schliessen ist. bereits Knochenmetastasen gesetzt, also das
Knochenmark nrimär geschädigt hat. die Pneumonie zu der oben
beschriebenen Ueberschwemmung des Blutes mit embryonalen Blut¬
zellen geführt hat.
R. erwähnt zum Schluss, dass derartige gemischte Blutbilder bei
Knochenkarzinosen auch ohne sekundäre Schädigung des Knochen¬
markes beobachtet werden, und dass früher diese Fälle aus dem Vor¬
kommen von Myeloblasten im Blute fälschlicherweise für echte
perniziöse Anämien gehalten worden sind.
Herr Wlttmaack: Demonstration eines grossen, tiefgreifen¬
den Defektes in der linken Warzenfortsatzgegend bei einem 69jähr.
alten Mann, der zur Verstümmelung der Ohrmuschel und Umwand¬
lung derselben in eine gestielte Appendix* und zu tiefgreifenden
Knochennekrosen mit kompletter Fazialislähmung geführt hat. In
der Tiefe des Defektes liegt stark belegt und verdickt die Dura mater
der mittleren Schädelgrube frei. Bei Einweisung des Patienten wim¬
melte die grosse Wundhöhle von Fliegenmaden, die sich besonders in
den ausgedehnten Knochennekrosen festgesetzt hatten. Diagnose
schwankt zwischen Kankroid (Ulcus rodens) und tertiärer Lues.
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1954
MUENCHENER MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37.
Medizinische Gesellschaft zu Magdeburg.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung am 30. April 1908.
Vorsitzender: Herr Unverricht.
Herr Völsch demonstriert 1. einen Hirntumor (ependymärcs
(iliom des 4. Ventrikels). Der Bericht über den Fall erscheint aus¬
führlich im Neurolog. Zentralblatt.
2. einen Fall von eigenartiger Schreibstörung (perseverative
Paragraphle).
Ein 9 jähriger Junge mit ausgesprochener, massiger Imbezillität
und einigen somatischen Degenerationszeichen, der hier schon ein¬
mal kurz von Herrn Dr. Rüder erwähnt und dem Vortragenden
überwiesen wurde, zeigte in letzter Zeit eine merkwürdige Storung
beim Diktatschreiben. Aus den Diktaten seien einige Proben mit¬
geteilt (links richtiger Text):
Anton war ein Knabe.
Er hat Sprenkeln gemacht.
Darin hat er ein Vögelchen ge¬
fangen.
Dem Vögelchen war ein Bein
zerschlagen.
Wir werden nie ein Tier quälen.
Der Winter war kalt.
Die Vögel haben kein Würmchen
und kein Körnchen gefunden.
Da brauchten die Vögel keinen
Hunger zu leiden.
u. s. w.
Anton war ein Knabe.
Er hat Sprenkaln gemäht.
Darnin hat er ein Vgniah hau.
Viingah hen fen häufen.
Wir gehnt hen fen hen.
Der Wint war kalt.
Die Vogel heu ein hau seu und
ein feu sau heu.
Rimter hat feu heu fu du und heu
heune die haben.
Der Junge liest Zahlen, Buchstaben, einzelne Silben, wie:
der, hat, einen, war usw. prompt, bei etw'as längeren Worten versagt
er durchaus: Hund, Monat, vier, fällt etc. Beim Abschreiber! (von
Gedrucktem und Geschriebenem) sieht er, wie sein Lehrer, Herr
Hennel, festgestellt hat, zw'ar häufig nach der Vorlage, prägt sich
aber doch ganze Silben ein, malt also nicht nur ab (z. B. A-ber).
Zum spontanen Schreiben ist er nicht zu bewegen. — In dem Diktat
fällt auf, dass die Wortverunstaltungen sowohl im Laufe des ein¬
zelnen Diktats, als in der Reihe der Diktate zunehmen. Es scheint,
als ob hier gewisse, oft geübte Buchstabenkomplexe (hen. fen) schon
zu festen Symbolen verbunden sind. Bei der Analyse der Wort¬
bilder in einzelne Buchstaben oder solche Buchstaben komplexe, resp.
(beim Lesen) bei dem entsprechenden synthetischen Prozess macht
sich die Störung bemerkbar, die V. für durchaus dynamisch, funk¬
tionell hält. Sie lässt sich in Analogie setzen mit gewissen Störungen
des Handelns, und zwar der Form der Apraxie, die Liepmann als
ideatorische bezeichnet. Eine grosse Rolle spielt die Neigung zur
Perseveration („intentioneile P.“); der Patient nerseveriert von Wort
zu Wort, von Satz zu Satz, von Diktat zu Diktat. Vielfache Anti-
ziptionen von Wörtern und späteren Sätzen — die Diktate sind
vorher durchgesprochen! — lassen sich vielleicht auch so deuten,
weisen jedenfalls auf eine schwere Aufmerksamkeitsstörung hin. V.
möchte die Erscheinung als einen partiellen Ermüdungszustand des
Gehirnes auffassen; dafür spricht auch die zeitliche Verteilung ihres
Hervortretens. Sie allein der Debilität zur Last zu legen, scheint V.
bedenklich; wahrscheinlich handelt es sich um eine Insterische Er¬
scheinung. Immerhin kann auch die Möglichkeit, dass man es mit
„einem ersten, im frühesten Alter erfolgten Schub der Dementia
praecox“ (Kräpelin) zu tun hat. nicht ganz bestritten werden.
Herr Schreiber berichtet über seine Erfahrungen mit Flbro-
lysln. Sehr gute Erfolge sah er bei Oesophagusstenosc. Strikturen
der Harnröhre, bei PeritonealadhäsioiTen, Pleuiitis, Epididymitis
gonorrhoica und parametritischen Narben, sowie bei der Behandlung
der chronischen Arthritis. Injiziert wurde wöchentlich zweimal, nach
15 Injektionen wurde eine längere Pause gemacht und dann eventuell
von neuem begonnen. Da das Fibrolvsin die Narben nur aufweicht,
so ist selbstverständlich eine mechanische Dehnung derselben durch
Sondenbehandlung. Massage und durch orthopädische Hebungen bei
Gelenkcrkrankungen durchaus erforderlich. Bei den Gelenkerkran-
kungen wurden nebenher auch Salizvlpräparatc und Wärme an¬
gewandt. Keine nennenswerten Erfolge wurden erzielt bei der Be¬
handlung von Leberzirrhose, in Fällen von Pneumonie mit ver¬
zögerter Lösung, sowie bei Erkrankungen des Zentralnervensystems
(Tabes und multiple Sklerose).
Eine ausführliche kasuistische Mitteilung wird später ander¬
weitig erfolgen.
Diskussion: Herr Kretschman n: In der Ohrenheilkunde
ist das Fibrolysin seiner Wirkungsweise nach angezeigt bei Er¬
krankungen, in denen die Schwerhörigkeit durch Bildung von Narben¬
strängen hervorgerufen wird. Auch hier muss neben der Fibro-
lvsinbehandlung eine mechanische Behandlung Platz greifen. Die
Diagnose, ob es sich lediglich um Birulegewebsncnbildung, z. B. an
den Fenstern handelt, oder ob dort ossifizierende Prozesse Platz ge¬
griffen haben, ist kaum immer mit Sicherheit zu ste'len. Deswegen ist
aus einem Mangel des Erfolges nicht eine Unwirksamkeit des F'ibro-
lysins zu folgern. Als Prüfstein für das Mittel gelten am besten
solche Fälle, die ergebnislos bei einer rem mechanischen Behandlung
geblieben sind, bei denen aber eine erneute Behandlung, verbunden
mit Fibrolysineinspritzungen deutliche Ei folge gezeitigt hat. Ich ver¬
tilge über einige derartige Falle. Am günstigsten scheint die W .r-
kung zu sein bei kallosen Slriktureu aer ’luben. In voller nicht
zu sondierende Eustachische Rollten gelang die Finfnhrung der
Bougie nach einigen Ethi o!\s.niniektamen.
Herr Habs empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen die pro¬
phylaktische Anwendung des Eibmix sin Er w .1! I .brolwn an¬
gewendet wissen m den Füllen, wo Narbenschrumptimg oder d.e
Bildung von Adhäsionen zu befurchten ist. so in der Nachbehandlung
von Laparotomien, besonders falls wegen entzünd'.».her Atfckt. men
operiert wurde, und weiter bei ausgedehnten \ erbrehwurgen und
oberflächlichen Substanz Verlusten der Haut. Her wurden durch
FibrolyMiibchaiKÜUMg sehr weiche, dehnbare Narben selbst nach
ausgedehntesten Substanz Verlusten crzieit.
Nürnberger medizinische Gesellschaft und Poliklinik.
(Offizielles Protokoll.)
Sitzung v o m 7. M a i
Vorsitzender: Herr F I a t a u.
Herr Stiuder spricht über Rekto-Romanoskopic: Ausgehend
von der Geschichte der Fndosko-prc des Rektums, die sJum zu
H i p p o k r a t e s‘ Zeiten geübt wurde, zeigt der Vortragende eine
reichhaltige Sammlung alter und neuer Rektoskope. Die bis zur An¬
fertigung langer röhrenförmiger Spekula und 1ms zur Anwendung
iles elektrischen Lichtes als Lenehtkorper für die Spiegelung de r
Schleimhaut des Mastdarms in Verwendung gekommenen zwei- und
mehrblättrigen Spekula dienten nur zur Besichtigung der Pars
perinealis und sphmeteriea des Afters, höchstens zum Finbluk m die
untersten Teile der Ampulle. Fs ist demnach lediglich das Verdienst
der letzten d Jahrzehnte, speziell von Otis und K e I I v. Fw a I d.
Schreiber etc. eme Technik und Methodik der Spiegelung des
Mastdarms und des unteren Schenkels der Sigmaschleite aus¬
gearbeitet zu haben. Erst die Tatsache, dass es mogii Ji ist. den „in
den Eettmassen des Beckenausganges gut verschieblich emgclagcrtcn
Sphinkterteil des Rektums nach allen Teilen leicht zu verschieben“
und so bis zu dn 40 cm des Darmmnern zu besichtigen, hat die
Methode der Endoskopie zu einem notwendigen Bestandteil
einer wirklich vollkommenen Untersuchung des untersten Darm¬
abschnittes gemacht. Repräsentiert d«>ch dieser Teil des Mast- und
Elexurdarms eine Prädilektionsstelle fur die meisten Erkrankungen
des Pickdarms (Karzinom. Geschwür* verschiedenster Actiotogic.
Fisteln, Katarrh etc.) und entspricht am eventricrtcri Darme der
immerhin sehr respektablen Strecke von ca. So cm (nach Schrei¬
ber). Die Anwendung der Rektoskopie soll niemals die Digitabmter-
siichtmg verdrängen, sie stellt lediglich eme Ergänzung derselben in
den Teilen des Mast- und Dick dar ms dar. welche der Palpation mebt
zugänglich sind, berichtigt Täuschungen des Paipationsbctundcs und
gibt Aufschluss über I.ageVeränderungen und Schletmhauterkran-
kungen oberflächlicher Natur, die mit dem Finger nicht annähernd
gleich sicher zu erkennen wären, endlich macht sie die recht wenig
schone, aber in vielen Fallen schädliche und zudem irreführend??
Sondierung im Dunkeln unnötig. Die Fnduskopie vermag Aufklärung
zu geben uber die Beschaffenheit mul das Aussehen der Schleimhaut,
die Digitaluntersuchung orientiert den Untersucher über die Aus¬
dehnung des Krankheitsprozesses in die Tiefe, über die Grosse des
Infiltrationsbe/irkes. uber peri- und paraproktitische Prozesse, nber
Verlotung mit der Umgebung, speziell dem Stcisshiin. Die Unter¬
suchung ist in ihrem technischen Teile für den eimgermassen Ge¬
übten leicht, namentlich mit dem H e r z s t e i n sdicn Rektoskop.
das durch das Ca spar sehe Panclcktroskop am distalen Ende
armiert wird, oder mit den neueren Romanoskopen muh Strauss
oder Laws, die einen kleinen I ichttraccr am proximalen Ende, ein
freieres grosses Gesichtsfeld und ein I .ufterbüse zu Darmaufhülnmg
besitzen. Die Erkennung der einzelnen Erkrankungen die differen¬
tielle Beurteilung des Gesehenen mul das Arbeiten mit Instrumenten
(Kauthei isicrcn. Polvpenentfci ming etc.), erfordern viel l Übung. Ge¬
duld und Ausdauer. Nach genauer Schilderung der Anatomie des
Rektum und der Sigmasehleife. speziell der l.aee und Anordnung der
Plicae rectales, die w ichtige Prädilektionsstellen bei Gcschw iirslul-
dung darstellen, nach Beschreibung des Ganges einer rcktoskopjschen
Untersuchung, die zweckdienlich nur in der Knie-Brust-I nge
durchzufiihreii ist. kommt der Vortragende auf d is normale Bild der
eesumleri Schleimhaut im Rektoskop zu sprechen, auf den ständigen
Wechsel der Bilder ie nach der Tiefe in v ehüer man sim-mlt auf
das Sniel der füllten und Spasmen mvmmtli.